Du warst alles für mich von Pragoma ================================================================================ Kapitel 9: Ein Abschied auf Ewig -------------------------------- Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen. Immer wieder hallten mir meine eigenen Worte durch den Kopf, als ich zufrieden und mit einem breiten Grinsen meinen Arbeitsplatz erreichte, mich setzte und den PC hochfuhr. "Wow im Vergleich zu gestern, scheint es dir wohl besser zu gehen", plapperte Tristan an seinem Schreibtisch, sortierte einen Stapel Papiere auf seine Ablage und schwang sich schwungvoll von seinem Stuhl. "Auch Kaffee?" "Klar, gerne", erwiderte ich ohne dabei aufzusehen, ging lieber die Aufträge durch und druckte diese bereits aus. "Und, wie sieht es aus?" Tristan stellte mir eine Tasse auf den Tisch, schnappte sich einen der Aufträge und sah ihn genauer an. "Hm scheint neu zu sein, oder?" "Ja und deswegen werden das wohl Sebastian und James übernehmen", erklärte ich meinem Kollegen, suchte einen anderen heraus und reichte ihm diesen. "Hmm", machte Tristan, ehe er sich auf meinen Schreibtisch setzte, seinen Kaffee trank und mich seitlich anblickte und wohl davon ausging, dass ich das nicht merkte. Schon ein komischer Kerl, aber scheinbar ganz nett und immerhin schien er wie ich ne Schwäche für Kaffee zu haben. Und arbeiten konnte er scheinbar auch. Vielleicht auch außerhalb, aber das entschied Luke und nicht ich selber. Evan war schließlich auch nie mit bei einem Kunden gewesen oder Shooting generell. Selbst ich war selten bei einem anwesend und wenn, dann sah ich Luke oder aber Marty über die Schulter und war immer wieder beeindruckt, wie gut ihre Aufnahmen waren. Als Fotograf war ich einfach noch nicht so weit, war zu jung und hin und wieder hatte ich so meine Probleme mit den Models, die mir teils zu überheblich vorkamen und gerne auch mal zickten. Seufzend griff ich erneut nach meiner Tasse, zuckte jedoch zusammen, als unerwartet mein Handy klingelte und auf dem Display Evan stand. Nanu? Normal rief er mich doch sonst nicht an und wir hatten gestern noch lange und ausführlich geredet. Vielleicht wollte er mir auch nur etwas Nettes sagen und mir damit den Tag versüßen. "Wir sehen uns doch später oder wolltest du mir sagen, dass du es nicht erwarten kannst", plapperte ich, nachdem ich das Gespräch annahm drauf los, stockte jedoch, als ich eine weibliche, weinerliche Stimme vernahm, die ich erst nicht zuordnen konnte. Das konnte ich erst, als sie mir sagte, dass sie Evans Mutter sei. "Ist etwas mit Evan?" Sorge stieg in mir auf, ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit und mein Blick ging zu Tristan über, der sich langsam erhob und den Raum verließ. "Was ist mit Evan? Geht es ihm gut, hat er wieder ein Tief?" Es dauerte bis sie mir antwortete, mir den Boden unter den Füßen wegriss und ein klaffendes Loch in meiner Brust hinterließ. Ich weinte nicht, ich schrie vor Verzweiflung und Schmerz. Bilder aus glücklichen Tagen flimmerten vor meinen Augen, ich bekam keine Luft und ließ das Handy fallen. "Darius? Scheiße ..." Mein Bruder stürmte ins Büro, dicht gefolgt von James und Tristan. "Ganz ruhig, Brüderchen", sprach er auf mich ein, zog mich vom Stuhl und direkt in seine Arme. "Alles wird gut, ich bin da. Du bist nicht alleine." Ich wollte weinen, doch keine Träne bahnt sich ihren Weg. Ich wollte sagen was ich fühlte, doch kein Wort verließ meine Lippen. Es war, als würde alles an mir vorbeirauschen, sich wie ein schlechter Traum anfühlen, aus welchem ich niemals aufzuwachen schien. Lange konnte ich gar nichts sagen, es dauerte, bis ich Sebastian sagen konnte, dass Evan nicht mehr lebte, sich freiwillig das Leben genommen hatte und das, weil er krank war. "Was meinst du mit krank? Hatte er psychische Probleme?", wollte James wissen, worauf ich den Kopf schüttelte. "Nein, er wäre in den nächsten Monaten oder Jahren ohnehin gestorben. Unheilbar krank und das seit Jahren." Und ich hatte nichts davon gemerkt, eher gedacht, er wäre bipolar, wobei das zusammen gepasst hätte und mir lieber gewesen wäre. Damit wäre ich klargekommen, nicht aber mit seinem Tod, der endgültig war und mir vor Augen führte, dass ich scheinbar kein Glück hatte. "Ich fahr dich heim. Ruf Timo an, damit er sich Zeit für dich nimmt." "Nein, du hast gleich einen Termin." Es war nett von meinem Bruder aber er konnte es sich nicht mal eben leisten einfach zu gehen und blau zu machen. "Du fährst kein Auto, verstanden?" "Ja, doch", murmelte ich Sebastian zu, nahm meine Sachen und blieb erstaunt stehen, als Tristan sich anbot, mich fahren zu wollen. "Meinetwegen, dann fährst du mich", grummelte ich vor mich hin, schwieg ansonsten und schrieb Timo nur eine Kurzmitteilung. Tristan schwieg ebenfalls, drängte sich mir nicht auf und blieb sogar, bis Timo an der Tür schellte, an ihm vorbei stürmte und mich sofort an sich zog. Es war gut, dass er hier war und irgendwie auch, dass Tristan sich zuvor um mich gekümmert hatte und das, obwohl wir keinen guten Start hatten. "Bleibst du noch oder willst du gehen?", wollte ich wissen, griff nach dem Wasserkocher und zittrig nach den Tassen. "Ich bleib noch etwas. Aber setz dich bitte und lass das mich mit dem Tee machen", wies er mich streng an, bugsierte mich bereits gemeinsam mit Timo ins Wohnzimmer und auf mein Sofa. "Danke." Es war nur sehr leise, dennoch hatte er verstanden, winkte ab und ging stattdessen in meine Küche. Timo sah ihm nach, dann zu mir. "Er scheint okay zu sein. Leg dich etwas hin und ich werde so lange bleiben wie du mich brauchst." Protest brachte nichts, nicht bei Timo, der schon zwei meiner Sofakissen schnappte, an eines der Enden legte und mich auffordernd ansah. Seufzend legte ich mich hin, ließ mich sogar zudecken und als ich Tristan den Tee abnehmen wollte, sah Timo mich mürrisch an und übernahm für mich. "Ich bin nicht krank, Timo." "Ich weiß, aber du hast den Menschen verloren, der dir am meisten bedeutet hat. Das ist gleichzusetzen." "Hör auf deinen Freund. Alleine musst du das nicht durchstehen und wir verstehen, wenn du gerade nicht schlafen, denken oder irgendwas anderes machen willst. Allerdings solltest du dir selber Ruhe gönnen", mischte Tristan sich ein, setzte sich auf den Zweisitzer und lächelte, als er ein Foto von Evan auf dem Tisch stehen sah. Jenes aus glücklichen Tagen, wo er lächelte und nichts darauf hindeutete, dass er unheilbar krank war. Jetzt endlich liefen mir die Tränen, ich weinte hemmungslos, vergrub mich unter der Decke und schrie aus Leibeskräften. Am Anfang war das absolute Nichts. Dann Dunkelheit. Vielleicht nicht ganz: Ein kleines, unscheinbares Licht, wie die weit entfernte Öffnung eines Tunnels, in dem ich mich aufzuhalten schien. Vielleicht ein Gedanke. Klein, aber nicht derart bleibend, eher wachsend oder langsam näher kommend ... Und dann – mit einem furchtbaren Schlag aus Licht und Kälte – ich fühlte mich so schwach, dass mich bald darauf der Schlaf mit seinen sanften, dunklen Schwingen umschloss. Und alles schien darauf für Tage, Monate oder gar Jahre zu schlafen. Als wäre mein Leben ein einziger großer Irrtum und müsste neu erdacht werden ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)