Demon Girls & Boys von RukaHimenoshi ================================================================================ Kapitel 101: Vereint -------------------- Vereint       Zögerlich setzte sich Susanne neben ihre Zwillingsschwester an die lange Tafel im Häuptlingsanwesen und wandte instinktiv den Blick ab, als sie merkte wie Anne ihr gegenüber Platz nahm. Eigentlich freute sie sich darüber. Und doch wusste sie nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Wie sie mit diesem seltsamen Gefühl klarkommen sollte, was seit dem Angriff auf die Coeur-Academy ihr Herz übernahm, sobald sie Anne in ihrer Nähe wusste. Doch Anne selbst schien mit den Gedanken woanders. Bei etwas deutlich naheliegenderem. „Nachher ist es also soweit.“, sagte sie, als wolle sie ein Gespräch mit Susanne starten. Diese brachte lediglich ein Nicken zustande. Die Aufregung auf das Kommende schnürte ihr die Kehle zu. Nach dem plötzlichen Angriff auf Indigo hatten sie erkennen müssen, dass Mars nun wohl nicht mehr vorhatte einfach nur mit ihnen zu spielen. Er würde diese Nacht noch seine Unterweltler auf Damon loslassen, da waren sie sich ganz sicher. Folglich mussten sie schnell handeln, im Idealfall dem Dämon zuvorkommen. Sie durften keine Zeit mehr verlieren. „Ist ansonsten alles okay?“, erkundigte sich Anne, vermutlich mit Anspielung auf die Verletzungen, die sie zuvor mit ihrer Heil-Energie von Jack übernommen hatte. Susanne nickte erneut. „Ja, alles bestens. Ich hatte mich noch einmal schlafen gelegt und inzwischen ist alles wieder verheilt.“ Anne schien leicht belustigt. „Schon beeindruckend, dass bei dir die Verletzungen in nicht einmal einem halben Tag verheilt sind, an denen Jack bereits ne Woche zu beißen hatte.“ „Ich finde es ja beeindruckend, dass du ihn ganz normal bei seinem Namen nennst, Banani.“, warf Lissi ein. „Mitleidsbonus?“ Die mit einem Schlag geladene Atmosphäre zwischen den beiden ließ Susanne schaudern, als Anne antwortete: „Nach der ganzen Scheiße wohl nicht überraschend.“ Ihr Blick fiel auf Janine, die sich just in diesem Moment links neben Susanne setzte. „Und ich bin wohl nicht die Einzige, die dadurch begonnen hat ihre Meinung zu ändern.“ Ihrem bedrückten Blick nach zu urteilen schien Janine das Gespräch mitbekommen zu haben. Dennoch schaffte sie es nicht, etwas auf Annes Kommentar zu erwidern. „Das ist etwas ganz Anderes, Anne.“, versuchte Susanne sie irgendwie in Schutz zu nehmen. Anne zuckte mit den Schultern. „Klar ist es das. Immerhin hatte ich mir all die Zeit nur vorgestellt, Jack die Seele aus dem Leib zu prügeln. Jemand anderes hat da eher Taten für sich sprechen lassen.“ „Anne!“ Natürlich trafen ihre Worte Janine hart. Schließlich nahm sie sich stark zu Herzen, was sie die jüngste Zeit gesagt und getan hatte. Sehr stark. „Aber ihr habt euch doch vorhin ausgesprochen, oder?“, versuchte Susanne das Positive hervorzuheben und Janine die Gewissensbisse auszureden. „Und er hat dir ja auch verziehen. Ihr könnt ganz von vorne anfangen, als wäre nichts gewesen.“ Ninie nickte schwach, nach wie vor verunsichert. Und Annes spöttisches Lächeln machte die Situation nicht gerade besser. „Als könnte man nach sowas mit einem Schlag neu anfangen.“ Susanne warf ihr einen warnenden Blick zu, mit der unausgesprochenen Aufforderung etwas taktvoller zu sein. Doch Lissis spitzer Kommentar goss noch mehr Öl ins Feuer. „Da redet jemand aus eigener Erfahrung, nicht wahr?“ „Halt die Fresse.“ „Was ist denn los mit euch?!“, fragte Susanne verzweifelt. Natürlich war ihr aufgefallen, dass Lissis und Annes Verhältnis seit einiger Zeit ziemlich unterkühlt war. Eine Gewissheit, die sie mehr belastete als gedacht. Aber warum?! Was war passiert, dass die beiden regelrecht einen kalten Krieg ausfochten? Doch bevor sie eine Antwort bekommen konnte, riss der Schrei einer Mädchenstimme aus dem Flur ihrer aller Aufmerksamkeit auf sich. „Warum muss ausgerechnet der dabei sein?!“ Kurz darauf tauchte Eagle in der Tür auf, deutlich genervt von dem Gezeter seiner kleinen Halbschwester. „Sakura, ich hab dir schon tausend Mal gesagt, dass es nicht anders geht. Das ist die letzte Möglichkeit, die wir haben, um uns absprechen zu können. Und da muss jeder dabei sein. Auch Jack. Egal, ob uns das gefällt oder nicht.“ „Ich will das nicht!!!“, kreischte Sakura unter Tränen, sodass sich Eagle die Ohren zuhielt. „Warum muss ausgerechnet der Mörder von Papa hierher kommen?! Hier, nach Hause, wo Papa mit uns gewohnt hat?! Das ist nicht fair!!!“ „Du musst ja nicht dabei sein.“, erwiderte Eagle gereizt. „Na und?! Er hat hier trotzdem nichts zu suchen! Er soll verschwinden! Sofort!!!“ Geräuschvoll atmete Anne aus. „Das hat uns gerade noch gefehlt.“ Carsten war es derweil noch weniger möglich seine kleine Halbschwester zu beruhigen. Schon alleine aus dem Grund, da offensichtlich er derjenige war, der gemeinsam mit Jack das Haus betreten hatte. Die Ursache für den Streit zwischen den Geschwistern, bei dem der Rest lediglich zuschauen konnte. „Das ist alles deine schuld!!!“, schrie Sakura plötzlich Carsten an. „Seit du wieder hier bist, passieren nur noch schlimme Dinge! Eagle ist gemein zu mir, Papa stirbt… Du hast unsere Familie kaputt gemacht!!!“ „Sakura!!!“ Eagles wütende Stimme klang wie ein Donnerschlag, bei dem nicht nur seine kleine Schwester zusammenzuckte. Schluchzend schaute Sakura zu ihm hinauf. Vom großen Bruder auch noch angeschrien zu werden hatte ihr wohl den Rest gegeben. „Es ist doch so!“ Mit diesen Worten machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte weinend die Treppe hoch in ihr Zimmer. Eagle stieß einen indigonischen Fluch aus und schien zu überlegen, ob er ihr folgen oder sie lieber in Ruhe lassen sollte. Derweil ging Carsten an ihm vorbei und betrat den Raum, sichtbar am Versuchen den Schmerz zu unterdrücken, den Sakuras Worte hinterlassen hatten. „Hey…“ Jack tippte ihm auf die Schulter. Was er sagte und Carsten erwiderte, konnte Susanne jedoch nicht verstehen. Dafür waren ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichend genug. Fragend schaute sie Janine an, die durch den Unterricht an der Coeur-Academy mehr Erfahrung mit dieser Fremdsprache hatte. Janine strich sich eine der blonden Strähnen hinters Ohr. „Er… er sagte, dass er auch gehen kann. Nicht damit wegen ihm der… ähm… der Haussegen schief hängt, oder so. Carsten meinte dann so etwas wie ‚Der Haussegen hing noch nie gerade‘.“ Bedrückt beobachtete Susanne, wie sich Carsten gegenüber von Ariane und Laura hinsetzte, welche wie der Rest Janines Übersetzung mitbekommen hatten. Während die beiden Mädchen betroffen versuchten ihn aufzuheitern, kommentierte Jack: „So viel zum Thema Deutsch ist eine so schwere Sprache, dass niemand sie lernen möchte.“ Hastig und komplett verschüchtert wich Janine seinem leicht spöttischen Blick aus. Offensichtlich waren es Worte, die ansonsten keiner hatte verstehen sollen. Derweil schaute sich Jack im Raum um. „Ist Herr Bôss nicht mehr da?“ Leicht belustigt schüttelte Jannik den Kopf. „Nein, er wollte noch ein paar Vorbereitungen für das Kommende treffen und meinte, dass wir schon alleine mit dir fertig werden. Irgendwie zumindest.“ „Was soll das denn heißen?“ Jacks deutlich empörter Ton gepaart mit dem beleidigten Blick heiterte die Stimmung zumindest ein bisschen auf. Und noch mehr, als er sichtlich erschrocken zusammenzuckte als Eagle plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. „Halt einfach die Klappe und pflanz deinen Arsch auf einen der Stühle.“, meinte der Häuptling nach wie vor verärgert. Jack biss die Zähne zusammen. Er hatte sich wohl ganz schön erschreckt. „Du forderst es echt heraus mit dem Kuss, oder?“ Eagle schnaubte und schubste ihn etwas in Richtung des großen Tisches. „Als würdest du das wirklich durchziehen.“ „Willst du’s herausfinden?“ Bei Jacks provokativem aber auch leicht schelmischem Grinsen war sich Susanne inzwischen nicht mehr sicher, ob er tatsächlich nur bluffte. Anstelle von Eagle antwortete Lissi: „Oh ja, bitte!“ Sie klang viel zu begeistert für den Geschmack der anderen und erntete entsprechend warnende Blicke, insbesondere von Eagle selbst. Jack lachte auf, als er das Grauen in Eagles Augen sah. „Hey, alles in Ordnung, Mettigelchen. Du bist eh nicht mein Typ, ich stehe mehr auf Blondinen.“ Belustigt stellte Susanne fest, wie Janines Wangen bei diesen Worten einen leichten rosa-Ton bekamen. Lissi fragte derweil verschwörerisch: „Blondine im Sinne von Ninie oder Blondine im Sinne von Benni?“ Als sie Benni als ‚Blondine‘ bezeichnete, konnte niemand mehr an sich halten und alle prusteten lauthals los. Selbst Carsten kamen nun vor Lachen die Tränen, die verletzenden Worte seiner Halbschwester rückten in weite Ferne. Amüsiert aber irgendwie auch nachdenklich verschränkte Jack die Arme vor der Brust. „So abwegig wär das gar nicht, er ist ziemlich süß. Aber ich werde wohl kaum Laura den Freund ausspannen wollen, die zwei passen einfach viel zu gut zusammen.“ Belustigt zwinkerte er Laura zu, die nicht wirklich wusste, ob sie nun lachen oder verlegen sein sollte, was einen ziemlich süßen und witzigen Gesichtsausdruck hervorrief. Eagle schien diese Aussage jedoch zu verwirren. „Wie jetzt, du bist schwul?“ „Ist bei dir alles so schwarz-weiß?“, konterte Jack und zuckte mit den Schultern. „Die Hauptsache ist doch, dass man den jeweils anderen liebt. Also warum sollte da das Geschlecht eine Rolle spielen?“ „… Das hast du schön gesagt…“, stellte Susanne fest und versuchte, das eigenartige Kribbeln herunter zu schlucken, als ihre Gedanken automatisch zu Anne abdrifteten. Er hatte recht, diese Gefühle, die sie hatte… Warum sollte sie das seltsam finden? Nichts war falsch daran! Während Susanne weiterhin versuchte, seine Worte zu verarbeiten und dabei nicht in Richtung Anne zu schauen, seufzte Lissi theatralisch verliebt. „Oh Jackie-Chan, du bist ein richtiger Romantiker, kann das sein?!“ „Ich find das zwar eher pragmatisch, aber nenn es wie du willst. Wäre doch blöd, die eine Hälfte von vorneherein auszuschließen, wenn sich genau dort der oder die Richtige befindet.“ Eagles Blick nach zu urteilen teilte er diese ‚pragmatische‘ Sichtweise jedoch ganz und gar nicht. Belustigt tätschelte Jack ihm die Wange. „Alles gut, Schnucki, ich werde dich schon nicht küssen. Bin ja nicht lebensmüde.“ Er hielt einen Moment inne. „Shit, okay. Sollte ich doch mal wieder Selbstmordgedanken haben, haltet mich von Eagle fern. So ein Abgang wäre zu verlockend.“ Nun konnte sich der Großteil vor Lachen gar nicht mehr auf dem Stuhl halten. Susanne wusste, dass diese Aussage eigentlich Besorgnis hervorrufen sollte. Aber sie kannten Jack inzwischen gut genug, um seinen Galgenhumor zu schätzen zu wissen. Und wie wertvoll es war, nicht immer alles so ernst zu nehmen. Schon gar nicht sich selbst. Dennoch gab es auch eine Person, bei der diese Aussage ein unwohles Gefühl im Magen hinterließ. Während sich also Jack zwischen Lissi und Carsten setzte, Eagle nach wie vor leicht verstört am Tischende neben Öznur und Ninie Platz nahm und der Rest allmählich versuchte sich zu beruhigen, legte Susanne ihre Hand auf Janines, die sie unter dem Tisch zu einer zitternden Faust geballt hatte. Gefühle, die sie vor jedem zu verbergen versuchte, vollkommen gleich ob dies beabsichtigt war oder nicht. Nur Susanne wusste, was in ihr vor sich ging.   Irritiert schaute Susanne zu Janine, die nervös an einer Haarsträhne zwirbelte und Jacks schlafendes Gesicht betrachtete. Als Susanne Jacks Verletzungen mit ihrer Heil-Energie übernommen hatte, hatte Ninie darauf bestanden jene Wunde auf sich zu nehmen, mit der sie ihm auf der Lichtung solch unermessliche Schmerzen bereitet hatte. Und selbst Susannes logische Argumentation was die Regenerationsfähigkeiten betraf, hatte ihre Meinung nicht ändern können. Janines Blick war schwer zu deuten und doch meinte Susanne zu sehen, wie neben Mitleid und Gewissensbissen auch Zuneigung in diesen himmelblauen Augen lag. Es erinnerte Susanne daran, wie Carsten immer Ariane anschaute, während diese es noch nicht einmal mitbekam. „… Magst du ihn?“, fragte Susanne vorsichtig. „I-ich- es…“, stammelte sie, unsicher wie sie ihre Gefühle in Worte fassen sollte. Susanne wusste immer noch nicht, was sie denken sollte. Bis auf vorhin war Janines Verhalten das absolute Gegenteil gewesen. Konnten sich unter dem ganzen Hass tatsächlich romantische Gefühle verbergen? Vorsichtig legte sie eine Hand auf Janines unverwundete Schulter, die leicht zitterte, wie Susanne nun feststellte. Besorgt fiel ihr auf, wie sehr sie eigentlich gegen die Tränen ankämpfen musste. Schließlich meinte Janine: „Sag mal, Susi… Du kennst doch sicher diesen Spruch. Man merkt erst, wie wichtig jemand ist, wenn er- wenn er…“ Ihre letzten Worte waren nur noch ein schwaches, zittriges Flüstern. „… nicht mehr da ist…“ Sofort schloss Susanne sie in die Arme, als Janine leise zu schluchzen begann. Auch, wenn sie es niemals würde in Worte fassen können, verstand Susanne was sie meinte und worauf sie hinaus wollte. Durch die Dämonenform war ihnen eine unbeschreibliche Menge an Energie vergönnt. Doch ob sie diese in ihrem vollen Ausmaß nutzen konnten, war eine ganz andere Frage. Denn neben der Menge an Energie gab es eine weitere entscheidende Variable: Die Widerstandsfähigkeit des eigenen Körpers. Nur antike Begabte konnten Dämonenverbundene werden, da nur sie die nötige Kraft hatten, um diese gebündelte Menge an Energie von den Dämonen aufzunehmen. Doch auch sie hatten ihre Grenzen. Würde zu viel Energie auf einmal freigesetzt werden, würde ihr Körper dem nicht mehr standhalten. Und genau das war ihre Befürchtung gewesen, als Jack vorhin das FESJ zum Einsturz gebracht hatte. Das Areal war viel zu groß. Die erforderliche Energie viel zu viel. Vermutlich hatte keiner damit gerechnet, dass er dies überleben könnte. Jeder hatte gedacht, dass er sich in diesem Moment vor ihren Augen umbringen würde. Auch Susanne hatte diese Sorge gehabt. Genau. Diese Sorge. Aber Janine… Janine hatte in dem Moment Angst gehabt. Unsagbare Angst. Die Angst, Jack für immer verloren zu haben. Erst in diesem Moment hatte sie es realisiert. Hatte erkannt, wie wichtig er ihr in Wahrheit war. Genau dann, als alles bereits verloren schien.   Susanne verstärkte ihren Griff um Janines Faust. Wahrscheinlich wusste Jack noch nicht einmal, was sein eigentlich lustiger Kommentar in ihr ausgelöst hatte. Dass er dadurch wieder diese Angst geweckt hatte. Sie überlegte, ob sie es ihm irgendwie würde mitteilen können, ohne Janine und ihre Gefühle direkt vor allen zu offenbaren. Doch der Moment verstrich zu schnell und als die Gruppengespräche losgingen, war die Chance bereits vertan. „Du weißt, dass er das nicht ernst gemeint hat.“, meinte sie, so leise und beiläufig wie möglich, um Janine irgendwie zu beruhigen und nicht die Aufmerksamkeit vom Rest auf sich zu ziehen. Ninie brachte lediglich ein Nicken zustande, brauchte jedoch einen Moment, um ihre Gefühle zu sortieren. Susanne versuchte sich derweil so normal wie möglich mit Anne, Öznur und Eagle zu unterhalten, während Lissi Jack in ein Gespräch verwickelte. Janines Seitenblick nach zu urteilen fiel wohl auch ihr auf, dass die beiden überraschend schnell ein sehr vertrautes Verhältnis entwickelt hatten. Was sie unter den gegebenen Umständen natürlich umso mehr verunsicherte. Als Jenny mit weiteren Bediensteten das Essen brachte und sich alle Aufmerksamkeit darauf lenkte, meinte Laura leicht verstört: „Das fühlt sich ja an wie das letzte Abendmahl.“ Verstohlen kicherten einige von ihnen, als Jannik auch noch sein Glas hob. „Was sagt man da? Das ist mein Blut, das ich für euch hingegeben habe.“ Nun musste auch Laura loslachen. „Fast, das Blut wird für alle vergossen zur Vergebung der Sünden, Jesus.“ Jannik grinste amüsiert. „Da merkt man, dass du häufiger in die Kirche gezerrt wurdest als ich.“ „Ich hoffe aber, dein Blut besteht nicht aus Orangensaft.“, witzelte Ariane. „Womit wir beim eigentlichen Thema wären.“, warf Florian ein und hemmte die ausgelassene Stimmung etwas. Aber nur etwas, ehe Eagle noch meinte: „Bei Orangensaft? Bier wär mir lieber.“ Das brachte den Rest direkt wieder zum Lachen, während Florian missbilligend den Kopf schüttelte. „Wir müssen unsere Strategie durchsprechen, bevor es nachher noch zu einem bösen Erwachen kommt.“ Mit einem mulmigen Gefühl gaben sich nun auch die anderen dem Ernst der Lage geschlagen und wurden ruhig. Der Elb wandte sich an Carsten zu seiner linken. „Wir sollten den Ablauf vom Ende bis zum Anfang durchsprechen. Du hast den Bann entwickelt. Also worauf müssen wir achten?“ Es war mehr als eindeutig, wie Carsten mit der plötzlichen Ladung an Aufmerksamkeit zu kämpfen hatte. Dennoch erklärte er so gefasst wie möglich: „Na ja, also… Abgesehen davon, dass wir Benni irgendwie von Mars befreien müssen, brauchen wir viel Platz für das Ritual, um uns trotz der Größe des Purpurnen Phönix‘ noch irgendwie positionieren zu können. Eufelia, Coeur und Leonhard hatten damals eine weite Ebene, aber wenn er wirklich nach wie vor im Unterweltschloss ist, müssten wir ihn irgendwie nach außen locken.“ „Oder in die tiefste Schlucht…“, sinnierte Konrad und wandte sich an Jack. „Du hattest doch mal erwähnt, dass sich direkt unter Mars‘ Gemächern eine gewaltige Schlucht befindet. Denkst du, sie wäre groß genug für das Ritual?“ Nachdenklich nickte Jack. „Ich erinnere mich auch noch an ein Muster mit einigen riesigen Kreisen im Boden.“ „Das wäre perfekt!“, rief Carsten plötzlich. „Da Mars in die tiefste Schlucht verbannt worden ist, könnten das noch Überreste von dem damaligen Ritual sein. Weißt du, wie viele Kreise es sind?“ Sein Enthusiasmus schien Jack leicht aus der Bahn zu werfen. „Ähm nein, ich war viel zu sehr damit beschäftigt nicht zu sterben, sodass ich leider nicht dazu kam Striche zu zählen.“ „Versuche dich zu erinnern! Gerade in Kombination mit der riesigen Tür von der du erzählt hast, wären das die perfekten Orientierungspunkte.“ Seufzend schüttelte Jack den Kopf. „Es könnten vier gewesen sein. Alle Angaben ohne Gewähr.“ „Vier wären ideal.“, stellte Konrad fest. „Stimmt.“, gab Carsten ihm recht und drehte sich um. Mit seiner Magie erschuf er vier lila leuchtende Kreise, sodass jeder sie sehen konnte. Nach und nach erschienen insgesamt 15 in verschiedenen Farben strahlende Punkte. Es war unschwer zu erkennen, dass es sich dabei um ihre Aufstellung für das Ritual handelte. „Ihr müsst euch eure Position gut merken. Wenn nicht jeder das gesamte Ritual über auf seinem Platz steht, wird es fehlschlagen.“, erklärte Carsten. Eagle schnaubte. „Toll. Öznur erinnert sich doch noch nicht einmal daran, wo sie ihre Brille hingelegt hat.“ „Ey!“, empörte sich Öznur. „Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, ob ich mir das bei der ganzen Aufregung werde merken können…“, meinte Laura verschüchtert. „Dabei hast du doch sogar herausgefunden, wo du und Ariane stehen werdet.“, merkte Konrad belustigt an. „Und so schwer zu merken ist eure Position auch nun wieder nicht.“ Lauras Wangen färbten sich leicht rötlich. „J-ja, aber in dem Moment…“ „Wir sollten mit Magie oder Energie nachhelfen und die Positionen markieren, wenn die Kreise ohnehin schon da sind. So wird zumindest das nicht dem Zufall überlassen.“, schlug Florian vor. Konrad nickte. „Carsten oder ich können uns darum kümmern, wir haben die Aufstellung wohl am besten im Kopf. Die Tür ist vermutlich nach Norden ausgerichtet?“ Jack zuckte mit den Schultern. „Was fragst du mich? Ich bin doch kein wandelnder Kompass.“ Florian seufzte. „Denkt ihr, ihr könnt das spontan ausfindig machen?“ Sowohl Carsten als auch Konrad nickten daraufhin. „Gut. Dann stellt sich trotzdem die Frage, wie wir Mars dorthin locken können.“ Überraschender weise war es Janine, die sich daraufhin zu Wort meldete, wenn auch wie immer schüchtern und verunsichert. „Könnten wir ihn nicht dorthin teleportieren, solange Benni noch sein Dämonenbesitzer ist?“ „… Und ihn danach aus Bennis Körper jagen, sobald wir in der tiefsten Schlucht angekommen sind. Das könnte klappen.“, vervollständigte Konrad ihre Gedanken. „Aber wir sind viel zu viele, um alle gleichzeitig teleportieren zu können.“, warf Eagle ein und wandte sich mit einem warnenden Blick an Carsten. „Und bevor du überhaupt auf die Idee kommst das vorzuschlagen: Deinen verfluchten Trick von heute Vormittag kannst du dir in den A-“ „Hey, es sind Kinder anwesend.“, unterbrach Öznur ihn und stieß ihm in die Rippen. „Aber pro Teleport brauchen wir mindestens eine Person, die sich den Ort vorstellen kann. Und bis auf Jack und Benni war noch keiner in der tiefsten Schlucht, oder?“, vergewisserte sich Susanne. Der Rest schüttelte den Kopf, bis Kito sich zögernd aufrichtete. „Euer Körper mag sich dort nie aufgefunden haben. Aber ich kann euren Geist hinführen, wenn ihr bestattet.“ „… Gestattet.“, korrigierte Eagle sie. „Und befunden oder aufgehalten, aber nicht aufgefunden.“ Jack beschäftigte sich mit einer für ihn weitaus bedeutsameren Thematik. „Nicht noch ein Schlaflied. Bitte.“ Der Rest lachte auf, nur Kito schaute ihn mit ihrem mysteriösen Lächeln an. „Du hast dich dort auf… gehalten, oder? Kannst du ihn in deinen Geist rufen? Wie für eine Teleport.“ Jack nickte und schloss die Augen, um sich die Schlucht vorzustellen. Kurz darauf verschwand das Esszimmer und ihnen war, als würden sie wie in einem Film die Szenerie beobachten können.   „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihr Ziel erreicht.“, meinte eine inzwischen vertraute Stimme tonlos. „Der kälteste, stinkendste Ort in der gesamten Unterwelt.“ Die Finsternis erhellte sich mit dem warmen, rötlichen Flackern mehrerer Flammen und Susanne wurde das Herz schwer, als sie die beiden jungen Männer erkannte, die am Fuße der riesigen Treppe standen. Der Raum, der sich vor ihnen auftat, war in der Tat gigantisch. Nach oben hin verlor sich das Feuer im Nichts und das Licht der Flammen tanzte an steinernen Wänden, die weniger gebaut und mehr Natur-geschaffen schienen. Im Boden des runden Turms waren Furchen vier gigantischer Kreise, die nach Innen hin immer kleiner wurden und trotzdem noch riesig waren. Sie schienen irgendein Muster zu ergeben, was bei der Größe aber mit bloßem Auge nicht erkennbar war. Jack ging die letzten Stufen der Treppe hinunter und folgte einem Weg des Musters, über die Kreise hinweg auf die Mitte zu. Auf der anderen Seite des Raumes ragte eine überdimensional große Steintür in die Höhe, mit wirren Symbolen verziert. Sie wirkte so massiv und schwer, dass niemand in der Lage schien sie öffnen zu können. Noch während sie beobachteten, wie sich Jack und Benni im Raum umschauten, ließ eine tiefe, samtene Stimme Susanne erschaudern. „Eine Familienzusammenführung, wie ich sehe. Wie schön!“ Eine kochende Hitze breitete sich schlagartig in ihrem Körper aus, Schwindel übernahm ihre Wahrnehmung. Susanne war, als befände sie sich in einem Fiebertraum. Ein purpurnes Lodern benebelte ihre Sicht. Das gellende Kreischen eines Phönix‘ hallte durch den gesamten Turm, laut und dröhnend. Susanne versuchte sich die Ohren zuzuhalten, doch erfolglos. Ein brennender Schmerz vereinnahmte ihre Sinne. Sie wollte schreien und doch kam kein Ton über ihre Lippen. Nichts von all dem drang nach außen. Alles wurde von der Zerstörung eingefangen und verschlungen. Alles.   Schwer atmend öffnete Susanne ihre Augen. Sie brauchte einen Moment, bis sie realisierte, dass sie sich allesamt nach wie vor im Speisesaal des Häuptlingsanwesens befanden. „Alles okay?“, fragte Anne ihr gegenüber, war jedoch selbst leichenblass. Irgendwie brachte Susanne ein Nicken zustande, als Laura mit zitternder Stimme fragte: „Was war das?“ Seufzend fuhr sich Jack über die Stirn, die leicht verschwitzt schien. „Sorry, sich nur an den Ort zu erinnern war schwerer als gedacht.“ Allmählich realisierte Susanne, was dieser plötzliche Umschwung zu bedeuten hatte. Welche Erinnerungen in dem Moment die Kontrolle übernommen hatten… „Nicht immer kann unser Verstand beherrschen, was wir in unserem Herzen tragen.“, meinte Kito, was wohl irgendwie ein Aufmunterungsversuch sein sollte. Doch den betrübten Blicken der anderen nach zu urteilen, war er nicht ganz geglückt. Schon gar nicht bei Laura, die sich gegen Ariane lehnte und zu versuchen schien, das Schluchzen zu unterdrücken. Jack stöhnte auf und lehnte sich im Stuhl zurück. „Lass gut sein, Mini-Hulk. Solange das mit dem Teleport nun bei jedem klappt…“ Kito nickte, Eagle legte jedoch irritiert die Stirn in Falten. „Mini-Hulk? Nicht dein Ernst. Du kannst sie doch nicht nur wegen ihrer Hautfarbe mit Hulk vergleichen.“ „Wieso denn nicht? Hulk ist doch cool.“, fragte Jack verwirrt. Eagle schnaubte. „Ein Marvel-Fan also. War ja klar.“ Jack lachte auf. „Aaah, jetzt versteh ich, wo dein Problem liegt. Dieser DC gegen Marvel Krieg ist doch nicht ernsthaft immer noch am Laufen.“ Leicht perplex beobachtete der Rest diese eigenartige Situation, die eigentlich überhaupt nichts mit ihrer aktuellen Lage zu tun hatte und entsprechend fehl am Platz wirkte. Doch Jack ließ sich gar nicht davon beirren, dass es ursprünglich seine Erinnerungen waren, die für die bedrückte Stimmung gesorgt hatten, als er mit sehr tiefer, rauer Stimme meinte: „Seit seiner Kindheit ist der junge Häuptling ein Fan von mir. Sein großer Traum ist es, eines Tages ein Kämpfer für die Gerechtigkeit zu werden, verborgen im Schatten der Nacht, so wie ich einer bin. Ich bin Batman.“ „Jetzt reicht‘s aber!“, empörte sich Eagle. Bei seiner deutlich verlegenen Reaktion konnte Susanne nicht an sich halten und musste loslachen, genauso wie die anderen. Jack hatte wohl tatsächlich ins Schwarze getroffen, was Eagles Kindheitshelden betraf. „Den typischen Batman-Witz sollte ich mir jetzt wohl besser verkneifen, oder?“, stellte Jack fest, woraufhin Eagle plötzlich aufsprang, sodass das Geschirr klapperte. „Ich sagte, jetzt reicht’s!!!“ Erschrocken zuckte Susanne zusammen. Sie wusste nicht, was dieser ‚typische Batman-Witz‘ war. Aber es war nicht zu verkennen, dass Jack damit einen Nerv getroffen hatte. Sanft legte Öznur eine Hand auf Eagles Arm. „Liebling, beruhige dich wieder.“ „Erst wenn ich dem Arsch den Hals umgedreht habe!“ Dennoch setzte sich Eagle widerwillig wieder hin. Jack beachtete ihn schon längst nicht mehr und hatte stattdessen Kito zu sich rüber gewunken. „Komm, ich stelle dir Hulk mal vor.“ Neugierig beugte sich das Dryaden-Mädchen über das Smartphone-Display, auf dem sich kurz darauf eine Zusammenstellung von Szenen mit Hulk abspielten. Susanne hatte keinen dieser Filme gesehen und war entsprechend schockiert, wie Jack das süße Mädchen mit einer muskulösen, grünen Kreatur vergleichen konnte, welche einen Großteil Zeit nur am Brüllen war und Menschen, Autos oder andere Dinge in der Gegend herumschleuderte. Kitos Augen begannen zu leuchten. „Das ist Hulk?!“ „Jepp, das ist Hulk.“ Begeistert schaute das Dryaden-Mädchen zu Jack hoch. „Hulk ist cool!!!“ Ihr strahlender Blick sprach Bände, sodass es niemandem möglich war, das Lachen zu unterdrücken. „Der Vergleich kam nicht nur wegen der ähnlichen Hautfarbe, oder?“, fragte Jannik amüsiert. Jack grinste. „Nicht nur, das stimmt. Hauptsächlich dachte ich mir, wenn sie unseren geliebten Mettigel schon so sehr mag, dann garantiert auch Hulk.“ Das Lachen wurde nur noch stärker, besonders, da Eagle förmlich vor Ärger zu kochen begann. „Ich. Bring. Ihn. Um.“ Doch der Rest war viel zu eingenommen von Kitos süßen Schwärmereien von Hulk, um ihm groß Beachtung schenken zu können. Häufig wirkte das Dryaden-Mädchen durch ihre ruhige Art sehr erwachsen. Aber so, wie sie nun begann mit Johannes herumzualbern und ‚Hulk‘ zu spielen, war mehr als deutlich, dass sie nach wie vor ein Kind war. Ein Kind, was wohl nun ein großes Idol für sich entdeckt hatte. „Wenn du Marvel-Fan bist war dein Kindheitsheld vermutlich Spiderman, oder Jackie-Chan?“ Belustigt stieß Lissi Jack in die Seite und zwinkerte ihm zu. Irgendetwas daran schien wohl sehr witzig, denn plötzlich lachte Jack los und antwortete: „War er tatsächlich.“ Eigenartigerweise fanden ausgerechnet Carsten und Anne diese Aussage genauso amüsant und schienen zu versuchen, sich das Schmunzeln zu verkneifen. Verstimmt schüttelte Florian den Kopf, woraufhin nun auch Konrad lachen musste. „Tja Flo, mit so Leuten musst du in deiner Armee wohl nicht fertig werden.“ „So Leute werden bei mir in hohem Bogen rausgeworfen.“, erwiderte Florian leicht genervt. „Was fehlt denn jetzt noch?“, fragte Eagle und schien dankbar, endlich wieder das Thema wechseln zu können. Der Elb wies die beiden Kinder mit unangenehm strenger Stimme dazu an sich wieder hinzusetzen und meinte schließlich: „Einfacher wäre zu beantworten, welche Punkte wir bereits abgehakt haben. Und das ist kein einziger.“ Laura legte den Kopf schief, klang aber etwas verunsichert als sie meinte: „Wieso denn? Wir haben die Aufstellung und wissen, wo wir gegen Mars kämpfen müssen und wie wir dorthin kommen.“ Florian seufzte. „Wissen wir auch, wie das Ritual abläuft? Haben wir eine Taktik für den Kampf? Und wie gelangen wir zu Mars selbst, damit wir uns mit ihm in die tiefste Schlucht teleportieren können? Wer führt alles den Teleport aus?“ Eingeschüchtert wandte Laura den Blick ab, als sich Florians vorwurfsvolle Stimme direkt gegen sie richtete. Doch eine Antwort brachte sie nicht über die leicht zitternden Lippen. Laura schien diese Zurechtweisung wohl persönlicher zu nehmen als sie sollte. Und das, obwohl sie noch nicht einmal etwas für dieses Abschweifen konnte. Zum Glück beantwortete Carsten direkt die erste Frage und rettete Laura dadurch aus dieser unangenehmen Situation. „Im Idealfall schaffen wir es, Mars in der Mitte des Raumes einzukesseln und dass jeder bereits auf seinem Platz steht, sobald wir Benni befreit haben, damit das Ritual direkt beginnen kann. Wenn Jannik für die Einleitung den Blutzoll gezahlt hat, sollte für Mars ohnehin kein Entkommen mehr sein.“ „Es wird schwer, ihn während des Kampfes an einem einzigen Ort festzuhalten.“, sinnierte Susanne. „Besonders, wenn er weiß, was wir damit bezwecken.“ „Das stimmt, und wenn er seine Zerstörungs-Energie gegen uns einsetzt, haben wir ohnehin ein Problem. Da werden dann auch Magiebarrieren nicht viel bringen.“, gab Anne ihr recht. „Könnten Laura und Ariane seine Energie nicht aufhalten?“, schlug Jack plötzlich vor. „Was?!“ Der größte Unglauben und Schock kam von den beiden Mädchen selbst, deren Gesichter mit einem Schlag jegliche Farbe verloren hatten. „W-wie meinst du das?“, fragte Laura kleinlaut. „Gerade bei euch hatte Mars besonders große Angst, dass ihr euer gesamtes Potenzial entfalten könntet. Deswegen hatte er zum Beispiel auch bei dir versucht zu verhindern, dass du deine Dämonenform-Prüfung machst.“, erklärte Jack. „Finsternis-Energie kann Angriffe absorbieren, Licht-Energie kann sie reflektieren. Selbst die Zerstörungs-Energie dürfte davon nicht ausgenommen sein.“ „Das ist geisteskrank.“, warf Eagle ein. „Aber es ergibt Sinn.“, widersprach Lissi ihm. „Bennlèy hatte doch selbst mal gesagt, dass Lauch von uns allen ihre Energie am besten kontrollieren kann. Wenn sie die Angriffe der Zerstörungs-Energie rechtzeitig abfängt, dürfte uns also nichts passieren.“ „Und heute Vormittag hat sie das sogar unter Beweis gestellt.“, bestätigte Konrad. „A-aber…“, stammelte Laura, absolut verunsichert und von allen am wenigsten von sich und ihren Fähigkeiten überzeugt. Aufmunternd lächelte Jack sie an. „Hey, du bist die letzte, die daran zweifeln sollte. Selbst dein Schatz hat schon von deinem Beschützerinstinkt geschwärmt.“ Dieser Kommentar sorgte nicht nur dafür, dass Lauras Wangen einen tiefen Rotton annahmen, sondern auch, dass der Rest ein kollektives, gerührtes „Oooooh“ von sich gab. Mitfühlend lächelte Konrad Laura an. „Du und Ariane, ihr packt das schon. Ihr steht auch im innersten der Kreise, das heißt, ihr seid perfekt dafür geeignet Mars dort drinnen einzukesseln, bis Carsten es schafft Benni zu befreien und das Ritual beginnen kann.“ Dennoch halfen diese ganzen Argumente nicht, den beiden Mädchen Mut und Zuversicht zu geben. Besorgt fiel Susanne auf, dass Ariane sogar gegen die Tränen ankämpfen musste. Sie schien diesen Erwartungen noch weniger standhalten zu können als Laura und das sollte bekanntlich etwas heißen. Doch Florian nahm keine Rücksicht auf die Angst und Unsicherheit beider Mädchen. „Dann sollten wir darauf achten, dass Laura und Ariane möglichst aus den Kämpfen herausgehalten werden, die davor auftreten könnten. Ansonsten laufen sie in Gefahr nicht mehr genug Energie für das Ritual zu haben.“ Der Rest nickte, bis auf die beiden eigentlich Betroffenen. Doch auch Carsten wirkte noch eingeschüchterter als zuvor. Vermutlich, da er daran erinnert wurde, von wem der finale Schlag um Benni zu retten abhing. Nämlich von ihm. Bedrückt stellte Susanne fest, wie sehr diese Sachen eigentlich über ihre Köpfe hinweg beschlossen wurden. Und wie wenig Rücksicht der Rest dabei auf die Gefühle der drei nahm. Susanne hatte für sich selbst entschieden, Benni nach dem Ritual zu heilen. Und sie wusste, dass sie es konnte, solange sie einen von Mars‘ Untergebenen hatte, den sie an Bennis Stelle würde opfern können. Aber Carsten, Ariane und Laura? Niemand dieser drei ging davon aus, diese Fähigkeiten tatsächlich zu besitzen, die die anderen ihnen zusprachen. Niemand sagte von sich aus: ‚Es ist okay, ich kann das machen.‘ Man ließ ihnen einfach keine Wahl. Florian diskutierte derweil mit Konrad, Eagle und Anne, dass es sinnvoll wäre kleinere Gruppen für den Notfall einzuteilen. „Das ist absoluter Schwachsinn!“, erzürnte sich Anne. „Wir sollen auf eigene Faust einen Präventivschlag durchführen, um einen Krieg zu verhindern und den Dämon bannen?! Am Ende hat keiner von uns mehr die Energie für Carstens Zauber!“ „Banani hat recht, Mars wird alle Unterweltler auf uns loslassen, sobald er merkt, dass wir da sind.“ Lissi wandte sich fragend an Jack. „Gibt es irgendwelche Geheimgänge ins Schloss?“ „Wenn du durch den Abwasserkanal krabbeln willst, bitte. Ich nehme aber lieber den Vordereingang.“, erwiderte Jack sarkastisch. „Es kann doch nicht sein, dass es nur diesen einen einzigen Weg gibt. Oder willst du uns schon wieder Informationen verschweigen?“, meinte Eagle kritisch und nicht zuletzt auch vorwurfsvoll. „Ich habe euch keine Informationen verschwiegen.“, erwiderte Jack ruhig. „Natürlich gibt es alternative Wege, aber denkt ihr ernsthaft Mars ist so blöd und lässt die unbewacht? Über die oberen Etagen ins Schloss kommen zu wollen ist hirnrissig, da rennen wir erstrecht in alle Unterweltler hinein, weil dort so Sachen wie Kantine, Trainingsräume und Unterkünfte für sie sind.“ „… Eine Kantine in der Unterwelt stelle ich mir sehr komisch vor.“, kommentierte Laura schaudernd. „Ach, es geht. Aber einen Blick auf die Speisekarte willst du trotzdem nicht werfen.“, meinte Jack belustigt. „Du hast das Zeug aber nicht gegessen, oder?!“, fragte Öznur angeekelt, mit einem Hauch Hysterie in der Stimme. „Igitt, niemals. Ich hab nicht grundlos kochen gelernt.“ „Und was ist mit Geheimgängen die nicht an Menschenfressern vorbeiführen?“, kehrte Anne zum eigentlichen Thema zurück. „Wenn man es genau nimmt, gibt es sowas nicht.“, antwortete Jack. „Ich bin diesen Dingern zum Glück nie begegnet, aber Mars hat Viecher unter seiner Kontrolle, die man lieber nicht zum Feind hätte.“ „Noooch gruseligere Halloween-Monster?!“, fragte Johannes mit großen ungläubigen Augen. Jack antwortete daraufhin mit tiefer Schauer-Stimme: „Die schlimmsten von allen. Sie kriechen nur in der Finsternis aus ihren Löchern, auf der Suche nach Frischfleisch. Es heißt, wenn diese Kreaturen dir auch nur eine Verletzung zufügen, einen einzigen Kratzer, dann war es das für dich und du wirst eines elenden Todes sterben. Wenn sie nicht schon angefangen haben dich bei lebendigem Leib aufzufressen.“ Mit offenen Mündern schauten Kito und Johannes ihn an. Susanne konnte das Schaudern ebenso wenig unterdrücken und auch andere bekamen es mit der Angst zu tun. Seufzend verschränkte Konrad die Arme vor der Brust. „Das klingt genauso wie die Erzählungen über jene Monster, die nachts im zerstörten Gebiet ihr Unwesen treiben. Überraschend wäre es also tatsächlich nicht, wenn Mars auch solche Wesen unter seinem Kommando hat.“ „Sti-stimmt das?“, fragte Janine zitternd. „Ehrlich gesagt will ich’s nicht herausfinden.“, antwortete Jack wahrheitsgetreu. Das plötzliche Klingeln ließ einige von ihnen zusammenzucken, die ohnehin schon angespannt und eingeschüchtert waren. Während Jenny zur Tür eilte, meinte Öznur: „Okay, also ich bin auch für den Vordereingang.“ Viele nickten daraufhin, nur Laura erwiderte frierend: „Ich will überhaupt nicht da rein gehen…“ Aufheiternd klopfte Konrad ihr über Ariane hinweg auf die Schulter. „Diese Option haben wir leider nicht. Aber zumindest bekommen wir etwas Unterstützung.“ Lächelnd schaute er in Richtung Flur, der Rest folgte seinem Blick. Überrascht stellte Susanne fest, dass drei Personen den Raum betraten, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte jemanden wie Ituha oder Herr und Frau Bôss erwartet, oder vielleicht, dass Saya ihre Schlüssel vergessen hatte. Aber diese drei… An der Spitze stand eine junge Frau, die etwa in ihrem Alter sein müsste. Sie war, man konnte es nicht anders sagen, eine atemberaubende Schönheit. Rotes Haar fiel in wallenden Locken über ihre Schultern, ihre Figur war so kurvig wie die von Öznur, wirkte jedoch auch genauso athletisch wie Anne und selbst der schwarze eher pragmatisch und weniger figurbetont geschneiderte Kampfanzug gab dem keinen Dämpfer. Ihr Gesicht war sehr hübsch und doch wirkte ihr Blick ernst, was Susanne instinktiv an Benni erinnerte. Genauso strahlte sie eine gewisse Form der Ruhe und Stärke aus. Doch am auffälligsten waren ihre Augen, deren strahlendes Giftgrün die Macht zu haben schien, jeden Blick gefangen zu halten. So konnte Susanne nur mit Mühe wegschauen, um ihre beiden Begleiter genauer zu betrachten. Zu ihrer Rechten stand eine weitere junge Frau, die etwa Mitte zwanzig sein könnte aber durch ihre jugendliche Ausstrahlung deutlich jünger wirkte. Dies lag nicht zuletzt daran, dass ihr kurzer Bob blau gefärbt war und sie die Gruppe mit einem frechen aber gleichzeitig süßen Lächeln begrüßte. Doch der stechende Blick ihrer himmelblauen Augen machte deutlich, dass sie eigentlich eine eiskalte Kämpferin war. Sie hatte eher einen zierlichen Körper, wie Laura und Janine, wirkte aber um einiges größer, da sie alles andere als schüchtern einen Arm auf die Schulter der Rothaarigen gelegt hatte. Irgendwie war Susanne sofort klar, dass die beiden jungen Frauen ein Paar sein mussten. Der einzige männliche Begleiter schien im selben Alter wie das blauhaarige Mädchen. Er könnte ein Indigoner sein, zumindest ließ die dunkle, ledrige Haut vermuten, dass er sehr viel in sengender Hitze unterwegs war und die schulterlangen Haare waren pechschwarz. Ebenso der Vollbart, was ihn insgesamt eher rau und unfreundlich erscheinen ließ. Und doch wirkte der Blick in seinen bernsteinbraunen Augen eigentlich ganz nett, um nicht zu sagen liebevoll. Nachdem Susanne und die anderen für eine Zeit lang die Neuankömmlinge lediglich sprachlos angegafft hatten, ergriff die Rothaarige das Wort. „Ich bin Ria.“, stellte sie sich vor. „Und das sind Tatjana und Amarth. Es freut uns, euch kennenzulernen.“ Florian lächelte die drei an. „Schön, dass ihr es euch einrichten konntet zu kommen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)