Somewhere over the rainbow von DieLadi ================================================================================ Kapitel 10: Traum Teil 7 ------------------------ Die Geschichte des eisernen Mycroft berührte ihn. Der Mann tat ihm leid, und doch bewunderte er, wie dieser sich scheinbar mit allem abgefunden hatte und das beste aus seiner jeweiligen Lage zu machen schien. John mochte es nicht, wenn Menschen nur herumjammerten. Es war nichts gegen ein bisschen jammern einzuwenden, wenn es einem schlecht ging. Allerdings, dachte John, sollte man es nicht dabei belassen und versuchen seine Probleme anzupacken. Na ja, er war eben ein praktisch denkender Mensch. „Sag mal“, sagte er daher zu Mycroft, „das mit dem fehlenden Herzen macht dir zu schaffen, oder?“ „Ja“, sagte der Metallmann schlicht. „Weißt du, wir drei hier sind auf dem Weg in die Smaragdenstadt Londonia, um dort den großen Zauberer Sherlock aufzusuchen. Wenn du nun in seinem Ministerium gearbeitet hast, dann kennt du ihn doch sicher ... ?“ „Ich habe für ihn gearbeitet, aber ich habe ihn selber nie getroffen. Er zeigt sich nicht. Er lässt einem Nachrichten zukommen, Befehle, aber er zeigt sich nicht.“ Schade, dachte John. Kann man nichts machen. „Okay“, fuhr er fort. „Also Philipp hier hat vor, ihn um ein Gehirn zu bitten. Und ich will ihn aufsuchen, damit er mich 'zurück' bringt, obwohl, nun ja. Jedenfalls denke ich, wenn er uns helfen kann, kann er vielleicht auch dir ein Herz geben?“ Mycroft sah ihn einen Augenblick lang erstaunt an, dann begann er zu lächeln. „Das könnte tatsächlich funktionieren. Und was habe ich schon zu verlieren? Hier ganz allein im Wald, mit nichts als meinem Gedächtnispalast. Ja, wenn ihr meine Begleitung akzeptiert, komme ich gerne mit euch.“ „Abgemacht“, sagte John und hielt ihm die Hand hin. Er schlug ein, gab sich jedoch Mühe, Johns Hand nicht zu zerquetschen. Und so kam es, dass sie den Weg von hier an zu Viert fortsetzten. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten und ein leichtes Lüftchen wehte. Und wieder ging John durch den Kopf, dass es doch hier so schön sei. Und er, verdammt noch mal, bleiben wollte. Und nicht 'zurück'. Dieses Wort erschien ihm inzwischen wie eine Art Drohung, die über ihm schwebte, und er beschloss, mit dem großen und mächtigen Sherlock darüber zu reden, ob es es nicht doch eine Möglichkeit geben würde, zu bleiben. Er schüttelte sich und verjagte diese Gedanken. Momentan konnte er ohnehin nichts tun, also beschloss er, lieber den Augenblick zu genießen. Toto lief schnüffelnd und gut gelaunt neben ihnen her und um sie herum, wie kleine Hunde das eben tun. Philipp und Mycroft gingen voran. Die beiden hatten sich recht schnell angefreundet und unterhielten sich nun sehr angeregt. John, der keine Lust zum reden hatte, hörte ihnen zu und musste immer wieder schmunzeln. „Und du hast wirklich ein so ... besonderes Gehirn?“, fragte Philipp ein wenig schüchtern. „Ja“, sagte Mycroft. „Feinste Uhrmacherarbeit. Jedes Schräubchen sitzt, jedes Rädchen greift präzise. Ich gebe zu ich bin stolz darauf.“ Philipp seufzte sehnsüchtig. „Ich wäre schon mit einem simplen Gehirn zufrieden. Ich bin dumm, und ich möchte gerne nicht so dumm sein. Und ein Gehirn, selbst ein einfaches, würde mir dabei helfen, oder?“ „Ich glaube schon“, sagte Mycroft. „Außerdem kann man auch ein ganz einfaches Gehirn trainieren und verbessern. Je mehr man es benutzt, desto besser funktioniert es.“ „Wirklich?“ Philipp sah ihn interessiert an. Dann seufzte er wieder. „Nun, ich hoffe, dass mir der große Sherlock tatsächlich eines geben kann.“ „Ja“, sagte Mycroft leise. „Und ich hoffe, dass ich ein Herz von ihm bekommen. Es bekümmert mich zutiefst, so herzlos zu sein. Ich möchte nicht versehentlich jemandem etwas böses antun und es nicht mitbekommen, weil ich kein Herz habe, was mich berät. Sag Philipp hast du eigentlich ein Herz?“ „Ich weiß nicht. Aber ich glaube ja. Eines aus Stroh. Jedenfalls mache ich mir solche Sorgen nicht, wie du sie dir machst. Also muss ich wohl eines haben, oder?“ „Ich denke du hast recht.“ Eine Weile schwiegen sie. Dann sagte Mycroft: „Ich glaube, ein Herz ist wichtiger als ein Gehirn. Denn was nutzt einem das Hirn, dass einem die tollsten Gedanken eingibt und die größten Ideen, wenn man kein Herz hat, das einem sagt, ob das was man denkt gut für die Menschen ist? Außerdem ... ohne Herz kann man nicht lieben. Und ohne zu lieben ist doch alles denken nichts wert.“ „Tja,“ sagte Philipp, „ich dagegen denke ... nein, ich habe kein Hirn und kann nicht denken. Aber ich glaube, dass ein Hirn wichtiger ist. Denn was nützt es einem, wenn einen das Herz lieben lässt und einem eingibt, dass man den denjenigen, die man lieb hat, helfen möchte, wenn man doch aber kein Gehirn hat, dass einem sagt, wie man das am besten tut?“ Also, dachte John, Mycrofts Gedanken sind ausgesprochen liebevoll. Kaum zu glauben, dass er kein Herz haben soll. Und Philipps Gedanken sind für sie Tatsache, dass er kein Hirn hat, ziemlich komplex ... „Können wir uns vielleicht darauf einigen, meine Freunde“, sagte er, „dass ein Herz und ein Gehirn beide gleich wichtig sind und eines ohne das andere nichts taugt?“ Die beiden Freunde sahen erst ihn, dann sich gegenseitig verblüfft an. Man konnte ja sagen was man wollte, aber John hatte einfach recht. „Ja“, sagte Philipp daher, „wenn ich recht darüber nachdenke, glaube ich, das könnten wir.“ „Ja“, sagte Mycroft, „mein Gefühl sagt mir, dass wir das können.“ John schmunzelte. Den beiden fehlte es weder an Herz noch an Hirn, ging ihm durch den Kopf. Es fehlte ihnen nur die richtige Selbsterkenntnis. Was ihm nicht durch den Kopf ging, war, dass es vielleicht genau das war, weshalb er hier in diesem Zauberland war, und dass er vielleicht genau das lernen sollte. Selbsterkenntnis. Wahrhaftig zu sehen, was man tatsächlich hatte. Nun, es war eben noch zu früh. John standen noch etliche Abenteuer bevor, bis er soweit wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)