Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 19: Kleine Geschenke erhalten die Feindschaft ----------------------------------------------------- Kapitel 19 Kleine Geschenke erhalten die Feindschaft Seto hatte noch eine Weile mit Viktoria telefoniert und sich dann auf den Weg nach Hause gemacht. Es hatte sich als nützliche Angewohnheit herausgestellt bei seinem Aufbruch Zuhause anzurufen und sein Kommen anzukündigen. So stand das Essen pünktlich auf dem Tisch und er kam vor Mitternacht ins Bett. An diesem Abend hatte er sich in seinen privaten Computerraum zurück gezogen und die Protokolle des letzten Systemchecks von Noah durchgesehen. Es gab keine Fehler, alles lief normal… müde schloss er die Augen und ein tiefes Brummen entkam seiner Kehle. Er sollte in den nächsten Tagen noch einmal einen Check durchführen. Mit diesem Gedanken schloss er alle Programme und verließ den Raum. Er sorgte immer dafür, dass er gut verschlossen war. Er bewahrte hier auf seinen externen Rechnern mit eigenem Server einige Geheimnisse auf, die niemand jemals erfahren durfte. Müde zog er sich in sein Schlafzimmer zurück und während er seine Kleider ordentlich über den Stuhl des kleinen Schreibtisches hängte, schweifen seine Gedanken ab. Er musste an die letzten Worte Joeys denken. Meinte er das wirklich ernst? Er freute sich darüber, dass ihm das Wochenende gefallen hatte? Über diesen Gedanken schlief der Firmenführer ein und als er am nächsten Morgen von seinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, musste er direkt an den 19 Jährigen denken. Was für ein schrecklicher Morgen! Allerdings ging er weiter wie alle bisherigen. Er bereitete sich auf die Arbeit vor, trank einen Kaffee und wurde von Roland zur Arbeit gefahren. Es war alles wie immer, nur… eine kleine Vorfreude machte sich in ihm breit. Er wusste, dass gleich nicht nur ein wundervoller Becher heißen Kaffees auf ihn wartete, sondern auch dieser kleine, breit grinsende Köter! Oh, er musste sich noch etwas für diesen Dummkopf überlegen, seine Gnadenfrist von gestern war immerhin abgelaufen. Wie jeden Morgen saß er da, trug ein weißes Hemd und eine Krawatte. Die blonden Haare wirkten immer irgendwie wild und ungebändigt, genauso wie dieses breite, unbezwingbare Lächeln. „Guten Morgen, Mr. Kaiba.“ Seine warme Stimme schien den ganzen Raum zu erfüllen und Seto versuchte dieses Bild mit dem weinerlichen, in sich zusammen gesunkenen Blondschopf gestern auf dem Sofa überein zu bringen. „Die Post ist bisher noch nicht gekommen. Ich werde gegen 10 Uhr noch einmal nachschauen.“ Gab Joey von sich und bemerkte, dass der Brünette ihm nicht ganz zuhörte. Als sich die eisblauen Augen wieder auf ihn richteten, wirkten sie kühl, herausfordernd. „Gut, dann gibt mir Bescheid, wenn sie angekommen ist.“ Meinte er ruhig und machte sich auf den Weg in sein Büro. Als er die große Flügeltür öffnete, konnte er schon den starken Kaffee riechen. Vielleicht, ja, vielleicht freute er sich wirklich über diesen Becher am Morgen und vielleicht, aber auch nur vielleicht hatte Joey eine Spur außergewöhnlicher Qualitäten, die ihn einzigartig machten. Er stellte seinen silbernen Koffer ab, warf den Mantel über den Harken neben der Tür und ging dann hinüber zu seinem großen Stuhl. Da stand er, der dunkelblaue Becher, auf dem die weißen Initialen der Firma aufgedruckt waren. Er ließ sich in den weichen Stuhl sinken und griff nach dem Becher. Oh, er musste Wheeler ja noch wegen dem gestohlenen USB Stick zur Rechenschaft ziehen. Er lehnte sich entspannt zurück und hielt den warmen Becher mit beiden Händen fest. Er war schon dabei genießend die Augen zu schließen, als ihm etwas auffiel. Sein Blick blieb an einem Bild hängen, dass auf seinem Schreibtisch stand. Seit wann stand ein Bild hier? Er beugte sich vor, griff nach dem Rahmen und zog es zu sich heran. Es war eines der Bilder aus dem Tierpark. Mokuba und Noah wollten unbedingt welche machen, doch es gab nur zwei, auf denen sie alle drei waren. Konnte das Mokuba gewesen sein? Nein, der war gestern nicht hier gewesen und außer Joey hatte sonst momentan keiner Zugang zu seinem Büro und außer den beiden wusste niemand, dass es dieses Photo gab. Noah würde niemals freiwillig hier einen Fuß hin setzten und gestern Abend war es noch nicht hier. Es kam also nur einer in Frage, der für dieses Bild zuständig sein konnte. Es war ein schönes Bild und kurz schweiften seine Gedanken an diesen Tag ab. Es war kalt gewesen, aber die Erinnerung daran ließ ein wohliges Gefühl in ihm entstehen. Dennoch, dass konnte ja nicht angehen, dass dieser Köter ihm seinen Triumpf damit auch noch unter die Nase rieb. Sollte der Kerl sich nicht endlich aus seinem Leben heraushalten? Hin und her gerissen, ob er nun den Kaffe zu Ende trinken sollte oder Wheeler doch gleich den Kopf abreißen, blickte er auf den Becher in seinen Händen. Ok, der Kaffee war ein gutes Argument um noch hier zu bleiben und so ließ er sich wieder zurück sinken. So viel Zeit hatte er jawohl noch, Wheeler rannte ja nicht davon! Deutlich entspannter las er die Mitteilungen, die über seinen Bildschirm flimmerten. Er schrieb nebenher im Chat mit Patrick, der alle Einzelheiten wegen den großen Pressemitteilungen wissen wollte. Nachdenklich betrachtete er das Bild auf seinem Schreibtisch und musste dabei lächeln. Die Erinnerungen tauchten vor seinem inneren Auge wieder auf, das breite Lächeln seines Bruders während dieser von der Entstehung des Uneo Parks 1882 erzählte oder wie er die unterschiedlichsten, japanischen Vögel unterscheiden konnte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es mittlerweile schon nach halb acht war. Wenn er Joey dafür noch zur Rechenschaft ziehen wollte, sollte er sich nicht allzu viel Zeit lassen. Bilder, er war nie ein großartiger Freund davon gewesen, sie standen für ihn immer nur für Eitelkeit und Egoismus. Sein Stiefvater hatte immer dieses gewaltige Gemälde von sich selbst im Treppenhaus der Villa aufhängen müssen und auch hier in der Firma waren seine „Kunstwerke“ verteilt. Dabei konnte einem nur übel werden! Allerdings besaß er noch immer den alten Anhänger, den er von Mokuba geschenkt bekommen hatte. Mittlerweile war er abgenutzt und alt, aber wenn er ihn nicht in der Hosentasche trug, war er in seinem silbernen Koffer, der auch fast überall dabei war. Nachdenklich griff er nach dem Bild, ließ sich wieder zurück in den Stuhl sinken und betrachtete das Photo in seinen Händen. Es war ein schlichter, schwarzer Rahmen aus Holz, der das auf Hochglanz gedruckte Bild einfasste. Mokuba hatte viele Bilder, auch wenn er sie momentan wohl nicht in dem ganzen Chaos in seinem Zimmer wiederfand. Er wusste noch immer nicht, dass Joey und sein kleiner Bruder dem katastrophalen Zustand dieses Raumes ein Ende bereitet hatten. Ein seltsames Gefühl schlich sich mit einem Mal in seinen Verstand und die Überlegung kam auf, ob er Joey dafür wirklich büßen lassen sollte. Das Bild gefiel ihm und es kamen sogar angenehme Empfindungen dabei zustande. Aber er hatte Wheeler auch ganz klar gesagt, dass er genau solch einen Scheiß lassen sollte. War der Zusammenbruch gestern etwa nicht genug? Das brachte ihn zu seinem nächsten Punkt. Wenn er ihm die Aktion hier durchgehen ließ, stand er auch nicht zu seinem eigenen Wort. Während er das Bild in seinen Händen drehte, wurde ihm noch etwas anderes bewusst. Er mochte es. Es war nicht so, dass er seinen Willen unbedingt durchsetzten musste, es machte ihm Spaß! Es gefiel ihm einfach Wheeler so erledigt und fertig mit der Welt zu sehen. Der Moment, in dem ihm klar geworden war, in welcher Situation er sich befand. Das starre Lächeln, als er vor den Kameras sprach. All das jagte ihm diesen angenehmen, zufriedenen Schauer über den Rücken. Nun gut, er hatte damals Gozaburo dazu gezwungen sie zu adoptieren und ihn schließlich aus seiner eigenen Firma gedrängt. Jetzt gehörte ihm mit 22 Jahren eine Firma, die auf der ganzen Welt bekannt war und sich langsam an die Weltspitze kämpfte. Dazu kam seine inoffizielle Verlobung mit einer Frau, die das Aufkaufen und Zerlegen von Firmen als Hobby ansah und die so skrupellos war, dass sie während Verhandlungen Vater und Sohn verführte, um sie gegeneinander auszuspielen. Er würde sogar sagen, dass sie eine Soziopathin erster Güte war. Wie konnte es ihm da als ungewöhnlich auffallen, dass er am Quälen anderer Menschen Freude hatte? Er hielt das Bild wieder fest und blickte darauf. Nun, nicht an allen, er gab Joey Recht. Er liebte seinen Bruder und er würde alles für ihn tun. Aber er genoss die Tatsache, dass sein dummer, erster Sekretär so viel Angst vor ihm hatte, dass er völlig von der Bildfläche verschwundenwar. Außerdem hatte er noch die Freude vor sich, seinen Sekretärinnen das Leben zur Hölle zu machen. Immerhin hatten sie ihn betrogen und belogen. Mit einem zufriedenen Schmunzeln stand er auf. Dieses angenehme Gefühl der völligen Klarheit durchdrang ihn. Ein beinahe erregter Schauer breitete sich in ihm aus, als er sich seine nächsten Worte zurecht legte. Er würde keine drei Monate brauchen, bis Wheeler vor ihm im Staub kroch und nie wieder aufstand! Hätte der Blonde gewusst, was dieses Bild auslösen würde, er hätte es niemals auf diesen Schreibtisch gestellt. Doch nun klopfte er unwissend an die Tür, hinter der nur wenige Meter entfernt der Firmenführer auf dem Weg zu ihm war. Die tiefe Stimme rief herein und mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen trat der 19 Jährige ein. Er hielt die Post in der Hand, da die Empfangsdame ihm Bescheid gegeben hatte. Sein Blick fiel sofort auf den Brünetten, der nun vor ihm stand und das Bild in Händen hielt. Bevor er noch irgendetwas sagen konnte, hörte er schon die anklagende Frage. „Was bitte hat das hier auf meinem Schreibtisch zu suchen und wo kommt es her?“ Der Blonde zuckte leicht zusammen und starrte auf die hintere Seite des Bilderrahmens. Er wusste sofort, was Seto da in der Hand hielt. „Ich… ich habe es dahin gestellt. Es…“ Doch mehr wollte er nicht sagen, denn der Blick der eisblauen Augen war so grausam und kalt, dass ihm die Stimme versagte. Gefährlich zogen sich die Augenbrauen zusammen und der Brünette trat noch einen Schritt weiter auf ihn zu, hob den Bilderrahmen an. „Und warum bitte kommst du auf die Idee mir so etwas hinzustellen?“ Fragte er mit eisiger Stimme. Die honigbraunen Augen wirkten so unsicher, als verstand er die Frage nicht. „Du solltest dich eben immer daran erinnern.“ Versuchte er einen unsicheren Anfang, der dann grob abgebrochen wurde. „Willst du mir damit jetzt etwa sagen, dass ich so vergesslich bin, dass ich eine Erinnerung daran bräuchte?“ Er drängte dabei den jungen Mann weiter zurück. Nur zwei Schritte, aber sie reichten aus um ihn mit dem Rücken gegen die Wand stoßen zu lassen. In diesem Moment verstand Joey die tiefgehende, brutale Wahrheit hinter diesen Worten. Das hier war der eine Moment, in dem es vollkommen egal wurde, was er entgegnete. Seto Kaiba wollte ihn damit nur in die Enge treiben, ihn demütigen, ihn fertig machen und nun stand er wortwörtlich mit dem Rücken zur Wand. Er blickte auf, sah in diese Eisaugen und spürte die Angst tief in seiner Seele. Seto hatte sich mit der rechten Hand neben seinem Kopf abgestützt, zur Linken kam gleich die Tür, die noch halb offen stand. Ungehört, lautlos drehten sich in diesem Herzschlag die Räder des Schicksals weiter, denn Joey hatte eine Entscheidung getroffen. Wenn es egal war, wofür er jetzt „bestraft“ wurde, dann würde er es sich wenigstens verdienen! „Ja, genau das will ich dir damit sagen! Bei deinem Konsum an Kaffee und Cognac gehe ich nicht davon aus, dass du dich lange daran erinnerst! Du weißt doch noch, wann und wo dieses Photo gemacht wurde oder?“ Dabei starrte er so selbstsicher und provokant in die eisig blauen Augen, wie er nur konnte. Wie in jedem Duel Monsters Spiel setzte Joey alles auf eine Karte. Er spielte aggressiv, ging in den Angriff über und bangte, hoffte, flehte, dass die verdeckte Karte auf der anderen Seite keine Falle war, die sein mächtiges Rotauge in Stücke riss und ihn damit in die absolute Niederlage trieb. Allerdings gab es auch nur eine einzige Karte, die Seto Kaiba jetzt spielen konnte. Bei all seiner Grausamkeit, seiner Bosheit und seiner Überlegenheit war er durch seinen Stolz doch nur zu einem Zug in der Lage! Drache gegen Drache! Es kostete ihn all seine Fassung in diesem Augenblick nicht voreilig zu werden, dem plötzlich aufkommenden Gefühl der Wut nachzugeben. Joey hatte gespielt und nun war er mit seinem Zug an der Reihe. Karte um Karte. Mit diesem Gedanken drückte er das eingerahmte Photo in Joeys Hände und ein grausames Lächeln legte sich über die schmalen Lippen. „Ja, das weiß ich noch, sehr gut sogar.“ Die tiefe Stimme war deutlich leiser geworden, hatte einen gefährlichen Klang. Sanft strichen die warmen Finger der linken Hand über Joeys Hals. „Ich sollte dich wohl besser an die Leine legen, du vergisst anscheinend, wo dein Platz ist.“ Noch immer trug er dieses Lächeln und es fiel dem 19 Jährigen immer schwerer die Angst zurückzudrängen. „Dir würde ein Halsband viel besser stehen als mir!“ Versuchte er sich zu verteidigen und behielt das herausfordernde Grinsen aufrecht. Er wusste, dass der Zug noch nicht zu Ende gespielt war. Er wusste, dass er gleich erst den mächtigen Konter zu erwarten hatte. In diesem schicksalshaften Moment hatte sich alles verändert, die Regeln dieses Spieles waren neu definiert worden und nun waren die Chancen gleich ausgelegt. Karte um Karte und Joey wusste, dass der nächste Angriff ihn in die Knie zwingen sollte. Seto war so nah, die warmen Finger lagen sanft an seinem Hals, doch der leichte Druck erschien dem Blonden wie eine unüberwindbare Fessel. Die schmalen Lippen befanden sich dicht neben Joeys rechtem Ohr, auf der anderen Seite war noch immer die Hand gegen die Wand gestützt. Rau, tief und seltsam erregt klang das Flüstern in seinem Ohr, ein kalter Schauer lief über seinen Rücken. „Ich habe das perfekte Geschenk für dich, Joey. Du wirst es hassen!“ Damit zog sich der 22 Jährige wieder von ihm zurück, stieß sich leicht von der Wand ab und die eisblauen Augen sahen ihn mit diesem unergründlichen Blick an. „Oh, ich verzichte dankend!“ Ein Stein fiel von seinem Herzen, als endlich wieder Luft zwischen ihm und Seto war. Noch immer spürte er die Berührung der warmen Finger, wobei die Stellen sich schrecklich kalt anfühlten. Er atmete tief ein und aus. Anscheinend hatte er noch eine Gnadenfrist bekommen. Doch er wusste, dass damit seine Niederlage nur grausamer werden würde. „Ich… ich wollte dir nur deine Post bringen. Bitte, und jetzt muss ich mich noch um andere Dinge kümmern. Es… es sind noch ein paar Telefonate offen!“ Damit drückte er ihm alles wieder in die Hand, drehte sich um und ergriff die Flucht. Als er den Raum verließ, schien es ihm als stände er im Schatten des weißen Drachen, dessen eiskalter Blick auf seinen Nacken gerichtet war. Ein einziger Biss, präzise und tödlich. Von Angst und Erleichterung getrieben sortierte er noch einmal alles auf seinem Schreibtisch, bevor er nach dem Hörer griff. Keiner rief den weißen Drachen so einfach, nein, sein Erscheinen war gut geplant, voller kalter Grausamkeit würde er das Spielfeld betreten. Mit einem Seufzen wählte er die Nummer. Jetzt kannte auch er endlich die Regeln dieses Spieles, wie ein Duell, nur ohne ihre Karten. Zug um Zug, bis einer von ihnen nicht mehr aufstehen würde. Das war ein erschreckender Gedanken! Verwundert stellte ihm Yuriko einen Becher Tee auf den Tisch, während er sich mit Rechtfertigungen und Ausflüchten herum schlagen musste. „Es reicht mir jetzt! Seit letzten Mittwoch erzählen sie mir, dass sie das nicht finden können, jenes nicht wissen, sich hier noch erkundigen müssen! Der Vertragsabschluss soll Mitte nächsten Monats stattfinden und momentan steht rein gar nichts fest! Das hier ist doch kein Kindergarten, in dem ihre Mutter ihnen eine Entschuldigung schreibt! Ich brauche diese Zahlen bis Morgen um 16 Uhr und wenn ich sie bis dahin nicht habe, werde ich Mr. Kaiba sagen, dass sie offensichtlich kein Interesse an diesem Vertrag haben!“ Damit legte er einfach auf, griff nach der Tastatur. „Sally, leg bitte für Morgen um 16 Uhr einen Termin in meinen Kalender. Ich könnte diesen Kerl erschlagen!“ Der gelbe Smiley rollte über den Bildschirm und öffnete den Kalender. Sie blätterte den nächsten Tag auf und öffnete einen neuen Eintrag für 16 Uhr. Schnell tippte Joey die wenigen Worte, die er dazu brauchte und Sally speicherte den Termin. Mit einem grimmigen Blick griff er nach seinem Teebecher und nahm einen großen Schluck, bevor er den nächsten Anruf in Angriff nahm. Mr. Yamamoto, der von ihm am meisten gehassteste Mann Japans! Kaum hatte er sich am Telefon gemeldet, bekam er die charmanten Worte zu hören. „Ach, Mr. Wheeler, sie trauen es sich noch hier anzurufen?“ Ruhig bleiben! „Ja, ich muss es leider, da sie ja nicht auf meine E-Mail reagieren!“ Versuchte er so freundlich wie Möglich zu bleiben. „Oh, sie haben mir geschrieben? War das dieser von Fehlern wimmelnde Text, den ich in meinem Spamordner gefunden habe? Ich dachte, das wäre nur eine Junk Mail!“ Der Blick der honigbraunen Augen wurde kühl, das Reißen des Geduldsfadens konnte man regelrecht hören. Seto beobachtete schweigend die Szene, da er gerade aus seinem Büro getreten war. Tief atmete der Blonde ein und aus und dann brannte seine Stimme beinahe vor Wut. „Das hier ist mein allerletzter Anruf und damit ihre allerletzte Chance, Mr. Yamamoto!“ Doch es erklang nur ein Lachen aus dem Hörer. „Sonst was?“ Kurz schlossen sich die Augen des 19 Jährigen und mit einem Ruck stand er aus seinem Stuhl auf, stützte sich mit der freien, linken Hand ab. „Sonst erklären sie ihrem Chef, warum sie zu dämlich dazu waren eine einfache Mail zu verschicken und wenn ich die passenden Unterlagen bis heute Abend um Punkt 19 Uhr nicht in meinem Postfach habe, bekommen sie einen rosaroten Liebensbrief von mir für ihren Chef mit folgendem Inhalt. „Sehr geehrter Herr Harukaze, da ihr Sekretär leider nach mehrfacher Aufforderung die fehlenden Unterlagen nicht übermitteln konnte, gehen wir von einem aufgetretenen Dessinteresse an den besprochenen Vereinbarungen aus. Da die zur Verfügung gestellte Investition den Rahmen eines freundschaftlichen Gefallens überschreitet, ziehen wir hiermit das Angebot zurück. Mit Bedauern teilen wir ihnen des Weitern mit, dass wir auf zuverlässige Partner angewiesen sind und diesbezüglich von einer zukünftigen Zusammenarbeit absehen. Mit freundlichen Grüßen!“ Es war still geworden und mit einem Knurren sagte Joey. „Sally, Brief drucken!“ Einen Moment später sprang der Drucker hinter ihm mit einem sanften Piepen an und begann zu drucken. „Ja, ich weiß, dass das nicht mit Mr. Kaiba abgesprochen ist und dass dieser Vertrag trotzdem erfüllt wird. Aber was wird es Herr Harukaze zusätzlich kosten? Allein die Tatsache, dass er persönlich hier anrufen und sich bei mir dafür persönlich entschuldigen muss, wird deinen Kopf kosten! Oder wird dein Chef dir glauben, dass du versehentlich die drei E-Mails übersehen hast, die in meinem Protokoll nachweißlich an die RICHTIGE Adresse geschickt worden sind? Wird er dir glauben, dass die über mehrere Minuten geführten, nachweißbaren Telefonate über Backen und Stricken geführt wurden? Nein, das wird er nicht!“ Damit griff er nach hinten, zog den Brief aus dem Drucker und schlug ihn mit der flachen Hand auf den Tisch. „Heute Abend um 19 Uhr sind alle Unterlagen hier oder ich bringe Morgen diesen Brief persönlich zu Herrn Harukaze!“ Nun legte der andere einfach schweigend auf. Es gab keinen bösen Kommentar mehr, keine Erwiderung, einfach nur ein schweigendes Klick am anderen Ende der Leitung. Wütend knallte Joey den Hörer auf das Telefon und ließ sich in seinen Stuhl zurück fallen. Er starrte zu Sally, die ihn mit großen Augen anblickte. „Glaubt dieses Arschloch wirklich, dass er mich verarschen kann?“ Erst jetzt bemerkte er den Schatten, der aus dem Augenwinkel immer näher kam. Erschrocken zuckte er wie so oft zuvor zusammen und bemerkte das Lächeln auf den schmalen Lippen. „Du bringst mich in Schwierigkeiten, Wheeler.“ Meinte er mit einem viel zu ruhigen Ton, beobachtete dabei den jungen Mann, der immer bleicher wurde. Anscheinend hatte Seto genügend mitgehört. „Wenn ich dich vor aller Welt demütige, dich zum Heulen bringe, dann bekomme ich den besten Kaffee, denn ich bisher hier in meinem Büro getrunken habe. Wenn ich dich in die Ecke treibe und dir ungehörige Gedanken in den Kopf setzte, wenn ich dir erzähle, dass ich dir ein Halsband umlegen will, dann telefonierst du als hättest du nie etwas anderes gemacht. Ich könnte auf die Idee kommen, dass ich nur wirklich böse zu dir sein muss, damit du gute Arbeit leistest!“ War das gerade ein Kompliment? Ein kleines Kompliment versteckt unter einer großen Beleidigung? Oder eher einer Drohung! „Nein, ähm, nein, ganz sicher nicht. Ich… ich war einfach nur wütend und sauer. Es kann ja nicht angehen, dass dieser Kerl mir wegen drei Tippfehlern die Unterlagen nicht zuschickt!“ Brummte er nur und griff schutzsuchend nach seinem Tee, in den er einen Moment blickte. „Ich habe ein Geschenk für dich!“ Erklang mit einem mal die tiefe Stimme und verunsichert hob Joey den Blick. „Darf ich es jetzt schon ablehnen?“ Fragte er und starrte auf die schlichte, kleine Box, die nun vor ihm auf den Tisch gestellt wurde. Sie war dunkelblau und trug am unteren Ende des Deckels das Logo der Kaiba Corporation. Die kleine Box war ca. 6 Zentimeter hoch und über 15 Zentimeter lang. Passte da ein Halsband hinein? Die Seiten des Deckels waren bis zum Boden herunter gezogen und lagen eng an. Nur langsam glitt der Deckel in die Höhe und mit einem fast unhörbaren Plop löste er sich vom unteren Teil. Es war kein Halsband. Ein schlichtes, schwarzes Gerät lag in dem kleinen Kästchen, sein spiegelnder Display verlieh ihm eine elegante Wirkung. „Du bist mein Sekretär und ich kann dich nicht mit diesem alten Totschläger durch die Gegend laufen lassen. Also, bekommst du dank meiner unendlichen Güte dieses Handy für die drei Monate deiner Arbeit geschenkt.“ Joey sah auf und war irritiert. Er wusste, dass da ein Harken an der Sache war, aber welcher? „Du schenkst mir dieses Telefon einfach so? Für drei Monate?“ Fragte er vorsichtig und einen Moment später bekam er einen großen, bräunlichen Briefumschlag unter die Nase gehalten. „Ja, das tue ich und ich habe dir sogar die Bedienungsanleitung ausgedruckt und mich wahrhaft 10 Minuten hingesetzt und dir alles Wichtige markiert, damit es eine Überlebenschance in deinen Händen hat.“ Meinte er mit einem breiten Grinsen und Joey nahm ihm den Umschlag ab. „Ok, und wo ist der Harken?“ Fragte er vorsichtig und zog den fein zusammen getackerten Papierschwung aus dem Umschlag. „Dass du damit nicht umgehen kannst! Ich hätte dir dieses Gerät, nennen wir es einfach Handy, erst am Montag zur Reise gegeben, aber es ist deutlich besser, wenn du erst einmal damit übst. Vielleicht kannst du dann ja zumindest damit telefonieren.“ Dabei trug er ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen. „Bevor du jetzt noch andere Geschäfte gefährlich ins Wanken bringst, solltest du dich lieber erst einmal damit auseinander setzen und dann weiter arbeiten.“ Nun wurde Joey rot vor Verlegenheit und fuhr sich peinlich berührt mit der flachen Hand über den Nacken. „Ist vielleicht eine gute Idee.“ Brummte er leise. „Bevor ich es vergesse, da du bei deinem alten Totschläger sicher keinen vernünftigen Tarif hast, habe ich eine kleine Besonderheit eingebaut. Du hast eine zweite, digitale Sim Karte in diesem Gerät, über das alle Anrufe und sonstige Aktivitäten geleitet werden. Anders ausgedrückt: Du telefonierst und surfst in den nächsten drei Monaten umsonst, die kompletten Kosten werden von der Kaiba Corporation übernommen. Einzige Bedingung: Nicht kaputt machen und nicht verlieren!“ Dabei hatte der Brünette den Zeigefinger gehoben und sprach mit ihm in einem Tonfall, als wäre Joey ein kleiner Junge. Dieser nickte nur schweigend und starrte dann auf das Gerät, das noch vor ihm in der Verpackung lag und glänzte. „Ach ja, ich habe ein paar Voreinstellungen für dich eingerichtet, damit es nicht ganz so kompliziert ist.“ Ein freudiges Quietschen zog seine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm neben sich und Sally hüpfte auf und ab. „E-Mail! E-Mail!“ Rief sie laut und dann wurden ihre kleinen, schwarzen Augen groß. „E-Mail von Mr. Yamamoto!“ Gab sie nun mit ihrer fröhlichen Stimme bekannt. Joeys Augen begannen zu leuchten und er gab ihr den Befehl die E-Mail zu öffnen. „Was hat er geschrieben?“ Fragte Seto und beugte sich ein Stück über den Schreibtisch. „Sehr geehrter Mr. Wheeler, wie telefonisch besprochen übersende ich ihnen die notwendigen Unterlagen, Mit freundlichen Grüßen Mr. Yamamoto.“ Las er vor und öffnete die entsprechend angefügte Datei. Nun war es Seto der erstaunt die Augenbrauen hob und sich aufrichtete. „Ich sage es nur sehr ungern und ich werde es sicher nicht wiederholen, aber ich bin beeindruckt. Du bist in all der Zeit der erste, der diesen Mistkerl bezwungen hat. Normalerweise muss ich mich immer um diese Anrufe kümmern.“ Diese Worte verklangen ohne Reaktion in der Luft. Joey starrte ihn einfach nur mit offenem Mund an und großen, runden Augen. Hatte Seto das wirklich gesagt? Er hörte den Drucker hinter sich mit dem Druck beginnen und doch konnte er sich nicht rühren. „Ich bin in meinem Büro, falls du dich wieder bewegen kannst.“ Schmunzelte der Brünette und wollte sich schon umdrehen, als Joey aufsprang. „Ähm, warte, ich hab da noch etwas…“ Rief er und griff nach dem Schwung Papier, der gerade frisch ausgedruckt war. Er hatte noch eine Büroklammer von seinem Schreibtisch genommen und mit einer schnellen Handbewegung klemmte er die Blätter zusammen. „Hier, die Unterlagen, die er eben geschickt hat.“ Er schenkte Seto ein breites Lächeln, während er ihm diese entgegen hielt. Für einen kurzen Moment war da dieses sanfte, zufriedene Lächeln auf den schmalen Lippen und ein warmer Ausdruck in den eisblauen Augen. Für diesen einen Herzschlag schien die kalte Maske von seinem Gesicht gefallen zu sein und Joey allein galt dieser sanfte Ausdruck. „Danke.“ Kam so reflexartig von ihm, als er nach dem Papier griff, dass es ihm nicht einmal auffiel. Joey lächelte in seinen Teebecher hinein und spürte das wohlige Gefühl der Freude. Er hatte nicht nur Kaibas Bewunderung, nein, für einen kleinen Moment hatte er dieses unglaubliche Lächeln sehen dürfen und er hatte danke gesagt! Er hatte sich bedankt! Es war ein kleiner Rausch aus Glück, dem er beim Lesen der Bedienungsanleitung erlag. Das war ein so schönes Gefühl! Er würde nicht aufgeben, er würde weiter machen, auch wenn Kaiba manchmal echt mies sein konnte. Nachdem er die Bedienungsanleitung soweit gelesen hatte, zog er sein Handy aus der Tasche. Er öffnete beide Geräte tauschte die Sim Karte und startete das schwarze Smartphone. Klasse, damit wollte er sich eigentlich nicht auseinandersetzen. Er liebte sein einfaches, schlichtes Handy. Er gab die Pin ein und einen Moment später starrte er wie versteinert auf den Bildschirm. Das Bild, dass dort erschien, war anscheinend am Dienstag beim Essen aufgenommen worden und Seto hatte es mit zwei Hundeohren verfeinert. 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