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Demon Girls & Boys

von

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Vermisst

Vermisst

 

„Versagt?! Ist es mein Verdienst, dass ausgerechnet der stärkste Kämpfer Damons hier auftaucht?“, widersprach Lukas, soweit er zu einer Verteidigung in der Lage war.

Benni hatte ihn tatsächlich übel zugerichtet. Am Hals waren rote Druckspuren von Bennis festem Griff und das linke Auge schien gar nicht mehr zum Sehen geeignet.

„Sei still.“, sagte derselbe Mann wie zuvor mit seiner rauen, tiefen Stimme. Laura fiel ein schwaches Echo auf, das mit der Stimme hallte. „In deiner Lage kannst du es dir nicht erlauben, auf irgendeine Weise zu widersprechen. Du hast den Unzerstörbaren bereits ausreichend verstimmt.“

Befangen richtete Lukas seinen Blick auf den schwarzen Steinboden. „Verzeih mein missratenes Handeln…“

Der andere Mann ergriff das Wort und ein eisiger Schauer überkam Laura, als sie die Stimme wiedererkannte. „Ach Gott, ihr seid alle so ernst hier, das ist ja grauenvoll!“

Er zog die Kapuze zurück und ließ sein orangenes Haar und die mordlustig funkelnden Augen mit den orangenen Kontaktlinsen zum Vorschein kommen. „Lange nich gesehen, wie geht’s euch denn so? Schlecht? Ach das tut mir ja kein bisschen leid. Wisst ihr eigentlich, wie’s mir ergangen is, seit du dafür gesorgt hast, dass ich hinter Gitter kam?!?“

Verängstigt wich Laura so weit zurück, bis sie gegen das Geländer der Empore stieß.

Das war- Wie konnte das-

„Recht passabel, demzufolge, was ich gehört habe.“, erwiderte Benni monoton und war so kaltblütig wie immer.

Lukas schaute verwundert zwischen Max und Benni hin und her, soweit seine gesundheitliche Lage das zuließ. „Ihr kennt euch?“

Ein schauriges Grinsen entstand auf Max‘ Gesicht. „Nur zu gut.“

Eine Welle der Erleichterung überkam Laura, als schwungvoll das Haupttor aufflog und sich die uneingeschränkte Aufmerksamkeit auf die eben eintretende Gruppe richtete.

„Hi Leute! Sorry, dass wir so spät sind, aber Konrad zu wecken grenzt ja ans Unmögliche!“, rief Öznur ihr und Benni zur Begrüßung zu.

„Das Wasser wäre aber nicht mehr nötig gewesen, nachdem Anne mich aus dem Bett geschmissen hatte.“, beklagte sich besagter Tiefschläfer, der offensichtlich pitschnass war.

Abrupt blieben sie stehen. Erst jetzt schien ihnen aufgefallen zu sein, dass Laura und Benni nicht die einzigen Anwesenden waren. Insbesondere als sie die Erkenntnis überkam, dass sie sich in alles anderer als angenehmer Gesellschaft befanden.

Carstens Blick ruhte wachsam auf Max, als wäre er jede Sekunde bereit für einen Angriff.

„Hey 7984! Wie schön, auch dich hier zu treffen!“, grüßte Max, offenkundig, dass er und Carsten sich kannten und nicht leiden konnten.

Ariane sah die beiden prüfend an. „Ihr kennt euch?“

Carsten nickte „Aus dem-“ Stockend hielt er inne, als würde er es noch nicht einmal verkraften, den Namen dieser grausamen Besserungsanstalt auszusprechen. Doch der Rest verstand, was er gemeint hatte.

Lukas wollte die Augen verdrehen, ließ es bei dem aufkommenden Schmerz aber dann doch lieber bleiben. „Was für ein Bekanntschaftskreis. Und dann auch noch völlig unabhängig voneinander.“

„Wie schön, dass wir uns alle hassen.“, kommentierte Öznur. „Du bist uns auch nicht gerade unbekannt, Freundchen. Wie du siehst, lebt Benni noch. Zufrieden?“

„Du wolltest ihn vergiften?!?“, fuhr Laura entgeistert ihren Cousin an.

Lukas zuckte mit den Schultern und fand heraus, dass sogar diese Bewegung schmerzhaft war. „Ja, wollte ich.“

Tadelnd schnalzte Max mit der Zunge. „Ach stimmt ja, das hast du auch vergeigt.“ Er schlurfte rüber zu Benni und legte einen Arm um seine Schultern. „Ich hab dir doch gesagt, der gehört mir.“

Da Laura die beiden zum Teil von hinten sah, bemerkte sie den Dolch, den Max aus dem Ärmel seines Umhangs schnellen ließ.

Erschrocken sog sie die Luft ein. Doch ehe sie Benni überhaupt warnen konnte, stach Max auch schon zu.

Aber ins Leere.

Grob hatte sich Benni aus seinem Griff befreit, packte Max am Arm und zerbrach diesen wie einen Stock. Laura zuckte bei dem widerlichen, kracksenden Geräusch zusammen, während Max mit schmerzverzerrtem Gesicht zurücktaumelte und Benni rachesuchend anfunkelte.

„Verlier deine Mission nicht aus den Augen. Wir sind nur hierher gekommen, um diesen Nichtsnutz abzuholen.“, belehrte der andere Mann im schwarzen Umhang Max und hatte dabei eine erstaunlich streitschlichtende Position eingenommen.

Die immer noch vermummte Gestalt half Lukas auf die Beine und wies Max an, zu ihm zu kommen.

Aus dem Boden schoss eine Steinwand und schützte die drei in letzter Sekunde vor einem auf sie schnellenden Meteoritenhagel. Erschrocken zuckte Laura zusammen. Was war das denn gerade gewesen?!

Als die Steinwand wieder im Boden verschwunden war, richtete der Mann seine Aufmerksamkeit auf Konrad. „Du bist auf Rache aus, ist es nicht so?“ Laura konnte ein amüsiertes Lächeln unter dem Schatten der Kapuze erahnen. „Macht es dich nicht verrückt, den Mörder deiner Eltern vor dir zu sehen und nichts zu tun? Hast du nicht das Bedürfnis, ihm auf der Stelle, hier und jetzt, den Hals umzudrehen?“

Schaudernd stellte Laura fest, dass Konrad auf die Provokation reagierte. Seine roten Augen begannen bedrohlich zu flackern und eine petrole Aura umgab ihn. Sie loderte, wie zuvor das Feuer brannte. Wie ein Raubtier machte er sich angriffsbereit.

Die Gestalt lachte leise. „Komm schon, zeig ihm, wie viel sie dir bedeutet haben.“

„Konrad, lass es! Er ist es nicht wert!“ Rina packte ihren Verlobten am Ärmel seines Hemdes, um zu verhindern, dass er etwas Unüberlegtes machen würde.

„Wie kannst du das sagen?! Du weißt, was sie alles für uns getan haben! Welche Opfer sie aufgebracht haben, damit wir glücklich sein können!“

Rina nahm Konrads Gesicht zwischen die Hände und zwang ihn dazu, sie anzusehen. „Ich weiß, aber das verstehen sie ganz sicher nicht von glücklich. Du musst dich wieder beruhigen!“

Konrad richtete, bedrückt seufzend, den Blick auf den Boden. Kurz darauf verschwand das Lodern in seinen Augen und um seinen Körper wieder.

Die Gestalt schnaubte. Allerdings nicht verärgert, sie klang eher belustigt. „Das war ein Spaß mit euch. Mal sehen, was bei unserem nächsten Treffen alles passieren wird.“

Wieder entstand das orange-schwarze Portal und kaum waren die drei Männer verschwunden, löste es sich mit demselben Rauschen wieder auf.

Totenstille entstand nach dem Erlöschen des Portals.

„Nun gut, dann erklärt mal, was das zu bedeuten hat. Ihr alle.“, kommandierte Öznur die Anwesenden.

„Da gibt es nicht viel zu erklären.“, meinte Anne, „Wir haben die Arbeit gemacht und die Bösen beseitigt, während ihr seelenruhig geschlafen habt.“

Susanne schüttelte den Kopf. „Nicht ganz, der Radau hat schließlich auch uns aus dem Schlaf gerissen.“

„Nur, dass ihr dann auch keine sehr große Hilfe wart.“, kommentierte Anne.

„Hey, ich hab für euch das Feuer ausgeschaltet!“, verteidigte sich Öznur, auch wenn Laura nicht ganz verstand, wohin diese Diskussion führen sollte.

Sie war immer noch zu betroffen, dass sie Chip fast getötet hätte. Ausgerechnet Chip…

Öznur seufzte. „Na schön, zweite Frage: Wer waren diese Typen? Lauras Cousin kennen wir ja inzwischen alle, aber die beiden anderen…“

„Den im Umhang kennen wir auch nicht.“, antwortete Carsten, „Und der andere war Max, ein ehemaliger Freund von Benni. Zumindest, bis er Laura erschießen wollte und folglich zu mir an die Besserungsanstalt gekommen war.“

„Bitte was?!“, rief Ariane schockiert aus. „Du solltest unbedingt etwas an der Auswahl deiner Freunde ändern, wenn sie sogar Unschuldige töten wollen, eiskalter Engel.“

Öznur seufzte. „Irgendwie sind heute ziemlich viele in Mordstimmung.“

„Entschuldigt…“ Verkrampf hielt Konrad Rinas Hand. Er wirkte als würde er sich am liebsten sofort auf den Weg machen wollen, um Lukas noch aufzuspüren und zu töten. Auf brutalste Weise, wie Laura vermutete.

„Dafür musst du dich nicht entschuldigen.“, kam Janine zu Wort und erntete dafür geschockte Blicke von Ariane und Öznur.

Beschämt und schüchtern zuckte sie mit den Schultern. „Ich weiß, es mag grausam klingen, aber es ist immerhin unsere Aufgabe, Sünder hinzurichten. Lukas ist auf jeden Fall einer, das können hier inzwischen alle von uns bestätigen.“

„Ja, Ninie, das klingt grausam, besonders aus deinem Mund.“, mischte sich Ariane ein. „Hast du jemals jemanden getötet?!“

Schweigend wich Janine ihrem Blick aus.

Anne dagegen stöhnte genervt auf. „Ach Gott, musst du schon wieder damit anfangen? So schlimm ist das jetzt wirklich nicht.“

„Das sagt sich so leicht! Ich habe nun tausende und abertausende Unterweltler auf dem Gewissen!!! Und warum?!? Weil du gemeint hast, meine Licht-Energie würde sie vertreiben!!!“ Außer sich vor Wut zeigte Ariane auf Benni.

Laura zuckte bei ihrem aggressiven Ton zusammen. So hatte sie Ariane noch nie gehört.

Doch Benni erwiderte nichts.

Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Du…“

„Nane, bitte beruhige dich. Wir sind alle erschöpft und wegen dieses nächtlichen Besuches missgestimmt. Am besten, wir schlafen uns erst einmal in Ruhe aus und diskutieren morgen weiter, falls du dich damit besser fühlst.“, versuchte Susanne sie zu beruhigen.

Trotzig verschränkte Ariane die Arme vor der Brust. „Garantiert nicht. Wegen dem werde ich jetzt schlecht schlafen.“

Konrad seufzte. „Wir sollten jetzt wirklich gehen. Ich freue mich schon darauf, dem Senat das alles erklären zu müssen.“

Bemüht unbemerkt schielte Laura hinauf zur Decke. Das Loch zu Bennis geheimen Lüftungsschacht war wieder verschlossen, daher sagte sie besser nichts davon, um Benni nicht noch mehr zu verärgern.

Falls das überhaupt noch ging…

Laura stand auf, um dem Rest der Gruppe zurück zur Villa zu folgen. Wie bereits befürchtet erwiderte Benni sie dabei keines Blickes.

Bedrückt schaute Laura auf den dunklen Boden vor ihren Füßen und spürte ein Brennen in den Augen. Wie hatte es nur so weit kommen können…

Wieder im Gästezimmer angelangt warf sich Ariane buchstäblich in ihr Bett. Laura brauchte allerdings einige Zeit, um zu bemerken, dass sie nicht wieder schlief, wie es eigentlich sonst immer bei ihr der Fall war.

„Nane? Alles okay?“, erkundigte sich Laura besorgt.

Arianes Antwort ließ ungemütlich lange auf sich warten. „Hast du schon mal jemanden umgebracht?“, fragte sie schließlich mit schwacher Stimme.

Überrascht schüttelte Laura den Kopf. „Nein, wieso? Was ist eigentlich passiert, dass du vorhin so ausgerastet bist?“

„Diese Unterweltler… sie scheuen meine Energie, das stimmt schon. Aber auch nur deshalb, weil es sie tötet… So viele von ihnen sind heute Nacht durch meine Hand gestorben… Das…“

Dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen, schien es sie wirklich extrem zu belasten.

Lauras Herz wurde schwer. Ausgerechnet Ariane, die eigentlich immer so ein optimistischer Sonnenschein war…

Besorgt suchte sie nach einer Möglichkeit, wie sie Ariane helfen könnte. Doch sie fand keine. Wie konnte man jemandem bei solchen Gewissensbissen beruhigen können?

Wie konnte man jemanden trösten, der etwas getan hatte, was so sehr gegen die Moralvorstellungen sprach?!

Dabei war es ja noch nicht einmal beabsichtigt gewesen! Ariane hatte das nicht gewollt! 

Laura schluckte schwer, erinnerte sich gezwungenermaßen an ihren eigenen Zwischenfall mit Chip. Und sie hatte sogar noch Glück gehabt, dass Benni seinen kleinen Freund hatte retten können…

„Wenn…“, setzte sie an, ohne wirklich zu wissen, was sie sagen sollte. Was in so einer Situation überhaupt helfen könnte… „Wenn du irgendwie was brauchst… ich bin für dich da.“

„… Danke…“

Es war kalt.

Eisig kalt.

Laura fragte sich, warum sie keine Jacke angezogen hatte, obwohl sie doch am ganzen Körper schlotterte.

Der Wind, der ihr entgegenkam war auch nicht gerade wärmer. Und die Bäume boten noch nicht mal einen Windschatten.

Planlos ging sie durch den weglosen Wald, bis sie an eine kleine Lichtung kam.

„Benni!!!“, rief sie begeistert und rannte auf ihn zu. Er hielt eine Jacke in den Armen.

Als sie ihm näher kam, drehte er sich zu ihr um.

Wie vom Donner gerührt, blieb Laura stehen.

In der Jacke befand sich ein kleines Eichhörnchen, die Augen geschlossen, als würde es schlafen.

„Du hast ihn getötet.“

Es war Bennis Stimme, doch sie kam nicht aus seinem Mund.

Anklagend kam sie aus jedem Baum, aus jedem Blatt, aus jedem Grashalm. Ein Echo der Schuld, was über die ganze Lichtung, durch den gesamten Wald hallte.

„Benni, ich- es tut mir...”

Laura hielt sich die Ohren zu. Sie konnte das nicht hören. Sie konnte das nicht ertragen!

„Es tut mir Leid! Es tut mir so Leid!!!”

Doch es brachte nichts. Es hatte keinen Sinn. So sehr sie auch schrie, sie konnte diese Anklage nicht übertönen. Ihre Reue war bedeutungslos im Angesicht dessen, was geschehen war.

„Benni, bitte!!! Ich wollte das nicht!!!“

Ihre Stimme wurde heiser, ihre Kehle schmerzte von ihren verzweifelten Schreien.

Tränen brannten sich über ihre Wangen. Irgendetwas oder jemand drückte ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht mehr atmen. Sie bekam keine Luft!

„Benni!!!“

Schwer atmend schreckte Laura aus dem Schlaf. Sie verschluckte sich und wurde von einem schmerzhaften Husten übermannt.

„Okay, okay, ich schmeiß dich nicht aus dem Bett. Kein Grund direkt zu sterben.“, wehrte Anne ab.

Laura räusperte sich, versuchte den Husten irgendwie einzudämmen. Immer noch keuchend sah sie sich um.

Es war noch dunkel… Wie spät es wohl war?

Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie sich in Spirit befand, der Region ohne Licht.

Erschrocken zuckte Laura zusammen, als sie Ariane aufschreien hörte.

Nun doch ziemlich gereizt stapfte Anne zur Tür. „Beruhigt euch, ich wollte euch nur wecken. Ihr müsst ja nicht gleich deswegen rumschreien.“

Sich erneut räuspernd rieb sich Laura ihren Hals. Er fühlte sich wie ausgetrocknet an und bei dem schmerzhaften Kratzen war alleine das Atmen bereits eine Zumutung.

Verwirrt rieb sich Ariane den Schlaf aus den Augen. „… Was ist denn los?“

„Alles in Ordnung?“, fragte Laura besorgt nach und wischte sich den Schweiß aus dem Nacken.

Ariane seufzte. „In Ordnung ist wohl relativ… Ich habe wohl wegen dem gestern schlecht geträumt.“

Laura schlang die Arme um die angezogenen Beine. „Da bist du nicht die Einzige.“

„Ach deswegen ist Anne so ausgerastet.“, stellte Ariane fest, sagte allerdings nichts Weiteres dazu.

Ein unangenehmes Schweigen entstand.

Laura überlegte, ob sie Ariane fragen sollte, ob sie mit ihr darüber reden wolle. Doch irgendwie wirkte sie nicht so als wäre ihr nach reden zumute.

… Vielleicht war es ja noch zu frisch? Vielleicht brauchte Ariane erst einmal Zeit für sich selbst, bevor sie für so etwas bereit war?

Bedrückt atmete Laura aus und zog die Beine an. „Du weißt… falls du reden willst…“

Sie biss sich auf die Unterlippe. Was anderes fiel ihr nicht ein?! Nur diese Standardfloskel?! Noch nicht einmal in solchen Situationen schaffte sie es, für jemanden da zu sein und zu helfen?!

… Sie war wirklich zu nichts zu gebrauchen…

Wie erwartet antwortete Ariane nichts darauf.

Das Schweigen wurde erst unterbrochen, als jemand gegen die Tür klopfte. „Das Frühstück ist bereits aufgetischt, junge Damen. Ihr könnt euch in den Speisesaal begeben.“, berichtete ihnen der Butler Edward.

Doch nicht einmal diese Worte führten zu der von Ariane gewohnten begeisterten Reaktion, die sie normalerweise zeigte, wenn es ums Essen ging.

Die Stimmung am Esstisch war zwar immer noch bedrückend, aber längst nicht so angespannt wie letzte Nacht. Laura fiel allerdings auf, mit wie viel Perfektion Ariane an das Beschmieren ihres Nutellabrotes ging. Sie nahm zwar keine Butter, aber dafür war die Nutellaschicht eben und komplett lückenfrei.

Susanne seufzte. „Wenn du dich nur genauso für die Schule bemühen würdest…“

„Gutes Essen ist wichtiger.“, erwiderte Ariane daraufhin und bis von ihrem Brot ab. Dennoch war der matte Tonfall ihrer Stimme nicht zu überhören. Laura bemerkte, wie auch Carsten sie besorgt musterte. Er schien etwas sagen zu wollen, schwieg allerdings.

„Warum habt ihr eigentlich normale Lebensmittel? Ich meine… ernähren sich Vampire nicht von… Blut?“, fragte stattdessen Öznur zögernd und betrachtete die Tafel, vollkommen bedeckt mit typischem Menschen-Frühstück.

Rina lachte. „Keine Angst, wir essen euch schon nicht auf. Um in Frieden mit Menschen leben zu können wurde eine blutähnliche Substanz entwickelt. Die schmeckt aber nach nichts, deshalb ist das Zeug, das ihr Menschen esst, eine nette Abwechslung.“

Öznur atmete auf. „Das erklärt also, warum bisher noch niemand von uns an Blutarmut zusammengebrochen ist.“

„Kaum zu glauben, dass Chemie zu was Nutze sein kann, nicht wahr?“, stichelte Anne ihre Freundin mit einem sarkastischen Tonfall. „Immerhin braucht man diesen Scheiß später doch überhaupt nicht mehr.“

„Hey!“, rief Öznur empört aus, „Nur weil ich damit nichts anfangen kann, heißt das nicht, dass ich Chemie für komplett nutzlos halte!“

„Deine Kommentare in der Schule klingen aber ganz anders.“, widersprach Anne ihr mit leichter Belustigung, woraufhin Öznur grummelte: „Ich habe halt auch anderes mit meinem Leben vor, als die Nase nur in Bücher zu stecken oder im Fitnessraum mein zweites Zuhause einzurichten.“

Nach einer Weile, in welcher sich der Großteil wieder seines Essens gewidmet hatte, meinte Konrad schließlich: „Nun gut, ich sehe euch an, dass ihr noch Fragen habt. Wir sollten das alles am besten hier und jetzt klären und nicht zwischen Tür und Angel, wenn ihr euch auf die Weiterreise begebt.“

„Gute Idee! Also was ich wissen wollte, was genau passiert eigentlich nach diesem Ritual für die Dämonenform?“, begann Öznur.

Konrad überlegte. „Das ist schwer zu beschreiben… Ihr fühlt euch… anders. Stärker, um genau zu sein.“

„Weißt du, welche Fähigkeiten wir dann bekommen werden?“, erkundigte sich Janine neugierig.

Konrad zuckte mit den Schultern. „Das ist von Dämon zu Dämon unterschiedlich. Eagle und ich können zum Beispiel fliegen. Keine Ahnung, was da bei euch rausspringt. Das hängt sehr stark von eurem Dämon und eurer Persönlichkeit ab. Eine Sache haben wir aber alle gemeinsam: Wir können nahezu uneingeschränkt auf die Energiereserven unseres Dämons zurückgreifen.“

„Das heißt also, dass sowas wie gestern, als Ariane schwächelte, nicht mehr passieren wird.“, stellte Anne fest. Aus den Augenwinkeln bemerkte Laura, wie Ariane ihr Frühstücksbrot auf den Teller legte als sei ihr der Appetit vergangen.

Konrad nickte. „Ihr habt nicht endlos viel Energie zur Verfügung, aber schon eine beachtliche Menge. Kritischer dabei ist eher, dass euer Körper eine zu große Menge an Energie nicht wird aushalten können. Tatsächlich gab es sogar mal einen Dämonenbesitzer, der sich selbst umgebracht hat, weil sein Körper der freigesetzten Menge an Energie nicht mehr hat standhalten können.“

Laura schauderte. Sie hatte doch jetzt schon gelegentlich Probleme, ihre Energie unter Kontrolle zu halten. Und sowas könnte sie sogar das Leben kosten?!

Warnend hob Rina den Zeigefinger. „Außerdem ihr müsst auch viel stärker auf euch und eure Emotionen aufpassen. Ihr seht, was vor einigen Stunden beinahe geschehen wäre. Mehr Macht, größere Bürde. Das ist so ziemlich das größte Opfer, das ihr bringen müsst.“

Laura schluckte schwer. „Das ist auch schon hart genug…“

„Und das Ritual an sich? Wie läuft das ab?“, fragte Anne weiter.

„Dabei handelt es sich um eine Prüfung, die ihr bestehen müsst. Doch die ist auch von Dämon zu Dämon unterschiedlich.“

„Na super, eine Prüfung. Das war ja klar.“, kommentierte Öznur wenig begeistert.

„Ach, aber vielleicht wäre es sinnvoll für euch zu wissen, dass ihr für diese Prüfung in den für euren Dämon errichteten Schrein müsst. Nur dort kann sie abgelegt werden und sie kann ziemlich zeitfressend werden, also nichts für zwischendurch.“

„Was war denn deine Prüfung?“, wollte Janine zögernd wissen.

„Das mein ich mit zeitfressend.“, erzählte Konrad lachend, „Ich musste eine Zeit lang ohne Blut auskommen und stattdessen anderen mit meiner Blut-Energie helfen. Das war so nervenaufreibend! Wobei die Zeit im Schrein und die der realen Welt auch unterschiedlich schnell verlaufen können. Bei mir war es etwa ein Monat, doch in der ‚Wirklichkeit‘ sind nur drei Stunden vergangen.“

„Aber dafür ist er jetzt ziemlich abgehärtet, wenn er mal durstig wird.“, meinte Rina belustigt.

Seufzend nickte Konrad. „Das ist das tragische an der Sache. Ihr werdet vermutlich irgendetwas machen müssen, das gegen euren eigentlichen Charakter spricht und um es zu perfektionieren ist es dann auch noch zu eurem Besten.“

Ariane schnaubte. „Nach dem, was gestern passiert ist, müsste ich meine Dämonenform eigentlich schon haben.“

Öznur lachte auf. „Du musst garantiert eine Zeit lang ohne gutes Essen auskommen.“

„Das find ich nicht lustig.“, erwiderte Ariane, klang allerdings nach wie vor viel zu bedrückt, als dass man es wirklich als spaßige Diskussion übers Essen hätte betrachten können.

Besorgt biss sich Laura auf die Unterlippe und tauschte mehr instinktiv als bewusst einen Blick mit Carsten aus, der ihren Zustand scheinbar genauso besorgniserregend fand wie sie selbst.

„Ach ja genau, das habe ich immer noch nicht verstanden.“, lenkte Öznur ein, „Wir sind also keine richtigen Menschen mehr, wenn wir die Dämonenform haben, sondern Halbdämonen?“

Konrad nickte. „Du hast es doch verstanden.“

Janine schauderte. „Das ist irgendwie unheimlich.“

Doch Lissi klopfte ihr hinter Susannes Rücken auf die Schulter. „Ach Unsinn, Ninie, du siehst das alles viel zu beschränkt. Wir werden dann nämlich zu verführerischen Halbdämoninnen, kannst du dir das vorstellen? Hach, traumhaft.“

„Wie kommt es eigentlich, dass du immer total ruhig bist und dann so einen Kommentar von dir gibst?“, erkundigte sich Laura misstrauisch.

„Halbdämoninnen… Gibt’s das Wort überhaupt?“, beschäftigte sich Öznur auf eine etwas andere Art mit Lissis Kommentar.

Anne zuckte mit den Schultern. „Und selbst wenn’s ein Neologismus ist. Wär doch voll die Diskriminierung, wenn es Halbdämon nur im männlichen Geschlecht gäbe.“

Öznur seufzte. „Klar, dass das von dir kommen muss.“

„Wenn wir noch weitere Fragen haben, sollten wir sie am besten jetzt noch stellen. Wir müssten dann nämlich noch weiter.“, erinnerte Susanne wieder an das eigentliche Thema.

„Ja, ich will noch was wissen.“, meldete sich Öznur erneut. „Der kleine Junge, Johannes, ist der nicht auch schon ein Halbdämon?“

Konrad nickte.

„Wie will er denn jetzt schon die Prüfung bestanden haben?“

„Dämonen können selbst bestimmen, ob sie ihrem Besitzer die Macht geben. Eine Prüfung ist zwar dazu da, um herauszufinden, ob dieser Besitzer auch seiner würdig ist, aber sie ist nicht unbedingt erforderlich. Ich denke, Johannes hatte das Glück, dass er die Dämonenform einfach so vom Dämon erhalten hat. Aber das müsst ihr schon ihn selbst fragen.“, meinte Konrad.

„Ich habe auch noch eine Frage… Aber nicht direkt zur Dämonenform…“, kam Janine zaghaft zu Wort. „Weißt du etwas über die Verfolgung der Dämonenverbundenen?“

Konrad runzelte die Stirn. „Stimmt ja, du kommst aus Mur, da ist es sinnvoll, darüber Bescheid zu wissen. Diese Jagd nach Dämonenbesitzern müsstet ihr eigentlich in der Schule irgendwann einmal als Thema haben… Aber den Unterrichtsthemen in Geschichte kann man nicht wirklich trauen. Das sieht man ja schon an unserem anonymen Gegenspieler. Es gibt auch noch mehr Sachen, die ihr zu hören bekommen werdet, die aber totaler Humbug sind. Da traut man lieber den Zeitzeugen.“

„Zum Beispiel dir?“, scherzte Öznur.

Konrad zuckte grinsend mit den Schultern. „Ich bin 223. Aber zu der Zeit des magischen Krieges lebte ich noch in der Unterwelt, da ist Eufelia sinnvoller.“

„Wie alt ist die denn?“, erkundigte sich Anne misstrauisch.

Rina hob mahnend den Zeigefinger. „Eine Dame fragt man nicht nach ihrem Alter.“, scherzte sie.

„Aber die Verfolgung müsstest du doch miterlebt haben.“, stellte Carsten fest. „Immerhin war sie etwa zu der Zeit zu Ende, als Benni schon auf der Welt war und ihr ihn betreut habt.“

Konrad nickte seufzend. Der bedrückte Ausdruck, der sich auf seinem Gesicht zeigte, machte mehr als deutlich, dass diese Dämonenverfolgung mindestens genauso schlimm gewesen ist, wie sich die Mädchen diese Zeit vorstellten. Vermutlich sogar schlimmer, als sie sich jemals vorzustellen wagten… „Ja, Florian und ich waren mit einigen anderen leider ganz schön darin verwickelt. Ich hatte das Glück, das sich auch Menschen mit antiker Begabung nur ungern einem Vampir nähern. Aber unter den Menschen gab es nur einen Überlebenden, der rechtzeitig vom Dämon verlassen wurde und ins Exil geflohen ist.“

Öznur runzelte die Stirn. „Das hat der Direktor auch schon erwähnt gehabt. Angeblich war dieses Mädchen noch ganz klein, als das alles passiert ist… Ist das nicht etwas pervers?“

„Hey, auch ich kam kurz nach meiner Geburt in den Besitz meines Dämons. Das ist ganz normal, damit sich der Betroffene schon von klein auf an die Macht gewöhnt, die man mit sich trägt.“, warf Anne ein.

„Das stimmt. Benni wurde auch vom Schwarzen Löwen gesegnet, als er erst etwa zehn Minuten alt war.“, gab Carsten ihr Recht.

Missbilligend stand Benni auf und verließ den Speisesaal.

Verwirrt schaute Laura ihm nach. „Was ist denn los?“

Natürlich bekam sie auf ihre Frage von niemandem eine Antwort, aber sie konnte es sich schon denken.

Stattdessen versuchte Öznur erfolgreich wieder zurück zum Thema zu kommen. „Aber was ist denn da passiert? Beziehungsweise, wie haben es ‚normale‘ Menschen geschafft, die Dämonenbesitzer einfach so auszuschalten? Immerhin müssten wir ihnen doch bei weitem überlegen sein.“

Konrad verschränkte die Finger und wies zur Tür, aus der Benni vor kurzem nach draußen gegangen war. „Benni ist ein gutes Beispiel: Auch im Alleingang ist er so ziemlich unschlagbar. Das Geheimnis ist, dass er den wenigsten traut und seine Schwächen nicht Preis gibt.“

„Der eiskalte Engel hat Schwächen?“, fragte Ariane kritisch.

„Da siehst du es. Man erwartet es noch nicht einmal von ihm. Aber so verschlossen wie Benni ist sonst eigentlich niemand. Die Menschen haben alle Schwächen der früheren Dämonenbesitzer ausgenutzt, die sie finden konnten. Oft haben sie dazu die Menschen benutzt, die ihnen nahestanden. Aus Angst, man könnte hineingezogen werden, haben sich auf einmal Familienmitglieder und gute Freunde gegen einen gestellt und am Ende kämpfte man alleine gegen die Welt. Noch nicht einmal auf die anderen Dämonenbesitzer haben sie vertraut. Und so kam es, wie es kommen musste…“

„Dich lässt das alles ganz schön kalt.“, stellte Anne kritisch fest.

Konrad schüttelte betrübt den Kopf. „Meine Schwächen haben die Menschen auch gnadenlos ausgenutzt. Glaubt mir, ich hätte den anderen nur zu gerne geholfen, aber im Sonnenlicht bin ich… bald gebraten… und nur nachts kann ich auch nicht mal schnell in eine andere Region, ohne in Gefahr zu laufen, beim Sonnenaufgang nicht zurück zu können. Dieses Risiko ist zu hoch. Florian war da etwas aktiver…“

Da Konrad eine längere Zeit schwieg, drängte schließlich Öznur: „Jetzt sag schon!“

Er seufzte. „Dieses Mädchen, das von den Direktoren eurer Schule in Sicherheit gebracht wurde, stand zu dem Zeitpunkt bereits im Visier der Jäger. Florian hat schließlich die Aufmerksamkeit auf sich gezogen und damit verhindert, dass… schlimmeres geschieht.“

„Er war die Zielscheibe?“, fragte Janine erschrocken.

„Aber es kann doch nicht sein, dass sich auf einmal alle Welt auf diesen schwächlich aussehenden Elb konzentriert.“, sinnierte Anne mit einem Hauch Spott, den sie wohl nie lassen konnte.

Konrad lachte leicht amüsiert auf. „In der Tat hätte ich das auch nicht erwartet, aber ihm ist das ganz schön gut gelungen. Da hat sich seine Position als damals noch potenzieller Hauptmann ausgezahlt. Eine Kriegserklärung von Ivory konnte vermutlich keiner gebrauchen, besonders wenn sie auch noch von Spirit unterstütz wurden. Das Einzige, wozu ich mal gut sein konnte.“

„Aber sie haben ihn erwischt…“, folgerte Carsten mitfühlend.

„Leider.“, bestätigte Konrad seinen Gedankengang betrübt. „Florian versucht zwar nicht verallgemeinernd zu sein, aber seitdem meidet er die Menschen so gut es geht.“

Anne stützte ihren Kopf auf die Fäuste. „Das ist hart.“

Ungläubig sahen die Mädchen sie an. Was hatte Anne gesagt?!? In Verbindung mit einem Jungen?!?

„Aber dafür ist dem Mädchen nichts passiert?“, erkundigte sich Janine hoffnungsvoll.

Konrad nickte. „Auch sie bekam kurz vor dem Verlassen des Dämons die Dämonenform. Das ist auch noch eine interessante Sache, von der wir zuvor nichts wussten, da der Dämon einen normalerweise bis an das Lebensende begleitet. Aber bei der Dämonenform bleibt der Teil der Energie bestehen, die ihr auch jetzt schon ohne diese Form nutzen könnt. Dadurch müsste sie zu einem Viertel auch noch Dämon sein.“

Erschöpft atmete Öznur aus. „Okay, das sind jetzt echt genug Informationen. Ich kann nicht mehr.“

Konrad lachte auf. „Das kann ich nur zu gut verstehen. Falls ihr sonst noch etwas wissen wollt, wendet euch ruhig an Flo, Eagle, Eufelia oder mich. Wir werden euren Fragen ein offenes Ohr schenken.“

„Das ist sehr freundlich, vielen Dank.“, sagte Susanne, doch Konrad winkte ab. „Je besser wir untereinander auskommen, desto mehr Beistand leisten wir einander. Glaubt mir, Loyalität und Vertrauen sind eigentlich die wichtigsten Attribute eines Dämonenverbundenen. Jedenfalls dann, wenn auf einmal jeder gegen einen zu sein scheint.“

Inzwischen waren so gut wie alle fertig mit dem Essen. Nur ausgerechnet Ariane hatte sogar einen Rest gelassen, wie Laura besorgt feststellte.

Erneut überlegte sie, ob sie irgendwie doch mal mit ihr reden sollte. Und erneut entschied sie sich dafür, Ariane ihren Freiraum zu lassen.

Kurz darauf waren sie auch schon auf ihren Zimmern gewesen, um das Gepäck einzusammeln, um die nächste Station abzuklappern.

Nach einer etwas längeren Verabschiedung von Konrad und Rina verließ die Gruppe auch schon wieder die Villa des humorvollen Vampirs und trat nach außen, in das dunkle Reich der Vampire.

Wie immer bildeten sie einen Kreis und ließen sich von Carsten zurück in die Welt des Lichtes teleportieren. Nach Terra, um genau zu sein, die letzte Region mit einem ihnen unbekannten Dämonenbesitzer.

Angestrengt kniff Laura die Augen zusammen. Wieso ist es plötzlich so hell?!

„Aaaaaaaaaaaaah, Licht! Sonne! Wie sehr ich euch vermisst habe!“, rief Ariane begeistert und breitete die Arme aus als wollte sie ihr heiß geliebtes Licht in sich aufnehmen. Der Ortswechsel schien ihr gut zu tun und das Licht half offensichtlich, ihre trübe Stimmung endlich wieder aufhellen zu lassen.

Auf Carsten wiederum hatte dieser Ort den genau gegenteiligen Effekt. Eingeschüchtert schaute er sich um und versuchte erfolglos, ein Schaudern zu unterdrücken.

„Du musst nicht mitkommen, wenn es dir unangenehm ist.“, meinte Susanne mitleidig, doch Carsten schüttelte den Kopf. „Ich werde es schon überleben…“

„Pff, na viel Glück.“, murmelte Anne sarkastisch und fies.

Immerhin trat Öznur ihr auf den Fuß, was mehr Wirkung als ein Rippenstoß zeigte, da sie Schuhe mit Absätzen trug.

„Okay und wen oder was suchen wir jetzt?“ Suchend schaute sich Laura um.

„Das Rathaus. Dort werden alle wichtigen Unterlagen untergebracht, also sollten wir auch dort anfangen zu suchen.“, meinte Carsten und klang immer noch extrem angespannt.

Anne schnaubte. „Die Regierung von Terra ist der letzte Schrott, ich will da nicht hin.“

„Aber besonders du und Laura müsst mitkommen.“, warf Susanne ein. „Ihr denkt doch nicht wirklich, dass diese Leute einer Gruppe dahergelaufener Jugendlicher trauen würden? Da ist uns euer Status sehr von Nutzen.“

„Ist Terra nicht eine der Regionen, die besonders begeistert von der Verfolgung der Dämonenverbundenen war?“, erkundigte sich Janine schaudernd und erinnerte an das Gespräch mit Konrad.

„Was wollen die denn gegen so einen Haufen Dämonenverbundene ausrichten? Gerade mal fünf von uns haben gereicht, um die ganzen Unterweltler auszuschalten. Sollte es zu einem Kampf kommen, brauchen wir nichts zu befürchten.“, meinte Öznur, auf deren Worte ein Zusammenzucken von Ariane folgte.

„Özi!“, rief Laura verärgert aus. Das hätte doch jetzt echt nicht sein müssen!

Anne schlug Ariane auf die Schulter und stieß sie etwas in Richtung Stadtmitte. „Keine Sorge, früher oder später wirst du wieder kämpfen müssen. Ob du es willst, oder nicht. Das ist bei unserem Auftrag schon vorprogrammiert.“

Seufzend senkte Ariane den Kopf, während Laura Anne wütend anfunkelte.

Sie hasste es, ihre Zimmergenossin so sehen zu müssen. Es tat ihr im Herzen weh, dass ausgerechnet Ariane nun unter den Folgen dieses Angriffs am meisten leiden musste.

Laura verkörperte die Finsternis! Es war ihre Aufgabe, Trübsal zu blasen. Nicht Arianes!

Laura war zwar alles andere als gut im Aufheitern, hakte sich aber dennoch zögerlich bei Ariane unter und schaffte es damit zumindest, ihr ein schwaches Lächeln zu entlocken.

Gemeinsam schlenderten sie in einem angenehmen Gangtempo zu dem sogenannten ‚Zentralplatz‘, wo das Rathaus lag. Inzwischen war es Mittagszeit und obwohl alle Läden geschlossen und die Schaufenster vergittert waren, hielt nach wenigen Metern eins der Mädchen an, um die ausgestellten Kleidungs- oder Schmuckstücke zu betrachten.

„Wenn wir das Zeug im Rathaus hinter uns haben, müssen wir unbedingt nochmal hierher kommen. Ich brauche auf jeden Fall diese rote Lederjacke!“, meinte Öznur, die Nase gegen ein Schaufenster gedrückt.

„Und ich diese heißen Stilettos! Oh, hoffentlich haben die meine Größe!“, kam Lissis Stimme, etwas weiter entfernt.

Seufzend wandte sich Janine von dem Schaufenster eines Schmuckladens ab.

„Was ist denn, Ninie?“, fragte Ariane, doch Janine winkte ab. „Nichts, nichts.“

„Sicher?“, hakte Öznur besorgt nach.

 „Es ist wirklich nichts, lasst uns einfach weitergehen.“, bat Janine. Laura und Ariane tauschten einen kurzen Blick aus. Sie waren sich ziemlich sicher, dass Janines bedrückte Stimmung mit dem Umstand zu tun hatte, dass sie sich das, was auch immer sie da im Schaufenster gesehen hatte, nie und nimmer würde leisten können.

Nach weiteren fünfzig Läden und etwa der doppelten Anzahl von Schaufenstern kamen sie auf einen großen Platz, dessen Rand von Hotels, Cafés und Restaurants hochrangiger Sterne gesäumt wurde. In der Mitte hob sich eine Säule in den von schwarzen Wolken gezierten Himmel, auf deren Spitze eine Statue eines gesichtslosen Soldaten stand.

Die Gruppe steuerte auf die nicht von Läden besetzte Seite zu. Dort stand ein riesiger Wolkenkratzer mit mindestens sechzig Stockwerken.

Ungläubig starrte Ariane an dem Steinklotz hoch, die Enttäuschung in ihrer Stimme ließ sich nicht verbergen. „Das ist das Rathaus?“

Carsten nickte. „Nicht das, das man sich unter einem Rathaus vorstellen würde, oder?“

„Ich habe es mir tatsächlich etwas altertümlicher erhofft.“, gestand Ariane. „Terra wird immer dämlicher.“

Öznur lachte auf. „Wie du willst, wir müssen da jetzt trotzdem rein.“

Und so betraten sie das futurisierte Rathaus.

Es war wirklich von Vorteil, dass Laura und Anne einiges in der gehobenen Gesellschaft zu sagen hatten, selbst wenn sie noch minderjährig waren.

So musste die schnippische, ältere Dame am Empfangsschalter dem Wunsch der Gruppe nachgehen, nachdem sich Anne ausgewiesen und eine sehr beeindruckend souveräne Diskussion geführt hatte, ohne dabei ihr eigentliches Ziel zu verraten.

Sie wurden in den Abteil 3075 verwiesen, den Bereich für die Akten Terras.

Mit einem Science Fiction ähnlichen Aufzug fuhren sie in die dreißigste Etage. Alle, außer Benni, der eine gewisse Abneigung für Elektronik zeigte und die Treppe bevorzugte. Dennoch war er vor den anderen oben angekommen und wirkte kein bisschen so, als wäre er gerade dreißig Stockwerke in übermenschlichem Tempo hochgelaufen.

Das Büro Nummer 75, welches sie betraten, gab dem Zukunftstraum einen piepsenden und glänzenden Schlussstrich. Es konnte sich vor Elektronik kaum retten und die kleinen Stellen, die von Technik verschont blieben, hatten die weiße Farbe eines Krankenhauses.

An dem einzigen realistischen Gegenstand in diesem Raum, dem Tisch, saß ein Mann Mitte fünfzig auf einem Hightech-Stuhl, der die Gruppe misstrauischen Blickes über seine Nerdbrillengläser hinweg ansah.

„Sie wurden bereits gemeldet. Also, wie kann ich den verehrten, jungen Herrschaften behilflich sein?“, fragte er mit einer schaurig krächzenden Stimme.

Carsten ergriff als erster das Wort. „Wir suchen den Dämonenbesitzer aus Terra.“

Als der ältere Mann lächelte, entblößte er eine ungepflegte Zahnreihe. „Welch Wunder, Carsten Crow Bialek. Ich dachte, Ihr hättet, seit Eurer sensationellen Aufnahme an der Coeur-Academy Terra auf ewig den Rücken gekehrt.“

Zwar erwiderte Carsten nichts auf die spöttische Aussage des Mannes, doch Laura spürte, wie sich seine Muskeln anspannten, als würde er an etwas sehr Unangenehmes erinnert werden.

Etwas wie das FESJ.

„Wer ist der Dämonenbesitzer eurer Region?“, wiederholte sich Carsten. Ein Hauch angespannter Aggression schwang in seiner Stimme mit, was gar nicht zu dem lebensfrohen Jungen passte, den sie kannte. Laura überkam ein Frösteln. Carsten schien Terra tatsächlich zu verabscheuen.

„Ich bedaure sehr, doch diese Informationen sind streng vertraulich. Ich kann keinen dahergelaufenen Kindern verraten, wer Terras Dämon besitzt. Noch nicht einmal Ihnen, Prinzessinnen Lenz und Ludwig und Prinz Bialek.“

Es war offensichtlich, wie Carsten bei der Anrede des Mannes begann, sich noch unwohler in seiner Haut zu fühlen als zuvor schon. Wie auch immer das überhaupt noch möglich war. Auch wenn in seinen Adern Herrschaftsblut floss, galt er nie wirklich als ein Prinz.

Erstaunlicher Weise löste Anne ihn ab. Sie war es immerhin gewohnt, als Prinzessin behandelt zu werden und erwartete daher auch, dass man ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Diese ‚Befehlsverweigerung‘ schien sie wohl provoziert zu haben. „Dann verraten Sie es uns jedenfalls als Dämonenbesitzer, die auf der Suche ihres ‚Partners‘ sind.“, zischte sie.

Laura merkte, wie Benni ihr einen warnenden Blick zuwarf. Doch dafür war es schon zu spät.

Die Schlitzaugen des Mannes weiteten sich mit begierigem Leuchten. „Beweist es mir.“

Immerhin wirkte er nicht mehr so reserviert wie zuvor, dafür nun eher unheimlich.

 „Wie denn?“, erkundigte sich Susanne zögernd.

Ein gehässiges Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, das für die Nichtsahnenden beinahe freundlich erscheinen könnte. „Wenn Sie wahre Dämonenbesitzer sind, dann lassen Sie sich etwas einfallen.“

Planlos tauschten die Dämonenbesitzerinnen Blicke aus. Öznur war schließlich die Erste, die vortrat.

Sie sagte nichts und sie bewegte sich nicht und trotzdem leuchteten ihre blauen Augen rot auf. Zur selben Zeit loderten vor Macht pulsierende Flammen um ihren Körper, die sich ebenso schnell auflösten, wie sie entstanden. Öznur kicherte. „Das wollte ich schon immer mal ausprobieren.“

Der Mann nickte, halbwegs überzeugt. Wie bei dem Fotografen meinte er. „Gut, gut. Die Nächste, bitte.“

Lissi stolzierte vor und machte eine unnötige Pose. Ein klar-blauer Wasserstrahl schoss aus der weißen Fliese unter ihr, wand sich spiralförmig um sie herum und verschwand ebenso schnell, wie Öznurs Flammen. Provokant zwinkerte Lissi dem alten Mann zu, der ihren Blick mit den Augenbrauen wackelnd erwiderte.

Erhobenen Hauptes warf sie die Haare zurück und stellte sich neben Öznur, während einige der Mädchen einen Brechreiz unterdrücken mussten.

Mit einem entnervten Blick in Lissis Richtung trat Anne vor den Mann. Sand rieselte von der Decke auf die Köpfe der Anwesenden. Lissi quiekte auf und schüttelte sich den Sand aus den schwarzen Haaren, doch dieser war bereits verschwunden.

Stolz stellte sich Anne an Öznurs andere Seite und Ariane nahm ihren Platz ein. Laura merkte, wie unwohl sie sich fühlte, nun ihre Licht-Energie einsetzen zu müssen. Jene Energie, die tausenden Unterweltlern das Leben gekostet hatte…

Doch Ariane überspielte es gekonnt. Sie setzte ein Grinsen auf. „Seht und staunt, aber höchstwahrscheinlich werdet ihr gar nicht dazu kommen, etwas zu sehen.“ Mit diesen Worten tauchte sie den Raum in ein blendendes Licht.

Schützend hoben die anderen die Hände vor die Augen, bis Ariane brüllte: „Verdammt noch mal, jetzt habt ihr alles verpasst!“

Blinzelnd vergewisserte sich Laura, dass Arianes Licht tatsächlich weg war. Empört schnaubte diese. „Jetzt habt ihr verpasst, wie ich die Decke hochgeklettert bin, einen Salto gemacht hab, mit einer Schraube aus dem Fenster gesprungen bin, dabei ein Baby vom Baum gerettet hab und drauf und dran war, einer Katze ihren Erdbeer-Kirsch-Lolly zu mopsen. Immerhin hatte der Zuckerstreusel!“

„Wie hast du es geschafft, aus dem dreißigsten Stock zu springen und noch am Leben zu sein? Wie kommt ein Baby auf einen Baum? Und was hat ein Baum in Terra zu suchen?“, fragte Laura. „Und wie konntest du das alles in so kurzer Zeit machen?“

„Tja, weil-“, wollte Ariane antworten, doch der alte Mann unterbrach sie. „Okay, ich glaube, Sie haben genug bewiesen. Die Nächste bitte.“

Gemeinsam traten Susanne und Janine vor. „Das Problem ist, unsere Energien kann man nicht sehen.“, ergriff Susanne das Wort.

„Ich kann Sie natürlich ver- und entgiften.“, schlug Janine vor.

„Und ich ent/-heile Sie.“, ergänzte Susanne.

Abwehrend hob der Mann die Hände. „Schon gut, schon gut, Sie sehen wie ehrliche, junge Damen aus, ich vertraue Ihnen beiden einfach mal.“ Die beiden ehrlichen, jungen Damen gesellten sich zu Susannes Schwester.

Der Mann warf einen kritischen Blick auf Laura. „Und Sie, Prinzessin?“

Nervös trat Laura von einem Fuß auf den anderen. „Das Problem ist, ich äh… ich… kann meine Kraft nicht… kontrollieren…“

Carsten gab ihr einen sanften Schubs, der Laura nach vorne stolpern ließ. „Keine Sorge, falls etwas passiert wird Benni schon eingreifen.“, ermutigte er sie.

Garantiert nicht… Laura warf einen flüchtigen Blick auf Benni, der ihr allerdings nicht dazu verhalf, irgendetwas an seiner Mimik erkennen zu können. Aber Benni war immer noch sauer auf sie, ganz sicher. Immerhin hatte sie Chip fast…

Laura atmete tief durch, um sich erfolglos von ihren Sorgen zu befreien und versuchte sich auf die Macht, die in ihrem Inneren schlummerte, zu konzentrieren.

Doch ohne Erfolg.

Sie startete noch einen Versuch.

Wieder nichts.

Und wieder.

Und noch einmal.

Und dann, plötzlich, spürte Laura ein Kitzeln in der Nase.

Mit einem brüllenden Niesen explodierte die Macht ihrer Energie. Finstere Nebelschlieren breiten sich auf Augenhöhe der Anwesenden aus und nahmen ihnen jegliche Sicht.

Schwindel überkam Laura und ein ohrenbetäubendes Brüllen dröhnte in ihrem Kopf. Doch als sie sich verzweifelt die Hände gegen die Ohren presste, wurde das Brüllen nur noch unerträglicher.

Panisch suchte sie Blickkontakt mit Benni, doch sie sah nichts als Finsternis.

Laura wollte einen Schritt vorgehen und versuchte, ihn zu rufen, aber sie konnte nicht.

Eine schwere Pranke ließ ihren Schrei ersticken und drückte sie wie in Zeitlupe zu Boden.

Das Erste, was Laura wahrnahm, war weißer Nebel.

Weißer Nebel? War er nicht schwarz gewesen?

Das Zweite war die Tatsache, dass sie auf etwas Hartem lag, ihr Kopf war erhöht. Sie spürte eine angenehm kühle Hand auf ihrer glühenden Stirn.

„Was war das gerade?“, hörte Laura Öznur aufgebracht fragen.

„Sie hat die Kontrolle über ihre Energie verloren.“, antwortete Carsten.

Ach ja, so war das. Laura erinnerte sich wieder.

Sie versuchte, sich aufzurichten oder wenigstens die Augen zu öffnen, aber es war ihr, als wäre ihr gesamter Kräftevorrat aufgebraucht. Sie war nicht in der Lage, einen Ton über ihre Lippen zu bringen, geschweige denn, einen Finger rühren zu können.

Also lag sie weiterhin einfach so da und lauschte Carstens Stimme. „Alles in Ordnung, Benni? Du wirkst so besorgt.“

Besorgt?!? Sind meine Ohren nun auch kaputt?!?! Laura konnte ihnen nicht trauen.

„Von wegen besorgt. Oder siehst du das an seinen Augen?“, gab Anne ihren sarkastischen Kommentar ab.

„Das hilft mir nicht gerade, eine Antwort von ihm zu bekommen. Also, was war los?“

Eine kurze Pause trat ein.

„Benni?“, hakte Carsten nach.

„Was ist?“, war schließlich Bennis Gegenfrage. Von allen Stimmen schien seine am nächsten.

Carsten seufzte. „Jetzt hör mir doch zumindest mal zu.“

Schritte näherten sich Laura, ein Finger fuhr über ihre linke Schläfe. „Warum ist es da so wund?“, fragte Carsten nach. Für eine Weile wärmte sein Finger ihre unnatürlich kalte Wange. Auch seine Stimme schien nun näher. „Das sieht ja aus, wie als wären ihre Adern geplatzt!“

„Lass mal sehen.“ Ariane schien Carsten zur Seite zu schieben und sog kurz darauf, ganz dicht an Lauras Ohr, scharf die Luft ein. „Ach herrje, das sieht ja echt schlimm aus. Benni!!! Was hast du gemacht?!?“

„Nichts.“

Ariane richtete sich wieder auf und sprach über Lauras Kopf hinweg: „Wie ist das dann passiert?!?“

Laura spürte, wie sich die Hand auf ihrer Stirn anspannte, aber Benni antwortete nicht.

Doch in Laura stieg langsam Panik auf. Wovon sprechen die da?!?!

„Vielleicht ist es die Dykte-Krankheit? Da werden auch einige Körperstellen wund.“, platzte der Mann dazwischen.

Die Panik in Laura wuchs aufs unermessliche. Was?!? Das kann doch nicht wahr sein! Was für Krankheiten hab ich denn sonst noch?!?

Carsten seufzte. „Von wegen, das ist was ganz anderes.“

Puuuh.

„Und was hat Laura nun?“, ertönte Öznurs Stimme.

Das würde ich auch gerne wissen!!!

„Ich bin mir nicht ganz sicher… Aber ich vermute, dass der Dämon daran nicht ganz unbeteiligt ist.“, meinte Carsten.

Laura hatte das Gefühl, dass er Benni einen fragenden Blick zuwarf, denn schließlich antwortete dieser widerwillig: „Als der Dämon ‚gebannt‘ wurde, war das gleichfalls.“

„Das habe ich erwartet, denn als der Schwarze Löwe mich zeichnete, war dieses Muster auch in ihren Augen erkennbar, obwohl ich es nur für eine Einbildung hielt.“

„Es kann doch möglich sein, dass so etwas in der Art nur auftritt, wenn wir viel Energie verbrauchen.“, vermutete Susanne.

Anne schnaubte. „Na toll und was machen wir jetzt mit der? Ich will endlich diese verd- diese Infos, um dann gehen zu können.“ Mecker nicht, ich bin doch wach!!! So mehr oder weniger…

„Wenn Sie mir dann bitte folgen würden, der junge Mann kann doch einfach mit der Prinzessin aufschließen, sobald diese wieder erwacht ist.“, schlug der komische Büro-Typ vor.

Ich bin wach!, würde Laura am liebsten rufen, aber ihr fehlte immer noch die Kraft irgendetwas machen zu können.

Stattdessen hörte sie zustimmendes Gemurmel, viele Schritte und schließlich eine Tür, die in die Angeln viel.

Das Zufallen der Tür ließ den Raum schlagartig totenstill werden. Das einzige, was zu hören war, war das leise Brummen und Summen der übertriebenen Elektronik im Büro. Jetzt fühlte sich Laura erst recht wie im Krankenhaus.

Die Hand auf ihrer Stirn wurde für den Bruchteil eines Atemzuges so kalt wie der Tod, um kurz darauf die Hitze einer glühenden Sonne zu bekommen. Der spontane Temperaturwechsel ließ Laura schaudern, doch sie spürte, wie die Kraft in warmen Strömen ihren Körper stärkte und ihm wieder Macht verlieh.

Blinzelnd öffnete Laura die Augen. Verschwommen erkannte sie die weißen Deckenfließen, während sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm und sich gleichzeitig die Hand von ihrer Stirn entfernte.

Laura folgte der Bewegung und sah hinauf zu Benni. Den linken Arm hatte er über die Lehne eines weißen Sofas gelegt und sein leerer Blick war auf einen nicht existierenden Punkt in der Ferne gerichtet.

Erstaunt darüber, wie stark sich ihr Körper plötzlich fühlte, richtete sich Laura auf, so dass sie neben Benni saß. „Danke…“, murmelte sie, betroffen auf den Boden starrend

Er hasst mich, er hasst mich, er hasst mich, er hasst mich! Aber warum hat er dann- Er hasst mich doch!

„Warum tust du das für mich? Ich meine… Ich habe Chip- Warum hilfst du mir dennoch?!?“

„Würdest du es bevorzugen, wenn ich dir nicht helfe?“, kam die Benni-typische Gegenfrage.

„Doch, nein, äh, doch, oder… aber… Bist du nicht eigentlich wütend auf mich?“ Verlegen schielte sie rüber zu Benni, der immer noch in die Ferne schaute, als würde er eigentlich gar nicht mit ihr reden.

„Weiß ich nicht.“ Benni richtete sich auf und ging zu einer Tür, die Laura überhaupt nicht bemerkt hatte, als sie vorhin in den Raum gekommen war. „Dennoch ist es meine Aufgabe.“

Seine Antwort ließ Laura ein weiteres Mal schaudern. 

Was hab ich mir Hoffnungen gemacht? Benni erfüllt seine Pflicht als Dämonengesegneter, nichts weiter. Er hasst mich!

Etwas zu hektisch für ihren eben genesenen Körper folgte Laura ihm und hielt sich taumelnd an seinem Unterarm fest, um das Gleichgewicht nicht völlig zu verlieren.

„Ähm… gehen wir?“, wich sie verlegen aus und zog hastig ihre Hände zurück.

Benni erwiderte nichts, öffnete dennoch die Tür und ließ Laura den Vortritt.

„Laura! Zum Glück geht’s dir gut! Dein Auftritt war ja dramatischer als mein eigener!“ Ariane kam auf sie zu geprescht und überfiel Laura mit ihrer Würgeumarmung.

„Ihr habt noch nicht angefangen?“, erkundigte sich Laura, nachdem sie befreit wurde.

Öznur schüttelte den Kopf. „Unser verehrter Herr Zote sucht den Dämonenbesitzer immer noch in diesem ordentlichen Gewühl.“

Laura warf einen kurzen Blick auf besagten Herr Zote, als er genau in dem Moment mit seinen schelmischen Augen vom Computer aufblickte.

Schnell sah Laura woanders hin. Sie fand den Typen irgendwie gruselig und fragte sich, ob es nicht doch ein Fehler war, ihm ihre Kräfte so eindeutig gezeigt zu haben.

„Ich danke Ihnen, für Ihre Geduld. Nun kann ich Ihnen den Dämonenbesitzer Terras vorstellen.“, meinte er schließlich.

Automatisch verdunkelte sich das Zimmer und ein Beamer projizierte einen schlichten Steckbrief an ein Whiteboard.

Herr Zote stellte sich neben die elektrische Tafel und begann zu erzählen, gleich einem Referat in der Schule. „Der Name des jungen Mannes den Sie suchen lautet Jack Masiur. Er wurde am 14. Februar 159 nach Kriegsende geboren und besuchte seit-“

„Einen Moment bitte!“, unterbrach Carsten den Vortrag plötzlich. „Könnten Sie uns bitte ein Bild von besagter Person zeigen?“

Denn auf dem Steckbrief war kein Foto von dem Jungen.

„Selbstverständlich, junger Prinz.“ Herr Zote nickte und klickte ein paar Mal auf dem Whiteboard herum, bis schließlich ein Portraitfoto zum Vorschein kam.

Den Jungen auf dem Foto schätzte Laura etwa in Bennis oder Eagles Alter. Er hatte grasgrüne Augen und seine braunen, leicht rötlichen Haare waren insgesamt sehr kurz. Die linke Seite war nahezu kahl rasiert, die rechte hatte dafür Kinnlänge.

„Ich wusste es doch! Ich kenne ihn!“, rief Carsten aus.

„Wirklich?! Stellst du ihn mir vor, Süßer?!?“, fragte Lissi begeistert.

Carsten ignorierte ihre Aussage, meinte allerdings schaudernd: „Damals im… in der Besserungsanstalt… sind wir uns öfter… begegnet…“

Herr Zote zuckte mit den Schultern. „Sowohl in seiner, als auch in amüsanter Weise Ihrer Akte sind mehrere Prügeleien verzeichnet, daher verwundert das nicht.“

„Er ist im FESJ?“, fragte Öznur.

„Du hast dich mit dem geprügelt und hast sogar mehrere Schlägereien in deiner Akte?“, fragte Anne in ihrem sarkastischen Tonfall.

Carsten seufzte und Laura sah, wie ihm eine leichte Röte ins Gesicht stieg. „Na ja, eher indirekt… und außerdem hat er das Internat bereits wenige Monate nach meiner Ankunft verlassen.“

„Wie? Ist er nicht mehr dort?“ „Was meinst du mit indirekt?“, hakten Öznur und Anne nach.

„Er ist verschwunden.“, antwortete Carsten, doch die Erklärung für Annes Frage ließ er aus.

Ariane schaute ihn irritiert an. „Wie ‚verschwunden‘?“

Carsten zuckte mit den Schultern. „Verschwunden halt. Vom einen auf den anderen Tag war er weg.“

Der Büro-Typ meldete sich zu Wort. „Da muss ich Ihnen widersprechen. Die Mitschüler des Herren Masiurs wurden vermutlich nicht informiert, allerdings kam ein angesehener, für seinen Stand sehr junger Politiker und nahm den jungen Mann in seine Obhut.“ „Wer?“, fragte Anne kritisch.

Herr Zote hustete ein offensichtliches Raucherhusten. „Ich bedaure, Prinzessin Ludwig, doch wenn Sie nichts davon wussten, dann ist es mir auch selbstverständlich untersagt, es Euch anzuvertrauen. Dies ist streng vertraulich, müssen Sie wissen.“

Anne schnaubte und wollte anscheinend eine Diskussion beginnen, als Benni ohne jegliche Gefühlsregung sagte: „Habt Dank für die Angaben, doch wir müssen nun aufbrechen.“

Nahezu die Hälfte der Gruppe wollte protestieren, aber sie blieben still, als auch noch Carsten meinte: „Das Gespräch war sehr informativ, wir danken Ihnen herzlichst und leben Sie wohl.“

„Verdammt nochmal, der Typ wusste noch mehr! Warum zum Teufel bist du so voreilig?! Typisch Jungs!“, schimpfte Anne.

Doch Benni zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Dreh dich um.“

Widerwillig tat Anne, wie ihr gehießen und auch Laura und der Rest lugte über die Schulter, zurück auf das moderne Rathaus, das sie eben verlassen hatten.

„Was sind das für Typen?“, fragte Laura erschrocken und starrte schnell nach vorne.

Auch Carsten blickte nun kurz zurück und antwortete zögernd: „Soldaten von Terras Armee…“

„Was wollen die hier?“, fragte Janine. Es war eindeutig, dass das plötzliche Auftauchen des Militärs ihr eine riesige Angst einjagte. Wie könnte es auch anders sein? Immerhin musste sie in ihrer Heimat jeden Tag damit rechnen, dass man ihr Geheimnis herausfinden und sie töten lassen würde…

Bennis knappe Antwort beruhigte sie keinesfalls. „Euch.“

Laura wagte noch einen einzigen Blick zurück zu dem Rathaus und betrachtete die Menschen in Uniform. Sie standen da, wie einfache Plastiksoldaten.

Ariane legte einen Arm um Janines Schultern, um sie zu beruhigen. Das arme Mädchen zitterte am ganzen Leib.

„Keine Angst, in der Öffentlichkeit werden sie wohl kaum so kurzsichtig sein und uns angreifen.“, meinte Carsten beruhigend.

„Alleine wenn sie uns angreifen haben die schon einen an der Glocke.“, stellte Anne selbstbewusst fest. Doch seit dem, was letzte Nacht passiert war, musste Laura ihr widerwillig Recht geben.

Plötzlich blieb Benni stehen und schaute erneut zurück zum Rathaus.

Carstens Blick wurde misstrauisch. „Was hast du?“

Doch kopfschüttelnd wandte sich Benni ab und folgte der Gruppe. Sie ließen das Rathaus hinter sich, das mit den seltsamen Soldaten umstellt war und kehrten zurück in die Einkaufsstraßen.

„Wo ist denn jetzt endlich mal ein Restaurant?! Ich bin am Verhungern!!!“, meckerte Ariane nun schon zum dritten Mal.

„Ich auch…“, schloss sich Öznur ihrer Aussage dieses Mal an.

Genervt stöhnte Anne auf. „Warum habt ihr nichts gesagt, als wir noch auf dem Rathausplatz waren?! Da gab’s genug Fresshäuser!“

Öznur schnaubte empört. „Da waren doch diese Armee-Deppen. Mit deren Blicken im Rücken vergeht einem voll der Appetit!“

Abrupt blieb Ariane stehen. „Da ist ein Steakhaus!!! Ich kann’s riechen!“ Sie zeigte mit dem Finger in die Richtung, aus welcher der Geruch kam und sprintete dort hin.

Erleichtert atmete Öznur auf. „Na endlich, Essen!“ Sie folgte Ariane mit einer Geschwindigkeit, die zwar keiner Ariane, aber zumindest eines Kampfkünstlers würdig wäre.

Anne zuckte mit den Schultern. „Was soll’s, ich hab auch Hunger.“

Und so ging auch der Rest der Gruppe ins Steakhaus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-08-05T20:00:45+00:00 05.08.2020 22:00
Ich finde es sehr interessant, wie du die verschiedenen Fäden und Charaktere zusammenführst.
Und ich bin gespannt, mehr über Laura und ihren Dämon herauszufinden.
Mir tut nur Carsten leid, dass er nun nicht nur mit seinem Bruder, sondern auch noch einem anderen Feind zusammenarbeiten muss.

Solltest du deine Geschichte mal als Buch rausbringen, würde ich bloß die Kapitel etwas anders aufteilen. ;D

Auf jeden Fall macht mir das Lesen sehr viel Spaß. Wollte ich nur mal erwähnen, falls du das noch nicht gemerkt haben solltest. ;D Es ist wirklich sehr spannend und die Charaktere mag ich auch sehr. <3

Antwort von:  RukaHimenoshi
05.08.2020 23:31
Ja, die Kapitelaufteilung ist nicht so meine Stärke ^^" Ich hatte auch schon mit Schrecken festgestellt, dass die Geschichte als Buch extreeem viele dicke Bände geben würde... So sehr ich die Vorstellung auch liebe es mal im Papierformat in der Hand zu halten... Das wären viele Bäume. X'D

Aber es freut mich riesig, dass du anscheinend so viel Freude dran hast! *-* Ich kann gar nicht auf diese ganzen Kommentare so reagieren, wie es angemessen wäre. X'D
Antwort von:  Regina_Regenbogen
06.08.2020 00:30
Wenn du jetzt anfängst, Bäume zu pflanzen, sind sie vielleicht ausgewachsen und bereit zum Fällen, bis du alle Bände fertig hast. XD
Antwort von:  RukaHimenoshi
06.08.2020 16:41
Diese Aussage ist so wahr, dass ich gleichzeitig lachen und weinen muss. X'D
Antwort von:  Regina_Regenbogen
06.08.2020 18:42
Ich kenne das Problem X'D
Sonst hätte ich mir den Scherz nicht erlaubt.
Antwort von:  RukaHimenoshi
06.08.2020 20:48
Können ja eine Baumpflanz-Aktion starten. X'D


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