Dunkle Nächte von Traumfaengero_- (Wenn das Schicksal zuschlägt...) ================================================================================ Kapitel 14: Wo liegt Dubai? --------------------------- Kapitel 14 Wo liegt Dubai? Es dauerte wirklich einen Moment, bis der Brünette verstanden hatte, was da eben gesagt wurde. Die eisblauen Augen blinzelten und das helle Gesicht verlor jede Fassung. Joey versuchte so unbemerkt zu schlucken, wie es nur ging. „Du brauchst etwas zu essen… und jetzt vielleicht Ruhe. Es wäre wohl besser, wenn ich wieder gehe.“ Schlug er mit einem sehr unsicheren, leichten Lächeln vor. Doch Kaiba richtete sich langsam wieder zu voller Größe auf, er hatte sich auf der Arbeitsplatte seines Schreibtisches abgestützt und begann den Kopf zu schütteln. „Nein, du gehst jetzt nicht!“ Sagte er und schien sich noch immer nicht ganz gefasst zu haben. „Hast du mir eben ernsthaft gesagt, dass ich…“ Doch da war es Joey, der mit all seinem Mut den Satz wiederholte. „Du brauchst außer Cognac und Kaffee etwas in deinen Magen!“ Er spürte die Angst in seiner Brust, die Feuchtigkeit seiner schweißnassen Hände, doch jetzt reichte es ihm. Er wollte nicht mehr kuschen, kein kleiner Hund mehr sein, der sich vor allem versteckte. Seit wann ließ er sich eigentlich von diesem Schnösel so einschüchtern? Mit einer kräftigen Geste trat er vor und sah den Firmenchef direkt in das blasse Gesicht. „Wann hast du gestern etwas gegessen? Wann wirst du heute etwas essen?“ Fragte er provokant und bemerkte, dass der Brünette wirklich noch immer so perplex war, dass er ihm nicht antworten konnte. „Du isst zu wenig, dafür brauche ich kein Arzt zu sein und dafür brauche ich dich nicht einmal näher kennen lernen. Also, iss und wirf mir nicht alles vor. Ich kann nichts für diesen verfluchten Artikel und… und… ich… ich…“ Nun war es der Blonde, der verwirrt drein blickte. Warum begann sein Gegenüber zu lächeln. „Ja, was ist mit dir?“ Fragte Seto ruhig und verschränkte die Arme vor der Brust. Er wirkte mit einem Mal wieder so überheblich, gelassen und selbstsicher. Warum? Warum war aus diesem völlig perplexen Gesichtsausdruck dieser… dieser völlig überhebliche geworden? Nein, er musste sich zusammen reißen! „Ich werde sicher niemals so dumm sein, solch einen Blödsinn der Presse zu erzählen! Glaubst du wirklich, nach all dem, was passiert ist, will ich meine Schwester da mit rein reißen? Nein, ganz sicher nicht. Also grins nicht so blöd und… und lass mich meine Arbeit machen!“ Jetzt hatte er gegeben, was er konnte. So viel Kraft und Überzeugung er noch besaß, legte er in diese Worte, drehte sich so schwungvoll um, wie es ging und verschwand so schnell er konnte aus dem Büro. Das Lächeln verschwand beim Schließen der Tür sofort wieder. Er hatte es nur aufgesetzt, um Joey aus der Bahn zu werfen, was auch wunderbar funktioniert hatte. Noch immer schwankte er zwischen kochender Wut und völliger Überforderung. Ja, er würde es niemals zugeben, aber das überforderte ihn wirklich. Wieso interessierte es diesen Köter, wann und was er aß? Außer seinem Bruder hatte sich niemand dafür interessiert und vor allem keine Sekretäre! Gut, aber so einfach würde er Joey sicher nicht entkommen lassen. Er schritt um den Schreibtisch herum, über den blauen Teppich und öffnete eine der Türseiten sehr langsam und vorsichtig. Wie er erwartet hatte! Noch immer nach Luft ringend und mit geschlossenen Augen lehnte Joey an der anderen Seite der Flügeltür und schien sich zu sammeln. Er rechnete nicht damit, dass Seto ihm folgen würde. „Mein Kaffee fehlt noch!“ Seine Stimme hatte diesen kalten, herablassenden Ton und er genoss, wie der Blonde aus allen Wolken fiel und zusammen zuckte. Die honigbraunen Augen sahen ihn voller Angst, ja regelrecht voller Panik an. „Mein Kaffee!“ Wiederholte er und den Anblick noch einen Atemzug genießend zog er die Tür hinter sich wieder zu. Das Schöne an dieser Situation war die Tatsache, dass Joey gleich mit dem Becher wieder hier hinein kommen musste. Er hatte alle Karten in seiner Hand und dieser Anblick… oh, da lief ihm ein regelrecht angenehmer Schauer über den Rücken. Diese vor Angst geweiteten Augen, das war eine herrliche Rache! Mit sich selbst sehr zufrieden setzte er sich zurück an seinen Schreibtisch und wartete. Als hätte er eine volle Schachtel Pralinen vor sich, aus der er die schönste heraussuchen konnte, saß er in seinem großen Sessel und telefonierte gerade, als es an der Tür klopfte. Er rief den jungen Mann herein und meinte breit grinsend am Telefon. „Oh nein, keine Sorge, es ist nur mein stümperhafter Sekretär, der den Kaffee vergessen hat!“ Die eisblauen Augen funkelten ihn voller grausamer Häme an. Für ihn war es mehr als der Schritt in die Höhle des Löwen. Er hatte nicht erwartet, dass der Kerl wirklich zur Tür kommen würde und so von Kaiba erwischt zu werden, hatte all seinen Mut bis ins Mark erschüttert. Seine Hände zitterten, als er den Becher auf dem Tisch neben dem Teller abstellte und dabei jede Bewegung von dem Brünetten beobachtet wurde. „Was ist denn? Hast du solch eine Angst, dass du schon vor mir zitterst?“ Fragte dieser mit einem höhnischen Ton in der Stimme. „Dann habe ich ja alles richtig gemacht!“ Die Genugtuung, die er in diesem Moment empfand, konnte er nicht in Worte fassen. Er sah Joey tief in die Augen, diese gemischten Gefühle aus Angst und Wut, die er nicht zu zügeln wusste. Was für eine göttliche Freude! „Du gehörst noch ganze drei Monate mir, Joey. Vergiss das nicht, es sind noch fast ganze drei Monate. Das hier ist der zweite Tag. Dienstag. Zähl für mich doch einmal die Stunden, die wir noch gemeinsam vor uns haben!“ Er sah, wie der blonde Mann vor ihm die Hände zu Fäusten ballte und sich wütend auf die Unterlippe biss. Doch dann entspannte sich Joey mit einem Mal und meinte unerwartet ruhig. „Es sind ca. 560 Stunden, wenn ich bis zum 26. Januar nächsten Jahres hier arbeite und pro Woche 5 Arbeitstage rechne. Wenn ich von einer 40 Stunden Woche ausgehe, sind es 560 Stunden plus die wahrscheinlich kommenden Überstunden.“ Erstaunt ließ der Brünette sein Smartphone sinken. „Oh, ich wusste nicht, dass du so panisch bist, dass du es schon ausgerechnet hat.“ Meinte er mit einem leichten Lachen und bemerkte, wie eine erneute Anspannung in die Muskulatur des Blonden trat. „Dann mach dich für die nächsten vier ein halb Stunden nützlich! Ich bezahle dich immerhin nicht für’s Rumstehen!“ Damit hob er das Telefon wieder an sein Ohr und wandte sich von ihm ab. „Bin ich wirklich so furchteinflößend, meine Liebe? Ich meine, er arbeitet den zweiten Tag für mich.“ Er schien sich köstlich zu amüsieren, doch Joey konnte nicht hören, was die Dame am anderen Ende antwortete. Er drehte sich nur um und verließ das Zimmer. Sein Blick war starr auf den Bildschirm gerichtet und er schwieg. Was war das eben für eine Situation gewesen? 560 Stunden, ja, die würde er hier noch verbringen und es brachte rein gar nichts, vor diesem Scheißkerl in Angst zu erstarren! Er würde für sich eine Entscheidung treffen müssen, das war das einzige, was ihn jetzt noch retten konnte. Er war Seto Kaibas persönlicher Sekretär und er würde sich nicht wie ein kleiner Hund herum schupsen lassen! Und wenn er sich noch einmal mit ihm anlegen musste, aber Morgen würde er wieder einen Teller mit Brot auf den Schreibtisch stellen! Ja, auf die Angst durfte er nicht hören! Diese panische Angst, die ihm jetzt schon die Luft abschnürte und seine Hände zittern ließ. Ja, er hatte sich dazu entschieden und es war ihm egal, was die Presse sagte! Er würde das schaffen! Erschrocken starrte er auf das klingelnde Telefon und atmete tief ein und aus. Ok, ja, er würde das schaffen. Er griff nach dem schwarzen Hörer, räusperte sich noch einmal und sprach mit erstaunlich fester Stimme. „Büro Seto Kaiba, was kann ich für sie tun?“ Er hatte das Gespräch kurz gehalten, starrte auf den Teller mit den beiden Broten und spürte ein Ziehen in seinem Magen. Salami und Käse waren nicht gerade seine Lieblingssorten, aber Hunger hatte er so langsam schon. Das lag wahrscheinlich nur an den Broten, die da vor ihm lagen, aber… aber was störte es schon, wenn er probierte oder? Seine Rache hatte er gründlich ausgelebt und Joey würde noch das eine oder andere Mal bluten. Warum sollte er also nicht doch etwas essen? Zögerlich griff er nach dem Salamibrot und während er es in der rechten Hand betrachtete, stahl er die Dekoration davon herunter. Die Gurke schmeckte gut und nun musste er sich eingestehen, dass er definitiv Hunger hatte! Der Geruch des Kaffees erfüllte die Luft und in seinen großen Sessel zurück gelehnt, denn Teller auf dem Schoß, sah er aus dem großen Fenster hinter seinem Schreibtisch. Wann hatte er das überhaupt einmal getan? Den nächsten Termin hatte er frühestens in einer Stunde und sonst gab es Nichts, dass er nicht auch verschieben konnte. Einfach einmal entspannen. Die eisblauen Augen sahen den fliegenden Wolken zu, die über den Himmel zogen. Was auch immer das für ein Hartkäse war, aber der schmeckte verdammt gut! War es wirklich ein so schlimmer Posten? Musste er sich wirklich von anderen Sekretären beschimpfen lassen? Es war draußen mittlerweile dunkel und Yuriko schon gegangen. Sein Englisch war nicht sonderlich gut, doch dass der Mann ihn eben wüst beschimpft hatte, war ihm klar. Müde lehnte er sich zurück und schon wieder klingelte das Telefon. Kurz musste er gähnen, bevor er den Hörer aufnahm und sich meldete. Der Mann an der anderen Seite hatte eine gehetzte, grelle Stimme, die ihm schon jetzt in den Ohren weh tat. Joey seufzte innerlich, als ihm gleich vorgeworfen wurde, warum man ihn nicht sofort zu Seto Kaiba persönlich durchstellte und er schon wieder mit einem Dilettanten telefonieren musste. „Mr. Kaiba ist in einer Besprechung und kann Sie leider nicht persönlich entgegen nehmen. Vielleicht kann ich Ihnen weiter helfen, ich bin immerhin für die Belange unseres Firmenführers zuständig.“ Doch das, was er dann zu hören bekam, ließ ihn den Mund ein Stück offen stehen. „Was soll mir schon so ein dummer Sekretär wie du weiter helfen? Wenn ich sage, dass ich mit Kaiba sprechen möchte, dann meine ich das auch so. Wie soll ein inkompetenter Trottel mir schon helfen können?“ Die Schimpftirade war weitaus länger und leicht entsetzt starrte Joey das Telefon an, als nicht nur er, sondern auch noch die Firma und etwaige, unbekannte Familienmitglieder in den Dreck gezogen wurden. Erschrocken sah er auf, als er den Schatten bemerkte, der nun auf ihn fiel. Genau der besagt Herr stand vor ihm und da der Mann am anderen Ende so laut war, hatte „Mr. Kaiba“ alles mit angehört. Im ersten Moment wusste er nicht, was er sagen oder tun sollte, als sich der Brünette über den Schreibtisch beugte und auf die Lautsprecher Taste drückte. Mit einem lauten Räuspern unterbrach er den Schwall an Flüchen und Beschimpfungen. „Mit wem soll ich verbunden sein?“ Fragte er deutlich und ein „Mr. Kaiba, sind sie das?“ erklang aus dem Telefon. Die blauen Augen sahen belustigt zu Joey. „Bis eben bin ich noch Seto Kaiba gewesen. Allerdings habe ich bis eben auch noch mit ernstzunehmenden Vertretern einer anderen Firma gesprochen, die sachlich und ernst ihre Belange vorgetragen haben. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich danach in meinem Sessel eingeschlafen bin.“ Der Mann schaffte es all das so trocken und ernst zu sagen, dass Joey sich ein Kichern verkneifen musste. „Oh, Sie scherzen, wie schön.“ Ertönte es aus dem Lautsprecher und der Mann räusperte sich. „Nun, Mr. Kaiba, ich bin Jonathan Smith von der I-Tek Group. Wir haben Ihnen vor ein paar Tagen…“ Doch da unterbrach ihn der Firmenführer. „Warte, wer waren Sie noch gleich? Jonathan Smith? Mr. Wheeler, haben sie bisher mit diesem Mann gesprochen?“ Irritiert sah Joey den Brünetten an und zog nur die Schultern fragend hoch. Kaiba machte eine deutlich auffordernde Geste und dann verstand auch der Blonde endlich. „Nein, nein, Mr. Kaiba, dieser Name ist mir völlig unbekannt.“ Ein gequältes Lachen erklang aus dem Lautsprecher und Mr. Smith meinte. „Nun, bisher hat alles mein Sekretär gemacht, der leider kein Japanisch spricht und Ihr Sekretär kein Englisch. Darum…“ Doch wieder unterbrach ihn der Brünette. „I-Tek. Hm, der Name kommt ihr auch nicht bekannt vor. Sie sind also eine Firma, die etwas von uns will und dabei nicht einmal unsere Sprache spricht?“ Fragte er nun nach und Joey hielt sich die Hand vor dem Mund, um nicht laut Lachen zu müssen. Sie konnten beide hören, wie der Mann am anderen Ende nervöser wurde. „Nun, bisher hat es ja ganz gut funktioniert. Sie scheinen einen neuen Sekretär zu haben. Ich…“ Joey hätte darauf gewettet, dass Seto dem Fremden wieder ins Wort fiel und er tat es. „Und darum beschimpfen Sie meinen Sekretär, der meine Vertretung und rechte Hand ist? Sie wissen schon, dass sie damit mich beschimpft haben? Immerhin habe ich diesen Mann ausgesucht!“ Das nun eintretende Schweigen an der anderen Hörerseite war zu herrlich. „Wie mir scheint, haben Sie nichts weiter dazu zu sagen. Damit beende ich dieses Gespräch.“ Seto drückte auf den Kopf der Gabel, der das Gespräch automatisch beendete. Mit einem breiten Grinsen sah er zu seinem Gegenüber der noch immer versuchte nicht laut zu lachen. „Lach ruhig, solche Idioten haben nichts anderes verdient. Was für ein aufgeblasener Sack. Sein Angebot war sowieso unter meiner Würde und hatte keinerlei finanziellen oder technischen Vorteil für mein Unternehmen.“ Aus dem unterdrückten Lachen war ein freudiges Grinsen geworden und Joey legte den Hörer auf. „Du bist mein Sekretär, Joey, du musst dich nicht von jedem dahergelaufenen Trottel beleidigen lassen. Du darfst da ruhig ein wenig energischer sein.“ Meinte Seto und sah, wie der Blonde leicht rot vor Verlegenheit wurde. „Mach Feierabend. Es ist schon fast 19 Uhr, du bist doch seit heute Morgen da.“ Die braunen Augen begannen zu leuchten und das Grinsen wurde noch breiter. „Wirklich?“ Was dann geschah, hatte etwas Irreales. Seto hatte die Hand gehoben und wuschelte durch die blonden Haare. „Ja, doch. Du hast offiziell um 17 Uhr Feierabend. Das sind schon 10 Stunden, die du hier verbringst. Sag mir morgen einfach Bescheid, wenn ich es wieder einmal vergesse.“ Das Gesicht des sitzenden Mannes verzog sich und er deutete auf seinen Kopf. „Hast du mir gerade durch die Haare gewuschelt wie einem Hund?“ Fragte er entsetzt und der Angesprochene lachte nur kurz. „Nein, nicht wie einem Hund, sondern wie „meinem“ Hund! Joseph, wenn du mich ansiehst, wie ein treudoofer Golden Retriever, dann muss ich dich ja regelrecht so behandeln.“ Die Antwort darauf war nur ein großer Schmollmund. „Du bist doof. Ich sehe doch nicht wie ein Hund aus.“ Damit wendete er sich seinem Bildschirm zu und begann die Programme zu schließen. „Ach ja, soll ich das nächste Mal ein Photo von dir machen, wenn du vor einem übergroßen Teller vorzüglicher Pasta mit einer Käse Sahne Soße aus einem vier Gänge Menü sitzt?“ Fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust, ein herablassendes, provokantes Lächeln auf den Lippen. „Die Ähnlichkeit mit einem Hund ist verblüffend.“ Joey hingegen sah ihn nur skeptisch an. Nach der Aktion heute Vormittag hatten sie kaum ein Wort gewechselt, er brachte ihm nur das Notwendigste und Kaiba hatte mit einem Nicken und diesem fiesen Lächeln geantwortet. Doch das eben, dass er ihn vor diesem Mistkerl in Schutz nahm, war so... so nett von ihm! „Gerne, mach das, ich denke nicht, dass ich in den nächsten Monaten oder Jahren ein vier Gänge Menü genießen werden.“ Er zog seine Augenbrauen in die Höhe, als er aufstand um den Stuhl an den Schreibtisch zu schieben. „Außerdem werde ich es sicher nicht mit dir tun!“ Brummte er nur, griff nach seiner Tasche und starrte in ein erstaunlich zufriedenes Gesicht. „Das Problem lässt sich leicht aus der Welt schaffen. Weißt du, Wheeler, ich liebe die kleinen Wetten mit dir und es ist eine willkommene Abwechslung, in die ich gerne investiere.“ Mit Freuden sah er, wie der junge Mann vor ihm inne hielt und mit seinen honigbraunen Augen musterte. Joey stellte seine Tasche auf der Ecke seines Schreibtisches ab und schwieg abwartend. Das klang doch genau so, als hätte der Kerl seine Gedanken gehört. „Nun, es gibt da einen guten Italiener in der Stadt und ich habe heute Abend nichts mehr vor.“ Nun konnte er die sich verbreitende Skepsis beobachten und der junge Mann zeigte erst auf ihn, dann auf sich selbst. „Wir zwei? Gemeinsam essen gehen?“ Fragte er ungläubig und hob dann abwehrend die Hände. „Oh nein, nicht mit dir allein. Allerhöchstens, wenn Mokuba und meine Schwester dabei wären! Aber nach deinen Aktionen heute, gehe ich sicher niemals mit dir essen!“ Diese Aussage bereute er nur einen Moment später, als der brünette Firmenführer sein Handy zog. „Tisch für vier heute Abend um 20:30 Uhr! Und wenn du es schaffst, dass Mokuba und deine Schwester da sind, zahle ich dir diesen Monat das Doppelte!“ Diese Aussage saß. Kurz schluckte Joey und fragte noch einmal nach, um sicher zu gehen. Schon das Telefon am Ohr bestätigte der 22 Jährige seine Aussage und lächelte herablassend. „Ja, sag deiner Schwester, dass sie ein Wagen abholt.“ Damit wandte er sich dem Mann zu, der sich gerade auf der anderen Seite des Telefons meldete. Mit großen Augen musterte Joey sein Gegenüber. Anscheinend hatte er keine Wahl und noch gab es nichts, was für ihn nach einer schlechten Wette aussah. Allerdings gab es auch noch keinen Einsatz, falls der unerwartete Fall eintrat und es doch zu einem Photo kam. Das sollte er lieber klären, bevor er irgendwen anrief. Kaum hatte der Brünette aufgelegt, platze er auch schon mit seiner Frage heraus. Die eisblauen Augen wurden von einem belustigten Schein durchzogen und er meinte mit ruhiger Stimme. „Gut, ich schlage dir folgendes vor. Es sind zwei Wetten. Wenn deine Schwester und Mokuba pünktlich da sind, bekommst du das Doppelte diesen Monat. Wenn ich Recht habe und der Anblick eines erstklassigen Essens lässt dich wie einen Hund aussehen, mit Beweisphoto, dann fällst du vor mit auf die Knie und sagst mir, dass ich der größte bin und mal wieder Recht hatte! Du brauchst es auch niemandem sagen, es wird keine Beweisaufnahmen geben und es reicht mir, wenn du dich allein vor mir demütigst! Ach ja, und da du so oder so in den nächsten drei Monaten genügend gequält wirst, bleiben die beiden Wetten voneinander unabhängig. Wenn es kein Beweisphoto gibt, bekommst du trotzdem das doppelte Gehalt, wenn die erste Wette erfolgreich für dich ausgegangen ist! Du hast also dieses Mal ein sehr geringes Risiko! Im besten Fall gehst du mit deiner Schwester gut Essen und bekommst eine überdurchschnittliche Gehaltserhöhung und wenn du wirklich Pech hast, musst du nur vor mir auf die Knie fallen!“ Als wäre das eine angenehme Vorstellung! Also wirklich, aber dennoch… Joey konnte nicht abstreiten, dass seine Chancen sehr gut standen. Er musste ja nur verhindern, dass dieser Schnösel ein Photo machte und dann wäre er auf der sicheren Seite. Er wollte nicht käuflich sein, aber wenn er überlegte, dass dieser zusätzliche Bonus die nächsten Zahlungen von Serenitys Schulgeld sichern würde… Knurrend verschränkte er die Arme und starrte auf das Telefon, dass der Brünette in Händen hielt. Er wollte nicht käuflich sein und das ganze gefiel diesem Mistkerl viel zu gut, als dass dabei kein Harken sein konnte! Aber wo war er? Wo war der Trick, den er nicht sehen konnte? „Na gut, aber nur, wenn so ein Photo wirklich zustande kommt und… und ich auch der Meinung bin.“ Dabei musste er schlucken. War er sich sicher, dass er diese Wette eingehen wollte? Die Vorstellung vor Seto Kaiba auf die Knie zu fallen, ließ schon jetzt die Übelkeit in ihm aufsteigen! Mürrisch griff er nach der ausgestreckten Hand und schlug als Zeichen der Akzeptanz ein. Jetzt musste er also das zufriedene Grinsen dieses Idioten ignorieren und seine Schwester anrufen. Er musste ihnen ja nichts von der Wette erzählen. Seine Schwester willigte nur unter Protest ein und Mokuba musste er zumindest die Hälfte der Wahrheit sagen. Der Wagen würde Serenity abholen. Da der Italiener nicht weit weg sein sollte, schlug der Brünette einen kurzen Spaziergang vor. Draußen war der Platz leer und mit einem geradezu grausamen Ton erklärte Kaiba, dass der gesamte Platz, einschließlich der angrenzenden Straßen vor dem Gebäude in seinem Besitz waren und er so einfach mit Hausfriedensbruch und der Polizei drohen konnte. Rufmordanklagen waren auch bei Journalisten ein effektives Druckmittel. Es war draußen sehr kalt geworden und so zog Joey seinen grünen Schal enger. Die dunkle Winterjacke, die er trug, wärmte zum Glück soweit ausreichend, doch die Handschuhe versagten ihren Dienst bei diesem kalten Wind. So vergrub er die Hände tief in den Taschen seiner Jacke und war froh darüber, dass er eine Umhängetasche besaß. Auch der Firmenführer trug nun einen dicken, schwarzen Mantel, der dennoch extrem elegant wirkte und nicht auftrug. Der blaue Schal passte gut zu den gleichfarbigen Handschuhen. Verwundert blickte er sich um, in dieser Gegend war er sehr selten. Das war die Gegend der Innenstadt, in der er für ein paar Handschuhe sein gesamtes Monatsgehalt hinlegen konnte. „Wo wollen wir denn hin?“ Fragte er mit einem Mal und bemerkte, dass der junge Mann in Gedanken versunken war. Der Blick der eisblauen Augen war in sich gekehrt und das Kinn leicht zu Boden geneigt. So verschob er seine Frage lieber und folgte ihm schweigend weiter durch die Straßen. Kurz drehte er sich um, sah zurück und konnte selbst im Dunkeln die große Glaskuppel erkennen. Mit einem Seufzen vergrub er die Hände tiefer in den Taschen und bemerkte, dass Kaiba stehen geblieben war. Verwundert sahen ihn die kühlen Augen an und Joey lächelte. So sah der 22 Jährige ja wirklich wie ein Mensch aus! „Ich wollte nur wissen, ob man von hier aus noch den Tower sehen kann. Ähm, ich meine dein großes Bürogebäude.“ Der blonde, junge Mann lächelte verlegen, denn es war ihm unangenehm. Doch erstaunlicherweise legte sich ein regelrecht sanftes Lächeln auf die Lippen seines Gegenübers. „Ja, die große Kuppel kann man fast in der ganzen Stadt sehen. Ironischer Weise nicht in dem Viertel, in dem meine Villa steht.“ Nun grinste Joey und holte zu ihm auf. „Wahrscheinlich sollst du Zuhause nicht an die Arbeit denken.“ Neckte er ihn leicht und bekam dafür einen skeptischen Blick. „Zu deiner Frage, wo sich der Italiener befindet: Dort drüben ist er!“ Mit roten Wangen rieb er sich den Nacken und schaute auf. Er hatte ihn also doch gehört. Die Häuserfassaden waren mit großen Schaufenstern ausgefüllt, in denen nur wenige, sehr teure Artikel kunstvoll ausgestellt waren. Die vielen Laternen tauchten alles in ein warmes Licht und überall verteilten sich Sitzbänke und kleine Beete, in denen nun kahle Bäume standen. Das hier war eine ganz andere Welt. Die Stühle kleiner Cafés waren zusammen gestellt und mit glänzenden Ketten gesichert. Gut 300 Meter vor ihnen war eine hell erleuchtete Überdachung zu erkennen, die vorne von zwei eleganten Säulen getragen wurde. Die beiden großen Fenster zeigten gefüllte Tische, an denen Männer und Frauen saßen, deren Kleider schon jedes Jahresgehalt überstiegen, dass Joey bekam. Über dem Eingang prangte hell erleuchtet der Name „la vita“ und der Blonde schluckte. „Wir gehen da hinein?“ Fragte er noch einmal und sah sich verwirrt um. Nein, da befand sich kein anderes Restaurant. „Was dachteste du denn? Wenn ich essen gehe, dann ist es auch etwas hochpreisiger. Keine Sorge, du bist eingeladen.“ Der Blick des 19 Jährigen war vernichtend und doch konnte Seto nur darüber lachen. „Denk lieber an unsere Wette. Wir haben es jetzt 19:59 Uhr, sie haben also noch 31 Minuten.“ Ok, das war ein gutes Argument! So würdevoll er konnte, betrat er den Eingang und sah sich möglichst unauffällig um. Der große Innenraum war nur mit wenigen Tischen ausgestattet und diese wurden durch geschickt aufgestellte Pflanzen und Säulen voneinander abgeschirmt. Alles war in sanften Farben, zartem Organge, Rot und Braun gehalten. Es wirkte wirklich so, als wären sie nicht mehr in Japan. Hinter dem Eingang befand sich ein kleines Stehpult, welches verwundert von Joey gemustert wurde. Kaum hatte er dieses betrachtet und sich die Frage gestellt, weswegen es hier stand, als schon ein Mann im schwarzen Anzug an dieses heran trat und sich leicht verbeugte. „Guten Abend, Mr. Kaiba. Sie hatten einen Tisch für vier Personen bestellt, nicht wahr?“ Nur kurz fiel der Blick des Mannes auf Joeys verwirrtes Gesicht und einen Moment später trat noch ein junger Mann hinzu, anscheinend ein Kellner. „Wenn sie gestatten, kümmern wir uns um ihre Garderobe.“ Sagte der Keller, der nicht älter als Joey erschien. Kaum waren sie ihre Jacken los, verbeugte sich der ältere Mann und deutete zur rechten Seite. „Wenn sie mir bitte folgen würden.“ Bat er in routiniertem Ton und Seto setzte sich schon in Bewegung. Mit klopfendem Herzen folgte Joey ihnen und versuchte genau zu beobachten. Er wollte nichts falsch machen und hier spielte man offensichtlich nach anderen Regeln. Er war noch nie in einem Restaurant gewesen, in dem man ihm die Jacke abnahm. Während sie durch den großen Raum geführt wurden, trat ein anderer Mann auf sie zu. Er hatte sich erhoben, als er den Firmenführer erkannte. Freudig streckte er ihm die Hand entgegen und unter dem grauen Schnauzer hoben sich die Mundwinkel zu einem Lachen. „Guten Abend, Mr. Kaiba.“ Begrüßte dieser ihn und der Brünette ergriff seine Hand. Kurz tauschten die beiden ein paar Worte, sie wirkten eher wie Floskeln und dann verabschiedete sich der Mann auch schon wieder. Er steuerte auf einen Tisch zu, an dem eine Dame mittleren Alters saß. Sie hatte die welligen Haare mit einer Spange zusammen genommen und ihren Hals mit hellen Perlen geschmückt. Sie passten gut zu ihrem dezenten, schwarzen Kleid, das selbst im Sitzen ihre Figur betonte, aber nicht eitel wirkte. Sie hob kurz ihr Glas und nickte ihnen zu. Kaum saßen sie am Tisch, spürte Joey den musternden Blick auf sich und sah in die eisblauen Augen. „Geschäfte werden nicht nur an Verhandlungstischen geführt. Viele Entscheidungen werden bei einem guten Essen ausdiskutiert und entschieden. Dabei wird diese Welt von Gefälligkeiten und Floskeln bestimmt. Derjenige, der auf den anderen zugeht, ist derjenige, der die Geste ausspielt. Er bietet sich mir an, versucht mir zu schmeicheln, indem er das Essen mit seiner Frau unterbricht um mich zu begrüßen. Dir als Sekretär wird dabei keine Aufmerksamkeit zuteil, außer ich bin so gnädig und beziehe dich mit ein, indem ich dich vorstelle. Dann steht er in der Pflicht, dass er dir bei jeder Begegnung eine gewisse Aufmerksamkeit schuldig ist.“ Verwirrt lauschte der Blonde diesen Erklärungen. „Und für seine Frau gilt das selbe?“ Fragte er interessiert und versuchte möglichst unauffällig zu dem Tisch hinüber zu sehen. „Nein, der Kerl ist nur unhöflich. Normalerweise werden Frauen vorgestellt und ich hätte ihr der Höflichkeit gebietend das eine oder andere Kompliment gemacht, ihr kurz erzählt, wie gut ich doch mit ihrem Mann zusammen arbeite und ihnen einen schönen Abend gewünscht. Dieser Kerl ist nur ein Trottel, darum tut er es nicht.“ Mit einem in die Höhe ziehen der Augenbrauen dachte Joey nach. „Aber du magst ihn doch nicht. Also lügst du seine Frau einfach an?“ Er bekam gerade noch ein Nicken als Antwort, als der ältere Herr vom Empfang wieder zurück kehrte. Er wurde von dem jungen Kellner begleitet, der einen großen Präsentkorb in Händen hielt. Als Seto seine eisblauen Augen auf ihn richtete, verbeugte sich dieser noch einmal. „Mr. Kaiba, wir möchten ihnen mit größter Freude nachträglich zu ihrem Geburtstag gratulieren und ihnen als kleines Geschenk diesen Präsentkorb überreichen. Wir haben uns erlaubt neben einigen Spezialitäten des Hauses den von ihnen so geschätzten Bordeaux hinzu zugeben.“ Der junge Mann trat näher, ließ den Firmenführer einen Blick in den Korb werfen und mit ruhiger Stimme sprach der Empfangschef erneut. „Möchten sie das Präsent hier an ihrem Tisch behalten oder sollen wir es für sie verwahren?“ Mit einem Nicken bat der Brünette um die Verwahrung und orderte schon einmal den Aperitif. Kaum waren die beiden verschwunden, platze es aus Joey heraus. „Wann hattest du denn Geburtstag?“ Mit einem verlegenen Blick wurde er wieder ruhiger und wartete mit großen Augen. „Am Freitag wurde ich 22 Jahre alt.“ Wie es bei dem Blonden zu rattern begann, konnte er deutlich sehen. Als dieser dann nachfragte, ob der letzte Freitag gemeint war, der Freitag, an dem er von ihm aufgesammelt worden war, konnte er sich ein leises Lachen nicht verkneifen. „Doch ja, genau an diesem Freitag. Ich mag Geburtstage nicht sonderlich, darum habe ich ihn auch nicht gefeiert.“ Nun musste er Joey dennoch erklären, was es damit auf sich hatte. So erzählte er diesem, dass er kurz am Morgen mit seinem Bruder gesprochen hatte und dieser ihm ein kleines Geschenk überreichte. Dass war auch schon alles, was er an Feierlichkeiten wollte. Er hatte sogar seinem Personal verboten darüber zu sprechen. Doch mehr gab er zu diesem Thema nicht preis und bevor der Neugierige weiter fragen konnte, wurde ihnen schon der Aperitif gebracht. Für Joey war das eine neue Welt und so war er sehr froh, dass Seto heute so gesprächig war und ihm so viel erklärte. Da er auch schon eine Zeit in der Gastronomie gearbeitet hatte, kannte er wenigstens das Prinzip, das hinter den vielen Gabeln, Messern und Löffel auf dem Tisch stand. Erst, als es mit einem Mal toten still im Raum wurde, sahen die beiden Männer auf. Mokuba und Serenity waren sich vor der Tür begegnet und so reichte der junge Mann ihr den Arm. Sie hatte ihre langen Haare hoch gesteckt und trug ein schwarzes Kleid mit roten Dekorbändern. Es war auf der linken Seite Schulterfrei, fiel in weichen Stoffwogen von rechts sanft über drei Ebenen nach links hinüber und reichte vorne nur bis zu den Knien. Die dunkelroten Bänder waren geschickt unter den Säumen angebracht und dazu trug sie ebenso rote Ohrringe aus Perlen. Aus den gleichem Dekorbändern hatte sie einen Hals- und Armschmuck hergestellt, der ebenso mit roten Perlen versehen war. Sie war mit ihren elegante Schritten, der schlanken Figur und dem verzaubernden Augenaufschlag die schönste Frau im ganzen Raum. Ohne es zu bemerken waren Joey und Seto aufgestanden. So hatte er seine Schwester noch nie gesehenen! Allerdings wusste er auch nicht, dass sie ein solches Kleid besaß. „Mokuba, du hast soeben die schönste Frau Dominos in diese Wände gebracht.“ Mit diesen Worten deutete er eine Verbeugung an und erhielt ein unglaublich hinreisendes Lächeln. „Gib dir keine Mühe, wenn mich Joey nicht gebeten hätte, wäre ich niemals gekommen!“ Erstaunt sah Mokuba zu der jungen Frau an seiner Seite und der Brünette schien einen Eimer eisigen Wassers zu spüren bekommen zu haben. „Gut, dann lassen wir die Begrüßung eben weg.“ Meinte der Brünette leicht angefahren. Sie hingegen umarmt Joey, gab ihm einen Kuss auf die Wange, um die Ablehnung dem Firmenführer gegenüber noch deutlicher zu zeigen. „Darf ich wenigstens fragen, wo du…“ Einen Moment abwarten wendete sie sich ihm zu, ihre braunen Augen blickten ihn dabei so herausfordernd an, dass er den Satz abbrach. „Dieser Designer ist leider zu teuer für dich.“ Hauchte sie ihm schon beinahe mit anrüchiger Stimme zu. Die schlanke Augenbraue wanderte fragend in die Höhe, als sie nun alle am Tisch Platz genommen hatten. „Wenn du ganz lieb fragst, entwerfen ich dir für deine Beerdigung einen Anzug und nähe ihn! Darüber verhandle ich natürlich mit dir.“ Dabei schenkte sie ihm wieder dieses unglaubliche Lächeln und einen Augenaufschlag, dass es einem Mann den Atem raubte. „Das Kleid hast du selbst entworfen?“ Fragte nun Joey nach und sie nickte begeistert. „Das ist das Kleid, von dem ich dir erzählt habe. Ich sollte in der Schule doch eines nähen und damit bin ich letzte Woche fertig geworden.“ Mokuba konnte sich sein Grinsen nicht verkneifen, als er den Gesichtsausdruck seines Bruders sah. „Ihr seid wirklich miteinander verwandt? Du solltest deinem Bruder etwas von deiner Schlagfertigkeit abgeben.“ Das Essen entwickelte sich deutlich besser, als irgendeiner der Anwesenden gedacht hätte. Serenitys Wissen war erstaunlich und sie schaffte es mit ihrer provokanten Art sogar andere Seiten des Firmenführer zu Tage zu bringen. Sie sprachen vielen über Amerika und Reiseziele in Europa, die keiner von ihnen schon einmal gesehen hatte. Die Vorspeise schaffte die perfekte Ablenkung und da Patrik im richtigen Augenblick eine SMS schrieb, fiel es nicht einmal auf, als Seto das Handy zog. Mit einem heimliche Grinsen hatte er das Photo geschossen, als der dritte Gang serviert wurde. Auf den tadelnden Blick der jungen Dame hin sagte er lächelnd, dass er das Telefon auch nicht mehr verwenden würde. Er hatte, was er wollte. Nun, um ein klein wenig ärmer, weil die beiden Jüngeren pünktlich erschienen waren, aber damit konnte er leben. Mit einem Lachen erzählte Mokuba von seiner letzten Klassenfahrt und Joey ärgerte den Brünetten damit, dass dieser ja nie bei irgendwelchen Ausflügen dabei gewesen war. Während des Nachtisches erzählte der Schreinerlehrling dann von seiner Arbeit und der Abend neigte sich langsam dem Ende zu. „Oh, bevor ich das vergesse, du solltest übrigens mit deiner Schwester deine Englischkenntnisse aufbessern. Im Vergleich zu dir spricht sie sehr gut und am 10. November fahren wir drei Tage nach Dubai.“ Die Überraschung stand deutlich in den Gesichtern von Mokuba und Serenity, nur Joey schien die Aussage nicht zu verstehen. „Mein Sekretär ist auf solchen Reisen immer mit dabei und das ist jetzt Joey. Also, vielleicht sollte er da noch ein wenig üben.“ Verwirrt sah sich der Blonde um, begann seine Serviette zu knicken. „Anscheinend bin ich hier der einzige, der keine Ahnung hat. Aber wo liegt Dubai? Ist das weit weg?“ Nun war es der Brünette, der sprachlos erschien. Kurz blinzelte er. „Du weißt wirklich nicht, wo Dubai liegt?“ Erstaunt sahen die eisblauen Augen ihn an und er blinzelte noch einmal. „Ja, ähm… ja, Dubai liegt sehr weit weg. Du bist doch in Amerika gewesen, um deine Schwester abzuholen?“ Auf das folgende Nicken hin sprach er weiter. „Du bist ca. 11 Stunden mit dem Flugzeug unterwegs, kommt darauf an, wo du hin willst. Gehen wir einmal von New York aus. Wenn du vom großen Flughafen Tokio-Narita fliegst, dauert ein normaler Linienflug neun ein halb Stunden. Dubai liegt in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Arabisch und Englisch sind die meist gesprochenen Sprachen in diesem Land.“ Nun konnte er auch das sich langsam ausbreitende Entsetzen in den Augen des jungen Mannes erkennen. „Also… also liegt es weit weg… in einem ganz anderen Land…“ Stotterte er und schluckte lautlos. Wie ein ironischer Wink des Schicksals erinnerte er sich an sein Versprechen, daran, dass er sich nicht unterkriegen lassen wollte und annehmen, was da kam. Aber das war vielleicht ein klein wenig viel! Auch die beiden anderen sahen Seto dezent entsetzt an, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. „Ich habe bisher nicht daran gedacht. Ich hätte es ja früher gesagt, aber es fiel mir einfach nicht eher ein!“ Gab er ehrlich zu und zuckte mit den Schultern. Noch immer war der blonde Mann ihm gegenüber schockiert und schien nach und nach das volle Ausmaß dieser Mitteilung zu begreifen. „Und ja, ich bestehe darauf, dass du mitkommst.“ Meinte er nun und die honigbraunen Augen sahen zu ihm auf. Bedächtig trat da ein Schein in diesen Blick, den der Brünette nicht erwartet hatte. Es war eine Art Glanz, als begann ein kleines Feuer zu flackern, dem jedoch noch von der Angst der Sauerstoff abgeschnitten wurde. Doch mit jedem Herzschlag schien die Freude, ja, die Begeisterung in ihm größer zu werden. „Ok…“ War das erste Wort, das er hervor bringen konnte. „Ok, dann fahren wir nach Dubai!“ Seto hatte die Bezahlung übernommen, verließ kurz den Tisch und Serenity und Mokuba sprachen auf den neuerkorenen Sekretär ein. Doch Joey blieb realistisch. Er machte deutlich, dass er so oder so keine Wahl hatte und das Beste, was er tun konnte, war mit Ruhe in diese Situation zu gehen und so viel Englisch zu lernen, wie er konnte. Obwohl ihm siedend heiß die Wette mit dem Firmenführer einfiel, konnte er diesen Gedanken gut verbergen. „Ach ja, das geht auch noch an dich.“ Meinte der Blauäugige mit einem kühlen Lächeln und überreicht ihm einen weißen Briefumschlag. Verwundert sahen ihn die beiden Jüngeren an. „Oh, ich hatte nur mit Joey gewettet.“ Sein Lächeln wurde etwas breiter, als er einen tadelnden Blick von der jungen Frau erhielt. „Ich weiß, du magst es nicht, wenn ich mit deinem Bruder wette. Es ging nur darum, dass ich der Meinung war, dass er es niemals schafft, dass ihr beiden heute Abend zum Essen kommt.“ Mit diesen Worten deutete er durch den Eingang auf die Straße. „Ich war so frei und habe euch ein Taxi bestellt.“ Als auch Mokuba seinen Mantel angezogen hatte, bemerkte Seto dessen Verlegenheit. „Du, also, ich wollte heute Abend nicht mit dir nach Hause.“ Begann er und trat durch die Tür, die ihm sein Bruder offen hielt. Für einen Moment überlegte der Brünette und fragte dann ruhig. „Unter der Woche? Du hast Morgen wieder Schule.“ Die dunkelblauen Augen sahen ihn nun noch verlegener an und ein leichter, roter Schimmer legte sich auf die Wangen. „Ja, das weiß ich, aber ich muss morgen erst zur dritten Stunde da sein und es ist auch gar nicht so weit weg von hier.“ Er wusste, dass Seto nicht einfach locker lassen würde und damit hatte er auch Recht. „Und du hast bei deinem Freund auch etwas zum Umziehen? Du kommst doch heute Nacht sicher nicht wieder.“ Fragte dieser skeptisch setzte noch nach, ob sie dann nicht ein Stück zu Fuß gehen wollten. Eine gewisse Resignation breitete sich in dem 17 Jährigen aus und er nickte. Mit einer einfachen Handbewegung deutete er die Straße entlang und setzte sich in Bewegung. Vielleicht war das jetzt aber auch die Möglichkeit, etwas anderes anzusprechen. „Hör Mal, Seto, ich finde es nicht gut, dass du Joey immer so ärgerst. Ich mag ihn wirklich und er hat mir schon oft geholfen. Wenn ihr in Dubai seid, dann… dann sei bitte nett zu ihm, ja?“ Mit einem möglichst bettelnden Blick sah er zu seinem Bruder auf, der nun neben ihm ging. Die Limousine verfolgte sie langsam, ihr Atem gefror in der kalten Luft zu kleinen Wolken. Die Straßen waren leer, hier fuhren nur noch vereinzelte Wagen, doch sonst war niemand mehr unterwegs. Verwundert hob sich die rechte Augenbraue und er nickte nach einer Weile des Schweigens. „Na gut, ich werde es versuchen. Ich habe, um ehrlich zu sein, auch mit einer anderen Reaktion gerechnet. Vor einigen Jahren wäre er völlig durchgedreht, wenn du weißt, was ich meine.“ Der junge Mann neben ihm nickte und meinte dann freundlich. „Auch er hat sich weiter entwickelt.“ Doch dieses kleine Ablenkungsmanöver half nicht sehr lange. „Mokuba, ich weiß, dass wir uns nicht mehr viel erzählen und ich habe den Abend heute wirklich genossen. Wo gehst du jetzt noch hin? Doch sicher nicht zu einem einfachen Freund oder?“ Er blieb stehen und sah seinen kleinen Bruder an, der den violetten Schal höher zog. Er hatte ihn bis hinauf zur Nase geschoben und starrte in das Fenster neben ihnen. Es war eine große Auslage an Hüten, die mit passenden Pelzhandschuhen und Anstecknadeln für Damen dekoriert war. Hier gab es nichts unter 20.000 Yen. „Ja,… ja… du hast Recht…“ Brummte er in seinen Schal und starrte weiter auf einen dunkelroten Hut, der mit langen Federn besetzt war. „Es ist eine Freundin.“ Die eisblauen Augen wirkten verwundert und der Brünette stellte sich einfach neben ihn, musterte auch die Auslage im Schaufenster. „Wenn du bei diesem Mädchen sogar Umziehsachen für Morgen früh hast, dann bist du nicht das erste Mal bei ihr, nicht wahr?“ Über die Spiegelung in der Scheibe konnte er den Jüngeren nicken sehen. „Weiß sie, dass du sie magst?“ Wieder kam ein Nicken und Mokuba musste sich räuspern. „Ich… ähm… also… wir sind zusammen!“ Platze er dann schnell heraus und zog den Kopf wieder zwischen die Schultern, vergrub die Hände tief in den Taschen. Nun war der Firmenführer für einen Moment sprachlos. Es dauerte, bis er seine Fassung zurück gewann und fragte dann vorsichtig. „Jedes Mal, wenn du mir geschrieben hast, dass du bei einem Freund warst, hast du sie besucht oder?“ Schweigend nickte der Schwarzhaarige, doch selbst seine Ohren glühten rot vor Verlegenheit. Innerlich zerfraß Seto die Neugierde. Er wollte seinen kleinen Bruder so vieles fragen, doch etwas hielt ihn auf. Warum hatte Mokuba ihm nie erzählt, dass er eine Freundin hatte? „Fast ein Jahr.“ Klang es mit einem Mal leise in seinen Ohren und er blickte zu seinem Bruder hinunter. Ok, ja, das war verdammt lange! „Magst du sie mir irgendwann vorstellen, deine namenlose Freundin?“ Seine Hände zitterten ein wenig, sein ganzer Körper war angespannt. Da hatte sein kleiner Bruder eine feste Freundin mit der er wahrscheinlich auch noch… noch… ein Bett teilte! Warte, sein Bruder hatte Sex? … … Bei allen Göttern! … Oh Hilfe, ja… für alle Gespräche zu diesem Thema war es dann wohl zu spät! Das Entsetzen musste auf seinem Gesicht gestanden haben, denn Mokuba zog seinen Schal herunter und haspelte. „Keine Sorge, ich weiß, wie das geht und nein, wir beide sorgen dafür, dass du kein Onkel wirst!“ Dabei bebte die junge Stimme und die Peinlichkeit stand ihm im Gesicht. Seto hob nur die Hände und sagte lieber rein gar nichts. Anscheinend waren seine Gedanken ja ablesbar. „Und… und was das andere angeht… also, ja, aber… ich… ich glaube, dass du sie nicht magst. Also, nicht wegen ihr, eher wegen ihres Vaters. Er… er weiß auch nichts davon.“ Für einen schrecklich langen Moment schauten ihn diese eisig blauen Augen nur an und das blasse Gesicht schien zu keiner Regung fähig. Dann jedoch huschte ein kleines, kaum erkennbares Lächeln über die schmalen Lippen. „Danke.“ Irritiert und perplex starrte Mokuba seinen Bruder an. „Danke, dass du so ehrlich zu mir bist.“ Dass auch Seto an seiner Fassung arbeiten musste, konnte der Kleinere sehen. „Ich halte dich auch nicht länger auf. Geh schon zu ihr! Du bist ja keine 12 Jahre mehr alt!“ Ebenso überraschend kam die nächste Reaktion. Mokuba nahm ihn einfach in den Arm, drückte sein Gesicht an die breite Schulter seines Bruders und flüsterte ebenfalls seinen Dank. „Ich weiß, dass etwas mit uns nicht stimmt, auch wenn ich nicht weiß, was es ist. Aber ich bin froh, wenn wir uns wenigstens wieder ein bisschen annähern. Ich werde dich also ab Morgen jedes Mal löchern, um heraus zu finden wer deine Freundin ist und alles dafür in Bewegung setzen und du wirst sie mir hoffentlich irgendwann vorstellen und bis dahin jedes Mal lachend nein sagen, wenn ich wieder frage. Ist das ein Deal?“ Die dunkelblauen Augen sahen über einem breiten Grinsen zu ihm auf. „Ja, aber nur, wenn du gelegentliches anschreien erträgst, weil du mir wahrscheinlich schrecklich auf die Nerven gehen wirst.“ Neckte Mokuba und setzet danach noch an. „Und ich sage dir in Zukunft auch, wenn ich zu ihr gehe.“ Als er die Straße entlang lief, spürte er trotz des kalten Windes noch immer den warmen Kuss auf seiner Stirn. Wann hatte Seto ihn das letzte Mal auf die Stirn geküsst? Wann hatten sie überhaupt einmal einen solchen Abend wie den heutigen verbracht? Eine innere Wärme breitete sich in ihm aus und eine ungewohnte Ruhe. Vielleicht sollten sie doch öfter mit Serenity und Joey essen gehen. „Na, wie lange weißt du schon von seiner Freundin, Roland?“ Der Fahrer zuckte bei diesen Worten zusammen und räusperte sich verlegen, während der Brünette einstieg. Das war ein wirklich guter Abend! Er hatte das Photo gegen Joey in der Hand und… er kannte das kleine Geheimnis seines Bruders. Er hatte wirklich eine feste Freundin! Das war wirklich ein schöner Abend! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)