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Demon Girls & Boys

von

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Die Dämonenbesitzer

Die Dämonenbesitzer

 

 

 

Nervös spielte Laura mit einer Strähne ihrer langen, honigblonden Haare und versuchte erfolglos zu verbergen, wie aufgeregt sie in Wahrheit war.

Nach und nach versammelten sich die Regions-Vertreter in dem Konferenzraum des Regierungsgebäudes in Indigo um den großen oval-förmigen Tisch. Aus ihrer Gruppe war bis auf Eagle noch kein weiterer anwesend, noch nicht einmal Carsten, was die Sache nicht gerade angenehmer gestaltete.

„Lange nicht gesehen.“

Laura hatte so auf den indigoblauen Teppich gestiert, dass sie erschrocken zusammenzuckte, als eine männliche Stimme sie begrüßte.

Als sie aufschaute und in die nachtschwarzen Augen von Jacob Yoru blickte, hatte sie wohl so einen dämlichen Ausdruck, dass dieser lachen musste. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Obwohl Laura vor Scham im Boden versinken wollte, war die Freude groß als sie erkannte, dass sich Jacob und Samira neben sie setzten. „Lange nicht gesehen!“, grüßte sie begeistert zurück, was das Ehepaar zum Grinsen brachte. Dennoch breitete sich auch Sorge in ihr aus. Das inzwischen allgegenwärtige beklemmende Gefühl, wenn sie mit den Gedanken irgendwie bei Benni war…

„Wie… wie geht es euch?“, fragte sie zögernd.

Jacob seufzte und richtete den Zopf, der seine weinroten Haare zurückhielt. „Den Umständen entsprechend würde ich sagen.“

Bennis Mutter antwortete gar nicht, doch Laura erhaschte einen kurzen Blick auf ihren Bauch, der inzwischen schon eine kleine Wölbung hatte.

„Und… ähm… dem Baby?“, ergänzte sie deshalb.

Samira lächelte. „Dem geht es gut.“

„Wisst ihr denn schon, was es wird?“, löcherte Laura weiter, sich an dem einzigen schönen Thema festklammernd, was diese Zeit zu bieten hatte.

„Der Arzt scheint sich noch nicht ganz sicher zu sein. Was würdest du dir denn wünschen?“, fragte Samira amüsiert.

„Hmmm…“ Laura überlegte. Eigentlich fände sie beides niedlich, sowohl einen kleinen Jungen, vielleicht sogar eine kleine Version von Benni, als auch ein Mädchen. Was sich Benni wohl wünschen würde? Bruder oder Schwester?

Doch leider konnte das Gespräch nicht weiter fortgesetzt werden, da O-Too-Sama den Raum betrat, zu ihnen rüber kam und Bennis Eltern höflich begrüßte, um einen Smalltalk mit ihnen zu starten.

Empört verschränkte Laura die Arme vor der Brust, schon wieder ganz auf sich allein gestellt. Und ihr erzählte O-Too-Sama immer so Kram von wegen höflich sein und nicht in Gespräche anderer reinplatzen. Pah.

Kurz darauf kam Herr Bôss an ihrem Sitzplatz vorbei und klopfte ihr belustigt auf die Schulter. „Wo ist der Rest?“

„In alle Winde verstreut.“, antwortete sie. „Kommen aber noch.“

„… Valentin auch?“

„Carsten wollte ihn abholen.“ Laura fand es komisch, dass Herr Bôss Jack immer noch bei dessen früherem oder anderem Namen nannte, oder warum auch immer Jack sowohl Jack als auch Valentin hieß. Aber nach dem, was Laura inzwischen so über ihn erfahren hatte… Da passte es schon, dass er seinen Namen geändert haben könnte. Vielleicht war das ja sowas wie ein Weg für ihn gewesen, mit der Vergangenheit abzuschließen?

Ihr und Herr Bôss‘ Blick fiel auf den Vertreter von Eau, als dieser meinte: „Die Dämonenbesitzer sind aber nicht gerade pünktlich.“

Die Vertreterin von Lumière schnaubte verächtlich. „Vielleicht müssen sie ja erst einmal wieder den Orangenen Skorpion einfangen.“

„Valentin hat mit dem gestrigen Vorfall nichts zu tun.“, nahm Herr Bôss ihn direkt und auch leicht verärgert in Schutz.

„Und woher wollen Sie das wissen?“

„Weil ich ihn zu genau dem Zeitpunkt im Krankenhaus besucht hatte.“, antwortete er schulterzuckend. Kopfschüttelnd setzte er sich hin, sodass zwei Plätze zwischen ihm und Laura frei blieben. Vermutlich für Carsten und Jack.

Kurz darauf ebbten alle Gespräche ab, als die Tür erneut aufging und nach und nach der Großteil ihrer Gruppe eintrat. Lissis überschwängliches „Hallo zusammen!“ ließ die Blicke umso kritischer werden und obwohl keiner davon auf Laura gerichtet war, wollte sie gerade am liebsten unter dem Tisch verschwinden. Janine war hinter Lissi und betrachtete die Menge nur kurz, während sie fast schon schützend die Hand über Kito legte. Wobei das Dryadenmädchen gar nicht mehr die oliv-grüne Hautfarbe hatte, wie Laura überrascht feststellte. Durch Magie oder Farbe hatte man ihr den typischen dunklen Ton der Indigoner verpasst. Vermutlich um zu vermeiden, dass sie alleine mit ihrem Aussehen verriet, dass die Dryaden doch nicht durch den magischen Krieg ausgerottet worden sind. Danach kam Susanne, die einen Arm um Öznur gelegt hatte, welche alles andere als ausgeschlafen und ruhig wirkte. Was nicht verwunderlich war, wenn man an das dachte, was gestern passiert war… Ariane, Jannik und Johannes bildeten das Schlusslicht, wobei Johannes genauso sorglos wie Lissi die Runde begrüßte.

Die erste die etwas sagte war die Vertreterin von Monde. „… Kinder?“

Konrad lachte auf. „So überraschend?“

Er und Florian beobachteten belustigt, wie die unwissenden Regions-Vertreter vollkommen von der Rolle zuschauten, wie sich diese Kinder nach und nach auf die andere Seite von Herr Bôss an den Tisch setzten. Nur Öznur ging als erstes zu Eagle, welcher wohl beschlossen hatte die Adels-Etikette ganz in den Wind zu schießen, als er sie auf seinen Schoß zog und ihr vor aller Augen einen sanften Kuss auf die Lippen gab.

O-Too-Sama gab einen seiner typischen Kommentare auf Japanisch von sich und nahm selbst endlich platz.

Weitere zehn Minuten verstrichen, in welcher absolutes Schweigen herrschte und man die Ungeduld vieler Regions-Vertreter deutlich spüren konnte. Schließlich öffnete sich die Tür erneut.

„Zocker-Onkel!!!“, rief Johannes erfreut und winkte, als er sah wie Jack den Raum betrat. Und dadurch wieder für absolute Verwirrung sorgte. Belustigt winkte Jack zurück und hielt die Tür offen, damit Carsten und Anne Sultana weiterhin stützen konnten und ihr auf den nächstbesten freien Platz halfen.

„Entschuldigt…“, setzte Annes Mutter schwer atmend an. „Ich… hatte etwas länger gebraucht…“

Direkt winkte der Vertreter von Cor ab. „Überhaupt kein Problem. Wie geht es Ihnen?“

So wie sie nach Luft rang und noch nicht einmal antworten konnte offensichtlich nicht sonderlich gut, bemerkte Laura betroffen.

Das dachte wohl auch Anne. Sie warf einen Blick auf Carsten. „Kannst du ein Auge auf sie werfen?“

Dieser nickte und setzte sich auf den freien Stuhl daneben, sodass es nun Anne und Jack waren, die sich zwischen Laura und Herr Bôss setzten.

Überrascht bemerkte Laura, dass Jacks rechter, ursprünglich gebrochener Arm gar nicht mehr geschient war, er aber auch nicht diese Lederschiene mit den Metallklauen trug, die er ansonsten immer anhatte, wenn sie ihn getroffen hatte. Es war irgendwie seltsam, ihn so unbewaffnet zu sehen… Wären die Bandagen an seinem linken Arm sowie die Pflaster für die restlichen Verletzungen nicht, würde er mit der schwarzen Jeans, seinen Biker-Boots und dem schwarz-grau-karierten Flanellhemd fast schon wie ein normaler Teenager aussehen. … Wobei er mit 20 noch nicht einmal mehr ein Teenager war.

Nachdem eine Weile immer noch keiner etwas gesagt hatte, räusperte sich der König von Ivory und ergriff das Wort. „Vielen Dank, dass Sie alle heute gekommen sind. Es bedeutet uns sehr viel, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben an dem heutigen Treffen teilzunehmen. Dabei gilt mein Dank natürlich insbesondere den jungen Dämonenbesitzerinnen und Dämonenbesitzern. Danke, dass Sie trotz der geläufigen Situation beschlossen haben diesen Schritt auf uns, auf ganz Damon zu zugehen. Seien Sie versichert, dass es sich lohnen wird. Einige von Ihnen kennen mich vermutlich noch nicht: Mein Name ist Alradon, ich bin das, was ihr ‚König‘ von Ivory nennen würdet.“ Er wies auf die junge Elbin neben sich, die mit ihrer hellen Haut und den dunklen gelockten Haaren genauso gut Schneewittchen sein könnte. „Meine Tochter Selen dürften Sie vielleicht bei dem Amtsantritt des Häuptlings zumindest gesehen haben.“

„Es freut mich.“ Mit einem wunderschönen Lächeln, wie es sich für eine Prinzessin gehörte, schaute Selen in die Runde.

Der König wies auf die Person links neben sich, ein Vampir mit alterslosem Gesicht, umrandet von langen, weiß-silbernen Haaren. „Dies ist Nicolae, der Senatsvorstand der Vampire aus Spirit.“

„Sehr erfreut.“ Er nickte, wirkte durch sein strenges Gesicht aber eigentlich nicht sonderlich froh.

„Ich nehme an, die Besitzer des Türkisen Einhorns und der Petrolen Fledermaus kennen Sie alle bereits.“, fuhr der König fort und verwies auf Konrad und Florian, welche ebenfalls nickten, sonst aber nichts dazu erwiderten.

Der König der Elben bedachte die Mädchen mit einem warmen Lächeln. „Ich kann mir vorstellen, dass es einigen von Ihnen schwerfallen wird, sich uns gegenüber vorstellen zu wollen. Doch wäre es möglich, wenn Sie ein bisschen über sich erzählen würden? Das würde es allen hier erleichtern die zukünftigen Retter Damons besser kennenzulernen.“

Bestätigend nickten die Regions-Vertreter, auch wenn einige davon immer noch sehr kritisch dreinblickten.

Während Laura bei der Vorstellung sich vor all den Leuten vorstellen zu müssen innerlich bereits starb, war sie froh, dass es auch weniger verschüchterte Leute aus ihrer Gruppe gab. So ergriff fast schon automatisch Lissi das Wort, die aber gar nicht so wirkte wie… Lissi. „Vielen Dank, Ihre Majestät. Es freut mich sehr, dass Damon endlich beschließt an einem Strang zu ziehen und dadurch den Dämonenverbundenen die Hand entgegenstreckt. Ich denke, ich kann auch im Namen meiner Freunde reden, wenn ich sage, dass wir uns dies schon lange gewünscht haben. Und wenn man bedenkt, dass der Großteil von uns noch nicht einmal in den Zwanzigern ist, können Sie sich vorstellen, dass ‚lange‘ für uns eigentlich ‚unser Leben lang‘ bedeutet. Wenn Sie gestatten, würde ich ganz gerne den Anfang machen und mich vorstellen: Mein Name ist Larissa, ich komme aus der Region von Eau und bin die Besitzerin des Blauen Wolfes, dem Herrscher über das Wasser. Sie können mich aber gerne Lissi nennen.“

Laura klappte die Kinnlade herunter. Wo konnte sie Lissi als zukünftige Leiterin des Siebenerrats in Yami eintragen lassen? Sie wäre dafür tausendmal besser geeignet als Laura!

Auch O-Too-Samas Blick nach zu urteilen schien er zu überlegen, ob er Lissi würde adoptieren können.

Ebenso wirkte die Vertreterin von Monde beeindruckt. „Hatten Sie nicht bei dem Amtsantritt des Häuptlings eine Kür in rhythmischer Sportgymnastik vorgetragen?“

Lissi nickte.

„Die war wirklich wunderschön gewesen. Sehr beeindruckend wie talentiert Sie bereits in Ihren jungen Jahren sind.“, warf der Vertreter von Eau ein.

Lissi lächelte dem Vorstand ihrer Region zu, wissend, wie sie sich von ihrer attraktivsten Seite zeigen konnte. „Vielen Dank, aber ich habe Ihnen zu verdanken, dass ich überhaupt an diesem Programm teilhaben durfte.“

Der Vertreter von Eau erwiderte das Lächeln. „Sehr gerne. Es wäre eine Verschwendung, wenn ein solches Talent untergehen würde.“

Wow. Laura hatte ja schon häufiger gesehen, dass Lissi gerade was Menschen und ihre Beziehungen zueinander betraf, ein extrem gutes Auge hatte. Aber sie war höchstens eine Viertelstunde in diesem Raum und hatte jetzt schon all die Verbindungen dieser Leute erkannt. Konnte bereits das Geflecht, das Netzt sehen, wie alle miteinander zusammenhingen. Und wusste genau, wo sie bei wem ansetzen musste, um das zu bekommen was sie wollte. Das war der Wahnsinn.

Der Vertreter von Eau wandte sich an Susanne. „Ich nehme stark an, Sie sind ihre Zwillingsschwester?“

Diese nickte. „Ich bin Susanne, die Besitzerin des Pinken Bärs, dem Herrscher der Heilung.“ Sie wies auf Janine neben sich, die scheu den Blicken aller auszuweichen versuchte und genauso wie Laura am liebsten gar nichts sagen würde. Den Wunsch erfüllte Susanne ihr. „Das ist Janine, die Besitzerin der Gelben Tarantel.“

Der Vertreter von Cor verstand als erster die Andeutung. „Sie sind aus Mur?“

Janine nickte.

„Wie sind die Lebensumstände dort?“, erkundigte sich die Vertreterin von Lumière. „Man hört nicht viel aus dem Inneren dieser Region…“

„Es ist… schwierig.“, war das Einzige, was Janine dazu sagte.

Mitleidig nickte die Vertreterin von Monde. „Ich möchte es mir gar nicht erst vorstellen müssen… Es… es ist schön zu sehen, wie Sie es trotzdem geschafft haben die Grenzen passieren zu können. Wie haben Sie das gemacht?“

„Ich… Meine… Mit Hilfe von Bekannten.“ Janine ballte die Hände zu Fäusten und auch den Augenkontakt vermied sie noch immer. Ganz offensichtlich war ihr dieses Gespräch alles andere als angenehm.

„Ich bin Ariane.“, stellte sich Nane schnell vor, damit die Regions-Vertreter Janine nicht noch weiter löchern konnten. „Die Besitzerin des Weißen Hais.“

„Aus Lumière, nehme ich an.“, merkte die Vertreterin ebendieser Region kritisch an.

Ariane blickte ihr fest in die Augen. „Ganz genau.“

Eine unangenehme Spannung lud sich in den Blicken zwischen den beiden auf. Die Vertreterin von Lumière war Laura noch nie sympathisch gewesen. Aber dass Ariane sie direkt jetzt schon aus dem Fenster katapultieren wollte, kam trotzdem überraschend.

„Ich bin Johannes!“, warf Johannes dazwischen, unbeeindruckt von der geladenen Atmosphäre. „Beherrscht vom Eis und besessen von Willi!“

Hä? Hatte er das mit Absicht so gesagt?

Zwei Sitze entfernt unterdrückte Jack erfolglos ein Lachen und auch Herr Bôss und einige andere von ihnen mussten schmunzeln.

Der Vertreter von Cor nahm dies zum Glück genauso mit Humor. „Willi ist der Lila Killerwal?“

„Ganz genau!“ Johannes hielt den Daumen nach oben. „Er findet es cool, dass wir nun endlich alle Freunde werden können.“

Die Vertreterin von Lumière verdrehte genervt die Augen, während der König von Ivory auflachte. „Ja, das finden wir auch, junger Mann.“ Er wandte sich an Kito. „Und Sie, kleines Fräulein?“

Das indigonisch aussehende Dryadenmädchen hatte sich zu Eagle gesetzt und war direkt aufgesprungen, um sich hinter dessen Stuhl zu verstecken, kaum als man sie angesprochen hatte.

Selen lächelte sanft. „Keinen Grund schüchtern zu sein, meine Liebe.“

Laura wusste, dass das keine Schüchternheit war. Den Elben würde sich Kito wahrscheinlich noch anvertrauen können, aber gegenüber Vampiren und Menschen… Da war sie trotzdem vorsichtig. Kito kannte die Geschichten vom magischen Krieg und da war es klar, dass sie große Angst um ihr Dryadenvolk hatte. „Ich… man nennt mich Kito…“, stammelte sie.

O-Too-Sama runzelte die Stirn. „Aber die Besitzerin des Grauen Adlers bist du nicht, also was…“

Eagle wuschelte Kito durch die Haare und übernahm für sie die Antwort. „Die des Farblosen Drachen.“

Ein Raunen ging durch den Raum. „Eufelias Nachfolgerin?“, fragte O-Too-Sama erstaunt.

Eagle nickte. Er hatte sich wohl mit Ituha und den anderen schon eine glaubwürdige Geschichte ausgedacht, die das Dryadenvolk weiterhin beschützen sollte. Denn er erklärte: „Anscheinend gibt es noch einige Nomadenstämme unseres Volkes, die in Obakemori leben. Kito kam vor kurzem hier her, um uns im Kampf gegen Mars zu unterstützen.“

„Ganz alleine?“, fragte die Vertreterin von Monde erstaunt.

Kito nickte.

„Das war sehr mutig von dir.“, lobte Selen sie freundlich. „Hattest du denn keine Angst?“

Kito schüttelte den Kopf und traute sich so langsam wieder zurück auf ihren Stuhl.

Der Blick der Vertreterin von Monde fiel derweil auf Öznur, die ihren Kopf gegen Eagles Schulter gelehnt hatte und immer noch ziemlich mitgenommen wirkte. „Der Rote Fuchs?“

„Öznur.“, antwortete Eagle, fast schon als wolle er diese Aussage berichtigen.

Mitleidig betrachtete die Vertreterin von Öznurs Region sie. „Der gestrige Vorfall…“

Eagle verstärkte seinen Griff um ihre Schulter und Taille. Sein Blick sprach so eine deutliche Warnung aus, dass auch die Regions-Vertreter einsahen, dass dieses Thema lieber nicht angesprochen werden sollte.

Schaudernd verschränkte Laura die Arme vor der Brust. Sie wollte es sich gar nicht vorstellen müssen, mit einem Schlag kein Zuhause mehr zu haben. Die ganze Lebensgrundlage verloren zu haben… Und dann waren auch noch die Dorfbewohner so ausgerastet! Wie hatte es nur so weit kommen können? Obwohl Carsten, Ariane und Eagle ihnen doch sogar geholfen hatten…

Als nächstes fiel der Blick vom Vertreter von Eau auf Jannik. „Wenn Ihr Vater der vorige Besitzer des Schwarzen Löwen war… Darf ich dann annehmen, dass Sie sein Nachfolger sind?“

Direkt bekam Laura eine Gänsehaut als sie erkannte, wer als nächstes an der Reihe war.

Natürlich schüttelte Jannik den Kopf. „Ich wurde nur vom Schwarzen Löwen gezeichnet, genauso wie Carsten… oder eher Crow.“

Die Vertreterin von Lumière runzelte die Stirn. „Wer ist dann…?“

Verschüchtert hob Laura die Hand. „D-das… das bin ich…“

Natürlich fiel den Unwissenden dabei alles aus dem Gesicht. „Prinzessin Lenz?!“

Die Vertreterin von Monde schaute O-Too-Sama erstaunt an. „Wussten Sie das? Dass Ihre Tochter…“

Dieser nickte.

Herr Bôss legte die Stirn in Falten. „Warum haben Sie gestern eigentlich nicht genauso wie Sultana der Unterzeichnung des Gesetzes sofort zugestimmt?“

Laura sank etwas weiter in ihren Stuhl hinein, in der Hoffnung verschwinden zu können.

Da antwortete O-Too-Sama: „Wäre es nicht verdächtig gewesen, wenn gerade ich sofort dem Gesetz zugestimmt hätte, nachdem der Schwarze Löwe vor zwölf Jahren erst 253 Bürger aus Yami getötet hat?“

… Stimmt, das wäre es. Überrascht blickte Laura auf, in O-Too-Samas blaue Augen.

Tatsächlich warf er ihr ein schwaches, dafür aber umso aus der Bahn werfenderes Lächeln zu, als er erklärte: „Hätte ich meiner Tochter damit nicht einer unnötigen Gefahr ausgesetzt, wenn die Unterzeichnung des Gesetzes doch nicht eingeleitet worden wäre?“

Tränen schossen in Lauras Augen. O-Too-Sama hatte sie mit seinem Zögern… beschützen wollen?! Schuldgefühle kamen in ihr hoch. Warum hatte sie das nicht gestern schon vermutet? Warum hatte sie direkt gedacht, dass es ihm wohl egal wäre was mit ihr passierte? Und dabei hatte er doch nur… Schlechten Gewissens senkte Laura den Blick.

Der Vertreter von Cor nickte betroffen. „Das ist durchaus nachvollziehbar. Und es macht noch einmal mehr deutlich, wie überflüssig es eigentlich ist, über das Gesetz noch diskutieren zu wollen.“

Konrad lächelte. „Schön, dass Sie inzwischen auch zu dieser Ansicht gekommen sind.“

Die Vertreterin von Monde seufzte. „Damit fehlt nur noch…“

Alle Augen richteten sich auf Jack. Dieser hatte eigentlich seit er sich hingesetzt hatte schon sein Smartphone außen gehabt und schien überhaupt nicht wirklich an den Gesprächen interessiert.

Und genau so klang auch seine Vorstellung. „Jack, Orangener Skorpion, Erde.“

Damit erntete er direkt kritische, um nicht zu sagen abfällige Blicke. Laura biss sich auf die Unterlippe und überlegte, wie sich diese angespannte Situation lösen ließe.

Jannik kam da wohl eine Idee. „Wie kommt es eigentlich, dass du Jack heißt und Herr Bôss dich immer Valentin nennt?“, fragte er, vermutlich in der Hoffnung, Jack damit etwas aus der Reserve zu locken.

„Weil ich früher Valentin hieß und jetzt Jack.“

Wow, er zeigte sich wirklich überhaupt nicht kooperativ.

Etwas verwirrt war Laura schon, wie er jetzt auf einmal gar keinen mehr an sich ranließ. Immerhin hatte er auch in ihren Reihen noch genug Leute, die gegen ihn waren. Und trotzdem hatte er ihnen von sich erzählt. Von seinem Leben und wie schwer er es seit seiner frühen Kindheit bereits hatte…

„Der gestrige Vorfall…“, setzte die Vertreterin von Monde an.

„War ich nicht.“, erwiderte Jack, ohne vom Smartphone aufzublicken. Laura verrenkte den Hals, nur um zu erkennen, dass es Tetris war, was er da spielte.

Herr Bôss seufzte. „Valentin, bitte.“ Er klang wie ein genervter Vater, der seinen pubertierenden Sohn an dessen Manieren erinnern musste.

Jack biss die Zähne zusammen und legte widerwillig das Handy zur Seite, als er zum ersten Mal wirklich in die Runde blickte. „Noch mehr Anschuldigungen?“

O-Too-Sama betrachtete ihn mindestens genauso kritisch wie der Rest. „Anschuldigungen keine, aber Fragen. Viele Fragen.“

„Gibt’s zumindest was zu gewinnen?“

„Akzeptanz und Freiheit vielleicht.“, schlug der Vertreter von Eau zerknirscht vor, woraufhin Jack auflachte. Ganz eindeutig glaubte er ihm kein Wort.

O-Too-Sama seufzte. „Denk dran, Junge. Trotz all dem bist du immer noch ein Verbrecher.“

Laura entging es nicht, wie die Regions-Vertreter direkt alle Formen der Höflichkeit bei Jack fallen ließen. Doch er selbst machte sich auch nicht gerade die Mühe, den gesellschaftlichen Normen Folge zu leisten.

„Soll das hier ne Gerichtsverhandlung werden?“, fragte er stumpf.

Die Regions-Vertreter tauschten einen Blick aus, bis die Vertreterin von Lumière schließlich sagte: „Eigentlich wäre es genau das, was du verdient hättest.“

Genervt stöhnte Jack auf. „Wie auch immer. Können wir das abkürzen? Schickt mir doch einfach ne Liste mit allen Anschuldigungen und ich hake ab, was ich gemacht hab. Was davon von Mars beauftragt war wird euch vermutlich gar nicht erst interessieren.“

„Was war denn von Mars beauftragt?“, fragte der Senatsvorstand der Vampire geduldig.

„Diese Liste ist zu lang.“, antwortete Jack mit einem schiefen Lächeln.

Der König von Ivory nickte. „Gut, dann fragen wir, welche nicht von Mars beauftragt wurden. Welche Morde haben Sie von sich aus begangen, ohne den Auftrag eines Drahtziehers im Hintergrund?“

Tatsächlich fiel diese Antwort überraschend kurz aus. „Mein Vater und der ehemalige Häuptling.“

„Der Mord an Chief war kein Auftrag des Purpurnen Phönix?“, fragte O-Too-Sama ungläubig.

„Nope, der geht auf meine Kappe.“

Eagle biss die Zähne zusammen. „Sag mal… bist du noch ganz dicht im Kopf?“

„Natürlich nicht. Dachte, das weißt du schon.“

Jacks Ruhe schien Eagle nur noch mehr zu provozieren. Er schob Öznur von sich runter, fast schon so, als würde er jeden Moment auf ihn losgehen wollen. Eagle richtete sich auf und wiederholte noch einmal, umso langsamer, als könnte er seine eigenen Worte nicht verstehen: „Du hast meinen Vater umgebracht. Und jetzt sitzt du hier und redest darüber als sei das keine große Sache?!“

„Das jetzt auch nun wieder nicht.“, erwiderte er, immer noch sehr gelassen.

Innerhalb eines Wimpernschlags hatte Eagle den Raum durchquert und packte Jack am Kragen des Karohemdes, um ihn vom Stuhl zu heben und gegen die Wand zu stoßen. In seiner Stimme hallte das Echo des Grauen Adlers, als er schrie: „Du bringst meinen Vater um, sagst, dass das von dir selbst ausging und-“

„Eagle, lass ihn los!“, rief Carsten aufgebracht.

„Sag du mir nicht, was ich zu tun habe!“, brüllte Eagle zurück.

Jack war immer noch überraschend gelassen. Er hatte sogar die Arme vor der Brust verschränkt als er fragte: „Ey, willst du wirklich ‘nen Kuss oder warum dringst du ständig in meinen persönlichen Freiraum ein?“

Angewidert stieß Eagle ihn noch einmal gegen die Wand, ließ ihn aber schließlich los. „Du bist absolut gestört.“

Jack bewegte probehalber den linken Arm und verzog leicht das Gesicht. Eagle hatte wohl die immer noch nicht verheilte Wunde an seiner Schulter erwischt.

Laura atmete auf und legte die Hand auf ihr rasendes Herz. Dieser plötzliche Angriff hatte sie wohl mehr erschreckt, als den Angegriffenen selbst.

Auf einmal lachte die Vertreterin von Lumière los. Jeder schaute sie verwirrt an, bis sie sich schließlich beruhigt hatte und mit einem abfälligen Blick zu den beiden jungen Männern sagte: „Und dafür sollen wir dieses Gesetz unterzeichnen? Um Damons Schicksal in die Hände von pubertierenden Kindern zu legen, die sich wegen alles und jedem an die Kehle gehen? Wie sollen sie so einen Krieg verhindern?“

„Was-“ Nicht sehr begeistert blickten Eagle und Jack zu der Frau rüber. Das gemeinsame Feindbild schien zumindest vorerst den Streit beigelegt zu haben.

Dieses Mal lachte Florian auf. „Tja, wie? Eine gute Frage. Vielleicht beantworten Sie alle hier das? Die erwachsenen Leute, die sich bei jeder Sitzung aufs Neue aufführen wie Kindergartenkinder, die sich um ein Spielzeug streiten.“

Die Vertreterin von Lumière war aufgesprungen. „Wie können Sie es wagen?!“

Auch O-Too-Sama war verärgert. „Das ist unerhört!“

Missbilligend schüttelte der Vertreter von Eau den Kopf. „Eine Frechheit.“

Und direkt wurde Florian das Ziel aller Empörungen. Laura kam diese Situation immer bescheuerter vor und sie hörte, wie sowohl Herr Bôss als auch Bennis Eltern neben ihr erfolglos versuchten ein Kichern zu unterdrücken. Auch das Ziel der Anschuldigungen selbst, also Florian, wirkte sichtlich amüsiert.

Jack machte sich gar nicht erst die Mühe das Lachen zu verbergen. „Okay, jetzt versteh ich, warum du ständig so austickst.“ Er klopfte Eagle auf die Schulter. „Ich würde auch die Krise kriegen, wenn ich mir dauernd dieses Geschrei anhören müsste.“

Verärgert schlug Eagle Jacks Arm zur Seite und traf genau die Stelle, wo sich vor wenigen Tagen noch eine tiefe Wunde befunden hatte. Und Jacks Blick nach zu urteilen immer noch befand.

Sein Kommentar ließ jedoch ihn wieder zum Magnet aller Blicke werden. Verstimmt schüttelte die Vertreterin von Lumière den Kopf. „Das ist mir zu bunt. Ich gehe. Hier unterzeichne ich gar nichts.“

Der Vertreter von Cor seufzte. „Madame Mam, beruhigen Sie sich. Wir haben doch schon festgestellt, dass uns keine andere Wahl bleibt. Es bleibt uns nichts anderes übrig als diesen jungen Leuten zu vertrauen, dass sie den Herrscher der Zerstörung werden besiegen können.“

„Genau. Und dafür brauchen sie unsere Rückendeckung.“, gab der König von Ivory ihm recht. „Alle haben ihre Streitpunkte, auch wir. Und trotzdem waren wir immer in der Lage zusammenzuarbeiten, wenn es darauf ankommt. Bei den jungen Herrschaften wird das nicht anders sein.“

Die Madame war alles andere als begeistert, dennoch musste sie sich eingestehen, dass der Elbenkönig recht hatte. Und somit setzte sie sich widerwillig zurück auf ihren Platz.

Eagle warf noch einen hasserfüllten Blick auf Jack, ließ ihn aber in Ruhe, um selbst zu seinem Platz zurückzukehren und auch Jack setzte sich wieder hin.

Bennis Vater schüttelte den Kopf und holte schließlich eine feste, weinrote Mappe hervor. „Hier ist das Gesetz. Wenn Sie es alle unterzeichnen, werden die Dämonenverbundenen ab sofort genauso behandelt wie alle anderen Bewohner Damons.“

Bis auf das Schnauben der Vertreterin von Lumière wurde bestätigend genickt. Nach und nach wurde die Mappe herumgereicht, und jeder der Regions-Vertreter unterschrieb auf dem dicken Papier.

Es war ein seltsames Gefühl, während Laura dies beobachtete. Beinahe unwirklich. Brauchten sie ab sofort tatsächlich keine Angst mehr haben, sich zu verraten? Waren sie nun wirklich sicher? So ganz glauben konnte sie das immer noch nicht…

Jacob hielt Laura eine weitere Mappe hin, dieses Mal in dunklem blau. „Reiche die bitte an Herr Bôss weiter.“

Mit einem flauen Gefühl im Magen nickte sie. Diese Bürgschaft wurde also wirklich ganz offiziell gemacht. Wollte sie wissen, was genau da drinnen stand?

Sie nahm die Mappe und gab sie an Anne, welche sie Jack neben sich reichte. Doch bevor Herr Bôss sie nehmen konnte, zog Jack seine Hand zurück. „Nein.“

Der Direktor seufzte. „Valentin, es ist alles in Ordnung.“

„Ich will wissen, was da drinnen steht.“

„Eine Rückversicherung, nichts weiter.“, antwortete Herr Bôss und öffnete die Hand, um die Mappe anzufordern.

Zähneknirschend erwiderte Jack seinen Blick… und öffnete sie schließlich selbst. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, als er den Inhalt dessen durchlas.

Herr Bôss kniff die Augen zusammen und rieb sich den Nasenrücken. „Valentin… Gib mir einfach diesen Zettel.“

„NEIN!“

Erschrocken zuckte Laura zusammen und beobachtete, wie Jack vom Stuhl aufsprang und zurückwich.

„Was soll der Mist?!“, rief er aufgebracht. „Sie wollen meine Todesstrafe übernehmen, sollte ich ab sofort irgendeine Scheiße bauen?!?“

Lauras Herz setzte aus. Er würde… was?

„Etwas, was du ohnehin nicht tun wirst. Also gib mir den Zettel.“ Erneut streckte Herr Bôss die Hand danach aus, doch Jack blieb stur. „Einen Scheiß werd‘ ich!“

„Valentin!“, donnerte Herr Bôss und mit Laura zuckte auch Jack selbst zusammen. Geräuschvoll atmete der Direktor aus. „Du wirst keine Scheiße bauen. Und deshalb kann ich das auch ohne etwas zu befürchten unterzeichnen.“

Jacks Hand um die Mappe verkrampfte sich und Laura merkte wie er zitterte, als er noch einen Schritt zurückwich. „Ich will das nicht… Ich will nicht, dass schon wieder jemand sein Leben für mich aufs Spiel setzt…“

So sehr wie seine Stimme bebte bekam sie automatisch Mitleid mit ihm. Bei seinem gebrochenen Ton brach auch ihr das Herz. Jack hatte einfach nur Angst um ihn… Er hatte Angst, durch Pech schon wieder jemanden zu verlieren…

Seufzend richtete sich Herr Bôss auf und legte eine Hand auf seine Schulter. „Ich setze mein Leben nicht für dich aufs Spiel.“

„Und was ist das dann?“ Jack hielt die Mappe hoch, zog sie aber fast schon nebensächlich aus Herr Bôss‘ Reichweite, als dieser danach greifen wollte.

Der Direktor lächelte. „Ein nerviges Formular was unterzeichnet werden muss, wie viele andere Zettel auch.“

Jack lachte schwach auf und schüttelte den Kopf. „Nix da, ich bin raus.“

Anne stöhnte auf. „Jack, du kannst nicht einfach so ‚raus sein‘. Wir müssen uns alle mit dieser Situation abfinden, ob wir wollen oder nicht.“

„Nein, ich hab die Schnauze voll. So knapp die Zeit für euch auch ist, der Orangene Skorpion findet garantiert jemanden, der besser dazu geeignet ist gegen Mars zu kämpfen. Jemanden, der nicht jeden um sich herum in den Untergang reißt.“

Auch Carsten war von seinem Stuhl aufgesprungen. „Jack, lass den Mist! Du reißt nicht jeden um dich herum in den Untergang!“

Jack lachte, fast schon hysterisch. „Nicht?“ Dennoch war der Blick den er Carsten zuwarf traurig. „Es gibt zwei Wege, nicht wahr? Den einen hab ich ausprobiert, der ist nichts für mich.“

Verwirrt beobachtete Laura, wie Carsten zitternd die Hand zur Faust ballte.

„Es gibt auch einen dritten Weg!“, warf Ariane ein, was Lauras Verwirrung nicht minderte.

Betrübt lächelte Jack. „Für Carsten vielleicht.“

„Nein, für jeden!“, widersprach Ariane ihm bestimmt. „Es… es ist nur der schwerste von allen.“

„Genau!“, gab Carsten ihr direkt recht. „Außerdem… Jeder hat eine zweite Chance verdient!“ Er wandte sich an Eagle. „Nicht wahr?“

Dieser schien ziemlich irritiert, plötzlich in der Diskussion mit drinnen zu stecken, erwiderte aber Jacks Blick. Ein Blick verzerrt von Verzweiflung und gleichzeitig wirkte er trotzdem so, als habe er sich mit seinem Schicksal schon längst abgefunden. Schließlich verschränkte Eagle seufzend die Arme vor der Brust. „Stimmt.“

… Das hätte Laura nun wirklich nicht erwartet. Dass sich Eagle im Prinzip für Jack aussprechen würde…

Jack selbst hatte damit wohl am aller wenigsten gerechnet. Und dennoch… Die Vergangenheit schien zu stark. Langsam schüttelte er den Kopf. „Ich hatte meine zweite Chance. Hab sie schon längst verspielt.“

„…Sicher, dass das nicht eigentlich erst deine erste war?“, fragte Carsten vorsichtig.

Laura merkte, wie das Zittern von Jacks Händen plötzlich aufhörte. Gleichzeitig biss er die Zähne zusammen. Ein unheimlicher, leerer Blick lag in diesen grasgrünen Augen, als er mit viel zu ruhiger Stimme antwortete: „Sicher.“

Sie schauderte bei dem Ton, der ohne Klang war. Diese Kälte, diese Leere…

In Herr Bôss giftgrünen Augen blitzte Zorn auf. „Verdammt noch mal Valentin, noch ein Wort und du fängst dir eine.“

Einen Moment lang hielt Jack dem Blick des Direktors stand. Doch dann lachte er schwach auf. „Versuchen Sie erst gar nicht in die Rolle meines Vaters zu schlüpfen. Wird Ihnen nicht gelingen.“

Innerlich hatte sich Laura bereits für einen Schlag gewappnet, doch irritiert stellte sie fest, dass dieser ausblieb. Stattdessen wandte sich Jack ab und reichte Jacob beim Vorbeigehen die Mappe. „Entsorge den Scheiß, ihr werdet ihn nicht brauchen.“

Niemand wagte es, etwas zu sagen. Es traute sich ja noch nicht einmal jemand zu atmen. War es das? War das Jacks Antwort auf die ganze Sache? Das Ende? Aber irgendwie… Erfolglos schluckte Laura die Tränen herunter. Nein, das wollte sie nicht! Nicht dieses Ende!

Als er an Carstens Platz vorbei kam dachte Laura für einen Moment, zumindest er würde versuchen Jack aufzuhalten. Sie hoffte es. Jedoch… So wie er die Hände auf dem Tisch abgestützt hatte, zu Fäusten geballt und zitternd, selbst den Tränen nahe, schien er nicht dazu in der Lage.

Dachte Laura zumindest, bis sich Carsten plötzlich umdrehte und Jack am Arm packte. „Lass das… Bitte…“

Seine gebrochene Stimme sorgte für ein trauriges Lächeln, als Jack meinte: „Keine Sorge, mein Nachfolger wird euch garantiert nicht so viel Drama machen.“

Carsten fletschte die Zähne und bei seinem zornigen Ton bekam es Laura mit der Angst zu tun, als er schrie: „Ernsthaft Jack, noch ein Wort und ich hau dir eine rein!“

Dieser lachte auf. „Bist du zumindest konsequenter als Herr Bôss?“

Und wieder… Es geschah nichts. Was nicht nur Jack deutlich verwirrte.

Bedrückt lächelte Carsten, als er meinte: „Zweite Chance vertan. Dabei will ich dir doch eigentlich keine reinhauen…“

So langsam realisierte Jack, was für ein Spiel die beiden mit ihm gespielt hatten und auch in Lauras Kopf begannen sich die Rädchen zu drehen. Diese ausbleibenden Reaktionen von Herr Bôss und Carsten schienen symbolisch für die Chancen zu stehen, die sie ihm ermöglichen wollten.

Der Direktor ging zu den beiden Jungs rüber. „Tja, und jetzt?“

Konrad grinste. „Klingt nach noch einmal versuchen.“

Jack biss die Zähne zusammen, als versuchte er das Zittern seiner ohnehin schon schwachen Stimme zu verbergen. „Ihr verdammten…“

Herr Bôss wuschelte ihm durch die Haare, ein trauriges Lächeln auf den Lippen als er meinte: „Noch ein Wort…“

Doch von Jack kam kein Wort mehr. Nur noch ein Schluchzen.

Laura wischte sich die Tränen von der Wange, während sie beobachtete wie Herr Bôss ihn locker aber bestimmt an sich drückte und Jack den Kampf gegen seine Gefühle komplett verlor. Das Gesicht in Herr Bôss‘ Schulter vergraben und doch konnten sie die Tränen sehen und den herzzerreißenden Schmerzensschrei hören.

Betreten senkte Laura den Blick, schaute auf den indigoblauen Teppich und fragte sich, wie viel Ungerechtigkeit einer einzigen Person widerfahren konnte. Wo war da das Glück? Der Hoffnungsschimmer?

„Er gibt sich wirklich für alles die Schuld…“, hörte sie Anne neben sich murmeln. „Für jeden noch so kleinen Scheiß.“

Traurig nickte sie. Beobachtete, wie sich Jack an das Hemd des Direktors klammerte, Hände und Schultern bebten durch das bittere Schluchzen. Wieder fiel ihr auf, wie seltsam es war ihn unbewaffnet, ohne seine Armschiene zu sehen. Wie verletzlich er dadurch wirkte…

Das war kein eiskalter Mörder. War er nie gewesen.

Laura merkte, wie die anderen an diesem großen Tisch Blicke austauschten. Blicke, die sie nicht zu deuten vermochte, bis Bennis Vater plötzlich die Mappe mit der Bürgschaft öffnete. Er hielt den Zettel hoch. „Denken Sie, wir brauchen das noch?“

Überrascht beobachtete Laura das einstimmige Kopfschütteln. Selbst die kritischeren Vertreter wie die Vorsitzende von Lumière lächelten schwach.

„Gut.“ Wieder reichte Jacob den Zettel an Laura, begleitet von einem kleinen Augenzwinkern.

Laura verstand was er wollte und dieses Mal war es ein erleichtertes Gefühl, als sie das Papier entgegennahm. Ohne es zu wollen fiel ihr Blick auf das Wort ‚Todesstrafe‘. Doch als sie ihre Finsternis-Energie freisetzte verschwand es, löste sich einfach so im Nichts auf. Genauso wie der ganze Rest vom Papier.

Lächelnd wandte sich der König von Ivory in Jacks Richtung. „Nutzen Sie ihre dritte Chance, junger Mann. Leben Sie sie.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Regina_Regenbogen
2021-04-16T22:43:54+00:00 17.04.2021 00:43
Zocker-Onkel! XD XD XD Geilster Kommentar.
Auch süß, wie unwohl sich Laura alleine fühlt, kann man nachvollziehen.
Oh, das ist echt süß, dass Eagle in dem Moment Öznur wichtiger ist als die Etikette.
Yay! Lissi! Hau sie um!
Oh mein Gott, dass Lauras Vater endlich mal seine Zuneigung zu seiner Tochter zeigt! Yay! Ich freu mich so!
Jack! XD Gibt's was zu gewinnen?
Oh verdammt, dass Jack Chief nicht umbringen sollte, hatte ich auch schon fast vergessen. Klar, dass Eagle da durchdreht, kann ich ihm ehrlich nicht verdenken.
Boah, Florian haut manchmal auch echt geile Sprüche raus. XD
Oh mein Gott, Jack! *schnief* Oh Mann. Genial, wie du es nur angedeutet hast und man nur durch das vorletzte Kapitel versteht, dass Jack hier darauf anspricht, sich das Leben zu nehmen. :'(
Schön, dass selbst Eagle Jack eine zweite Chance gibt und Anne versteht, dass er sich für alles die Schuld gibt.

Wah, das war so emotional mit Jack, ich ... ich könnte fast heulen. Oh Mann. Und das auch noch mit dem Lied, das du mir gezeigt hast, im Hinterkopf. (┬┬﹏┬┬) Oh Jack. Wie er geweint hat. Jack! Der süße Junge. Ich kann das grade nicht in Worte fassen, muss erst noch verarbeiten.

Antwort von:  RukaHimenoshi
17.04.2021 21:42
Haha, Johannes hat Jack während seiner Zeit im Kerker halt echt lieb gewonnen. Und Jack macht seinem Namen auch direkt alle Ehre und spielt nur Tetris X'D (Oooh, übrigens hatte ich hier mit Absicht einen Klassiker verwendet! Auch wenn es nicht so offensichtlich ist, sollte das eine kleine Hommage an Grauen-Eminenz werden. (ノ◕ヮ◕)ノ*:・゚✧❤)

Und ja, es durften in diesem Kapitel mal einige glänzen! \(^-^)/ (Okay, die Queen glänzt sowieso immer (´▽`ʃ♡ƪ) ) Florian hat aber auch einfach seinen Spaß damit, die Regions-Vertreter mit so Kommentaren aufzuziehen. X'D Das ist auch der Punkt, den ich an ihm am meisten mag. Er provoziert diese Leute gerne mal, da er auch weiß, dass das für ihn keinerlei Konsequenzen hat. XD

Es freut mich sehr, wie die Szene mit Jack ankam. Viel Liebe und Kraft zum Verarbeiten! ༼ つ ◕_◕ ༽つ❤ Und ja, als ich dir dieses Lied geschickt hatte, war schon mein Gedanke: "Wenn sie jetzt noch wüsste, wie gut es ausgerechnet zu diesem Kapitel passt... இ௰இ"
Carsten hat Eagle da echt in ne blöde Situation befördert. XD Aber an sich sollten wir eigentlich mal Ariane in diesem Moment die Krone aufsetzen! 👸 (*Lissi zollt Ariane ihren größten Respekt*) Sie hat da so geschickt reagiert, mit ihrem Einwurf, dass es auch einen dritten Weg gäbe und nur durch ihr Gespräch mit Eagle, hatte dieser eine Ahnung was genau da eigentlich abgeht und wie wichtig es nicht nur für Jack sondern auch für Carsten ist, ihm in diesem Moment die zweite Chance zu geben.
Aber der King ist und bleibt hier natürlich Herr Bôss (und Carsten, er ist der Prinz XD), der Jack einfach mal ne geballte Ladung Liebe gibt. Und Cuddles ಥ_ಥ ❤
Antwort von:  Regina_Regenbogen
17.04.2021 23:33
Oh mein Gott, eine Hommage an Grauen-Eminenz! Er wird ausrasten, wenn er das hört! XD Ich fühl mich voll geschmeichelt. Jetzt muss ich mir eine Hommage einfallen lassen. Ich brauche Ideen. Her damit! XD
Im Übrigen finde ich es auch metaphorisch sehr schön, dass er Tetris spielt, da in diesem Kapitel ja viele Teile, die vorher nicht zusammenpassten, zusammenfinden. ;D Yay!

Ja, Florian ist voll die Queen of Bitch. XD

Ich glaube auch, dass ich die Szene noch mal lesen muss, um die ganze Tiefe ausreichend wertzuschätzen von dem, was Carsten und Herr Bôss da getan haben.
Hab es jetzt noch mal gelesen und habe den Eindruck, da steckt noch mehr hinter dem Verhalten von Herrn Bôss und Carsten, als ich es bisher erfassen kann. Würde mich über Hintergrundinfos freuen. :D
Antwort von:  RukaHimenoshi
18.04.2021 00:09
Hahaha, ich glaube, sowas kann nur spontan und intuitiv kommen. X'D
Aber stimmt, krass! Dass er Tetris spielt ist ja nochmal tiefgründiger! Du Interpretations-Genie!!! /(°o°)\

X'D X'D X'D X'D X'D Schon alleine durch diesen Titel ist Florian im Ansehen gerade voll durch die Decke geschossen! XD

Hihihihi, ich kann seeehr gerne etwas ausschweifender werden, was diese Szene betrifft. 🤭
Also zuallererst hoffe ich natürlich, dass diese symbolische Darstellung von "einer dritten Chance" irgendwie rüber kam. Das hatte mir echt Schwierigkeiten bereitet, in einer so emotionalen Szene auch noch eine Erklärung einzubauen. (/▽\) Aber deshalb jetzt nochmal im Detail: Jack hat ja davon gesprochen, dass er seine zweite Chance schon längst vertan hat, was Carstens Argument "Jeder verdient eine zweite Chance" zunichte macht. Herr Bôss ist daraufhin nur noch so nach dem Motto "Hör auf so nen Scheiß zu labern.", nur halt in netter ausgedrückt. XD Und droht Jack im Prinzip Gewalt an, obwohl er natürlich nie vorhaben würde ihn zu schlagen. Ob er in dem Moment schon ahnte, dass Carsten das aufgreifen wird weiß ich selbst nicht. ^^" Da Jack aber dann doch was gesagt hat, hat er seine erste Chance verspielt - bekommt von Herr Bôss aber die zweite Chance ermöglicht, indem dieser eben nicht reagiert. Aber als er dann auch nach Carstens "Drohung" einfach weiter gefaselt hat, hat er auch die zweite Chance vertan, wie Carsten ja selbst gesagt hat. Aber da Carsten ihm genauso wenig wehtun will, machen sie Jack deutlich "Junge, uns ist scheiß egal ob du die zweite Chance verspielt hast oder nicht. Wir wollen dir einfach nur einen Neuanfang ermöglichen, also einfach eine neue Chance." Genau, so viel dazu. XD Wie gesagt, ich fand es ziemlich knifflig, diese Erklärung da auch noch einzubauen. XD
Noch dazu war mir sehr wichtig, dass Jack in dieser Szene keine Gewalt erfährt. Sowohl Herr Bôss als auch Carsten drohen ihm ja, ihm eine zu wischen, und Jack ist nur so nach dem Motto "Ja, whatever." - was nicht verwunderlich ist nach allem, was er erlebt hat. Schließlich ist er es gewöhnt, bei "Fehlverhalten" bestraft zu werden. Herr Bôss und Carsten weichen dadurch natürlich total von seinen sonstigen Erfahrungen ab. Dieser Part wird zwar nicht so explizit angesprochen wie dieses "Chancen-Spiel" der beiden, aber es war mir extrem wichtig zu zeigen, dass sie aus dem für Jack bekannten Muster ausbrechen und ihm ein Leben wünschen/ermöglichen wollen, in welchem er nicht in irgendeiner Weise verletzt wird.
Jaaaa, das waren so meine Grundgedanken bzw. Botschaften, die ich in dieser Szene rüberbringen wollte. 🙈
Antwort von:  Regina_Regenbogen
18.04.2021 01:26
XD Ich liebe einfach Interpretationen.

Ich finde, das passt einfach zu Florian, er ist einfach so bitchig.

Also ich kann sagen, dass das auch genau die Gedanken/Botschaften sind, die rüberkommen. :D Sowohl das mit der Chance, als auch und besonders das mit der Gewalt, die eben nicht angewendet wird. ;D
Antwort von:  RukaHimenoshi
18.04.2021 08:50
Nice, dann hab ich mein Ziel tatsächlich erreicht! 💪
Wobei ich dich dann enttäuschen muss, falls du irgendwie mehr Tiefgründigkeit hinter dem Verhalten von Herr Bôss und Carsten erhofft hast. Zumindest bewusst habe ich mir ansonsten nichts weiter dabei gedacht. (/▽\) Aber vielleicht lassen sich ja noch ein paar Dinge da rein interpretieren. ;)


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