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Somewhere over the rainbow

von

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Wirklichkeit Teil 2

Als die beiden Eheleute Holmes-Lestrade am Abend des gleichen Tages zu Hause in ihrem Wohnzimmer saßen, vor sich ein flackerndes Kaminfeuer und in der Hand jeweils ein Glas mit einem edlen Whisky, sah Mycroft seinem Mann an, dass dem irgendetwas im Kopf herum ging.

Er schaute genauer hin und begann, die Ereignisse des Tages zu rekapitulieren.

Schließlich nickte er und sagte:

„Ja, mein Lieber. Mach das. Ich halte es für eine gute Idee.“

Greg sah ihn erstaunt an.

„Woher weißt du ... ach was, ich bin jetzt schon ein paar Jahre mit dir verheiratet. Es sollte mich eigentlich nicht mehr wundern.“ Er lächelte.

„Ich kenne dich eben gut, Greg. Ich habe gesehen, wie du den kleinen Hund angeschaut hast; ich weiß, dass du eigentlich gerne selber einen Hund hättest, aber akzeptiert hast, dass das auf Grund unserer exzessiven Arbeitszeiten nicht möglich ist. Und als dieser Doktor Stamford davon sprach, dass er manchmal kaum die Zeit fände, mehrmals am Tag mit Toto Gassi zu gehen, da haben deine Augen gefunkelt ... Ich denke, es spricht nichts dagegen, mein lieber Gatte, dass du anbietest, die Hunderunde hin und wieder zu übernehmen.“

Greg schmunzelte.

Ja, Mycroft war schon etwas ganz besonderes.

Allerdings ... Greg hatte dabei nicht nur an „ich“ gedacht, sondern an „wir“...
 

Gleich am nächsten Tag wurde alles geregelt.

Er selber würde morgens, bevor er zu seinem Dienst in den Yard fahren würde, im Krankenhaus vorbeischauen und mit Toto gehen. Mycroft, der zuerst ganz überrumpelt davon war, dass sein Mann ihn einfach mit eingebunden hatte, würde Abends eine Runde mit dem Hund laufen. Und Mike, für den dann noch ein bis zwei Gänge tagsüber blieben, war wirklich erleichtert und dankbar für die Hilfe.
 

Und so kam es, dass bereits zwei Tage nach dem zufälligen Treffen auf dem Krankenhausflur Greg früh morgens um kurz nach fünf John Watsons Zimmer auf der Komastation betrat.

Er nahm wie verabredet die Leine von einem Haken an der Tür, klopfte sich auf die Schenkel und rief: „Toto!“

Der kleine Hund sprang aus seinem Körbchen und begann, kläffend und winselnd um Greg herumzutanzen.

„Hey, nicht so laut, sonst weckst du noch dein Herrchen ...“ sagte Greg und merkte erst im nächsten Augenblick, was er da dummes von sich gegeben hatte.

„Tut mir leid, Kleiner. Ich bin das nicht gewöhnt, Komapatienten, weißt du?“

Toto kläffte erneut und zog an der Leine.
 

„Warte“, sagte Greg jedoch, bevor er das Zimmer verließ. Er trat an das Bett und schaute auf John Watson.

Der lag dort, die Augen geschlossen, blass, dünn.

Greg seufzte.

Dann sagte er: „Ich gehe mit Ihrem Hund in den Park, John. Ich bringe ihn nachher zurück, versprochen.“

Natürlich erfolgte keine Reaktion, aber Greg dachte sich, wer weiß. Vielleicht bekommt er ja doch irgendetwas mit. Es kann jedenfalls nicht schaden, mit ihm zu sprechen.
 

Es lief gut. Toto sprang fröhlich im Park herum, hörte jedoch aufs Wort, sodass Greg ihn auch von der Leine ließ. Er hatte viel Spaß mit ihm.

Als er dann später den Kleinen zurück zu seinem Herren brachte, trat er wieder an Johns Bett und berichtete kurz davon. Er wusste nicht genau warum, aber es schien ihm richtig zu sein.

Am Nachmittag telefonierte er mit seinem Mann und erzählte ihm, wie es gegangen war. Mycroft, der nicht so hundeerfahren war, ließ den Kleinen bei der abendlichen Runde nicht von der Leine, doch auch er genoss den Spaziergang, und auch er trat an das Bett und sprach mit Captain Watson. Greg hatte recht, es fühlte sich richtig an.
 

So vergingen einige Tage. Eines Nachmittags hatte Mycroft schnell noch bei seinem Bruder Sherlock vorbeigeschaut. Sherlock tat wie immer nichts weiter, als zu meckern und sich zu beschweren. Er wollte endlich aus diesem Krankenhaus heraus, und natürlich wusste oder ahnte er, das Mycroft dahintersteckte, dass ein Ende seines Aufenthaltes hier noch lange nicht in Sicht war.

Mycroft stritt und diskutierte mit ihm, bis er irgendwann die Faxen dicke hatte.

„Mir reichts“, schimpfte er. „Ich brauche jetzt den Kopf frei. Ich werde jetzt schon mit Toto in den Park gehen!“
 

Sherlock schaute ruckartig auf.

„Toto? Wer ist Toto?“

Mycroft seufzte.

„Toto ist ein kleiner Hund.“

„Ein Hund? Seit wann hast du einen Hund?“

Der ältere verdrehte die Augen.

„Ich habe selber natürlich keinen Hund, aber ...“

Und er begann, Sherlock die ganze Geschichte zu erzählen.

Sherlock lauschte ihm still und seine Augen leuchteten. Mycroft wusste warum. Sein kleiner Bruder hatte als Kind selber einen Hund gehabt, hatte sehr an ihm gehangen ...

Am Ende fragte Sherlock nach der Zimmernummer des im Koma liegenden Militärarztes.
 

Und so wunderte sich Mycroft nicht wirklich, dass er Sherlock am nächsten Tag, als er ihn besuchen wollte, nicht in seinem Zimmer vorfand, und auf befragen einer Krankenschwester zu hören bekam, der wäre auf der Komastation, einen Freund besuchen.

Er traf Sherlock an, wie er an John Watsons Bett saß, den schlafenden Toto auf dem Schoss, dem er sanft das Fell kraulte.
 

„Ich war mit dem Hund im Park“, sagte der jüngere Holmes. „Keine Sorge, Dr. Stamford hatte es mit meinem behandelnden Arzt abgeklärt. Also alles ganz offiziell und genehmigt.“

Mycroft schmunzelte.

„Nun, ich habe keineswegs etwas dagegen, Sherlock.“

Sherlocks Blick wanderte von seinem Bruder zurück zu dem Mann im Krankenhausbett.

„Er ist bleich. Und mager“, sagte er.

„Aber ... trotzdem ... er sieht gut aus ... ich mag sein blondes Strubbelhaar ...“

Mycroft sah seinen Bruder erstaunt an.
 

Die Wochen gingen ins Land.

John erwachte nicht aus dem Koma.

Die Ärzte waren noch immer ratlos. Physische Ursachen gab es nicht. Aber die Psyche des Menschen, die ist manchmal unberechenbar.

Manchmal geschieht so etwas, dass ein Patient nicht aus dem Koma erwacht, weil die Psyche Angst vor der Wirklichkeit hat, oder noch viel banaler, weil sie keine Motivation sieht, zu erwachen. Nichts und niemand, der ein guter Grund sein könnte, ins Leben zurückzukehren.
 

Und ohne dass es jemand ahnte, war genau das bei John der Fall.

Denn ...

er glaubte sich verlassen auf der Welt.

Er ahnte nicht, dass es Menschen gab, die inzwischen nicht nur seinen Hund, sondern durch die täglichen Besuchen an seinem Bett auch ihn ins Herz geschlossen hatten.

Menschen die Freunde werden könnten.

Menschen, für die es sich lohnen würde, zu erwachen.



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