Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 36: Hoffnungsträger --------------------------- Hoffnungsträger Laura holte tief Luft und verließ den Bus zusammen mit weiteren Menschen, die entweder in der Kampfkünstler- oder Magier-Uniform der Coeur-Academy steckten und wie sie durch das gewaltige Holztor ihrer Eliteschule gingen. Das letzte Mal, dass Laura das Tor mit so vielen Menschen durchschritten hatte, war zum Schulbeginn nach den Weihnachtsferien gewesen. Dieses Mal war es das Ende Osterferien. Und das waren vermutlich die letzten Ferien, die Laura je gehabt hatte… Seufzend ging sie Richtung Mädchenhaus, während ihre trüben Gedanken sie beherrschten. Heute war der vierzehnte April, es war also nicht mal mehr ein Monat bis zu ihrem Geburtstag. Und bis zu ihrem Todestag… Für sie stand es fest: Der Schwarze Löwe würde sie garantiert verlassen. Laura wäre schleierhaft, wie er sich jetzt noch anders entscheiden könnte. Sie hatte die letzte Ferienwoche viel Zeit gehabt um neben unnötigen Hausaufgaben, die die Lehrer einem aufgaben, weil sie dachten, dass man in den Ferien sowieso nichts Besseres zu tun hätte als zu lernen, auch noch nachzudenken. Nachzudenken über alles, was die letzte Zeit so passiert war. Und dieses Nachdenken hatte ihr offenbart, dass sie sich bei ihrer vermeintlichen Dämonenprüfung echt bescheuert benommen hatte. Verdammt, ich bin wütend und heulend aus dem Schrein des Schwarzen Löwen gestürzt, obwohl er mir auch noch zugerufen hatte, ich solle warten! Laura packte den Griff ihres Koffers so fest, dass ihre Knöchel weiß hervorstachen, während sie ihn die Treppe hochhievte. Diese Reaktion war nicht nur oberpeinlich, sondern auch noch extrem respektlos und kindisch gewesen. Deprimiert holte sie den Schlüssel für das Zimmer heraus, welches sie sich mit Ariane hier an der Akademie teilte, stellte kurz darauf allerdings fest, dass das Zimmer gar nicht verschlossen war. Vorsichtig öffnete Laura die Tür, da sie einen Hinterhalt befürchtete. Anscheinend sprang der Verfolgungswahn ihres Vaters inzwischen auch auf seine Tochter über. Aber nichts dergleichen geschah und Laura konnte sich trotz ihrer Depression ein Kichern nicht verkneifen. Das Zimmer war eigentlich ordentlich und sauber, nur auf Arianes Bett lag ein geöffneter Koffer, dessen Inhalt auf dem ganzen Bett und teils auch auf dem Boden verteilt war und die linke Zimmerhälfte dadurch in das reinste Schlachtfeld verwandelte. „Laura, hi!“, rief jemand begeistert und Lauras Erwartung eines Hinterhalts bestätigte sich schließlich doch noch, als dieser jemand sie von hinten ansprang und in einer erwürgenden Umarmung packte. „Hi…“, keuchte Laura, bis Ariane endlich bemerkte, dass ihre Begrüßung ein bisschen gesundheitsschädigend war und sie befreite. „Hey, Laura.“, grüßte Öznur fröhlich, die gemeinsam mit Susanne, Lissi und Janine aus dem Zimmer gegenüber von Lauras und Arianes kam. Laura versuchte, mit einem Lächeln ihre trüben Gedanken zu verscheuchen. Immerhin wollte sie die gute Laune der anderen nicht vermiesen und ihr selbst täte etwas Lachen sicher auch mal ganz gut. Aber es gelang ihr nur zum Teil. „Wie waren deine restlichen Ferien?“, fragte Susanne freundlich. Laura war froh, dass sich Susanne anscheinend wieder etwas von ihrem traumatisierenden Erlebnis bei ihrer Dämonenprüfung erholt hatte. Doch sie bemerkte, dass Susannes Lächeln ebenso erzwungen wirkte wie Lauras. „Na ja… Eigentlich tot langweilig.“, antwortete sie wahrheitsgetreu. „Hausaufgaben, malen und gammeln, wie immer eigentlich.“ Ariane zuckte mit den Schultern. „Ich war eigentlich ganz froh, etwas Ruhe zu haben, nach der ganzen Aufregung in der ersten Woche.“ „Du hattest trotz deiner Stiefmutter noch Ruhe?“, fragte Öznur bewundernd und erinnerte dadurch alle Anwesenden an die fürchterliche, eingebildete Frau, die sich einfach so in Arianes Familie gedrängt hatte. Ariane seufzte bedrückt aber eine konkretere Antwort bekamen sie nicht von ihr, nur ein: „Können wir jetzt endlich was zu Abend essen?“ Öznur zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“ Gemeinsam gingen sie wieder die sechzig Stufen runter, über die sich Öznur immer noch beschwerte und verließen das Mädchenhaus, um zur Mensa zu gehen. Auf dem Weg dorthin kamen sie an dem Springbrunnen vorbei, der fröhlich vor sich hinplätscherte und auf dessen Rand seelenruhig Carsten saß und einen fetten Wälzer las, bis er bei Lissis gequietschtem „Cärstchen!“ aufschaute. „Hi, endlich seid ihr auch wieder hier.“, begrüßte Carsten sie erfreut. „Was heißt denn hier endlich?“, fragte Öznur empört. „Ich glaube, du bist der einzige, der sich über Schule freut…“, stellte sie kopfschüttelnd fest. Carsten zuckte mit den Schultern. „Schule ist weitaus angenehmer als… als andere Sachen, die ich kenne. Aber eigentlich meinte ich damit, dass es die letzten Tage hier so bedrückend einsam war…“ Ariane schlug sich mit der Hand auf den Kopf. „Natürlich war es hier einsam, immerhin war keiner hier! Hallo, Damon an Carsten, es waren Ferien, falls du das noch nicht bemerkt hast.“ Seufzend legte Carsten das Buch zur Seite und malte Spiralen ins Wasser, die zu kleinen Strudeln wurden, als er fertig war. „Ich weiß.“, erwiderte er schließlich. „Aber wo hätte ich sonst hingehen sollen? Ich will nicht nach Indigo…“ Lauras Herz zog sich bei seinem Ton zusammen. So fröhlich er sie vorhin begrüßt hatte, so traurig klang er nun. Sie setzte sich neben ihn auf den Brunnen und versuchte dasselbe mit den Strudeln, stellte aber fest, dass das wohl Magiersache war. Am Tag nach Eufelia-Senseis Beerdigung und dem Treffen mit Herr und Frau Yoru hatte sich die Gruppe gespalten und alle waren nach Hause gefahren, um Ostern und die zweite Ferienwoche bei ihren Familien zu verbringen. Alle, nur Carsten offensichtlich nicht. „Du hättest doch bei mir und meinen Eltern bleiben können.“, meinte Laura. „Es war ohnehin total ätzend, plötzlich so ganz alleine zu sein.“ Carsten schüttelte den Kopf. „Ich wollte ihnen nicht zur Last fallen.“ Laura schnaubte. „So wie ich O-Too-Sama kenne, hätte er dich mit Freuden aufgenommen… Jedenfalls im Gegensatz zu Benni.“ „Ach so, wie läuft es eigentlich zwischen dir und Benni?“, erkundigte sich Öznur neugierig. „Immerhin seid ihr ja jetzt offiziell zusammen.“ „Weil du das ganz plötzlich so beschlossen hast.“, erwiderte Laura, während sie schon gar nicht mehr beachtete, dass ihr Gesicht bei diesem Thema knallrot wurde. „Ach komm schon, du- nein, ihr beide wolltet das doch auch. Ihr habt nur etwas Starthilfe gebraucht.“ Öznur lachte. Laura seufzte. Das war das zweite Thema, dass sie neben ihrem bevorstehenden Tod so belastete. „Nichts läuft zwischen uns.“ Auf den irritierten Blick der Mädchen hin antwortete Carsten schließlich: „Benni ist zu Konrad und Rina gegangen.“ Er schaute Laura aufmunternd an. „Und das braucht dich nicht im Geringsten zu frustrieren. Vielleicht kann Benni seine Gefühle noch nicht verstehen aber ich weiß ganz sicher, dass er dich sehr mag.“ Carsten seufzte und ließ das Wasser dieses Mal in kleinen Spiralen nach oben schweben. „Aber denkt dran, dass Benni immer noch sein Zuhause und seine Pflegemutter verloren hat… Selbst ihr konntet sehen, dass ihn das mitnimmt! Das war einfach alles zu viel für ihn…“ Betroffen senkten die Mädchen die Köpfe. Jeder konnte nur zu gut verstehen, dass Benni etwas Zeit für sich brauchte. Diese Zeit hätte er als Gast bei Laura garantiert nicht haben können… In einem Haus, in welchem der Hausherr ihn hasste und Laura vermutlich wie eine Klette an ihm gehangen hätte… Selbst Laura fiel auf, dass Benni zu dem Vampirpaar ein sehr vertrautes Verhältnis hatte. Er wäre also nirgends besser aufgehoben, als bei ihnen. „Stimmt Laura. Was Bennis Gefühle für dich betrifft… Da brauchst du dir überhaupt keine Sorgen mehr zu machen.“, meinte Janine aufmunternd. „Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du ausgerechnet zur Schule zurückkehren musstest.“, wandte sich Öznur immer noch geschockt an Carsten. „Was machst du denn sonst so in den Ferien?“ Mit einem lauten Platsch fiel die Wasserspirale in sich zusammen. Carsten funkelte Öznur aus seinen lila Augen so wütend an, wie Laura ihn nur selten sah. „Falls ihr das vergessen habt: Meine letzten Ferien waren vor über sechs Jahren.“ Öznur schien, wie der ganze Rest der Mädchen zu erstarren. Carsten war ein gesunder, fröhlicher und liebevoller Mensch, ein sorgenvoller und gutmütiger Freund, ein intelligenter Schüler und ein talentierter Magier, der seine Kräfte allerdings nur einsetzte, um die, die ihm wichtig waren zu verteidigen und zu retten. Er war jemand, den man nie im Leben auf das FESJ schicken würde. Und ja, Carsten hatte Recht. Sie hatten inzwischen vergessen, dass man ihn einst dorthin geschickt hatte. Carsten wandte sich bedrückt ab und wollte aufstehen und gehen, aber Laura hielt ihn an der Hand zurück. „T-tut mir leid…“, stotterte Öznur unsicher. „Ich dachte, ihr wolltet was essen gehen.“, meinte Carsten immer noch abgewandt. Laura biss sich auf die Unterlippe. Sie hatten ihn verletzt… Nicht nur Öznur, sie alle. Immerhin hatte keiner von ihnen mehr daran gedacht, was er vor einigen Monaten noch hatte durchstehen müssen. „Seitdem sind gerade mal zweieinhalb Monate vergangen…“murmelte Susanne befangen, während sie die Mensa betraten. Laura wollte schon fragen, hielt sich aber zurück, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass Carsten leicht lächelte und nur „Stimmt.“ darauf erwiderte. Um Lauras besten Freund nicht vielleicht noch mehr zu verletzen, flüsterte sie zu Susanne: „Seit was sind gerade mal zweieinhalb Monate vergangen?“ „Seit er das FESJ verlassen hat.“, flüsterte sie zurück. „Echt?!“, rief Laura erschrocken auf. Das konnten doch nicht ernsthaft unter drei Monate gewesen sein. Sie hatte das Gefühl, dass Carsten schon viel länger bei ihnen war. Er war Ende Januar zu ihnen gekommen… Immer wieder zählte Laura an ihren Fingern ab, wie viele Monate dazwischenlagen, aber sie kam immer nur auf zweieinhalb. Sie konnte einfach nicht glauben, dass so wenig Zeit vergangen war… „Hör auf damit.“, wies Carsten sie zurecht, als Laura nur noch auf ihre Finger und nicht mehr auf die Treppenstufen geachtet hatte und auch prompt über eine der Stufen gestolpert war. Er half ihr hoch und kurz darauf setzten sie sich an einen Tisch, an dem sich Ariane ziemlich bald wie immer mit einer Elfe streiten musste, weil es um irgendetwas zu essen ging, dass sie der Elfe zufolge nicht haben sollte. „Wie waren sonst eure Ferien?“, erkundigte sie sich, nachdem sie der Elfe endlich die Wurst abgeluchst hatte. Lissi zuckte mit den Schultern. „So wie immer, Süße.“ Öznur nickte. „Ja, bei mir war’s auch so… Endlich mal entspannen, mit den großen Schwestern shoppen, mit der kleinen Schwester spielen, sich mit dem Nachbarn streiten…“ Ariane lachte auf. „Du kannst ihm aber auch einfach nicht aus dem Weg gehen, oder?“ „Nein, wirklich nicht!“, entrüstete sich Öznur. „Der taucht einfach immer wieder auf! Ich habe ihn im Shoppingcenter getroffen. Im Shoppingcenter!“ Öznur fand das zwar nicht so witzig, wie der ganze Rest, aber immerhin hatte sie es geschafft, Carsten wieder aufzuheitern, wie Laura erleichtert feststellte. „Warst du eigentlich bei deiner Mutter in Mur?“, fragte Susanne Janine. Diese nickte. „Übrigens danke für die Nachhilfe Carsten, der Zauber hat problemlos funktioniert.“ Carsten schenkte ihr das für ihn typische Lächeln. „Kein Problem.“ „Uuuuuh, Nachhilfe? In was denn, Ninie?“ Natürlich hatte Lissi das irgendwie zweideutig verstanden. Lissi verstand so ziemlich alles irgendwie zweideutig. „Carsten hat mir beigebracht, wie man sich teleportiert.“, erklärte Janine. „Und sie lernt viel schneller, als manch andere Leute, die sich noch nicht einmal einen einzigen Zauber merken können.“, lobte Carsten sie, aber Laura wusste, dass das auch ein kleiner Seitenhieb war. „Autsch, das war gemein.“, bemerkte Öznur, gespielt beleidigt. „Jetzt sind wir quitt, oder?“ Carsten lächelte sie mit Unschuldsmiene an. „Tut mir leid, das Bedürfnis war zu groß.“ Öznur winkte ab. „Ja, klar. Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass du auch so sein kannst.“ Carsten lachte auf. „Eagle ist mein großer Bruder, Benni mein bester Freund und inzwischen habe ich mich sogar mit Anne vertragen. Nicht zu vergessen meine vorherige Schule. Ich bin von gemeinen und sarkastischen Leuten umgeben und wunder mich um ehrlich zu sein, warum ich immer noch ein gutmütiger Trottel bin.“ „Du bist schon allein aus dem Grund ein gutmütiger Trottel, weil du dich selbst als ein solcher bezeichnest.“, kommentierte Ariane und biss von ihrem Wurstbrot ab. Laura schaute sie überrascht an. „Du musstest einfach Annes Part übernehmen, oder?“ Ariane prustete los und schaffte es bewundernswerter Weise, ihr Essen im Mund zu behalten. „Sorry, ich konnte nicht widerstehen. Aber irgendwie scheinen wir uns alle heute an die Kehle gehen zu wollen… Ich meine, selbst unser gutmütiger Trottel gab einen bissigen Kommentar von sich.“ Öznur boxte Carsten gegen die Schulter. „Ach was, wir haben uns in dieser langen Woche doch alle nur total vermisst und müssen unsere Neckereien nachholen.“ Janine runzelte verwirrt die Stirn. „Apropos Anne… Wo steckt sie eigentlich?“ Aus irgendeinem Grund bekam nun Öznur einen Lachanfall. „Stimmt, vermutlich ist das ein weiterer Grund, warum wir das Bedürfnis haben, uns gegenseitig zu ärgern. Weil Anne fehlt, die das eigentlich so gerne macht.“ Nachdem sie sich beruhigt hatte erklärte sie: „Eigentlich wollte ich in Dessert umsteigen, um Anne von ihrem hohen Ross zu zerren und sie Holzklasse fliegen zu lassen, aber ironischer Weise musste die Maschine nonstop nach Cor weiterfliegen, weil der Flughafen unter den sandigen Wetterbedingungen ein paar Probleme hatte. Sie kommt nach, wenn sie unbemerkt das ganze geregelt-“ Ein Vogelzwitschern unterbrach Öznur, die verwundert auf ihr Handy schaute. „Oh, wenn man vom Teufel spricht. Annes Maschine ist gelandet.“ „Was ist das denn für ein Klingelton?“, bemerkte Ariane irritiert, doch sie bekam keine Antwort darauf. Stattdessen fragte Janine: „Aber Benni ist noch nicht wieder da, oder?“ Carsten schüttelte den Kopf. „Benni meidet Transportmittel so gut es geht. So wie ich ihn kenne ist er entweder so stur und läuft von Spirit nach Cor oder Konrad spielt den großen Bruder und bringt ihn per Teleportation hier her und dann ist er unter Garantie erst nach Sonnenuntergang hier.“ Laura betrachtete das Licht der untergehenden Sonne durch die farbigen Mosaikfenster, während sich Janine besorgt erkundigte, warum Benni so eine Transportmittel-Abneigung besaß. Carsten lachte auf. „Ob ihr’s glaubt oder nicht, er wird halt sehr schnell reisekrank.“ Die Mädchen kicherten, nur Laura vergrub ihren Kopf in den verschränkten Armen, die sie auf den Tisch gelegt hatte. Diese Geste schien die anderen auf sie aufmerksam gemacht zu haben. „Laura, geht’s dir gut? Du hast noch gar nichts gegessen.“, erkundigte sich Susanne fürsorglich. „Ja, ja, alles in Ordnung, ich hab nur keinen Hunger.“, log sie. Sie war in gerade mal einem Monat tot, natürlich war nichts in Ordnung! Selbstverständlich war der größte Teil ihrer Freunde feinfühlig genug, um die Lüge zu bemerken. Dennoch besaßen sie ausreichend Taktgefühl, Laura nicht zu einer ehrlichen Antwort zu drängen und schwiegen stattdessen. Während sich das Gespräch der anderen um die Ferienerlebnisse drehte, beobachtete Laura, wie sich der Mensaturm nach und nach mit den Schülern füllte, die erst jetzt von den Ferien zurückkamen. Laura bemerkte eine größere Gruppe dunkelhäutiger Schüler die in die Mensa strömten und anscheinend alle mit dem vor etwa einer halben Stunde gelandeten Flugzeug aus Dessert kamen, denn unter diesen Schülern befand sich auch Anne, die sich kurz darauf zu ihnen gesellte. „Schönen Flug in der ersten Klasse gehabt, Prinzessin?“, zog Öznur sie neckisch auf. „Ha, ha.“, erwiderte Anne nur. Sie klang ziemlich gereizt, was vermutlich daran lag, dass es der doch recht verwöhnten Königstochter gar nicht passte, wenn ausgerechnet ihr Flugzeug Startschwierigkeiten hatte. Bis sich alle, bis auf Laura, den Bauch vollgeschlagen hatten und die Mensa wieder verließen, war die Sonne bereits untergegangen und der Himmel bekam eine dunkle Blaufärbung. Erst jetzt fiel Laura auf, dass sie vorhin, als sie die Schüler beobachtet hatte, eigentlich nur nach einer einzigen Person Ausschau gehalten hatte. Seufzend stellte sie fest, dass Benni immer noch nicht gekommen war und sie machte sich Sorgen, dass irgendwas passiert sein könnte. Carsten schien den Grund ihrer jetzigen trüben Gedanken erraten zu haben, denn er klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter und wies mit einer knappen Kopfbewegung zum Eingangstor. Laura folgte seinem Blick und bestaunte das Trio, das den hellen Steinweg auf sie zukam, während die Laternen am Rand des Weges die drei in eine nahezu unheimliche und doch schöne Beleuchtung tauchten. In der Mitte ging Konrad, der mit seinen roten, stacheligen Haaren und den roten Vampiraugen noch am meisten Farbe an sich hatte und sonst vampirtypisch edel in einem weißen Hemd, schwarzer Hose und schwarzen Lackschuhen gekleidet war. Er unterhielt sich freundlich mit dem Vampir zu seiner Linken, der nur noch die roten Augen hatte und durch seine grau-schwarzen Haare und dem Anzug mit der roten Krawatte um einiges älter und respektabler wirkte. Benni ging auf der anderen Seite von Konrad und auch, wenn man sein rotes Auge durch die hellblonden Haare nicht sehen konnte, wirkte er genauso vampirmäßig wie die anderen beiden. Natürlich war kein Tag in den restlichen Ferien vergangen, an dem Laura nicht an Benni gedacht hatte, an dem sie mal nicht sein engelsgleiches Gesicht vor Augen hatte, aber dennoch raubte sein Anblick ihr immer wieder aufs Neue den Atem. „Glotz nicht so dämlich.“, ermahnte Ariane sie und Laura konnte sich noch rechtzeitig wieder fangen, bevor sie sich mal wieder zum Deppen gemacht hätte. Sie warf Ariane einen knappen, dankbaren Blick zu, bevor die Vampire -und Benni- sie erreicht hatten. „Hey Leute, ich bring euch nur schnell den Nachzügler vorbei.“, grüßte Konrad sie gut gelaunt. „Und unseren Geschichtslehrer.“, ergänzte Ariane, konnte ein Schaudern allerdings nicht unterdrücken. Laura wusste inzwischen zu gut, dass alle magischen Wesen ihrer Schule aus irgendeinem Grund Ariane auf dem Kieker hatten. Herr Norito zum Beispiel erwischte Ariane immer, wenn sie mit ihren Gedanken abdriftete und ließ sie dann gerne zur Strafe eine Seite Geschichtsdaten auswendig lernen, von denen er sie dann die darauffolgende Stunde immer fünf abfragte. „Hätte ich ihn lieber in einen Sarg sperren und zunageln sollen?“, alberte Konrad. Wenn der wüsste, wie sich Ariane gefreut hätte…, überlegte Laura und war froh, dass Ariane darauf nichts erwiderte. Ansonsten hätte sie vermutlich schon gleich für morgen die nächste Seite zum Auswendiglernen aufgebrummt bekommen. „Nun, ich hoffe doch, dass du mich dann spätestens bei deiner und Rinas Vermählung wieder rausgelassen hättest.“, kommentierte Herr Norito überraschend humorvoll. Trotz seiner eigentlichen Vampirblässe wurde Konrad lustiger weise rot und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Nun, da wärst du dann allerdings noch einige Jahrzehnte eingesperrt… So eilig haben Rina und ich es gar nicht.“ Herr Norito klopfte Konrad lachend auf die Schulter. „Das ist aber Schade. Dein Vater hatte bei meiner Schwester damals nichts anbrennen lassen.“ Die Mädchen stutzten und Susanne war die erste, die den Stammbaum vervollständigen konnte. „Sie sind Konrads Onkel?“, stellte sie überrascht fest. Herr Norito nickte. Zwar immer noch freundlich, aber dennoch streng. Anscheinend war seine Vertrautheit nur Konrad vorbehalten. „Nun, ich verabschiede mich auch hiermit. Die meisten von euch sehe ich ja morgen im Unterricht. Gute Nacht.“ Die Mädchen und Carsten murmelten nahezu im Chor ein ‚Gute Nacht‘, während sich ihr Lehrer noch einmal speziell von seinem Neffen und Benni auf Rumänisch verabschiedete und kurz darauf in Richtung Lehrergebäude davonschritt. Konrad schüttelte lächelnd den Kopf, während einige der Mädchen ihn immer noch entgeistert anstarrten. „Unser Geschichtslehrer ist dein Onkel?“, wiederholte Ariane Susannes Erkenntnis, als wolle sie wirklich sichergehen. „Mein Beileid.“ „Oh, ich hätte ihn also wirklich in einen Sarg sperren und diesen zunageln sollen.“, bemerkte Konrad amüsiert. Öznur zuckte mit den Schultern. „Schaden könnte es jedenfalls nicht.“ Konrad kicherte. „Ihr wisst schon, dass mein Onkel genauso vampirische Sinne hat, wie jeder andere normale Vampir?“ Laura bemerkte, wie Ariane sich auf die Unterlippe biss und konnte sich jedenfalls ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Na dann geh ich auch mal wieder.“, meinte Konrad, wandte sich an Benni und wuschelte ihm durch die hellblonden Haare. „Also dann, sein brav, mach deine Hausaufgaben, iss ordentlich und so weiter und so fort.“ Er winkte der Gruppe noch einmal kurz zu, ehe er wieder zu dem Eingangstor ging und die Coeur-Academy verließ. Kaum war Konrad in der Nacht verschwunden, fingen alle Mädchen plus Carsten an, lauthals loszulachen. „Genau Benni, sein schön brav.“, ermahnte Ariane ihn zwischen zwei Lachanfällen. „Und fleißig!“, fügte Carsten mahnend hinzu. „Jetzt hört schon auf.“, meinte Janine, die aber selbst kichern musste. „Das ist doch total rührend, Konrad ist wie ein Vater.“ „Oh ja…“ Lachend klopfte Öznur Benni auf die Schulter. „Keine Sorge, das ist normal, auch wenn man sich dafür schämt.“ „Wieso sollte ich mich dafür schämen?“, fragte Benni ruhig. Die Gruppe hielt mit dem Lachen inne und schaute ihn verwirrt an. „Na ja, es gibt viele überfürsorgliche Eltern und normalerweise ist es einem dann peinlich, wenn sie in aller Öffentlichkeit so… halt so überfürsorglich sind.“, erklärte Ariane. Benni schüttelte seufzend den Kopf, als teile er die Ansicht der anderen nicht wirklich. Carsten verdrehte grinsend die Augen. „Schön, dass du auch wieder da bist.“ „Oh mein Gott, wir haben dich ja noch gar nicht richtig begrüßt!“, stellte Öznur übertrieben geschockt fest. Anne zuckte mit den Schultern. „Ach was, es ist doch ein schöner Willkommensgruß, wenn man sofort ausgelacht wird.“ „Wir haben ihn nicht ausgelacht.“, widersprach Laura wütend. „Ihr vielleicht nicht.“ Laura wollte auf Annes gemeine Andeutung irgendetwas genauso Gemeines erwidern, doch bevor ihr überhaupt etwas einfallen konnte, hielt Öznur sie zurück. „Süß, dass du deinen Freund verteidigen willst, aber bei Anne kannst du dir deine Kräfte auch gleich sparen, das weißt du.“ Sie schob Laura direkt vor Benni. „Stattdessen solltest du endlich mal deinen Freund begrüßen.“ Natürlich bemerkte Laura, dass Öznur unnötig häufig das Wort ‚dein Freund‘ verwendete, aber kaum stand sie vor Benni, war sie sowieso nicht mehr in der Lage, über irgendetwas anderes nachzudenken, außer sich panisch zu fragen: Wie soll ich ihn denn jetzt begrüßen?!? Laura hatte von Beziehungen nicht den geringsten Schimmer. Na gut, in der Schule sah sie des Öfteren, wie sich Paare mit einem Kuss begrüßten, aber sie hatten sich noch nie geküsst! Und an sich war ihr dieses Herumgeküsse in der Öffentlichkeit sowieso total peinlich. „Ähm… hi?“, brachte Laura das einzig ihr mögliche und trotzdem total bescheuerte zustande. „Hi…“, grüßte Benni zurück. Öznur stöhnte auf. „Das kann doch nicht wahr sein.“ Sie packte jeweils Laura und Benni an einem Arm und versuchte, die beiden noch näher zusammen zu zerren. Zwar war Öznurs Versuch bei Benni vollkommen erfolglos, aber Laura überraschte sie damit so sehr, dass sie unbeholfen gegen Benni stolperte. Mit hochrotem Kopf funkelte Laura Öznur wütend an. „Hey, ihr braucht euch ja nicht gleich zu küssen.“, versuchte diese Laura zu beschwichtigen. „Eine Umarmung reicht am Anfang völlig. Man, seid ihr verschüchtert.“ „Wir können uns auch umdrehen, wenn euch das lieber ist.“, schlug Anne mit einem schadenfrohen Lachen vor. „Leute, es reicht. Das ist ja nicht auszuhalten.“, schritt Carsten schlichtend ein. Lissi schmollte. „Du bist so ein Spielverderber, Cärstchen.“ Öznur brachte einen beeindruckenden Laut hervor, welcher ein Mix aus seufzen und kichern war. „Ja gut, du hast Recht. Für heute bring ich die beiden nicht noch mehr in Verlegenheit. Na dann, gute Nacht.“ Sie ging demonstrativ an Laura vorbei und schob Lissi mit sich Richtung Mädchengebäude, während die anderen ihr folgten. Vorwurfsvoll schaute Laura ihnen nach, bis Carsten amüsiert meinte: „Bis morgen.“ Und in die entgegengesetzte Richtung davonging. Nur noch Laura und Benni blieben zurück. Natürlich. Frustriert stöhnte sie auf. „Geht das jetzt jeden Tag so?“ „Vermutlich.“, erwiderte Benni nur. Zögernd legte Laura schließlich den Kopf in den Nacken, um Benni ins Gesicht sehen zu können, da sie sich nach Öznurs Kupplungsversuch immer noch kein bisschen von ihm wegbewegt hatte. Auch aus dem Grund, weil sie sich gar nicht von Benni wegbewegen wollte, wie Laura beschämt feststellte. Zwar hatte sie hin und wieder das mulmige Gefühl, dass die Schüler, die an ihnen vorbei kamen sie verwundert musterten und dann tuschelnd weitergingen, aber das einzige auf das Laura gerade achtete war Benni. Sie konnte die Zeit nicht einschätzen, wie lange sie sich nun einfach gegenseitig in die Augen schauten, bis Laura seinem Blick schließlich nicht mehr standhalten konnte. Verlegen ging sie einen Schritt zurück und schaute auf den Boden, auch wenn sich selbst dieser geringe Abstand auf einmal unerträglich schmerzhaft anfühlte. „U-und… was machen wir jetzt?“, fragte sie und kam sich total bescheuert dabei vor. Laura hatte keine Ahnung, was für eine Antwort sie bei dieser komischen Frage überhaupt von Benni erwarten sollte. Vermutlich hatte sie gedacht, dass er einfach gehen würde, aber er stand immer noch einen knappen Schritt vor ihr, als wäre selbst er sich nicht sicher, was als nächstes kommen sollte. Womit sie aber gar nicht gerechnet hatte, war, dass Benni „Gute Nacht“ murmelte, sie sanft an den Schultern packte und ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn hauchte, bevor er seinen Rucksack nahm, sich umdrehte und Carsten zum Jungenhaus folgte. Ungläubig starrte Laura ihm nach, während ihr Herz Saltos schlug und sich ihr Bauch anfühlte, als würden in ihm tausende Schmetterlinge herumflattern. Immer noch benommen strich sich Laura die Haare hinters Ohr und berührte dabei die Stelle, die Benni geküsst hatte. Es war wirklich ein federleichter Kuss gewesen und selbst wenn er nur den Bruchteil eines Wimpernschlags gedauert hatte, konnte sich Laura noch genau an das Gefühl der plötzlichen Schwerelosigkeit erinnern. Laura schüttelte den Kopf, um sich jedenfalls ein bisschen wieder zu fangen, ehe auch sie sich auf den Weg zu ihrem Zimmer machte. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, doch Benni war schon längst im Jungenhaus verschwunden. Seufzend wappnete sie sich schon mal für den Verhör der anderen Mädchen, die nicht eher ruhen würden, bis Laura ihnen von dem Kuss auf die Stirn erzählt hatte. Dennoch musste sie Lächeln, als sie an diesen Moment zurückdachte. Natürlich wollten die anderen von Laura wissen, was draußen mit dem eiskalten Engel vor sich gegangen war. Zwar hatte Ariane es geschafft, sie von den Fenstern fernzuhalten, die ihnen einen guten Ausblick auf das Geschehen geboten hätten, damit die beiden jedenfalls so halbwegs ihre Privatsphäre hatten, aber vor den löchernden Fragen der Mädchen konnte sie Laura trotzdem nicht schützen. Immerhin wollte Ariane ja selbst wissen, was passiert war. Ihre beste Freundin druckste am Anfang zwar noch ziemlich verlegen herum, aber irgendwann erzählte sie von der Verabschiedung und dass Benni sie auf die Stirn geküsst hatte. Auch wenn Ariane beim Thema Benni gerne gegen ihn war, hieß das noch lange nicht, dass sie den Schulsprecher hasste. Es brachte sie halt jedes Mal zur Weißglut, wenn er Laura zum Weinen brachte. Doch seit sie von seiner traurigen Vergangenheit gehört hatte, sah sie ihn mit etwas anderen Augen. Zwar hatte Ariane keine Ahnung, wieso Benni über seine Gefühle -oder über Gefühle im Allgemeinen- nichts wusste aber für diese Umstände hatte er doch ziemlich gut reagiert. Ariane musste sich eingestehen, dass diese Reaktion sogar eigentlich ganz süß war… Sie war froh, Laura endlich mal glücklich zu sehen, denn sie hatte in der Mensa schon die Sorge gehabt, dass sich Lauras Laune aufgrund ihres immer näher rückenden Geburtstages noch weiter verschlechtert hatte. Ariane konnte ihr das zwar nicht verübeln, aber eine glückliche Laura war ihr halt doch bei weitem lieber und so war sie dem eiskalten Engel dankbar, dass er ihrer besten Freundin endlich zu diesem Glück verhalf. Gleich am ersten Tag war die Gerüchteküche schon am Überkochen und Ariane hatte irgendwann aufgehört, die Mädchen zu zählen, die sie gefragt hatten, ob ihre Zimmergenossin und der Schulsprecher tatsächlich ein Paar seien. Und natürlich hatte Ariane immer bejahend geantwortet, was viele dieser Mädchen sehr schockierte. Dummerweise hatte Konrad am Vorabend Recht gehabt und Herr Norito hatte sie dank seiner Vampirsinne gehört. So hat Ariane gleich am ersten Schultag schon eine Seite zum Auswendiglernen abbekommen. Doch Öznur hatte es genauso erwischt, wie sie in der Mittagspause von ihr frustriert erzählt bekam. Seufzend griff Ariane nach einem Dolch. Es war Samstagvormittag und sie hatten praktischen Unterricht in ihrer antiken Begabung. Herr Nunjitsu hatte vor, sie für die restliche Hälfte dieses Halbjahres in Waffenkunde einzuweisen und sie arbeiteten zuerst mit denen, die leichter zu handhaben waren. Anne schnaubte. „Ich würde einen Dolch nie und nimmer für den eigentlichen Kampf verwenden. Ja klar, für einen überraschenden Nahangriff ist er ganz praktisch, aber man kann mit ihm seinen Gegner überhaupt nicht auf Distanz halten.“ Ariane zuckte mit den Schultern und setzte sich auf das Geländer des Trainingsplatzes, da gerade die Dreiviertelstundepause anfing. „Ich kenn mich mit so was gar nicht aus.“, erwiderte sie ehrlich. „Aber man könnte den Dolch doch werfen und seinen Gegner damit unschädlich machen, oder?“ Um es Anne zu demonstrieren schleuderte Ariane den Dolch Richtung Wald, um keinen ihrer Mitschüler zu verletzen. Aber sie hätte sich vielleicht erst einmal vergewissern sollen, dass sich auch in dieser Richtung wirklich keine weiteren Personen befanden. Erschrocken hielt Ariane den Atem an. „Benni, pass auf!“, schrie Laura panisch. Doch diese Warnung war vollkommen überflüssig gewesen. Der Dolch hatte noch nicht einmal die Hälfte der Entfernung zwischen ihnen und Benni überbrückt, als er schon auf das Gras fiel. Während sich Anne vor Lachen den Bauch hielt, kam Benni zu ihnen rüber und hob auf halbem Weg den Dolch auf. „T-tut mir leid.“, murmelte Ariane betroffen und wich dem Blick des eiskalten Engels aus, da sie befürchtete, dass er wütend auf sie und ihre Nachlässigkeit war. „Das ist nun wirklich keine Entschuldigung wert.“ Benni klang zwar ziemlich sarkastisch, aber Ariane war froh, dass er nicht sauer war. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Laura besorgt. Anne stöhnte zwar genervt auf, lachte aber immer noch. „Ich glaube, nach diesem erbärmlichen Wurf kann bei ihm nur alles in Ordnung sein.“ „So schlecht war der auch nun wieder nicht.“, widersprach Ariane verlegen. „Oder?“, wandte sie sich hoffnungsvoll an Benni, den sie fast umgebracht hätte, wäre er nicht ganz so weit weg von ihnen gewesen. Immerhin müsste er sich ja als ‚stärkster Kämpfer Damons‘ mit so was auskennen. „Du weißt, dass ich nicht lügen kann?“, erkundigte er sich in seinem neutralen Ton, doch Ariane verstand, worauf er hinauswollte. Beschämt senkte sie den Kopf, während Benni kopfschüttelnd meinte: „Wie wollt ihr euch einem Gottesdämon stellen, wenn ihr noch nicht einmal in der Lage seid, einen Dolch anständig werfen zu können?“ Anne regte sich zwar über Bennis Kommentar auf, aber Ariane musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. Sie waren einfach noch viel zu unerfahren, um tatsächlich eine Chance gegen Mars zu haben. Doch was sollten sie tun? Schweigend lehnte sich Benni neben Laura gegen das Geländer, deren Wangen sofort einen leichten Rotton annahmen, wie Ariane belustigt bemerkte. Aber ihr fiel auch auf, dass Benni zwar sehr dicht neben Laura stand, sie sich aber dennoch nicht berührten. Ariane unterdrückte ein Seufzen. Da kam Lissi vom Trainingsplatz zu ihnen gerannt. „Hallöchen, Bennlèy! Kommst du, um deiner Geliebten Gesellschaft zu leisten?“, rief sie ihm begeistert als Begrüßung entgegen. „Nein, er ist nur hier, weil Ariane ihn unbedingt als Zielscheibe misshandeln wollte.“, meinte Anne lachend und berichtete Lissi auf deren fragenden Blick hin von Arianes Wurfversuch. Vermutlich allerdings nur aus dem Grund, weil sie die ganze Situation köstlich amüsierte. „W-wie geht es eigentlich deinen Verbrennungen?“, erkundigte sich Laura verschüchtert, während sie Benni besorgt musterte. Überrascht schaute Ariane auf und beobachtete ihn ebenfalls. An Bennis Verletzungen hatte sie gar nicht mehr gedacht, aber sie hatte ja selbst gesehen, wie übel sie noch vor knapp zwei Wochen ausgesehen hatten. „Sie sind fast verheilt.“, antwortete er ruhig. Ariane fiel auf, dass der eiskalte Engel ein schwarzes, langarmiges Trainingsshirt trug, in dem er zwar wie immer sehr gut aussah, was sich selbst Ariane eingestehen musste, aber was eigentlich schon etwas zu warm war, dafür, dass sie bei den milden zwanzig Grad Sport machten. Also trägt er dieses lange Shirt aus anderen Gründen… Zum Beispiel um seine Verletzungen vor neugierigen Blicken zu verbergen, folgerte Ariane. „Zeig.“, forderte Laura ihren Freund auf, als wolle sie sich selbst vergewissern. Was Ariane auch sehr gut verstand, denn ‚fast geheilt‘ war eine sehr dehnbare Formulierung. Seufzend gab Benni nach und zog das Sweatshirt bis zum Ellbogen nach oben. Ariane verzog das Gesicht. Zwar konnte Benni nicht lügen, aber er hatte die Dehnbarkeit seiner Formulierung ganz schön ausgenutzt. So übel wie vor zwei Wochen sah es zum Glück tatsächlich nicht mehr aus, aber trotzdem wies sein gesamter Arm noch ziemlich viele stark gerötete Stellen auf. „Das ist nicht ‚fast verheilt‘.“, meinte Laura und wandte betrübt den Blick ab. Benni zog den Ärmel wieder nach unten. „Es ist wirklich nicht mehr so gravierend.“ Auf Lauras kritischen und besorgten Blick hin schüttelte er nur den Kopf. „Ich muss wieder zum Unterricht… Bis später.“ Hätte Ariane die beiden auch nur für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen gelassen, wäre ihr gar nicht aufgefallen, dass Benni flüchtig mit seinen Fingern über Lauras Handrücken strich bevor er ging, als sei diese Berührung nur zufällig und nicht beabsichtigt gewesen. Doch Ariane hatte das Gefühl, dass dem nicht so war und sie beobachtete kichernd, wie Laura ihrem Freund verträumt nachschaute. „Endlich Wochenende. Und Mittagspause!“ Gähnend streckte Ariane sich, während sie den Sportplatz nach dem Unterricht verließen und auf die Mensa zusteuerten. Aus dieser kamen ihnen verwunderlicher Weise die anderen aus der Magier-Klasse entgegen, die allesamt zwei Papiertüten mit sich trugen, in denen Ariane sofort etwas Essbares erwartete. „Was habt ihr vor? Picknicken?“, vermutete sie deshalb. Carsten schüttelte den Kopf. „Schön wär’s. Mir kam gerade die Schulsprecherin entgegen. Sie meinte, Benni wolle mit uns sprechen und wäre im Büro der Schülervertretung.“ „Oh wow, der Schulsprecher möchte mit uns sprechen, was für eine Ehre.“ Anne verdrehte genervt die Augen. „Und warum kommt er nicht zu uns?“ „Kann das nicht bis nachher warten? Ich will einfach nur in Ruhe essen und das erste Wochenende nach den Ferien genießen.“, meinte Ariane, während sie von Janine die Tüte gereicht bekam, in der sich tatsächlich ihr Essen befand. „Geht nicht.“, beantwortete Carsten beide Fragen auf einmal. „Benni hat noch einen Haufen Arbeit zu machen, die er vor den Ferien links liegen gelassen hatte, weil er damals so übermüdet war. Und nachher hat er im Gegensatz zu uns noch Unterricht.“ Da sie ja sowieso nichts daran ändern konnten, gingen sie also nicht zur Mensa, sondern zum Büro der Schülervertretung, während Ariane schon mal den Inhalt der Tüte, also ihr Mittagessen, inspizierte und halbwegs zufrieden gestellt war, als er sich als asiatische Nudeln entpuppte. Im Büro angekommen saß der Schulsprecher tatsächlich schön fleißig an irgendwelchen Papieren, die er sich durchlas. „Was gibt’s neues?“, erkundigte sich Carsten und schaute seinem besten Freund über die Schulter. „Sarah möchte Hosen für weibliche Schuluniformen einführen.“, antwortete er, ohne von dem Blatt aufzuschauen. „Na endlich.“, kommentierte Anne erfreut. „Ich hasse Röcke, die sind so unvorteilhaft.“ „Und Hosen sind total unbequem.“, erwiderte Laura, die nur Röcke trug, wie Ariane inzwischen bemerkt hatte. „Das ist ja ganz schön unfair.“ Erschrocken drehten sich die Mädchen zum Direktor um, der ganz plötzlich in der geöffneten Tür zum Büro der Direktoren stand. „Ich meine ja nur, wenn schon die Mädchen die Möglichkeit bekommen, zwischen Hosen und Röcken zu entscheiden, dann sollten die Jungs das auch. Einfach nur der Gleichberechtigung Willen.“, meinte er schulterzuckend. „Tauchen Sie immer so plötzlich auf?!“ Vorwurfsvoll funkelte Öznur ihn an, da sie offensichtlich fast einen Herzinfarkt bekommen hätte. Der Direktor grinste. „Ich wäre eher daran interessiert, was ihr alle hier macht. Bei der kleinen Prinzessin kann ich das ja noch verstehen.“ Er zwinkerte Laura wissend zu, die sofort mit hochrotem Gesicht wegschaute. „Sie wissen, dass die beiden endlich in einer Beziehung sind?“, stellte Öznur überrascht fest. Herr Bôss lachte auf. „Natürlich. Man sollte als Direktor schon wissen, warum auf einmal so viele Mädchenherzen gebrochen sind. Der Grund: Unser geliebter Schulsprecher ist nicht mehr zu haben.“ Er hielt kurz inne. „Aber ernsthaft: Was macht ihr hier?“ „Das würden wir auch gerne wissen.“ Fragend schaute Janine den besagten Schulsprecher an. Endlich legte dieser das Formular zur Seite und wandte sich an die Gruppe, die er herbestellt hatte. „Mit eurer derzeitigen Kampferfahrung seid ihr dem Purpurnen Phönix hilflos ausgeliefert.“ Anne schnaubte. „Was geht dich das an?!? Wir besitzen inzwischen alle unsere Dämonenform und sind stärker als je zuvor.“ „Na ja… Nicht alle.“, berichtigte Öznur sie zögernd. „Na und?!“ Vorwurfsvoll zeigte Anne auf Laura, die erschrocken zusammenzuckte. „Nur, weil unser schwächliches Prinzesschen vollkommen wehrlos ist, heißt das noch lange nicht, dass wir das auch sind, verstanden?!“ „Ich bin nicht vollkommen wehrlos!“, widersprach Laura lautstark, in deren Augen sich Tränen sammelten. „Nur, weil ich krank bin heißt das- heißt das noch lange nicht, dass ich- dass ich…“ Grob rieb sie sich über die Augen, um die Tränen wegzuwischen. „Ich hab mir nicht ausgesucht, bald zu sterben!!!“ Mitfühlend nahm Ariane Laura in die Arme, die sich sofort schluchzend an sie klammerte. Während sie tröstend auf sie einredete, konnte sich Ariane nicht entscheiden, ob sie nun Anne oder Benni wütend anfunkeln sollte. Na gut, Benni traf zwar keine Schuld, aber sie wussten alle nur zu gut, dass sich Laura in seinen Armen viel schneller würde beruhigen können. Ariane entschied sich dazu, Benni ganz kurz auffordernd anzuschauen und dann ihren ganzen Zorn in einem Blick auf Anne zu entladen. Eine Weile sagte keiner etwas, nur Lauras Schluchzen war zu hören und Ariane ärgerte sich, dass der eiskalte Engel offensichtlich doch noch nicht ganz aufgetaut war. Schließlich meinte dieser: „Ihr alle seid vollkommen wehrlos.“ Entgeistert starrte Anne ihn an, doch ihr fehlten offensichtlich die Worte. Carsten seufzte. „Ihr müsst einsehen, dass er Recht hat.“ „Aber wir sind nicht so schwach.“, widersprach Öznur entrüstet. „Doch, seid ihr.“, äußerte sich Herr Bôss schmerzhaft direkt. „Ihr seid gerade mal im ersten Jahr und selbst wenn ihr eure Ausbildung hier beendet hättet… Auf einen Kampf auf Leben und Tod wärt ihr trotzdem nicht vorbereitet. Doch genau dieser Kampf erwartet euch.“ Susanne schaute die anderen verzweifelt an. „Aber warum kämpfen wir dann überhaupt?! Wenn ein Erfolg sowieso aussichtslos ist…“ Bedrückt wandte sie sich wieder ab. „Es tut mir leid, ich wollte nicht feige klingen…“ Carsten schüttelte beruhigend den Kopf. „Das ist nicht feige. Das ist gesunder Menschenverstand.“ „Aber Susi hat Recht…“ Öznur ließ sich auf das Sofa sinken. „Ich weiß, wir sollten wenigstens versuchen Mars aufzuhalten aber… wenn wir keine Chance haben… Dann hat es keinen Sinn, dass wir unser Leben für ganz Damon riskieren.“ Schaudernd verschränkte Janine die Arme vor der Brust. „Wir würden so oder so sterben…“ „Ninie, sag so was nicht.“, flehte Ariane sie an. „Ich will so was nicht hören! Und schon gar nicht aus deinem Mund!“ Susanne seufzte. „Aber sie hat Recht.“ „Nein!“, widersprach Ariane energisch. „Lass es Nane, es hat keinen Sinn.“ Ariane bekam es mit der Angst zu tun, wie leer Lauras Stimme sich auf einmal anhörte. Sie befreite sich aus ihrer Umarmung und meinte schließlich, mit demselben trostlosen Ton wie zuvor: „Was machst du dir überhaupt noch Hoffnungen? Wir sind dem Untergang geweiht und können nichts mehr daran ändern.“ „Unsinn.“ Die Bestimmtheit, mit der Benni dieses eine einzige Wort aussprach, ließ tatsächlich jeden wieder etwas Hoffnung schöpfen. „Du-du meinst es ist nicht alles verloren?“ Ungläubig schaute Janine ihn an. „Aus diesem Grund habe ich euch gebeten, herzukommen.“, erklärte er sachlich. „Euch fehlt zwar die nötige Kenntnis und Erfahrung im Kampf, aber das ist nichts, was sich nicht ändern ließe.“ „Aber wir haben dieses Wissen nun mal noch nicht. Sollen wir jetzt unseren Lehrern sagen, dass sie sich mit dem Unterricht beeilen sollen, immerhin müssen wir einen mächtigen Gottesdämon besiegen?“, fragte Öznur sarkastisch. Doch Benni schüttelte den Kopf. Carsten schien verstanden zu haben, worauf sein bester Freund hinaus möchte. „Wir könnten euch unterrichten.“ „Hä?“ Verwirrt musterte Ariane die beiden Jungs. „Klingt zwar verrückt, aber eigentlich ist die Idee ganz gut.“, überlegte der Direktor. „Eufelia-Sensei hat uns doch damals schon ausgebildet.“, erklärte Carsten. „Ich habe zwar nicht alles lernen können, bin aber doch schon weiter als ihr, also könnte ich euch einige Magietechniken und Tricks noch beibringen. Und ihr wisst doch, dass Benni bereits das Kämpfen gelernt hat, seit er ein Kleinkind war. Und nicht nur das, er war auch schon in mehreren Situationen, in denen es um Menschenleben ging.“ „Stimmt, das ist wirklich eine gute Idee!“, rief Öznur begeistert. „Na ich weiß ja nicht…“ Kritisch verschränkte Anne die Arme vor der Brust. „Ist dir die Alternative unvorbereitet in den Kampf zu gehen denn lieber?“, erkundigte sich Carsten geduldig. Damit hatte er schließlich auch Anne überzeugt, die zwar murrend, aber ohne weitere Widerworte nachgab. „Und wann haben wir die erste Stunde? Jetzt?“, fragte Ariane erwartungsvoll. Irgendwie war sie sehr neugierig, wie sich Benni als Lehrer so machen würde. „Wohl kaum.“, meinte dieser nach einem kurzen Blick auf die Uhr und stand auf. „Ach so, stimmt, du hast ja noch Unterricht.“, erinnerte sie sich, etwas enttäuscht. „Dann morgen!“ Benni nickte und verließ das Büro der Schülervertretung. Seufzend setzte sich Ariane auf das Sofa und widmete sich endlich den Nudeln. Vermutlich war Benni durch ihren total peinlichen Messerwurf darauf gekommen, dass sie noch ganz schön unbeholfen und unerfahren waren. Wobei sie ihm auch zutrauen würde, dass er das bereits die ganze Zeit gewusst hatte und sich bisher nur keine Gelegenheit ergeben hatte, sie damit zu konfrontieren. Egal wie Benni auf diese Idee gekommen war, Ariane war froh, dass er sie hatte. Denn eins stand fest: Hätte niemand daran gedacht, wären sie wirklich dem Untergang geweiht gewesen. „Oh Mann, Benni hat wegen uns jetzt gar nichts gegessen.“, bemerkte Carsten besorgt. Ariane verschluckte sich an einer ihrer Nudeln. „Wasch?!?“ Der eiskalte Engel ging nun wegen ihnen ohne etwas gegessen zu haben in den Unterricht?!? Ariane würde sterben, wenn ihr das passieren würde! Carsten lachte auf. „Also so schlimm ist das jetzt auch nun wieder nicht.“ „Oh doch und wie!“, widersprach Ariane ihm mit schlechtem Gewissen. Immerhin ging es um Essen! Der Direktor schüttelte lachend den Kopf, bevor er bemerkte: „Ups, ich hab ja jetzt auch Unterricht.“ Er winkte der Gruppe noch einmal grinsend zu, ehe er ebenfalls das Büro verließ. Auch der Rest ging nach außen, um nun doch noch zu picknicken. Immerhin war endlich mal gutes Wetter. „Ach so, Laura…“ Kritisch musterte Ariane über ihre Nudeln hinweg Anne, die sich an Laura wandte. „Das wegen vorhin tut mir leid. So hatte ich das nicht gemeint, das musst du mir glauben.“ Doch Laura schaute nur auf den Boden. „Lasst mich einfach in Ruhe.“, meinte sie tonlos und ging in die andere Richtung davon. Ariane und Carsten tauschten einen besorgten Blick aus, hielten es aber für angebracht, Lauras ‚Bitte‘ vorerst Folge zu leisten. „Ich mache mir ernsthaft Sorgen um sie!“, berichtete Ariane Lissi, während sie gemeinsam zum Frühstücken in die Mensa gingen. Die beiden waren heute diejenigen, die am spätesten aufgestanden waren und sich somit auch als letztes fertiggemacht hatten. Lissi zuckte mit den Schultern. „Lass ihr doch einfach etwas Zeit für sich selbst.“ „Ja aber… Nein!“ Frustriert hob Ariane die Hände. „Sie war gestern den ganzen Nachmittag über nicht auffindbar und beim Abendessen war sie auch nicht, falls du das nicht bemerkt hast. Ich wollte sie dann vorm Schlafengehen abfangen, aber sie wollte einfach nicht mit mir reden. Das ist schon genauso schlimm, wie beim eiskalten Engel damals. Ich hab das Gefühl, gegen eine Wand zu reden!“ Lissi seufzte. „Nane-Sahne… Was soll sie dir auch groß erzählen? In drei Wochen hat sie Geburtstag und stirbt vielleicht an diesem Tag. Sie hat riesige Angst und das wissen wir auch alle.“ „Aber trotzdem… Wir können ihr helfen, wir sind doch für sie da! Jedenfalls wollen wir für sie da sein, aber Laura lässt uns nicht an sich ran!“, widersprach Ariane, war allerdings etwas aus der Bahn geworfen, weil Lissi ihr tatsächlich vollkommen ernst geantwortet hatte. Diese wollte irgendetwas erwidern, sagte schließlich aber doch nichts. Stattdessen winkte sie einem Jungen zu, der auf sie zukam. „Hallöchen Julien!“ Die beiden begrüßten sich mit einem ausgiebigen Kuss, ehe Lissi in einem verführerischen Ton meinte: „Ich muss leider weiter aber voulez vous coucher avec moi ce soir?“ Julien lachte auf. „Bien sur, ma belle!“ Und ging weiter. Ariane starrte Lissi verwirrt an, die ihr zwinkernd mit dem Ellbogen in die Seite stieß. „Den solltest du dir merken.“ Seufzend schüttelte Ariane den Kopf. Sie verstand zwar nicht, was Lissi gesagt hatte, aber irgendwie schien dieser Witz gut anzukommen. „Da seid ihr ja endlich!“, rief Anne ihnen ungeduldig zu und wies ihnen an, sich zu setzen, als sie den Tisch im Mensaturm gefunden hatten, an dem der Rest der Gruppe saß. Öznur kicherte. „Du kannst das Training wohl kaum erwarten, was?“ „Unsinn.“, schnaubte Anne, „Ich bin’s einfach Leid, ewig auf die Langschläfer warten zu müssen.“ „Wie wär’s, wenn du dann nicht so früh aufstehst?“, schlug Ariane empört vor, während sie sich auf ihren Platz neben Laura setzte. Sie war ziemlich blass, wie Ariane besorgt bemerkte und sie fragte sich, wann Laura eigentlich ihren letzten Anfall gehabt hatte. Denn der letzte von dem sie wusste, war vor über zwei Wochen gewesen. „Laura, du solltest auch etwas essen.“, riet Carsten seiner besten Freundin fürsorglich, deren Teller noch unbenutzt war. Doch Laura schüttelte den Kopf und erwiderte nur: „Keinen Hunger.“ Carsten seufzte. „Trotzdem. Sonst wird dich das Training heute viel zu schnell erschöpfen.“ Laura senkte den Blick. „Es lohnt sich für mich doch sowieso nicht mehr, jetzt noch zu trainieren.“ Gedankenverloren kaute Ariane auf ihrem Brot herum. Gab es wirklich nichts, womit sie Laura aufheitern konnten? „Jetzt sag doch so was nicht.“ Kopfschüttelnd schob Carsten sein noch unangerührtes Frühstücksei zu ihr rüber. „Du weißt ganz genau, dass Benni dich so oder so zum Training zwingen wird.“ Während Laura sich tatsächlich geschlagen gab, schluckte Ariane einen ganzen Bissen herunter. Natürlich gab es etwas! Oder eher jemanden. Benni wartete bereits auf dem Sportplatz auf sie und schien die Zeit mit Chip-streicheln totgeschlagen zu haben, dem das Auftauchen der anderen eindeutig missfiel, weil er wusste, dass die Kuschelzeit nun vorbei war. Nachdem Chip ihnen also einen vorwurfsvollen und dadurch total knuffigen Blick zugeworfen hatte, sprang er demonstrativ von Bennis Schulter und verschwand auf einem Baum. „Also bringst du uns jetzt bei, wie man kämpft, während Carsten mit den anderen Zaubern übt.“, vergewisserte sich Ariane und bekam als Antwort ein Nicken. „Viel Spaß dann.“, verabschiedete sich Öznur belustigt und folgte den übrigen Magiern zu einem weiteren der insgesamt drei Sportplätze. Ariane musste sich eingestehen, dass Benni eigentlich ein verdammt guter Lehrmeister war. Er berücksichtigte, dass jeder einen unterschiedlichen Kampfstil hatte, konnte aber doch noch hilfreiche Verbesserungsratschläge geben. Anne und Ariane bauten zum Beispiel sehr auf Schnelligkeit und waren eher ein Angriffstyp, während Laura überraschend gut im Verteidigen war. Aber auch Lissi war besser, als man es eigentlich von ihr vermuten würde. Um den Kampfstil der Mädchen kennenzulernen, ließ Benni sie am Anfang gegen sich kämpfen. Doch es war offensichtlich, dass er sich ganz schön zurückhielt, damit der Kampf länger als eine knappe Sekunde dauerte. Da sie nicht wussten, wann sie sich dem Purpurnen Phönix entgegenstellen mussten, hatte Benni vor, sie in jeweils dem Kampftyp zu unterrichten, mit dem sie am besten klarkamen, statt ihnen einen Crashkurs in allem zu verpassen. Während Lissi mit etwas Abstand zu ihrem Gegner besser zurechtkam, waren Ariane und Anne eher Nahkämpfer. Nur Laura stellte ein Problem dar. Sie war sowohl im Nahkampf als auch im Fernkampf nicht wirklich gut, denn zum Schlagen fehlte ihr die Kraft und wenn sie unter Druck stand konnte sie auch nicht gut zielen. Doch mit guter Verteidigung alleine würde sie keinen Kampf gewinnen können, schon gar nicht mit ihrer Besorgnis erregenden Ausdauer. Inzwischen hatte Benni jedem bis auf Laura eine Waffe zuordnen können. Für Anne fand er einen Speer am sinnvollsten, da dieser sowohl für Nahkampf als auch für Fernkampf geeignet war. Das traf sich besonders gut, da Anne bei ihrer Dämonenprüfung bereits den ‚Demonspear‘ bekommen hatte. Ariane riet er zu einem Dolch, was diese für Ironie des Schicksals hielt, denn immerhin hatte sie Benni erst gestern mit ihrem dämlichen Wurf in Lebensgefahr gebracht. Was auch nicht ganz stimmte, da sie den Wurf ja total vergeigt hatte. Lissi war total begeistert, als Benni meinte, dass sie sich mit einer Peitsche versuchen solle. Zwar passte diese Waffe wirklich gut zu ihr, da sie Ähnlichkeiten mit dem Element hatte, welches Lissi beherrschte. Doch trotzdem konnte Ariane es nicht ignorieren, dass ausgerechnet diese Waffe in Lissis Händen eine eindeutig zweideutige Bedeutung hatte. Frustriert biss sich Laura auf die Unterlippe. „Ich bin echt zu nichts zu gebrauchen, oder?“ „Ja.“, antwortete Anne prompt. „Unsinn!“, widersprach Ariane beiden und trat Anne gegen das Schienbein. „Es ist so!“, schrie Laura aufgebracht. „Ich kann weder ein Schwert schwingen, noch mit einem Pfeil treffen! Das einzige, was ich perfekt beherrsche, ist mich in Schwierigkeiten zu bringen!!!“ „Laura…“ Ariane seufzte gereizt, hielt mit ihrer Schimpftirade über Lauras mangelndes Selbstwertgefühl aber inne, als sie bemerkte, wie blass ihre beste Freundin war. „…Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich besorgt. Laura war nicht nur blass, sie war regelrecht weiß im Gesicht! Erst schien Laura noch irgendetwas Verärgertes antworten zu wollen, doch das änderte sich schlagartig, als sie benommen zurücktaumelte. Panisch schaute sie sich um, schien die anderen aber aus irgendeinem Grund nicht sehen zu können. „N-Nane? Benni?“, brachte sie mit zitternder Stimme hervor. Ehe sie vornüberkippte, hielt Benni sie fest. „Soll ich Carsten holen?“, fragte Anne, doch die Antwort stand auch ohne Bennis Nicken schon fest. Mit der beeindruckenden Geschwindigkeit eines Kampfkünstlers verschwand sie. Ariane beobachtete, wie Benni Laura hochhob, die sich schwer atmend an sein Shirt krallte, als würde sie keine Luft mehr bekommen. Er trug sie zu dem nächstgelegenen Baum, setzte sie dort in den Schatten und strich ihr sanft das Haar aus dem schweißnassen Gesicht. Kurz darauf kam Anne mit Carsten zurück, der sich sofort neben sie kniete und ihre Temperatur prüfte. „Ist dir schwindelig?“, erkundigte er sich mit dem fürsorglichsten Ton, den Ariane je gehört hatte. Laura nickte benommen. Carsten seufzte. „Du solltest doch Bescheid geben, wenn du nicht mehr kannst.“ Kopfschüttelnd wandte er sich an den Rest. „Sie hat sich überanstrengt. Diese Schwächeanfälle sind zwar zu erwarten, aber nicht weiter schlimm. Nur jetzt ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie einen richtigen Anfall bekommt.“ Wie als sollte das eine Bestätigung sein, hustete Laura und verschluckte sich dabei an etwas Blut, das sie zu einem heftigeren Husten zwang. Wortlos setzte sich Benni neben sie und nahm sie in den Arm. Für einen kurzen Moment loderte eine dunkle Aura um beide, ehe sich Lauras Husten beruhigte und sie sich schluchzend an ihn klammerte. Inzwischen war auch der Rest der Magier angekommen. „Geht’s ihr gut?“ Besorgt schaute Janine zu Laura und Benni und schließlich zu Carsten. Dieser stand auf, drückte kurz Lauras Schulter und ging dann zu den anderen. „Ihr seht’s ja…“, antwortete er seufzend. „Besser sie schont sich für den Rest des Tages.“ Ariane nickte. „Gute Idee. Komm Laura, wir bringen dich ins Zimmer, dann kannst du dich erst mal ausruhen.“ Das Gesicht immer noch in Bennis Shirt vergraben schüttelte Laura den Kopf. „Willst du lieber hierbleiben?“, fragte Carsten geduldig. „Wenn du möchtest, kann ich dir auch deine Zeichensachen bringen, dass du dich dann nicht allzu sehr langweilst. Aber du solltest dich unbedingt schonen.“ Dieses Mal nickte Laura. Von dem einen, auf den anderen Moment hielt Carsten Lauras Skizzenblock, mehrere Stifte und einen Radiergummi in der Hand, was er alles neben seine beste Freundin auf die Wiese legte. „Okay, dann können wir jetzt mit dem Training fortfahren.“, meinte er in einem fast-Lehrerton an die anderen gewandt. Benni wollte wieder aufstehen, doch Laura krallte sich immer noch an ihm fest, als wolle sie ihn nicht loslassen. „Bleib bei mir…“, murmelte sie kaum verständlich. Sanft nahm Benni Lauras Hände, sodass sie ihn gezwungener maßen losließ. „いつもいるよ。“, sagte er und gab ihr einen kurzen Kuss auf den Scheitel, ehe auch er zu den anderen ging. Laura hielt ihn nicht mehr zurück und ihr vorher weißes Gesicht war nun eher rot. „Das war ja echt total süß.“, bemerkte Öznur und legte gerührt die Hand aufs Herz. „Ja, wirklich. Sehr romantisch, Benni!“ Carsten lachte, doch sein Lachen hatte ein Ende, als Benni ihm auf den Hinterkopf schlug. Kichernd beobachtete Ariane, wie sich Carsten die schmerzende Stelle rieb und fragte ihn schließlich: „Was hat Benni eigentlich gesagt?“ Wieder fing Carsten an zu lachen. „Bin ich immer.“, übersetzte er. Nahezu alle Mädchen gaben ein kollektives „Oooooh.“ von sich, nur Benni schüttelte verstimmt den Kopf und Ariane wusste nicht, ob es nun Einbildung war oder nicht, aber sie glaubte, eine leichte Röte auf seinen Wangen zu sehen. Doch Sekunden später war sie sich sicher, dass das nur die Schatten der Blätter des Baums gewesen waren. Während sich Anne zu einem Sandsack zurückzog und an diesem armen Gegenstand ihre in der Woche angestaute Aggression ausließ und Lissi begeistert an einem weiteren armen Sandsack verschiedene Peitschenhiebe ausprobierte, nahm Ariane ihren Mut zusammen und ging zu Benni rüber. Eigentlich sollte auch sie einige Übungen am Sandsack ausführen, aber ihrer Meinung nach mussten gerade schon genug von denen leiden. „Gibt es ein Problem?“, erkundigte sich ihr Teilzeitlehrmeister. „Äh-ähm nein, nicht wirklich.“ Abwehrend hob Ariane die Hände und holte tief Luft, für ihre nächste Frage. „Ich wollte eigentlich fragen, ob du mir Messerwerfen beibringen kannst.“ Benni nickte und Ariane folgte ihm zu den Zielscheiben. „Für gewöhnlich nimmt man das Messer an der Klinge, doch da du überwiegend geschliffene verwenden wirst ist es für den Anfang sicherer, sie am Griff zu packen.“, begann er ohne Umschweife zu erklären. Er zeigte Ariane, wie man sich beim Messerwurfsport hinstellte. Zwar war sie zu Beginn nicht ganz überzeugt, ob sie sich wirklich jedes Mal erst in Wurfposition begeben musste, um einen Gegner angreifen zu können, auch wenn der Stand alleine nicht allzu kompliziert war. Doch Benni meinte, dass sie erst einmal die Grundlagen beherrschen sollte, danach wäre sie auch in der Lage, Würfe unter verschiedenen Bedingungen zu lernen und auszuführen. So schwierig schien Messerwerfen wirklich nicht zu sein. Wichtig war, dass sie das Messer gut festhielt, dass es ihr nicht zu früh davonflog, aber sie durfte es auch nicht zu verkrampft halten, sonst würde ihr der Wurf nicht gelingen. Ariane bemerkte stolz, dass sie das sogar ziemlich schnell draufhatte. Nur das rechtzeitige Loslassen und das Zielen bereiteten ihr noch Schwierigkeiten. Meistens ließ sie das Messer zu spät los, sodass es nur wenige Meter vor ihr im Boden stecken blieb, oder zu früh, dass es in hohem Bogen davonflog. Einmal hatte Ariane es sogar auf die Reihe gebracht, dass ihr das Messer auf den Kopf gefallen wäre, hätte Benni sie nicht rechtzeitig zur Seite gezogen. „Ich hab mal eine Frage.“, meinte Ariane zu ihm, nachdem sie schon wieder unbeabsichtigt das Gras statt der Zielscheibe aufgespießt hatte. „Oder eher eine Bitte… Ach, irgendwie ist es beides! Aber es geht nicht ums Training…“, ergänzte sie zögernd. Da Benni nichts darauf erwiderte, fragte sie schließlich: „Bist du schon mal mit Laura ausgegangen?“ „Das ist deine Bitte?“ Benni zog das Messer aus dem Boden und setzte sich im Schneidersitz auf das Gras, da er sich schon dachte, dass Ariane nun nicht mehr vorhatte, irgendetwas oder –jemanden zu attackieren, bis die Sache geklärt war. Womit er auch Recht hatte. Ariane setzte sich ihm gegenüber. „Im Prinzip schon. Du müsstest es inzwischen doch auch bemerkt haben: Du bist der einzige, der Laura wirklich beruhigen kann… Bei dem sie wirklich glücklich ist!“ Gedankenversunken zupfte sie einen Grashalm aus und pflückte ihn auseinander. „Ich hoffte, dass du sie etwas von ihren traurigen Gedanken ablenken kannst, indem du mal was mit ihr unternimmst.“ Benni schwieg für eine Weile und schaute rüber zu der Eiche, unter der Laura immer noch saß und mit ausdruckslosem Blick auf ihren geöffneten Skizzenblock starrte. Ariane war genauso überrascht wie ihre beste Freundin, als plötzlich Chip vom Baum geklettert kam und sich so lange gegen Lauras Arm schmiegte, bis diese ihre Zeichensachen schließlich zur Seite legte und ihn streichelte, mit dem leichten Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht. Ariane warf Benni einen kritischen Blick zu und fragte sich, ob er was damit zu tun hatte und wenn ja, wie er in der Lage war, über diese Entfernung mit Chip zu kommunizieren. Endlich wandte Benni den Blick von Laura ab und meinte: „Darauf hat mich Carsten letztens ebenfalls angesprochen.“ „Und warum hast du seit diesem ‚letztens‘ noch nichts gemacht?“ Empört funkelte Ariane ihn an. Benni schaute sie aus den Augenwinkeln an und Ariane schauderte, als ihr auffiel, dass er irgendwie verärgert wirkte. „Weil ich nicht weiß, was.“, antwortete er und klang tatsächlich ganz leicht gereizt. „Das einzige, wozu ich je zu Nutze war, ist das.“ Ariane konnte der rasend schnellen Bewegung nicht folgen, mit der Benni das Messer mit solcher Nebensächlichkeit zur Seite warf, dass er sich gar nicht erst vergewisserte, wohin er es schleuderte und trotzdem genau die Mitte der Zielscheibe traf. „Ich wurde zu einer Killermaschine ausgebildet. Ich habe nie gelernt zu fühlen.“ „Man kann auch nicht lernen zu fühlen. Man fühlt einfach, wie man sich fühlt.“ Carsten setzte sich neben sie auf das Gras. „Die anderen holen das Essen aus der Mensa.“, erklärte er knapp. „Dann sag mir, was ich fühle.“, forderte Benni seinen besten Freund auf. „Du möchtest Laura helfen, weißt aber nicht, wie.“ Carsten schien direkt in Bennis Herz schauen zu können. „Du bist verzweifelt.“ Bedrückt wandte Benni den Blick ab und Carsten legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Sei einfach für sie da. Wenn sie dich dann wirklich braucht weißt du meistens schon instinktiv, was du machen musst. Vorhin war das doch auch so.“ Ariane seufzte und zerstückelte einen weiteren Grashalm, doch dieser kam halbwegs glimpflich davon, weil hinter ihnen auf einmal Öznur rief: „Essen ist da, Leute! Jetzt kommt endlich!“ Sofort sprang Ariane auf und rannte zu den Magier-Mädchen, die in der Nähe der Eiche unter der Laura immer noch saß ein großes Tuch ausbreiteten. „Endlich.“, kommentierte Anne zufrieden, die mit Lissi endlich die armen unschuldigen Sandsäcke in Ruhe gelassen hatte, um ebenfalls zum Essen zu kommen. Carsten machte einen kleinen Umweg, um Laura dazu zu überrechen, auch etwas zu Essen und half ihr fürsorglich wie immer auf die Beine. Dieses Mal gab es Pizza, was an der Coeur-Academy leider relativ selten vorkam. So griffen die meisten heißhungrig zu, um dieses Event auch bloß auszunutzen. Ariane fiel auf, dass sie nicht die einzigen waren, die dieses sonnige Wetter nutzen, um außen zu essen. Mehrere Schülergruppen verteilten sich auf dem hinteren Teil der Schule und Ariane bemerkte, wie eine Gruppe direkt auf sie zusteuerte. Sie bestand komplett aus Mädchen und nach einigem Überlegen fiel Ariane auch wieder ein, wo sie sie schon mal gesehen hatte. Es war Lisa Rapuko, gefolgt von dem Rest ihrer eingebildeten Clique, die dachten nur, weil ihre Eltern einen hohen Stand hatten, gehörte ihnen die ganze Welt. „Dann stimmt das Gerücht also wirklich?“, bemerkte Lisa und musterte Laura und Benni. Schließlich seufzte sie. „Ich bemitleide dich, kleine Prinzessin, wie kannst du das nur bewältigen?“ Verwirrt musterte Laura Lisa, doch Ariane wusste, dass diese Tussi garantiert kein Mitleid empfand. Die führte doch sicherlich irgendwas im Schilde! „Na ja… Du willst das vielleicht nicht wahrhaben…“ Mitfühlend schaute Lisa Laura an. „Und es tut mir im Herzen weh… Aber… Nein.“ Abrupt wandte sie sich ab. „Nein, es tut mir leid, ich kann das nicht.“ „Wovon um alles in der Welt redest du? Sag schon!“, forderte Öznur sie auf, die Lisa seit ihrer letzten Begegnung am liebsten tot sehen würde. „Es ist so…“, erklärte sie endlich, „Ihr müsstet doch wissen, dass unser Schulsprecher leider sehr gefühlskalt ist.“ „Ja. Und?“, hakte Anne nach, die genauso gefühlskalt klang, wie Lisa Benni beschrieben hatte. „Dass ihr das als ihre Freunde überhaupt mitansehen könnt!“, entrüstete sie sich. „Die Kleine muss doch vor Liebe zu ihm vergehen, während er sich nicht einen Dreck um sie kümmert!“ Lisa seufzte und ging auf Laura zu, um ihre Hände zu nehmen. „Das du so überhaupt noch leben kannst… Wenn dein armes Herz einfach keine Liebe zurückbekommt!“ Entgeistert starrten die anderen Lisa an. Das hatte sie nicht im Ernst gesagt, oder?!? Laura wich zitternd jeglichem Blick aus. Vermutlich war sie sich noch viel zu unsicher, was Bennis wahre Gefühle für sie betraf und genau diese Unsicherheit attackierte Lisa jetzt. Höchst wahrscheinlich glaubte Laura ihr auch noch! Verärgert ballte Ariane die Hände zu Fäusten. Was für eine hinterhältige dumme Kuh! „Warum bist du dir da so sicher?“ Bennis Ton war seinem Spitznamen entsprechend eiskalt. In Gedanken feuerte Ariane ihn an, während Lisa ihn völlig fassungslos anglotzte. „Ich wüsste nicht, was dich meine Beziehung mit Laura angeht oder woher du dir das Recht nimmst, solch anmaßende Hypothesen aufzustellen aber ich rate dir: Lass meine Freundin in Ruhe.“ Nun war Benni durch und durch der ‚eiskalte Engel‘. Eingeschüchtert ließ Lisa endlich Lauras Hände los und stolperte einige Schritte zurück, ehe sie sich abwandte und mit ihrer Clique davoneilte. Carsten lachte atemlos auf. „Der hast du’s aber gezeigt, sie tat mir schon fast leid…“ „Oh ja!“, gab Öznur ihm lachend Recht. „Und erst dieses ‚Lass meine Freundin in Ruhe‘! Also glaub mir, Benni, ich werde Laura nie was Böses tun, das verspreche ich.“ „H-hast du… das ernst gemeint?“ Verunsichert schaute Laura Benni mit großen, hoffnungsvollen Augen an. Benni seufzte und verschränkte ihre Finger mit seinen. „Natürlich.“ Verlegen aber auch irgendwie glücklich lachte Laura auf und wich beschämt seinem Blick aus. Ariane atmete erleichtert auf. Carsten hatte halt Recht gehabt. Wenn es drauf ankam wusste Benni, was zu tun war. „Moment aber… ‚meine Freundin‘? Du hast sie wirklich ‚meine Freundin‘ genannt?!“, fiel Öznur begeistert auf. „Aber du sagst doch in Zukunft trotzdem Laura zu ihr, oder?“ Kritisch schaute Anne ihn an. „Denk bloß nicht, dass sie nun so etwas wie dein Eigentum ist.“ Carsten zuckte lachend mit den Schultern. „Wie sollte er sie sonst nennen? Zuckermäuschen?“ Nun konnte sich keiner mehr vor Lachen halten bis auf das Paar, das seinem Scherz zum Opfer gefallen war. Doch trotz ihres Lachanfalls beobachtete Ariane zufrieden, wie sich Laura zwar verschüchtert aber glücklich in Bennis Arme kuschelte und Benni zwar seufzend den Kopf schüttelte, sich aber auf seine eigene Art über Carstens Witz amüsierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)