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Orientierte Offenbarung

von

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Erster Fall

Mit eher gemischten Gefühlen stand Jodie in der kleinen Teeküche und blickte in ihre Tasse mit der schwarzen Flüssigkeit. Während letzte Woche ihre Schicht immer früh morgens begann, konnte sie diese Woche wenigstens ausschlafen. Aber war das besser? Nicht wirklich, denn an ihrer momentanen Einarbeitungsphase hatte es nichts geändert.

Vor etwas mehr als zwei Wochen war sie vollkommen aufgeregt in ihren ersten Arbeitstag beim FBI gestartet. Sie hatte sich damals zwar viele verschiedene Szenarien ausgemalt, aber was letzten Endes passiert war, hätte sie sich so nie erträumt. Anfangs lief es gut. Der Direktor der Niederlassung machte ihr Hoffnungen auf ihren ersten praktischen Fall, doch nachdem sie ihren Partner – Shuichi Akai - kennengelernt hatte, war sie sich nicht mehr so sicher. Obwohl er nur ein paar Jahre alter als sie war und erst seit zwei Jahren für das FBI tätig war – was hieß, dass seine Probezeit erst seit einigen Monaten vorbei war – konnte er sich nicht in sie und in ihre Wünschen hinein versetzen. Akai wollte ihr so schnell keine praktischen Tätigkeiten anvertrauen und hatte sie behandelt, als hätte sie gar keine Ahnung von ihrem neuen Tätigkeitsfeld. Dabei musste er doch wissen, was alles während der Ausbildungszeit in Quantico passierte. Es hatte Jodie nicht überrascht, dass er sich über sie informiert hatte und von ihrem Vater wusste. Mit Akai machte sie dennoch eine andere Erfahrung. Ihm schien ihre familiäre Bindung zum FBI egal zu sein. Er hatte sie weder bemitleidet, noch deswegen besser behandelt, dabei musste er auch wissen, in welchem Verhältnis ihre Familie zu James Black stand. Stattdessen gab er ihr das Gefühl, sie sei ein Nichts und all ihre Aufgaben der letzten zwei Wochen hatten keinen Mehrwert. Sie durfte sich mit den Raumplänen beschäftigen und wurde von ihm immer mal wieder als Brieftaube eingesetzt. Häufig lief sie von einem Büro in das Nächste und unterstützte ihn bei der Kommunikation mit den Kollegen. Zudem hatte sie ihr Diensthandy eingerichtet und Unterlagen zu den Standardübungen immer und immer wieder gelesen. Die meisten Übungen kannte sie aus ihrer Ausbildung, andere lernte sie jetzt erst kennen, aber dennoch wusste sie, dass in einem Einsatz auch Spontanität zählte. Täter waren nie gleich und man musste sich sehr schnell entscheiden, wie man gegen jemanden vorgehen wollte. Manchmal halfen auch unkonventionelle Methoden.

Wie Akai es ihr auch versprochen hatte, überprüfte er ihre Anwesenheit außerhalb der Arbeitszeiten. Aber bis auf ein paar Anfragen nach Unterlagen, war nichts Sonderliches passiert. Obwohl Jodie sehr oft protestieren wollte, hatte sie sich jedes Mal zurückgehalten und gute Miene zu dem bösen Spiel gemacht. Außerdem hatte sie gehofft, dass es bald besser werden würde. Dafür musste sie aber erst einmal sein Vertrauen gewinnen. Aber wie konnte sie ihm vertrauen?

Und auch wenn Jodie immer alles machte, was er wollte, war sie noch keinen Schritt weiter gekommen. Zwischenzeitlich hatte sie sich bei ihren Kollegen über Akai informiert und erfahren, dass der Agent während seiner Probezeit nicht gerade einfach war. Oft war er seinem Partner über den Mund gefahren und hatte auf sein Bauchgefühl gehört und weiter ermittelt, auch wenn ein Fall offiziell bereits abgeschlossen war. Dennoch machte er sich gerade mit diesem Verhalten auch einen Namen und für einen Anfänger war seine Erfolgsquote hoch. In der Niederlassung war er mittlerweile auch ein geschätzter Kollege geworden und je nach Fall wurde er um seine Meinung gebeten. Leider schien Jodie aber nicht mit ihm warm zu werden. Außer ein paar Begrüßungsfloskeln und belanglosem Smalltalk sprachen sie kaum miteinander. Jodie hatte es zwar versucht, aber ihr Partner antwortete meistens nur kurz und knapp.

Am Wochenende hatte sie sogar überlegt, ob es etwas bringen würde, sich bei James oder beim Direktor über ihren Partner zu beschweren. Die Idee verwarf sie schnell, da sie nicht als schwierig gelten wollte, immerhin war sie erst seit zwei Wochen dabei gewesen. Außerdem musste sich das FBI etwas gedacht haben, als man sie ihm zuwies. Aber was?

Würde es ihren beiden Neulings-Kollegen nur ähnlich ergehen, wäre Jodie erleichtert gewesen. Doch es war genau das Gegenteil passiert. Ihre Kollegen durften bereits ihren ersten eigenen Fall übernehmen und erhielten eine entsprechende Einweisung von ihrem Partner. Wenn sie sich zufällig auf dem Flur, in der Kantine, der Teeküche oder auf dem Parkplatz trafen, erzählten sie immer viel über ihre aktuelle Arbeit. Jodie beneidete die Beiden dafür und stand eher stumm daneben. Wurde sie gefragt, versuchte sie es mit ausweichenden Antworten. Akai hatte es binnen zwei Wochen geschafft, dass sie sich unnütz vorkam.

Jodie seufzte leise auf. Sie hatte sich immer auf ihre Arbeit beim FBI gefreut und von James hatte sie bereits früh mitbekommen, wie sehr die Agenten die partnerschaftliche Arbeit schätzten. Und was war jetzt? Jetzt hoffte sie darauf, dass sich ihr Partner krank meldete oder Urlaub hatte. Immer wenn sie im Büro ankam, freute sie sich schon auf ihren Feierabend oder darauf, dass er das Büro verließ. Warum musste sie auch ausgerechnet einen Partner bekommen, der sich nicht darum kümmerte, dass sie richtig eingearbeitet wurde? Und dann grübelte sie auch noch über diese zufälligen Treffen mit ihm und der Tatsache, dass er sie vorher schon beobachtet hatte. Wollte er sie wirklich nur testen oder gab es doch einen anderen Grund für sein Interesse an ihr? Wie gern hätte sich Jodie einer Person anvertraut. Aber wem?

Jodie biss sich auf die Unterlippe. Was würde sie heute erwarten? Durfte sie wieder nur auf ihrem Platz sitzen, Unterlagen lesen und ihre Zeit absitzen? Oder würde er endlich mal damit anfangen ihre Fähigkeiten zu testen und sie als gleichwertigen Partner zu behandeln? Jodie wollte für jeden Fall gewappnet sein, so hatte sie sogar Sportsachen im Büro gebunkert und fuhr in ihrer Freizeit auf den Schießstand, wo sie ihre Fertigkeiten verbessern wollte.

„Hallo Jodie“, grüßte James die junge Agentin. Er lächelte und ging zur Kaffeemaschine, wo er sich eine Tasse Kaffee einschenkte.

„Hey“, murmelte Jodie und verfluchte sich dafür, dass sie noch in der kleinen Teeküche stand. Seit James mit ihrer Mutter zusammen war, gehörte er zu den Personen, die sie mittlerweile eher ungern sah. Leider konnte sie ihm nicht immer aus dem Weg gehen. Besuchte sie ihre Mutter, war er da. Rief sie sie an, musste sie damit rechnen, Sätze zu hören wie James hat auch schon gefragt oder Befrag doch James dazu? Soll ich ihm Bescheid geben? Reichte es denn nicht schon, dass sie James regelmäßig im Büro sah? Konnte sich ihre Mutter nicht auch denken, dass Jodie erst einmal Zeit für sich brauchte und damit klar kommen musste?

Jodie freute sich zwar für ihre Mutter, aber es versetzte ihr auch einen Stich, weil nicht ihr Vater an ihrer Seite war. Dennoch riss sich die Agentin zusammen und versuchte mit James weiterhin klar zu kommen. Natürlich wollte er auch wissen, wie ihre ersten Tage beim FBI liefen und Jodie hatte Mühe gehabt die Wahrheit zu verschweigen. Deswegen griff sie auch auf Floskeln zurück und erzählte, dass sich erst eine gewisse Vertrautheit einstellen musste. Wenigstens hatte es sich dabei um keine komplette Lüge gehandelt. Doch Jodie war sich nicht sicher, ob James ihre Ausreden durchschaute.

„Geht es dir gut?“

Jodie nickte. „Klar“, antwortete sie ruhig. „Und dir?“

„Auch“, nickte Black. „Wenn du Hilfe brauchst…“

„Ich weiß, dann kann ich immer zu dir kommen. Aber mach dir keine Sorgen, ich komme klar. Und wenn es mal nicht so läuft, wie ich will, sollte ich nicht sofort zu dir gelaufen kommen. Ansonsten habe ich sehr bald einen schlechten Ruf. Ab jetzt muss ich solche Sachen alleine regeln.“

„Ich verstehe“, gab James von sich. „Und wie geht es dir mit der Schichtarbeit?“

Jodie zuckte mit den Schultern. „Passt schon. Manchmal hat es auch Vorteile, wenn man erst zur Mittagszeit anfangen muss. Gestern Abend musste ich noch ein paar Sachen erledigen und ich bin jetzt trotzdem wieder fit und munter.“ Jodie sah auf die Uhr an ihrem Handgelenk. „Ich sollte jetzt auch wieder ins Büro. Akai wartet sicher schon“, fügte sie hinzu und verließ die Teeküche.

Auf ihrem Weg ins Büro seufzte Jodie ein weiteres Mal leise auf. Als sie vorhin ihre Tasche und Jacke ablegte, war er glücklicherweise noch nicht da gewesen, aber das musste nichts heißen. Er konnte auch bei einem Kollegen sein, draußen rauchen oder oder oder…

Es kann nur besser werden, motivierte sie sich selbst, als sie vor der Tür stand. Jodie atmete tief durch und betrat ihr Büro. Irritiert stellte sie fest, dass ihr Partner immer noch nicht da war. Neugierig blickte Jodie auf seinen Arbeitsplatz, ehe sie ihre Tasse auf den Tisch stellte. Trau dich, sagte sie zu sich selbst. Was konnte ein Blick auf seine Unterlagen schon schaden? Aber vielleicht war er auch wieder nur auf ihre Reaktion gespannt? Jodie runzelte die Stirn und gerade als sie einen Schritt auf Akais Schreibtisch zu machte, klingelte ihr Handy. Als hätte er es geahnt. Sofort stellte sich Jodie an ihren Schreibtisch und nahm das Gespräch entgegen. „Starling.“ Sie versuchte fröhlich und motivierend zu klingen.

„Akai hier“, gab der Ältere von sich. „Mach dich auf den Weg zum NYPD. Wir wurden zu einem Fall gerufen, also beeil dich. Die Einsatzbesprechung findet um 14:30 Uhr statt.“

„Eh…“, murmelte Jodie überrascht. War das wirklich sein Ernst? Ließ er sie tatsächlich zum ersten Mal aktiv an einem Fall mitarbeiten? Jodie konnte es kaum glauben.

„Was ist? Willst du nicht?“, kam es von Akai.

„Nein, also ich mein doch. Also ich mein: Ich will“, fing Jodie an und schnappte sich ihre Jacke. „Ich bin auf dem Weg.“

„Nimm deine Dienstwaffe mit.“

Jodie stockte. „Meine…“

„Oder hast du ein Problem damit, wenn du auf Jemanden schießen musst?“

„Ich…“, begann Jodie. Natürlich wusste sie, dass immer die Möglichkeit bestand einen Täter zu erschießen, allerdings sollte es sich dabei immer um Ausnahmefälle handeln. „…werde tun, was notwendig ist.“

Shuichi wirkte nicht überzeugt, aber er konnte nichts daran ändern, dass auch Jodie gebraucht wurde. „Du weißt, wo du hin musst?“

„Ja“, antwortete die Agentin und holte ihre Waffe aus dem Safe. Sie prüfte, ob diese gesichert war und schob sie in das Holster.

„Dann mach dich auf den Weg. Wir treffen uns im Gebäude“, sagte er und legte auf.

„Ver…standen…“, murmelte sie. Jodie steckte das Handy ein und legte das Holster an. Anschließend machte sie sich auf den Weg nach draußen. Voller Vorfreude lief sie zu ihrem Wagen, öffnete die Türen, schnallte sich an, startete den Motor und fuhr los. Erst während der Fahrt hatte sie wieder Zeit gehabt um nachzudenken. Was wenn der Fall gar nicht existierte und es sich nur um einen Test handelte? Augenblicklich wurde sie unsicher und verlangsamte das Tempo. Im nächsten Moment schüttelte die junge Agentin den Kopf. Selbst wenn es ein Test war, würde sie ihr Bestes geben. Und wenn es keiner war, konnte sie zeigen, was sie konnte.

Jodie fuhr auf den Parkplatz und stellte den Motor aus. Sie sah in den Rückspiegel und überprüfte kurz ihr Erscheinungsbild. „Du schaffst das“, sagte sie zu sich selbst und entfernte den Sicherheitsgurt, ehe sie ausstieg. Jodie schlug die Tür zu blickte zu dem großen Polizeigebäude. Vielleicht sollte ich alles als einen Test sehen?, fragte sie sich selbst. „Ach Quatsch“, murmelte sie leise. Die junge Agentin atmete tief durch. Gerade als sie sich auf den Weg zum Eingang machen wollte, wurde sie an der Schulter berührt. Jodie zuckte nicht nur zusammen, sie drehte sich um und versuchte den Arm ihres vermeintlichen Angreifers nach hinten zu verdrehen. Allerdings war dieser stärker und hielt sie fest. Erst dann bemerkte Jodie, dass es sich um ihren Partner handelte. Langsam löste sich Jodies Anspannung. „Tut…mir leid“, brachte sie hervor.

Akai musterte sie. „Wenigstens achtest du auf deine Umgebung. Wäre ich ein Zivilist oder ein Reporter hättest du jetzt ein Problem.“

Jodie nickte verstehend. „Ich dachte…“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist egal was ich dachte. Ich hätte nicht so reagieren dürfen, auch wenn gerade etwas im Argen ist und ich daher angespannt bin.“

„Das stimmt, aber ich lass es dir durchgehen“, sprach Akai.

„Ich dachte, wir treffen uns im Gebäude?“, kam es von Jodie.

Shuichi zuckte mit den Schultern. „Zufall“, antwortete er.

„Und worum geht es jetzt in dem Fall?“, wollte die Agentin wissen.

Akai musterte sie. Glücklicherweise hatte Jodie die entsprechende Kleidung für einen Außeneinsatz an und trotzdem wusste er nicht, ob er ihr diese Tätigkeit bereits zutrauen konnte. „Das wirst du drinnen hören“, gab er von sich. „Komm jetzt.“



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