Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 22: Herzliche Überraschungen ------------------------------------ Kapitel 22 Herzliche Überraschungen Dass es nur ein Trick war, konnte er nicht ahnen. Noch immer niedergeschlagen fand ihn Yuriko, als sie mit einem Stapel alter Akten balancierend zurück kam. Erstaunt blieb sie stehen und blickte den jungen Mann an, der dort mit dem Kopf auf dem Tisch ruhte. Er hatte die Arme verschränkt und seine schmerzende Stirn darauf gebettet. „Kopfschmerzen.“ Hörte sie Sally sagen, als sie Joey ansprach. „Warte Kurz.“ Sagte sie und brachte die Akten nun doch zu ihrem Schreibtisch und nicht hinüber in die Küche, wo sie mehr Platz zum Sortieren gehabt hätte. Aus ihrem Schreibtisch zog sie noch etwas und sauste dann in die Küche. Die über 40. Jährige holte ein Glas Wasser, in das sie eine Schmerztablette aufgelöst hatte. „Hier, das hilf wirklich gut gegen Kopfschmerzen.“ Meinte sie und stellte es vor Joey ab. Als dieser den Kopf hob, wirkte er mehr als erschöpft. „Danke, aber gegen Dummheit helfen sie trotzdem nicht.“ Brummte der Blonde leise und griff nach dem Getränk. Mit wenigen Zügen hatte er es geleert und verzog das Gesicht auf Grund des schlechten Geschmackes. „Ok, was ist denn geschehen?“ Wollte sie nun wissen, als das Telefon klingelte. Schweigend starrte er auf das moderne Gerät, dessen Licht den Anrufer als Seto Kaiba auswies. Mit einem Seufzen griff er nach dem Hörer und gab nur ein mattes „Ja?“ von sich. Es dauerte wirklich einen Moment, bis der Brünette das Erstaunen überwunden hatte und antworten konnte. „Komm rein.“ Meinte er mit einem Mal und wieder kam nur dieses kraftlose ja. Langsam stand er auf, sah noch einmal mit einem schwachen Lächeln zu Yuriko. „Danke, ich erklär dir später alles.“ Verschob er jedes weitere Gespräch und schob den Stuhl an den Schreibtisch heran. Es schien wie eine Geste um Zeit zu schienden. Tief einatmend straffte er seine Schultern, bevor er die Tür zum großen Büro öffnete. Seto hatte eine Weile gebraucht, um seine überschwängliche Schadenfreude in einen ernsten Ausdruck zu zwingen und den zweiten Teil ihres Planes umzusetzen. Als Joey nun eintrat, hatte er diesen ernsten Gesichtsausdruck. Die eisblauen Augen sahen den jungen Mann an und für den Bruchteil einer Sekunde war er überrascht. Der 19 Jährige wirkte so müde und erschöpft, wie in den letzten Wochen nicht. Nun, am Freitag Abend, an dem Abend, an dem er ihn gefunden hatte, da schien er ebenso neben der Spur zu sein. „Ich habe gute Nachrichten für dich.“ Begann er in ruhigem Ton und bemerkte nicht, dass er ganz anders anfing, als er es sich vorgenommen hatte. Bei diesen Worten schien ein Ruck durch den jungen Mann zu gehen und mit einem Mal begannen die eben noch matten Augen zu leuchten. „Wirklich?“ Fragte er nach und trat näher an den großen Schreibtisch heran. Es war eine so unerwartete Reaktion, dass sich ein leichtes Lächeln auf die schmalen Lippen schlich. „Ja, ich habe mit William gesprochen und er wusste anscheinend nichts von unserer Wette. Ich konnte ihn davon überzeugen, dass wir alle weiteren Besprechungen im Februar nächsten Jahres führen, wenn deine Zeit hier um ist.“ Die Erleichterung war überdeutlich im Gesicht des Blonden zu sehen. „Also ist alles wieder in Ordnung?“ Nun war die überschwängliche Freude so groß, dass sie jedes Zeichen der Erschöpfung davon wischte. Als er dann die bestätigenden Worte des Brünetten hörte, schien nicht viel zu fehlen und er hätte einen Sprung in die Luft gemacht. „Es gibt nur einen kleinen Harken an der ganzen Sache.“ Setos Stimme war deutlich ruhiger, als er geplant hatte. Sie schien dabei diesen beruhigenden Klang zu haben, der Joeys Überschwang am Leben hielt und ihn nicht allzu besorgt werden ließ. „Du sollst dich bei ihm entschuldigen.“ Die honigbraunen Augen sahen den 22 Jährigen an und dann verschränkte er die Arme. „Also soll ich mich bei diesem Kerl dafür entschuldigen, dass ich so ein Trottel bin und ihn nicht verstanden habe?“ Fragte er etwas erbost und fand das Schmunzeln nicht sehr angenehm, welches er nun zu sehen bekam. „Ich hätte eher gesagt, dass du dich dafür entschuldigen sollst, dass du mich so in Verlegenheit gebracht hast. Aber deine Interpretation ist auch passend.“ Gab er leicht amüsiert von sich. Mit einem kräftigen Durchatmen straffte Joey die Schultern und meinte dann überzeugt. „Gut, wenn es weiter nichts ist. Es ist mies und er hat es in keiner Weise verdient, aber wenn ich dir dafür das Geschäft rette, dann werde ich mich eben bei dem Idioten entschuldigen.“ Dass es ihm nicht gefiel, zeigte er in jeder Geste, die er dafür fand. Er machte dabei so einen trotzigen und sturen Eindruck, dass der Firmenführer nur den Kopf schütteln konnte. „Und du denkst daran, dass er kein Japanisch spricht?“ Fragte dieser nun nach und bemerkten den Wandel in dem sonnengebräunten Gesicht. Da hatte jemand anscheinend etwas vergessen. „Ich mache dir einen Vorschlag, momentan liegt nichts weiter Wichtiges an. Da es sich ja auch um mein Geschäft handelt, bespreche ich mit dir bei einer Tasse Kaffee das Notwendigste. Ist das ein Angebot?“ Fragte er und die Reaktion darauf hätte er nicht erahnen können. „Du verarscht mich jetzt auch nicht?“ Wollte der Blonde wissen, während Seto sich erhob. „Nein, noch einmal will ich ihm nicht erklären, warum du hier arbeitest.“ Es war ein freches Schmunzeln auf den schmalen Lippen und die Kälte stand nicht mehr in den sonst so eisigen Augen des Brünetten. Noch einmal blickte ihn Joey skeptisch an und dann breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und seine Haltung veränderte sich. „Ok,.. ok, ich bin dabei. Sehr gerne, gib… gib mir nur… sagen wir 5 bis 10 Minuten. Ich bin gleich wieder da!“ Rief er mit einem Mal und war schon halb aus dem Büro hinaus. „Ich bin auch gleich wieder da. Du kannst ja schon Mal den Kaffe machen!“ Rief er durch die Tür und war auch schon verschwunden. Verwundert und sehr irritiert blieb Seto neben seinem Schreibtisch stehen und starrte auf die Tür, die noch immer offen stand. War der Kerl gerade aus dem Büro gestürmt und hatte sein überhaupt nicht geplantes Angebot mehr oder weniger auf später verschoben? Und was hatte der Kerl vor? Er wollte in 5 bis 10 Minuten wieder da sein? Langsam ging er auf die Tür zu und warf einen Blick hinaus, doch der Schreibtisch war leer. Wo war er hin? Nun, Kaffee war eine gute Idee und wenn Joey gleich wieder da sein wollte, dann würde er ja sicher nicht allzu lange warten. Allerdings wurmte es ihn ungemein, dass er keine Vorstellung davon hatte, was dem Kerl nun durch den Kopf ging. Mit einem skeptischen Blick machte er sich auf den Weg in die kleine Bistroküche neben seinem Büro, während seine Gedanken weiter um den jungen Mann kreisten. Der kleine, unerwartete Leerlauf machte ihm langsam klar, dass er von seinem Plan immer weiter abwich. Er hatte nicht vorgehabt Joey zu helfen, aber irgendwie hatte ihn dessen seltsame Art dazu gebracht. Dass dessen Reaktion noch lange nicht ihre eigentlichen Ausmaße preisgegeben hatte, ahnte der Brünette nicht. Er lehnte nachdenklich an der kleinen Küchenzeile, hielt den Becher mit dem heißen Kaffee in Händen. „Tut mir leid, es hat doch etwas länger gedauert, als ich zuerst dachte. Es war ziemlich voll da unten.“ Erklang mit einem Mal Joeys Stimme, der junge Mann stand mit zwei Teller im Eingang. Die blauen Augen starrten einen Moment auf das, was der Blonde dort auf den beiden Tellern hatte. „Ist das Kuchen?“ Fragte er zögernd und sah das Kopfschütteln des jungen Mannes. „Oh nein, das ist ein „Entschuldigungstörtchen“!“ Gab er mit einem Honigkuchenmännchen gleichen Grinsen von sich und trat auf die Tische weiter hinten im Raum zu, an denen man gemütlich sitzen konnte. Hier aß er gerne mit Yuriko und Hayato zu Mittag. Er hörte, wie ihm Seto folgte und ahnte schon, was er gleich zu Gesicht bekommen würde. Als er den Teller mit der zierlichen Kuchengabel auf die eine Seite stellte, wagte er den Blick in das helle Gesicht. Die ungläubige Skepsis war deutlich. „Was ist das?“ Fragte Seto, der sich dennoch unerwartet auf den ihm zugewiesenen Platz setzte. „Es ist ein Entschuldigungstörtchen.“ Wiederholte der 19 Jährige und nahm ebenfalls am Tisch Seto gegenüber platz. „Ok, ich erkläre es dir.“ Dabei klang seine Stimme freudig und leicht aufmüpfig. „Ich habe das Gespräch vorhin mit diesem Winston ganz schön vermasselt. Allerdings kennst du diesen Mann schon länger und du kennst mich und meine Englisch Kenntnisse ebenso gut. Es war dir also von Anfang an klar, dass ich dieses Gespräch versauen werde!“ Dabei beugte er sich leicht vor, den rechten Ellenbogen auf den Tisch abgestützt. „Ein Entschuldigungstörtchen bedeutet, dass ich akzeptiere, dass ich Schuld an der Situation bin, aber dass du genauso eine Mitschuld daran trägst!“ Für einen Moment dachte Seto schon, dass der junge Mann ihren Plan durchschaut hatte. Die honigbraunen Augen sahen ihn bei diesen Worten mit einer unglaublichen Tiefe an und er wirkte so überzeugt von dem, was er sagte. Es hatte einen kurzen Moment gedauert, bis dem Brünetten klar geworden war, um was es Joey ging. Dieser ahnte noch immer nichts von ihrem Plan. „Ein… ein Entschul… Entschuldigungstörtchen?“ Ein Kichern unterbrach seine Worte, das sich zu einem ausgewachsenen Lachen entwickelte. Die sonst so hellen Wangen färbten sich rot und die schlanke Hand presste sich gegen die Lippen, doch er konnte das Lachen nicht unterdrücken. Die blonden Augenbrauen schoben sich in die Höhe, hatte er Seto je so lachen hören? Es war nicht dieses typische Lachen, dieses kalte, boshafte, das sonst über die schmalen Lippen kam. Langsam beugte sich Joey zurück und wartete ab, bis sich sein Gegenüber wieder gefangen hatte. Es war ein schönes Lachen, befand er und so zeichnete sich auch auf seinen Lippen ein Schmunzeln ab. Ein angenehmes Gefühl begann ihn zu durchströmen und er beobachtete zufrieden, wie sich der Brünette über die Augen wischte. Es waren noch keine Tränen, aber das dieser kraftvolle Akt des Lachens den Blick wässrig werden ließen, konnte er gut erkennen. „Ich hoffe, dass dir die Moccatorte schmeckt. Ich habe extra um sie kämpfen müssen. Ich weiß ja, dass du sonst kaum Süßigkeiten isst, aber vielleicht schmeckt sie dir ja trotzdem.“ Noch immer leicht glucksend zog Seto den Teller näher an sich und musste dann tief ein und ausatmen. „Dann sehe ich dein Lachen als Zustimmung für deine Mitschuld?“ Fragte der Blonde nun und stieß die Gabel in sein eigenes Stück Torte, welches er dann in seinem Mund verschwinden ließ. „Ok, gut, ja, ich gestehe ein, ich hätte die Situation vorhersehen können. Da gebe ich dir Recht.“ Langsam hatte er sich wieder gefasst und schüttelte leicht den Kopf über den Irrsinn dieses Moments. Es tat sehr gut, diese Worte zu hören. Obwohl er sich noch immer müde fühlte, beflügelte dieses Gespräch sein Wohlbefinden enorm. „Nun probier schon!“ Forderte der 19 Jährge ihn auf und wartete gespannt auf die Einschätzung des Brünetten. Dieser sah noch einmal mit einem Grinsen zu ihm auf und blickte dann herausfordernd auf die Torte. Er griff nach der Gabel und ließ sie gemächlich über dem Stück kreisen, bevor er die Spitze mit einem gezielten Stich abtrennte. Vorsichtig hob er die Gabel an und zögerte noch einmal, bevor er die Lippen öffnete. Joey hatte schon den nächsten Happen in seinen Mund geschoben und zog frech die Mundwinkel in die Höhe. „Man, stellst du dich an. Ich habe sie schon nicht vergiftet!“ Die Torte schmeckte wirklich gut. Das hätte er nicht erwartet. Sie war ihm zwar ein wenig zu süß, aber sie schmeckte dafür erstaunlich angenehm. Noch während er die Reste des Tortenstücks aß, sprach er mit dem jungen Mann über das folgende Telefonat. Seto hätte nicht erwartet, dass sich in ihm ein angenehmes Gefühl ausbereiten würde. Joey erschien ihm zwar wie ein hoffungsloser Fall, aber es sollte gehen. Sie saßen sicher eine halbe Stunde dort, bis er wieder auf die Uhr blickte. „Du solltest ihn anrufen. In Großbritannien sollte es jetzt zwar erst nach 9 Uhr sein, aber mehr kann ich dir auch nicht erklären.“ Nun war es der Angesprochene, der ihn verwundert anblickte. „Aber… ich habe doch vor drei Stunden mit ihm telefoniert.“ Meinte er erstaunt und überlegte, wie spät es dann dort gewesen sein müsste. Seto stand auf und nickte. „Ja, wenn man auf dem Weltmarkt arbeitet, dann sind Arbeitszeiten ein sehr dehnbarer Begriff.“ Mit diesen Worten stellte er seinen Becher und den leeren Teller in das Spülbecken und auch Joey tat es ihm gleich. „Ok, dann… dann werde ich ihn jetzt anrufen!“ Gab er mit so selbstsicherer Stimme von sich, wie er nur konnte. Kurz sah er zu Yuriko, die sie zwischenzeitlich beobachtet hatte. Seto zog sein schwarzes Telefon aus der Tasche und während sich Joey bereit machte, schrieb er Patrick. »Sei nett zu ihm.« Es dauerte nur wenige Sekunden, bis die verwunderte Frage kam, ob er das wirklich sollte. »Ja, wir waren heute gemein genug zu ihm. Er hat es sich verdient.« Tippte er und sah zu dem jungen Mann, der aufgeregt und nervös nach dem Telefon griff. »Wir müssen nachher telefonieren!!!!« Kam als Antwort und schweigend lausche der Firmenführern dem Gespräch. Joey stellte sich noch immer ziemlich ungeschickt an, aber die kleine Nachhilfestunde schien etwas gebracht zu haben. Es war sehr amüsant, wie er zwischenzeitlich von dem Zettel ablas, den sie angefertigt hatten. Ein Schmunzeln zog sich über seine Lippen, während er Joey weiterhin beobachtete. Mit einem Mal stutzte er, denn der junge Mann sah zu ihm herüber. Er machte eine Handbewegungen und mit den nächsten Worten an den englischen Kunden wurde klar, was Joey von ihm wollte. Mit einem lautlosen Lachen machte sich Seto auf den Weg in sein Büro und hörte schon das Klingeln seines Telefons. „Ja?“ Fragte er noch immer belustigt und hörte nun die erschöpfte Stimme des 19 Jährigen. „Er will unbedingt noch einmal mit dir sprechen!“ Gab dieser von sich und stellte den Anruf durch. Er telefonierte nicht lange mit Paddy, er hatte gerade keine Lust dazu. So umriss er nur kurz das Geschehen und wehrte die Sticheleinen des Engländers ab. „Ach was, wenn ich das Spiel noch länger spielen will, muss ich ihm auch seine Siege schenken, Paddy. Es ist eben nur ein Spiel, ein schönes, für mich allein vorteilhaftes Spiel!“ Im Gegensatz zu ihm erkannte der junge Engländer etwas, das ihn vorsichtig werden ließ. Ja, die Begründung war gut. Wenn er lange mit Joey spielen wollte, musste er ihn auch gewinnen lassen. Doch Patrick hatte nicht das Gefühl, dass dieses auch der Grund für Seto war. Es schien beinahe so, als bahnte sich etwas anderes an. „Komm, du solltest Mal wieder her kommen. Deine Verlobte vermisst dich! Was hältst du davon, komm am WE zu ihr und ich schneie auch vorbei!“ Schlug er vor, wurde aber mit einem „Mal sehen, ich über leg es mir.“ abgespeist. Mit einem Blick auf die Uhr sah er, dass es schon halb sechs war. Mit einem zufriedenen Gefühl stand der Brünette auf und wollte noch einmal nach Joey sehen. Nein, der junge Mann hatte nicht begriffen, dass alles nur ein Spiel war. Dieses Gespräch war nur erfunden, nur gestellt und es hatte nur ein Ziel gehabt. Patrick ahnte jedoch, dass es einen tiefgehenderen Grund gab, aus dem sich der Brünette von ihrem gut ausgeklügelten Plan abgewandt hatte und Joey zu dieser Hilfestellung verhalf. Er hatte so etwas schon einmal miterlebt und er hatte nicht vor seinen besten Freund zu verlieren. Die eisblauen Augen musterten Joey, der mit geschlossenen Augen in seinem großen Stuhl saß. Er wirkte wirklich müde. Oh, ob er eingeschlafen war? Sein Schmunzeln bekam einen bösen Zug und lautlos trat er an den Stuhl heran. Erst griff er nach der Rückenlehne und mit einem Ruck dreht er den Stuhl in seine Richtung. Der blonde, junge Mann zuckte zusammen und starrte aus großen Augen zu ihm auf. „Oh, ich… also…“ Stotterte er und dann kamen die kühlen, beschwingten Worte. „Los, verschwinde schon!“ Seto hätte fast wieder gelacht, als er das verständnislose Gesicht erkannte. „Aber… ich… ich dachte, es wäre… aber…“ Stotterte er nun und die Müdigkeit in Verbindung mit einer gewissen Erschöpfung ließen ihn die Situation nicht verstehen. Noch immer saß er dort in dem großen Stuhl leicht zusammen gesunken, völlig überfordert mit dem Moment. Die schlanken Finger griffen nach Joeys Kinn und Seto beugte sich tief zu ihm herunter. „Du bist ein elender Dummkopf. Du sollst nach Hause gehen und schlafen! Das nennt man heutzutage Feierabend!“ Ein Blinzeln war die Antwort und der Brünette konnte gut beobachten wie Stück für Stück die Bedeutung seiner Worte in all ihren Auslegungen im Bewusstsein des jungen Mannes erkannt wurden. „Oh… so… so meinst du das!“ Platze er mit einem Mal verlegen heraus und rutschte ein Stück mit dem Stuhl nach hinten, sodass die schlanken Finger sich von seinem Kinn lösten. Dunkelrot wurden die gut gebräunten Wangen und schnell griff er nach der Tatstatur. Er schien in diesem Moment nicht im Stande noch einmal in die eisblauen Augen zu sehen, die ihn so musternd beobachteten. „Ich bin gleich weg. Ich muss nur noch schnell ein, zwei Sachen erledigen.“ Das Kopfschütteln bemerkte er nicht und den ungewohnt sanften Blick hatte der 19 Jährige ebenso verpasst. Seto zog sich in sein Büro zurück und wollte schon die Tür schließen, als er Yurikos Stimme hörte. „Habe ich das richtig gehört? Du hast Feierabend?“ Fragte sie leise lachend, Joeys Antwort konnte er nicht verstehen. Schweigend ließ er die Tür diesen winzigen Spalt offen und lauschte weiter. „Das ist ja mal was. Ich habe eben noch die Küche aufgeräumt. Soll ich noch auf dich warten?“ Die warme Stimme schien mit einem Mal so laut. „Das wäre klasse. Ich bin hier jetzt auch fertig.“ Die Bedeutung der nächsten Worte erwischte Seto wie ein Schwall kalten Wassers. „Ich sage ihm nur kurz Bescheid, dass ich Morgen später komme. Falls er es vergessen hat.“ Der Zug an der Tür sorgte dafür, dass Seto den Türgriff losließ und sich umdrehte. Wie müde Joey auch immer sein mochte, es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde bis er die Situation durchschaut hatte. Die Honigbraunen Augen blickten ihn an, vielsagend und doch schwieg er. Als sich die schmalen Lippen bewegten, war er es, der ihm das Wort abschnitt. „Dann muss ich dir also nicht mehr sagen, dass ich Morgen später komme.“ Er hielt kurz an, holte tief Luft. „Mir fallen jetzt genau vier blöde, dreiste Kommentare ein, die ich dir jetzt gerne um die Ohren hauen würde. Aber ich bin müde und ich werde meinen Feierabend garantiert nicht riskieren. Also, ich wünsche dir noch einen wunderschönen Abend, bleib nicht mehr so lange und wir zwei sind jetzt weg!“ Das Grinsen war so breit, das es bis zu den Ohren zu reichen schien. Yuriko kicherte leise, versuchte es jedoch zu verbergen. Der Blondschopf sah das anscheinend deutlich gelassener. „Mach dir keine Mühe, ich kann mir schon selbst denken, was du mir jetzt sagen willst.“ Damit drehte er sich amüsiert um. „Ich klopfe das nächste Mal, bringt dir trotzdem nichts, wenn du hinter der Tür stehst. Ach ja, das Chef Argument zählt auch nicht, ich bin Sekretär. Das ist wie ein Joker!“ Stichelte er und als er bei der älteren Dame angekommen war, blickte er noch einmal zufrieden über die Schulter. „Seto, denk an deinen letzten Termin. Hast nur noch drei Minuten!“ Sein Arm legte sich um Yurikos Hüfte und er zog sie mit sich. Diese konnte das Lachen nun wirklich nicht mehr verbergen, hatte die Hand auf den Mund gepresst. „Verschwinden wir, bevor er aus der Starrte erwacht!“ Raunte Joey noch kichernd. „Da hast du es ihm aber gegeben! Der letzte Satz war mehr als klasse! Das ist doch sonst seiner, der große Seto, der einem zum Schluss immer die Arbeit noch einmal unter die Nase reibt!“ Die beiden waren bester Laune, als sie den Fahrstuhl verließen. Sie verabschiedeten sich noch von der Empfangsdame und machten sich noch den ganzen Weg bis zur U-Bahn über den Firmenführer lustig. Dieser hatte die innerliche Starrte nur schwer überwinden können und brummte etwas Unverständliches. Kaum war man lieb zu diesem Köter, bekam der gleich Oberwasser. Aber was war er auch so dumm und ließ sich beim Lauschen erwischen? Das war ja genauso schlimm! Wer den Schaden hat, braucht eben nicht für den Spott sorgen. Mit diesem Gedanken erledigte er auch das letzte Telefonat und soweit zufrieden griff er nach seinem schwarzen Handy. Es war vielleicht eine seltsame Idee, aber warum nicht. Er rief seinen kleinen Bruder an, der etwas verwundert das Gespräch eröffnete. „Wie ist deine Arbeit gelaufen?“ Fragte nun Seto und Mokuba begann zögerlich zu erzählen. „Heute Abend bist du aber Zuhause oder?“ Folgte dann die Frage und so erfuhr er, dass der 17 Jährige schon lange im Wohnzimmer saß und sich über das Fernsehprogramm beschwerte. Kurz zögerte er noch, doch dann entschied er sich doch dafür. „Ich habe ziemlich Hunger. Was hältst du davon, wenn ich heute früher nach Hause komme und wir gemeinsam essen?“ Die Antwort kam so prompt und so direkt, dass er überrascht war. „Nur, wenn wir Sushi bestellen können!“ Das Schweigen danach schien Mokuba nun doch zu verunsichern. „Ist doch ok oder?“ Irritiert blickte er zu seinem großen Bruder, der im Sessel neben dem Sofa saß, die Beine gemütlich über die Armlehne hängend. Noah zog fragend die Augenbrauen in die Höhe. Telefonierte Mokuba da wirklich mit Seto? „Ja... ja... klar. Ist zwar nicht mein Lieblingsessen aber ich wüsste nicht, was dagegen spricht.“ Meinte nun der 22 Jährige leicht verwundert. Ok, diese Telefonate waren immer noch sehr kompliziert und irgendwie wirkten sie befremdlich! „Ich bin in ca. einer halben Stunde da. Wartest du mit dem Bestellen?“ Anscheinend freute sich der schwarzhaarige Wuschelkopf wirklich darüber. Als er das Telefonat beendete, fühlte sich Seto sonderbar. Er konnte nicht sagen, woran es lag. Er freute sich auf das Essen, wenn es ihm auch irgendwie… Angst machte? Ja, vielleicht war das wirklich das richtige Wort. Seit dem Essen mit Joey und seiner Schwester gab es keinen Streit zwischen ihnen. Jetzt aber erschien es dem Brünetten wie ein Tanz auf sehr dünnem Eis. Er wusste nicht genau, was er tun konnte, sollte, was das richtige war. Wie er es auch drehte, aber allein Mokuba konnte er die Schuld für die vergangenen Jahre nicht geben. Sein Verhalten war offensichtlich auch mit dafür verantwortlich und Noahs Bemerkung im Zug war nicht falsch. Wie wenig er seinen Bruder mittlerweile kannte, musste er diesen Abend wieder einmal begreifen. Sushi bestellen hieß mehr als das, was man sich darunter vorstellen konnte. Zum Glück hatte Noah ihn vor dem Kompliziertesten bewahrt und der Lieferservice war ausgesucht und der erste Teil der Bestellung fertig. Es gab anscheinend eine Art Ritual, dem der junge Mann jedes Mal in huldvoller Genauigkeit folgte. Wirklich verstanden hatte Seto es nicht und so war er froh, dass er nur mit einem kleinen Teil davon konfrontiert wurde. Sie hatten es sich im Wohnzimmer gemütlich gemacht und dort wurde dann auch das Sushi verspeist, das den eigentlich großen Sofatisch begrub. Was hatten die beiden alles bestellt? Der Film ließ auch zu wünschen übrig, aber Mokuba war mittlerweile völlig auf die Filme von Pixar und Walt Disney fixiert, liebte aber auch die von Illumination Entertainment bearbeiteten Animationsfilme. Einer von ihnen war „Ich - einfach unverbesserlich“. „Seto…“ Hörte er seinen Namen und müde schlug er die Augen auf. Mokuba lächelte ihn an. Warte! Wo war er? Was tat er hier? Wenigstens stellte er sich nicht die Frage, wer er war. Müde musste er erneut gähnen. „Du hast den besten Teil verpasst. Den ganzen zweiten Film!“ Neckte ihn der 17 Jährige und langsam kam Seto wieder zu sich. „Hab ich das? Hab ich denn das Ende vom ersten Teil gesehen?“ Der Schwarzhaarige kicherte und schüttelte den Kopf. „Nein, hast du nicht. Du bist eingeschlafen, als sie festgestellt haben, dass der Schrumpfstrahl nicht für alle Zeit schrumpft und der Mond, da er so unglaublich groß ist, sehr schnell wieder wachsen wird.“ Die eisblauen Augen blickten den jungen Mann nur müde an. „Na, kein Wunder, dass ich bei Schrumpfstrahlen nicht aufmerksam genug bin und einschlafe. Ich frage mich immer noch, wer sich das alles ausdenkt.“ Brummte er nur und dabei bemerkte er die Decke, die von seinen Schultern rutschte. Offensichtlich hatte Mokuba ihn, nachdem er eingeschlafen war, zugedeckt. „Vielleicht sollten wir dann doch lieber andere Filme in die Auswahl aufnehmen, wenn er uns schon die Ehre zuteilwerden lässt und sich dazu gesellt.“ Scherzte Noah und streckte sich ausgiebig. Sein jüngerer Stiefbruder kicherte nur und nickte. „Ja, da hast du Recht. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer und werde noch einmal mit Ai…“ Der Schwarzhaarige biss sich auf die Lippe und bemerkte gleich den fragenden und vor allem viel zu wachen Blick seines Bruders. „Was wolltest du sagen?“ Fragte Seto gleich, versuchte es lässig und nur halbherzig interessiert klingen zu lassen, beobachtete aber genau die Blicke, die zwischen Noah und Mokuba getauscht wurden. Nach einer schieren Unendlichkeit entschied sich der 17 Jährige nun doch dafür und schluckte noch einmal kräftig. „Ich will noch einmal mit Aiko telefonieren. Meiner Freundin!“ In den eisblauen Augen blitzte es kurz auf, so hieß sie also! Aber er versuchte es herunter zu spielen, erhob sich langsam, denn erst jetzt bemerkte er, wie schwer sich seine Beine anfühlten. „Wie spät ist es denn?“ Fragte er so nur und der Jüngere behielt ihn im Auge. Er vertraute ihm in diesem Punkt doch nicht so ganz. „Fast 23 Uhr. Zeit zum Schlafen gehen, zumindest für alle, die Morgen früh raus wollen.“ Ging Noah gleich auf die Ablenkung ein und mit beiden Händen begann Seto seinen Nacken zu massieren. „Das ist spät.“ Brummte er und hielt mitten in seiner kleinen Massage inne, als er die beiden Männer sah, die mit verschränkten Armen einen tiefen Blick auf ihn warfen. „Habe ich etwas nicht mitbekommen?“ Schweigen. Langsam ließ er die Arme wieder sinken und zog die Augenbrauen zusammen. „Was denn?“ Fragte er nun, doch keiner schien sich regen zu wollen. „Wir warten.“ Kam dann von Noah kühl und herausfordernd, doch sonst schwiegen sie. „Worauf wartet ihr?“ Fragte nun der Brünette, der immer noch nicht wusste, was die beiden von ihm wollten. Dann war es Mokuba, der das Schweigen brach und seinen Bruder leicht anfuhr. „Wir sollen dir ernsthaft glauben, dass keinerlei Reaktion darauf kommt, dass du jetzt den Namen meiner Freundin kennst?“ Die dunkelblauen Augen des jungen Mannes funkelten, erzeugten mit den wirren, schwarzen Haaren einen wilden Eindruck. Darum ging es dem Kleinen also! Für einen Moment verzogen sich die eben noch ungewohnt sanften Gesichtszüge zu einem wütenden Ausdruck und Seto spürte den genervten Zorn, der in ihm aufstieg. Halt! War das nicht genau das dünne Eis, über das er auf dem Weg hier her nachgedacht hatte? Tief atmete er ein und aus, schloss kurz die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Er hatte wirklich keine Ahnung, wie er in dieser Situation reagieren sollte und hatte sie daher übergehen wollen, um schlimmeres zu verhindern. Seine Gedanken schweiften um das Gespräch mit Mokuba, welches sie nach dem Essen draußen vor dem Schaufenster geführt hatten. Vielleicht sollte er einfach ehrlich sein? Dass er damit die beiden anderen extrem verunsicherte, wusste er nicht. Noah und Mokuba sahen sich kurz an, rechneten mit allem. „Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll, ohne dass wir uns gleich wieder anschreien!“ Diese Worte klangen unsicher, aber ehrlich. Sie klangen so ehrlich, dass die beiden Angesprochenen die Augen rund aufrissen und ihre Münder leicht offen standen. Hatten sie das wirklich gehört? Noah war es, der sich zuerst wieder fing und ein Lächeln versuchte. „Ok, es ist schon recht spät und das Thema fällt glaube ich keinem leicht.“ Begann er und beobachtete das flüchtige Zucken der Mundwinkel Setos. „Ich weiß nicht, was Mokuba dir von ihr erzählt hat, ich kenne sie ja auch nicht persönlich. Aber Aiko ist nach dem, was ich über sie gehört habe, ein wirklich nettes Mädchen.“ Das tiefe Ein- und Ausatmen ließ Noah schon das Schlimmste befürchten, doch nichts dergleichen kam. „Ich hatte bisher auch keinen anderen Eindruck von ihr. Und bei dem Leuchten, das immer in seinen Augen funkelt, wenn er von ihr spricht, ist Mokuba bis über beide Ohren verliebt!“ Dass sein kleiner Bruder dabei knall rot wurde, war ihm von vorne herein klar. „Gut, ich bin müde und mache mich auf den Weg ins Bett.“ Mit dieser Aussage straffte er noch einmal seine Schultern und die beiden anderen begannen breit zu grinsen. „Ok, das klingt nach einem guten Plan. Wie gesagt, ich telefoniere noch einmal kurz mit Aiko und dann knipse ich auch das Licht aus.“ Bei dem strengen Blick seines großen Bruders lachte Mokuba leicht, immer noch etwas unsicher. „Wirklich nur kurz. Aber ich vermisse sie und will ihr gute Nacht sagen!“ Dieses wünschte nun auch Seto und verließ als erstes das Zimmer. Die beiden anderen sahen sich erst schweigend an und dann wurde das breite Grinsen noch ein bisschen breiter. „Was auch immer Joey da macht, er muss es weiter machen! Frag ihn mal, was er für das Wochenende für Seto geplant hat. Samstag läuft der zweite Panem.“ Meinte Noah dann leicht aufgeregt. Er freute sich so ungemein für Mokuba, dass es offensichtlich zwischen den beiden Brüdern wieder besser lief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)