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Demon Girls & Boys

von

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Der Wert von Freundschaft

Der Wert von Freundschaft
 


 

Seufzend verließ Jack die Dusche und betrachtete den Schnitt über seiner Brust im Badspiegel, während er sich mit einem Handtuch die Haare abtrocknete. Er hatte richtig Schwein gehabt, dass Eagle und Carsten durch den Kampf von Benedict und Laura zu abgelenkt waren, um weiterhin gegen ihn kämpfen zu wollen. Ansonsten hätte er sehr schnell Schwarz gesehen, selbst wenn er ernsthaft gegen sie gekämpft hätte.

Doch so war dieser Schnitt die einzige Verletzung, die er aus dem Kampf davongetragen hatte und er sah inzwischen auch nur noch wie ein leichter Kratzer aus. Seinen Regenerationsfähigkeiten als Dämonenbesitzer sei Dank fiel er unter den ganzen Narben auf seinem Oberkörper kaum mehr auf.

Noch bevor sich Jack gänzlich hatte abtrocknen können klopfte es gegen seine Zimmertür. „Wo bleibst du? Mars möchte dich sehen.“, tönte von außen Max‘ Stimme.

Jack verdrehte die Augen. „Ich komm gleich, muss mir nur noch was anziehen.“

„Du weißt, er wartet nicht gerne.“

„Wenn er mich nackt empfangen will, bitte.“, erwiderte Jack.

Er hörte, wie Max daraufhin wieder verschwand.

Seufzend kramte Jack Kleidung aus seinem Schrank, schlüpfte in diese hinein und verließ sein Zimmer.

Sie befanden sich in der Unterwelt in einer Art unterirdischen Schlosses. Die steinernen Wände wurden lediglich von an der Wand befestigten Kerzen erhellt und Jack wollte nicht wissen, welches arme Schwein dafür verantwortlich war sich um diese Kerzen zu kümmern. Immerhin die Zimmer wirkten normal und es gab sogar Strom. Was zwar erstaunlich war, aber auch bitter nötig. Jack hatte eine große Vorliebe fürs Zocken und das wäre in einem Reich ohne Strom leider nicht wirklich möglich.

Jack ging die langen schmalen Gänge entlang, bog an mehreren Ecken ab und stand schließlich vor einer Tür, welche opulent mit einem purpurnen Phönix verziert war. Wahrscheinlich, damit auch der letzte Volldepp kapierte, dass sich dahinter die Räumlichkeiten des Purpurnen Phönix befanden, welche man ohne Erlaubnis besser nicht betreten sollte.

Doch Jack konnte kommen und gehen wie es ihm beliebte.

Dennoch klopfte er gegen die Tür bevor er sie öffnete. Der Zwischenraum den er danach betrat war mit seinen Säulen, dem Stuck an der Decke und den Gemälden an den Wänden viel herrschaftlicher, als der Rest dieses Untergrundschlosses. Er wirkte viel schlossiger.

Die nächste Tür durch die Jack trat war ebenso nobler und die nächste und die nächste…

Jack fühlte sich wie in Chihiros Reise ins Zauberland, wo Chihiro auf dem Weg zu Yubabas Arbeitszimmer war. Ob der Purpurne Phönix sich davon hatte inspirieren lassen, als er dieses Schloss errichten ließ? Immerhin zog ihn keine unsichtbare Macht durch diese Türen. Das wäre dann doch zu viel des Guten.

Endlich war er bei der letzten Tür angelangt und kam in einen herrschaftlichen Salon, welcher mit Gold und anderem Herrschaftsgedöns möbliert und verziert war.

Mars thronte in seiner Menschengestalt auf einem Kanapee als sei er ein römischer Kaiser. Zum Glück trug er keine Toga, sondern lediglich ein edles weißes Hemd und schwarze Hosen. Über der teils sichtbaren Brust hing der Anhänger einer Kette, welche Mars um den Hals trug. Der Anhänger symbolisierte Mars‘ Zeichen. Es war ein Schwert, dessen Griff eine Art Dreizack darstellte.

„Da bist du ja endlich.“, kommentierte Mars Jacks Verspätung mit seiner tiefen von Macht durchtränkten Stimme.

Wahrscheinlich würde jeder nun das große Zittern bekommen, vor ihm in die Knie gehen und demütigst um Verzeihung bitten. Doch Jack war das schon gewöhnt.

Ungerührt schaute er in Mars‘ dämonische Augen, die rot zu leuchten schienen. Der Augapfel war ein düsteres Purpur, was seinen Blick, seine gesamte Ausstrahlung umso gefahrvoller wirken ließ.

Mars fuhr sich durch die langen purpurnen Haare, welche ihm bis zu den Schulterblättern reichten. „Du weißt doch, ich brenne vor Neugier. Und? Wie ist die Mission verlaufen?“

Monoton lieferte Jack einen detaillierten Bericht der Mission ab. Als er geendet hatte, grinste Mars lediglich. „Hauptsache er hat die Prinzessin davon abgehalten die Dämonenform zu erlangen.“

„Du tadelst ihm nicht, dass er davor nur gespielt hat? Oder dass er sie vor dem Indigoner beschützt hat?“ Natürlich hatte Jack bemerkt, dass Benedicts letzter ‚Angriff‘ auf Laura nur zu deren Schutz diente.

„Weshalb sollte ich?“ Mars zuckte mit den Schultern. „Er hat niemandem etwas über uns erzählt und seine Mission erfolgreich abgeschlossen. Mehr habe ich nicht verlangt.“

Jacks Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln. „Dass dir so viel daran liegt, dass die Kleine bloß nicht ihre Dämonenform bekommt. Du scheinst ja ganz schön Angst vor ihr zu haben. Ist sie denn so gefährlich? Bisher hat sie auf mich immer erbärmlich schwach gewirkt.“

Mahnend hob Mars einen Zeigefinger. „Unterschätz sie lieber nicht. Leo ist ein sehr anspruchsvoller Typ. Die Kleine muss irgendwelche verborgenen Talente haben, ansonsten hätte er sie niemals als seine Dämonenbesitzerin auserkoren. Und dem zufolge was du berichtet hast, hat sie innerhalb der letzten Monate eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht.“

„Und?“

„Wir müssen vorsichtig sein, was sie betrifft. Ich bin mir sicher, hätte sie ihre Dämonenform würdest selbst du dir mit ihr schwertun.“

Kritisch runzelte Jack die Stirn. Die Kleine? Wirklich?

Nach einigem Nachdenken erwiderte er schließlich: „Stimmt schon, sie hat sich gar nicht mal so schlecht geschlagen. Obwohl Benedict ganz offensichtlich nicht alles gegeben hat. Aber wenn wir schon dabei sind: Die Besitzerin des Weißen Hais scheint auch nicht ohne.“

Mars nickte. „Bei ihr können wir von Glück reden, dass sie niemanden hat der ihr die Nutzung ihrer Licht-Energie beibringen kann. So wie Finsternis die Angriffe absorbieren kann ist Licht in der Lage diese zu reflektieren. Würdest du die Besitzerin des Weißen Hais mit einem gewöhnlichen Schlag angreifen und sie wehrt diesen mit der Licht- Energie ab, würde dein Arm den ganzen Impuls abbekommen.“

Jack verzog das Gesicht. Das klang ja sehr berauschend. „Also müssen wir darauf achten, dass Laura und Ariane in Schach gehalten werden und nicht ihr volles Potenzial ausleben dürfen.“

Wieder nickte Mars. „Wie kommst du ansonsten mit Benedict klar?“, erkundigte er sich schließlich. „Immerhin ist er grob in deinem Alter und nicht so neben der Spur wie Max.“

Jack schüttelte den Kopf. „Max ist nur wegen dir so neben der Spur.“ Schulterzuckend fügte er hinzu: „Keinen Plan, was mit Benedict ist. Er hat in diesen zwei Wochen kein Wort zu mir gesagt. Ich bin es leid der Dumme zu sein, der ignoriert wird. Wenn Benedict keinen Bock auf mich hat ist mir das Recht so. Hauptsache ich hab meine Ruhe.“

Tatsächlich hatte Jack zu Beginn hin und wieder noch versucht gehabt ein Gespräch zu starten. Immerhin schien Benedict so mit der einzige hier zu sein, mit dem man sich endlich mal halbwegs gescheit unterhalten konnte.

Dachte Jack zumindest.

Jedoch hatte er ständig das Gefühl gehabt bei Benedict gegen eine Wand zu reden. Jack war nie der gesprächigste gewesen, aber das hieß nicht, dass er Kommunikation gegenüber gänzlich abgeneigt wäre. Jedoch wirkte Benedicts Wortkargheit schon nahezu krank.

Mars kicherte auf Jacks Kommentar hin lediglich. „Vielleicht werdet ihr ja noch warm miteinander. Ich dachte, du hättest dir schon so lange Freunde gewünscht.“

Jack schnaubte. „Weshalb sollte ich das? Ich brauche keine Freunde, sie behindern mich nur unnötig. Hat man doch heute wieder gesehen, wo sich Benedict für das kleine Prinzesschen hat aufspießen lassen. Er ist ja auch an sich nur unfreiwillig zu uns gekommen, weil er seine ach so tollen ‚Freunde‘ beschützen möchte. Freundschaft ist nichts als eine Schwäche.“

Mars schien zufrieden mit seiner Reaktion, denn er reagierte daraufhin mit einem wohlwollenden Nicken. „Recht hast du. Nun denn, ich möchte dich nicht weiter von deinen Freizeitaktivitäten abhalten. Wenn der nächste Auftrag ansteht werde ich dich rufen lassen.“

Jack deutete eine kleine Verbeugung an und verließ Mars‘ Gemächer wieder.

Mars war ein komischer Vogel. Auch wenn die Angst vor ihm mit der Zeit abgestumpft war, wollte sich Jack den Dämon lieber nicht zum Feind machen. Da war er eigentlich ganz froh, auf der Seite der ‚Bösen‘ zu sein.

Aus irgendeinem Grund bog Jack beim Entlanggehen der mit Kerzen bestückten Gänge nicht in Richtung seines Zimmers ab, sondern folgte dem Gang einige Abzweigungen weiter zu Benedicts Zimmer.

Er wusste nicht, wieso. Eigentlich hatte er keinen Bock auf ihn. Er hatte keinen Nerv dazu wieder einfach nur wie Luft behandelt zu werden. Und dennoch… Irgendwie machte dieser Junge ihn neugierig. Jack hatte für gewöhnlich eine recht gute Menschenkenntnis, doch was in Benedicts Kopf vorging konnte er nicht entschlüsseln. Er war für ihn wie ein Rätsel.

Noch während er sich dem Zimmer näherte vernahm er eine Melodie, welche von einem Piano gespielt wurde. Etwas irritiert stellte Jack fest, dass diese Melodie aus Benedicts Zimmer kam. Über gewisse Quellen wusste er zwar über dessen Musiktalent Bescheid, dennoch war es etwas anderes, das auch wirklich erleben zu dürfen.

Benedict spielte wirklich sehr gut Klavier. Irgendwie lag in der Musik ziemlich viel Gefühl, obwohl er niemals einen so emotionalen Eindruck auf Jack gemacht hatte. Die Melodie war wunderschön und auch ein bisschen traurig, aber zugleich auch sehr kraftvoll. Und… Jack kannte sie.

Nachdem sie geendet hatte klopfte Jack zögernd an und trat ein. Tatsächlich saß Benedict an einem Piano, welches er wahrscheinlich irgendwie von Mars bekommen hatte.

Er warf Jack wie immer seinen gänzlich ausdruckslosen Blick zu.

Jack wies auf das Piano. „War das aus Prinzessin Mononoke?“

Tatsächlich konnte er eine Reaktion von Benedict hervorbringen. Ein Nicken! Wow. Es gab doch noch Zeichen und Wunder.

Ohne überhaupt um Erlaubnis zu bitten setzte sich Jack auf Benedicts Schreibtischstuhl. „Könntest du das Lied nochmal spielen? Ich mag’s und du spielst richtig gut.“

„Was willst du?“

Ach, so klingt seine Stimme also., bemerkte Jack. Wobei er noch nie so etwas Gefühl- und Tonloses gehört hatte. Aber hey, er hatte was gesagt. Er hatte Jack endlich mal nicht wie Luft behandelt. Das war doch schon mal ein Anfang. Vielleicht würde er ihn nach diesen zwei Wochen absoluten Schweigens endlich mal so langsam aus der Reserve locken können.

„Ich will nur das Lied nochmal hören.“

Benedict gab sich wirklich geschlagen und spielte das Lied erneut. Jack nutzte die Gelegenheit, um ihn derweil zu beobachten. So viel Gefühl in dem Lied lag, so wenig konnte man seiner Mimik oder Gestik ansehen. Es wirkte beinahe so, als lägen alle von Benedicts Gefühlen in dieser Musik und nicht in ihm selbst.

Als das Lied fertig war, musste Jack lächeln. Ob er darüber seine Gefühle zum Ausdruck brachte? Er wollte es herausfinden. Verdammt, warum war Jack nur so neugierig? Das war für gewöhnlich überhaupt nicht seine Art.

„Du spielst echt richtig gut. Ich wette, wir würden mit dir mehr Kohle verdienen, wenn wir dich als Pianisten in einen Konzertsaal stecken.“

Darauf erwiderte Benedict nun wieder nichts.

Jack versuchte es über einen anderen Weg. „Magst du die Filme von Hayao Miyazaki?“

Ein Nicken. Wow, das wirkte ja schon beinahe wie ein normales Gespräch im Vergleich zu sonst!

„Und sonstige Animes?“, hakte Jack nach.

Nach einer Weile überwand sich Benedict tatsächlich zu einer Antwort. „Ich bevorzuge Manga.“

Jack lachte auf. „Wirklich? Cool! Welche zum Beispiel?“

Benedict schien zu überlegen. „Meitantei Konan. Oder auch Death Note.“

Jack konnte seinen Ohren kaum trauen. Er brachte Benedict tatsächlich über das Thema Mangas und Animes zum Reden? Irgendwie war das doch gerade ein schlechter Witz, oder?

„Die sind wirklich gut, auch wenn mir Detektiv Conan viel zu lang geht. Der Mangaka soll endlich mal zum Schluss kommen. Aber Death Note ist der Hammer, das kann nur schwer übertroffen werden. Wobei ich lieber die Animes sehe. Natürlich auf Japanisch mit Untertitel. Die anderen Synchros sind schrecklich. Was hältst du von Naruto?“

„Der Protagonist ist mir etwas zu sorglos. Aber ansonsten auch sehr gut.“

Grinsend stellte Jack fest, dass er es endlich gepackt hatte. Er hatte endlich ein Gespräch mit Benedict anfangen können. Wer in aller Welt hätte gedacht, dass das über Animes und Mangas funktioniert?

„Den Charakter selbst find ich auch schrecklich, wobei mich sein Starrsinn irgendwie auch beeindruckt. Ich glaube, Kakashi ist so der beste von allen.“

Wieder nickte Benedict.

Jack überlegte einen Moment. „One Piece?“

„Nicht schlecht, jedoch stören die unrealistischen Proportionen.“

Jack konnte nicht anders, als loslachen zu müssen. „Genau meine Meinung.“ Er seufzte. „Du sprichst Japanisch, oder? Das heißt du kannst alles in Originalsprache schauen ohne Untertitel benutzen zu müssen. Das ist echt beneidenswert.“

„Warum lernst du es nicht?“

Jack hielt einen Moment lang inne. „Eigentlich keine so blöde Idee. Aber ich bin nicht gerade ein Autodidakt und wer soll mir das bitteschön beibringen? Lukas? Brr, Gnade.“

Benedict seufzte und schaute ihn wieder mit diesem ausdruckslosen Blick an. „Wirklich: Was willst du?“

Auch Jack musste seufzen. So ganz hatte er ihn also doch nicht aus der Reserve locken können. Aber immerhin reagiert er inzwischen schon auf ihn.

„Um ehrlich zu sein bin ich einfach neugierig.“, antwortete Jack wahrheitsgetreu. „Warum bist du hier, obwohl du dich hier offensichtlich nicht wohl fühlst? Warum nimmst du das für die zwei auf dich? Ich verstehe es nicht.“

„Weil die Alternative schlimmer wäre.“

„Du meinst, wenn die beiden getötet würden?“

Benedict nickte.

„Aber warum würde man soweit für ein oder zwei Menschenleben gehen?“

„Hattest du je Freunde?“, stellte Benedict eine Gegenfrage.

„Autsch.“ Jack verzog spöttisch das Gesicht. „Nicht wirklich, nein. Im Kindergarten gab’s ein zwei bis drei Jahre jüngeres Mädchen, mit dem ich mich ziemlich gut verstanden habe, falls das zählt. Aber sehr lange hielt diese ‚Freundschaft‘ nicht an, denn kurz darauf wurde ich von dem was sich mein Vater schimpfte auf die Höllenanstalt geschickt.“

„Das FESJ?“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

Und Jacks Gedanken setzten aus. Im Bruchteil einer Sekunde stieg blinder Hass in ihm hoch und ohne zu realisieren was er tat fuhr er die Klauen aus seiner Armschiene aus und griff Benedict an.

Kurz bevor er ihn treffen konnte wich dieser seinem Angriff jedoch aus, packte Jacks Arm und hielt ihn in einem schmerzhaften Polizeigriff fest. Dieser Schmerz brachte Jack schließlich zur Besinnung.

„Du wirst wirklich zum Berserker, wenn man lediglich dieses Wort erwähnt.“, stellte Benedict nüchtern fest. Er befreite Jack aus diesem Griff, der ihm beinahe den Arm gebrochen hatte.

Schwer atmend ging Jack einige Schritte rückwärts und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken, während er seinen pochenden Arm hielt. „Das war mies.“

Benedict nahm ebenfalls wieder auf seinem Klavierhocker platz und beobachtete ihn mit seiner typischen Mimik.

Jack atmete tief durch. „Um zum ursprünglichen Thema zurückzukommen: Nein, ich hatte noch nie Freunde. Ich brauche auch gar keine.“ Er widerholte die Worte, die er zuvor schon zu Mars gesagt hatte. „Freundschaft ist nichts als eine Schwäche. Eigentlich sind Gefühle im Allgemeinen eine Schwäche. Ich wünschte, ich könnte sie einfach abschalten.“

Benedict schien ihn nun etwas genauer zu betrachten. Irgendwie fühlte sich Jack unwohl unter diesem ruhigen und doch kritischen Blick. Viel unwohler, als wenn Mars ihn mit seinen dämonischen Augen musterte. Mars wollte damit nur einschüchtern. Doch bei Benedict hatte Jack das Gefühl, er könne ihm direkt ins Herz schauen. Könne direkt seine Gedanken lesen.

„Was?“

Benedict zuckte mit den Schultern. „Herr Bôss hat recht. So unähnlich sind wir uns tatsächlich nicht.“

Nun war Jack verwirrt. „Wie meinst du das?“

„Ich habe den Großteil meines Lebens meine Gefühle unterdrückt, da ich sie ebenfalls für eine Schwäche hielt. Doch das ist nicht immer der Fall.“

Jack lachte auf. „Jetzt brauch ich einen Beweis.“

„Laura.“

Nun musste Jack umso mehr lachen. „Was?!? Laura?!? Sorry, aber das ist jetzt doch zu weit hergeholt! Als du vorhin auf sie zu bist konnte sie sich vor Angst gar nicht mehr bewegen! Wäre die Kleine mit den Sommersprossen nicht gewesen, hättest du sie ohne Probleme angreifen können. Das Mädchen ist der lebende Beweis dafür, wie sehr Gefühle einen schwächen können.“

Benedict nickte. „Es stimmt, das ist eine gravierende Schwäche die Laura hat. Doch wann hatte sie wieder klar denken und kämpfen können? Als ich dabei war Ariane anzugreifen.“

„Na und?“ Jack tat diese Begründung mit einem Schulterzucken ab.

„Laura ist definitiv ein Gefühlsmensch. Das ist häufig ihre Schwäche, doch gleichzeitig auch ihre größte Stärke.“

„Worauf willst du hinaus?“

„Wenn Laura für sich selbst kämpft bekommt sie nichts auf die Reihe. Aufgrund ihres furchtbaren Selbstbildes ist ihr eigenes Leben ihr nicht wertvoll genug, um es unbedingt beschützen zu wollen. Doch gerät ein Freund in Gefahr kann sie ungeheure Fähigkeiten entwickeln. Wegen ihrer so starken Gefühle für ihre Freunde hat sie einen fast schon unnatürlichen Beschützerinstinkt.“

Jack war zwar echt froh, endlich mal ein richtiges Gespräch mit Benedict zu führen, aber diese Aussagen verwirrten ihn nur noch mehr. „Aber bis auf heute hat sie doch noch nicht einmal etwas zustande bringen können, als einer ihrer ach so wichtigen Freunde in Gefahr geraten ist.“

Tatsächlich lieferte Benedict ihm daraufhin eine noch ausführlichere Erklärung: „Lauras fehlendes Kampftalent und ihr schreckliches Selbstbewusstsein hat sie immer daran gehindert einzugreifen. Eufelia-Sensei hat sich häufig darüber aufgeregt, da Laura eigentlich so ein ungeheures Potenzial hat. Doch seit einigen Monaten kann Laura endlich anfangen diese Fähigkeiten in sich zu entdecken und ihr fehlendes Kampftalent wird von ihrer Begabung im Kontrollieren ihrer Energie wieder ausgeglichen.“

Nachdenklich nickte Jack. „Ich glaube ich verstehe was du meinst.“ Er lachte auf. „Also im Prinzip ist sie dieses typische Bild einer Löwin, die ungeheuer gefährlich werden kann, wenn jemand ihren Kindern schaden möchte.“

Benedict zuckte daraufhin nur mit den Schultern, doch Jack musste grinsen. „Jetzt weiß ich endlich, was du an ihr so toll findest. Außer, dass sie eine ganz Süße ist, versteht sich.“

Er hielt einen Moment inne. „Aber warum erzählst du mir das überhaupt? Gestern noch hast du mich noch nicht mal mit dem Arsch angesehen und jetzt vertraust du mir so wichtige Informationen über deine Liebste an, die ich eventuell gegen sie verwenden könnte?“

„Würdest du nicht.“, erwiderte Benedict, als sei er sich einhundert prozentig sicher.

„Und woher willst du das so genau wissen?“

„Da wir uns ähnlich sind.“

Irgendwie musste Jack auf Benedicts Kommentar hin grinsen. „Was den Anime- /Manga- Geschmack betrifft vielleicht.“

Doch Benedict revidierte seine Aussage mit einem Kopfschütteln. „Du wirst Gefühle auch noch zu schätzen wissen.“

„Haaaai, Sensei. Wakarimashita.“, erwiderte er spöttisch und richtete sich auf. „Ich hab dich immer für einen komischen Typen gehalten, da du nie was gesagt hast, aber eigentlich bist du ziemlich cool drauf.“

Er ging zur Zimmertür und musterte Benedict noch einmal. „Irgendwie mag ich dich. Machen wir einen Deal: Ich nutze die Informationen die ich über Laura erhalten habe nicht gegen sie und behalte sie für mich und dafür bringst du mir Japanisch bei.“

Benedict verdrehte die Augen, ging aber immerhin mit einem Nicken auf den Deal ein.

Grinsend verließ Jack das Zimmer. Tatsächlich hätte er nie vorgehabt, diese Informationen irgendwie gegen Laura zu verwenden. Er wollte einfach nur beobachten. Schauen, wie sich die Sache entwickelte. Ob das Mädchen wirklich ein so ungeheures Potenzial hatte, wie Benedict behauptete.

Aber noch dazu Japanisch zu lernen gefiel ihm noch besser.
 

Die Tage vergingen und so langsam schien Benedict tatsächlich mit Jack warm zu werden. Er war zwar insgesamt immer noch sehr schweigsam, aber immerhin konnten sie schon halbwegs normale Gespräche führen. Und er fing wirklich an Jack etwas Japanisch beizubringen.

Jack versuchte Benedict derweil in die Welt der Computer- und Konsolenspiele einzuführen, aber irgendwie lag ihm das Zocken nicht so. Er stellte sich mit technischen Geräten einfach viel zu ungeschickt an. Jack war am Ende schon beeindruckt, dass Benedict immerhin ein Telefon bedienen konnte. Aber keine Smartphones, nur herkömmliche Handys.

Etwa eine Woche später bekamen sie eine ziemlich nervige Mission.

Mars ließ Benedict immer noch nicht alleine Aufträge erledigen, sondern schickte immer Jack als eine Art Aufpasser mit. Aber ihm war das recht.

Es war zwar irgendwie seltsam, dass Benedict ihn Japanisch-Vokabeln abfragte, während sie ein Attentat auf irgendeine Person verüben sollten die Mars im Weg stand, aber in einem Anime würde das genau Jacks Humor treffen. Also… Ja, er fand es lustig Vokabeln zu lernen, während er Leute tötete. Man konnte ihn getrost für verrückt halten. Aber ehrlich, wer wäre nach acht Jahren Höllenanstalt nicht verrückt?

Jack seufzte, während er sein Auto durch die Hauptstadt Lumiéres steuerte. „Wie lästig. Warum müssen gerade wir die Detektivarbeit übernehmen? Ich hab schon öfter nach Hinweisen gesucht und nichts gefunden. Mars soll sich abschminken noch irgendetwas über den herauszufinden. Er ist weg und da wird dieser eine Kontaktmann hier in Light auch nichts bringen.“

„Wer?“, fragte Benedict, der bisher schweigsam aus dem Fenster geschaut hatte.

„Ein gewisser ‚Herr Zote‘. Er hat im Rathaus von Terrarium gearbeitet und ist am 21. Februar plötzlich spurlos verschwunden. Ironischer Weise direkt nachdem er mich angerufen hat und behauptete er habe wichtige Informationen.“ Jack zuckte mit den Schultern. „War wahrscheinlich ein blöder Klingelstreich. Der Typ war nie sehr vertrauenserweckend.“

Doch Benedict schüttelte den Kopf. „Er ist tot.“

Kritisch runzelte Jack die Stirn. „Woher willst du das wissen?“

Er hatte schon eine Ahnung.

„Ich habe ihn umgebracht.“, war tatsächlich Benedicts Antwort.

Jack lachte auf. „Das erklärt so einiges. Ich wusste nur von der Angestellten, dass er an diesem Tag mehrere Besucher hatte. Darunter ziemlich adlige, aber wirklich mehr konnte sie auch nicht sagen. Die war die Inkompetenz in Person. Wusste weder aus welcher Region diese Adligen kamen, noch wusste sie wie viele Besucher es insgesamt waren. Nur, dass alle ziemlich jung waren. Ich hab mir im Nachhinein zwar gedacht, dass ihr das gewesen sein könntet, hätte aber nicht erwartet, dass jemand von euch ihn ermordet hat.“ Jack warf Benedict einen amüsierten Seitenblick zu. „Aber so im Nachhinein ist es eigentlich offensichtlich. Wahrscheinlich wollte er mir verraten, wer alles ein Dämonenbesitzer ist.“

Benedict nickte.

„Schon ironisch, dass ich das in dem Moment eigentlich schon wusste dank unserem Treffen in Spirit.“

„Er hätte die Informationen auch noch an andere weitergeben können.“, erwiderte Benedict.

Jack seufzte. „Stimmt. Gerade für das Mädchen aus Mur hätte es gefährlich enden können. Janine, oder?“

Wieder nickte Benedict.

Bei dem Gedanken an Janine musste Jack lächeln. „Ich hab ihre Handynummer immer noch.“

„Was du getan hast war ziemlich ehrlos.“, kommentierte Benedict den Vorfall vor etwa zwei Monaten.

Jack wurde sofort unwohl in seiner Haut.

„Das brauchst du mir nicht auch noch zu sagen, ich mach mir selbst schon genug Vorwürfe.“, meinte er nur zerknirscht.

Jack wusste immer noch nicht warum er das damals getan hatte. Ob etwas in dem Punsch gewesen war? Oder hatte der Kampf gegen Eagle irgendeinen momentanen Schaden in seinem Gehirn verursacht gehabt? Er wusste es wirklich nicht.

Warum hatte er der Kleinen auch ausgerechnet mit einer Vergewaltigung gedroht?!?

Jack verstärkte seinen Griff um das Lenkrad, bis die Knöchel weiß hervorstachen.

Er war das Letzte. Er war genauso schlimm wie die Leute im FESJ. Ein ehrloses Stück Scheiße.

Jack atmete tief durch und versuchte sich wieder auf die Straße zu konzentrieren. „Ich frag mich schon die ganze Zeit, ob ich das wiedergutmachen kann…“

Doch Benedict schwieg. Wahrscheinlich wusste auch er keine Antwort darauf.

„Na ja… So und was machen wir jetzt mit unserer Freizeit? Wie wär’s mit etwas Shopping!“ Herausfordernd grinste Jack ihn an. „Jeden Tag schwarzes T-Shirt und schwarze Hose muss doch mit der Zeit langweilig werden.“

„Du trägst doch auch nichts anderes.“

„So ganz stimmt das nicht! Ich trage immerhin schwarze T-Shirts die einen Aufdruck haben.“

Benedict verdrehte auf Jacks Kommentar hin die Augen, während Jack lachend das Auto wendete um sie zurück zu dem geheimen Unterschlupf zu fahren, von wo aus sie wieder in die Unterwelt kamen. Jedoch lag dieser weiter entfernt von Light auf dem Land und eine längere Autobahnfahrt stand noch bevor. Warum hatte Benedict ihm nicht früher gesagt, was mit diesem Alten passiert war?!? So durften sie den ganzen Weg wieder zurückfahren.

Er konnte nur an speziellen Stellen aus der Unterwelt nach Damon und ihr Unterschlupf hier in Lumiére war eine davon. Ein Portal zurück konnte er zwar an jedem Ort erschaffen, aber das Auto wollte wieder in die Garage und ein ganzes Auto zu teleportieren war zu viel des Guten.

Jack drehte die Musik wieder etwas lauter, die er während der Fahrt durch Light auf leise gestellt hatte. Er war ein großer Fan von Disturbed und ihr neues Album war der Hammer.

„Bitte nicht wieder singen.“, kommentierte Benedict Jacks Vorhaben.

Dieser lachte auf. „Wieso? Sing ich so schlecht?“

„Du triffst keinen einzigen Ton.“

„Du bist schmerzhaft direkt.“, erwiderte Jack sarkastisch. „Wenn ich die Klappe halten soll, dann sing du. Ein Cover von Sound of Silence gibt’s hier übrigens auch.“

„Und?“

„Du hast die Melodie davon doch letztens auf dem Klavier gespielt, oder?“

„Das bedeutet aber nicht, dass ich den Text beherrsche.“

„Irgendwie glaube ich aber du tust das.“ Herausfordernd schaute Jack Benedict an. „Also?“

Er antwortete nicht darauf.

Daraufhin fragte Jack: „Magst du Musik eigentlich? Immerhin spielst du jeden Abend Klavier und das auch noch richtig gut.“

„Eigentlich kann ich mit Musik nichts anfangen.“, antwortete er. „Doch irgendwie…“

„Irgendwie hast du sie seit neustem zu schätzen gelernt?“

Benedict nickte.

Jack wies auf das Autoradio. „Dann sing. Ich hab mal von Max gehört, dass du angeblich verdammt gut singen kannst. Wenn du mir schon vorwirfst ich treffe keinen einzigen Ton will ich jedenfalls wissen, ob du es tatsächlich besser hinbekommst. Oder bist du einfach nur zu schüchtern?“

Benedict schaute lediglich aus dem Fenster.

Jack grinste belustigt und grölte kurz darauf bei The Vengeful One mit. Es störte ihn nicht, dass er nicht singen konnte. Er mochte Musik einfach, insbesondere Metal und Alternative. Und Disturbed war so ziemlich seine Lieblingsband.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt fing es plötzlich an zu regnen und je weiter sie fuhren, desto stärker wurde es. Missbilligend schaltete Jack die Scheibenwischer auf volle Geschwindigkeit und drehte die Lautstärke etwas runter um sich besser auf die Straße konzentrieren zu können.

„Was für ein Wetterumschwung. Wir haben August und nicht April.“

Als sie auf eine Brücke zufuhren sahen sie schemenhaft eine kleine Gestalt oben stehen.

Und sie sprang.

„Fuck!“, rief Jack erschrocken auf und trat reflexartig auf die Bremse.

Doch es half nichts. Wer auch immer da gesprungen war er würde mit dem Auto zusammenstoßen.

Kurz vor dem Aufprall breitete sich schlagartig eine schwarze Atmosphäre aus und sowohl das Auto als auch die Person hielten an.

Jack atmete auf. „Danke. Das hätte böse enden können.“

Benedict verließ allerdings bereits den Wagen und hob die kleine Gestalt von der Motorhaube, auf welcher sie gelandet war.

Jack nutzte die Gelegenheit und fuhr das Auto auf den Standstreifen. Was sie jetzt erst recht nicht vertragen konnten war auf der Autobahn zu Brei gefahren zu werden.

Wobei bei einem antiken Begabten der auch noch ein Dämonenverbundener war schon mehr dazugehörte als ein mit 120km/h fahrendes Auto. Dafür waren ihre Reflexe zu gut. Zum Glück war auf der Autobahn aus irgendeinem sonderbaren Grund gar nichts los. Na ja, soweit auf dem Land wie sie waren wollte vermutlich kaum jemand hin.

Nachdem er das Auto abgestellt und den Warnblinker angemacht hatte verließ Jack es ebenfalls um in dem strömenden Regen zu Benedict zu gehen, der diese selbstmordgefährdete Person inzwischen gegen die Leitplanke gelehnt hatte. Sie schien bewusstlos zu sein.

„Ein Kind?“ Kritisch musterte Jack die Person. Es handelte sich um ein Mädchen, vielleicht so um die zwölf Jahre alt mit blonden langen Haaren. Auf den ersten Blick hatte sie eine leichte Ähnlichkeit mit Janine. „Warum sollte ein Kind von der Brücke springen?“

„Was genau sind Mars‘ Pläne?“, fragte Benedict in einem unheimlich unterkühlten Ton.

„Kennst du sie?“

„Das ist Arianes kleine Schwester.“

„Was?“ Jack seufzte. „Arianes Familie ist zurzeit nicht gerade sehr harmonisch dank ihrer Stiefmutter. Vielleicht war es zu viel für sie? Jetzt, da auch noch die große Schwester nicht mehr da ist.“

Benedict schüttelte den Kopf. „Wenn Johanna auch nur annährend Ariane ähnelt würde sie das nicht machen.“ Er warf Jack einen kritischen und ziemlich unheimlichen Blick zu. Er wirkte beinahe verärgert. „Sag. Was hat Mars vor?“

Jack zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nichts davon, dass irgendwie ein Plan besteht die Geschwister der anderen Dämonenbesitzer zu ermorden. Aber ich würde es Mars schon zutrauen. Er hat erst letztens angemerkt, dass Ariane und Laura für uns mit die größte Gefahr darstellen, da ihre Dämonen über die Ursprungskräfte herrschen. Vielleicht wollte er die Besitzerin des Weißen Hais einschüchtern, indem er ihre kleine Schwester sterben lässt? Angeblich hat ihr Vorgänger durch sowas seinen Willen zu Kämpfen verloren gehabt.“

„Aber sie ist von selbst gesprungen.“

„Das könnte an dem Fluchmal liegen.“

Benedict warf Jack einen fragenden Blick zu.

Dieser deutete auf eine Stelle mittig über seiner Brust. „Das Fluchmal ist Mars‘ Zeichen. In ihm liegt eine gewisse Macht inne, mit der er seinen Opfern seinen Willen aufdrängen kann. Meistens handelt es sich um einen Befehl und wenn dieser erfolgreich ausgeführt wurde verschwindet das Mal auch wieder. Aber es gibt auch Befehle die für einen langen Zeitraum, wenn nicht gar für eine Ewigkeit aktiv sein können.“ Jack wies auf Benedict. „Zum Beispiel bei Max oder deinen anderen beiden Freunden.“

„Mars kontrolliert sie also.“

Jack nickte. „Bei so einem Befehl kann die Person auf einmal ganz anders sein als früher. Bei den zwei anderen bringt es zwar nichts mehr, da sie sich wegen dir immer noch im Koma befinden, aber bei Max… Na ja, du siehst ja was für ein Psycho er ist.“

„Und Johanna wird solange von ihm kontrolliert bis sie sich umgebracht hat.“

„Wahrscheinlich.“

„Wie kann man es aufheben?“

Jack lachte auf. „Willst du dich wirklich Mars‘ Willen widersetzen? Ich dachte du machst das alles hier nur für Laura und Carsten.“

„Es lässt sich doch sicher ein Kompromiss finden.“

Kritisch betrachtete er Benedict. „Warum willst du sie retten? Hätte sie direkt was mit Laura oder Carsten zu tun okay. Aber die kleine Schwester von jemandem, dem du nicht so nahe stehst…“

„Sie hat niemandem etwas getan und nichts mit alldem hier zu tun, außer dass ihre große Schwester eine Dämonenbesitzerin ist.“

„Na und?“ Gleichgültig zuckte Jack mit den Schultern. „Sie ist ein Opfer, das gebracht werden muss.“

„Hast du das bei meinem Großvater auch gedacht?“

Jack biss die Zähne zusammen. Irgendwie schaffte Benedict es damit ihm ein schlechtes Gewissen zu machen. Warum eigentlich? Na ja, er fand ihn inzwischen ja wirklich ganz okay.

„Befehl ist Befehl. Ich habe nur das gemacht, was Mars mir aufgetragen hat.“, rechtfertigte Jack sich, fühlte sich aber dennoch unwohl.

Das war wohl das erste Mal, dass er nach einem Mord Reue verspürte.

Seufzend gab er sich geschlagen. „Das Fluchmal kann nur von Mars persönlich aufgehoben werden.“

Benedict stand auf und trug das Mädchen zum Auto, wo er sie auf der Rückbank absetzte und anschnallte. „Dann bitte ich ihn darum.“

„Denkst du wirklich, das würde was bringen?“

„Ich kann es versuchen.“

Seufzend stieg Jack auch wieder ins Auto und war immer noch froh, dass die Autobahn so spärlich befahren war. So kamen nur ganz vereinzelt Autos an ihnen vorbeigeschossen.

Wer weiß? Vielleicht konnte Benedict ihn wirklich überzeugen? Irgendwie hatte Mars einen Narren an ihm gefressen.

„Die Kleine hat echt Schwein gehabt, dass sie ausgerechnet mit uns fast zusammengestoßen wäre.“

Benedict schaute wieder nur schweigend aus dem Fenster, während der Regen immer noch auf die Scheiben prasselte. Um die bedrückende Atmosphäre zu perfektionieren musste natürlich auch noch ausgerechnet jetzt Sound of Silence starten.
 

Jack parkte seinen Wagen im Unterschlupf und erschuf ein Portal um sich und Benedict, welcher das immer noch bewusstlose Mädchen trug, in die Unterwelt in Mars‘ Schloss zu bringen.

„Ich verstehe dich trotzdem immer noch nicht.“, meinte Jack nur.

„Hast du Geschwister?“

„Nein. Du auch nicht, oder? Immerhin darf man in deiner Familie angeblich nur ein Kind haben, Prinz Yoru.“ Spöttisch erwiderte Jack Benedicts ruhigen Blick. „Deswegen wundert es mich umso mehr, dass du dem Mädchen helfen möchtest.“

„Ich habe einmal mitangesehen wie es für jemanden war seine Geschwister zu verlieren. Irgendwie wünsche ich das keinem.“

„Du meinst Laura?“, fragte Jack nach und Benedict nickte.

Seufzend gab Jack es auf das Gespräch fortzuführen. Er hatte inzwischen zwar nicht mehr das Gefühl gegen eine Wand zu reden, aber trotzdem wurde er aus Benedict nicht schlau. Er war ihm immer noch ein Rätsel.

Natürlich verstand er, dass es wahrscheinlich sehr schrecklich war seine kleine Schwester zu verlieren. Immerhin ging es ihm nach der Ermordung seiner Mutter auch nicht sonderlich gut. Und mit seinen Großeltern hätte er auch gerne noch etwas mehr Zeit verbracht. Aber warum wollte ausgerechnet Benedict jemandem helfen mit dem er kaum was zu tun hatte?

Vor Mars‘ Gemächern angelangt klopfte Jack gegen die übertrieben hergemachte Tür und ging gemeinsam mit Benedict durch die Räume die ihn immer noch an Chihiros Reise ins Zauberland erinnerten.

„Na sieh einer an, ihr seid bereits zurück.“, kommentierte Mars das Eintreten der beiden und stellte sein halb geleertes Rotweinglas auf einen kleinen Goldtisch neben dem Kanapee, auf welchem er wie sonst auch thronte. „Was habt ihr herausgefunden?“

„Er hatte Herr Zote umgebracht.“ Jack deutete auf Benedict.

Mars lachte auf. „Irgendwie hätte ich mir das denken können.“

Natürlich nahm der Dämon es Benedict nicht krumm. Warum stand er so in Mars‘ Gunst?

Mars wies auf die immer noch bewusstlose kleine Schwester von Ariane. „Wie ich sehe habt ihr einen Gast mitgebracht.“

„Sie wäre beinahe auf unser Auto geflogen.“

Mars lächelte. „Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr jetzt schon zurückkehren würdet. Lasst mich raten: Ich soll das Fluchmal entfernen.“

Benedict nickte.

„Und was hätte ich davon?“ Obwohl Mars in seiner Menschengestalt war hatte er immer noch diese einschüchternde dämonische Ausstrahlung. Er wirkte so als würde er jedem seinen Willen brechen können und die ganze Welt wäre ihm hilflos ausgeliefert.

War sie ja eigentlich auch, würde der Bann Mars nicht an diesem Ort festhalten.

„Muss sie wirklich direkt getötet werden?“, erkundigte sich Benedict, nicht wirklich eingeschüchtert von Mars‘ Ausstrahlung.

„Bei dir hat sich das als sehr wirkungsvoll gezeigt.“ Der Herrscher der Zerstörung warf Benedict ein wissendes und nicht zuletzt abgrundtief böses Lächeln zu. „Aber weißt du was? Wenn du mich ganz lieb darum bittest, würde ich vielleicht wirklich einen Kompromiss eingehen wollen.“

Jack verzog das Gesicht. Er hatte Mars‘ Andeutung verstanden. Irgendwie hatte der Dämon einen Minderwertigkeits-Komplex oder so. Er fühlte sich toll, wenn man ihn wie den allmächtigen Gott behandelte.

Vielleicht war das ja auch einfach seine Version des ‚böse seins‘? Viele Bösewichte hatten seltsame Ticks. Und Mars mochte es nun mal wie ein Kaiser behandelt zu werden. Wie man an der übertriebenen Einrichtung auch schon deutlich sehen konnte.

Benedict setzte Johanna auf dem Boden ab und lehnte sie gegen die Wand, bevor er einige Schritte auf Mars zuging. „Sag, was willst du?“

Mars Lächeln wurde breiter. Bösartiger. „Wie wäre es mit ein bisschen mehr Demut?“

Irgendwie gefiel Jack diese eiskalte geladene Atmosphäre zwischen den beiden nicht. Zum Glück hielt sie nicht allzu lange an.

Jack konnte seinen Augen kaum trauen, als Benedict tatsächlich vor Mars auf die Knie ging. „Ich bitte dich, lass sie am Leben.“

Jack hielt den Atem an. Er wusste nicht, wieso. Doch ihm gefiel dieses Bild kein bisschen. Es passte nicht, dass Benedict vor irgendjemandem niederkniete. Das passte nicht im Entferntesten zu ihm.

Mars lachte auf und die boshafte Atmosphäre wurde immer gewaltiger. Immer erdrückender.

„Ein Yoru geht vor mir auf die Knie! Dass ich das noch erleben darf.“ Der Herrscher der Zerstörung stand von seinem Kanapee auf, ging zu Benedict, legte den Zeigefinger an sein Kinn und hob sein Gesicht. „Deine Familie scheint jeglichen Stolz verloren zu haben, den sie einst hatte.“

Er verpasste Benedict einen schmerzhaft aussehenden Tritt in die linke Seite.

Jack verzog das Gesicht, während er beobachtete, wie sich Benedict schweigend wieder auf die Knie mühte und etwas Blut ausspuckte. Es war genau die Stelle, die Eagle vor einer Woche durchbohrt hatte.

Jack hoffte für ihn, dass seine Regenerationsfähigkeiten gut genug waren, sodass die Wunde inzwischen wieder verheilt war.

Schließlich wandte sich Mars an Jack. „Bring das Mädchen in eine der Zellen in den Kerker und positioniere zwei Wachen. Statte anschließend ihrer großen Schwester einen Besuch ab und richte ihr aus, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Wir werden die Kleine wie einen gebührenden Gast behandeln. Wahrscheinlich ist die Besitzerin des Weißen Hais inzwischen sogar bei sich zuhause in Lumiére? Immerhin hat sie doch heute Geburtstag.“

Jack nickte nur, brauchte aber einen Moment, um sich wieder bewegen zu können.

Es gefiel ihm nicht, Benedict bei Mars zu lassen. Dieser Dämon konnte ein ziemlich ernstes Aggressionsproblem haben. Das wusste Jack zwar nicht aus eigener Erfahrung, er hatte jedoch oft genug miterlebt, wie jemand von Mars‘ Untergebenen dessen Räumlichkeiten verlassen hatte und über und über mit Verletzungen übersäht war.

Jack riss sich zusammen, nahm Arianes kleine Schwester und verließ mit ihr das Zimmer. Noch während sich die Tür von selbst schloss konnte Jack aus den Augenwinkeln beobachten wie Mars Benedict ins Gesicht schlug.
 

Verstimmt lieferte Jack Johanna in den Zellen des Schlosses ab und widmete sich Mars zweitem Befehl. Warum musste er eigentlich gerade heute so häufig nach Lumiére?

Jack erschuf ein Portal in die Region und tauchte bei jenem Unterschlupf auf, wo er das Auto geparkt hatte. Von hier aus war es nicht weit bis nach Crèmefruite. Dennoch hatte sich das Wetter innerhalb dieser kurzen Zeit deutlich gebessert und Jack nutzte die Gelegenheit um jedenfalls eine kleine Rundfahrt mit seinem Motorrad machen zu können.

Autofahren war für Jack nur Mittel zum Zweck. Das machte ihm nur Spaß, weil er derweil Musik hören konnte. Aber das einzig wahre Fortbewegungsmittel für ihn war das Motorrad. Eigentlich dürfte Jack dem Gesetz zufolge noch gar nicht die richtig großen Brummer fahren, doch das war ihm gleich. Wobei er sich heute nicht für seine Rennmaschine, sondern seine geliebte Harley entschied.

Der Vorteil an den ganzen Missionen von Mars: Jack hatte echt Kohle verdienen können und konnte sich deshalb das Beste vom Besten leisten. Wie dieses Schmuckstück.

Also fuhr er über die Landstraße in Arianes Heimatdorf. Er wusste genau wo sie wohnte. Natürlich. Er wusste über jeden der Dämonenbesitzer Bescheid.

Und dank Mars‘ Aufträgen kam er auch entsprechend in Damon herum. Dadurch kannte er sich in vielen der Regionen ziemlich gut aus.

Nur diese Mission stank bis zum Himmel. Jack wusste immer noch nicht, was genau ihm da so gegen den Strich ging. Es passte ihm einfach überhaupt nicht, Benedict bei Mars zurückzulassen mit dem Wissen, dass er sich für irgendein Kind von dem Dämon zusammenschlagen ließ.

Jack betrat das Grundstück von Arianes Familie und klingelte an der Haustür. Kurz darauf öffnete Arianes Stiefmutter die Tür. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung und Entsetzen.

„A-ach, noch ein Gast! Ich bin Corinna, Arianes Mutter. Es freut mich.“ Sie reichte Jack die verschwitzte Hand. „Meine Tochter ist mit ihren Freunden im Esszimmer. Komm- kommen Sie doch rein.“

Jack verdrehte die Augen. Corinna hatte sich kein bisschen verändert. Und sie war immer noch eine grottige Schauspielerin.

Er folgte ihr ins Esszimmer, wo nahezu die gesamte Gruppe versammelt war. Die entsprechend feindselig auf Jacks Eintreten reagierte.

„Was willst du hier?!“, fragte Ariane und er merkte, wie sie ihren Griff um die Kuchengabel verstärkte.

„Darf man heutzutage nicht mehr einfach so dem Geburtstagskind einen Besuch abstatten und ‚Alles Gute‘ wünschen? Ne Whatsapp Nachricht hätte ich dir natürlich auch schicken können. Aber das ist doch so unpersönlich.“, erwiderte Jack sarkastisch.

„K-kann ich Ihnen irgendetwas anbieten? Einen Kuchen? Kaffee?“ Corinna verhielt sich schon fast so wie ein reudiger Köter. Dieses Verhalten schien den Rest zu verwirren, da sie Arianes Stiefmutter immerhin bisher nur als Schreckschraube kennengelernt haben dürften.

Jack überlegte einen Moment. „Ein Kaffee wär nett, danke.“

„N-natürlich.“

„Das macht die Situation nur noch seltsamer.“, kommentierte Eagle, während Jack sich auf einen freien Stuhl setzte. Ironischer weise neben Janine, die scheu und versucht unbemerkt von ihm weg wich.

Natürlich entging Jack nicht, dass er die angespannte Atmosphäre dadurch nur noch mehr auflud. Man konnte schon beinahe die feindseligen Blicke spüren, die der Rest ihm zuwarf.

„Heute alleine unterwegs?“, fragte Öznur und sowohl Laura als auch Carsten senkten den Blick.

Jack stellte fest, dass beide besorgniserregend mager geworden sind. Das Aufeinandertreffen mit Benedict vor einer Woche schien ihnen tatsächlich den Rest gegeben zu haben. Nun gut, es war auch das erste Mal gewesen, dass er ihnen als Feind gegenüberstehen musste.

„Ich soll nur eine Nachricht überbringen.“, meinte Jack und trank einen Schluck von dem heißen schwarzen Kaffee. „Der ist gut.“

„Was willst du?“ Arianes Stimme klang ungewohnt unterkühlt und düster, was gar nicht zu ihrer sonst so Licht-Artigen Ausstrahlung passte.

Jack seufzte. „Ich soll dir ausrichten, dass du dir keine Sorgen um deine Schwester machen musst. Wir werden sie wie einen gebührenden Gast behandeln.“

„Was?“ Nun machte die Kälte in ihrer Stimme sogar so langsam der von Benedict Konkurrenz. „Sag, dass das ein Scherz ist.“

„Ihr habt Johanna entführt?“ Auch Carsten schien ihm nicht wirklich glauben zu können.

„Na ja… In gewisser Weise.“ Eigentlich hatten sie sie ja vor dem sicheren Tod gerettet. Aber Jack hielt es für keine gute Idee jetzt in der sowieso schon aufgeladenen Atmosphäre auch noch zu erwähnen, dass Mars Johanna ursprünglich töten wollte.

„Sag, dass du lügst!“ Neben der Kälte schwang nun auch ein Hauch Aggressivität in Arianes Stimme mit.

Jack schüttelte den Kopf. „Sie befindet sich gerade im Kerker in Mars‘ Schloss.“

„Du lügst!!!“ Ariane war aufgesprungen.

„Nane…“ Vorsichtig berührte Laura Arianes Arm, als wolle sie sie beruhigen.

„Wir müssen sie da rausholen!!!“, rief Ariane plötzlich und wandte sich speziell Jack zu. „Bring mich in Mars‘ Versteck! Sofort!!!“

„Was?“ Irritiert runzelte Jack die Stirn, als Ariane ihn an den Schultern packte und rüttelte. „Bring mich zu ihr!!!“

„Nane, beruhige dich erstmal.“, sprach Carsten in einem sanften Ton auf sie ein. „Es bringt nichts, jetzt etwas zu überstürzen.“

„Überstürzen?!? Meine Schwester wird von diesen Leuten hier gefangen gehalten und ich soll nichts überstürzen?!?!?“ Bei ihrer lauten Stimme bekam Jack beinahe schon Kopfschmerzen.

„Carsten hat recht.“, redete auch Eagle beruhigend auf sie ein. „Wir werden deine Schwester retten. Doch da wir Mars gerade nicht einschätzen können wäre es lebensmüde-“

„Ach halt doch deine Fresse!!!“ Ariane schaute Jack mit einem fast schon unheimlichen Glühen in ihren Augen an und er erkannte eine weiß wabernde Aura um sie. „Bring mich endlich zu ihr!!!!!“

Laura packte Ariane am Arm. „Nane, bitte! Beruhige dich!!!“

„Ich kann mich nicht beruhigen!!!“, brüllte sie und riss sich von Laura los. „Ich lasse sie nicht in Mars Fängen!!!“

Ariane warf den Stuhl zur Seite und schaute den Rest beinahe feindselig an. „Wenn ihr mir nicht helfen wollt, bitte! Dann geh ich halt allein!!!“ Sie packte Jack am Kragen seines T-Shirts. „Bring mich zu ihr!!! Bring mich endlich zu meiner Schwester!!!!!“

Grob befreite sich Jack aus ihrem überraschend starken Griff. „Das ist nicht mein Auftrag. Wenn du schon zu Mars in die Unterwelt willst, musst du einen anderen Weg finden.“

„Dann finde ich halt einen anderen Weg!!!“

Carsten war ebenfalls aufgestanden und stand bei Laura, die weiterhin erfolglos versuchte Ariane zu beruhigen. „Nane, es wird alles wieder gut. Wir werden sie retten.“

„Aber warum macht ihr dann nichts?!?“ Ihr schossen die Tränen in die Augen und sie brach auf dem Boden zusammen. „Warum unternimmt niemand etwas?!?“

„Nane…“ Laura legte ihre Hand auf Arianes zitternde Schulter.

„Lieber sterbe ich beim Versuch sie zu retten, als nichts zu machen!!!!“, schrie sie unter Tränen. „Oder ich biete mich als Tausch für sie an!!! Ist mir alles Recht!!! Hauptsache sie ist in Sicherheit!!!“

„Nane, es wird alles gut! Wir retten sie, versprochen!“ Laura schien sichtlich überfordert.

„Warum gerade sie?!?“ Schluchzend klammerte sich Ariane an Laura.

Seufzend trank Jack seinen Kaffee aus und stand auf. „Das war alles was ich euch mitzuteilen hatte. Ich mache mich mal wieder.“ Er wandte sich zum Gehen.

„Jack!“, rief Carsten ihm hinterher, der inzwischen auch bei Ariane kniete. „Behandelt sie bitte gut.“

Jack verdrehte die Augen. „Dass du ausgerechnet mich um so was bittest. Ich kann nichts versprechen.“

„Ach so, und… Und Benni bitte auch…“

Bedrückt wandte Jack den Blick ab und erinnerte sich ungewollt an den Moment, in dem Mars den vor ihm knienden Benedict in die Seite getreten hatte. „Da kann ich erst recht keine Versprechungen machen…“

Ohne den Rest noch einmal anzusehen verließ er das Haus und fuhr mit seiner Harley zurück.

Wieder in der Unterwelt angekommen war seine erste Station Benedicts Zimmer.

Zögernd klopfte er an und trat ein. „Wie geht es dir?“

Benedict saß im Schneidersitz vor dem Bett und war damit beschäftigt eine ziemlich tiefe Schnittwunde an seinem linken Oberarm zu nähen. „Hätte schlimmer sein können.“

Jack konnte nicht anders, er musste bei seinem Kommentar einfach auflachen. „Du gibst ein ziemlich erbärmliches Bild ab, weißt du das? Und da sagst du es hätte schlimmer sein können?“

Benedict zuckte lediglich mit den Schultern.

Jack verdrehte die Augen und ging zu ihm rüber. „Du musst nicht den Starken markieren, das weißt du hoffentlich. Komm her, ich mach das.“

Wortlos reichte Benedict Jack die Nadel.

Nachdem Jack den Rest der Wunde zugenäht hatte betrachtete er Benedict genauer. Sein linkes Auge war bläulich und leicht geschwollen, schien aber gut zu verheilen. Auch der sonstige Großteil seiner Wunden wirkte nicht mehr so schlimm. Aber Jack vermutete stark, dass Benedict das seiner guten Regenerationsfähigkeiten und nicht Mars‘ Gnade zu verdanken hatte.

„Hast du ihnen was gesagt?“, war das erste was Benedict fragte, um das Schweigen zu durchbrechen.

Seufzend stand Jack auf und ging zum Schreibtisch, um das darauf stehende Foto zu begutachten. „Nein. Nur das, was Mars mir aufgetragen hat. Ich dachte mir schon, dass es dir lieber wäre, wenn sie nichts wüssten.“

Er meinte, Benedict leise aufatmen zu hören.

„Es geht dir doch nur darum, dass sich Laura und Carsten nicht noch mehr Sorgen um dich machen müssen, oder?“, bemerkte Jack nüchtern und schaute das Foto weiterhin an, auf dem Benedict mit Laura und Carsten zu Kinderzeiten zu sehen war.

„Sie müssen genug erdulden.“

Jacks Lippen formten sich zu einem schiefen Lächeln. „Ihr seid mir einfach alle zu aufopferungsvoll für meinen Geschmack.“

„Ariane wollte sie direkt retten.“, stellte Benedict auf seine Aussage hin fest.

„Natürlich.“ Jack lachte. „Lieber würde sie bei einem Rettungsversuch sterben, als nichts zu machen. Sie hätte sich auch mit Freuden gegen ihre Schwester eingetauscht. Eigentlich wäre das sogar eine nette Idee. Dann hättest du immerhin noch jemand von eurer Clique hier.“ Grinsend ergänzte Jack: „Auch wenn dir Laura oder Carsten wahrscheinlich lieber wären.“

Nach einer Weile fragte Benedict: „Warum gerade jetzt?“

„Was?“

„Warum tritt Mars gerade jetzt in Aktion? Warum nicht vor einem halben Jahr, als die Mädchen noch keine Bedrohung für ihn dargestellt hatten?“

„Ach so, ganz einfach aus dem Grund: Eufelia war noch am Leben. Dadurch war die Barriere zu stark, als dass er irgendetwas direkt hätte machen können. Und es hatte angeblich eine Ewigkeit gedauert, die nötige Kraft für diesen Angriff auf sie zu sammeln. Immerhin hatte er dafür kurzzeitig sogar die Barriere verlassen müssen, wie du sicherlich mitbekommen hast.“, erklärte Jack. „Es war also einfach nur Zufall, dass ihr uns zuvorgekommen seid mit den Dämonenprüfungen. Mars hat schon viele Vorbereitungen getroffen, die gerade die Dämonenbesitzerinnen in Schach halten sollten. Corinna bei Ariane zum Beispiel. Oder… Ah, das war krass gewesen. Amon bei Anne. Da ist Mars selbst für meinen Geschmack zu weit gegangen.“

„Ihr Vater?“, vermutete Benedict.

Jack nickte. „Der Kerl hatte erstaunliche Willensstärke gezeigt und sich ganz schön gegen den Einfluss des Fluchmals gewehrt. Wobei dafür andere junge Frauen darunter hatten leiden müssen, also auch keine bessere Alternative. Na ja, am Ende hat Mars‘ Befehl dennoch gesiegt.“

Benedict seufzte und begann ein Eichhörnchen zu streicheln, was auf seinem Bett schlief. „Und jetzt da Eufelia-Sensei tot ist leitet er alles in die Wege um den ohnehin schwachen Bann endgültig zu brechen.“

Jack betrachtete ihn und war erstaunt, dass fast alle Wunden bereits nur noch wie kleine Kratzer wirkten. Das blaue Auge war sogar vollständig verheilt. „Wow, deine Regenerationsfähigkeit ist ja noch besser als die eines Dämonenbesitzers.“

„Wahrscheinlich liegt es an dem Vampirblut…“, erwiderte Benedict, schien mit den Gedanken aber woanders.

„Vampirblut?“

„Laut Carsten habe ich einen erstaunlich hohen Anteil davon in mir, da mein Urahn ein Vampir war.“

Jack grinste. „Der Herrscher der Nacht?“

Benedict nickte. „Warum war Mars hinter mir her?“

„Was fragst du mich das? Weil du der Erbe des Yoru-Clans bist. Warum auch immer das was Besonderes in Mars‘ Augen ist. Er scheint einen ziemlichen Hass auf deine Familie zu haben, wenn man an vorhin denkt. Eigentlich nicht verwunderlich, wenn sie es war, die ihn einst gebannt hat.“

Benedict runzelte die Stirn. „Ob er mich irgendwie zum Brechen des Bannes benötigt?“

„Wie gesagt, ich hab keinen Plan.“, meinte Jack schulterzuckend. „Deine Ahnen haben ihn errichtet, es klingt also tatsächlich logisch. Aber so genau weiß ich über Mars‘ Pläne auch nicht Bescheid.“

„Und trotzdem folgst du ihm blind.“

Erneut zuckte Jack mit den Schultern. „Er hat mich gerettet. Also klar.“

Benedict musterte Jack mit diesem ruhigen alles durchdringenden Blick, bei dem Jack beinahe das Gefühl hatte er könne damit seine Gedanken lesen. Schließlich entschied er sich jedoch dazu nicht weiter darauf einzugehen.

Wofür Jack auch sehr dankbar war, denn es war ein Thema, worüber er eigentlich gar nicht reden wollte. Was ihn häufig immer noch bis in seine Albträume verfolgte. Weshalb er am liebsten seine Gefühle würde abschalten können.

Seufzend richtete sich Jack auf und streckte sich. „Nun denn, ich geh noch etwas Zocken. Was hast du so vor? Klavier spielen?“

Benedict schüttelte den Kopf. „Ich konnte mein Training für heute noch nicht abschließen.“

Jack lachte auf. „Du trainierst noch täglich? Ausgerechnet du?!? Das hättest du doch gar nicht nötig.“

„Na und?“ Auch Benedict stand auf und Jack bemerkte beeindruckt, dass bis auf diesen genähten Schnitt alle anderen Wunden bereits verheilt waren.

„Ich hätte auch gern was von diesem Vampirblut.“, kommentierte Jack.

Benedict erwiderte daraufhin nur ein Schulterzucken und verließ sein Zimmer.

Amüsiert schüttelte Jack den Kopf. Was für ein komischer Heinz.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Regina_Regenbogen
2020-09-25T21:51:15+00:00 25.09.2020 23:51
Es war sehr interessant, mal bei Jack zu sein und seine Sicht der Dinge zu sehen.
Benni ist einfach ganz Benni. Es war schön, ihn wiederzusehen. ♡
Oh Mann, die arme Ariane.
Und Mars ist an all dem Unglück im Leben der Mädchen Schuld?! Oh mein Gott! Das ist so schrecklich. Besonders das mit Anne, wenn der Vater das eigentlich nicht wollte. Das ist doch einfach schrecklich! Wenn er einfach ein Monster gewesen wäre, ok, aber dass er ein Opfer ist, ist so frustrierend.
:'(

Antwort von:  RukaHimenoshi
26.09.2020 18:13
Mars liebt es einfach, im Verborgenen zu agieren. Und dabei auf seinem Kanapee zu chillen, versteht sich. ^^"
Und ich liebe deinen Kommentar "Benni ist einfach ganz Benni." Er fasst das alles wirklich wunderbar zusammen. X'D


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