Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 58: Embrys Kummer ------------------------- Nachdem die Ränge geklärt waren, wurden die vier Wölfe wieder zu Menschen. Seth und Leah zogen sich rasch an. Embry brachte hastig ein wenig Abstand zwischen sich und Kamden und versuchte dabei krampfhaft seinen Freund nicht anzusehen. Dieser stand einfach nur da, ließ seinen Partner nicht aus den Augen und beäugte dessen Körper begierig. Bei dem Gedanken, wie gut Embry ihm gefiel, wurde der Jüngere ganz verlegen und lief rot an. Schnell knurrt er: „Lass das. Ich bin nicht schwul.“ Kamden ging auf den Kleineren zu und drehte ihn einfach um. Dann sahen sie sich tief in die Augen. Als er sich dann vorbeugte, um den anderen zu küssen, wich Embry panisch zurück. Kamden jedoch dachte gar nicht daran es dabei zu belassen. Er packte ihn an den Armen und hielt ihn fest. Der Jüngere wusste sich einfach nicht mehr zu helfen und wimmerte: „Bitte nicht.“ Augenblicklich, als hätte er sich verbrannt, ließ der Ältere los. Beide traten einen Schritt zurück. Embry wandte sich mit Tränen in den Augen ab. Das ging Jake dann doch zu weit und er wollt sich auf Kamden stürzen. Isaak stand urplötzlich neben ihm und hielt ihn auf, indem er nach seinem Oberarm griff. Mental sagte der Wächter: „Das müssen sie selbst regeln. Bitte halte dich raus.“ „Aber“, knurrte der Alpha erbost in die Verbindung zu seinem Freund. „Hätte es dir gefallen, wenn sich Sam bei uns so eingemischt hätte, wie du es gerade vorhattest? Wenn du dich auf Kamden stürzt, dann werden die beiden dir das sehr übelnehmen. Gib ihnen etwas Zeit sich aneinander zu gewöhnen. Du spürst doch ihre Gefühle. Sie müssen damit allein klarkommen.“ „Na gut“, tobte der Leitwolf und wandte sich an alle: „Essen wir erstmal, dann sehen wir weiter.“ Seine Stimme war angespannt und man hörte sein Missfallen, dennoch war das kein Befehl. Kamden sah an sich herab und realisierte offenbar erst jetzt, dass er nackt herumstand, während alle anderen angezogen waren. Rasch dreht er sich von den anderen weg und räusperte sich: „Hat jemand nen anständigen Fummel für mich? Wir wollen doch nicht, dass mich gleich alle bespringen.“ Isaak verdrehte kurz die Augen, sammelte die zerfetzte Kleidung ein und schoss davon. Einen Augenblick später war er auch schon wieder mit neuen Sachen aus den Koffern im Gang zurück. „Hier, bitteschön“, sagte er und hielt Kamden die Kleidung hin. Dieser verdrehte leicht den Oberkörper, nahm alles an sich und zog sich rasch an. Der Leitwolf mahlte mit den Zähnen und scheuchte sein Rudel in den Speisesaal. Dort erklärte er wie das hier mit dem Essenmachen funktionierte. Als dann alle mit gefüllten Tellern am Tisch saßen, beäugten die Wölfe fassungslos die seltsamen Würfel. Absichtlich hatte sich Embry so weit es ging von Kamden weggesetzt. Das gefiel dem Älteren nicht und er knurrte wütend. Als er dann aber sah wie sein Freund zusammenzuckte, schluckte er seinen Ärger runter und sagte kleinlaut: „Entschuldige.“ Jake rollte mit den Augen und lenkte ab, indem er sagte: „Ich bin auch kein Fan des Algenzeugs, aber es macht satt und enthält alles, was man braucht. Es schmeckt auch nicht schlecht, muss ich zugeben. Dennoch würde ich jederzeit das Essen von Emily dem hier vorziehen.“ Nachdenklich gab Isaak zu: „Da muss ich dir Recht geben.“ Dann zuckte er mit den Schultern und begann zu essen. Auch sein Freund machte sich über die Nahrungswürfel her, sodass die anderen ihre Scheu verloren und vorsichtig das Essen probierten. Es dauerte nicht allzu lange bis alle mit der Mahlzeit fertig. Zum Erstaunen der Wölfe waren sie wirklich satt geworden. Isaak führte sie dann in einen Wohnraum mit einigen seltsamen Sofas und Sesseln. Die Wölfe konnten nicht herausfinden aus welchem Material dies Sitzgelegenheiten gefertigt waren, aber sie waren erstaunlich weich und sehr bequem. Schnell verteilten sich alle, wobei Jake und Isaak einen Zweisitzer beanspruchten. Sofort griff der Alpha nach der Hand seines Geliebten und verschränkte ihre Finger. Auf den fragenden Blick des Rotblonden sagte er: „Ich will mich nicht mehr verstecken. Lass uns ein ganz normales Paar sein, ok?“ Isaak lächelte, beugte sich vor und holte sich einen sanften Kuss. Jake erwiderte diesen nur zu gerne. Dann wandten sich die beiden zu den anderen, welche sich ebenfalls gesetzt hatten. Embry saß ganz links, Kamden ganz rechts auf je einem Sessel. Ihnen gegenüber setzten sich Leah und Seth, welcher auf und abfederte und sich fragte, ob er sich das Innenleben des Sofas mal ansehen durfte. Ob Isaak was dagegen hätte? „Ja, Seth ich habe da was dagegen“, meinte der Wächter. „Ich würde euch bitten die Einrichtung nicht zu zerlegen. Das ist nicht gerade höflich.“ Der Jüngste der Runde wurde feuerrot im Gesicht und murmelte: „Sorry, Mann. War nur ein Gedanke.“ Isaak lächelte gutmütig und eröffnete die Fragerunde. Es dauerte länger als zwei Stunden bis keine weiteren Fragen zum Thema Wächter, Außenposten und diversen anderen Dingen mehr kamen. Der Hausherr versuchte alles, so wahrheitsgemäß wie möglich zu beantworten, ohne dabei zu sehr ins Detail zu gehen. Währenddessen achteten er und Jake auf die Gefühle und Gedanken der anderen, vor allem aber der beiden Geprägten. Anschließend standen sie im Flur vor den Gästeräumen. Schnell erklärte der Wächter noch einige Dinge zu den Zimmern und die Benutzung der KI, dann verkrümelten sich alle. Leah, die noch immer sehr misstrauisch war und vor allem den Geruch von Edward aufgefangen hatte, rauschte ihrem Bruder, sehr zu dessen Missfallen, in eines der Zimmer hinterher. Kamden hob erwartungsvoll den Blick und sah zu Embry. Dieser wandte sich mit rotem Kopf ab und eroberte sich schnell einen Raum für sich allein. Sein Freund ließ traurig den Kopf hängen und machte sich Vorwürfe, weil er zu stürmisch war und ihn küssen wollte. Er musste sich selbst zügeln und dem anderen mehr Zeit geben. Barfuß ging er in das nächstgelegene Zimmer neben Embrys und schloss die Tür. Die beiden übrigen dachten über diese Situation nach. Dann gingen sie in ihr Zimmer. Isaak war tief in Gedanken und bekam kaum etwas mit. Jake hingegen lauschte kurz dem massiven Gedankenstrom, setzte sich auf das Bett und wartete. Als der Wächter nach einer Minute immer noch abwesend dastand, knurrte er wütend und riss seinen Freund aus dessen Grübeleien. Etwas scheu sah sich Isaak um, stellte fest, wo sie waren und vor allem, dass sie allein waren. Er ließ die Schultern hängen und fragte vorsichtig: „Wie viel Ärger bekomme ich, weil ich dir nichts über Kamden erzählt habe?“ „Oh, das steht noch nicht fest“, grinste der Alpha dämonisch und winkte den anderen zu sich. Ergeben seufzte dieser und kam brav näher. Kaum in seiner Reichweite griff Jake nach seinem Geliebten und zog ihn auf den Schoß. „Bringen wir es hinter uns“, murmelte der Wächter und legte den Kopf schief. Sofort spürte er die Lippen seines Freundes am ungeschützten Hals. Anstelle zuzubeißen, küsste Jake die weiche Haut. Während er verspielt am Hals seines Geblieben knabberte, fragte er mental: „Es gibt da noch einige Dinge zu klären.“ Er ließ von der weichen Haut ab und raubte sich einen verlangenden Kuss. Zudem zog er ihn in eine enge Umarmung. Isaak legte ihm die Arme um den Hals und kraulte ihm besänftigend das Haar. „Bin ganz Ohr.“ Der Alpha gurrte und biss ihm in die Unterlippe. Dann leckte er entschuldigend darüber und räuberte den Mundraum seines Freundes schamlos. „Kannst du uns für das Kampftraining was im Holoraum bauen?“ „Ja“, stöhnte Isaak, als Jake ihm mit den Fingernägeln den Rücken verkratzte. Der Wolfsjunge achtete dabei genau darauf, auf dem schmalen Grat zwischen Lust und Schmerz zu wandern. Das er vergessen hatte dem anderen zuvor das T-Shirt auszuziehen und er dieses dabei in Fetzen riss, störte ihn nicht. „Gut, alles weitere später“, versprach Jake und bockte sich erregt gegen den Rotblonden. Plötzlich riss Isaak den Kopf hoch und bestimmte: „Jake, stopp.“ Irritiert sah dieser ihm in die Augen und knurrte dunkel auf. Einen Augenblick starrte sein Freund unfokussiert in den Raum und er begriff, dass etwas vor sich ging. „Embry!“, sagte der Wächter, befreite sich von der Umarmung und verschwand ins Bad. „Was ist mit ihm?“, fragte der Alpha mürrisch. Konnten sie nicht endlich mal ein wenig Zeit für sich haben? Musste immer jemand stören? Dennoch schwang auch Sorge in seiner Stimme mit. „Er sucht nach dir und ist gleich da“, erklärte Isaak laut durch die offene Tür hindurch. Genau in diesem Moment klopfte es stürmisch. „Komm rein, Embry“, befahl der Gestaltwandler und musste sich zusammenreißen. Immer dieseungebetenen Besucher. Dennoch wollte er unbedingt wissen, was jetzt schon wieder los war. Hastig stürmte sein bester Freund in den Raum und schloss rasch die Tür hinter sich. Er lehnte am Holz und ließ geräuschvoll den Atem entweichen. Erst dann sah er scheu auf und suchte nach den braunen Augen seines Gegenüber. „Ich hoffe, ich störe nicht?“, murmelte Embry und sah sich um. Der Wächter kam mit einem ganzen Shirt wieder aus dem Bad und sagte: „Wir werden es überleben.“ „Du vielleicht nicht“, stichelte Jake und grinste den anderen Wolf an. Embry schluckte und griff nach der Türklinke. „Entschuldige, bin schon weg.“ Schnell sagte Jake: „Was ist los mit dir? So kenne ich dich gar nicht. Das war doch nur Spaß. Na komm schon, setz dich und sag mir, was los ist.“ Er klopfte neben sich aufs Bett. „Ich weiß nicht“, stammelte der andere und sah scheu auf. „Es geht um Kamden“, erklärte Isaak ohne auf Embrys Gestammel zu achten. „Er hat darüber nachgedacht, zu Embry ins Zimmer zu gehen, da hat Embry die Flucht ergriffen und versucht sich jetzt zu verstecken. Er weiß nicht, was mit ihm los ist und will mit seinem besten Freund reden.“ Erschrocken zuckte Embry zurück. „Ich bin dann wohl das fünfte Rad am Wagen. Ich werde euch dann mal allein lassen“, sagte der Wächter und holte sich noch schnell einen Kuss. Bevor der Störenfried sich erholen konnte, hatte ihn der Wächter auch schon Richtung Bett geschoben und war entschwunden. Mental fragte Jake: „Was hast du vor? Ich dachte wir sollten uns nicht einmischen?“ „Ja, nicht von uns aus. Nun hat Embry aber um Hilfe gebeten. Das ändert die Situation. Kümmere du dich um deinen besten Freund. Ich nehme mir deinen Bruder vor.“ Jake knurrte dunkel auf und der Kleinere im Zimmer zuckte zusammen. „Beruhige dich. Ich liebe nur dich, mein Wölfchen“, flötete Isaak besänftigte. „Ich behalte euch beide im Auge“, warnte der Alpha mental. „Und ich liebe dich.“ Dann wandte er sich an Embry und sagte: „Das Knurren galt nicht dir. Isaak will mit Kamden reden, allein.“ Er schluckte und gestand mit verschränkten Armen: „Das passt mir zwar nicht, aber da muss ich wohl durch. Und jetzt setz dich und verrate mir, was los ist.“ Unsicher nahm Embry Platz. Er knetete seine Hände und starrte unsicher den Fußboden an. „Jake, ich…“, begann er leise. Der Alpha verdrehte die Augen, seufzte und setzte sich aufs Bett. Das Gespräch konnte länger dauern. „Warum hast du dich von Kamden besiegen lassen?“, fragte Jake bemüht ruhig. „Ich weiß es nicht. Als ich ihn beißen wollte, konnte ich das einfach nicht über mich bringen. Ich glaube, das war ein gewaltiger Fehler“, erklärte Embry und schluckte schwer. Dann brach er in Tränen aus und schluchzte: „Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich so gedemütigt und schwach. Bitte hilf mir, Jake.“ „Hey, ganz ruhig“, brummte der andere und tätschelte ihm sanft den Rücken. „Beruhig dich.“ Es dauerte etwas bis der Tränenstrom versiegte und Embry seufzte frustriert. „Ich bin so ein Feigling. Ich habe dem Kampf zugestimmt und verloren. Jetzt verstecke ich mich, weil ich Angst habe. Als Wolf habe ich mich ihm quasi angebiedert. Ich war so verdammt unterwürfig. Ich konnte nicht mal um meinen Rang kämpfen, dass hätte ihn verärgert. Ich weiß, dass es so gewesen wäre. Aber seitdem ich wieder ein Mensch bin und er mich küssen wollte, habe ich ihn auf Abstand gehalten. Ich bin so ein Heuchler. Ich habe mich unterworfen und nun ziehe ich den Schwanz ein. Ich verletzte ihn mit meinem Verhalten, aber ich kann einfach nicht ertragen bei ihm zu sein.“ Erneut schluchzte er: „Du verstehst mich doch, oder? Du stehst genauso da wie ich. Jake, bitte hilf mir. Ich will nicht so abartig sein.“ „Sind wir das denn?“, fragte der Leitwolf nachdenklich. „Am Anfang dachte ich auch so. Aber jetzt?“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn ich bei Isaak bin, dann bin ich glücklich. Ist es denn so verwerflich glücklich sein zu wollen?“ „Du bist der Alpha, du verstehst das nicht“, jammerte Embry. „Du musst deinen Hintern nicht hinhalten.“ Jake biss sich auf die Unterlippe. Embry war sein bester Freund und er hatte ihm immer treu den Rücken freigehalten. Sollte Jacob es ihm sagen? War er wirklich bereit dafür, so viel zu offenbaren? Er musst sich entscheiden und mit dem Resultat leben. Aber warum sollte er sich verstecken? Er war ohnehin schon der Buhmann. Warum dann noch Dinge verheimlichen, die seinem Freund vielleicht helfen konnten. Als er sich entschied spürte er wie die Erleichterung ihn durchflutete. „Ach nein?“, begann er und lächelte dabei. „Da kennst du aber meinen Freund schlecht.“ Ungläubig wurde er mit aufgerissenen Augen angestarrt. „Aber, aber er hat sich dir unterworfen!“ Der Leitwolf sah Embry tief in die Augen und gab zu: „Das war doch nur Show. Ich sagte doch schon, wir führen eine gleichberechtigte Beziehung.“ „Ich verstehe nicht.“ „Das ist eine Sachen zwischen mir und ihm. Fakt ist: Ich habe mich damit abgefunden. Ich bin zwar noch nicht bereit dieses Schritt zu gehen, aber ich bin nicht mehr gänzlich abgeneigt.“ Er seufzte frustriert: „Um ehrlich zu sein, will ich mich erstmal informieren, wie das geht. Ich will ihm keine Schmerzen zufügen und wissen, worauf ich mich im Gegenzug einlasse. Was das betrifft sind wir beide quasi noch Jungfrauen.“ „Aber, aber, ich verstehe nicht. Er hat sich dir unterworfen“, stammelte Embry verständnislos. Jake grinste. „Ja, aber ich habe mich auch schon ihm unterworfen. Die Rollenverteilung ist bei uns, wie im Rudel, nicht in Stein gemeißelt.“ „Das heißt, ich kann Kamden erneut herausfordern und wenn ich gewinne, dann bin ich der Dominate?“ Nachdenklich sah Jake seinen Kumpel an und sagte: „Ich weiß es nicht. Isaak und ich habe eine andere Art von Bindung. Moment ich frage ihn mal. Er kann das sicher beantworten.“ Leise murmelnd fügte er hinzu: „Er weiß doch immer alles, auch wenn er nicht immer alles erzählt.“ Einen Augenblick lang starrte der Alpha ins Leere, dann fixierte er Embry und grinste: „Rein theoretisch, ja.“ Dann wurde er ernst und setzte nach: „Der Rollentausch ist eine Wolfsangelegenheit. Somit könnt ihr das auch, aber im Gegensatz zu Isaak, der seine Wolfsinstinkte unterdrücken kann, wird es für dich deutlich schwerer werden Kamden zu dominieren.“ „Also ist es tatsächlich möglich. Gut, dann will ich das.“ „Bist du dir da sicher?“, fragte die Stimme des Wächters auf einmal in seinem Kopf. Embry blinzelte und fragte: „Was meinst du damit?“ „Was genau ist denn dein Problem, Embry?“ „Ich will keine Heulsuse sein und ich will meinen Arsch nicht hinhalten müssen“, knurrte der Wolfsjunge. Allein die Möglichkeit, dass er diesem Schicksal entkommen konnte, hatte seinen Kampfeswillen entfacht. Die Tür öffnete sich. Isaak, gefolgt von Kamden, betrat den Raum. Etwa eine halbe Stunde zuvor. Isaak schloss die Tür hinter sich, sah auf und fand Kamden mitten im Gang stehend vor. „Guten Abend, Schwager“, grinste der Wächter. „Schwager? Du und Jake, ihr seid verheiratet?“, staunte der Braunhaarige. Er sah dem anderen auf die Finger, konnte aber keinen Ring erkennen. „Lass uns ein Stück gehen“, meinte der Hausherr und führte Kamden in ein nahes kleines Wohnzimmer. Dort setzten sie sich gegenüber in zwei Sessel. „Also verheiratet, so wie du das meinst, sind Jake und ich nicht. Ich bezweifele, dass ich einen Antrag überleben würde. Jake ist nicht der Typ für derlei Schnulziges“, erklärte Isaak. „Aber was ist schon die Unterschrift auf einem Formular wert, im Gegensatz zu einer Seelenbindung, oder in deinem und Embrys Fall einer Doppelprägung? Eine Ehe kann man auflösen. Was wir mit unseren Partner haben, kann nicht einmal der Tod auf Dauer trennen.“ Kamden schüttelte den Kopf und fragte: „Was meinst du damit?“ „Nun ja. Es gibt so einiges, dass du noch nicht weißt. In so wenig Zeit kann man dir auch nicht alles erklären. Nur solltest du wissen, dass Embrys Tod auch der deine wäre, wie auch umgekehrt.“ „WAS?“, donnerte sein Gegenüber. „Warte, so lass mich doch erklären“, sagte der Wächter und hob beschwichtigend die Hände. „Ihr würdet nicht sofort sterben, aber du musst verstehen wie stark die Prägung ist. Seit eurer Doppelprägung hat sich so viel ereignet, dass du kaum Zeit hattest deine Gefühle zu ergründen. Fakt ist: Embry ist nun ein Teil von dir und du von ihm. Ihr seid körperlich wie auch geistigvoneinander abhängig. Stirbt Embry, stirbt sozusagen auch ein Teil von dir. Der Teil, der deinen Lebenswillen darstellt sozusagen. Du würdest von unendlicher Trauer zerfressen werden und langsam dahinsiechen bis du stirbst. Dasselbe droht auch ihm bei deinem Tod.“ „Das ist ja schrecklich. Du bist doch so ein durchgedrehter Wächter - kannst du diese Prägungen nicht aufheben?“ „Theoretisch ja, aber aus diversen Gründen, werde ich es nicht tun“, offenbarte Isaak langsam und hob einen Finger: „Allein schon deswegen, dass ihr beide füreinander bestimmt seid. Das war und ist euer Schicksal.“ „Aber warum hast du dann versucht es zu verhindern?“ „Weil es zu früh war. Die Zeit war noch nicht reif. Durch deinen zu frühen Besuch und die daraus resultierende Doppelprägung, hast du eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die erst in mehr als zwei Monaten hätte gestartet werden sollen. Glaub mir, ich bedauere sehr, dass dein erstes Treffen mit deinem Vater und Bruder so abgelaufen ist. Gib ruhig mir die Schuld. Denn im Endeffekt ist es auch meine.“ „Ich verstehen nicht“, gestand Kamden und schüttelte den Kopf. „Ich bin ein Wächter. Ein Mensch kann den natürlichen Lauf der Dinge nicht beeinflussen, ich schon. Da du zu früh hierherkamst, muss es somit meine Schuld sein. Wenn ich mal die Zeit habe, werde ich mir die Verkettungen der Ereignisse ansehen. Aber im Moment passiert so viel, dass ich an meine Grenzen stoße. So langsam verliere selbst ich den Überblick. Egal. Lassen wir das Thema. Viel wichtiger ist nun was aus dir und Embry wird.“ Kamden verschränkt störrisch die Arme vor der Brust. „Was soll mit uns sein? Ich kenne ihn ja nicht einmal.“ „Dennoch fühlst du dich zu ihm hingezogen. Du willst bei ihm sein. Wenn er sich von dir abwendet, schmerzt es dich entsetzlich. Du kannst ihm keinen Wunsch abschlagen und hast das starke Bedürfnisse ihn zu beschützen“, zählte Isaak auf. „Ich…“ „Oh, das waren keine Fragen oder Vermutungen. Ich weiß, dass es so ist. Wir sind beide Teil von Jakes Rudel. Wir sind mental verbunden. Im Gegensatz zu den anderen bekomme ich nahezu immer alles mit, was ihr denkt und wie es euch geht.“ Kamden knirschte mit den Zähnen. Diese ganze Gedankenverbindungsnummer war noch so neu für ihn, dass er noch nicht so wirklich damit klarkam. „Ich weiß, es ist viel für dich. Deshalb möchte ich es dir nicht auch noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist“, sagte der Wächter und sah dem Wolfsjungen eindringlich in die Augen. „Ich würde vorschlagen, wir lassen dieses ganze Versteckspiel und legen die Karten offen auf den Tisch.“ Er schloss kurz die Augen und seufzte schwer, dann sprach er langsam und eindringlich: „Schließ deine Augen und konzentriere dich auf deine Gefühle.“ Sofort war Kamden auf 180 und sprang wütend auf. „Mit der Esoteriknummer braucht du erst gar nicht anzufangen.“ „Genau mit diesem Verhalten jagst du Embry Angst ein“, sagte Isaak und ließ sich nicht im Mindesten beeindrucken. „Willst du, dass Embry Angst vor dir hat?“ „NEIN“, schrie sein Gegenüber und wusste selbst nicht, warum er so ausrastete. „Kamden, ich kenne dich besser als du ahnst. Ich weiß mehr über dich, als du selbst.“ „Das wage ich zu bezweifeln“, schnaubte der Braunhaarige und verschränkte die Arme vor der Brust. „Soll ich es dir beweisen?“, schmunzelte der Rothaarige. „Beweis es“, knurrte Kamden stur. Diesem Blödmann würde er jetzt mal zeigen, wo seine Grenzen sind. „Hm…, ok. Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt“, tadelte Isaak mit erhobenem Finger. „Wo fangen wir an?“, dachte er gespielt ernst nach. „Ah, ich weiß, wie wäre es mit deinem Schuhfetisch? Ist schon seltsam wie außerordentlich anregend es für dich ist ein brandneues Paar Schuhe anzuziehen.“ Er nickte gönnerhaft und sah wie Kamden Farbe im Gesicht bekam. Dann setzte er nach: „Soll ich dir deine erogenen Zonen aufzählen oder den Namen des ersten Jungen und des ersten Mädchens nennen, mit dem du geschlafen hast? Gut, also fangen wir mit deinem Bauchnabel an…“ Entsetzt riss der Wolfsjunge die Augen auf und stammelte: „Stopp. Ich glaube dir ja!“ Jeglicher Schalk verschwand aus dem Gesicht des Wächters und er bedeutete ihm sich wieder zu setzen. „Also nochmal: Schließ deine Augen und konzentriere dich auf das was du fühlst.“ „Warte“, sagte der Gestaltwandler kleinlaut und fragte: „Woher weißt du das?“ „Oh, ich war in deinem Kopf und habe mir dein ganzes Leben angesehen. Reine Vorsichtsmaßnahme. Keine Sorge. Ich werde niemandem etwas verraten, außer Jake, wenn er mich direkt danach fragen sollte“, erklärte Isaak und ließ den Kopf hängen. „Leider habe ich ihm versprochen, ihm immer die Wahrheit zu sagen und mich auch nicht rauszureden. Ich muss ohnehin noch zu Kreuze kriechen, weil ich deine Existenz verschwiegen habe.“ Mit einem schiefen Lächeln sah der Wächter auf und setzte nach: „Fairerweise muss ich aber auch sagen, dass er mich nicht gefragt hat, ob er weitere Geschwister hat. Du kannst aber beruhigt sein, dass Embry gerade zu abgelenkt ist, um zuzuhören. Zudem schlafen Leah und Seth bereits. Also hat niemand etwas mitbekommen.“ Mental hörte Isaak die Stimme seines Freundes: „Ich schon. Warte nur, bis ich dich in die Finger bekomme.“ Die Mundwinkel des Wächters zuckten und er bedeutet seinem Gegenüber endlich mit der Übung zu beginnen. Isaak betrachtete den Mann vor sich genau und sagte: „Bleib jetzt ruhig und beantworte meine Fragen einfach ehrlich, sonst bringt das hier nichts. Also: Embry hat dir als Wolf die Lefzen geleckt. Was hast du da gefühlt?“ „Ähm…“, sagte Kamden und riss die Augen auf. Er sah den strengen Ausdruck im Gesicht seines Gegenübers. Seufzend schloss er erneut die Augen. „Es hat mir sehr imponiert.“ „Ja. Außerdem hat es dir sehr gefallen, dass sich Embry dir so unterordnet und du der starke Dominate warst, der sich eine Belohnung verdient hatte“, ergänzte der Wächter erbarmungslos. „So, was fühlst du jetzt?“ Kamden mahlte mit den Zähnen. „Ich bin traurig, weil er mir aus dem Weg geht, wütend, weil er mit Jake und nicht mit mir spricht und frustriert, weil ich zu weit gegangen bin, als ich ihn küssen wollte.“ „Gut. Das war sehr gut“, bestätigte die melodische Stimme ihm Gegenüber. „Was wünschst du dir?“ „Dass er zu mir kommt. Dass ich ihn in die Arme schließen kann. Ich will ihn küssen. Ich will mit ihm…“ „Schlafen?“, fragte Isaak mitfühlend. „Ja“, fauchte Kamden aus seiner Hilflosigkeit heraus. „Öffne die Augen.“ Er tat wie geheißen. Ernst begann der Wächter zu sprechen: „So, jetzt erkläre ich dir mal ein paar Dinge. Wie Jake schon sagte, die Quileute sind nicht sehr tolerant. Um genau zu sein bekommen sie von klein auf eingetrichtert, dass alles was von „ihrer“ Norm abweicht, abartig und wider die Natur ist. Embry ist da keine Ausnahme. Er ist zwar etwas toleranter, aber er hat schlicht und ergreifend Angst vor dir und dem was du mit ihm machen willst. Du kannst das nicht ganz nachvollziehen, ich weiß, aber du musst es verstehen. Homosexualität wird im Reservat nicht geduldet. Wird jemand bei einer solchen „Perversität“ erwischt, wird er oder sie verbannt. So läuft das hier und so hat Embry es gelernt. Du bist der Dominate, deine Aufgabe ist es, dich um deinen Freund zu kümmern, also zügele dich. Du musst ihm mehr Zeit geben. Überfalle ihn nicht. Lass ihn von sich aus kommen. Wenn du hier wie ein wilder Stier auf Ecstasy rumrennst und daran denkst, was du mit ihm gerne machen willst, dann wird er panisch vor dir weglaufen. Stehst du mit offenen Armen da und lächelst ihn an, wird er auf dich zukommen. Er will genauso zu dir, wie du zu ihm. Aktuell bist du das Problem. Embry ist nicht wie du. Du musst ihm zeigen, dass er bei dir sicher und geborgen ist. Auch wenn du der Dominate bist, heißt das nicht, dass du alles bestimmst und dir nehmen darfst, was du willst. Dann wärst du ein Tyrann. All das, was ich dir gerade gesagt habe, weißt du bereits. Du musst jetzt gegen die Prägung ankämpfen. Zeig ihm dein wahres ich. Zeig ihm, dass er dir vertrauen kann. “ Kamden dachte über all das nach und ging in sich. Nun, da der Wächter ihm das alles eingebläut hatte, verstand er seinen gewaltigen Fehler. Embry war noch Jungfrau. Er hatte nie einen Freund, vielleicht nicht mal eine Freundin, gehabt. Der Braunhaarige biss sich in die Unterlippe und schlug sich die Hand gegen die Stirn. Warum zum Teufel verhielt er sich auch wie ein Psychoparth, der sein Opfer flachlegen wollte? So war er doch gar nicht. Daran musste er augenblicklich arbeiten. „Ja, das ist genau der richtige Weg“, sagte Isaak, stand auf und schmunzelte: „Komm, wir gehen zu deinem Freund. Er will dir was sagen.“ Sofort war der andere auf den Beinen und gemeinsam hetzten sie ins Zimmer zurück. Schnell traten sie, ohne anzuklopfen, ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)