Der Wächter von Drachenlords ================================================================================ Kapitel 34: Hochgeschwindigkeit ------------------------------- Dann setzten sie ihren Weg fort. Drei Gänge und einen Fahrstuhl weiter, erreichten die Gruppe das Büro des Bankleiters. Dort stand ein älterer Mann, Mitte fünfzig, und strahlte John an, als dieser antrat. Der Direktor hatte fast eine Glatze. Das wenige noch übriggebliebene Haar war grauweiß. Er trug einen teuren Anzug und war recht beleibt. „Mr. Turner, welch Freude Sie zu sehen, Sir“, schnatterte der Grauhaarige aufgeregt und schüttelte dem Broker die Hand. Die anderen ignorierte er geflissentlich. „Einen schönen guten Tag, Mr. Schmitt. Entschuldigen Sie meine Eile, aber wir haben heute noch viel vor. Haben Sie alles vorbereitet?“, fragte der Brünette freundlich, aber in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. „Selbstverständlich. Es kommt ja nicht häufig vor, dass der große Prophet einen Wunsch hat“, scherzte der Mann und ging zu seinem Schreibtisch. „Wie Sie wünschten, habe ich zwei Platin-Kreditkarten vorbereitet. Diese sind entsprechend Ihrer Vorgaben mit dem Spesenkonto 001 verbunden.“ Jake der sich ärgerte, dass der Mann sie ignorierte, knurrte ungehalten: „Und wie viel ist auf dem Konto?“ Der ältere Mann sah auf und verengte zornig die Augen. Dann sagte er hochmütig: „Das geht Sie nicht an. Ich weiß nicht einmal, was Sie hier zu suchen haben.“ Er wandte sich an den Brünetten und sagte: „Mr. Turner, dürfte ich Sie bitten Ihre Freunde hinauszuschicken? Dann könne wir alles in Ruhe besprechen.“ Schnell warf John Isaak einen Seitenblick zu und dieser sagte: „Sag es ihm, John. Ich habe echt kein Interesse daran, meine Zeit hier zu verschwenden. Wie du schon sagtest, wir haben noch viel vor.“ „Ja, Boss“, schwatzte der Broker und ihm fiel ein Stein vom Herzen. Dann wandte er sich an den Älteren, der irritiert dreinschaute. „Mr. Schmitt ich erinnere Sie vorab an die Verschwiegenheitsklausel in ihrem Vertrag. Sollte mir zu Ohren kommen, dass Sie gegen diese verstoßen, hetze ich Ihnen all unsere Anwälte auf den Hals. Haben wir uns verstanden?“ „Ja, Sir“, sagte der andere kleinlaut und schluckte hart. „Gut. Wenn ich ihnen nun vorstellen dürfte. Das hier ist Mr. Wächter, der stille Eigentümer von Tuner Industries und der Kopf hinter allem. Das hier sind Mr. Black, Mr. Cullen und Mrs. Swan. Mr. Black hat eine Vollmacht von Mr. Wächter und wird in seinem Namen sämtliche Geldgeschäfte regeln. Die beiden Karten auf dem Tisch sind für Mr. Wächter und Mr. Black. Also seien Sie so gut und beantworten Sie sämtliche Fragen.“ Herrn Schmitt ging der Mund auf und er starrte Jake an. „Das ist ein Scherz, oder?“, stammelte er und rang um Fassung. „Nein, das ist kein Scherz“, bestätigte der Geschäftsführer und hoffte, dass der andere keinen Herzinfarkt bekam. Der ältere Mann nickte und sammelte sich rasch. Dann legte er ein falsches Lächeln auf und begann: „Entschuldigen Sie Mr. Black, Mr. Wächter.“ Dann hielt er Isaak die Hand entgegen. Dieser hatte aber kein Interesse an Höflichkeiten und fragte: „Wie viel Geld ist auf dem Konto 001?“ Schnell zog der Direktor die Hand zurück und verbeugte sich. „100 Millionen Dollar, Sir.“ „Was nur?“, scherzte Jake und sah erschrocken zu John. „Verzeihen Sie, Mr. Black. Ich kann jederzeit den Salto erhöhen, wenn Sie es wünschen. Dies ist lediglich eines von vielen Konten. Sobald sie Geld abheben, wird das Guthaben automatisch wieder auf diesen Betrag aufgestockt. Auf wie viel soll ich das Konto anheben, Sir?“ „Das passt fürs Erste“, sagte der Wolfsjunge entsetzt. Wie viel Geld hatte Isaak eigentlich? „Natürlich, Sir. Haben Sie noch weitere Fragen?“ „Was ist das Kreditlimit?“, fragte Jake langsam und wusste nicht, was er noch in Erfahrung bringen sollte. Er kannte sich mit solchen Dingen nicht aus. Weder er, noch sein Vater, besaßen eine Kreditkarte. Er glaubte aber schon einmal gehört zu haben, dass diese Karten ein Limit hatten. Irritiert sah der Direkter kurz auf. Dann senkte er wieder den Blick und offenbarte: „Unbegrenzt, also maximal 100 Millionen Dollar pro Transaktion, um genau zu sein. Bei größeren Summen brauchen Sie nur anzurufen und ich erhöhe den Salto.“ Das rechte Augenlid des Wolfsjungen zuckte und er fragte mental, wobei er seine Barriere senkte. „Edward, bitte hilf mir. Muss ich noch was wissen?“ Der Vampir seufzte und fragte: „Sind die Karten versichert?“ „Ja, Mr. Cullen, selbstverständlich.“ „Wie sieht es mit der Verfügbarkeit aus, gelten die Karten weltweit?“ „Ja, überall wo Kreditkarten akzeptiert werden, können diese benutzt werden.“ „Gibt es weitere Extras?“ „Einige. Zum Beispiel eine umfassende Auslandskrankenversicherungen ist inkludiert. Sowie Reiserücktritts-, Gepäck-, Mietwagen- und Einkaufsversicherungen. Ich werde Ihnen eine Liste mit allen Extras mitgeben.“ „Gut des Weiteren hätten wir gerne 10.000 Dollar in bar. Ist das möglich?“ „Ich werde das Geld für sie herbringen lassen, Mr. Cullen.“ „Das wäre dann alles für Erste“, sagte Edward und ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. „Haben Sie noch weitere Fragen Mr. Black, Mr. Wächter?“ Jake sagte: „Nein“ und dankte dem Blutsauger schnell. Dann machte er seinen Kopf wieder dicht. Isaak hatte sich alles angehört und fragte: „Wenn alles geklärt ist, können wir dann fortfahren?“ „Selbstverständlich, Sir“, sagte Mr. Schmitt und erhob sich ächzend. Schnell ging er zu seinem Schreibtisch und legte einige Blätter hin. „Sie müssen nur noch hier unterschreiben. Zudem benötige ich jeweils eine beglaubigte Vollmacht von ihnen, Mr. Turner. Sie sind der eingetragene Geschäftsführer.“ Bei diesen Worten zog John zwei Zettel aus seiner Weste und sagte: „Habe Sie hier.“ Zu Jake und Isaak sagte er schnell: „Ihr müsst nur noch unterschreiben und alles ist erledigt. Ich habe sie bereits vorab beglaubigen lassen.“ Der Broker trat ebenfalls an den Tisch heran und breitete die Zettel aus. Dann zückte er einen Stift und sah die beiden an. Schnell trat Edward vor und fragte: „Darf ich mir das zuerst ansehen?“ Jake und Isaak sahen sich kurz an und nickten. Dann ging Edward an den Schreibtisch und las sich alles schnell durch. Zufrieden nickte er und die beiden anderen traten vor. John und der Grauhaarige zeigten ihnen, wo sie ihre Unterschriften platzieren mussten und der Direktor rief einen Angestellten mit dem Bargeld herbei. Am Ende setzten Jake und Isaak auf die Karten ihre Unterschrift und nahmen diese an sich. Zudem nahm Isaak das Bargeld und gab es an Jake weiter. Mental sagte der Wächter und eröffnete ein Gespräch: „Nimm du diese Fetzen. Ich kann sowieso nichts damit anfangen. Aber, mal so nebenbei: sind 10.000 Dollar viel oder wenig?“ „Kommt drauf an. Für 10.000 Dollar kann man sich eine Menge leisten. Zum Beispiel kann man damit Essen für das Rudel kaufen, für ganze zehn Monate. In den Kreisen, in denen wir jetzt wohl verkehren, wird das wohl nicht mal für eine Woche reichten.“ „Sollte ich dann mehr mitnehmen?“ „Nein, das wird nicht nötig sein. Ich nehme mal stark an, dass Edward die Kohle für Kleinigkeiten vorgesehen hat, wo man die Karten nicht benutzen kann, aber fast überall nehmen sie die Kreditkarten, glaube ich jedenfalls.“ „Ich verstehe das System mit diesen kleinen Dingern nicht. Brauchen wir dann nicht mehr davon? Wenn ich damit bezahlte und sie den Leuten gebe?“ „Nein, die behalten die doch nicht. Sie lesen sie nur aus und du bekommst die Karte zurück.“ „Verstehe, aber wie bekommen die Leute dann ihr Geld?“ „Das wird ihnen auf ihr Konto gutgeschrieben.“ „Das verstehe ich nicht.“ „Sieh es mal so. Du hast auf deinem Konto das Geld. Wie ein Tresor voller Gold. Wenn du was mit den Karten bezahlst, dann sagst du der Bank somit, sie solle etwas aus deinem Tresor nehmen und es in den Tresor des anderen legen. So geht das heutzutage.“ „Hm… klingt umständlich. Ich bleibe beim Tauschhandel. Viel Spaß damit“, sagte Isaak und beendete die gedankliche Unterhaltung. Jake schüttelte den Kopf und steckte das Geld in seine Tasche. Professionell sagte der Direktor: „Das wäre dann alles. Hier haben Sie noch ihre Pins, sowie die Liste aller Extras und meine Visitenkarte. Dort steht auch meine Privatnummer. Scheuen Sie sich nicht mich jederzeit anzurufen, Mr. Black, Mr. Wächter.“ „Das wird nicht nötig sein. John regelt auch weiterhin alles für uns“, sagte Isaak schnell und der Broker nahm die Unterlagen für sie in Empfang. Er verstaute diese in seiner Weste. Anschließend gingen sie und ließen den Älteren zurück. „Hast du ihm den Bann auferlegt?“, fragte Jake schnell durch ihre Verbindung. Isaak nickte kaum merklich und erwiderte mental: „Ja, sowie auch John, Dolores und Charles. Keine Sorge, ich bin da sehr gründlich.“ Ohne Umschweife gingen sie zu der Limousine zurück. Dort gab John den beiden ihre Pins und sagte ihnen, sie sollen diese sich gut einprägen. Dann nahm er die Zettel an sich und verstaute sie wieder. Charles fuhr sie in dieser Zeit einmal quer durch die Stadt, bis er vor einem unscheinbaren Haus parkte. Der Broker verkündete: „So hier ist Alexeis Geschäft. Wirklich ein Geheimtipp. Er bedient nur die High Society und freut sich immer über eine Herausforderung. Ich muss euch allerdings warnen, er ist ein wenig schwierig, um es vorsichtig auszudrücken. Ein echter Künstler eben.“ Er grinste und schüttelte kurz den Kopf. „Und er könnte auch mal etwas mehr Sonne vertragen. Aber, er ist der Beste in seinem Fach. Ich muss noch einiges erledigen und werde nicht mitkommen. Sagt ihm einfach, dass ihr zu mir gehört und einen Termin habt. Dann klappt das schon. Charles wird auf euch warten.“ Die Gruppe stieg uns und winkte John kurz zu. Dann brauste der Wagen auch schon davon. Daraufhin betraten sie, Isaak voran, den eher schäbig aussehen Laden. Der Eindruck von außen war trügerisch. Im Inneren staunten sie nicht schlecht. An der rechten Wand stand ein raumhohes, etwa zehn Meter langes Regal, mit unendlich vielen Fächern. In jedem lagen Stoffbahnen in verschieden Farben und Qualität. Zu ihrer Linken war ein keines Podest vor einer Spiegelwand platziert, auf dem offenbar die Kunden ausgestattet wurden. Zudem standen überall Fässer und Kisten, ebenfalls gefüllt mit Stoffbahnen. Ein Tisch mit verschieden Scheren, Stecknadeln und Maßbändern stand in der Mitte des Raums. Dann gab es noch eine kleine gemütlich aussehende Sitzecke zum Warten und weiter hinten sahen sie verschieden Nähmaschinen und Körperständer, auf denen verschiedene halbfertige Anzüge und Kleider ausgestellt waren. Ein großes Tuch spannte sich weiter hinten im Raum, quer durch diesen und verdeckte den restlichen Bereich. Die angebrachten Lampen ließen alles in einem warmen und einladenden Licht erstrahlen und ein schwerer Parfümgeruch schwängerte die Räumlichkeiten. Instinktiv hielt Edward die Luft an. Nichts zu riechen war immer noch besser als dieser bissige Geruch in der Nase. Auch Jake versuchte möglichst durch den Mund zu atmen, um dem hiesigen Aroma zu entgehen. Auch wenn es recht chaotisch aussah, lag die Vermutung nahe, dass es offenbar ein akribisches Ordnungssystem gab. Auch waren der Boden und alle Ablagen blitzblank und strahlten nur so vor Sauberkeit. Ganz allgemein konnten sie sich alle gut einen findigen Schneider vorstellen, der hier auf und ab flitzte und nach Herzenslust seiner Berufung frönte. Aus dem hinteren Teil des Ladens drang eine Stimme mit starkem französischem Akzent: „Wir sind gleich für Sie da. Alexei, der neue Kunde ist da, beeil dich etwas.“ Den zweiten Satz hörten allerdings nur Isaak, Jake und Edward, weil er geflüstert wurde. „Kann man nicht mal in Ruhe Essen? Immer langsam, man soll doch nicht schlingen Mathéo“, flüsterte eine andere angenehme Stimme zurück. Diese war etwas kantiger und hatte eine russische Betonung. Dann wurde der Vorhang zur Seite geschoben und zwei Gestalten tauchten auf. Alle rissen die Augen auf und erstarrten. Der eine hatte eine perfekte stylische Frisur, mit ein wenig Glitzer in den rabenschwarzen Haaren. Sein Gesicht war anmutig und engelsgleich, ein wenig kindlich und sehr weich. Er war gut einen Kopf kleiner als der andere. Dieser hatte kurze blonde Haare und sah eher kernig aus. Trotz dieses Auftretens wirkte er noch immer anmutig und wunderschön. Beide trugen gewagte vielfarbige, aber dennoch edel aussehende Kleidung. Zudem hatte das Duo bleiche, fast weiße, makellose Haut und sie waren eindeutig Vampire. Sofort schoss Edward vor Bella, fauchte und bleckte die Zähne in Kampfhaltung. Jake begann zu zittern, die Augen zu Schlitzen verengt und wütend knurrend. Die junge Dame zog scharf die Luft ein und sah entsetzt zu den beiden anderen. Einzig Isaak rührte keinen einzigen Muskel und lächelte sanft. Die beiden Vampire hoben ihre Hände abwehrend und der kleinere, mit dem Glitzer im Haar, stammelte mit seinem französischem Akzent: „Bitte, wir wollen keinen Ärger. Geht einfach wieder.“ Jake aber dachte gar nicht daran zu gehen. Er wollte sie zerreißen und zerstören. Die Vampire trugen zwar farbige Kontaktlinsen, aber er sah den roten Schimmer dahinter. Die Stimmung war gereizt und ein Kampf schien unausweichlich. Plötzlich klatsche der Wächter in die Hände und sagte fröhlich: „Bestens, mit Vampirgeschwindigkeit wird das wesentlich schneller gehen. Dabei ich hatte schon Angst den Rest des Tages hier zu verbringen.“ Alle starrten den Rotblonden entsetzt an. „Welchen Stoff würdet ihr empfehlen?“, fragte Isaak und verschwand. „Der hier gefällt mir“, kam es urplötzlich vom Regal her. „Seide aus China von höchster Qualität.“ „Das stimmt“, brabbelte Mathéo verunsichert. Isaak sah zu seiner Gruppe und runzelte die Stirn. „Jake, Edward, benehmt euch“, maßregelte er die beiden. Sofort keifte der Gestaltwandler zurück: „Am Arsch, die haben gerade einen Menschen getötet, dafür sind sie dran.“ „Haben wir nicht“, beteuerte Alexei mit dem rauen Akzent und immer hoch erhobenen Händen. „Jake, sieh genauer hin“, beschwichtigte der Wächter und lächelte sanft. „Die beiden sind keine Gefahr, du kannst dich beruhigen.“ Der Beta aber sah das anders und machte einen Schritt auf die beiden zu. Sein Körper begann zu beben. Er stand nur Sekundenbruchteile vor der Verwandlung. „Jake, aus“, sagte Isaak streng und stand auf einmal direkt vor diesem. Er griff nach dessen Kopf und zwang den Wolfsjungen ihm in die Augen zu sehen. Das unterbrach die Verwandlung und er wurde etwas ruhiger. „Glaub mir doch. Denkst du allen Ernstes, ich würde hier so ruhig stehen und friedlich bleiben, wenn die beiden eine Gefahr darstellen würden? Sie haben keinen Menschen getötet, jedenfalls nicht in letzter Zeit.“ „Aber…“, begann Jake störrisch und Isaak schoss davon. Einen Wimpernschlag später war er wieder da und hielt eine leere Blutkonserve in die Höhe, während im Hintergrund der Vorhang flatterte „Beruhigt dich das hier mehr als meine Worte?“, fragte der Wächter und eine Spur von Enttäuschung lag in seiner Stimme. „Wie…“, fing Jake an, wurde aber unterbrochen: „Ich sagte doch, sieh genauer hin.“ Dann fiel der Groschen. Der „wahre Blick“, den hatte der Beta schon ganz vergessen. Kleinlaut murmelte er ein: „Oh“ und sah seinem Freund entschuldigend in die Augen. „Es tut mir leid. Ich…“, ein Finger unterbrach ihn zum dritten Mal in Folge und Isaak sagte: „Denk nach bevor zu handelst.“ Dann seufzte er und fragte: „Können wir jetzt erst mal reden, bevor die Fetzen fliegen?“ Jake nickte und blieb stumm. Dann wandte sich der Rotblonde an Edward: „Du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Du kannst ihre Gedanken lesen. Die beiden stellen keine Gefahr dar. Also beruhige dich.“ „Davon bin ich noch nicht überzeugt“, fauchte Edward und wollte nicht nachgeben. „Bitte, wir wollen keinen Ärger, geht doch einfach wieder. Keiner muss zu Schaden kommen“, versuchte Mathéo es zum zweiten Mal. „Wir haben schon seit mehr als dreihundertfünfzig Jahren keinen Menschen mit getötet. Wir wollen nur friedlich leben und keine Monster sein“, versuchte Alexei die Stimmung zu retten. „Lüge“, maßregelte Isaak plötzlich. „Es waren lediglich dreihundertvierundzwanzig Jahre, nicht wahr Mathéo?“ Der Russe sah erstaunt zu seinem Kameraden runter. „Es tut mir leid Alexei. Ich konnte mich nicht zügeln“, flehte der Franzose. Dann schüttelte er irritiert den Kopf und sah den Wächter erschrocken an. „Woher weißt du das? Nicht einmal Alexei wusste davon. Ich habe mich zu sehr geschämt, um es ihm zu sagen.“ „Ach, man hört so das eine oder andere“, meinte Isaak ominös und grinste schelmisch. Der Russe ließ die Hände sinken und wechselte in seine Muttersprache. Wild gestikulierend und mit wütendem Gesichtsausdruck, schrie der den anderen Blutsauger an. Dieser ließ den Kopf hängen und antwortete kleinlaut, ebenfalls auf Russisch. Jake sah den beiden einen Augenblick bei ihrem Streit zu und wandte sich dann mental an Isaak. „Erklärst du es mir bitte? Wenn ich die beiden mit dem „wahren Blick“ betrachte, verstehe ich dennoch nicht, woran du das alles erkannt hast.“ „Hm…“, gab der Wächter ebenfalls mental zurück und erklärte: „Alles habe ich damit nicht erfahren. Am besten ich fange von vorne an. Als ich den ersten Schritt über die Schwelle gesetzt habe, konnte ich die beiden riechen und auch ihre Präsenz spüren. Meine Sinne lassen sich nicht so leicht täuschen. Auch das Parfüm im Raum kann ihren Geruch nicht vollständig ausmerzen. Vielleicht funktioniert das bei einem Vampir oder Gestaltwandler, mein Geruchssinn ist allerdings noch ausgeprägter und lässt sich nicht so einfach täuschen. Was mein Gespür bezüglich ihrer Präsenz anbelangt, stell dir das wie eine Art Echolot vor. Als mein Fuß den Boden berührte, habe ich den ganzen Raum gescannt und die beiden entdeckt. Der Vorhang stellt kein Hindernis dar für diesen, nennen wir ihn 6ten Sinn. Ich muss zugeben, einen winzigen Moment lang war ich erschrocken, und wollte mich auch auf die Vampire stürzen. Zudem habe ich den Geruch von Blut in der Luft bemerkt, wie schwach er auch ist. Ich kann ihn riechen. Seltsam daran war nur, dass das Blut rein nur aus roten Blutkörperchen zu bestehen schien. Ein deutliches Anzeichen für eine Blutkonserve. Zudem konnte ich keine Gefahr spüren. Das hat mich dann dazu veranlasst den Raum mit dem „wahren Blick“ zu betrachten. Wenn ein Mensch stirbt oder gequält wird, hinterlässt das sichtbare Spuren hinter dem Schleier. Hier aber konnte ich kein einziges Anzeichen für Mord oder Gewalt finden. Das hat mir aber immer noch nicht gereicht. Immerhin hätte ja der menschliche Magier meinen Blick und meine Sinne trüben können. Also bin ich in ihren Geist eingedrungen und habe mir ihr Leben angesehen. Sei versichert, ich war sehr gründlich und habe ihnen jedes Geheimnis entlockt. Reine Vorsichtsmaßnahme. Somit habe ich dann auch von Mathéos Ausrutscher erfahren, und auch, dass er diesen sehr bedauert. Ich kenne nun auch Alexeis Fähigkeit. Er spürt was sein Gegenüber haben möchte. Eine sehr nützliche Eigenschaft, wenn man es mit schwierigen Kunden zu tun hat. Bei uns beiden wird das allerdings nicht funktionieren. Dein Anhänger schirmt dich ab und mein Wille ist viel zu stark dafür. Ähnlich wie die Cullens haben die beiden entschieden, dass sie keine Monster mehr sein wollen. Also haben sie es mit Tierblut versucht. Aber, das hat ihnen nicht gereicht. Mathéo ist rückfällig geworden und auch Alexei konnte sich kaum zügeln. In dieser Zeit haben sie sich in der Wildnis versteckt und mieden die Menschen, da sie sich selbst nicht vertrauten. Dann haben sie, nach langem Hin und Her, entschieden, dass sie auf Blutkonserven umsteigen. Von da an, konnten sie sich wieder unter den Menschen bewegen, ohne die Gefahr, dass ihre Gier überhandnahm. Das Parfüm im Raum und das Trinken von Blut, bevor sie sich einem Kunden nähern, sind ihre Art sicherzustellen, dass es zu keinem Rückfall kommt. So können sie das tun was sie lieben, nämlich Kleidung herstellen. Als ich dann zufrieden mit meiner Analyse war, habe ich den Laden betreten. Ach, nur dass du es weißt, die beiden sind zusammen. Aber keine Angst, weder sie, noch ich, haben Interesse am jeweils anderen.“ Nach diesen ganzen Informationen brummte Jake der Schädel. Schnell bat er aber: „Kannst du mir beibringen, wie ich den „wahren Blick“ richtig benutze? Ich würde das gerne auch können.“ „Normalerweise müsste ich ablehnen, aber bei dir mache ich eine Ausnahme, Wölfchen. Solange ich beeinflusst werde, bin ich eh auf deine Hilfe angewiesen und zudem kann ich dir einfach keinen Wunsch abschlagen“, erwiderte Isaak und Wärme durchflutete ihre Verbindung. Dann fügte er hinzu: „Aber, nicht jetzt. Es wird viel Zeit benötigen, bis du alles verstehst. Ein Schritt nach dem anderen.“ Dann wechselte Isaak zu verbal und sagte etwas auf Russisch. Es war seltsam, den Wächter in dieser Sprache sprechen zu hören. Seine Stimme war rauer und die Worte so viel kehliger. Es schien so, als ob er die beiden beleidigen würde. Die Vampire unterbrachen ihren Disput und sahen den Rotblonden erschrocken an. Offenbar hatte sie die Anwesenheit der fremden Kunden vollkommen vergessen. Erneut wechselte er die Sprache und sagte sanft: „Jungs, ich wollte keinen Streit auslösen. Nur die Fakten richtigstellen. Ihr seid beide keine Unschuldslämmer. Wenn ihr nichts dagegen habt, könnten wir dann anfangen?“ „Womit anfangen?“, fragte Alexei angespannt und schob sich schützend vor den anderen. „Mit meiner Garderobe“, grinste Isaak von dem Podest her. In einer fließenden Bewegung begann er sich zu entkleiden. Jake wurde leicht rot und knurrte schnell: „Die Buchse lässt du aber an, wehe du rennst hier nackt rum.“ „Ja, Schatz“, gluckste der Rotblonde und schenkte dem anderen einen heißen Blick. Sofort lief der Wolfsjunge so rot an wie eine Tomate und sein bissiger Kommentar, wegen dem Kosenamen in aller Öffentlichkeit, blieb ihm im Halse stecken. Schnell wandte er sich ab. Das hatte Isaak also gemeint, als er ihn gewarnt hatte, dass er ihn um den kleinen Finger wickeln würde. Na, dass konnte ja noch heiter werden. Zu den Schneidern sagte der Wächter heimtückisch: „John meinte, du schätzt Herausforderungen Alexei. Er sagte auch, du seist der Beste in deinem Fach. Deine Fähigkeit funktioniert weder bei mir, bei meinem Freund, noch bei unserer bezaubernden jungen Dame. Wollen doch mal sehen wie gut du wirklich bist.“ In den Augen des Russen blitzte es: „Diese Herausforderung nehme ich an.“ „Einen Moment“, mischte sich der Schwarzhaarige ein. „Ich halte es immer noch für das Beste, wenn ihr einfach wieder geht. Das ist unser Haus und ihr seid hier nicht willkommen.“ „Ach, gib dir einen Ruck, Mathéo. Ich verspreche, dass wir euch keinen Ärger bereiten werden. Solange ihr eure Zähne bei euch behaltet, ist alles in Ordnung.“ Dann wurde Isaak ernst und sagte: „Nur zur Warnung: Wenn ihr Bella auch nur einen schiefen Blick zuwerft habt ihre ein gewaltiges Problem. Dann müsst ihr euch Edward, Jake und mir stellen. Das wird nicht gut für euch ausgehen, das garantiere ich.“ Mathéo zuckte zurück und versteckte sich hinter seinem Partner. Der Beta indes schlenderte zu dem Regal und griff nach den Stoffballen. Für ihn war alles geklärt und er wollte wissen, was sich Isaak da ausgesucht hatte. Mr. Cullen gab langsam seine Kampfhaltung auf, behielt die anderen Vampire aber genau im Blick. Der Wächter hatte sich mittlerweile bis auf die Unterwäsche ausgezogen, streckte die Arme aus und sagte zum Spiegel hin: „Bin bereit. Lasst die Show beginnen. Und keine falsche Scheu. Ich bestehe auf Hochgeschwindigkeit.“ Die Vampire sahen einander kurz in die Augen und Alexei rauschte zu dem Kunden. Solange alles friedlich blieb, freute er sich über diese Aufgabe. Noch nie hatte er einen solchen Kunden, das stachelte seinen Ehrgeiz an. Jake sah vom Regal aus auf die Szene und beobachte genau, was der Vampir da anstellte. Er sah es wie Isaak. Mit Vampirgeschwindigkeit würde das wesentlich schneller gehen. Alexei griff im Vorbeigehen nach einem Maßband und begann Isaaks Körper zu vermessen. Unschlüssig sah sein Kamerad zu. Dann zuckte er mit den Schultern und beschloss, je schneller sie fertig würden, desto schneller würden sie diese seltsamen Leute los werden. Er schnappte sich ein Klemmbrett und einen Stift und gesellte sich zu den beiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)