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Break to Breathe

von

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What a drag...


 

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Was zur Hölle habe ich mir dabei gedacht?

 

Shikamaru machte seinen gesamten Unmut durch ein genervtes Schnauben deutlich, hob rasch eine Hand und spürte feuchte Zweige und Blätter gegen seinen Unterarm peitschen. Regentropfen hingen schwer in seinen Wimpern und er blinzelte heftig gegen den Platzregen an, der unaufhörlich durch das Blätterdach auf ihn prasselte.

 

Was für ein Drama…

 

Ein Drama, das ihm nicht nur abverlangte, möglichst unbemerkt gegen das Byakugan vorzugehen, sondern auch noch eine Strategie gegen einen gleichermaßen berechnenden Verstand auszuarbeiten. Es war eine ermüdende Jagd ohne Garantie auf Erfolg – im Grunde war es nichts weiter als eine viel zu große Verzögerung, die sich Shikamaru nicht leisten konnte.

 

Wir haben keine Zeit für sowas…

 

Die schemenhafte Gestalt vor ihm schnellte nach links.

 

Fuck!

 

Shikamaru schlitterte einen breiten Ast entlang, doch die glitschige Rinde bot wenig Halt. Gerade noch konnte er mit einem gemurmelten Fluch auf den Lippen die Balance halten. Er biss die Zähne zusammen und seine dunklen Augen verengten sich, als er unablässig das Flattern der weißen und schwarzen Robe vor sich fixierte. 

 

Verdammt, Neji.

 

Nicht zum ersten Mal hatte der Hyūga überraschend die Richtung geändert und so die anfangs geradlinige Verfolgung in eine labyrinthartige Hetzjagd verwandelt. Shikamaru hielt inne, um seine Position einzuschätzen, während sein Verstand dem chaotischen Katz und Maus Spiel, das Neji spielte, bereits zehn Schritte voraus war. 

 

Er spielt nicht. Er ist angepisst; und ein einziges Ärgernis.

 

Mit einem freudlosen Lächeln auf den Lippen, stieß sich Shikamaru mit einem kräftigen Sprung von dem Ast ab und setzte die Verfolgung in den höheren Lagen der Baumkronen fort. Er folgte seinem Ziel in einer akkurat beschriebenen Zangenbewegung, die entgegengesetzt der Route verlief, auf die Naruto seine Schattendoppelgänger geschickt hatte.

 

Wenn ich es schaffe, ihn zurück zum Lager zu treiben, kann ich versuchen, ihn mit meinem Schattenbesitz festzuhalten, bevor die Sonne untergeht…

 

Shikamaru warf einen grimmigen Blick auf den immer dunkler werdenden Himmel, der bereits mit stürmischen Wolken verhangen war; mit dem Schauer hatte er nicht gerechnet. So ein Mist!

 

Wenn der Regen anhält, bin ich geliefert…

 

Er bräuchte mehr Licht, um sein Jutsu einsetzen zu können und außerdem ein Wunder, um den anderen Ninja festzunageln. Falls er das schaffen sollte, könnte er Neji zumindest solange ruhig halten, um…

 

Ja, um was zu tun eigentlich?

 

Shikamaru verzog das Gesicht. Trotz all seines strategischen Könnens, er hatte sich nicht überlegt, was zur Hölle er zu Neji sagen wollte, falls oder wenn er den Bastard endlich erwischen würde. Er wusste ja nichtmal, was diese Situation überhaupt ausgelöst hatte. Neji war im Bruchteil einer Sekunde ausgeflippt. Es war viel zu schnell gegangen, als dass Shikamaru überhaupt die Zeit gehabt hatte um zu realisieren, was passiert war, bevor der Hyūga auch schon losgerannt war. In dem Moment, in dem Lee versucht hatte, Neji abzufangen, hatte der ihn auf seinen grüngekleideten Hintern gesetzt, ohne sich auch nur umzublicken. 

 

Doch Neji hätte nicht zuschlagen müssen.

 

Und Naruto war dem Beispiel des Hyūga prompt gefolgt, indem er seine Empörung nicht unter Kontrolle gebracht hatte. Der Schwachkopf war regelrecht zu einem Bündel hitzköpfiger Raserei explodiert und war sofort eskaliert statt zu deeskalieren.

 

Wie lästig…

 

Möglicherweise hatte es ihn an Sasuke erinnert, als er gesehen hatte, wie Neji auf einen Kameraden losgegangen war – wer weiß? Doch das Letzte, das sie im Moment brauchten, war ein Naruto, der seinen emotionalen Schmerz und seine Vorstellung von Freundschaft auf einen labilen Teamkameraden mit unvorhersehbarer Denkweise projizierte.

 

Es passt nicht zu Neji, so kopflos zu sein. Er ist der am meisten kontrollierte Kerl, den ich kenne. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und die glitzernden Wassertropfen flogen von seinen Wimpern. Plötzlich wünschte er sich, Naruto nicht die falsche Richtung geschickt zu haben. Doch es war deutlich sicherer und vernünftiger so. Der Uzumaki war nur ein Werkzeug, um Nejis Weg umzulenken. Shikamaru hatte nicht die Absicht, dieses gutmeinende aber stets mehr als schlecht getimte Großmaul einen wütenden Hyūga konfrontieren zu lassen.

 

Das würde nur Öl ins Feuer gießen.

 

Da waren einfach viel zu viele unbekannte Variablen Teil dieser Situation und während Narutos Herz unzweifelhaft am rechten Fleck saß, übersprangen seine Reaktionen oft sein Hirn und fanden ihren Weg direkt zu seinem losen Mundwerk; und ungezügelte Worte würden die Situation nur verschlimmern. 

 

Geh auf Nummer sicher. Zuerst Neji stoppen. Das hat Priorität. 

 

Shikamaru stoppte erneut und ging auf dem nächstbesten Ast in die Hocke und ließ unaufhörlich Chakra in seine Füße fließen, um die Balance zu halten. Er linste durch den Platzregen und erhaschte einen Blick auf Neji, der in ein paar Meter Entfernung auf dem Waldboden landete. 

 

Wenigstens hat er angehalten.

 

Vorsichtig bewegte sich Shikamaru in einer Kreisbewegung vorwärts. Nicht, dass das irgendetwas dazu beitragen würde, seine Ankunft vor dem Byakugan geheim halten zu können. 

 

Und immerhin haut er nicht schon wieder ab.

 

Neji verharrte in geduckter Haltung auf der Lichtung, als wäre er völlig erschöpft. Sein dichtes Haar viel ihm schwer und vom Regen durchnässt über eine Schulter. Dünne Rinnsale flossen über die Robe, die er trug, ließen den durchweichten Stoff an seiner Haut kleben und zeichneten auf die Art scharf definierte Muskeln nach, die alarmierend zuckten. Von seinem erhöhten Aussichtspunkt schätzte Shikamaru die Entfernung zu dem Hyūga ab und setzte sich in Bewegung. Ohne das leiseste Geräusch, ließ er sich zu Boden gleiten, während sein Verstand Gefallen an dem Gedanken fand, dass er immer noch außer Sichtweite wäre.

 

Ja klar. Er wird mich bemerken, bevor ich nur den leisesten Hauch einer Chance habe. 

 

Und als wäre das nicht schon nervig genug, zeigte der Regen nicht das geringste Anzeichen, bald nachzulassen. Das bedeutete, ihm blieb nur eine Möglichkeit.

 

Verdammt. Das wollte ich eigentlich nicht einsetzen…

 

Shikamarus Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst, sein Gesichtsausdruck grimmig. Vorsichtig ließ er eine Hand in seine Ninja Tasche gleiten und zog eine kleine Terrakotta Kugel daraus hervor, die Naruto ihm gegeben hatte. Die ganze Zeit über ließ er sein Ziel nicht eine Sekunde aus den Augen. Doch sollte Neji in bemerkt haben, reagierte er nicht. Seltsam. Diese fast schon eingefallene Pose passte so gar nicht zu der üblichen Haltung des Hyūga; kühl, beherrscht…

 

Kontrolliert.

 

Shikamaru blinzelte langsam und berechnete die Entfernung, bevor er die Kugel in hohem Bogen auf die Lichtung warf. Sie traf wenige Meter von Neji entfernt auf den Waldboden auf und verteilte ihren öligen Inhalt, der augenblicklich Feuer fing.

 

Der Hyūga riss den Kopf in die Höhe, mondblasse Augen verengten sich zu Schlitzen. 

 

Shikamarus Hände formten ein Zeichen. Die Flammen zuckten dem Himmel entgegen und erschufen tanzende schwarze Schatten auf der ganzen Lichtung. 

 

Neji bewegte sich nicht.

 

Als wäre das nicht schon genug Grund zur Besorgnis, traf Shikamaru vor Überraschung beinahe der Schlag, als er den straffen Ruck seines Schattenbesitzes spürte. Ein klares Zeichen dafür, dass er den anderen Ninja sofort gefangen hatte. 

 

Was zur Hölle? Er muss total neben der Spur sein.

 

Er erhob sich und beobachtete, wie Neji seinen Bewegungen folgte. Das Feuer loderte trotz des Regens unaufhörlich weiter, als sich Shikamaru dem Hyūga näherte. Er fühlte den Boden unter seinen Sandalen nachgeben und hörte das schmatzende Geräusch, als er die Sohlen aus dem Matsch zog. Neji traf ihn auf halbem Weg, doch das Gesicht des blassäugigen Ninja wurde von dem langen Schleier seines Haares verdeckt. Dichte mokkafarbene Strähnen klebten an den Mulden seiner Wangen, die elegant geschwungenen Gesichtszüge wurden in ein Wechselspiel von Licht und Schatten getaucht.

 

„Lass mich los, Nara!“ Es war keine Bitte.

 

Na super. Und was jetzt?

 

Shikamaru knickte leicht in der Hüfte ein und linste träge durch den Regen. „Ich habe jetzt wirklich keine Lust dazu, wegen der Sache besonders scharfsinnig sein zu müssen. Also um das kurz zu machen: Ich werde dich nicht gehen lassen, bis du mir sagst, was zur Hölle du dir dabei gedacht hast, Lee einfach so auszuknocken.“

 

„Lass mich gehen!“ Der leise todbringende Ton in Nejis Stimme trug unnötigerweise noch mehr zu der Kälte der Nässe bei, die ihre Körper taub werden ließ. „Jetzt!“

 

„Auf keinen Fall. Tut mir leid.“ Shikamaru beobachtete, wie Nejis Augen zu den züngelnden Flammen wanderten. Seine Lippen verzogen sich träge. „Schon praktisch, dieses Krötenöl, oder? Sogar noch effektiver als Napalm. Es wird noch eine ganze Weile brennen, schätze ich.“

 

„Du willst mich wirklich nicht reizen, Nara!“

 

„Habe ich auch nicht vor.“, erwiderte Shikamaru gedehnt und täuschte Lässigkeit vor. „Scheiße, ich habe wirklich gar keine Lust auf irgendeine Art der Konfrontation. Falls du es bisher noch nicht bemerkt haben solltest, ich hab‘s nicht so damit, meine Kameraden zu verprügeln. Entspricht nicht meiner Vorstellung von Problemlösung.“

 

„Lee hat schon schlimmere Schläge eingesteckt. Und jetzt lass mich los.“

 

„Offenbar unterschätzt du deine gar nicht so sanfte Faust, Hyūga.“

 

Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sich etwas in Nejis verkrampfte Züge schlich, eine Spannung, die sich nicht nur seinen Kiefer und die zusammengebissenen Zähne entlang zog, sondern bis hinunter zu den Sehnen in seiner blassen Kehle wanderte. Die Stimmbänder zuckten sichtbar, als versuchten sie einen Schrei zu unterdrücken.

 

Scheiße. Was zur Hölle ist mit ihm los?

 

„Ich will nur reden, Neji.“

 

„Ich aber nicht.“

 

„Wie nervig.“

 

„Lass mich gehen, Nara, oder ich werde dafür sorgen, dass du es tust!“

 

Shikamaru hob eine dunkle Braue und streckte theatralisch beide Arme über den Kopf, bevor er die Hände in die Hüften stemmte und beobachtete, wie Neji gezwungen war, seine Bewegungen nachzumachen. 

 

„Du bist nicht in der Position für leere Drohungen, Neji – selbst wenn ich der Meinung wäre, dass du im Moment eine Chance gegen mich hättest.“

 

„Sag das nochmal ohne deine Schatten, die dich retten!“, zischte der Hyūga und seine geisterhaften Augen warfen ihm einen mörderischen Blick zu, während seine Wimpern gegen den steten Regen anblinzelten. 

 

Shikamaru unterdrückte den Drang zu lächeln.

 

Schätze, sein Stolz ist immer noch vorhanden. Das ist gar nicht schlecht…das kann ich zu meinem Vorteil nutzen.

 

Shikamaru rollte mit den Augen und spielte mit dem vorhersehbaren Ego des Hyūga. „Du bist total neben der Spur. Auch wenn du Lee getroffen hast, war das nur deswegen, weil er keinerlei Deckung errichtet hatte. Immerhin hat er ja auch nicht erwartet, von einem Freund angegriffen zu werden.“

 

„Er war mir im Weg.“

 

Shikamarus Augen verengten sich leicht. „Ja, also langsam hörst du dich wie eine ganz bestimmte Person an. Willst du dreimal raten?“

 

„Verspotte mich nicht, Nara! Ganz zu schweigen von deiner Beleidung, mich mit dem Uchiha in eine Schublade zu stecken!“ Nejis leise, beinahe schon hypnotische Stimme wurde säuerlich und dumpf. „Unsere Gedankengänge sind vollkommen verschieden.“

 

„Dann beweis mir das Gegenteil – denn im Moment benimmst du dich wie ein 1A Arschloch!“

 

„Fick dich!“

 

Shikamaru blinzelte. Diese Worte hörten sich aus Nejis Mund so falsch an. Es war völlig unvereinbar. Sie waren zu vulgär für jemanden, der sich so eloquent ausdrückte wie der Hyūga. Die Beleidigung schien die Atmosphäre um sie herum zu verdüstern und hing nun unangenehm zwischen den beiden. 

 

Denk nach, verdammt – ich kann ihn nicht viel länger halten. 

 

„Also was sollte das dann, Neji? In einem Moment waren wir noch auf der Spur eines Akatsuki Imitators und im nächsten wirst du bipolar und drehst durch. Würdest du mich erleuchten?“

 

Nejis Kiefer zuckte. Mehr bot er nicht an. 

 

Shikamaru veränderte seine Haltung und zwang Neji so, sich etwas mehr aufzurichten und sich ihm direkter zuzuwenden. Aber es brachte einen Scheiß. Der Hyūga zeigte nicht das geringste Anzeichen dafür, die massive Mauer, die er um sich herum errichtet hatte, zu senken. Shikamaru seufzte schwer. Das war wirklich ein Drama, aber viel mehr als das, kratzte es immer weiter an seiner kaum noch vorhandenen Geduld. 

 

„Das war’s jetzt, huh?“ Shikamaru zog eine finstere Miene und versuchte angestrengt, die unangenehme Kühle des Regens zu ignorieren – vielleicht wurde der Schauer, der seinen Rücken hinab jagte, aber auch von diesen kalten blassen Augen ausgelöst. „Schätze mal, das bedeutet, dass du mich dazu zwingst, dieses Puzzle komplett auseinanderzunehmen und selbst zusammenzusetzen, oder? Wie lästig!“

 

Stille

 

Das hätte er aber eigentlich auch erwarten können. 

 

„Okay, also…“ Er schloss die Lider und ließ im Kopf die letzten Stunden Revue passieren. „Ich denke es ging um etwas, das Naruto gesagt hat. Du hast das Team verlassen, als der Idiot seine übliche Moralpredigt gehalten hat.“ Er öffnete einen Spalt breit ein Auge und examinierte eingehend Nejis Gesichtsausdruck. Da war keinerlei Regung in der wütenden Miene des Ninja. 

 

Verdammt. Such weiter.

 

„Es war zwar nicht besonders auffällig, aber unsere Gruppenformation hat leicht geschwankt. Das weiß ich, weil ich schon vorschlagen wollte, sie zu ändern – aber witziger Weise befandest du dich dabei ein paar Schritte hinter allen anderen als vor uns. Das passt eigentlich gar nicht zu dir.“

 

Nichts. Neji starrte ihn einfach nur weiterhin komplett reaktionslos an. 

 

Shikamaru überdachte die Geschehnisse, suchte fieberhaft nach dem Katalysator für Nejis Zorn und sein anschließendes Bedürfnis zu fliehen. Wenn es um Kampf oder Flucht ging, war meist Angst der entscheidende Faktor. 

 

Der Nara wog seine nächsten Worte sorgfältig ab, während er Neji für einen weiteren Moment musterte. „Es passt aber auch wirklich nicht zu dir, wegzurennen.“

 

Nejis Nasenflügel zitterten. „Ich renne vor gar nichts davon!“

 

„Mh, dann muss ich mich wohl getäuscht haben. Ich fühle mich ja schon beinahe geschmeichelt, wenn man bedenkt, dass ich es war, der dich gejagt hat.“

 

„Tz! Schmeichel dir nicht selbst, Nara!“

 

Sag bloß. So wie es aussieht, komme ich hier wirklich nirgendwohin.

 

Shikamaru grinste und änderte mental die Spur. „Vielleicht habe ich es auch einfach falsch angepackt. Vielleicht ging es gar nicht um Naruto. Ich meine, immerhin war es Lee, dem du den Schlag verpasst hast.“ Er hielt inne und tat so, als würde er über das nachdenken, wofür er sich bereits vorbereitet hatte. Er spielte die Stolz-Karte aus. „Aber andererseits hat er sich dir ja nur in den Weg gestellt, um dich vom Wegrennen abzuhalten, als du dich wegen irgendetwas erschreckt hast und total ausgeflippt bist.“

 

In einem deutlichen Knurren zog Neji die Oberlippe zurück. „Halt’s Maul und hör auf, dich einzumischen!“

 

Bingo!

 

Shikamaru lief vorwärts und zwang Neji dazu, es ihm gleich zu tun und so die Distanz zwischen ihnen weiter zu schließen. Jeder Schritt verstärkte die Spannung in Nejis Zügen, als würde er zu etwas hingezogen werden, dem er sich nicht stellen wollte. 

 

„Du hast dich gegen das Team gewandt und bist gerade dabei, uns alle gehörig in die Scheiße zu reiten. Ich werde nicht riskieren, dass irgendjemand von uns verletzt wird, nur weil du dich nicht zusammenreißen kannst!“ Shikamaru machte eine Pause und runzelte die Stirn, als er Neji musterte. „Aber was noch viel verrückter an der ganzen Sache ist, ist, dass du eben nicht der Typ bist, der einfach so abhaut, geschweige denn ausrastet.“

 

„Ich bin nicht ‚ausgerastet‘! Maße dir nicht an, mit mir zu sprechen, als würdest du mich kennen!“

 

„Ich weiß, dass du nicht oft auf so eine Art die Kontrolle über dich selbst verlierst.“

 

Nejis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Als hättest du auch nur die leiseste Ahnung davon, was ich denke!“

 

Es ging doch gerade gar nicht darum, was er denkt…ich komme scheinbar immer näher.

 

Shikamaru spürte einen sehr schwachen Stich in seinem Inneren und ein warnender Ruck in seinem Chakra machte ihn darauf aufmerksam, dass sein Jutsu an Wirkung verlor. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, dass das Feuer inzwischen leicht flackerte. Es zwang ihn dazu, sich wieder auf seinen Schattenbesitz zu konzentrieren und er grummelte leise. Doch Neji wehrte sich inzwischen gegen ihn; er spürte deutlich die gewaltige Energie des Hyūgas, die sich ihm entgegenstemmte.

 

Scheiße.

 

Neji begann zu grinsen, seine Augen zuckten kurz zwischen dem Schattenninja und den Flammen hin und her. „Du verlierst langsam den Halt und das Licht deines Feuer, Nara. Du kannst mich nicht viel länger halten.“

 

„Glück für dich. Wovor fürchtest du dich?“

 

Neji schnaubte spottend, doch das Geräusch blieb ihm in der Kehle stecken, es klang beinahe erstickt. „Weder denke ich über Angst nach, geschweige denn verspüre ich sie.“

 

Shikamaru runzelte leicht die Stirn, während sein Verstand rasch den Ausdruck auf Nejis Gesicht deutete und versuchte herauszufinden, was sich dahinter abspielte. Das war keine leichte Aufgabe bei jemanden, der sich derart abschirmte wie Neji – doch die Worte des Hyūgas verrieten Shikamaru, was die Miene des Ninja nicht preisgeben wollte. 

 

„Angst ist nicht immer etwas, über das man ‚nachdenkt‘. Es ist eine Emotion und die sind in jedem Menschen verwurzelt. Jeder verspürt Furcht, Neji!“

 

„Es kommt mir erst gar nicht in den Sinn; ich bin nicht ‚jeder‘.“

 

„Ja klar, also das letzte Mal, als ich nachgesehen habe, warst du noch ein Mensch.“

 

„Bin ich das?“

 

Was? Shikamaru blinzelte, die Worte brachten ihn aus der Fassung. Sein kurzes Zögern war verhängnisvoll und gewährte Neji in dem Moment einen winzigen Angriffspunkt, in dem Shikamarus Chakrastrom ins Wanken geriet. Die Schatten des Nara zogen sich schlagartig zurück und noch in der gleichen Sekunde stürzte sich Neji auf ihn, jedoch ohne die Anmut der Sanften Faust. Nein – das hier war ein einfacher Schlag ohne jede Kalkulation oder Berücksichtigung einer bestimmten Technik.

 

Der Hieb war verzweifelt…beinahe nachlässig.

 

So gar nicht Neji.

 

Shikamaru spürte Knöchel an seiner Wange entlang schrammen, ein kanpp verfehlter Schlag, der ihm die Gelegenheit gab, einen sicheren Stand einzunehmen. Gleichzeitig wirbelten sie herum, beide verzögert durch den starken Sog des Untergrundes an ihren Füßen. Shikamaru nutzte Nejis untypischen Fokusverlust, um einen Gegenangriff zu starten, doch sein Verstand war ihm wieder einmal voraus. 

 

Er hielt mitten in der Bewegung inne und wich einen Schritt zurück.

 

Das ist es nicht wert.

 

Die Messlatte des Kampfes noch höher zu legen, würde Neji nur dazu ermutigen, seine Vorgehensweise zu überdenken und so eine überlegene Technik anzuwenden. Und das war das absolut Letzte, das Shikamaru jetzt gebrauchen konnte – weswegen er seinen ursprünglichen Plan, seine Präzision und auch seinen Stolz fallen ließ. Er drehte sich um die eigene Achse, spannte sich in der Bewegung an und stürzte sich auf Neji. Er packte ihn in einer Art Rangelei mit aller Macht an der Taille, die mehr als peinlich gewesen wäre, hätte sie irgendein anderer Ninja dabei beobachtet.

 

Und damit verabschiedet sich meine Reputation…

 

Zum Glück interessierte ihn das einen Dreck.

 

Neji hatte einen derart direkten und drastischen Angriff nicht erwartet und wurde mit einem überraschten Grollen von den Füßen gerissen; mit einem lauten nassen Klatschen schlug er auf dem Waldboden auf. Das zähe Gemisch aus Erde und Blättern drückte sich zwischen seine Finger, als er sie in den Boden krallte und zur Faust ballte, um einen mächtigen Schlag gegen Shikamarus Kiefer auszuführen.

 

„Geh runter von mir!“

 

Sehr zur Überraschung des Hyūga fing Shikamaru den Hieb ab. Aber was taten sie hier eigentlich? Raufen wie undisziplinierte Kinder im Matsch? Es war lächerlich und mehr als beschämend! Neji knurrte und versuchte seine Fersen in den durchweichten Boden zu graben, doch er gab mit einem schmatzenden Geräusch nach und rutschte weg. Shikamaru war klar im Vorteil, seine Beine hielten den Ninja mit den blassen Augen am Boden festgenagelt und indem er seinen Unterarm gegen dessen Kehle drückte, rammte er Nejis Kopf zurück in den Erdboden.

 

„Hör endlich auf, dich wie der letzte Idiot aufzuführen!“, schnappte Shikamaru gereizt, denn was als nerviges Drama begonnen hatte, pisste ihn inzwischen mächtig an. Sie hatten keine Zeit für sowas. Sie befanden sich immerhin auf einer Mission.

 

Nejis Kehle entwich ein Grollen, seine Augen flackerten zornig, doch erstaunlicherweise blieb sein Byakugan deaktiviert. „Und du nennst dich selbst Ninja? Deine Technik ist erbärmlich.“

 

Warum hält er sich zurück? Er könnte mich locker abschütteln.

 

Shikamaru presste seinen Arm nur noch fester gegen Nejis Hals, während er auf den Mann unter sich starrte, das Regenwasser rann ihm von Nasenspitze und Kinn und tropfte auf Nejis Stirnband. Wieder entschied er sich, die Taktik zu ändern und als er sprach, lag keinerlei Aggression mehr in seiner Stimme. 

 

„Lass den Schwachsinn und rede mit mir, verdammt nochmal. Wir stehen auf derselben Seite, oder nicht? Scheiße, ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass wir Freunde sind.“

 

„Wir sind keine Freunde!“

 

„Aber wir sind Kameraden! Sag mir, was los ist!“

 

„Nein!“ Neji ruckte heftig mit der Hüfte und hob eine Hand, um sie um Shikamarus Kehle zu legen. 

 

„Fuck!“ Shikamaru zog rasch den Kopf zurück und versuchte gleichzeitig, seine Position zu halten. „Was hast du damit gemeint, dass du denkst, du wärst kein Mensch? Was zur Hölle stimmt nicht mit dir, Hyūga?“

 

„Geh runter von mir!“ Das Byakugan erwachte zum Leben und verzog die Haut um Nejis Augen mit einer Grausamkeit, die Shikamaru noch vor dem eigentlichen Schlag bis ins Innerste traf.

 

Keuchend wich der Schattenninja zurück und spürte, wie Neji die Gelegenheit nutzte, um sich aufzurappeln; er blinzelte sich den Regen aus den Augen. Als sich seine Sicht wieder klärte, starrte er hinauf in ein Abbild reinen Zorns, die Spitzen von Nejis langem Haar kitzelten ihn im Gesicht.

 

Scheiße.

 

Bevor er sich versah, krallte sich Nejis Hand in seiner Flakweste fest und er zog ihn an sich heran, bis sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Zorniger Atem schlug Shikamaru ins Gesicht und ließ ihn nach hinten zucken, während er unverwandt zurückstarrte. 

 

„Denkst du, deine Intelligenz gibt dir das Recht, herablassend zu sein, Shikamaru?“, zischte er und zerrte ihn am Kragen der Weste auf die Füße. „Mach dir keine Hoffnung darauf, mich zu verstehen. Beleidige mich nicht mit deinen Versuchen, mich zu durchschauen. Du weißt nichts über mich! Du hast keine Ahnung, was in meinem Kopf vorgeht!“

 

Hart biss Shikamaru die Zähne zusammen und er merkte, wie sein Zorn immer mehr Verwirrung wich, auch wenn sein scharfer Verstand weiterhin versuchte, Schwachstellen in Nejis Raserei zu finden. Sie waren da, das konnte er deutlich spüren. Es waren haarfeine Risse in seiner wütenden Maske. Es musste einen Auslöser für all das geben.

 

Scheiße verdammt, denk nach! War es wegen Naruto? Lee? Irgendetwas hat ihn verärgert. War es wegen des rührseligen Schwachsinns, über den sie geplappert haben?

 

Shikamarus Augen wurden groß.

 

Neji runzelte die Stirn und unterstrich den Ausdruck auf seinem Gesicht mit einem tiefen Knurren. 

 

„Schau mich nicht so an!“, fauchte Neji. „Verteidige dich!“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, packte das Handgelenk des Hyūga um etwas Druck von seiner Kehle zu nehmen – doch er machte keinen Anstalten, sich zurückzuziehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass dich sowas derart mitnehmen würde.“

 

Nejis Augen weiteten sich. Für einen kurzen Moment wurde er von seinen eigenen Gefühlen betrogen, die kurz darauf dafür sorgten, dass sich seine weißen Iriden zu silbernen Schlitzen verengten. Heftig wirbelte er herum und zerrte Shikamaru mit sich. 

 

„Wie ich sehe, hast du dir irgendeine erbärmliche Theorie zurecht gelegt!“, spie der Hyūga aus und donnerte den Nara gegen den nächstbesten Baum. Er hörte den harten Aufschlag des Schädelknochens gegen Rinde. „Spar sie dir. Ich habe das alles schon einmal gehört. Die Leute versuchen andauernd, meine Gedanken zu entschlüsseln, mich zu durchschauen. Zwei intelligente Köpfe gegeneinander antreten lassen – ist das dein Spielchen? Dann viel Spaß beim Verlieren, Nara. Mein Verstand hat es nicht nötig, repariert zu werden!“

 

„Du verstehst das alles total falsch…“, hustete Shikamaru und schüttelte den Kopf, um sich von dem momentanen Schwindel zu befreien. „Du Idiot!“

 

Neji blinzelte überrascht. „Was?“

 

Shikamaru ließ seinen Kopf gegen die zersplitterte Rinde des Baumes sinken, sein Gesichtsausdruck war seltsam ruhig. „Du verschwendest nur Energie damit, deinen Verstand zu verteidigen – aber das ist gar nicht das Problem…oder?“

 

Nejis wütende Maske bekam leichte Risse. „Wovon redest du?“, zischte er.

 

Shikamarus Lippen kräuselten sich in ein trostloses Lächeln und unwillkürlich versteifte sich Neji bei diesem Anblick. Sein Griff um Shikamarus Kehle wurde härter, doch er übte nicht genug Druck aus, um wirklich Schaden anzurichten, sondern unterband so lediglich ungewollte Bewegungen des anderen. 

 

Shikamaru blieb unbeeindruckt. „Du denkst, ich versuche, in deinen Verstand sehen zu können? Warum sollte ich mir die Mühe machen, herauszufinden, was in deinem Kopf vorgeht, wenn es überhaupt nicht darum geht, was du denkst. Meine Vermutung? Es geht darum, was du fühlst…

 

Nejis keuchender Atem stockte abrupt und er starrte unverwandt in die ruhigen, unerschütterlichen Augen des anderen Ninja. „Mach dich nicht lächerlich…“

 

„Von mir aus kannst du dich selbst belügen, doch ich durchschaue es…“

 

„Es gibt absolut nichts, das sich durchschauen ließe.“

 

„Doch, das gibt es. Gerade jetzt, wann immer ich dich gefragt habe, was du fühlst, jedes Mal, wenn ich Angst oder etwas Emotionales erwähnt habe, hast du es sofort in etwas Logisches umgekehrt.“ Aufmerksam musterte er Nejis geisterhaft blasses Gesicht und bemerkte sofort, wie sich seine Miene verhärtete. „Du hast jedes Mal sofort erwidert, ich könne nicht verstehen, was du denkst, was in deinem Kopf vorgeht, in deinem Verstand, obwohl es gar nicht darum ging. Du verhältst dich viel zu defensiv, ergo, die Wahrheit ist, dass es im Grunde überhaupt nicht darum geht.“

 

„Du liegst falsch.“

 

„Nicht ich bin das Problem und auch nicht Lee oder Naruto. Also was ist es? Wurde an dem falschen emotionalen Nerv gekratzt?“

 

Shikamaru konnte noch die Finger um seinen Hals zucken fühlen, bevor sich ihr Griff lockerte. „Ich rate dir, den Mund zu halten, solange du noch atmest, Nara!“

 

Shikamaru zeigte keinerlei Regung, sein Blick wanderte langsam über Nejis Gesicht. „Du bist der gefassteste Ninja in unserem Team…“

 

„Halts Maul, Nara!“

 

„…du bewahrst immer die Ruhe. Immer schon bei Sonnenaufgang auf den Beinen und am Meditieren…immerzu konzentriert…aber emotional absolut verschlossen…“

 

„Es reicht!“

 

Shikamarus Blick wurde etwas weicher, seine Stimme senkte sich zu einem Murmeln. „Du hast recht, Neji. Deinem Kopf geht es gut. Wenn es um deinen Verstand geht, bist du vollkommen bei dir, aber deine Emotionen sind derart aus dem Gleichgewicht geraten, dass du keine Ahnung mehr hast, wie du damit umgehen sollst…stimmt’s?“

 

Die blassen Augen wurden groß und ihr Ausdruck wurde wild, jedoch nicht zornerfüllt. Das Byakugan war fort. Shikamaru schüttelte den Kopf und ein Anflug von Bedauern schlich sich in seinen Blick. Behutsam wählte er seine Worte anhand des zitternden Griffs um seine Kehle. 

 

„Also was ist es? Von Menschen umgeben zu sein, die so emotional sind wie Naruto und Lee? In der Vergangenheit war es noch einfach für dich, nicht wahr? Du konntest deine Gefühle hinter diesem Schicksals-Schwachsinn und dem nachvollziehbaren Zorn gegen die Aufteilung deines Clans verstecken. Genau wie bei Sasuke…“

 

Nejis Finger schnitten ihm beinahe sämtliche Luftzufuhr ab. „Wage es nicht, mich mit diesem…“

 

„Es ist aber wahr.“, keuchte Shikamaru mühsam und streckte seinen Nacken so weit wie möglich nach hinten, um überhaupt sprechen zu können. „Genau wie bei ihm, schlug dir nur Groll entgegen und du hattest einen berechtigten Grund, dich wie ein Arschloch aufzuführen…aber jetzt hast du anstelle von Missgunst ein verdammt anständiges Team um dich und jeder Einzelne von ihnen würde sein Leben für dich aufs Spiel setzen. Und du würdest dasselbe tun, oder etwa nicht? Wie du es damals mit Kidōmaru getan hast, als wir vor drei Jahren versucht haben, Sasuke zurückzuholen…“

 

Nejis Augen zuckten, doch der Griff um Shikamarus Hals begann sich wieder zu lockern. Ein Beben ergriff seinen linken Arm und verzweifelt versuchte er, ihn ruhig und angespannt zu halten. 

 

„Sasuke war eine Mission. Es war unsere Pflicht.“

 

„Ja, ich weiß, dass du das glaubst.“

 

Augenblicklich straffte sich Nejis Arm wieder. „Erzähl mir nicht, was ich glaube, du Bastard!“

 

Shikamaru zog scharf die Luft durch die Nase ein, um sich auf einen erneuten Würgegriff vorzubereiten, doch als Neji nichts dergleichen tat, entspannten sich seine Züge zu einem schüchternen Lächeln. „Auch du musst zugeben, dass wir hin und wieder rein aus Instinkten heraus handeln. Aber deine Reaktion gerade war eine andere Art von Instinkt. Eine, die nicht von unserem Verstand geleitet wird.“

 

„Davon weiß ich nichts“, knurrte Neji, doch es klang abgehackt – erzwungen.

 

„Ja, hätte ich mir vermutlich auch nicht abgekauft…“ Shikamaru brummte leise und tastete sich mit seinen nächsten Worten vorsichtig vorwärts. „Ich schätze mal, diese Situation macht dir abartig Angst.“

 

Neji schlug seine Faust mit aller Kraft in Shikamarus Gesicht. Doch es lag keine Befriedigung darin, mitanzusehen, wie Shikamarus Kopf zur Seite gerissen wurde…denn es hielt ihn nicht davon ab, weiterzusprechen. Es machte die Worte nicht weniger schrecklich anzuhören. 

 

„Also…“ Shikamaru bewegte forschend seinen Kiefer und spuckte Blut zur Seite weg. „Offenbar geht es nicht darum, dass du es nicht ausstehen kannst, dass die Leute versuchen, dein Denken vorauszuahnen, oder deinen Verstand zu durchschauen. Es geht um Menschen, die etwas tiefer graben, nicht wahr?“

 

„Mach noch einmal den Mund auf und ich sorge dafür, dass du es nicht mehr kannst!“ Die Worte hätten vielleicht überzeugend gewirkt, wenn Nejis Stimme nicht so gezittert hätte.

 

Shikamaru ließ seine Zunge über die Zähne gleiten und nahm den metallischen Geschmack seines Blutes wahr. Er wandte seinen Blick wieder Neji zu und drückte sich weiter gegen den Baum, während er sich aufrichtete. „Warum? Geht es dir wirklich derart an die Nieren zu hören, wie Menschen emotional werden, weil du so verdammt verklemmt bist?“

 

Ein animalischer Klang von ohnmächtiger Frustration grollte durch Nejis Kehle. Ungläubig riss er seine Hand von Shikamarus Kehle und wich zurück, als würde irgendetwas Toxisches von dem Nara ausgehen. Diese bissigen, verwirrenden Worte berührten ihn an Orten, über die er nicht einmal nachdenken wollte. 

 

„Shinobi müssen über ihren Gefühlen stehen.“ Nejis Miene verfinsterte sich und er zögerte einen winzigen Moment, bevor er fortfuhr: „Sie vernebeln das Urteilsvermögen. Machen uns leichtsinnig und unbekümmert…“

 

Shikamaru blieb bewegungslos gegen den Baum gelehnt und runzelte die Stirn. „Sie machen uns nicht leichtsinnig. Sie sorgen dafür, dass es uns kümmert…und sie machen uns stark. Sie machen den Mist, den wir tagtäglich tun erträglich…

 

„Nein…“

 

Shikamaru wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, um das Blut und den Regen fortzuwischen, seine Augen verengten sich. „Und du willst das alles wegwerfen, weil du verdammt nochmal zu viel Angst davor hast, zuzugeben, dass du dich vor etwas fürchtest. Scheiße! Du fürchtest dich vor deiner eigenen Angst. Das ist einfach nur dumm!“

 

Nejis Faust hämmerte Shikamarus Kopf heftig gegen den Baum – schon wieder. 

 

„Ich habe KEINE Angst, elender Bastard!“

 

„Warum rennst du dann weg?!“, brüllte Shikamaru, seine dunklen Augen wurden hart, als er urplötzlich nach Neji trat und ihn so zwang, zurückzuweichen. „Naruto mag sich ja aufführen wie ein Großmaul, aber es liegt Wahrheit in all dem Schwachsinn, den er erzählt! Wir sind Menschen! Gefühle gehören nunmal zum Menschsein dazu. Und sie machen uns stark!“

 

Nejis Lippen verzogen sich zu einem Zähnefletschen, seine Stimme war rau und bebte. „Du liegst falsch!“

 

Shikamaru erwiderte das Knurren und stierte durch den anhaltenden Regen, seine Stimme erhob sich gemeinsam mit seiner hochkochenden Wut. „Verdammt nochmal, du bist so verbohrt! Hat Sasuke dich dazu inspiriert oder ist dieser Schwachsinn einfach nur angeborene Dummheit?“

 

„Trottel! Sasuke war der Inbegriff dessen, warum uns Emotionen schwach machen!“, brüllte Neji zurück und zerschnitt mit einer scharfen Armbewegung die Luft, um seine Worte zu unterstreichen.

 

Shikamaru runzelte die Stirn und verwirrt blickte er den Hyūga an. „Wovon zur Hölle redest du?“

 

Nejis Kehle entwich ein bitteres in Frost gehülltes Lachen. „Verstehst du es wirklich nicht, Nara? Sasuke dachte, er hätte die Kontrolle. Aber als er bis an sein Limit getrieben wurde, hatte er sie eben nicht. Er hat sich so sehr von seinen Emotionen aufzehren lassen, dass sie ihn korrumpiert haben. Hätte er stattdessen seinen Verstand benutzt, wäre er niemals gegangen!“

 

Die Falten auf Shikamarus Stirn wurden noch tiefer. „Also was – du denkst, Logik hätte ihn in seinem Zustand retten können? So funktioniert das nicht.“

 

„Natürlich tut es das. Hätte Sasuke nicht so empfunden, wie er es getan hat…er hätte sich niemals dieser Finsternis ergeben…er hätte es niemals zugelassen, dass seine Gefühle ihn in ein Monster verwandeln…“

 

„Neji…“

 

„Es ist alles passiert, weil er so viel gefühlt hat, dass er dazu getrieben wurde irgendeinen Weg zu finden, den Grund seines Schmerzes auszurotten!“ Neji hielt inne und stieß ein bitteres Kichern aus. „Und selbst wenn Logik ihn nicht hätte retten können, es war auf jeden Fall nicht Logik, die ihn zerstört hat…es war nicht sein Verstand…sondern das, was tief in seinem Herzen war. Es war das, was er empfunden hat!“

 

Shikamaru bewegte sich nicht, seine Augen verloren den Fokus und sein Atem stockte, als er über diese Worte nachdachte. Und mit einem Schlag schien sich die Welt in die andere Richtung zu drehen.

 

Fuck. Er…hat recht…

 

Der Nara senkte den Blick. Sasuke hatte zwar Nejis ehemaligen arroganten Sinn für Überlegenheit geteilt, aber was Neji sagte, war unzweifelhaft wahr – Sasuke war emotional gewesen – völlig egal, wie sehr er sich darum bemüht hatte, distanziert und unnahbar zu erscheinen. Es war alles eine List. Eine Lüge.

 

Aber Neji…

 

Shikamaru hob den Kopf, richtete seine Augen zurück auf den Ninja mit den opalhaften Augen und realisierte, dass Neji trotz seiner Wut auf seinen eigenen Clan unbestreitbar immer kontrolliert blieb. Er ließ sich nur gehen, wenn ihm die Gelegenheit und Erlaubnis dazu von anderen gegeben wurde. Selbst als er seine Kontrolle an seinen Zorn verloren und versucht hatte, Hinata umzubringen, war es auch damals innerhalb der Grenzen einer Gelegenheit geschehen, die ihm geboten worden war – nämlich die der Chunninprüfung. Eingeschlossen die Regel, dass es keine Regeln gab. Aber Sasuke…Sasuke hatte sich selbst Gelegenheiten geschaffen; ohne Rücksicht auf Kontrolle. Der Uchiha hatte sich aktiv Möglichkeiten gesucht, hatte sich gegen geltende Regeln, gegen Logik und Bestimmungen gestellt – und sogar gegen seine Freunde und Lehrer. Sein gesamtes Dorf. 

 

Neji jedoch…

 

Shikamaru musterte den Jōnin aufmerksam, während der Zorn aus seinen Augen wich, und sie stattdessen von einer Art trauriger Verwirrung verschleiert wurden. Neji war so kontrolliert, dass er nicht einmal die festgelegten Grenzen seiner eigenen Regeln übertreten würde, geschweige denn die Regeln anderer. Er war auch nicht mit Sai vergleichbar, denn Sai wusste es schlicht und einfach nicht besser – ihm fehlte eine Art Bezugssystem und das nötige Verständnis. Aber das war bei Neji nicht der Fall…Neji kannte es und konnte es sogar auf logische Weise verstehen; er wusste, wie es war, Emotionen zu empfinden und sie zu deuten…doch er würde es sich selbst niemals gestatten, sie auch zu äußern. Er hielt sie stets fest unterdrückt.

 

Es war einfach verrückt…wie konnte er so leben?

 

Er kann es nicht…Hinata hatte recht mit dem, was sie vor Jahren gesagt hat…er leidet…aber in dem Moment, in dem er sich das eingesteht…geht er das Risiko ein, völlig die Kontrolle zu verlieren…verdammt, als Hinata ihm die Wahrheit direkt ins Gesicht gesagt hat, hätte er sie fast umgebracht…

 

Shikamaru schluckte. Seine Augen wanderten langsam über Nejis Gestalt, glitten die eleganten aber traurigen Züge entlang, als würde er ihn gerade zum ersten Mal sehen. Neji war sich seiner Beobachtung nicht bewusst – bestürzt starrte der Hyūga auf seine Hände, als könnte er sie dadurch zwingen, aufzuhören zu zittern. 

 

Er kann es nicht…hier geht es nicht länger um geistige Willenskraft…er befindet sich an einer ganz anderen Art von Limit…er hat seine Belastungsgrenze erreicht…Scheiße…

 

Shikamaru spürte sich einen Schritt vorwärts bewegen, ohne wirklich zu wissen, was zur Hölle sein Körper tat. Sein Verstand war immer noch damit beschäftigt, das volle Ausmaß der Situation zu verarbeiten. 

 

Scheiße, so ein simples rührseliges Geplapper war genug, um das in ihm auszulösen? Oh Mann, was für ein Drama…wobei man ja sagt, dass es meist nur eine Kleinigkeit ist, die das Fass zum Überlaufen bringt…

 

Obwohl sein Verstand ihn mit Nachdruck dazu drängte, einen Moment innezuhalten und diese möglicherweise verheerende Situation zu überdenken – was einschließen würde, einen großen Schritt zurückzuweichen – Shikamarus Füße bewegten sich ununterbrochen weiter voran und schlossen langsam die Distanz zu dem anderen Ninja. Neji schien es nicht einmal zu bemerken, er war immer noch zu beschäftigt damit, auf seine Hände zu stieren, offensichtlich empört über den Verrat seines Körpers. Doch da war noch etwas anderes, das sich hinter seinen Augen abspielte. Angst. Blinde Angst. Die Art von Angst, die Menschen unbesonnene, wahnsinnige Scheiße tun ließ. Shikamaru unterdrücket ein Seufzen. Das würde alles andere als einfach werden. Und nicht nur das, er verspürte auch das Bedürfnis, irgendeine Art von Trost anzubieten, von der er nicht einmal wusste, ob er sie wirklich geben konnte. 

 

„Neji…“

 

„Bleib weg von mir…“

 

„Auf keinen Fall, Neji. Tut mir leid.“

 

„Nicht…“ Neji begann sich zurückzuschieben, sein Fuß rutschte automatisch nach hinten, als er sein rechtes Bein durchstreckte, mit dem linken einknickte und eine Handfläche nach hoben streckte. Die Haltung, in der er so fiel, machte deutlich, dass er bereit war, anzugreifen, sobald er bedrängt wurde. 

 

Shikamaru blieb nicht stehen. Er näherte sich immer weiter, wenn auch langsam und wider besseres Wissen. Doch aus irgendeinem Grund, konnte er sich hiervon nicht abwenden. 

 

„Hör auf zu kämpfen.“

 

Nejis Stimme war hart, doch seine Augen verrieten ihn. „Bleib zurück!“

 

„Neji.“

 

„Ich sagte bleib zurück…“, warnte Neji ihn.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Du bist mein Kamerad. Und in diesem Fall bin ich für dich verantwortlich.“

 

„Ich glaube du verwechselst da etwas, Nara. Du bist hier nicht der Jōnin…“, fauchte Neji, seine Augen blieben auf die Rückseite seiner erhobenen Hand gerichtet. Sie zitterte heftig und zornig ballte er sie zur Faust. „Verdammt…“

 

„Siehst du, was du dir selbst antust? Jōnin hin oder her, es würde auch keine Rolle spielen, wenn du der verfickte Hokage wärst. Nichtmal dein Körper kann sich noch kontrollieren. Also hör auf, dagegen anzukämpfen.“

 

„Wenn ich das nicht bekämpfen kann, dann sollte ich wohl dich bekämpfen…“

 

Und damit stürzte Neji vorwärts, seine Handkante zerschnitt die Luft wie ein Messer, sein Angriff wurde jedoch geblockt und seine Hand rutschte über Shikamarus Unterarm ab. 

 

„Hör auf!“ Shikamaru duckte sich unter einem weiteren Hieb weg. „Ich werde nicht gegen dich kämpfen, du Idiot!“

 

„Du hast kein Mitspracherecht in dieser Sache.“

 

„Verdammt.“, zischte Shikamaru, wirbelte scharf herum und sein Arm traf hart auf den des Hyūga. Ihre Blicke trafen sich über ihre verhakten Arme hinweg. „Das ist also dein Plan? Es immer weiter zu meiden? Hat bisher ja wunderbar geklappt, oder?“

 

Die mörderische Drohung in Nejis Augen übertrug sich nicht auf seine Handlungen. Das Byakugan blieb weiterhin deaktiviert und in seinen Händen sammelte sich kein todbringendes Chakra. Er versuchte, seinen Arm aus der Verschränkung zu lösen, indem er seinen Ellbogen gegen Shikamarus Kiefergelenk schnellen ließ. Doch sein Schlag wurde abgefangen und verknotete sie nur noch enger miteinander.

 

„Was auch immer es ist, es wird nur noch schlimmer werden, je mehr du es leugnest!“

 

Neji brüllte ihn an, der Regen trommelte gegen sein Hitai-ate und floss seine gepeinigten Gesichtszüge hinab. „Halts Maul!“

 

„Du sollst doch ein Genie sein, Neji, aber du benimmst dich wie der letzte Trottel!“

 

„Fick dich! Glaub ja nicht, mich zu kennen!“

 

„Sind wir wieder bei dem Schwachsinn über Kopf und Logik? Oh Mann, du fängst jetzt wirklich an, mich enorm anzupissen!“ Shikamaru hatte keine Ahnung, woher das Gefühl auf einmal kam, doch eine Woge heißen Zorns explodierte in seinem Inneren und jagte Adrenalin durch seinen ganzen Körper bis in seine Faust. 

 

Der Schlag hätte niemals sein Ziel erreicht, wenn das Byakugan aktiviert gewesen wäre. Doch Neji hielt sich zurück und das wurde ihm jetzt zum Verhängnis. Shikamaru beobachtete, wie der der andere Ninja mit voller Wucht gegen einen Baum katapultiert wurde. Ein ersticktes Husten fiel von Nejis Lippen und noch bevor er sich von dem Treffer erholen konnte, erfüllte das Flirren fliegender Shuriken die Luft – dünne Drähte blitzten auf, als sie sich um Nejis Körper schlangen und ihn fest an den mächtigen Stamm zurrten. Mehrere Kunai kamen auf ihn zugeflogen und bohrten sich durch den Stoff seiner Robe tief in das Holz. Die Waffen trafen kein Fleisch, sondern sollten die Fesselung nur zusätzlich absichern.

 

Nejis Blick loderte zornig, sein Körper wurde gefährlich ruhig. „Du Bastard…

 

„Jetzt beruhig dich endlich, verdammt!“ Shikamaru kam zu ihm herüber marschiert, packte unsanft Nejis Kiefer und drückte seinen Kopf nach hinten. „Glaubst du im Ernst, dass dein Verhalten irgendetwas lösen wird?“

 

„Du elender Feigling. Kämpf gegen mich!“

 

„Du glaubst wirklich, mich windelweich zu prügeln würde irgendwie dazu führen, dass du dich besser fühlst?!“

 

Neji keuchte einen unterdrückten Fluch und lenkte damit Shikamarus Aufmerksamkeit auf seine blutverschmierten Lippen. „Ich würde lieber gegen dich kämpfen, anstatt mir auch nur noch ein weiteres Wort deines erbärmlichen Gefasels anhören zu müssen.“

 

„Warum, ist es zu nah an der Wahrheit für deinen Geschmack?“

 

„Bastard!“

 

„Vollidiot!“

 

„Feigling!“

 

Du bist derjenige, der wegrennt, Hyūga!“ Shikamarus Griff um Nejis Kiefer verstärkte sich, seine Nägel gruben sich in die Haut über dem Gelenk, als er sich weiter nach vorn lehnte. „Spielen wir hier mit vertauschten Rollen, oder was? Es passt nicht zu dir, abzuhauen.“

 

„Aber es ist in jeder Hinsicht deine Natur, nicht wahr, Nara?!“, knurrte Neji und keuchte abgehackt.

 

Shikamaru grinste und sein Atem entwich bebend seinen Lippen. „Es ist für mich so natürlich wie atmen, aber im Moment bist immer noch du es, der hier wegrennt.“

 

Spannung begann zwischen ihnen zu knistern, Funken der latenten Gewalt, die in der Luft lag und von etwas anderem, entzündeten sich aufgrund ihrer Nähe. Ihre Blicke schienen sich gegenseitig in ihr Fleisch zu krallen, intensiv und ursprünglich mit einer beinahe fleischlichen Aggression.

 

„Dafür bring ich dich um!“, fauchte Neji, sein Atem schlug gegen Shikamarus Mund. 

 

Und in dem Moment, in dem der Hauch auf seine Lippen traf, spürte Shikamaru ein unbeschreibliches Kribbeln, das seine Nerven entlang jagte und etwas Entscheidendes in seinem Verstand kurzschloss. Es sandte einen Impuls durch seinen Körper, der so triebgesteuert und übermächtig war, dass er ihn ergriff, bevor er ihn überhaupt begreifen konnte.

 

„Was zur Hölle ma…“ Neji wurde zum Schweigen gebracht – aber nicht von einer Faust oder einem harschen Wort, sondern von Shikamarus heißem zornigen Mund, der hart auf seinen eigenen traf.

 

 

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Und es geht los...eine lange lange Reise, auf der mich hoffentlich viele von euch begleiten werden!

Ich freue mich über jede Art von Feedback, bitte lasst mich wissen, wie ihr die Geschichte findet! :)

Being stupid

„Was zur Hölle ma…“ Nejis Worte erstarben in einem harten Aufeinanderprallen von Zähnen. Shikamarus Mund schluckte jeden seiner protestierenden Laute und verwandelte sie in einen harten, heißen und feindseligen Kuss. 

 

Neji erstarrte – sein Knurren blieb ihm augenblicklich im Hals stecken.

 

Sein Verstand kollidierte mit einer steinernen Mauer des Schocks; und blieb fassungslos und zum Schweigen gebracht zurück. Eine glatte Zunge fuhr über seine Zähne und fing Blut und Regen auf. Er spürte, wie Shikamaru auf seine Unterlippe biss, sie mit den Zähnen gefangen hielt und die dünne Haut verletzte. Die Finger des Nara krallten sich noch härter in seinen Kiefer, doch die lähmende Fassungslosigkeit machte Neji vollkommen bewegungsunfähig. 

 

Er konnte nicht einmal Luft in seine Lungen ziehen. 

 

Für Shikamaru gab es in dem, was er gerade tat, nicht die geringste Logik. Hier ging es nicht mehr darum, einen Plan zu verfolgen. Er hatte keine Ahnung, worum verdammt nochmal es hier ging, er wusste nur, dass sich sein Knie zwischen die gefesselten Beine des Hyūgas presste und Neji immer noch erstarrt blieb und nicht reagierte.

 

Scheiße.

 

Nach einem kurzen Biss auf Nejis Unterlippe zog sich Shikamaru zurück. Seine dunklen Augen trafen auf blasse lavendelfarbene, die ihn anstarrten; hin und her gerissen zwischen Schock und etwas anderem, das Shikamaru nicht benennen konnte.

 

Eine gespannte Stille breitete sich zwischen ihnen aus, die nur unterbrochen wurde von ihren bebenden Atemzügen und dem leisen Plätschern des Regens. Shikamaru spürte einen rückwirkenden Schock durch seine Glieder fahren, als würde ihn gerade erst die Erkenntnis darüber treffen, was er getan hatte. Sein Kopf zuckte zurück, als hätte er einen Schlag verpasst bekommen.

 

Was zur Hölle habe ich gerade getan?

 

Gerade wollte sich Shikamaru von Neji wegbewegen, als der Hyūga den Mund aufmachte.

 

„Verdammte Scheiße, was sollte das?“, knurrte er, doch die Wut in seiner Stimme übertrug sich nicht auf seine Augen.

 

„Ich…ich weiß nicht…“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Aber es hat dich zum Schweigen gebracht, oder nicht?“

 

Neji schluckte und runzelte die Stirn, bevor er den Kopf so weit wie möglich zurückzog und den Nara anfauchte. „Hör auf, mich anzufassen!“

 

Jetzt wurden auch seine Augen zornig.  

 

Gut. Eine logische Reaktion. Dem konnte Shikamaru folgen. Nicht, dass Logik ihm eine Antwort darauf liefern könnte, was gerade eben wie ein elektrischer Impuls durch seinen Körper und seine Nerven entlang geschossen war. Shikamaru zwang seine Lippen zu einem schwachen, unsicheren Lächeln. Er war ehrlich gesagt viel zu verwirrt, um im Moment etwas Besseres anbieten zu können, das nicht in dem Drang resultieren würde, die Beine in die Hand zu nehmen und vor diesem Moment weit weit weg zu laufen.

 

„Ich schätze mal, du denkst immer noch zu viel.“, murmelte er und wusste dabei nicht, ob die Worte an Neji oder doch eher an sich selbst gerichtet waren.

 

Du denkst scheinbar überhaupt nicht mehr, wenn du glaubst, dass ich dich das noch einmal tun lasse!“

 

Shikamaru hob eine Braue und sein Stolz, dem er sonst eigentlich kaum Beachtung schenkte, stellte sich angesichts der Worte auf die Hinterbeine. „Angst, dass dir jemand diese Kontrolle über dich nimmt? Mann, mit dir hat man echt seine liebe Not. Aber andererseits ist es ja nicht so, dass du dich groß dagegen wehrst.“

 

„Ah, also ist es jetzt doch ein Kampf, was du willst?“ Nejis Kehle entwich ein bitterer Klang, sein Atem verwandelte sich in der kalten Luft in zarten Nebel. „Offenbar hast Sehnsucht nach Schmerzen und mich deshalb verfolgt.“

 

„Wenn man die Tatsache bedenkt, dass du dich aufführst wie die weltgrößte Nervensäge und mir damit gehörig auf den Sack gehst, schätze ich, dass du in gewisser Weise recht hast.“ Shikamaru blinzelte träge, seine Stimme wurde leise. „Aber ich weiß, dass du nicht wirklich gegen mich kämpfen willst.“

 

„Mach nur weiter so Nara und schaufle dir dein eigenes Grab. Ich werde dich da rein befördern, noch bevor du es bereuen kannst.“

 

Shikamaru bemerkte die Spannung, die sich an Nejis Schläfen entlang zog – ein untrügliches Zeichen dafür, dass der Hyūga nahe dran war, seine Drohungen in die Tat umzusetzen. Das Byakugan regte sich unter der Oberfläche der blassen Haut, auch wenn es Neji offensichtlich widerstrebte, es einzusetzen. 

 

Shikamaru war beinahe versucht, ihn dazu zu ermutigen. 

 

Scheiße, er würde dem Hyūga wahrscheinlich sogar die ausdrückliche Erlaubnis geben, seinen Kopf wieder in einen Baum zu hämmern, wenn er die Hoffnung hätte, dass sein Hirn dann wieder normal funktionieren würde.

 

Was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Völlig egal, wie das gerade wirkt, ich versuche nicht, dich zu provozieren, weißt du.“

 

Nejis Blick senkte sich zu den Drähten und Kunais, die ihn an den Baum gefesselt hielten. „Achja, und wie würdest du das sonst nennen?“

 

Shikamaru wich der Frage aus. „Ich weiß, dass du nicht wirklich kämpfen willst.“, wiederholte er seine Aussage noch einmal.

 

„Tz!“ Nejis Hand ballte sich zur Faust und der Stoff seiner Robe riss, als er sich gegen die Bindungen stemmte, die ihn fest an den Baum zurrten.

 

„Du benutzt nicht einmal dein Byakugan.“

 

„Ah gut beobachtet, Nara.“, schnappte Neji, und entwand seinen Kiefer endlich dem Griff von Shikamarus gelockerten Fingern. „Ich bin froh zu sehen, dass dich deine berühmte Intelligenz offenbar nicht vollkommen im Stich gelassen hat.“

 

Darauf würde ich nicht wetten.

 

„Warum setzt du deine Stärke nicht ein?“

 

„Warum tust du es nicht, wenn es um Intelligenz geht?“, schnappte Neji zurück. 

 

Shikamaru ignorierte die Stichelei. „Du hättest das alles stoppen können, noch bevor es überhaupt angefangen hat. Warum hast du es nicht getan?“

 

Neji zögerte. „Geh weg von mir, bevor ich dir wirklich noch weh tue.“

 

Shikamarus Augen zuckten angesichts der Drohung.

 

Er hätte sich zurückziehen sollen. 

 

Doch irgendetwas hatte sich in seinem Geist festgesetzt und den Platz seines gesunden Menschenverstandes eingenommen – vielleicht aber auch den Platz seines ‚Verstandes‘ ganz allgemein. Und er hatte absolut keine Ahnung, worum es sich dabei handelte. Aber er wusste, dass es nicht klug war. Oder sicher. Oder auch nur annähernd vernünftig. Es fühlte sich wie ein hartnäckiger, irritierender und viel zu lästiger Trieb an, den er nicht abschütteln konnte. Wahrscheinlich würde es wie Naruto aussehen, wenn es eine Form gehabt hätte – immerzu etwas Idiotisches in alle Richtungen plärrend, das dieses Chaos nur noch mehr zu einer Katastrophe machen würde, als es ohnehin schon war. 

 

Der Gedanke ließ ihn grimmig lächeln. 

 

„Denkst du, ich scherze?“ Nejis gesamter Körper spannte sich gefährlich an.

 

„Nein.“ Shikamaru lachte leise, zweifelte aber nicht eine Sekunde an den Worten des Hyūga. „Kein bisschen!“

 

„Dann geh verdammt nochmal weg von mir!“

 

„Ich kann nicht.“ Shikamaru schüttelte den Kopf, hob eine Hand und legte sie auf die Stelle zwischen Nejis Hals und Schulter. „Nicht bis du dich beruhigst.“

 

„Entscheide dich lieber schnell um, Nara.“ Neji versuchte, die beleidigende Berührung abzuschütteln und seine Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich dachte, du willst nicht kämpfen.“ 

 

„Ich meine es ernst.“ Shikamaru verstärkte seinen Griff. Bedachte man den Leichtsinn und die Verwirrung, die sich direkt unter seiner trägen Fassade abspielten, war sich der Nara nicht sicher, ob er dem Hyuga letztendlich weh tun oder ihm helfen wollte.

 

Ich mache nichts Leichtsinniges. Ich mache keine Dummheiten. 
 

Und doch war er hier…und tat genau das. 

 

Energisch schüttelte er den Gedanken ab und murmelte stirnrunzelnd: „Willst du das hier vielleicht etwas leichter machen und endlich rauslassen, was auch immer dich anpisst?“

 

„Hör auf, diesen Schwachsinn zu faseln!“ Neji ruckte so gut es ging mit der Schulter und die Drähte schnitten in seinen Oberarm, als er an seinen Fesseln zerrte.

 

Shikamaru seufzte. „Mann, du verursachst bei mir irgendwann noch Nasenbluten, wenn ich mein Hirn wegen dir so anstrengen muss, Hyūga.“

 

„Ich verursache dir gleich mehr als nur ein harmloses Nasenbluten, du aufdringlicher Bastard.“

 

Oh du willst es aufdringlich? Schön, ich geb‘ dir aufdringlich.
 

„Ich zähle jetzt bis drei.“ Shikamaru hielt zur Veranschaulichung drei Finger in die Luft, bevor er seine Hand zur Faust schloss. „Und dann werde ich etwas tun, das ungefähr genauso dumm ist wie du, indem du dich wie ein lästiger Idiot aufführst.“

 

Der Ausdruck angewiderter Fassungslosigkeit auf Nejis Gesicht wäre vermutlich amüsant gewesen, wenn der Kontext nicht so feindselig gewesen wäre. 

 

„Wage es nicht, Spielchen mit mir zu spielen, Nara!“

 

Shikamaru schnippte einen Finger nach oben; den mittleren. „Eins. Das ist kein Spiel.“

 

„Das ist erbärmlich.“

 

Shikamaru grinste und streckte ach so langsam seinen Zeigefinger aus. „Zwei. Vermutlich.“

 

Die Miene des Hyūgas wurde zornig, er konnte es überhaupt nicht leiden, wenn seine Worte auf taube Ohren stießen. „Was zur Hölle gibt dir eigentlich das Recht, mir etwas vorzuschreiben, du Bast…!“

 

„- Drei.“ Shikamaru packte Neji erneut unsanft am Kiefer. „Sei still!“ Und dann neigte er seinen Mund über Nejis. 

 

Wie erwartet reagierte der blassäugige Ninja diesmal.

 

Neji riss seinen Kopf scharf zur Seite und kreierte dabei eine kribbelnde Reibung zwischen ihren Lippen. Doch Shikamarus Finger blieben unbarmherzig und hart in seinen Kiefer gekrallt; genauso dämlich herausfordernd, wie er es angekündigt hatte. Grob zwang er Nejis Kopf zurück und erstickte das wütende Knurren des anderen Ninjas mit seinem Mund. Er legte unmissverständliche Dominanz in den Kuss und konnte spüren, wie sich Neji noch mehr anspannte, um ihn nicht damit davon kommen zu lassen.

 

Oh mein Gott, ich bin sowas von tot.
 

Shikamarus Verstand war kaum noch in der Lage, zu dieser fatalen Erkenntnis zu gelangen. Auf keinen Fall arbeitete sein Hirn noch auf einem Niveau, das Shikamaru kannte oder verstehen konnte. Er hatte das Gefühl, von etwas gefangen worden zu sein, das er nicht erklären und genauso wenig abschütteln konnte. Es grub seine Klauen tief in ihn und arbeitete sich durch seinen gesamten Körper. Es zerfetzte seine Gedanken, bis eine Strategie das Letzte war, das seinen Verstand beherrschte oder das Gefühl auslöste, das seine Synapsen entlang jagte. 

 

Fuck. Dräng mich zurück. 
 

xXx
 

Es war ein fleischlicher Kuss vom ersten Moment an.

 

Neji, der in solchen Situationen niemals zuvor der Empfänger irgendeines Dominanzversuches gewesen war, verlor für einen Moment jede Möglichkeit zu reagieren. Das Einzige, das er zustande brachte, war, während des Kusses die Zähne zu fletschen. 

 

Und dann stieg der unbändige Drang in ihm auf, sich zu wehren. 

 

Sofort trat sein Stolz wieder an die Oberfläche und zwang ihn dazu, seine Ehre zu verteidigen. 

 

Neji kämpfte so gut es seine Position zuließ gegen die Situation an. Er warf sich mit aller Kraft und so weit wie möglich nach vorne, die straffen Drähte schnitten durch seine Robe und gruben sich in sein Fleisch, als er verzweifelt versuchte, sich seiner Fesseln zu entledigen. Shikamaru ließ ihn jedoch nicht weit kommen, rammte ihn zurück gegen den Stamm und vergrub seine Finger in den langen nassen Strähnen des Hyūga. Er packte grob zu und begann an dem nussbraunen Haar zu zerren, als wollte er ein widerspenstiges Pferd in seine Schranken weisen. 

 

Der harte Ruck an Nejis Haaren jagte einen kribbelnden, aber nicht nur unangenehmen Schmerz durch seine gespannte Kopfhaut.

 

Ein dunkles, heißes Gefühl schoss durch seinen Körper, als hätte ihn eine brennende Faust in die Magengegend getroffen. Nur, dass sich diese Faust dort verankerte, gnadenlos sein Innerstes packte und zu schwelen begann, nur um mit jeder verstrichenen Sekunde noch heißer zu brennen. 

 

Es war ein anderes Empfinden als Zorn und doch ähnlich genug, um so tun zu können, als wäre es nichts anderes. 

 

Ich bring ihn um...

 

Das stumme Versprechen schlich sich in seinen Verstand und verhärtete sich, bevor es unter der Kraft der Hitze zu zittern begann, die seine eisige Verteidigung schleichend zu infiltrieren drohte. Die unnachgiebige, feindselige Macht des Kusses wogte durch seine Adern und brachte sein Blut zum Kochen. Er versuchte energisch, seinen Kiefer aus Shikamarus eisernem Griff zu befreien, wollte auf die Zunge beißen, die sich so arrogant an seinen Zähnen vorbei drängte. Doch er musste feststellen, dass der feuchte Muskel, der seinen Mund erforschte, seinen Verstand dazu brachte, den sonst so unumstößlichen Halt an seiner Kontrolle und Wut zu lockern.

 

Etwas anderes rang jetzt in seinem Inneren um die Oberhand.

 

Und dann begann sich ein drückender Schmerz in seiner Brust auszubreiten und zog sie schmerzhaft zusammen. 

 

Stop…

 

Nejis Nägel krallten sich mit einer Gewalt in die raue Rinde des Baumes, dass seine Fingerspitzen zu bluten begannen. Er drückte seinen Kopf so weit wie irgend möglich zurück und versuchte die Wucht des Kusses mit einem scharfen Atemzug abzufangen, der Regenwasser in seine Lungen zog und seine Bronchen verstopfte.

 

Der Schmerz in seiner Brust wurde noch heftiger.

 

Doch Shikamaru zeigte keine Gnade und Nejis ursprüngliche Vorstellung der lakonischen und absolut leidenschaftslosen Natur des Nara wurde sofort ausgelöscht.

 

Genauso wie der Kuss. 

 
 

xXx
 


 

Ihre Münder wurden in einem abgehackten Keuchen auseinandergerissen. 

 

Der Kuss ließ sie beide nach Luft japsend zurück, die sich schwer und kalt vom Regen um ihre bebenden Leiber legte.

 

„Verdammt nochmal, egal was es ist, lass es einfach raus!“, grollte Shikamaru und lehnte sich wieder nach vorn, um Nejis Lippen leicht mit den seinen anzustupsen. „Lass es raus, Neji.“

 

„Nein.“

 

Instinktiv ruckte Shikamaru heftig an Nejis Haar. „Lass es raus, du sturer Bastard!“

 

„Nein!“, schnappte Neji zurück und ein gequälter Ausdruck schlich sich in seine Augen. Seine Stimme senkte sich zu einem drohenden Knurren. „Wenn du mich noch weiter drängst, werde ich mich nicht zurückhalten.“

 

Diesmal meint er es wirklich ernst.
 

Shikamarus Finger lösten sich aus der brutalen Umklammerung von Nejis Haar und glitten langsam durch die dunklen Strähnen, bis sie schließlich am Nacken des Hyūga verharrten. Der Nara seufzte, sein Zorn verflüchtigte sich rasch. Er hatte keine Ahnung, woher diese rückwirkende Wildheit gekommen war. Es alarmierte ihn auf eine Weise, die seiner sonst so lethargischen Natur völlig zuwider lief. 

 

Was zur Hölle mache ich hier…?
 

„So ein plötzlicher Taktikwechsel?“ Neji schäumte vor Wut und spürte die Drähte um seinen Körper mit grausamer Brutalität in sein Fleisch schneiden. Doch er konzentrierte sich lieber auf diesen bitteren und stechenden Schmerz als auf das seltsame Gefühl von Atemlosigkeit, das einfach nicht verschwinden wollte. „Ich werde nicht zulassen, dass du mich damit manipulierst.“

 

Shikamaru schloss krampfhaft die Augen und versuchte verzweifelt, wieder klar denken zu können. „Ich versuche nicht, dich zu manipulieren.“

 

„Noch dazu ein absolut infantiler Versuch, mich zu manipulieren…“, schnaubte Neji und blinzelte sich den Regen von den Wimpern, während er seinen Kopf unverwandt gegen den Baum in seinem Rücken presste. Seine Augen blitzten unzweifelhaft zornerfüllt, aber sie zeigten auch Verwirrung.

 

Infantil? Mein Kuss?“ Shikamaru grinste schief, doch es war ein schwaches Lächeln. „Du verstehst es, den Stolz eines Mannes zu treffen, Hyūga. Aber es scheint ja funktioniert zu haben.“

 

An Nejis Schläfe pochte eine Ader. „Verspotte mich nicht.“

 

„Gott verdammt, du bist so verklemmt.“  Shikamaru öffnete seine Augen und senkte seinen Blick zu den Roben des Hyūga. An den Stellen, an denen die Drähte in Nejis Haut schnitten, war der Stoff getränkt und fleckig von Blut.

 

Scheiße.

 

Das hatte er nicht beabsichtigt. 

 

Er schob vorsichtig Nejis Haar von dessen Hals und über seine Schulter. „Weder verspotte, noch manipuliere ich dich.“

 

„Nein, du belästigst mich nur.“, erwiderte Neji, doch seltsamerweise waren es keine von Wut aufgeheizten Worte. 

 

Shikamaru verzog das Gesicht, doch er konnte es nicht leugnen. Oder erklären. Oder irgendetwas anderes tun, als in diesem seltsamen Schwebezustand zu verweilen, in dem der Antrieb, der seinen Körper kontrollierte weder von seinem gesunden Urteilsvermögen, noch von seinem Selbsterhaltungswillen gesteuert wurde.

 

„Ach ja? Naja, du lässt mich.”, erinnerte Shikamaru ihn und sein Daumen fuhr leicht Nejis Hals entlang und strich direkt unter seinem Kiefer über die kalte Haut. „Warum?“

 

Neji drehte den Kopf zur Seite, weg von der seltsam zarten Berührung. Wütend wandte er auch den Blick ab. „Ich weiß nicht…warum zur Hölle hast du mich überhaupt geküsst? Und warum berührst du mich auf diese Weise? Ist das etwa deine Vorstellung davon, ‚angepisst‘ zu sein?“

 

„Nein, das ist meine Vorstellung davon, dumm zu sein. Das habe ich dir aber auch gesagt.“ Shikamarus verzog leicht die Lippen und versuchte so, etwas Humor in seine Worte zu legen – verzweifelt, sich an irgendetwas festhalten zu können, um so die schreckliche Verwirrung lindern zu können, die seine Handlungen in seinem Inneren ausgelöst hatten. „Ich dachte mir, es wäre nur fair, uns beide auf das gleiche Level zu bringen. Zwei Genies, die sich gemeinsam dämlich aufführen…schätze mal, das macht Sinn, oder?“

 

Neji holte rasselnd Atem und schluckte hart. „Warum tust du das, Shikamaru?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und bemühte sich, nicht erkennen zu lassen, dass er sich selbst genau die gleiche Frage stellte. „Bitte mich nicht, herauszufinden, was das hier ist…ich weiß nicht, ob ich eine Antwort darauf finden würde.“

 

„Und ich weiß nicht, ob ich es wissen will.“ Neji schloss die Augen, sein Atem bebte. 

 

„Gut.“ Shikamaru runzelte die Stirn. 

 

Dieses gefährliche Terrain, auf dem sie sich befanden, war wie ein Minenfeld. Soweit es Neji betraf, hatte er nicht beabsichtigt, noch weiter an einem ohnehin schon instabilen Boot auf stürmischer See zu rütteln. Und genauso wenig hatte er von seinem Hirn erwartet, sich in eben dieses stürmische Meer des blanken Wahnsinns zu stürzen. Er hatte versucht, auf einer Planke darüber zu balancieren und war letztendlich kopfüber in kaltes Wasser gesprungen.

 

Ja, das war wirklich ein extrem intelligenter Schachzug.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. 

 

Herauszufinden, was auch immer sich zwischen ihnen abspielte und in pures Chaos verwandelte, schien die Mühe nicht wert zu sein. Und ganz davon abgesehen; sollte er wirklich lange genug innehalten, um über irgendetwas davon nachzudenken, würde es ein Vielfaches an Aufwand benötigen, um eine Lösung dafür zu finden.

 

Denk nicht nach!
 

„Das hier ist keine Kopfsache…“, murmelte Shikamaru laut. Er hob eine Hand und sie zuckte, als er nach Nejis Kinn griff. Er zwang den Hyūga, ihn anzusehen und musterte aufmerksam sein Gesicht; er brauchte irgendeine Art von Verbindung zu ihm, um die unbeholfene Situation überwinden zu können. „Habe ich recht?“

 

Vorsicht!“ Neji ruckte heftig mit dem Kopf, um sich aus der Umklammerung von Shikamarus Fingern zu befreien, seine Augen flogen weit auf und trafen auf die dunklen Iriden, die ihn unverwandt anstarrten. Seine Stimme klang seltsam angespannt und leise – erzwungen. „Tu das nicht, Shikamaru.“ Er hielt inne, um kratzend Luft zu holen. „Spiel keine Spielchen.“

 

„Verdammt, ich spiele nicht! Ich weiß doch nichtmal, was zu Hölle ich hier eigentlich mache!“ Shikamaru seufzte, kraftlos fiel seine Hand an seine Seite. Völlig ratlos starrte er auf die regennasse Mulde an Nejis Kehle; doch er wich nicht zurück. „Schätze mal, wir sind heute Abend beide ziemlich neben der Spur...wie auch immer, du magst mich ja verdammen, aber immerhin versuchst du nicht länger, mich ins Koma zu prügeln…“

 

Neji blieb stumm. 

 

Die Sehnen in seinem Hals verharrten gespannt und unbeweglich. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Hey. Ich bin fertig damit, das noch komplizierter zu machen, als es ohnehin von Anfang an war, okay?! Du kannst jetzt aufhören, die Luft anzuhalten.“

 

„Das tue ich nicht.“, zischte Neji erstickt. 

 

„Doch das tust du.“ Shikamarus Miene nahm einen besorgten Ausdruck an, seine dunklen Augen wanderten immer schneller zwischen Nejis Brust und seiner verschlossenen Kehle hin und her. „Scheiße verdammt, Neji? Atme!“

 
 

xXx
 

Atme.

 

Neji hätte seine Faust in Shikamarus Kiefer gerammt, weil er etwas mehr als Offensichtliches von ihm verlangte. Etwas, das eigentlich ganz von allein passieren sollte. Doch das tat es nicht. 

 

Lächerlich!

 

Sein Verstand begann Befehle zu brüllen, die niemals in seinen Lungen oder den Muskeln in seiner Brust ankamen. 

 

Atme!

 

Doch es war, als versuchte er, Luft durch dichtes Gewebe zu ziehen. Seine Lungen dehnten sich nicht aus, seine Brust schien in sich zusammenzufallen, wurde zusammengepresst und verkrampfte sich; er hatte nicht die geringste Chance, Sauerstoff in seine Bronchien zu zwingen. 

 

Ich kann nicht…

 

Und dann stoppte sein Verstand und wurde von kalter Panik überschwemmt.

 

Ich kann nicht atmen…

 

Er krallte seine Finger in die Rinde, fühlte die straffen blutigen Drähte, die sich um seinen Körper schlangen und wusste aber, dass es nicht seine Fesseln waren, die ihm die Luft abschnürten. Es war eine zermalmende Last auf seiner Brust, die seine Lungen erdrückte. 

 

„Neji?“

 

„Ich…“, krächzte Neji mit erstickter Stimme und bemerkte nicht einmal, wie Shikamaru die Kunais, Shuriken und Drähte von ihm riss. 

 

Panik drängte sich unaufhaltsam in seine blassen Augen.

 

Warum…kann ich nicht atmen?

 

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Und es geht weiter, diesmal mit einem etwas kürzeren Kapitel, dafür wird das nächste wieder länger :) 

Über Anmerkungen und Feedback würde ich mich wirklich freuen! Würde mich sehr interessieren, ob euch das Pairing und die Geschichte bisher gefallen! :)

To be seen

 

Lärm zerrte ihn aus der Schwärze in seinem Kopf; es war ein tiefes, wildes Grollen aus weiter Ferne, gefolgt von einem stürmischen Heulen und dem Klang berstender Bäume. 

 

Nejis Augen flatterten auf, Schlitze von schimmerndem Weiß versuchten sich in der Dunkelheit zu fokussieren. 

 

Wo bin ich?

 

Er atmete leise ein und runzelte angesichts der schmerzenden Spannung in seiner Brust die Stirn. Er fühlte sich, als hätte man ihm mit voller Wucht mitten aufs Brustbein getreten - mehrmals. Er blinzelte langsam und lauschte dem Trommeln, das sich nach heftigem Regen anhörte. Schatten huschten durch sein Sichtfeld und für einen Moment fragte er sich, ob er schon wieder das Bewusstsein verlor. Doch als er beobachtete, wie sich die Dunkelheit zusammenzog und wieder ausbreitete, wurde ihm bewusst, dass es sich um das Schattenspiel von Kerzenlicht handelte. Verzerrte dunkle Formen tanzten über die Wände. 

 

Moment. Wände?

 

Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube und brachte einen fürchterlichen Augenöffner mit sich. Neji versteifte sich, seine Finger krallten sich in zerschlissenen Stoff. Er lag schräg auf einem zerlumpten Futon, sein Oberkörper war leicht aufgerichtet, als hätte man die Belastung von ihm nehmen wollen, um ihm das Atmen zu erleichtern. Er wollte sich selbst nicht daran erinnern, warum diese Position womöglich wirklich nötig war. 

 

Eine Bewegung links neben ihm zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er drehte leicht den Kopf und richtete den Blick auf das glühende Ende einer schwelenden Zigarette. 

 

„Du hast mich echt zu Tode erschreckt.“, sagte Shikamaru leise; bläulicher Rauch verließ in einer trägen Spirale seinen Mund und verflüchtigte sich in der kalten Luft. „Schätze mal, wir sind jetzt quitt.“

 

Neji blinzelte, wandte den Blick ab und zwang sich dazu, die dunklen Augen zu ignorieren, die ihn mit trügerischer Ruhe examinierten. Zu sagen, dass er sich unwohl fühlte, spottete der Wahrheit so sehr, dass es schon fast zum Lachen war. 

 

Das Mal…

 

Rasch hob Neji eine Hand und berührte zögerlich mit den Fingern seine Stirn. Sie strichen über das kühle glatte Metall seines Stirnbandes und er atmete leise und erleichtert aus. Mit den Fingerkuppen fuhr er ganz leicht ein Muster darauf nach – nicht das des Blattsymbols, sondern das des verfluchten Siegels, das sich darunter befand. Nach einem kurzen Moment ließ er die Hand sinken; er spürte noch immer Shikamarus Blick auf sich ruhen. 

 

Hör auf, mich anzustarren…im Ernst, was erwartest du eigentlich? Meine Dankbarkeit?

 

Neji schloss die Augen. Unbehagen fraß sich durch sein Inneres und zog gleich darauf einen gedemütigten Zorn nach sich. Doch die ganze Zeit über verharrte sein Gesicht als ausdruckslose Maske; fest dazu entschlossen, diese Art der Verteidigung aufrecht zu erhalten.

 

Wenige Herzschläge später räusperte er sich. 

 

„Wo sind wir?“, krächzte er. Er war alles andere als stolz darauf, dass er entweder viel zu sehr mit Hyperventilieren beschäftigt gewesen war oder aber damit, bewusstlos über der Schulter des Nara zu hängen, um überhaupt mitzubekommen, wie und warum sie hier gelandet waren.

 

Er öffnete wieder seine Augen und sah sich um. Der Raum, in dem sie sich befanden, wirkte wie ein ziemlich heruntergekommenes Gästezimmer. Die dünnen Wände ächzten unter dem steten Druck des starken Windes und peitschende Zweige und Regen kratzten an den gesprungenen und klappernden Fenstern. Neji war überrascht, dass ihn das Getöse nicht schon viel früher geweckt hatte. 

 

„In einem alten Gasthaus.“, erwiderte Shikamaru und klopfte mit seinem Zeigefinger Asche von seiner Zigarette. „Naja…sowas in der Art zumindest.“

 

„Wo?“

 

„Weit genug weg von der Stelle, wo die anderen das Lager aufgeschlagen haben.“

 

Neji versteifte sich und seine Stimme wurde hart. „Ich habe es nicht nötig, dass du meine Würde verteidigst, Nara.“

 

„Hn.“ Er hörte, wie Shikamaru knapp durch die Nase einatmete. „Mach dir keine falschen Hoffnungen. Das Gasthaus war näher.“ 

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich und langsam, ganz so als wollte er nicht zu dramatisch erscheinen, rollte er sich auf die Seite. Er stützte sich auf einem Ellbogen ab und wandte Shikamaru seinen Rücken zu. Sofort bereute er es, diese Position eingenommen zu haben, denn sie fügte ihm an der Brust unerwartete Schmerzen zu. Sein Stolz verbot es ihm allerdings, seine Beschwerden nach außen hin zu zeigen.

 

Warum habe ich solche Schmerzen?

 

Er ließ seine Handfläche zu seinen Rippen gleiten und strich mit den Fingerspitzen über die empfindliche Stelle. Entschlossen kämpfte er den Drang nieder, Shikamaru zu fragen, ob er ihn ‚aus Versehen‘ fallen gelassen hatte – vermutlich sogar auf einer Treppe und sämtliche Stufen hinunter. Doch letztendlich störte ihn der Schmerz weniger als die Tatsache, dass er von der Hüfte aufwärts nackt war. Das schwache Ziehen heilender Schnitte erinnerte ihn rasch wieder an die Shurikendrähte. Doch da war auch noch ein seltsames Pochen an seinem Hinterkopf. Er fuhr mit den Fingern über die geschwollene Stelle und ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn. Es fühlte sich an, als hätte man ihm auf den Hinterkopf geschlagen – heftig. 

 

Dieser Dreckskerl!

 

Das schwache Scharren einer Bewegung zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nur einen kurzen Moment später nahmen seine Sinne den Geruch von Nikotin viel zu nah bei sich wahr. 

 

„Hey.“ Shikamaru legte ihm sanft die Hand auf ein Schulterblatt. 

 

Nejis Miene verdunkelte sich und er wandte sich um. Er riss seinen Ellbogen scharf nach oben und ließ seine Hand nach vorne schnellen, erwischte Shikamarus Kiefer und schlug dem Nara so den widerlichen Sargnagel aus dem Mund. Obwohl Shikamaru ihn finster anstarrte, wehrte er sich nicht. Er hob nur schweigend seine zu Boden gefallene Zigarette auf und drückte sie an der schimmeligen Wand aus. 

 

Über die Schulter hinweg begegnete Neji seinen dunklen Augen.

 

„Wie nett. Schön zu sehen, dass du dich immer noch voreilig aggressiv benimmst.“

 

„Fass mich noch einmal an und du bist vorzeitig tot!“

 

Aus irgendeinem Grund lächelte Shikamaru schief. Neji starrte ihn düster an. Das hatte nicht witzig sein sollen – nicht im Mindesten. Zorn brodelte in seinem Inneren auf. Die Situation war bereits demütigend genug, ohne dass Shikamaru seinen körperlichen Verletzungen auch noch eine Beleidigung hinzufügte. Der Nara schien seine Gedanken gelesen zu haben und schüttelte den Kopf; Neji ging davon aus, dass es sich dabei um eine Art Entschuldigung handeln sollte. Oder zumindest eine Abmilderung seiner nächsten Frage.

 

„Also…“, begann der Schattenninja gedehnt und zog das Wort unnötig in die Länge. „Wie geht’s deinem Kopf?“

 

„Wenn man bedenkt, dass du mich offenbar hart genug geschlagen hast, um mich komplett auszuknocken, ist es vielleicht keine allzu gute Idee, mich daran zu erinnern, findest du nicht?!“ Trotz des unterschwelligen Giftes in seinen Worten konnte Neji nicht anders, als sich zu wünschen, der andere Ninja hätte ihn noch härter geschlagen. 

 

Hart genug, um die Erinnerung an diesen haarsträubenden, Verstand stoppenden Kuss aus seinem Hirn zu hämmern. 

 

Bastard.

 

Als befürchtete er, seine Gedanken würden sich auf seinem Gesicht widerspiegeln, drehte Neji abrupt den Kopf weg. In dem schwachen Licht wäre zwar jeder Ausdruck irreführend und ließe sich kaum deuten, doch er wollte nicht das geringste Risiko eingehen, irgendetwas preiszugeben. Er hatte bereits mehrere empfindliche Risse in seiner Verteidigung einstecken müssen – das würde auf gar keinen Fall noch einmal passieren.  

 

Schon allein die Tatsache, dass er die Frechheit besitzt, mich auf diese Weise zu berühren…

 

„Naja, du hast mir ja nicht wirklich eine Wahl gelassen.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und rieb sich mit der Hand die wunde Stelle an seinem Kiefer. „Sorry.“ Es schien ihm nicht wirklich leid zu tun. 

 

Es dauerte einen Moment, bis Neji begriff, dass Shikamaru darüber sprach, ihn ausgeknockt zu haben. Seine Worte zielten nicht auf die Tatsache ab, dass er ihn einen Baum gefesselt, dann einfach so ihre Münder aufeinander gedrückt und ihm auch noch auf gar nicht so subtile Weise ein Knie zwischen die Beine gepresst hatte.

 

Nicht, dass Neji selbst immer noch daran dachte.

 

Lächerlich.

 

„Hn.“ Der Hyūga machte Anstalten, sich wieder auf die Seite zu drehen. 

 

„Du solltest dich nicht auf deine Seite legen, es wird dir nicht wirklich beim Atmen helfen.“, riet Shikamaru ihm, legte seinen Unterarm auf einem aufgestellten Knie ab und war im Begriff, sich eine weitere Zigarette anzuzünden. 

 

Neji hob spöttisch eine Braue. „Aber ich bin mir sicher, dass mir stattdessen Passivrauchen helfen wird.“

 

„Touché“, grinste Shikamaru und schob seine Zigarette zurück in die Packung. „Zufrieden?“

 

Nicht mal annähernd.

 

Neji ließ seinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen. Von den in den Ecken aufgestellten Kerzen tropfte Wachs und die Flammen zuckten auf ihren Dochten, während ein eisiger Luftzug durch die Risse in den Fenstern und Wänden pfiff. Seine Augen wanderten nach oben zu den Sparren, die ein verräterisches Knarzen von sich gaben.

 

Das wird nicht halten.

 

„Mach dir keine Sorgen. Es ist zwar eine ziemlich stümperhafte Konstruktion, aber es wird schon halten.“ Shikamaru gähnte und rieb sich die Augen. 

 

Neji grunzte, er teilte die Zuversicht des Schattenninjas überhaupt nicht. Bevor sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen ausbreiten konnte, entschied er sich, seinen Stolz hinunterzuschlucken und sprach das Unvermeidbare an; einfach weil er es wissen musste.

 

„Wie lange war ich…“ Er verstummte und biss wütend die Zähne zusammen. 

 

Doch aus irgendeinem Grund ersparte Shikamaru ihm eine weitere Demütigung, bei der Neji seinen hilflosen Zustand offen hätte zugeben müssen. 

 

„In etwa eine Stunde schätze ich.“ Der Nara wedelte träge mit der Hand, als ob er das Thema beiseite schieben wollte. „Ruh dich einfach aus.“

 

„Ich bin nicht krank.“, schnappte Neji.

 

Shikamaru ignorierte ihn geflissentlich. „Ist ja nicht so, als könnten wir während des Sturms irgendwo hin. Wir treffen uns einfach mit den anderen, sobald es aufklart; wenn wir Glück haben, ist das Unwetter bis zum Morgen vorbei.“

 

Neji hielt den Blick weiter auf die Decke gerichtet.

 

Bis zum Morgen…

 

Die Dämmerung hatte sich für ihn noch nie so verdammt weit weg angefühlt. Normalerweise störte sich Neji nicht an ruhigen Zeitabschnitten, in denen nicht allzu viel passierte und die viele andere mit Sicherheit als ermüdend erachtet hätten. Im Gegenteil, er fühlte sich in solchen Momenten sogar wohl – doch das würde eine qualvoll lange Nacht werden. Für einen flüchtigen Augenblick wünschte er sich, er wäre immer noch ohnmächtig. Allein der Gedanke an seinen Anfall vor ein paar Stunden löste eine plötzliche Übelkeit in seiner Magengegend aus. Puren Abscheu. Wie hatte er etwas so Lächerlichem gestatten können, seine Kontrolle zu übernehmen? 

 

Erbärmlich.

 

Neji runzelte die Stirn, drehte sich langsam wieder auf den Rücken und zog dabei die zerschlissenen Laken über seine nackte Brust. Die ganze Zeit über tat er so, als würde er nicht diese dunklen Augen bemerken, die jeder seiner Bewegungen folgten. Shikamaru erhob in seiner Observation nicht den geringsten Anspruch auf Subtilität und musterte ihn offen mit täuschend schläfrigen Augen. Soweit Neji das beurteilen konnte, machte der Bastard das mit Absicht.

 

Will er mich schon wieder provozieren?

 

Der Hyūga begann sich ernsthaft zu fragen, ob Shikamaru wirklich über diese berühmte Intelligenz verfügte – was ihm ehrlich gesagt langsam zweifelhaft erschien; besonders wenn man den harschen und völlig untypischen Angriff auf Nejis Mund bedachte. 

 

Es war nur eine Schocktaktik. Ein Trick…Warum denke ich überhaupt darüber nach?

 

„Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.“, murmelte Neji und versuchte damit die Aufmerksamkeit von sich selbst und diesen zermürbenden Gedanken abzulenken, die er gar nicht erst haben sollte. 

 

Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Ich wusste gar nicht, dass du an Panikattacken leidest.“

 

Neji schloss die Augen. Das hätte er eigentlich kommen sehen müssen. Er hatte sich selbst viel zu offen gelassen, ohne Verteidigung und mit viel zu breiter Angriffsfläche – und es war nicht so als würde der Nara diese Möglichkeit für einen Gegenschlag nicht nutzen. Letztendlich war ein rücksichtsloser Taktiker. Die Manipulationen, die er vorhin in seinen Handlungen genutzt hatte, machten das mehr als deutlich. 

 

Neji atmete leise durch die Nase aus und versuchte, sich selbst in einen meditativen Zustand zu versetzen. Sollte er es schaffen, seine Energie zu zentrieren und sein Chakranetzwerk gründlich zu studieren, könnte er vielleicht herausfinden, was für ein nerviger Anfall von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Möglicherweise könnte er das Problem sogar beheben. 

 

Sein Versuch war jedoch nur von kurzer Dauer. 

 

„Hast du Hunger?“ Shikamaru gähnte und rollte eine Schulter, um verspannte Muskeln zu lockern. 

 

Neji unterdrückte den Drang ihn finster anzustarren. Er antwortete nicht. Es war eine dumme, sinnlose Frage. Und so entschied er sich für Schweigen statt Sarkasmus; es war eine effektive Taktik, die keinem von beiden auch nur die geringste Anstrengung abverlangte. Der Hyūga setzte auf Shikamarus wohlbekannte Faulheit – und war mehr als überrascht, als der Schattenninja die Frage wiederholte. 

 

„Du warst doch mal intelligent.“, schnappte Neji letztendlich. „Also denk darüber nach, was es bedeutet, wenn sich jemand dazu entscheidet, dir nicht zu antworten oder dich überhaupt zu beachten.“

 

Shikamaru kicherte nur. „Reg dich ab, Hyūga, ich wollte nur sicher gehen, dass du immer noch atmest.“

 

Neji warf ihm aus den Augenwinkeln einen vernichtenden Blick zu, der einen klugen Mann augenblicklich zum Schweigen gebracht hätte. Shikamaru sollte eigentlich ein kluger Mann sein. Und außerdem hätte er selbstgefällig, amüsiert oder zumindest semi-überlegen aussehen, oder sich so benehmen sollen. 

 

Doch das tat er nicht. 

 

Er sah nicht einmal gereizt aus. Diese dunklen Augen beobachteten ihn ruhig. Neji runzelte die Stirn und wandte erneut den Blick ab; er mochte diese forschende, geduldige Ruhe in Shikamarus Augen nicht. Sie brachte ihn aus der Fassung. Nicht vieles schaffte das; und schon gar nicht ein simpler Augenkontakt. Wenn er sich die Mühe machte, auf das häufige Starren der Menschen zu reagieren, brachten seine blassen, geisterhaften Iriden die Leute meistens dazu, den Blick abzuwenden. Auch nur einen kurzen Augenkontakt herzustellen war normalerweise genug, um jemanden dazu zu bringen, sich zurückzuziehen. 

 

Aber nicht bei Shikamaru.

 

Im Gegenteil; irgendwie schaffte es der Schattenninja, dem Eis in Nejis Augen zu widerstehen und die ganze Zeit über auch noch unbeeindruckt und gelassen zu erscheinen. Es wirkte fast so, als würde Shikamaru im klar machen, dass es die Mühe nicht wert wäre, jetzt deswegen defensiv zu werden. Neji spürte, wie sich seine Brauen heftig zusammenzogen – es war ein feiner Riss in seiner Maske. 

 

Er war es gewohnt, dass ihn die Leute betrachteten, aber nicht gesehen zu werden.

 

Aus irgendeinem Grund sorgte Shikamarus Blick dafür, dass er sich fühlte, als würde er wie ein offenes Buch vor dem Nara liegen. Was aber total lächerlich war. Hyūgas gaben sich diese Blöße nicht – jeder, der versuchte, hinter ihre Verteidigung zu blicken, scheiterte zwangsläufig. Auf schmerzhafte Weise. Die Hyūgas waren ein Schlag Mensch, der sich nicht leicht interpretieren oder einschätzen ließ.

 

Im Grunde hatte Neji niemals an seiner Fähigkeit gezweifelt, unergründlich zu bleiben; zumindest nicht bis vor ein paar Stunden. Nicht bis Shikamaru - der eigentlich viel zu faul dafür sein sollte, sich überhaupt um so etwas zu kümmern - darauf bestanden hatte, eine Lösung für etwas zu finden, das undechiffrierbar sein sollte. 

 

Es hätte alles so anders laufen sollen.

 

Der Gedanke an seinen Kontrollverlust sorgte dafür, dass sich Nejis Brust noch mehr zusammenzog. Diese ganze Situation fühlte sich an, als hätte sich eine natürliche Ordnung auf den Kopf gestellt, auf die er sich stets verlassen hatte und von der er angenommen hatte, sie wäre unumstößlich. Und nun war diese kostbare Ordnung gefährlich ins Wanken geraten – genau wie seine Atmung. 

 

Verdammt.

 

Nejis lange Finger krallten sich unbewusst in den Futon und formten sich beinahe zur Faust, bis er sich wieder fing und zwang, sie auszustrecken. 

 

Ich werde das unter Kontrolle halten. Es gibt einen Grund, weshalb ich nicht scheitere. Das darf hierbei nicht anders sein. Gegen mich selbst zu verlieren wäre jämmerlich.

 

„Bist du ok?“ Shikamaru verlagerte sein Gewicht.

 

„Ja!“, schnappte Neji. 

 

Wann zur Hölle bin ich so durchschaubar geworden? Er biss sich auf die Zunge, um das Knurren zu unterdrücken, das ihm bereits in der Kehle hing und kniff fest die Lider zusammen. 

 

„Es geht mir gut.“, fügte er noch mit leiserer Stimme hinzu. 

 

Er sah nicht, wie der Ausdruck in Shikamarus Augen weich wurde. 

 

Draußen hielt das Unwetter donnernd und wild an.

 
 

xXx
 

 
 

Neji erwachte lange vor der Dämmerung.

 

Der Lärm hatte ihn erneut geweckt; das unaufhörliche Klappern der Scheiben und der hämmernde Regen hatten ihn aus einem traumlosen Schlaf gerissen. Seine Stimmung hätte besser sein können, wenn man bedachte, dass ihn seine innere Uhr ohnehin geweckt hätte. Diese lästige Schwere auf seiner Brust war nicht verschwunden, doch es ließ sich aushalten. Er war sich sicher, dass er den Druck auf seiner Lunge ignorieren konnte, wenn er seinen Fokus auf irgendetwas anderes lenken könnte. 

 

Später würde er Zeit dafür finden, um der Sache auf den Grund zu gehen und dieses Ärgernis unter Kontrolle zu bekommen. 

 

Der Sturm war vorüber, doch der Regen hielt noch immer an. Er prasselte heftig wie ein Hagelschauer nieder und schmetterte dichte Bahnen aus Wasser gegen die gesprungenen Scheiben. Doch trotz dieses Getöses; Shikamaru rührte sich nicht. Nejis Blick wanderte von seiner eigenen verzerrten Reflexion im Fenster zu der zusammengerollten Gestalt, die unter mehreren abgenutzten Decken begraben war. 

 

Wie kannst du bei diesem Lärm nur schlafen?

 

Neji legte den Kopf leicht schief und sein dunkles Haar schwang in der Bewegung mit, als er in aller Ruhe weiter in die Mitte des kleinen Raumes schritt. Die Kerzen waren während der Nacht zu flachen Wachspfützen zerschmolzen, in denen die Dochte versunken und beinahe erloschen waren. 

 

Statt einfach nur untätig herumzustehen, schlüpfte Neji in seine matschverkrustete und blutbesudelte Kleidung und in seine Sandalen. Leise verließ er das Zimmer. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass es sich bei dem ‚Gasthaus‘, in dem sie sich befanden, eher um einen verlassenen Schuppen handelte. Die von Wind und Wetter gezeichnete Hütte stand ganz offensichtlich schon eine sehr lange Zeit leer, um in so einen entsetzlichen Verfallszustand geraten zu sein.

 

Es gab kleine Anzeichen dafür, dass die Unterkunft bereits von anderen für denselben Zweck genutzt worden war – als letzte Zuflucht vor den Elementen. Kami sei Dank handelte es sich um ein ebenerdiges Gebäude ohne weitere Stockwerke oder einen Keller, sodass man nicht Gefahr lief, durch den morschen Boden zu fallen. Trotzdem bewegte sich Neji vorsichtig durch das Gebäude. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen und mied einen bedenklich erscheinenden Raum, der aussah, als wäre er ausgebrannt – er nahm an, dass es vor langer Zeit einmal die Küche gewesen war. 

 

Er suchte nach Kerzen, fand stattdessen aber ein paar Öllampen. Zu irgendeinem Zeitpunkt während seiner beschämenden ‚In etwa eine Stunde oder so‘-Bewusstlosigkeit, hatte Shikamaru Vorkehrungen getroffen, um den Ort zu sichern. Er hatte einige einfache aber wirkungsvolle Fallen aufgestellt. Neji gab sich alle Mühe, die Fürsorge des Schattenninjas nicht zu würdigen. Er war mehr als zufrieden damit, noch für eine Weile länger angepisst zu bleiben. 

 

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alles, was noch von irgendeinem Interesse hätte sein können, entweder gestohlen oder bis zur Nutzlosigkeit zerstört worden war, lenkte er seine Schritte zurück zu ihrem Zimmer. So leise wie er gegangen war schlüpfte er durch die Tür. 

 

Shikamaru hatte sich nicht bewegt. 

 

Neji machte sich daran, seine linke Sandale abzustreifen und verlagerte das Gewicht auf sein rechtes Bein. 

 

Ganz leicht knarzte eine Diele unter seinen Füßen.

 

Hinterhältig…“, grummelte Shikamaru aus dem Kokon seiner vielen Laken heraus. 

 

Neji rollte in einer absolut untypischen Gefühlsregung mit den Augen, wohlwissend, dass der Schattenninja es nicht sehen konnte. Shikamaru konnte während eines höllischen Sturmes schlafen, regte sich aber bei dem kleinsten Knacken des Dielenbodens? Neji schritt hinüber zu dem dösenden Ninja und warf dabei einen schwachen Schatten über die zusammengerollte Gestalt unter den Laken.

 

„Der Sturm ist vorbei.“ Neji hob etwas die Stimme, um die klappernden Scheiben zu übertönen. „Wir sollten uns auf den Weg machen.“

 

Shikamaru rührte sich nicht und gab auch keine Antwort. Im Geiste ließ Neji einen Countdown ablaufen. Dann verengten sich seine Augen.

 

„Steh auf, Nara.“

 

Nichts.

 

Neji ließ den Blick durch den Raum wandern und seine blassen Augen richteten sich auf einen verbeulten Eimer. Shikamaru musste ihn in die Ecke des Zimmers geschoben haben, um den das Regenwasser aufzufangen, das aus einem Leck im Dach tropfte. 

 

Die Lippen des Hyūgas verzerrten sich zu einem schwachen Grinsen.

 

Kindisch, aber perfekt.

 

Geräuschlos wandte er sich auf seinen nackten Füßen um und schritt hinüber zu dem halbvollen Eimer. Seinen Blick hielt er weiterhin auf Shikamaru gerichtet; keine Regung. Das Gefühl eines anstehenden Triumphes erfüllte seine Augen mit einem sadistischen Glimmen. Oh, wie sehr er doch Spaß daran haben würde, Shikamaru von seinem hohen Ross zu holen. Neji achtete sorgfältig darauf, nicht auf die knarzende Diele zu treten und ging in die Hocke, um nach dem Eimer zu greifen. 

 

Das süße Gefühl von verdienter Rache pulsierte durch seine Adern, als er sich erhob. 

 

Und augenblicklich wünschte er sich, er hätte es nicht getan. 

 

Wasser und Holzsplitter brachen wie ein Eisregen über ihn herein. Instinktiv krümmte er den Rücken und erstarrte an Ort und Stelle; ein ersticktes Japsen fiel von seinen Lippen. 

 

Das Bündel aus Laken begann sich zu bewegen.

 

Die scharfen wirren Zacken eines Pferdeschwanzes erschienen, gefolgt von dem Rest von Shikamarus Kopf. Die verschlafenen Augen des Nara wanderten träge von dem Eimer in Nejis verkrampften Händen zu dem mörderischen Ausdruck auf seinem Gesicht und dann weiter zu dem kaum wahrnehmbaren Funkeln des Drahtes, der von dem Eimer hinauf zu einer Falle direkt über Nejis Kopf führte. 

 

„Ja…wirklich hinterhältig…“

 

Nejis Blick wurde eisig. Doch in seinem derzeitigen Zustand war es quasi unmöglich, einschüchternd zu wirken. Shikamaru gähnte einfach nur und zuckte mit den Achseln, bevor er sich mit einem Grummeln wieder unter den Decken vergrub. 

 

„Ugh. Weck mich, wenn es aufhört zu regnen.“

 

Neji stierte ihn unverwandt und finster an. Das dunkle Haar, das sein Gesicht einrahmte, klebte wie eine feuchte Ohrfeige in den Mulden seiner Wangen. An seinen langen Wimpern hingen glitzernder Wasserperlen und seine Kleidung tropfte mit dem Loch im Dach um die Wette. 

 

Und schließlich zuckte ein Muskel in Nejis Kiefer. 

 

Er zog langsam die Luft ein und richtete sich ach so ruhig auf. Dann trat er würdevoll aus der kalten Pfütze zu seinen Füßen, drehte sich einige Grade nach links – und warf den Eimer und seinen Inhalt mit aller Kraft nach Shikamaru…nur um festzustellen, dass ein weiterer Draht am Griff befestigt war. Die dünne Metallschnur ruckte an einem weiteren strategisch angeritzten Balken, der nach unten krachte und so den Weg für noch mehr eisiges Wasser freimachte, das auf den ohnehin schon völlig durchweichten Hyūga stürzte. 

 

Dem lauten Platschen folgte ein durchdringendes Schweigen, das nur von den klappernden Fenstern unterbrochen wurde. 

 

Der verräterische Eimer hüpfte höhnisch an dem gespannten Draht und schien mitten in der Luft zu schweben. Glucksend verteilte er noch mehr Wasser über Nejis Füßen und vergrößerte die Pfütze, die sich auf dem Boden ausbreitete; in sehr sicherer und bis auf den Zentimeter genau kalkulierter Entfernung zu der Stelle, an der Shikamaru lag. 

 

Der Haufen Decken über dem Nara begann zu zittern. Und zwar nicht vor Angst. 

 

Nejis Auge zuckte. Obwohl er sich alle Mühe gab es zu ignorieren, konnte er Shikamarus leises gedämpftes Lachen hören. 

 

Und aus irgendeinem Grund beleidigte es ihn nicht annähernd so sehr, wie er es sich gewünscht hätte.

 
 

xXx
 

 
 

„He! Da seid ihr ja!“ Das heftige Kreischen von Narutos Stimme schreckte alle Vögel im Umkreis auf. 

 

Shikamaru schlug sich mit einem Knurren die Hand vors Gesicht. „Was für ein Trottel.“

 

Neji kam abrupt neben ihm zum Stehen und blickte hinauf in die Richtung, aus der die Stimme des Uzumaki gekommen war. 

 

„Heeeey!“ Narutos Brüllen hallte erneut über die Lichtung.

 

Shikamaru seufzte. So viel dazu, dass das Team sich während seiner Abwesenheit bedeckt halten sollte. Und als wäre Narutos Gebrüll nicht schon nervig genug, entschied sich Lee in diesem Moment dafür, wie ein wild gewordenes Tier aus dem Unterholz zu brechen. Er stürzte mit gebeugtem Oberkörper auf sie zu, um Neji an der Taille zu packen und von den Füßen zu reißen – verfehlte ihn aber komplett, da der Hyūga in letzter Sekunde einen eleganten Schritt zur Seite wich und prallte stattdessen gegen Shikamaru.

 

„Hey!“ Während er in den nächsten Busch taumelte, schob Shikamaru den grüngekleideten Ninja mit einem genervten Knurren von sich. „Jetzt mal im Ernst, woher zur Hölle nehmen Naruto und du eigentlich diese Energie?“

 

Er beobachtete, wie Lee eulenhaft blinzelte, bevor der Ninja mit den buschigen Augenbrauen Shikamarus Handgelenk packte und ihn viel zu enthusiastisch aus dem Gestrüpp zerrte. 

 

„Meine ehrliche Entschuldigung, Shikamaru-kun!“

 

„Ugh. Wie auch immer.“ Der Nara schüttelte den Kopf und klopfte seine Kleidung ab. 

 

„Neji-kun!“ Lee wirbelte mit einem hoch erhobenen Daumen zu dem gelassen wirkenden Hyūga herum. „Wie gut zu sehen, dass deine wunderbaren Reflexe so schnell wie immer sind!“

 

„Ja, was ist nur mit deinen passiert?“, raunte Shikamaru leicht außer Atem. Ernsthaft, woher nahmen Lee und Naruto diese Energie?

 

Lee lachte verlegen. „Ich muss mich wohl etwas schneller bewegen!“

 

„Naja, hätte Naruto nicht gekreischt wie eine Banshee“, sagte Neji ruhig und richtete seinen Blick himmelwärts auf den orangenen Blitz, der in den Baumkronen von Ast zu Ast sprang. „dann hättest du mich vielleicht sogar überrumpeln können.“

 

Neji verzog seine Lippen zu einem matten Lächeln, das Lee mit einem breiten Grinsen erwiderte. Shikamaru musterte die beiden und fragte sich, ob dies ein seltsames Friedensangebot vonseiten Nejis an seinen Teamkollegen war. Er war sich sicher, dass keiner von beiden die Aktion von gestern Abend diskutieren würde. Genauso wenig wie Shikamaru und Neji ein Wort darüber verloren hatten, was zwischen ihnen vorgefallen war.

 

Es ist besser so. Zumindest vorerst. 

 

„HEY!“, quäkte Naruto und landete in der Hocke neben dem Nara. „Shikamaru!“

 

Die Frequenz und Lautstärke ließen den Schattenninja winseln. „Hör endlich auf zu plärren!“

 

„Wo zur Hölle wart ihr beide?“, schrie Naruto unbeirrt. „Ich hab‘ überall im Wald Schattenklone rumrennen lassen!“

 

„Mann, hältst du auch irgendwann mal die Klappe?“ Shikamaru rieb sich genervt den Nacken und schritt hinüber zu dem Feuer, neben dem Tenten hockte. „Ich werde euch alles beim Essen erzählen.“

 

Und das tat er auch. 

 

Indem er eine überzeugende Lüge ersann, die Neji mit gelegentlichem Kopfnicken oder einem zustimmenden Brummen zwischen den Bissen unterstützte. Lee und Tenten lauschten, als würde er die spannendste Abenteuergeschichte erzählen und Naruto warf hin und wieder eine Frage ein. 

 

„Ein Ablenkungsmanöver, huh?“ Naruto runzelte die Stirn. 

 

„Wow, Neji, das war echt ziemlich schnell gedacht!“, lobte Tenten und stützte ihr Kinn in eine Handfläche. 

 

Neji mied ihren Blick und brummte nur leise, bis er sich beinahe verschluckte, weil Lee im kameradschaftlich aber hart auf den Rücken klopfte. 

 

Shikamaru versuchte nicht zu lachen. 

 

„Ein brillanter Plan, Neji-kun!“, kommentierte Lee, als sich Neji wieder aufrichtete. „Den Gegner glauben zu lassen, dass sich unsere Gemeinschaft zerstritten und aufgeteilt hat! Du hast dich selber als Köder angeboten!“

 

„Ja wie auch immer, brillanter Plan hin oder her…“ Naruto schüttelte den Kopf und mampfte einen Mund voll Reis, während er weitersprach: „es wäre nett, wenn du uns das nächste Mal einweihen würdest, weißt du?!  Oder uns zumindest vorwarnen würdest.“

 

„Es war eben ein spontaner Gedanke, Naruto!“ Tenten sprang sofort zu Nejis Verteidigung ein und zog eine finstere Miene. „Frag doch Shikamaru. Es war eine gute Taktik.“

 

Schweigend linste Shikamaru zu Neji hinüber. Der langhaarige Ninja hielt seine Aufmerksamkeit starr auf sein Essen gerichtet, in dem er schon seit einigen Minuten herumstocherte. 

 

„Jo.“, sagte Shikamaru nur und zuckte mit den Achseln. 

 

„Also wer zur Hölle war denn nun eigentlich der Kerl, gegen den ihr kämpfen musstet? Es muss ein ziemlich unangenehmer Gegner gewesen sein, wenn er so nah ran gekommen ist, um das zu tun!“ Naruto deutete mit seinen Essstäbchen auf Nejis zerrissene und blutbefleckte Robe. 

 

„Ja, bist du soweit ok?“ Tentens Gesichtsausdruck wurde besorgt und sie streckte eine Hand aus, um den zerfetzten Stoff zu berühren. 
 

„Der Kerl ist Geschichte.“, unterbrach Shikamaru ihre Bewegung und lenkte so die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich, um Neji die Gelegenheit zu geben, sich von Tentens Hand weg zu lehnen. „Dein Krötenöl war wirklich sehr nützlich, Naruto. Danke.“

 

„Nah, kein Problem!“ Naruto grinste und sein Lächeln wischte rasch den bisherigen misstrauischen Schatten aus seinem Gesicht. Mit einem Daumen deutete er über die Schulter hinweg zu seiner Ninja Tasche. „Der kauzige Bergeremit hat mir ein ganzes Arsenal mitgegeben.“

 

„Du solltest wirklich aufhören, ihn so zu nennen, weißt du Naruto.“, tadelte Tenten ihn und drehte sich immer noch sitzend zu dem Blondschopf um. „Tsunade-sama hat dir doch gesagt, dass du ein bisschen mehr Respekt gegenüber…“

 

„Oh Mann, gönn mir `ne Pause. Wenn du wüsstest, was für ein Perversling der alte Mann ist, würdest du dich auch nicht darum kümmern, was Oma Tsunade sagt.“

 

Shikamaru erahnte bereits den Beginn einer hitzigen Debatte und verließ unter dem Vorwand, seine Sachen zu packen, rasch den Kreis um das Feuer; er hatte wirklich Besseres zu tun, als sich das anzuhören. 

 

Neji war bereits damit beschäftigt Lee zu helfen, ihr Lager abzubrechen. Während er das Segeltuch eines Zeltes zusammenrollte, informierte Lee Shikamaru über den Ausgang der Mission, die er zusammen mit Naruto und Tenten erfolgreich abgeschlossen hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass der Akatsuki Imitator, den sie verfolgt hatten, im Grunde nur ein Angeber gewesen war. Er hatte sich auf einige Söldner verlassen, die den Großteil des Kampfes für ihn übernommen hatten – gerettet hatte ihn das jedoch nicht. 

 

„Offenbar hat er auf einen bestimmten Ruf gehofft, wenn man ihn mit Akatsuki in Verbindung bringen würde.“, erklärte Lee und hüpfte zurück auf die Füße. „Quasi um Angst in den Herzen seiner Feinde hervorzurufen. Auch wenn er weder die Fähigkeiten noch den Eifer dazu hatte, diesem Ruf gerecht zu werden, als es darauf ankam!“ Er warf sich eine völlig unnötige dramatische Pose, um seinen Standpunkt noch klarer zu machen. „Ein Feigling und Betrüger!“

 

Shikamaru brummte abgelenkt. „Alles klar. Habt ihr ihn gesichert?“

 

Lee nickte knapp und deutete quer über die Lichtung. Shikamarus Augen zuckten zu dem angewiesenen Platz. Ihr Gefangener war sicher an den Stamm eines Baumes gefesselt. Und zu Shikamarus Überraschung war die auserwählte Wache des Mannes niemand anderes als das Hausschwein der Hokage, Tonton. 

 

„Was macht das Schwein hier?“ Shikamaru runzelte die Stirn und wischte ärgerlich Lees Hand zur Seite, als der versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen. 

 

„Ssshh! Nenn sie nicht so!“, raunte Lee. „Sie kann dich hören. Ihr Name ist Tonton.“

 

„Was macht das Schwein hier?“, fragte Neji, als er an Lees Seite trat. 

 

„Sie ist als Tsunade-samas Gesandte hier.“ Lee schlug beinahe die Hacken zusammen und seine Stimme nahm einen militärischen Klang an, als er die Nachricht überbrachte. „Die Hokage ruft uns zurück nach Konoha. Wie es aussieht bedarf sie deiner Dienste, Shikamaru!“

 

„Das klingt irgendwie unanständig.“, lachte Naruto, was ihm einen harten Schlag von Tenten einbrachte. „Hey! Nicht meine Schuld, wenn er Oma Tsunade zu Diensten sein muss!“

 

„Oh werd erwachsen, Naruto!“, knurrte Tenten. „Du bist so ein Schwein!“

 

Shikamaru konnte Tonton angesichts der Beleidigung quieken hören. 

 

„Beleidige Tonton nicht, Tenten.“ Lee fuchtelte mahnend mit dem Zeigefinger durch die Luft. 

 

„Hey! Wie wäre es denn damit, dass sie nicht mich beleidigen soll?“, maulte Naruto.

 

Wie auch immer…“, knurrte Shikamaru gedehnt. Er rümpfte die Nase und blies die Backen mit einem tiefen Seufzen auf. „Das wird wahrscheinlich noch mehr langweilige Gespräche über Verteidigungsstrategien beinhalten, huh?“

 

Lee nickte. „Völlig richtig. Die Hokage vertraut dabei deinem Urteil.“

 

Dachte ich mir. Wie nervig…

 

„Ich nehme an, dass wir diesen Betrüger mitnehmen werden.“ Neji ruckte mit dem Kinn in Richtung des Gefangenen, seine melodiöse Stimme wurde etwas leiser, als er weitersprach: „Es wäre klug, wenn Ibiki ihn befragen würde. Nur um sicher zu gehen, ob er doch mehr weiß, als es scheint.“

 

„Klingt nach einem guten Plan.“ Shikamaru streckte sich und warf sich seinen Rucksack über die Schuler. „Dann lasst uns mal aufbrechen.“

 

Neji nickte und machte sich daran, seine eigene Tasche aufzusammeln. Shikamaru beobachtete ihn für einen langen Moment, bevor sein Blick zurück zu dem gefesselten Mann wanderte. 

 

„Okay. Naruto, du trägst den Gefangenen.“

 

„Was?!“ Der Blondschopf begann zu jammern. „Warum ich?!“

 

Shikamaru grinste. 

 

Naruto zog eine finstere Miene.

 

Lee meldete sich beinahe schon mit einem enthusiastischen „Nimm mich!“ freiwillig, doch Shikamaru war dem Ganzen bereits wieder zwei Schritte voraus. 

 

Mann, drei Jahre und es ist immer noch so, als wären sie kein bisschen reifer geworden.

 

Shikamaru hielt ein Bündel Gutscheine zwischen den Fingern nach oben und wedelte damit herum. „Nun, ich wollte eigentlich alle meine ‚All you can eat‘-Gutscheine von Ichiraku darauf wetten, dass du es nicht bis zurück nach Konoha schaffst, ohne ihn fallen zu lassen, Naruto.“

 

Narutos weit aufgerissene Augen stierten auf die Coupons, seine Stimme war ein ehrfürchtiges Wispern. „All you can eat?

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und schwang seine Hand lässig in Richtung Lee. Narutos Blick folgte den Gutscheinen wie ein Hund einem Knochen.

 

„Aber wenn du sie nicht willst, gebe ich sie eben Lee.“, erklärte Shikamaru gedehnt und mit geübtem Desinteresse. „Ich weiß, dass er bei so einer Herausforderung immer dabei ist.“

 

„Bei meiner Ehre, das bin ich!“ Lee hämmerte sich seine Faust gegen die Brust und schien vor einem Enthusiasmus zu vibrieren, der absolut nicht ansteckend war. Ihm nur zuzusehen machte Shikamaru bereits schläfrig.

 

„Auf keinen Fall!“ Naruto lieferte sich quasi ein halsbrecherisches Wettrennen mit dem grüngekleideten Ninja hinüber zu dem Gefangenen. 

 

Sehr schön, Ärger vermieden.

 

„Diese Gutscheine sind abgelaufen.“, bemerkte Neji und hob eine Braue. Seine Pastellaugen wanderten von den Coupons zu Shikamarus Gesicht. 

 

Der Nara ließ die Wertmarken in seiner Tasche verschwinden. „Jo, aber das müssen die beiden ja nicht wissen.“

 

Neji ließ ein sanftes spottendes Schnauben hören, bevor er sich entfernte. Shikamaru beobachtete ihn durch dichte Wimpern und seine Aufmerksamkeit wurde nur abgelenkt, als Tenten mit einem Kichern an seine Seite trat. 

 

„Shikamaru, du Fuchs.“, lachte sie. „Die zwei so gegeneinander auszuspielen ist fast schon grausam.“

 

„He, ich werde den Typen ganz sicher nicht tragen und Neji ist nunmal die Augen der Gruppe.“ Shikamaru zuckte in typischer Manier mit den Achseln und seine Stimme wurde etwas stichelnd. „Und außerdem könnte ich niemals das Mädchen darum bitten, den Bösewicht zu tragen. Das wäre dann wirklich grausam von mir.“

 

„Was?! Denkst du, ich kann das nicht?“ Tenten stemmte in Verteidigung ihres Geschlechts die Fäuste in die Hüften und marschierte hinüber zu Lee und Naruto.

 

Lief ja wie am Schnürchen.

 

In dem eintretenden Moment der Ruhe, ließ Shikamaru seine Augen flüchtig über die Lichtung schweifen. Ein rascher prüfender Blick bestätigte ihm, dass jedes erkennbare Zeichen ihrer Anwesenheit verwischt worden war. Zufrieden schlang er sich eine weitere Tasche über die Schulter und wandte sich zu seinen zankenden Teamkollegen um. Das Trio befand sich mitten in einer hitzigen Debatte darüber, wer von ihnen die bewusstlose Fracht tragen durfte. Tsunades Schwein schien währenddessen mehr als glücklich darüber zu sein, dass sie den Gefangenen nicht länger bewachen musste.

 

Tonton kam zu Shikamaru herüber getrottet und oinkte ihm etwas entgegen, das vermutlich irgendeinen Sinn ergeben sollte. Dann lief sie los, um ihnen den Weg zu zeigen.

 

„Ugh, na schön.“ Shikamaru lächelte matt. „Dann lasst uns mal losgehen!“

 

Pfoten weg!“, plärrte Naruto und seine Stimme wurde um einige Dezibel lauter, als Lee Anstalten machte, ihm den Gefangenen zu ‚stehlen‘. „Ich trage diesen Hampelmann!“

 

„Hey!“ Shikamaru nickte mit dem Kopf zu Tonton, die unbeeindruckt dahintrottete. „Kommt schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“

 

Als sich die Truppe endlich in Bewegung setzte, spürte Shikamaru etwas gegen seine Schulter streichen. Er brummte fragend und wandte den Kopf. 

 

Nejis Hand verschwand von seiner Schulter. „Shikamaru…“

 

„Ja?“

 

Der Hyūga traf seinen Blick und hielt ihn. „Was gestern passiert ist. Wir lassen es hier hinter uns. Wo es hingehört.“

 

Shikamaru erwiderte den Blick ruhig. „Ich verstehe.“

 

Und ich durchschaue dich.

 

Auch wenn er die letzten Worte nicht laut ausgesprochen hatte, aus irgendeinem Grund wusste er, dass Neji sie gehört hatte. Eine stumme Kommunikation fand zwischen ihnen statt. Sie war nicht kryptisch, doch genauso wenig war sie völlig klar. Etwas seltsames spielte hinter Nejis Maske. Doch bevor Shikamaru entschlüsseln konnte, was es war, zerriss Narutos Geplärre die Stille der Lichtung und die Gesichtszüge des Hyūgas verhärteten sich erneut zu Stein. 

 

„Hey Shikamaru! Beeil dich! Anscheinend haben wir ja nicht den ganzen Tag Zeit!“

 

„Jaja, schon gut!“, rief der Schattenninja über die Schulter.

 

Als er sich wieder umwandte, lief Neji bereits davon. 
 


 

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Und hier ist es schon viel früher als gedacht: Das dritte Kapitel. Ich hoffe, es hat euch so viel Spaß beim Lesen gemacht wie mir beim Schreiben! Ja? Nein? Seid ihr schon gespannt, wie es mit ShikaNeji weiter gehen wird? ;)  Anmerkungen und Feedback ist wie immer hoch willkommen! :)

No...

Shikamaru hatte sich schon immer gewünscht, eine Wolke zu sein. 

 

Obwohl er es in seinem jungen Alter und im Lichte all seiner Erfolge schon so weit geschafft hatte; dieser kleine selbstsüchtige Teil von ihm erfreute sich noch immer an dem Traum, ein weniger lästiges Leben zu führen. Doch die Menschen setzten ein unerschütterliches Vertrauen in ihn und abgesehen von diesen Momenten – in denen er sich wünschte es wäre nicht so – wusste er, dass es eine gute Sache war; dass es etwas besagte. Sein Leben hatte einen Sinn und eine Richtung. Trotz all der Ärgernisse, mit denen er sich immer wieder herumschlagen musste, er konnte zumindest nicht behaupten, sich nutzlos und leer zu fühlen. 

 

Aus irgendeinem Grund wanderten seine Gedanken zu Neji. In eine rote Zone, von der er sich selbst geschworen hatte, seinen Geist nicht dorthin gehen zu lassen. 

 

Nicht meine Angelegenheit. Nicht mein Problem.

 

Shikamaru seufzte und klemmte sich einen Arm unter den Kopf. Er wippte mit einem langen Bein, das über den Rand der Hängematte hing, in der er lag und brachte sie so sanft zum Schwingen. Er hob den Blick und beobachtete die dünnen Wolkenfetzen, die sich wie Schlagsahne gegen den späten Nachmittagshimmel abhoben. 

 

Yep. Einfach vorbeischweben…das ist es, was ich immer wollte…

 

Seine Lider flatterten leicht und eingelullt von dem leichten Schwanken der Hängematte entspannte sich sein Verstand von rastlosen Gedankengängen. Er konnte fühlen, wie er langsam in den Schlaf hinüberglitt. 

 

Dann stoppte die beruhigende schaukelnde Bewegung abrupt. 

 

Er öffnete einen Spalt breit ein Auge.

 

„He Schlafmütze!“ Ino grinste mit einem zuckersüßen Lächeln auf ihn hinab, das nur bedeuten konnte, dass sie irgendetwas von ihm wollte. 

 

„Nervige Frau.“, murmelte Shikamaru und schloss wieder die Lider. 

 

„Aww komm schon, sei nicht so. In der Stimmung, einer jungen Frau auszuhelfen?“

 

„Nicht wirklich.“

 

„Shikamaru!“, jammerte Ino und schlug ihm hart genug gegen sein baumelndes Bein, um ihn zusammenzucken zu lassen.

 

„Geh weg. Ich hab meinen Teil für heute erfüllt. Die Godaime hat mich mehr oder weniger durch die Mangel gedreht. Und außerdem…“ Er versuchte sie mit einer wedelnden Hand zu verscheuchen ohne die Augen zu öffnen „bin ich beschäftigt.“

 

„Pff! Ja klar, beschäftigt damit, ein Schläfchen zu machen.“

 

„Das ist harte Arbeit, wenn ich ständig dabei unterbrochen werde.“

 

Shikamaruuuuu.“

 

„Mann, was für ein Drama…“ Er grummelte halbherzig. „Ich hoffe für dich, dass du einen guten Grund hast, Ino…“

 

„Guter Junge! Es ist eine Sache um Leben und Tod.“ Ungeschickt ließ sie sich neben Shikamaru nieder. Ino brachte damit die Hängematte aus dem Gleichgewicht und beinahe wären die beiden auf den Boden gefallen. 

 

Zum Glück streckte Shikamaru rechtzeitig sein Bein aus, um die Balance zu halten. Seine Augen glitten auf und er starrte Ino lustlos an. „Na klar ist es das.“

 

Ino lächelte ihr viel zu süßes Lächeln. „Aaw komm schon. Du wirst einem Kumpel doch helfen, oder nicht?“

 

Ja, weil es ja so unglaublich erfolgreich war, als ich das das letzte Mal versucht habe…

 

„Hörst du mir überhaupt zu?“ Ino zog eine finstere Miene.

 

„Jaja, Leben und Tod – also worum geht es?“

 

Nun“ Ino zog das Wort in die Länge. „Ich habe mich gefragt, ob ich mich mal mit deiner Mutter unterhalten dürfte.“

 

Aufmerksam starrte Shikamaru sie an. Erst als die Stille unangenehm wurde, runzelte Ino die Stirn und wurde ungehalten.

 

„Was?“, schnappte sie. 

 

Shikamaru blinzelte träge. „Ach nichts, ich habe nur nach dem Kunai gesucht, dass dir offensichtlich jemand an die Kehle hält.“

 

„Shikamaru, hör auf so nervig zu sein!“

 

„Dann hör du auf, dich so verrückt aufzuführen. Warum zur Hölle solltest du mit meiner Mutter sprechen wollen? Freiwillig!“

 

„Du bist so ein schlechter Sohn!“ Ino rollte mit den Augen, grinste aber direkt darauf in ihrer lebhaften Art an, die Shikamaru beinahe nervös machte. „Es geht um Medizin!“

 

Shikamarus Augen wanderten automatisch auf der Suche nach Verletzungen über ihren Körper. „Medizin für Hirnschäden?“

 

„Arsch!“ Sie schlug ihn erneut, bevor sie sich näher erklärte. „Medizin für meine Recherchen. Du weißt doch, dass ich auch ein Medic-Nin werden will, oder? Nun, statt mich selber zu degradieren, indem ich es Riesenstirn gleichtue und um Tsunade-samas Aufmerksamkeit heische, dachte ich mir, selbst die Initiative zu ergreifen.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Indem du mit meiner Mum sprichst?“

 

„Dein Clan verfügt über weitreichendes Wissen über Medizin. Ich dachte mir, dass es mir ein paar Bonuspunkte einbringen würde, wenn ich mir selbst etwas beibringe! Und wer wäre besser geeignet, meine Fragen zu beantworten, als deine Mum?“

 

Jeder!“

 

„Shikamaru!“

 

„Naja, wie wäre es mit Shizune?“

 

„Sie ist beschäftigt. Außerdem will ich das auf meine Art machen und ohne das Sakura davon Wind bekommt.“

 

„Klar…“ Shikamaru warf einen Blick über ihre Schulter, seine Augen studierten den Himmel und er tat so, als würde er ihre Entschlossenheit nicht bewundern.

 

Viel zu viel Aufwand, wenn man mich fragt.

 

„Also was denkst du?

 

„Sicher, was auch immer…“ Er zuckte die Achseln und brachte die Hängematte mit einem sanften Stoß seines Fußes wieder zum Schwingen. „Ich werde ihr sagen, dass du vorbeikommen willst.“

 

„Super!“ Ino grinste und drehte sich auf der Hängematte, um Shikamarus Blick auf den Himmel folgen zu können. „Immer noch am Wolken beobachten, was?“

 

„Jo.“ Shikamaru lächelte schief. „Wenn ich nicht gerade unterbrochen, von verrückten Mädchen geschlagen, in lästige Meetings bestellt oder zu einer Mission verdonnert werde.“

 

„Ach komm schon! Du weißt selber, dass du glücklich darüber bist, mir zu helfen!“

 

„Ich kann kaum an mich halten…“, sagte er gedehnt.

 

Ino giggelte. „Ich werde deiner Mum ein paar nette Dinge über dich erzählen, damit sie dir eine Pause gönnt.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen. „Klar, viel Glück dabei.“

 

Die Yamanaka lächelte, bevor sie den Blick wieder auf Shikamaru richtete. „Oh hey, hast du in letzter Zeit mal Neji getroffen?“

 

Das zog sofort seine gesamte Aufmerksamkeit auf sich; auch wenn seine Miene nicht interessierter wirkte, als noch einen Moment zuvor. 
 

„Nein.“ Er hob eine Braue. „Warum?“

 

„Ich dachte daran, auch ihn nach Hilfe für mein Medizintraining zu fragen.“

 

„Ach ja?“ Shikamaru legte sich einen Arm über den Bauch, der andere verweilte weiterhin unter seinem Kopf. 

 

„Yup. Es wird es mit Sicherheit wert sein, mehr über die Möglichkeit der Hyūgas zu lernen, das Chakranetzwerk und dessen Auswirkungen auf Körper und Organe sehen zu können. Außerdem verfügt Neji über eine außergewöhnliche Chakrakontrolle.“
 

„Hn.“ Shikamaru konnte ein schwaches Lächeln nicht verhindern. „Ja, er ist wirklich kontrolliert.“

 

„Und ich dachte mir, dass er mir bestimmt etwas über Meditation beibringen kann.“

 

„Ich dachte, das hättest du bereits hinter dir.“ Shikamarus Augen folgten den Wolken, doch sein Verstand driftete erneut in die rote Zone ab. 

 

„Jo, ich bin schon ziemlich gut darin. Aber das muss ich ja auch, wegen des Gedankenkontrolle-Jutsus.“ Ino wippte träge mit einem Bein.

 

Gedankenverloren runzelte Shikamaru die Stirn. 

 

Die Hokage meinte, dass Neji heute auf eine Mission geht. Auch noch eine Klasse A Mission. Hoffentlich kann er sich zusammenreißen…

 

Inos Stimme verlor sich im Hintergrund und Shikamaru bemerkte, dass er ihr gar nicht mehr zugehört hatte. Rasch richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf das, was sie sagte. 

 

„…du siehst also, es würde mir nicht schaden, mir ein paar Ratschläge zu holen.“

 

Shikamaru brummte. „Jo…“

 

„Du musst wirklich fokussiert sein, um ein Medic-Nin zu sein, vor allem in Krisensituationen und Neji ist immerfokussiert. Das Letzte, was ich will, ist im falschen Moment auszurasten oder in Panik zu geraten.“

 

Mann, das ist einfach viel zu ironisch gerade…

 

Shikamaru schrie kurz auf, als ihm ein heftiger Hieb beinahe einen Pferdekuss verpasste. „Was zur Hölle, Ino!“

 

„Du blendest mich aus!“

 

„Mann, komm runter. Ich habe dich gehört. Chakrakontrolle, ruhig und fokussiert, nicht ausrasten. Kann ich jetzt schlafen?“

 

Ino versuchte eine finstere Miene zu ziehen, lächelte dann aber. Es war eine andere Art von Lächeln, das Shikamaru aus ganz anderen Gründen nervös machte, als dieses ‚Willst du mir mal helfen‘-Grinsen.

 

Oh nein.

 

„Wie fühlst du dich eigentlich zur Zeit, Shikamaru?“

 

„Belästigt.“, antwortete er flach. 

 

„Ich meine es ernst!“

 

Genau wie ich.

 

Mit einem sanften Lächeln zuckte er die Achseln. Ino legte den Kopf schief, offensichtlich stellte sie das nicht zufrieden. 

 

„Chōji und ich haben dich schon länger nicht mehr gesehen, wir haben ständig getrennte Missionen.“

 

Shikamaru wippte träge mit dem Bein, um die Hängematte wieder mehr in Schwung zu bringen. „Tja was soll ich sagen, erzähl das der Hokage, sie ist die Sklaventreiberin.“

 

„Ganz offensichtlich bist es eher du. Zumindest behauptet das Naruto – oh übrigens, Kiba denkt, dass du Drogen genommen hast.“

 

Was?“ Shikamaru schnaubte etwas, das eine Mischung aus Lachen und Knurren war. 

 

„Okay, keine Drogen.“ Ino kicherte und beobachtete ihn genau. „Aber Zigaretten. Kiba sagt, Akamaru hat es an dir gerochen.“

 

„Und das hast du geglaubt?“ Shikamaru blinzelte träge, doch sein Verstand katalogisierte diese Information sorgfältig. „Das ist totaler Blödsinn. Ich habe weder Kiba, noch Akamaru gesehen.“

 

Ino bot ihm ein verlegenes Lächeln an. „Na schön, also eigentlich war es Tonton, die es Akamaru erzählt hat.“

 

„Das Schwein kann also mit dem Hund sprechen, huh?“ Shikamaru schüttelte den Kopf. „Verstehe.“

 

Ino giggelte, bevor ihr Gesichtsausdruck wieder halb ernst wurde. „He, das stimmt aber nicht, oder? Dir ist klar, dass Asuma dir den Hintern versohlen würde, sollte er davon Wind bekommen. Mal ganz davon abgesehen, was ich mit dir anstellen würde!“

 

„Danke für deine Besorgnis, Mom.“

 

„Und?“, drängte Ino ihn mit finsterem Gesicht.

 

„Du weißt, dass ich das Zeug nicht ausstehen kann. Und außerdem würde ich mir nie die Mühe machen, mir noch eine weitere schlechte Angewohnheit anzueignen.“, log Shikamaru und verzog die Lippen. „Sei nicht so dämlich.“

 

„Gut! Ich dachte auch nicht, dass du so blöd wärst.“ Ino grinste und klopfte ihm auf ein Bein, als sie sich erhob. „Also, falls du Neji zu siehst, sag ihm, dass ich ihn suche, ok?“

 

Als würde das in nächster Zeit passieren.

 

„Ja, sicher.“ Shikamaru hob träge die Hand zum Gruß, bevor sein Arm wieder quer über seinen Bauch fiel. Er beobachtete, wie die Blondine verschwand, bevor er seinen Blick wieder dem Himmel zuwandte und versuchte, den weißäugigen Ninja aus seinen Gedanken zu drängen. 

 

Nicht mein Problem. Nicht mein Problem. Nicht mein Problem…

 

Wolkenfetzen begannen sich leicht aufzutürmen, und formierten sich zu einer dichteren Wolkendecke.

 

Shikamaru seufzte.

 

Das Wetter war dabei, sich zu drehen.

 
 

oOo
 

 
 

Rotation!“ Neji drehte sich weich auf dem Absatz und fiel in eine elegante wirbelnde Pirouette, die den tödlichen Regen aus Shuriken und Kunais ablenkte. 

 

Die Projektile prallten von der Chakrasphäre ab und schlugen stattdessen in Bäumen und Gegnern ein. Jenseits der sich drehenden Kuppel starteten Lee und Tenten ihre jeweiligen Angriffe und vereitelten damit die Bemühungen der verstreuten Gegner, sich neu zu formieren. 

 

Neji kam zum Stillstand, als die letzte Waffe von seiner Verteidigung abgelenkt wurde. Geschickt sprang er aus dem Krater, der durch sein Jutsu entstanden war und landete in einer geduckten Haltung. Seine scharfen Augen glitten über die Lichtung. 

 

Drei hinter, zwei über mir.

 

Er täuschte eine Sprung nach links an und stieß sich hart mit dem Fuß ab, um nach rechts auszubrechen und die Shuriken zu vermeiden, die an ihm vorbei sausten. Er konterte den Angriff, indem er mit einem kurzen Rucken seines Handgelenkes drei Kunais zwischen seine Fingerknöchel zog und sie hinauf in die Baumkronen fliegen ließ. Ein schmerzhaftes Grunzen bestätigte ihm, dass er sein Ziel getroffen hatte. Bevor er sich umdrehen konnte, um sich ebenfalls vom Boden in die höheren Lagen der Bäume zu begeben, hatte Tenten bereits einen Schauer an Shuriken auf den anderen Gegner geworfen. 

 

„Ich bin dran! Hol dir die Schriftrollen!“, rief sie ihm zu und wirbelte mit einem mächtigen Schlag herum. Ein Mann, der mit Waffen gespickt war wie ein Nadelkissen, fiel zu Boden. 

 

Neji richtete sich auf. 

 

Zwei erledigt. Bleiben noch drei.

 

Seine blassen Augen konzentrierten sich auf die Fracht, die ihr Gegner verteidigte – einen schmalen Schriftrollenbehälter, der sich gerade im Besitz einer jungen Frau befand, die ununterbrochen Pfeile von einer Handarmbrust abfeuerte. Ein Kamerad des Mädchens blieb an ihrer Seite, sein Schwert schwang in Lees Richtung ohne Schaden anzurichten. 

 

Seltsam. Die scheinen nicht besser ausgebildet zu sein als gewöhnliche Schlägertypen. Warum ist diese Mission A-klassifiziert?

 

Neji richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Mädchen und runzelte leicht die Stirn. Da war etwas Seltsames an ihrem Chakra. Doch er bekam nicht wirklich zu fassen, was es war. Er wandte den Kopf, als Lees spitzer Schrei zu ihm herüber hallte. 

 

„Konoha Wirbelwind!“, brüllte der grüngekleidete Ninja und traf den schwerttragenden Ninja mit einem Tritt auf die Brust, der seinen Gegner durch den Wald katapultierte. 

 

Die junge Frau zischte einen Fluch, wirbelte auf dem Absatz herum und rannte los.

 

Fuck!

 

Neji hatte kaum Zeit, seinen Kopf herumzureißen, bevor sich sein Körper bereits aus reinem Instinkt in Bewegung setzte. Sein Byakugan erkannte einen Angriff mit voraussehbarer Leichtigkeit. Eine Klinge grub sich in den Stamm eines Baumes – wenige Zentimeter von der Stelle entfernt, an der sich gerade eben noch sein Kopf befunden hatte. Die missglückte Attacke machte den Gegner rasend, was Neji erlaubte, vorwärts zu stürzen und den Mann schnell und präzise mit den Fingern zu treffen und so die Chakrawege in Fetzen zu reißen. 

 

Er wartete nicht darauf, das Ergebnis seines Angriffs zu sehen und duckte sich unter dem zusammenbrechenden Mann weg. Seine Aufmerksamkeit richtete sich schon wieder auf das Mädchen, als sich sein Sichtfeld bis jenseits des Kampfgebietes ausdehnte. Erneut nahm er ein seltsames Flattern in ihrer Chakrasignatur wahr; schwach und instabil.

 

Was ist das?

 

Neji wirbelte herum, als ein weiterer Mann zur Verteidigung des Mädchens erschien. Er lenkte einen Schlag mit seiner Handkante ab, während er seine andere Hand in einem Stoß der Sanften Faust direkt in die Brust seines Gegners rammte. Neji wich dem Blut aus, das der Mann hustend ausspie, kickte den erledigten Feind achtlos beiseite und begann zu laufen. 

 

„Lee! Tenten!“ Er überließ es seiner Stimme, seinen Teamkameraden den Weg zu weisen und hielt sich nicht weiter mit Erklärungen auf. Das Byakugen zeigte ihm den kürzesten Weg, während er sich an die Fersen des flüchtenden Mädchens heftete. 

 

Sie kann nirgendwo hin. Dieser Kampf ist vorbei. 

 

Er vollführte einen hohen Sprung, um einen Stolperdraht zu vermeiden und warf ein Kunai auf die Stelle, um sie für Lee und Tenten zu markieren, bevor sie eventuell noch darauf treten würden. Er legte den Kopf zur Seite, ein Pfeil von der Armbrust des Mädchens zischte an seinem Ohr vorbei und zersplitterte an einem Baumstamm hinter ihm.

 

Zeit, das zu beenden.

 

Er erhöhte die Geschwindigkeit, sprang hoch und weit, landete direkt vor ihr und zwang sie so, zurückzuweichen. Sie zog eine Sensengleiche Klinge aus einer Schwertscheide an ihrer Hüfte. 

 

„Geh mir aus dem Weg!“, fauchte sie mit angesichts ihrer Situation überraschender Entschlossenheit. 

 

Neji streckte selbstsicher eine Hand aus und wartete. „Gib mir die Schriftrollen und wir müssen das hier nicht tun.“

 

„Nie im Leben!“, knurrte sie, doch Angst schlich sich in ihre Augen. Neji vermutete, dass sie nicht älter als sechzehn war.

 

Warum ist ihre Chakrabalance so unregelmäßig?

 

Er runzelte die Stirn, hatte aber keine Zeit, ihr Netzwerk näher zu studieren, bevor sie auf ihn losging. Es lag durchaus Können in ihren Bewegungen, doch es war lange nicht genug, um sie zu retten. Neji wich ihren Hieben mit peinlicher Leichtigkeit aus und verzweifelt legte sie all ihre Frustration in die Schläge. Offensichtlich hatte sie sehr wenig Erfahrung im Nahkampf, ihre Stärke lag in Fernangriffen.

 

Neji hielt seine Aufmerksamkeit auf die Öffnungen in ihrer Defensive gerichtet und suchte nach einem schnellen Weg, sie außer Gefecht zu setzen, ohne sie zu töten. Zumindest, bis sie Hals über Kopf die Klinge nach ihm warf, zurücksprang und Fingerzeichen formte. 
 

Was? Ninjutsu?

 

Ihr Chakra schwankte ein wenig und ein seltsamer Impuls flatterte durch den Bereich um ihr Kreuzbein. Möglicherweise ein Yin-Siegel? So eine Menge an Chakra würde die hohe Klassifizierung der Mission erklären. Neji knurrte, wütend darüber, dass er sich in falscher Sicherheit gewiegt hatte. 

 

Ich muss das schnell beenden.

 

Das Mädchen bekam niemals die Chance, ihre Handzeichen zu beenden, bevor Nejis Finger in ihrer Schulter einschlugen; ihr Arm begann spastisch zu zucken. 

 

„Du wirst mit mir untergehen!“, schrie sie schrill, packte mit der anderen Hand ihre Armbrust und hielt sie zwischen sich und den Hyūga. Sie wollte einen Bolzen direkt in Nejis Herz jagen – doch er war schneller. 

 

Er stieß seine Finger direkt in das Brustbein des Mädchens.

 

Ein ersticktes Husten fiel von ihren Lippen und er wischte ihren Arm beiseite, als sie vorwärts stolperte und zu Boden fiel. Der Schriftrollenbehälter fiel aus ihrer Tasche. Neji deaktivierte sein Byakugan und kickte die Rolle beiseite, um sicher zu gehen, dass es keine Sprengfalle sein würde, wenn er sie aufhob. Dann ging er neben dem Mädchen in die Hocke und rollte sie auf den Rücken. Seine Brauen zogen sich misstrauisch zusammen, als ihm klar wurde, dass dieser Sieg viel zu einfach gewesen war.

 

„Du hast mir keine Wahl gelassen.“, sagte er leise. 

 

Die junge Frau starrte zu ihm auf, das Leben wich langsam aus ihren grauen Augen, während gewisperte Flüche ihre Lippen verließen und sie sich eine Hand auf den Unterleib presste. Neji runzelte die Stirn; nicht bereit, das Risiko einer Situation einzugehen, die sie möglicherweise beabsichtigte, um ihn in eine Falle zu locken. 

 

„Byakugan!“ Er aktivierte sein Dōjutsu und fokussierte es auf ihr Chakra Netzwerk.

 

Zu seiner Überraschung war es von einer Krankheit regelrecht durchlöchert. Ein seltsames, kräftezehrendes Leiden. Seine Brauen zogen sich zu einem scharfen V zusammen, als er dem Fluss des schwindenden Chakras bis zu dem merkwürdigen Schwanken folgte, das er vorhin bereits bemerkt hatte.

 

Sein Blick fiel auf ihre Hand, die auf ihrem Bauch lag.

 

Nejis Atem stockte. 

 

„Jetzt…so oder so…fort…“, murmelte das Mädchen zu sich selbst und hustete; helles Blut bildete Blasen zwischen ihren Lippen. 

 

Neji hörte sie nicht, seine blassen Augen weiteten sich geschockt, als er das matte und kaum wahrnehmbare Pulsieren von Chakra identifizierte. Schwach aber bemüht – wie das kämpfende Flattern eines gefangenen Vogels. Der Gedanke ließ seine Brust schmerzhaft zusammenkrampfen. 

 

Nein…nein…

 

„Nein…“ Er schüttelte heftig den Kopf, schlug ihre Hand beiseite und drückte seine Handflächen auf ihren Unterleib. Seine leicht panischen Augen wurden noch größer. „Nein!“ 

 

Das Mädchen lächelte grimmig, Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. „Wollte…es nie…“

 

„Nein, nein…“ Neji schüttelte erneut den Kopf, biss die Zähne zusammen und presste noch fester auf ihren Bauch, als könnte er dadurch Leben in das schwindende Licht unter seinen Händen zwingen. Doch er konnte es nicht.

 

Nein, nein, nein…

 

Er konnte nicht hören, wie Tenten seinen Namen rief und auch nicht Lees Echo ihrer Worte. „Neji!“

 

Nein…nein…nein…

 

„Neji, was machst du…“ Tentens Stimme erstarb. „Neji…?“

 

„Wie konnte ich…es nicht sehen? Wie?“, krächzte Neji und wandte seine Augen nicht eine Sekunde von dem Chakrapuls ab, der immer schwächer und schwächer wurde – verzweifelt kämpfend.

 

NEIN! Kami, bitte nicht…

 

„Neji…“ Tenten und Lee standen verwirrt und besorgt hinter ihm.

 

Neji konnte spüren, wie das sterbende Mädchen nach seiner Hand griff, ihre Finger waren wie Eis. 

 

Wollte…es…nie…“, wisperte sie.

 

Er schüttelte energisch den Kopf, seine Lippen formten Worte, die nicht kommen wollten. Er wagte es nicht, seine Augen von dem abzuwenden, auf dem seine volle Aufmerksamkeit lag. Verzweifelt suchte er in seinem Geist nach irgendeiner Möglichkeit, aufzuhalten, was er angerichtet hatte. 

 

DENK NACH!

 

„Neji…“ Lee berührte genau in dem Moment seine Schulter, in dem die Finger des Mädchen leblos von Nejis Hand glitten. 

 

Ihr rasselnder Atem verklang, als eine letzte Träne über ihre Wange rann. Sie starb, leise und ohne zu kämpfen – ganz anders als das Leben, das Neji noch immer spüren konnte, immer noch sehen konnte, wie es entschwand.

 

Halte durch. Bitte…halte einfach durch…

 

Wenige Herzschläge später verblasste der Puls.

 

Fort.

 

Neji starrte für einen unendlich langen Moment ins Nichts, sein Verstand wie gelähmt. Er konnte Stimmen hören, war sich vage bewusst, dass Tenten neben ihm in die Hocke ging. 

 

„Neji, bitte sag irgendwas…“

 

Endlich hob er den Blick. Aber nicht zu Tenten, sondern zu den leblosen Augen seines Feindes, die immer noch nass von Tränen waren. Glasig. Fort.

 

Seine Stimme war wenig mehr als ein Wispern in der morbiden Stille des Waldes.

 

„Sie war schwanger.“

 
 

oOo
 

 
 

Regen prasselte nieder und trommelte lautstark gegen den glitschigen Fußweg, der zur Residenz der Hokage führte. Shikamaru schritt weiter aus; er hatte den Regen erwartet, aber nicht, dass er schon wieder zu einem Meeting bestellt wurde. Soweit es ihn betraf, war der Regen ein weit geringeres Ärgernis als der Gedanke an eine weitere ermüdende Besprechung mit den Ältesten. 

 

Die lästige Angelegenheit hatte ihn von einem Shogispiel mit Asuma weggeholt, das er bereits bis zu einem unvermeidbaren Sieg durchtaktiert hatte.

 

Zuerst Ino und jetzt das…ugh…Frauen…

 

Er verstand ja die Notwendigkeit seines Beitrages – aber das setzte nicht seinen Enthusiasmus voraus. Asuma hatte gelacht, als niemand anderes als dieses verdammte Schwein aufgetaucht war, um die Nachricht zu überbringen. Shikamaru schüttelte den Kopf und wünschte sich inständig, den Witz anstelle der Mühe in alledem sehen zu können. Durch dichte Wimpern linste er zu Tonton, die vor ihm her trottete und deren Hufe auf dem nassen Pflaster leicht ins Rutschen gerieten. Ein enthusiastisches Oink kam von dem kleinen Tier, als sie den Eingang erreichten. 

 

„Toll.“ Shikamaru seufzte, schüttelte den Kopf und fing sich einen skeptischen und unbeeindruckten Blick von dem Schwein ein. „Jaja, schon gut.“

 

Er folgte Tonton in das Gebäude, wohlwissend, dass er viel zu spät dran war. Er wischte sich einige Regentropfen von seiner Flakjacke; seinen Regenschirm hatte er schon vor längerer Zeit verloren, als Asuma ihn sich ‚ausgeliehen’ hatte. Er beschleunigte seine Schritte ohne den Anschein zu erwecken, in Eile zu sein. Vor dem Büro der Hokage hielt er inne, seine Brauen zogen sich aufgrund der Stimmen im Inneren zusammen. 

 

Haben sie schon angefangen? Super…

 

Er hielt den Kopf näher an die Tür und war überrascht, als er Lees Stimme durch das dicke Holz hören konnte. Er hob eine Braue und zog sich genau in dem Moment zurück, als sich die Tür öffnete und Gai hindurch schlüpfte. Der Sensei mit den buschigen Augenbrauen schenkte Shikamaru ein gezwungenes Lächeln und einen in die Höhe gereckten Daumen, bevor er den Korridor hinunter lief; seine Schritte waren weniger schwungvoll als sonst. 

 

Seltsam. Was ist mit ihm?

 

Shikamaru betrat den Raum, bevor die Tür ins Schloss fiel und täuschte einen entschuldigenden Blick in Tsunades Richtung vor, als sich ihre Bernsteinaugen auf ihn richteten. Die Unterbrechung schien sie nicht weiter zu stören und sie winkte ihn näher heran. Sofort richtete sich Shikamarus Aufmerksamkeit auf das Trio, das auf der einen Seite des Büros stand. 

 

Neji begegnete seinem Blick über die kurze Distanz hinweg.

 

Die blassen Augen des Hyūga schienen von einem latenten Zorn berührt zu sein, der sich nur durch die Spannung bemerkbar machte, die sich durch seine elegant geschwungenen Gesichtszüge zog. Doch bevor Shikamaru fragend den Kopf schräg legen konnte, zuckte Nejis Blick zurück zu dem rothaarigen Mann, der vor der Hokage stand. 

 

„Einhunderttausend Ryō, wie vereinbart.“, erklärte er. Er schnippte mit den Fingern und wie auf Kommando trat einer seiner Begleiter nach vorne und legte das Geld auf den Schreibtisch. „Natürlich ist Ihnen auch meine Dankbarkeit gewiss.“

 

Shikamaru linste aus den Augenwinkeln wieder zu Neji hinüber und dann zu den anderen beiden Teammitgliedern. Lees gewaltige Brauen waren scharf und tief über seinen dunklen Augen zusammengezogen und Tenten sah aus, als könnte sich ihr Gesichtsausdruck nicht zwischen Verwirrung und Abscheu entscheiden. 

 

„Nachdem sich die Schriftrollen wieder in Ihrem Besitz befinden, gehe ich davon aus, dass wir uns keine Sorgen wegen möglicher eigensinniger Aktivitäten vonseiten Ihres Clans machen müssen.“, bemerkte Tsunade ruhig, ihr Kinn ruhte auf den Fingern ihrer verschränkten Hände, während sie die Augen unverwandt auf den Klienten gerichtet hielt. 

 

„Absolut nicht, Hokage-sama. Wie ich schon sagte, Ihre Leute haben sich ja um das Problem gekümmert und ich hege keinen Zweifel daran, dass…“

 

„Warum haben Sie diese Mission als A klassifiziert?“ Nejis Stimme schnitt dem Klienten das Wort ab; sie war tief und leichte Feindseligkeit schwang in ihr mit. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn, seine Augen wanderten zwischen Tsunade und dem Auftraggeber hin und her. Der Mann würdigte Neji keines Blickes, sondern richtete seine Antwort an Tsunade.

 

„Ich habe von Anfang an die Risiken klargestellt, die sich hätten ergeben können.“

 

Tsunade erhielt nicht einmal die Möglichkeit zu sprechen, da Neji ihr zuvor kam.

 

„Bei dem Team, das wir verfolgt, abgefangen und eliminiert haben, hätte es sich laut Rang um A-klassifizierte Kriminelle handeln müssen.“, fuhr Neji fort, seine Stimme blieb zielsicher und trügerisch ruhig. „Ihre Fähigkeiten befanden sich jedoch nicht einmal ansatzweise auf diesem Niveau.“

 

„Achja?“, knurrte der Klient ihn an.

 

Nejis Stimme fiel noch einmal eine Stufe tiefer. „Also entweder weist Ihr Clan eine entsetzliche Inkompetenz darin auf, Fähigkeiten einzuschätzen, oder aber Sie wollten einfach nur erreichen, dass ein vollkommen unerfahrenes Team aus Minderjährigen ausradiert wird.“

 

„Neji!“, warnte Tsunade. „Pass auf, was du sagst!“

 

Shikamaru ließ seinen Blick zwischen den involvierten Parteien hin und her wandern. 

 

Was zur Hölle geht hier ab? Minderjährige?

 

„Wie kannst du es wagen?“ Der Auftraggeber drehte sich zu Neji um und seine Wangen zitterten vor Wut, die die Beleidigung des Hyūga in ihm ausgelöst hatte. Gleich darauf wandte er seine zornigen Augen wieder Tsunade zu. „Was für eine Art Dienstleistungsbetrieb führen Sie hier eigentlich?“ 

 

Tsunade hob eine Braue. „Einen erfolgreichen. Sie haben Ihre Schriftrollen, oder etwa nicht?“

 

Neijs lange Finger ballten sich an seinen Seiten zu Fäusten. „Sie haben uns irreführender Weise in dem Glauben gelassen, dass diese Leute eine Priorität auf höchster Stufe haben. Wir haben unverhältnismäßig viel Gewalt angewandt, obwohl es überhaupt nicht nötig war.“

 

„Neji, lass es gut sein!“, befahl Tsunade, ihre Augen verweilten noch immer auf dem Auftraggeber.

 

„Unverschämtes Balg!“, fuhr der Mann den langhaarigen Jōnin an und richtete seinen Blick dann wieder auf die Hokage. „Ich werde sicher nicht hier stehen und mich von irgendeinem dahergelaufenen Handlanger verhören lassen. Unsere Vereinbarung ist ohnehin erfüllt.“ 

 

Tsunade neigte brummend den Kopf und schürzte die Lippen. Shikamarus Augen wanderten zwischen Neji und der Hokage hin und her, während er versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen. Dass Neji sich einem Klienten gegenüber so benahm, machte überhaupt keinen Sinn. 

 

Super…noch ein Mysterium…

 

Shikamaru beobachtete, wie der kräftig gebaute Mann und seine Begleiter den Raum verließen und rein gar nichts von der Spannung, die sich in dem Zimmer ausgebreitet hatte, mit sich nahmen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, spähte Tsunade zu Neji hinüber. 

 

„Das ging viel zu weit, Hyūga.“

 

„Aber Ts…“, versuchte Lee einzuspringen, wurde aber sofort durch einen drohenden Blick zum Schweigen gebracht. 

 

Shikamaru sah, wie sich Tsunades Brauen verärgert zusammenzogen. „Derart das Gesicht zu verlieren, ist nichts, was Clanoberhäupter einfach so auf sich sitzen lassen. Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht, Neji?“

 

An Nejis Kiefer zuckte ein Muskel und die Faust an seiner Seite verkrampfte sich so sehr, dass die Knöchel weiß hervor traten. „Diese Bezahlung könnte ebenso gut Blutgeld sein.“

 

Shikamarus Braue wanderte angesichts dieser Aussage in die Höhe, doch Tsunade schien seine Überraschung nicht zu teilen. In ihren Augen loderte es, als sie eine Faust auf ihren Schreibtisch niederfahren ließ und damit ihre Teetasse so zum Klappern brachte, dass sich ihr Inhalt auf der Arbeitsfläche verteilte. 

 

„Wach verdammt nochmal auf, Hyūga, du bist ein Ninja! Töten steht in der Jobbeschreibung!“, schnappte sie, als sie die Beherrschung verlor. „Wenn es nicht das Blut von jemand anderem ist, dann ist es unseres. Wir befinden uns gerade nicht in der Position, in die Hand zu beißen, die uns füttert, hast du das verstanden?“

 

Nejis Augen flackerten, doch sie wandten sich kurz darauf in einem Zeichen von Respekt und Nachgeben ab, das ihn offenbar zu sehr ärgerte, um es wirklich offen zu zeigen. „Ja, Tsunade-sama.“

 

„Gut.“ Tsunade seufzte und rieb sich die Schläfen, um ihren Zorn einzudämmen. „Du bist entlassen. Geh und treib es aus deinem Kopf und Kreislauf – was auch immer es ist, das in dich gefahren ist.“

 

Neji blinzelte langsam und neigte den Kopf. Er wandte sich gemeinsam mit seinen Teamkollegen um, um so ruhig wie möglich den Raum zu verlassen. Shikamarus Augen folgten ihm, doch auch falls Neji seinen Blick spürte - er drehte sich nicht um.

 

„Shikamaru“, richtete Tsunade nun das Wort an ihn. 

 

„Jo?“ Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Hokage. 

 

Tsunade lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, ihre Stimme war seltsam gedämpft, wenn man ihre strengen lauten Worte von gerade eben bedachte. „Pass auf, ich denke, wir sollten es für heute einfach dabei bewenden lassen, ich habe jetzt keinen Nerv mehr für ein Meeting. Wir vertagen das einfach auf morgen Nachmittag – verspäte dich nicht.“

 

„Alles klar.“ Er nickte und verbeugte sich leicht, bevor er auf dem Absatz kehrt machte und den Raum verließ.

 

Kein Wunder, dass Gai-sensei so begierig darauf war, hier raus zu kommen. Er muss bemerkt haben, dass irgendetwas mit Neji nicht stimmte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich während dieses Gesprächs hätte zurückhalten können…

 

Shikamaru spähte durch den Korridor und trat einen Schritt zur Seite, als Tonton an ihm vorbei trottete. Er fiel in einen raschen Schritt, verließ die Residenz und hielt unter einem Vordach inne, während er durch den Regen linste. Sein Blick glitt von den dem grauen wolkenverhangenen Himmel zu der Gruppe, die am Ende des Fußweges stand. 

 

Lee hielt einen Strohschirm in der Hand, mit dem er sich und Tenten vor dem Regen schützte, während Neji neben ihnen stand und herausfordernd seinen Sensei anstarrte. Aus der Entfernung konnte Shikamaru so viel erkennen, dass der Ältere versuchte, seinen ehemaligen Schüler zu beschwichtigen. Gais Hände waren ausgestreckt und lagen auf den steifen Schultern des Hyūgas. Shikamaru beobachtete, wie Neji einen Schritt zurück trat und sich so der Berührung entzog. 

 

Nicht gut…

 

Shikamaru runzelte die Stirn. Sogar aus dieser Distanz konnte er den geknickten Ausdruck auf Gais Gesicht sehen. Er war vermutlich der einzige Sensei, der die Tiefe der Emotionen, die er seinen Schülern gegenüber empfand, offen zeigte. 

 

Nicht mein Problem…

 

Shikamaru versuchte sich die Worte wie ein Mantra vorzusagen. Doch aus irgendeinem Grund konnte er seine Augen nicht von Neji abwenden. Wäre es irgendjemand anderes gewesen, wäre er in der Lage gewesen, einfach nur gelangweilt mit den Schultern zu rollen und hätte sich auf dem Absatz umgedreht, um zu verschwinden. Er hätte Gai und den anderen beiden Teamkameraden zugetraut, die Sache zu regeln. Doch ganz offensichtlich konnten sie es nicht, denn Neji schlug nun auch Lees Hand beiseite, die sich nach seiner Schulter ausgestreckt hatte. Der Hyūga verneigte sich respektvoll aber knapp vor Gai und wirbelte anmutig herum, um die Szene zu verlassen. 

 

Zu seinem Entsetzen verspürte Shikamaru den dämlichen, lästigen Zwang, ihm zu folgen.

 

Auf keinen Fall. An dem Punkt war ich schon. Ich hab‘ das schon hinter mir. 

 

Wider besseres Wissen und jeden Anschein von Sinnhaftigkeit musste er feststellen, dass sich seine Füße wiedermal von selbst bewegten. Er war sich ganz sicher, dass irgendetwas zu irgendeinem Zeitpunkt in seinem Kopf kaputt gegangen war. Warum sonst sollte er Nejis Schritten folgen wie ein Trottel mit Todessehnsucht. 

 

Mann, was zur Hölle…warum mache ich das zu meinem Problem?

 

Trotz all seiner hochgepriesenen Intelligenz – er konnte keine Antwort darauf geben. Oder wollte nicht. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich wissen wollte, welche tiefsitzenden, mehr als sadistischen Beweggründe ihn dazu brachten, sich so zu verhalten. 

 

Und ich habe Ino noch veräppelt, weil sie mit meiner Mutter sprechen wollte; sieht aus, als wäre ich eigentlich derjenige, der seinen Kopf mal untersuchen lassen sollte…

 

„Warum folgst du mir?“

 

Shikamaru blieb abrupt stehen. Er hatte nicht realisiert, dass Neji es irgendwie geschafft hatte, sich unbemerkt von hinten an ihn heran zu schleichen.

 

Scheiße. Hinterhältiger Bastard. 

 

„Tz.“ Shikamaru wandte den Kopf und warf einen Blick über die Schulter. „Du schmeichelst dir also immer noch selbst, Hyūga?“

 

„Und du mischst dich immer noch ein, Nara?“, konterte Neji und starrte ihn an. 

 

Shikamaru grinste und drehte sich träge auf dem Absatz um und dem anderen Ninja zu. Genau wie er selbst, war Neji völlig durchnässt; das Haar des Hyūga fiel wie eine Bahn aus dunklem schimmerndem Glas seinen Rücken hinunter. Die helle Robe war durchweicht und klebte genauso an seinem Körper wie an dem Tag, an dem Shikamaru ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er wirkte jetzt genauso wie damals – nass bis auf die Knochen und am Rande eines gefährlichen Abgrundes, dem er sich nicht stellen wollte und bemüht darum, die Kontrolle zu behalten. 

 

„Nicht mein Problem, dass wir in dieselbe Richtung laufen.“, log Shikamaru und streckte eine Hand nach einem Strohschirm aus, der in einem Regal an der Seite eines kleinen Standes lag – und dankte die ganze Zeit über welchem Kami auch immer, der ihm offenbar aus irgendeinem Grund zur Seite stand. 

 

Wenigstens ist es kein verdammter Pornoladen…nicht, dass irgendetwas diese Situation noch unangenehmer machen könnte…

 

Shikamaru ignorierte Nejis zu Schlitzen verengte Augen und hielt dem Ladenbesitzer die nötige Bezahlung entgegen, während er sich alle Mühe gab, gelassen auszusehen. 

 

„Brauchst du etwas Deckung?“, fragte der Nara und wandte seinen Blick Neji zu, als er den Schirm aufspannte. 

 

Neji hob ganz offensichtlich skeptisch eine Braue. Shikamaru tat weiterhin so, als würde ihn das nicht kümmern und nahm sich Zeit, in einem trägen Armschwung den Schirm zu heben, um sich vor dem Regen zu schützen – ganz so, als wäre das von Anfang an sein Vorhaben gewesen. 

 

„Passt zu dir.“, sagte Shikamaru, als sich Neji nicht rührte und zuckte mit den Achseln. „Schätze, du bist inzwischen an kalte Duschen gewöhnt, oder?“

 

Er beobachtete, wie sich Nejis Augen leicht weiteten. Die Erinnerung an die Fallen, die Shikamaru ihm in der verlassenen Hütte gestellt hatte, brachte den Hyūga dazu, den Blick abzuwenden und leicht zu schnauben. 

 

Sein Unbehagen brachte Shikamaru zum Kichern und er schüttelte den Kopf. „Hey, Lust auf eine Partie Shogi?“

 

Als würde das jemals passieren.

 

Nejis Blick blieb noch einen weiteren Moment abgewandt, Wasser tropfte von seinen Wimpern und der scharfen Kante seines Kinns. Shikamaru stellte sich auf eine vernichtende Reaktion ein, die niemals kam. 

 

„Na schön…“ Neji blinzelte und drehte sich auf dem Absatz um.

 

Der Nara starrte ihn für einige Herzschläge einfach nur an, beinahe sicher, dass er sich gerade verhört hatte. 

 

Doch dann hielt Neji mitten in der Bewegung inne und spähte über die Schulter hinweg zu ihm. „Und? Kommst du, oder nicht?“

 

Shikamaru konnte seine Fassungslosigkeit gerade noch davon abhalten, sich auf seinem Gesicht bemerkbar zu machen. 

 

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Reviews sind wie immer sehr erwünscht, würde mich sehr freuen, zu wissen, was ihr von der FF haltet! :) 

Like a bird in a cage


 

"...it is so uplifting during this creative burnout

to learn that works produced in the past 

are able to be revived in an entirely new way for new readers – thank you for giving BtB life in another forum...

please express my appreciation to those readers who are giving the fic a chance and investing time to follow the story..."
 

-Aus der Nachricht von Okami Rayne vom 11.03.2021 an die deutschen Leser von 'Break to Breathe'-
 

 
 

oOo

 

Nicht schon wieder.

 

Das leise Schlurfen von Schritten lenkte Shikamarus Aufmerksamkeit von dem Spiel ab, in das Neji und er vertieft waren und zu der sich nähernden Gesellschaft einer alten Frau. 

 

„Achtung!“, warnte der Nara und linste über Nejis Schulter, bevor er die Augen wieder auf das Shogi Brett richtete. „Ihre alte Dame hat diesmal sogar eine Karte mitgebracht.“

 

Der Hyūga versteifte sich. „Das kann nicht dein Ernst sein.“

 

Shikamarus Lippen kräuselten sich, als er erneut den Blick hob. „Du hast recht, es ist nämlich die alte Dame ihrer alten Dame.“

 

„Das wird langsam lächerlich.“ Neji verzog das Gesicht, seine blassen Iriden konzentrierten sich stur auf das Brett.

 

„Du bist dran, Hyūga.“

 

„Halt die Klappe, Nara.”

 

Shikamaru gab sich Mühe, nicht zu grinsen. Der Ausdruck auf Nejis Gesicht war unbezahlbar. Seit dem Augenblick, in dem sie das Shogi Spielhaus betreten hatten, hatte die blonde Enkelin der Inhaberin nicht aufgehört, den Hyūga zu belästigen. Der Blick aus ihren rehbraunen Augen blieb starr auf ihn fixiert und soweit es sie betraf, konnte sie gar nicht genug tun, um Neji den Aufenthalt noch angenehmer zu gestalten. 

 

Und offensichtlich galt dasselbe für ihre Großmutter. 

 

Neji bemühte sich, nicht allzu belästigt auszusehen. Seine Miene glättete sich in eine höfliche, aber distanzierte Maske, als die Besitzerin des Hauses neben ihm stehen blieb und die von Shikamaru erwähnte Karte in Händen hielt. 

 

„Bist du sicher, dass ich dir nichts bringen kann, Liebes? Vielleicht einen Tee?“ Sie schob ihm die Getränkemappe mehr oder weniger direkt ins Gesicht. 

 

Neji richtete sich auf, lehnte sich von ihr weg und warf ihr einen Seitenblick zu. „Nein, vielen Dank! Sie waren bereits sehr freundlich.“

 

Es standen bereits zwei Becher auf dem Tisch, einer davon dampfte noch immer. Shikamaru stützte sein Kinn in einer Handfläche ab, den Ellbogen auf dem Tisch abgestellt und linste zu der lästigen Frau hinüber. Die alte Dame verstand den Wink mit dem Zaunpfahl entweder nicht, oder hatte sich dazu entschlossen, ihn zu ignorieren. Sie beugte sich näher zu Neji und senkte ihre Stimme zu einem Wispern; fast so als würden sie über Drogen und nicht über Tee sprechen. 

 

„Wir haben eine neue Mischung, weißt du. Kam gerade erst rein. Sehr runder Geschmack am Gaumen.“

 

„Das ist wirklich sehr aufmerksam, aber bei uns ist alles gut, danke.“ Neji zwang sich zu einem schwachen Lächeln und versuchte einen Ausdruck der Dankbarkeit zustande zu bringen, der nicht zu gequält wirkte. 

 

„Oder vielleicht würdest du Sake bevorzugen?“ Die alte Frau tätschelte ihm die Schulter und strich die nicht existenten Falten aus dem Handtuch, das sie ihm gebracht hatte. Shikamaru hatte erst zwanzig Minuten später eines erhalten. 

 

Scheiß drauf.

 

„Sake klingt nach einer sehr guten Idee.“, schaltete sich der Nara nun ein, bevor Neji ablehnen konnte. Der blassäugige Ninja warf ihm einen vernichtenden Blick zu und er musste grinsen.  

 

Diese Belästigung ist es beinahe wert, nur um diesen Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen. 

 

Die Gastgeberin war begeistert, dass jemand ihr Anliegen – oder eher das ihrer Enkelin – unterstützte und warf Shikamaru einen strahlenden Blick zu. Mühsam widerstand er dem Drang, mit den Augen zu rollen.

 

„Oh, wunderbar!“ Sofort wandte sie sich wieder Neji zu. „Welchen hättest du denn gerne, Liebes?“

 

Shikamaru hob interessiert eine Braue und legte den Kopf mit einem fragenden Blick in Nejis Richtung schief. Ein Auge des Hyūgas zuckte, seine blassen Iriden blieben starr auf den Nara fixiert. Zu seinem Glück schirmte ihn der lange Wasserfall seiner dunklen Haare vor dem Blick der Frau ab, als sie die verschiedenen Arten des Gebräus herunter ratterte. 

 

Während sie weiter plapperte, musste sich Shikamaru doch sehr über Nejis ratlosen Gesichtsausdruck wundern. Mit Sicherheit war er mit dem Getränk vertraut, oder? Doch als er jetzt so darüber nachdachte, musste sich Shikamaru eingestehen, dass er noch nie gesehen hatte, wie der Hyūga Alkohol trank. 

 

Irgendwann schloss Neji die Augen und sah dabei zutiefst genervt und desinteressiert aus. Obwohl Shikamaru über die Situation anfangs noch sehr amüsiert war, begann er sich rasch zu langweilen und entschied sich dazu, ihnen beiden eine noch längere Folter zu ersparen. 

 

„Genshu Sake wäre toll.“, sagte er und bestellte damit prompt die stärkste Sorte. Seine Lippen kräuselten sich angesichts des überraschten Blickes, den die Frau ihm zuwarf. „Gekühlt, nicht warm. Danke.“

 

Entweder hatte Neji es nicht begriffen, oder es kümmerte ihn nicht, dass Shikamaru gerade sehr starken Alkohol bestellt hatte. Seine Augen glitten einfach nur auf, als er bemerkte, dass die alte Dame nicht länger in sein Ohr schnatterte oder seine Schulter tätschelte. Sie verneigte sich höflich und verschwand, um den Sake zu holen. 

 

„Du zahlst.“, verkündete Shikamaru, während seine Finger einen Shogi Spielstein über das Brett schoben. 

 

„Wir dürfen noch gar nicht trinken.“

 

„Sie sieht das offenbar anders. Und du zahlst immer noch.“

 

„Ich trinke nicht.“ Neji zog das rote Handtuch von seiner Schulter und drückte die Enden seiner dunklen Mähne in dem feuchten Stoff aus, bevor er es neben sich auf die Bank legte. 

 

„Achja? Zu schade, denn in Situationen wie diesen trinke ich auf jeden Fall!“ Shikamarus dunkle Augen studierten träge das Spielbrett, bevor sie nach oben wanderten und auf Nejis unbeeindruckten Blick trafen. 

 

„Noch eine von deinen schlechten Angewohnheiten, Nara? Vielleicht möchtest du auch noch eine Zigarette dazu.“

 

Shikamaru spannte sich ein wenig an, bevor er sich mit einem lustlosen Achselzucken zurück in das Polster der Bank lümmelte. „Also pass auf, solltest du nicht vorhaben, dich auf ein Knie niederzulassen und ihrer Enkelin einen Heiratsantrag zu machen, sehe ich keine andere Möglichkeit, das hier mit halbwegs funktionierendem Verstand zu überleben, außer durch vollständige Trunkenheit.“

 

Nejis Brauen zogen sich angesichts der mangelnden Kongruenz von Shikamarus Worten zusammen. „Gesunder Verstand durch Trunkenheit? Das macht absolut keinen Sinn, Shikamaru.“

 

„Es steckt Methode hinter dem Wahnsinn, Hyūga, vertrau mir.“

 

Neji spottete leise und schlang seine Finger um die Teetasse, ohne sie an die Lippen zu führen. „Wir könnten jederzeit einfach gehen.“

 

„Kommt nicht in Frage. Ich musste vorhin schon mitten im Spiel aufhören. Auf keinen Fall wird das heute nochmal passieren – vor allem nicht, wenn du dich gerade genau da befindest, wo ich dich haben will.“ Er realisierte erst, wie falsch sich das anhörte, als die Worte bereits seinen Mund verlassen hatten. 

 

Super…und ich habe noch nicht mal angefangen zu trinken. 

 

Neji schürzte die Lippen, sagte aber nichts. Stattdessen schob er einen Spielstein über das Brett. Ein geschicktes Ausweichmanöver, das Shikamaru bereits vorausgesehen hatte, doch es hielt Neji weiterhin im Spiel. 

 

„Kluger Zug.“, kommentierte der Nara, zog ein Bein nach oben und stellte die Ferse auf der Bank ab. Er legte einen Unterarm auf seinem Knie ab und studierte das Spielfeld. „Also, worum ging es da vorhin?“

 

Er bemerkte, wie sich Nejis Finger um die Tasse verkrampften, bevor sie das Gefäß losließen. „Nichts.“

 

„Sah nicht nach Nichts aus.“ Shikamarus Finger glitten über das Shogi Brett, seine Aufmerksamkeit war perfekt zwischen Neji und dem Spiel aufgeteilt. „Ist die Mission hässlich geworden?“

 

Neji beobachtete ihn genau; er konnte deutlich das Gewicht dieser geisterhaften Iriden auf sich spüren, ohne den Blick heben zu müssen. Nachdem er seine Position auf dem Spielfeld abgewogen hatte, richtete er seinen Fokus endlich auf den Hyūga und verband ihre Blicke. 

 

Zu seiner Anerkennung wandte sich Neji nicht ab. 

 

Ohne den Augenkontakt zu brechen, streckte Shikamaru eine Hand aus, um einen Spielstein aufzuheben, legte ihn ab und schlug damit einen von Nejis Steinen. Er hatte die Verteidigung des Hyūga auf mehr als nur eine Art geschwächt und hob eine Braue. 

 

„Du bist am Zug.“

 

Nejis Blick flackerte kurz und dieser seltsame Ausdruck huschte erneut unter seiner Maske über sein Gesicht, bevor sich seine Aufmerksamkeit auf die plötzlich erschienene Präsenz neben ihm richtete. Der Hyūga zuckte beinahe zusammen, als sich die alte Dame mit einem breiten Lächeln zu ihm hinunter beugte und zwei flache, boxenähnliche Gefäße auf den Tisch stellte. Sie griff nach einer Keramikflasche und füllte die Masu Becher. 

 

„Gibt es sonst irgendetwas, das ich dir bringen kann?“

 

„Nein, danke!“ Neji schüttelte den Kopf. 

 

Sehr zur kaum verhohlenen Frustration des Hyūga, verschwand die alte Dame nicht. Stattdessen gestikulierte sie in Richtung der hölzernen Becher und wartete darauf, dass Neji den Sake probierte.

 

Shikamaru grinste breit und griff mit einem ungenierten Ausdruck auf dem Gesicht nach seinem eigenen Masu.

 

Oh Mann, das ist so schlecht, dass es schon wieder gut ist.

 

Für einen kurzen Moment schloss Neji die Augen – vermutlich betete er um Geduld – dann streckte er eine blasse Hand aus, hob den Becher und nippte an dem Sake. Shikamaru hielt beinahe den Atem an und linste durch dichte Wimpern zu dem Hyūga hinauf, während er so tat, als wäre er auf das Spielbrett fokussiert. Er konnte sehen, wie sich die Sehnen in Nejis Hals für ein paar Sekunden anspannten, bevor er schließlich schluckte. 

 

Die Haut um die Augen der Gastgeberin warfen vor Entzücken Falten, als der blassäugige Ninja leicht den Kopf drehte und sich zu einem schmallippigen Lächeln zwang. 

 

„Er ist sehr gut.“, krächzte Neji. 

 

„Wunderbar! Ich werde einen weiteren beiseite stellen, Liebes!“, versprach sie ihm und verschwand, um eine weitere Flasche zu holen. 

 

Kaum war sie außer Sichtweite, stellte Neji den Becher ab und schob ihn mit zwei steifen Fingern von sich, sein Gesicht zuckte angewidert. „Das war absolut abscheulich!“

 

Shikamaru lachte leise. „Na super, du wirst ihrer Enkelin das Herz brechen.“

 

Neji griff nach seinem Tee, um den ekligen Geschmack aus seinem Mund zu spülen und das Brennen in seiner Kehle zu lindern. „Was zur Hölle hast du da bestellt? Krötenöl?“

 

Shikamaru stürzte seinen eigenen Sake hinunter ohne die Miene zu verziehen. „Gib die Schuld meinem alten Herren. Ich war ziemlich beeinflussbar als Kind.“

 

Neji nahm einen weiteren großen Schluck seines Tees und schüttelte mit einem Schnauben den Kopf, das nur ein Hyūga elegant und prägnant herablassend klingen lassen konnte. 

 

„Das bezweifle ich doch sehr.“ Mit der freien Hand schob er einen Spielstein über das Brett. „Du bist die am wenigsten beeinflussbare Person, die ich kenne, Shikamaru.“

 

„Ist das ein Kompliment?“ Der Nara schlug eine weitere Spielfigur von Neji. „Da brat mir aber einer `nen Storch.“

 

„Fasse es auf wie du willst, ich weigere mich auf jeden Fall, das zu trinken!“

 

„Wie auch immer.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und füllte seinen Becher nach. „Ich gehe davon aus, dass dieses ganze ‚Ich trinke nicht‘-Ding nur eine Kontrollsache ist.“

 

Nejis Lippen pressten sich zusammen, bevor er sich davon abhalten konnte, darauf zu reagieren. „Warum verspürst du denn überhaupt den Drang zu trinken?“

 

„Hilft mir, mich zu entspannen – du solltest es versuchen.“ Er grinste. 

 

„Wenn du dich noch mehr entspannen würdest, Nara, wärst du tot.“

 

„Wahrscheinlich.“ Shikamaru zuckte erneut mit den Schultern; er hatte Spaß an dem spielerischen Geplänkel. Träge griff er ein weiteres Mal nach der Flasche. „Ich denke, ich sollte dich warnen…“

 

„Mir ist schon klar, dass ich das bezahlen muss.“, knurrte Neji und warf einen finsteren Blick auf das Shogi Brett und seine verbliebenen Spielsteine. 

 

„Nein, ich meinte, dass deine Bewunderin noch eine Flasche bringt.“

 

„Wundervoll.“, schnaubte Neji. 

 

„Ja und ihr Schwesterchen ist auch dabei.“ Shikamarus Lippen zuckten, als er vergeblich versuchte, nicht wegen des vernarrten Gesichtsausdrucks der beiden Mädchen zu grinsen. „Wow nicht schlecht, so wie es aussieht, hast du bereits ein weiteres Fangirl.“ 

 

Er beobachtete, wie Neji erstarrte, als würde man ihm ein Kunai an die Kehle halten. „Das ist ein schlechter Scherz, oder?“

 

Shikamaru kicherte. „Naja dir auf jeden Fall viel Spaß beim nüchtern und verklemmt sein. Ich verabschiede mich dann mal…“ Er hob die Flasche, um spöttisch auf seine Worte anzustoßen. „…von meinem gesunden Verstand.“

 

Bevor er sich jedoch einen neuen Drink einschenken konnte, setzte Neji eine finstere Miene auf und schnappte ihm die Flasche aus den Fingern. Der Jōnin füllte seinen Masu Becher bis zum Rand mit dem ‚abscheulichen‘ Gebräu und verschwendete keine Zeit damit, den Sake hinunterzustürzen. 

 

„Ugh.“ Neji schüttelte heftig den Kopf, hustete, blinzelte das automatische Stechen hinter seinen Augen fort und füllte seinen Becher nach. „Wie schnell wirkt das Zeug?“

 

Shikamaru starrte ihn in vollkommen fassungslos an, bevor ein schwaches Grinsen seine Lippen verzog; in seiner Stimme schwang Belustigung mit. „Willkommen an Bord, Hyūga.“

 
 

xXx
 

 
 

Zweieinhalb Stunden später bezahlte Shikamaru die Rechnung.

 

Als er den letzten Schluck von seinem Sake nahm, genoss er das Getränk weit weniger als den Anblick perplexer Empörung auf Nejis gerötetem Gesicht. Die Fingerspitzen des Hyūga ruhten auf dem Tisch, sein Körper war schräg nach vorn geneigt. Seine schimmernden Opalaugen verengten sich zu Schlitzen als er auf die Spielsteine hinunterblinzelte. 

 

„Ich habe verloren.“ Neji starrte das Shogi Brett an, als wäre es verflucht.

 

„Richtig erkannt.“ Shikamaru nickte und stellte seinen Masu Becher auf dem Tisch ab. Er war mehr als stolz auf die Tatsache, dass er zumindest noch halbwegs nüchtern war. „Du hast verloren.“

 

„Ich verliere nie.“, stellte Nejis melodische Stimme mit voller Überzeugung klar. Trotz der Tatsache, dass er soeben verloren hatte. Zweimal. 

 

„Erzähl das dem Spielbrett.“

 

Der Hyūga runzelte die Stirn und dann – zu Shikamarus Überraschung – lachte er leise. Der Klang fiel weich von seinen Lippen. „Ich habe verloren.“

 

„Ja.“ Der Nara grinste. „Zweimal.“

 

„Ich habe zweimal verloren. Unmöglich.“ Neji schüttelte den Kopf, sein dunkles Haar schwang in der Bewegung mit, bevor er den Blick hob und Shikamaru anblinzelte. „Revanche.“

 

Der Schattenninja gab sich alle Mühe, nicht zu lächeln; seine Lippen zuckten. „Ich würde dich dennoch schlagen. Außerdem bist du viel zu betrunken, um noch eine Runde zu spielen.“

 

Nejis schwankte mit einem empörten Schnauben auf seinem Sitz zurück. „Ich bin nicht betrunken.“

 

„Klar, natürlich bist du das nicht.“ Giggelnd rollte Shikamaru mit den Augen. „Wie auch immer, du hast sowieso schon gezahlt.“

 

Neji blinzelte träge, als bräuchte er einen Moment, um die Information zu verarbeiten. „Ich habe schon gezahlt? Natürlich habe ich schon gezahlt.“

 

Nicht betrunken am Arsch.

 

Shikamaru grinste noch breiter, als er sich streckte und langsam auf die Beine kam. „Okay, Zeit zu gehen. Also sofern du laufen kannst.“

 

Der Gesichtsausdruck des Jōnin wurde hochmütig. Das machte es jedoch nur noch amüsanter, zuzusehen, wie er die Tischplatte umklammerte, als würde sein Leben daran hängen.

 

„Selbstverständlich kann ich das.“ Neji lallte leicht, brachte es aber fertig, sich aufzurichten. Auch wenn er trotz seines Griffs an dem Tisch auf ulkige Weise zur Seite kippte. „Was zur Hölle stimmt nicht mit diesem Tisch?“

 

„Mann, du siehst so albern aus.“ Shikamaru lachte und streckte eine Hand nach Nejis Schulter aus, um ihm Halt zu geben. „Passt zu dir. Jetzt komm schon, wir sollten zusehen, dass wir dich bei einem Spaziergang wieder halbwegs nüchtern kriegen, bevor dich noch jemand so sieht.“

 

Neji schob sich ein Stück zur Seite, seine geweiteten Augen zuckten zurück zum Tisch. „Ich habe nicht bezahlt.“

 

„Doch hast du. Komm schon.“

 

Der Hyūga runzelte die Stirn. „Ich habe verloren.“

 

„Jo. Zweimal.“, schnaubte Shikamaru, ernüchterte aber schlagartig angesichts des unerwarteten Lächelns, das Neji ihm schenkte. 

 

„Ich verliere nie…“ Der Jōnin starrte auf das Brett. „Ich darf nicht…“

 

Shikamaru wusste nicht, wie er darauf antworten sollte. Doch zum Glück ersparte Neji ihm die Mühe, indem er versuchte, einen Eindruck von Nüchternheit zu vermitteln, die er eindeutig nicht besaß. Zuversichtlich drehte sich der langhaarige Ninja dem Ausgang zu und begann in die komplett falsche Richtung zu schwanken. 

 

Ja, überhaupt nicht betrunken…

 

„Okay, Hyūga.“ Shikamaru legte sanft eine Hand auf Nejis Schulter und brachte ihn zurück auf den richtigen Kurs. „Es würde wirklich helfen, wenn du geradeaus laufen würdest.“

 

„Mach ich doch.“ Neji war viel zu beschäftigt damit, über die Schulter hinweg auf das Shogi Brett zu starren. 

 

Der Nara hielt seine Hand fest an ihrem Platz und navigierte sie durch das Shogi Spielhaus, nachdem er der jungen Frau und ihrer Großmutter – und dem verdammten Schwesterchen – versprochen hatte, seinen Freund sicher nach Hause zu bringen.

 

„Mann, was für ein Drama…“, stöhnte Shikamaru, als sie auf die Straße hinaustraten. „Nie wieder werde ich hier spielen.“

 

„Ich glaube, sie mochte dich.“, bemerkte Neji und nickte ernst, während er durch die regenverhangenen Straßen stierte.

 

„Ja klar, das würde auch erklären, warum sie darauf gewartet hat, dass du vor ihr niederkniest.“

 

„Warum sollte ich das tun?“ Nejis Augen weiteten sich albern. „Hab‘ ich das gemacht?“

 

„Gott ich wünsch mir so sehr, ich würde mir die Mühe machen zu lügen.“ Shikamaru grinste und machte sich daran, seinen Schirm mit einer Hand aufzuspannen; sein Griff auf Nejis Schulter hielt weiter an. „Halt still.“

 

„Ich stehe immer noch perfekt still. Alles andere bewegt sich.“

 

„Klar.“

 

Shikamaru mühte sich mit dem dämlichen Regenschirm ab. Ein schwacher Nieselregen und leichter Nebel hingen in den dämmrigen Straßen, die Laternen schienen in der dampfigen Luft zu schweben. Darauf vertrauend, dass Neji zumindest für einen Moment die Balance halten konnte, nahm Shikamaru seine Hand von der Schulter des Hyūga, um den Schirm zu spannen. Das fadenscheinige Holz brach mit einem lauten Knacken. 

 

„Ach komm schon, das ist jetzt nicht dein Ernst?!“ Er verzog das Gesicht und beobachtete, wie das abgeknickte Schirmende traurig hin und her schwang. „Ugh. Billiger Müll.“

 

Neji lachte leise. „Du hast ihn kaputt gemacht.“

 

„Ja, habe ich mitbekommen.“

 

„Ich glaube du hast gemogelt.“

 

„Was?“

 

„Ich habe nicht bezahlt.“ Neji wollte seinen Kopf zu dem Shogi Haus umwenden und drehte sich letztendlich einmal komplett um die eigene Achse. Mit einem Stirnrunzeln fing er sich wieder und stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab, als er sich leicht nach vorn lehnte. „Götter…ich fühl mich komisch…“

 

„Sag bloß.“ Shikamaru pfefferte den kaputten Schirm in eine Mülltonne und wandte sich mit einem Anflug von Besorgnis zu Neji um. „Für jemanden der nicht trinkt, bin ich überrascht, dass du nicht auf allen Vieren kriechst, nach all dem, was du in dich rein gekippt hast.“

 

Der Jōnin lachte so unglaublich leise und sein Stirnrunzeln glättete sich, als er sich abrupt aufrichtete. Er schwankte ein wenig, fiel aber nicht hin. „Warum sollte ich auf allen Vieren kriechen? Ich bin kein Tier.“

 

Der Nara widerstand dem Drang, sich die Hand vors Gesicht zu schlagen. „Ugh. Schätze, das hätte ich kommen sehen müssen. Komm schon, lass uns gehen.“

 

„Lee sollte nicht trinken.“, informierte Neji ihn, als sie sich in Bewegung setzten und den Bürgersteig entlang schlenderten. „Gibt ein Desaster…wenn er das macht…“

 

„Ach ja?“ Shikamaru schmunzelte angesichts der seltsamen Bemerkung und lief im Gleichschritt neben Neji her. 

 

„Ja…kann es nicht kontrollieren.“

 

„Nicht wie du, huh?“ Shikamaru konnte nicht anders, als ein wenig zu sticheln, seine Handfläche berührte Nejis Rücken, als der Jōnin sich schon wieder in die falsche Richtung neigte. „Hey, ganz ruhig.“

 

„Ich hab‘ es immer unter Kontrolle.“, erwiderte Neji und Shikamaru hätte kein Genie sein müssen, um sofort zu erkennen, dass der Hyūga nicht von Alkohol sprach.

 

„Ja, ich möchte wetten, dass das so ist.“ Shikamaru führte sie über die Straße. Er hatte vor, mit Neji ein wenig durch den Nara Wald zu laufen. 

 

„Gai-sensei versteht es nicht…“ Nejis Stirn legte sich in Falten, seine Augen glitten über die Bäume, die in Sicht kamen und in deren Kronen sich der Nebel fing; es wirkte, als suchte er nach irgendetwas. 

 

„Versteht was nicht?“ Shikamaru beobachtete ihn genau, seine Finger lagen immer noch auf Nejis Rücken. Seine Handfläche drückte sich flach gegen das glatte Haar, das von dem Haargummi befreit war, der es normalerweise zusammenhielt. 

 

„Ich bin nicht wie die anderen.“

 

Shikamaru grübelte einen Moment lang über diese Aussage nach, während er sie einen grasbewachsenen Pfad entlang führte. Ihre Füße hinterließen Spuren auf dem taubedeckten Waldboden. Zum Glück hatte es inzwischen aufgehört zu regnen. 

 

Sie näherten sich einem Tal und Shikamaru linste aus den Augenwinkeln zu dem Hyūga hinüber. 

 

„Okay, also wie bist du denn dann?“

 

Neji brummte, seine geweiteten Augen studierten immer noch die Umgebung. „Wie ich schon immer war…ich bin wie ein Vogel in einem Käfig…“

 

Die Worte schleuderten Shikamaru drei Jahre zurück und er musste feststellen, dass diese Antwort mehr an ihm nagte, als sie es hätte tun dürfen. Sofort bemühte er sich, seinen Verstand davon abzuhalten, sich in diese gefährlichen Gewässer zu begeben. Er war ohnehin schon viel zu tief in diese Sache verwickelt worden, indem er sich überhaupt mit Neji beschäftigte. 

 

Yep. Ich muss meinen Kopf definitiv mal überprüfen lassen.

 

Der Hyūga blinzelte und blieb abrupt stehen. „Wo sind wir?“

 

„Entspann dich.“ Shikamaru entließ langsam seinen Atem und beobachtete, wie er zu Nebel wurde und sich in der kühlen Abendluft verlor. „Wir sind in der Nähe von meinem Haus. Wir müssen schauen, dass du ein bisschen ausnüchterst; ich will nicht, dass dein Onkel ausrastet.“

 

„Würde er nicht.“ Neji lachte und schüttelte den Kopf. „Das wäre unwürdiges Verhalten. Hyūgas machen sowas wie ‚ausrasten‘ nicht.“

 

Shikamaru runzelte leicht die Stirn, überrascht davon, dass er darüber irgendwie verärgert war. Er befand sich nicht in der Position, über Hyūga Hiashi urteilen zu dürfen und hatte auch nicht das Recht, infrage zu stellen, wie der Schäfer seine verdammte Herde führte. Dennoch, angesichts des Tributs den es erforderte, um diese Kontrolle aufrechtzuerhalten, schien es die Mühe nicht wert zu sein. Oder den Schaden, der dadurch verursacht wurde. 

 

„Also wäre er nicht sauer, wenn du betrunken nach Hause gestolpert kommst?“, fragte Shikamaru ohne seine Belustigung zu verbergen. 

 

„Er wäre fuchsteufelswild.“ Neji kicherte erneut; es war ein seltener und wohltönender Klang. „Wie gut, dass ich nicht betrunken bin.“

 

Der Nara grinste und musterte den sehr betrunkenen Ninja. Sein Gesichtsausdruck wurde weich, als seine Augen über Nejis hohe Wangenknochen glitten, die von der kalten Luft und dem Sake leicht gerötet waren. 

 

„Jo, sag das noch einmal und ich glaube dir vielleicht.“

 

Neji schnaubte, reckte sein Kinn in die Höhe und wirbelte herum, um in scheinheiliger Geste mit einem Finger zu winken. Er verlor jede Balance, von der er sich sicher gewesen war, sie gehabt zu haben und setzte sich schneller auf den Hosenboden, als Shikamaru nach ihm greifen konnte.

 

„Scheiße! Sei vorsich…“

 

Neji brach in Gelächter aus und schnitt Shikamaru damit das Wort ab. 

 

Nicht zum ersten Mal an diesem Abend musste der Schattenninja feststellen, dass er fassungslos war. Er hatte einen empörten Ausdruck von Frustration oder peinlicher Verwirrung erwartet. Doch dann erkannte er, dass die Mischung aus frischer Luft zusammen mit dem Alkohol vermutlich Rausch des Hyūga verstärkt hatte. 

 

Schätze, jetzt ist er wirklich vollkommen dicht. Scheiße.

 

Neji lachte noch immer, ein Arm lag quer über seinem Bauch, als er sich zurück in das feuchte Gras sinken ließ. Sein langes verheddertes Haar umrahmte ihn wie eine Pfütze aus dunkler Tinte. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Wie lästig.“

 

Nejis Lachen verwandelte sich angesichts der Worte in ein hysterisches Zischen; seine übliche kühle und unerschütterliche Manier komplett vergessen. Und was das Verrückteste an der ganzen Sache war – Shikamaru konnte nicht aufhören, ihn anzustarren. Er bemerkte, dass er den Atem anhielt. 

 

Sag irgendetwas, du Genie.

 

„Wirklich anmutig, Hyūga.“, murmelte Shikamaru. Unverwandt starrte er auf dieses völlig untypische und gefährlich magnetische Bild, das der Jōnin bot. 

 

Das war so gar nicht Neji – und doch war er hier, lachend auf dem Waldboden und benahm sich menschlicher und entspannter als Shikamaru ihn jemals zuvor gesehen hatte. 

 

Ich glaube nicht, dass ich ihn überhaupt jemals entspannt gesehen habe…

 

Das ferne Echo von Nejis Worten darüber, dass er nicht menschlich wäre holte ihn für einen kurzen Moment ein und ließ seine Brauen zusammenziehen. Er schüttelte den Gedanken ab und streckte ihm eine Hand entgegen. 

 

„Okay, du wirst dir noch eine Erkältung einfangen. Lass uns – hey!“ Shikamarus Worte wurden harsch unterbrochen, als ihn ein heftiger Ruck an seinem Handgelenk neben Neji auf den Boden beförderte; sehr zur Belustigung des Jōnin.

 

„Siehst du…“ Neji ließ sich wieder nach hinten fallen, offensichtlich sehr zufrieden mit sich. „Ich bin nicht betrunken.“

 

Shikamaru unterdrücke ein Lachen. „Schön, was auch immer, wenn du krank wirst, ist es nicht mein Problem!“

 

Er drehte sich auf den Knien um, bevor er sich auf den Rücken fallen ließ und einen Arm unter seinen Kopf legte. Träge studierte er seine Umgebung. Der Untergrund war nass, die Luft zu kalt und der Himmel zu dunkel für Wolken. Aber dafür waren nun die Sterne zu sehen und aus irgendeinem Grund erschienen all die lästigen Unannehmlichkeiten auf einmal ertragbar; denn Neji benahm sich wie ein Mensch und nicht wie ein unnahbarer Felsbrocken. 

 

Shikamaru versuchte sich selbst einzureden, dass er einfach nur neugierig war und er sich deshalb weiter mit dem Hyūga befasste. 

 

Daran gab es nichts, das möglicherweise komplizierter sein könnte. 

 

Er lauschte dem nachhallenden Klang von Nejis Lachen, als es auf einer kühlen Brise wogte und in sanften Nebelschwaden davon getragen wurde, bevor sich der Hyūga ein wenig beruhigte.

 

„Ich glaube…“, murmelte Neji und neigte seinen Kopf dem weichen Boden entgegen. „…dass ich vielleicht ein bisschen betrunken bin.“

 

„Sag bloß…“, erwiderte Shikamaru gedehnt und spähte aus den Augenwinkeln zu dem Jōnin hinüber. 

 

Neji kicherte, blinzelte träge und lenkte damit Shikamarus Aufmerksamkeit auf den dichten Fächer seiner Wimpern, die silbrig schimmernde Augen einrahmten. Wie ein spiegelglatter See schienen sie das Licht einzufangen und zum ersten Mal wirbelte eine Flut an Emotionen unkontrolliert unter dieser Oberfläche. Die undurchdringliche schützende Mauer, mit der Neji sich stets umgab, hatte sich gesenkt; zumindest ein wenig. 

 

„Also warum hast du zugestimmt, mit mir Shogi zu spielen?“, fragte Shikamaru und hielt seinen Ton leicht, beinahe schon beiläufig gelangweilt. 

 

Neji summte. „Ich wollte nicht nach Hause gehen.“

 

„Warum?“

 

„Lee sollte niemals trinken…“, war Nejis unzusammenhängende Antwort, doch der Schattenninja konnte spüren, dass er ihm nicht auswich, sondern einfach nur betrunken war. 

 

„Weil er es nicht kontrollieren kann, richtig?!“, stellte Shikamaru schleppend fest.

 

Neji drehte den Kopf, seine schimmernden Augen weiteten sich überrascht, bevor sie sich skeptisch zusammenzogen. „Woher weißt du das?“

 

Shikamaru versuchte, wieder zum Thema zu kommen: „Du willst nicht nach Hause  - warum nochmal?“

 

„Training…“

 

Der Nara bemerkte die tiefen Falten, die sich jetzt in Nejis Stirn gruben und kam zu einer vernünftigen Schlussfolgerung. „Mit deinem Onkel?“

 

Der Hyūga nickte nur. 

 

„Also entziehst du dich deinen Verpflichtungen?“ Shikamaru neckte weiter: „Hey, das war immer mein Part, nur dass du das weißt! Und jetzt schau mich an, total verantwortungsbewusst und der ganze Schmarrn, also pass auf, dass du damit nicht auf die Schnauze fällst.“

 

„Ich verfüge über exzellente Bralance…“

 

Bralance, huh? Und wie sieht es mit Balance aus?“

 

Neji blinzelte. „Was?“

 

Shikamaru giggelte. „Oh Mann, du bist total blau.“

 

„Mein Onkel würde mich umbringen, wenn ich es wäre…“ Der Hyūga fuhr sich mit langen Fingern durch sein Haar und löste dabei beinahe sein Stirnband. 

 

Augenblicklich wurde Shikamarus Aufmerksamkeit von dem Aufblitzen des polierten Metalls angezogen und er beobachtete, wie Nejis Fingerspitzen ungeschickt darüber fuhren und das Fluch-Siegel auf seiner Stirn nachzeichneten.

 

„Tut es weh?“, fragte er und fühlte sich sicher dabei, diese Frage zu stellen.

 

„Wenn sie es benutzen…“

 

Shikamarus Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. „Sie haben es benutzt?“

 

Nejis Gesicht wurde finster, seine Augen wanderten rastlos über den dämmrigen Himmel. „Ich hasse es…“

 

Shikamaru brummte vollkommen in Gedanken versunken, während er den anderen Ninja musterte. Seine Augen folgten Nejis Fingern, die von dem Hitai-ate glitten, seine Hand fiel auf das Gras. 

 

„Shikamaru…“

 

„Mmmh?“

 

„…ich glaube…ich bin vielleicht ein bisschen betrunken.“

 

„Ja, ich weiß. Das ist ok.“

 

Neji schüttelte den Kopf, Strähnen, die nass vom Tau waren, strichen über seine Wangen. „Ich sollte es wissen…ich hätte es…vorher erkennen müssen…“

 

„Was hättest du erkennen müssen?“, fragte der Nara und war sich voll bewusst, dass dies ein Gespräch ohne Kontext werden würde. Doch es war immerhin etwas. Er bezweifelte, dass er eine solche Gelegenheit jemals wieder bekommen würde. 

 

Scheiße. Jetzt bin ich dummerweise schon so weit gekommen…dann kann ich auch genauso gut aufs Ganze gehen…

 

Neji schüttelte erneut den Kopf und ballte eine Faust um ein Büschel Gras. „Sie war schwanger…und es ist gestorben…“

 

Shikamarus Augen wurden rund.

 

Was zur Hölle?

 

Er wandte den Kopf und spähte durch die gebogenen Grashalme. Er konnte sehen, wie sich Nejis Gesichtsausdruck von seiner vorherigen Leichtigkeit in ein düsteres Stirnrunzeln verwandelte. 

 

„Sie hat gesagt, dass sie es nicht wollte…deswegen muss es passiert sein…“

 

„Weswegen ist was passiert?“ Shikamaru versuchte die Worte aneinander zu stückeln und konnte spüren, dass das hier irgendetwas mit der Mission zu tun hatte, doch er wollte mehr Klarheit. „Neji, über wen reden wir?“

 

„Ich habe das Team angeführt…ich müsste es wissen…“

 

Shikamaru stemmte sich auf einen Ellbogen hoch und blickte auf Neji hinunter. „Du kannst nicht alles wissen. Wir geben unser Bestes. Und das ist alles, was wir tun können!“

 

„Warum kann ich es nicht aufhalten?“

 

„Was aufhalten?“

 

Neji schloss die Augen und schluckte. „Ich muss es wissen…wie ich es kontrollieren kann…“

 

Shikamaru seufzte leicht, Besorgnis verknotete unangenehm sein Inneres. Seine Stimme wurde leise. „Ich weiß, dass du es kannst, Neji…ist einer der Gründe, warum du einem immer wieder so auf die Nerven gehst…“

 

Neji blinzelte träge und wandte den Kopf, um Shikamarus Blick zu begegnen. Und als er das tat, trugen seine Augen Geister in sich, die ihn heimzusuchen schienen – etwas Gequältes und Dunkles. Es war ein flüchtiger Blick auf das, was sich unter der Oberfläche dieser verschlossenen und unheimlichen Iriden abspielte. Für einen kurzen selbstsüchtigen Moment wünschte sich Shikamaru, Neji würde zornig werden – damit hätte er so viel leichter umgehen können; denn die Traurigkeit in diesen Augen drohte ihn in sich zu ziehen. 

 

Scheiße…lass es nicht so weit kommen…

 

Er brachte ein schwaches Lächeln zustande und streckte eine Hand aus, um Gras von Nejis Stirnband zu wischen. Er versuchte, verärgert auszusehen, scheiterte jedoch kläglich. Sein Daumen strich langsam über Nejis Schläfe.

 

„Wie lästig…“, raunte er. 

 

Die Berührung ließ den Hyūga blinzeln. „Das hast du schon mal getan…“

 

„Hn?“ Shikamaru legte den Kopf schräg. „Dich als lästig bezeichnet? Bist du ja auch.“

 

„Davor.“ Neji griff nach seinem Handgelenk – überraschend hart. „Als du mich geküsst hast.“

 

Scheiße.

 

Von all den Dingen, die er hätte sagen können, musste es ausgerechnet das sein. Shikamaru hatte dafür weder eine Erwiderung, noch eine Antwort, seine Zunge verkrampfte sich hinter seinen Zähnen. Es verbarg sich einfach viel zu viel hinter dieser Aussage und sollte er darauf reagieren, müsste er über etwas nachdenken, das er auf keinen Fall näher auskundschaften wollte. Und um das alles noch schlimmer zu machen, musterte Neji ihn mit einer Intensität, die Shikamaru die Frage aufdrängte, ob der Jōnin soeben auf wundersame Weise ausgenüchtert war. 

 

Naja, hierüber zu reden ist mit Sicherheit mehr als genug, um dafür zu sorgen…

 

„Warum hast du das gemacht?“, murmelte der Hyūga. 

 

Shikamaru atmete hörbar aus und fächerte mit seinen freien Fingern durch die Spitzen seines Pferdeschwanzes. Unbeholfen schüttelte er den Kopf.

 

„Verdammt…du gönnst mir auch gar keine Pause, oder?“ Er kicherte und versuchte so, die Stimmung etwas aufzuhellen. 

 

„Dann hast du es nochmal getan.“

 

„Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, nicht mehr darüber zu reden.“

 

Neji legte den Kopf schräg und sein Blick glitt zur Seite weg. „Ich erinnere mich…das gesagt zu haben.“

 

„Gut zu wissen.“ Shikamaru lächelte und befreite sein Handgelenk aus Nejis Griff. „Wie wäre es, wenn wir zu mir gehen, ja? Da findet sich bestimmt was, um dich ein wenig auszunüchtern. Morgen wirst du mich auf jeden Fall hassen.“

 

„Ich hasse dich nicht.“

 

Aus irgendeinem Grund erleichterten diese Worte etwas in Shikamarus Geist, von dem er bis gerade gar nicht gewusst hatte, dass es an ihm genagt hatte.

 

„Hn. Das sagt der betrunkene Hyūga, ich bin mir ja nicht sicher, ob der nüchterne dem zustimmen würde.“ Shikamaru kam in die Hocke und schlang sich Nejis Arm um die Schulter, um dem anderen Ninja auf die Beine zu helfen. „Vertrau mir, morgen wirst du mich hassen.“

 

Neji zog angesichts der angebotenen Hilfe eine finstere Miene. „Warum war ich am Boden?“

 

„Ich werde es dir das nächste Mal erzählen, wenn du mich danach fragst. Ich mach mir jetzt echt nicht die Mühe, das zu erklären.“

 

„Shikamaru…“

 

„Hmmn?“

 

„Habe ich das Spiel verloren…?“

 

„Zweimal.“ Shikamaru kicherte. 

 

„Vielleicht hasse ich dich ein bisschen“, lallte Neji bevor er stöhnte. „Und ich glaube, ich werde krank…“

 

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So hier ist es, das 5. Kapitel zu BtB, vielen Dank an SasukeUzumaki für deinen Kommentar, der hat mich wirklich sehr motiviert!! :) 

Würde mich natürlich wieder sehr freuen, zu erfahren, wie ihr das neue Kapitel und generell die FF findet! :) 

4 AM

Ich bin absolut nicht betrunken genug dafür. 

 

Shikamaru setzte das Tablett mit der Kanne Kabusecha Tee auf dem niedrigen Tisch ab und schüttelte den Kopf. 

 

Verfickt nochmal wann bin ich so häuslich geworden?

 

Der Gedanke ließ ihn schnauben und er meckerte leise über den Aufwand, den es brauchte, um sich um solche Dinge zu kümmern. Er lief quer durch den Raum zu einem Schrank und holte einen einfachen grauen Yukata für Neji daraus hervor, den er auf den Futon fallen ließ. Gleich darauf wandte er den Kopf und lauschte angestrengt nach würgenden Geräuschen aus dem Badezimmer. Doch er hörte nichts und runzelte angesichts der seltsamen Stille die Stirn. Er richtete sich etwas mehr auf – nur um sich gleich wieder zu entspannen, als er das sanfte Rauschen fließenden Wassers und raschelnde Bewegungen vernahm.

 

Wenigstens liegt er nicht völlig verpeilt auf dem kalten Boden…

 

Shikamaru rieb sich den Nacken und drehte sich der Wand zu. Er schaltete eine Lampe in der Ecke des semi-traditionellen Gästezimmers ein und kreierte so eine Aura von sanftem und zurückhaltendem Licht. Leis schob er eine der Shoji Türen auf und lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen. Schweigend starrte er auf den Wald, der den Distrikt des Nara Clans umgab. 

 

Das Mondlicht schimmerte in milchigen Strahlen durch die Bäume und warf Pfützen aus Licht auf den Boden unter dem dichten Blätterdach. Das abendliche Lied der Zikaden wurde nur von den Geräuschen aus dem Badezimmer unterbrochen; doch zum Glück waren es keine besorgniserregenden Klänge. 

 

Ja, dieses Glück soll bitte noch länger anhalten.

 

Er hatte es fertig gebracht, Neji ohne Kollateralschäden bis zum Nara Anwesen zu navigieren. Ihre lästigsten Probleme waren Nejis Getorkel und die Notwendigkeit gewesen, abrupt anzuhalten, als der Jōnin gegen seine Übelkeit ankämpfen musste. Doch alles in allem waren die Stimmungen des Hyūga kontrollierbar gewesen. Er hatte immer wieder zwischen hysterischem Lachen und nachdenklichem Schweigen gewechselt; eine bipolare Kombination, die Shikamarus Schläfen pochen ließ. Letztendlich hatte er den langhaarigen Ninja in das Badezimmer geschoben und ihm aufgetragen zu duschen, um etwas auszunüchtern. 

 

Schon das allein war einer Mission gleichgekommen. Doch glücklicherweise hatte Neji genug Koordinationsvermögen und räumliches Bewusstsein zusammengekratzt, um eigenständig die Dusche anzumachen und – zumindest hoffte Shikamaru das – sich auch darunter zu stellen. 

 

Doch bevor er es soweit geschafft hatte, hatte der Hyūga gute zwanzig Minuten damit verbracht, auf dem Boden zu hocken und zu lachen – das Gesicht in der Beuge eines Armes vergraben, den er über den Badewannenrand gelegt hatte. Seine andere Hand war hart auf seine Rippen gepresst.

 

Shikamaru hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, was verdammt nochmal so witzig gewesen war.

 

Für einen kurzen amüsanten Moment hatte er in Erwägung gezogen, ein Foto davon zu machen; nur um dieses seltene Ereignis festzuhalten. Er hatte diese Szene miterleben dürfen, von der er sicher war, dass niemand sonst so etwas jemals zuvor gesehen hatte. Und diese Tatsache löste ein schwer verständliches, warmes Gefühl in seiner Magengegend aus. Energisch redete er sich ein, dass es sich dabei nur um den Alkohol handelte.

 

Wie lästig…

 

Shikamaru rieb sich schläfrig die Augen und drehte seinen Kopf, als das Rauschen des Wassers erstarb. Sofort lief er hinüber zu dem Futon, griff nach dem Yukata und schritt dann zur Badezimmertür. Für einen Moment blieb er einfach dort stehen und wartete mit einer Geduld davor, von der er gar nicht gewusst hatte, dass er sie überhaupt besaß. Er hatte die Arme verschränkt und seinen Kopf zurück gegen die Tür gelehnt, um mitzubekommen, sollte es dort drinnen zu irgendeinem Desaster kommen. 

 

Nachdem sich der Nara anhand der Geräusche versichert hatte, dass Neji offenbar nicht aus der Badewanne gestolpert und hingefallen war, klopfte er sachte mit den Fingerknöcheln gegen die Schiebetür. „Hey, ich werde dir jetzt ein paar Klamotten durch die Tür schieben, ok?“

 

Ein kaum vernehmbares Murren war seine Antwort.

 

Shikamaru rollte mit den Augen und krümmte seine Finger in die Mulde der Shogi Tür, um sie aufzuschieben. Kaum stand sie weit genug offen, schob er seinen anderen Arm um den Raumtrenner herum und ließ den Yukata von seinem Ellbogen bis zur Hand rutschen. „Hier.“

 

Er hörte Neji durch das Bad stolpern und fühlte, wie ihm das Kleidungsstück aus der Hand gerissen wurde. Hastig zog er seinen Arm zurück, als die Tür formlos und mit einem lauten Knall zugeschlagen wurde.

 

„Bitte.“, rief er noch über seine Schulter, während er zu dem niedrigen Tisch hinüber schlenderte und in die Hocke ging, um diesem undankbaren Bastard einen Tee einzuschenken. 

 

Ich hätte das nie zu meinem Problem machen dürfen…

 

Doch noch bevor er diesen Gedankengang beenden konnte, hörte er, wie die Badezimmertür aufgeschoben wurde und hob den Blick. Neji stand im Rahmen, seine Schulter spannte sich an, als er sein beeindruckend langes Haar ungeschickt in einem Handtuch ausdrückte. Er hatte es aber geschafft, den Yukata zumindest annähernd vernünftig zuzubinden, abgesehen von einem Spalt an seiner linken Seite, der die scharfe Kante seines Schlüsselbeins freilegte. Das Gewand passte zu ihm, wie vermutlich zu jedem Hyūga; nur wirkte das Ganze durch Nejis gegenwärtigen Mangel an Anmut etwas amüsant. 

 

Der Jōnin schwankte leicht und war sich Shikamarus prüfenden Blickes nicht bewusst, als er versuchte, das Handtuch zu einem ordentlichen Rechteck zu falten; am Ende sah es eher wie eine Raute aus. 

 

„Irgendwas stimmt mit deinem Handtuch nicht…“ Er starrte besagten Stoff finster an, ganz so, als hätte er sich gegen ihn verschworen. 

 

„Ich hätte mir denken können, dass du immer noch total verpeilt bist.“ Shikamaru grinste und schüttelte den Kopf. 

 

„Hmmn?“ Neji blinzelte ein paar Mal, um seine Augen an das dämmrige Licht zu gewöhnen, bevor sie sich auf Shikamaru richteten. Die feinen Züge des Hyūga waren noch immer gerötet, seine viel zu hellen Augen leicht glasig und eindeutig müde. 

 

Shikamarus Aufmerksamkeit richtete sich auf das Stoffband, das Neji über seiner Stirn trug, um sein Fluchmal zu verbergen. „Hast du es denn geschafft, wirklich unter die Dusche zu gehen? Oder muss ich knöchelhoch durch Wasser waten, wenn ich jetzt da rein gehen würde?“

 

„Nein…“ Neji legte den Kopf schief und machte sich – in seiner Auffassung vermutlich geradlinig – auf den Weg zu dem Nara hinüber. „Du hast Tee gemacht.“

 

„Jo, ist fast schon beängstigend, wie häuslich ich werden kann, wenn ich es mir in den Kopf gesetzt habe.“ Shikamaru setzte sich auf eines der Zabuton Kissen, die neben dem niedrigen Tisch lagen. „Trink ihn oder du wirst noch dehydrieren – sollte dir auch gegen deine Kopfschmerzen helfen.“

 

Neji schaffte es, die kurze Distanz zu überbrücken, ohne einen Unfall zu verursachen und kniete sich auf ein Zabuton, bevor er das Handtuch neben sich auf den Boden legte. Er schielte auf seine Teetasse.  

 

„Ich habe keine Kopfschmerzen.“

 

„Morgen wirst du welche haben, vertrau mir. Wie fühlst du dich?“

 

Neji starrte für einen weiteren Moment auf den dampfenden Becher, bevor er eine Hand ausstreckte. Seine Finger strichen zweimal über das Porzellan, bevor er letztendlich danach griff. „Müde.“

 

„Gut.“ Shikamaru nippte an seinem Tee. „Dann sieh zu, dass du dir das Zeug einverleibst und dann deinen Hintern ins Bett schwingst!“

 

Der Hyūga nahm zögerlich einen Schluck und drehte leicht den Kopf, um über die Schulter hinweg auf den großen Futon zu blicken. „Wo bin ich?“

 

„Bei mir zuhause.“

 

„Das…ist niemals dein Schlafzimmer.“

 

Der Nara schnaubte und setzte seine Tasse ab. „Hey, nach allem, was du weißt, könnte es das schon sein.“

 

„Ist es nicht.“

 

Shikamaru giggelte. „Es ist das Gästezimmer. Es wird selten benutzt, aber meine Mum ist stolz darauf. Wunderliche Frau. Aber ihr Hyūgas seid nicht die Einzigen mit einem Sinn für Tradition, weißt du.“

 

Er beobachtete, wie Nejis Blick durch den Raum schweifte und die eleganten Zeichnungen von Hirschen betrachtete, die sich wie eine Geschichte über Fusuma-Paneele erstreckten. Und Shikamaru musste feststellen, dass seine eigenen Augen in ganz ähnlicher Weise über den Jōnin wanderten. Sie glitten von den Enden seines langen dunklen Haares hinauf zu den Sehnen an seinem blassen Hals, über die Schultern und wieder den Saum des Yukatas hinunter bis zu…der dunklen Hautverfärbung, die gerade so unterhalb von Nejis freigelegtem Schlüsselbein zu sehen war. 

 

Was zum…?

 

Shikamaru runzelte die Stirn, sein Kopf neigte sich zur Seite.

 

„Ich muss nach Hause.“, murmelte Neji und unterbrach damit urplötzlich sein Starren.  

 

„Ja, solltest du wohl.“, antwortete Shikamaru sofort und versuchte so, seine Verwirrung zu überspielen. „Aber ich habe echt keine Lust darauf, dass du mich morgen zur Schnecke machst, weil dein Onkel mitbekommen hat, dass du heute Nacht keine gerade Linie mehr laufen konntest.“

 

Nejis Miene wurde düster, seine Augen verengten sich; er könnte nicht weiter von der entspannten und lachenden Person entfernt sein, die er noch eine halbe Stunde zuvor gewesen war. Jetzt sah er einfach nur noch bestürzt aus; als hätte er einen Teil seiner verlorenen Kontrolle wieder erlangt, was ihn zwar nicht völlig klar, aber auch nicht komplett betrunken zurückließ. Er sah aus, als säße er zwischen zwei Stühlen und müsste sich entscheiden, was er sein oder fühlen sollte. 

 

Ich will ganz sicher nicht hier sein, wenn er sich dafür entscheidet angepisst zu sein.

 

Es war höchste Zeit zu verschwinden. 

 

„Na schön.“ Shikamaru schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ganz so als würde er eine Unterhaltung beenden, die sie überhaupt nicht geführt hatten. „Ich werde jetzt auch noch unter die Dusche gehen und dann ist Schluss für heute. Mein Zimmer ist direkt den Gang runter, solltest du irgendetwas brauchen. Wobei ich höchstwahrscheinlich nicht aufwachen werde, außer es ist wirklich dringend…also solltest du an deiner Zunge ersticken oder sowas in der Art – versuch das bitte möglichst zu unterlassen.“

 

Neji starrte ausdruckslos vor sich hin, nickte aber. Shikamaru kam auf die Beine und prüfte mit einem raschen Blick, ob die Shoji Türen, die in den Garten führten, verschlossen waren. Er winkte lustlos, bevor er leise zur Tür schritt. 

 

„Nacht.“, murmelte er noch über die Schulter und zwang sich dazu, nicht zurückzusehen. 

 
 

xXx
 

 
 

Ein würgendes Geräusch weckte ihn. 

 

Shikamarus müde Augen glitten einen Spalt breit auf und seine Stirn legte sich irritiert in Falten, da er aus dem Schlaf gezogen wurde. Er blinzelte, um seine Sicht zu klären und sein Blick glitt zu dem verschwommenen Blinken seines Weckers. 

 

Vier Uhr morgens. 

 

Ugh…“ Er streckte eine Hand aus, griff nach der beleidigenden Uhr und knallte sie mit dem Ziffernblatt nach unten auf den Nachttisch, bevor er sich stöhnend aufsetzte. 

 

Mit viel zu viel Anstrengung schaffte er es, nicht aus dem Bett zu kriechen oder zu fallen, sondern sich auf seinen Beinen aufzurichten. Er schlurfte durch sein Zimmer und rieb sich die Augen. Es war einfach viel zu früh für Bewegungen welcher Art auch immer und soweit es ihn betraf, gab es so eine Stunde wie ‚Vier Uhr morgens‘ gar nicht. Sie existierte auf seiner Uhr einfach nicht. 

 

Das ist hoffentlich wirklich wichtig…oder wirklich schlimm…

 

Er tapste schläfrig den kurzen Flur entlang zum Gästezimmer. Er schob die Shoji Tür zurück und blinzelte rasch, während er seinen Blick durch den dämmrigen Raum schweifen ließ. Das wenige Licht fiel durch die Fenster herein oder durch den Schlitz in der Badezimmertür. 

 

„Neji", rief er, seine Stimme noch immer schläfrig heiser. "Ich schwör dir Hyūga...du erstickst gerade besser nicht an deiner Zunge..."
 

Shikamaru lenkte seine Schritte in Richtung des erstickten Keuchens des anderen Ninjas. Er schob die Tür gerade weit genug auf, um sich mit der Schulter gegen den Rahmen lehnen zu können – nur um mitten in der Bewegung innezuhalten. Seine Augen weiteten sich.
 

Neji stand über das Waschbecken gebeugt und umklammerte das Emaille so hart, dass seine Knöchel weiß hervortraten. 
 

Rotes Blut hob sich in krassem Kontrast von dem leuchtenden Weiß des Beckens ab.
 

„Verschwinde…“, krächzte Neji, sein langes Haar schirmte sein Gesicht wie ein Vorhang ab.
 

Eine Eiseskälte breitete sich in Shikamarus Innerem aus.

 

Er riss die Tür komplett auf und schritt vorwärts, erstarrte aber abrupt, als der der Jōnin herumwirbelte. Nejis Unterarm traf ihn hart an der Brust und versuchte ihn weg zu stoßen, doch Shikamaru taumelte nur einen einzigen Schritt zurück. 

 

„Geh weg von mir!“ Nejis feindseliges Knurren wurde von einem rasselnden Husten unterbrochen. 

 

Für einen flüchtigen Moment glaubte Shikamaru, er würde träumen. Doch die Realität stürzte wieder über ihn herein, als Nejis Handballen ungeschickt gegen seine Schulter schlug. Dennoch hatte der Hieb genug Kraft, um ihn einen weiteren Schritt zurückzucken zu lassen. 

 

„Verschwinde, Shikamaru!“, keuchte der Hyūga abgehackt, seine Augen waren vor Schmerz zusammen gekniffen. 

 

„Hör auf!“, grollte der Nara und wischte den nächsten Hieb mühelos beiseite. 

 

Seine vorherige Schläfrigkeit wurde durch die Situation vollkommen weggefegt, sein scharfer Verstand fiel automatisch in seinen analytischen Modus. Nejis linke Hand krallte sich noch immer in den Rand des Waschbeckens, seine rechte hielt er sich vor den Mund, während er hustete. Der graue Yukata hatte sich leicht geöffnet und legte einen Teil des sehnig gebauten Körpers des Hyūgas frei. 

 

Sofort fiel Shikamarus Blick auf die dunkelvioletten Flecken, die sich auf Nejis Brust verteilten. 

 

Scheiße.

 

Es war unmöglich, diese Male zu missinterpretieren. Er hatte solche schon einmal gesehen. Es waren die tiefgreifenden, tödlichen Male, die von der Sanften Faust verursacht wurden – die auf Vitalpunkte in der Brust gezielt hatte. 

 

Krankenhaus. Jetzt!

 

Shikamaru schritt nach vorne und traf wie erwartet auf Gegenwehr. Neji versuchte ihn weg zu schieben, doch die Reflexe des Jōnins waren schwerfällig und es war ein leichtes für den Nara, die Attacke zu vereiteln; er packte Nejis Arm und drückte ihn nach oben. 

 

„Krankenhaus.“

 

Nein!“

 

„Das war kein Vorschlag!“

 

„Keine…Option.“

 

„Zwing mich nicht, mein Jutsu einzusetzen…“

 

Neji schüttelte heftig den Kopf, dichte dunkle Strähnen schwangen wild hin und her, als er hart die Zähne zusammenbiss. „Ich werde sicher nicht zulassen, dass man mich so sieht …Ich schwöre, ich bring dich um…solltest du es versuchen…“

 

„Dann erklär mir verdammt nochmal, was hier los ist!“, knurrte Shikamaru. Besorgnis brachte eine unbändige Frustration dazu, an seinem dünnen Geduldsfaden zu zerren. „Was zur Hölle ist passiert?“

 

Fuck. Ich muss aufhören zu schreien. Beruhige dich.

 

Er ignorierte Nejis willensstarken aber unfokussierten Blick und setzte erneut an, ruhiger diesmal. „Neji…“

 

Der Hyūga schluckte schwer und blinzelte heftig mit seinen weit aufgerissenen Augen. „Ich kann nicht…klar denken…“

 

„Verdammt.“ Shikamaru trat näher an Neji, drehte sie beide herum und brachte Neji dazu, sich auf den Rand der Badewanne niederzulassen. „Das ist, weil du immer noch betrunken bist, Idiot.“

 

Der Schattenninja glitt unbewusst in eine Art Autopilot; irgendwie wusste sein Körper, was zu tun war, ohne dass er überhaupt darüber nachdenken musste. Vorsichtig strich er Nejis Haare aus seinem gefährlich blassem Gesicht und wich dem Stoß aus, der wahrscheinlich ohnehin daneben gegangen wäre.

 

„Hör auf! Das sind Verletzungen von der Sanften Faust.“ Shikamaru ging in die Hocke und deutete auf Nejis Brust. „Verschwende nicht meine Zeit damit, mir zu erzählen, es wäre etwas anderes! Was ist passiert? Hat dein Onkel das getan?“

 

Er erhielt keine Antwort. Nejis Lider erschlafften und sein Körper fiel leicht in sich zusammen, sein Atem wandelte sich zu einem dumpfen Rasseln. Shikamaru fing ihn an den Schultern ab, bevor er nach hinten fallen konnte. 

 

„Wage es ja nicht, jetzt bewusstlos zu werden! Hey!“ Er schüttelte ihn heftig. „Neji!“

 

Was…?“, grollte der Hyūga schwerfällig und versuchte, seinen Kopf aufrecht zu halten. 

 

„Hat dein Onkel das getan?“

 

Nein.“, schnappte Neji, seine Züge zuckten gleichermaßen verärgert und verwirrt. „Er würde nie…ich würde niemals…irgendjemandem erlauben…“ Der Rest des Satzes erstarb in einem Stöhnen. 

 

„Verdammt, Neji…“ Shikamaru tastete nach einem Handtuch, während er den Hyūga weiterhin mit einer Hand festhielt. 

 

„Spar es dir, Nara…“, krächzte Neji, griff nach dem Handtuch, das Shikamaru ihm unter die Nase hielt und tupfte sich den Mund ab. „Wo…bin ich?“

 

Der Nara seufzte und kurz befielen ihn Schuldgefühle, weil er den verdammten Sake bestellt hatte. 

 

Das ist hier nicht das Problem. Konzentrier dich!

 

„Ich muss dich ins Krankenhaus bringen.“

 

Nein…“ Nejis Finger gruben sich in den Stoff und er zog ihn von seinen Lippen fort. „Es geht mir gut…es hat aufgehört…ich brauche nur…eine Minute.“

 

„Ok, ich habe überhaupt keine Ahnung, womit ich es hier gerade zu tun habe!“

 

„Nichts…es hat aufgehört…“ Neji ließ das Handtuch fallen, atmete pfeifend ein und packte den Saum des Yukata, um ihn wieder an seinen Platz zu ziehen. „Es geht mir gut…“

 

Shikamaru seufzte erneut, seine Augen glitten zu den verfärbten Flecken, bevor Neji sie verdecken konnte. „Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass man es nicht einfach aussitzen kann, wenn man Blut hustet, Hyūga…“

 

„Ich weiß…was ich tue…“

 

Shikamaru zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Du hast dir das angetan?“

 

Neji versteifte sich angesichts des Tonfalls und seine Augen wurden trotz ihres fehlenden Fokus für einen Moment klar und kalt, seine Stimme tief. „Ich weiß, was ich tue!“

 

Der Nara legte die Stirn in Falten, der Griff um den Arm des Jōnin verstärkte sich. „Steh auf! Ich bring dich ins Krankenhaus.“

 

Neji schüttelte stur den Kopf. „Nein!“

 

„Du hustest Blut!“

 

„Es hat aufgehört…ich habe es gestoppt…lass es gut sein…“

 

„Ugh. Du nerviger sturer Bastard…“ Shikamaru hob Nejis Arm und schlang ihn sich um die Schulter. Mit seinem anderen Arm griff er um dessen Taille, um ihn besser stützen zu können. „Lehn dich an mich und atme durch die Nase…tief atmen!“

 

„Bevormunde…mich nicht…“, knurrte der Hyūga. 

 

„Halts Maul, Neji!“, schnappte Shikamaru gleichermaßen verwirrt und besorgt. „Ich bin wirklich verdammt nah dran, mehr als nur ein bisschen angepisst zu sein. Bewegung!“

 

Vorsichtig zog er den Hyūga auf die Beine und manövrierte sie beide durch die Tür zurück ins Gästezimmer. Als sie den Futon erreichten, beugte er sich leicht nach vorne und ließ den langhaarigen Ninja zaghaft auf die Matratze gleiten. Neji hatte nicht einmal mehr die Energie, um sich zu beschweren und um ihn herauszufordern fehlte ihm die Koordination. Doch er packte Shikamarus Handgelenk, als der nach dem Yukata griff. 

 

Das Gesicht des Naras verfinsterte sich und er kniete sich kopfschüttelnd neben den Futon. „Ich muss sehen, wie schlimm es ist. Hör endlich auf, das Ganze so schwer zu machen.“

 

Neji blinzelte langsam, seine Lider hingen auf Halbmast, während er den Nara für einen Moment schweigend betrachtete. „Es hat aufgehört…“

 

Shikamarus Miene wurde noch düsterer; doch zu seiner Erleichterung war Nejis Atmung weder in ein panisches Hyperventilieren, noch in ein flaches Keuchen übergegangen. Sie blieb bei einem leisen Rasseln, das stetig ruhiger wurde.

 

„Warum?“ Shikamarus Augen glitten von Nejis Brust zu den weißen Iriden, die ihn musterten. „Warum verfickt nochmal hast du dir das angetan?“

 

Der Ausdruck heftigen Abscheus in Nejis Blick bestätigte seine Vermutung, dass es nicht die Intention des Hyūga gewesen war, sich selbst zu verletzen.

 

Also WAS zur Hölle wollte er damit erreichen?

 

Neji schluckte und seine Stimme klang brüchig. „Ich habe die Koordination…falsch eingeschätzt…das ist alles…“

 

Shikamaru seufzte und befreite sein Handgelenk. „Du bist so ein verdammter Idiot, Neji!“

 

Der Hyūga runzelte schwach die Stirn, offensichtlich war er viel zu müde, um zu kontern. 

 

Der Schattenninja ließ sich zurück auf die Fersen sinken und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. Er konnte die fundierte Vermutung anstellen, dass was auch immer Neji versucht hatte irgendetwas damit zu tun hatte, etwas in seinem Chakranetzwerk zu unterbrechen oder zu verändern. Doch natürlich hatte ihm die Trunkenheit seine makellose und angeborene Präzision geraubt. 

 

Jetzt im Moment sorgte sich Shikamaru jedoch nicht so sehr um das, was Neji hatte treffen wollen, sondern um das, was er letztendlich getroffen hatte.

 

Ausgehend von den Malen und dem Blut hat er Chakrapunkte getroffen, die entweder mit der Lunge oder dem Herz zusammenhängen. 

 

Shikamarus Verstand war bereits eifrig dabei, die Teile zusammenzusetzen, als er seine Hand von seinem Gesicht nahm. Bevor Neji ihn aufhalten konnte, griff er nach dem Kragen des Yukata und schob den Stoff von der blassen und mit Hämatomen übersäten Brust. 

 

Die Lider des Hyūga flatterten etwas weiter auf, die Muskeln in seinem Hals strafften sich und seine Stirn legte sich in Falten. 

 

„Bleib einfach ruhig.“, murmelte Shikamaru abgelenkt; seine Augen studierten aufmerksam Nejis Brust und folgten dem Muster der Male. „Verdammt.“

 

Die Wege des Chakrasystems waren viel zu verworren, um sie ohne den Besitz des Byakugans verstehen zu können. Die 361 Chakrapunkte bildeten ein kompliziertes Netzwerk, das einzig und allein die Hyūga verstanden und zu manipulieren oder lahmzulegen wussten. 

 

Was ich wirklich brauche, ist noch ein verfluchter Hyūga.

 

Shikamaru strich mit den Fingerspitzen das Muster der Hautverfärbungen nach. Doch sein Fokus lag auf den Organen, die darunter lagen, denn dabei handelte es sich um etwas, das er verstehen konnte.

 

Herz oder Lunge, das muss es sein.

 

Er schob Nejis Hand beiseite, die versuchte, seine Berührung wegzuwischen und lehnte sich nach vorn, um ein Ohr über die Brust des Jōnins zu halten. Aufmerksam lauschte er nach Unregelmäßigkeiten in der Atmung oder des Herzschlags. Das stete Pochen von Leben beruhigte ihn ein wenig, doch da war eine deutliche Spannung in Nejis Atemzügen. 

 

Okay. Also sind es die Lungen. Wenn er auf diesen Bereich gezielt hat, bedeutet das, dass er schon wieder eine Panikattacke hatte? Scheiße, ist das überhaupt der richtige Begriff für so etwas…?

 

„Ich habe es gestoppt…“, murmelte Neji schläfrig. 

 

„Herzlichen Glückwunsch.“, erwiderte Shikamaru gedehnt, sein Atem geisterte über Nejis Brust. 

 

Er richtete seinen Oberkörper wieder auf und bemerkte, dass die Augen des Hyūga geschlossen waren. Seine Züge wirkten weniger angespannt, als er langsam in den Schlaf hinüber zu gleiten schien. 

 

Ruhig begann Shikamaru die Situation neu einzuschätzen. 

 

Neji jetzt zurück in die Hyūga Siedlung zu bringen, würde die Sache nur noch komplizierter machen. Ihn hier zu behalten machte das Problem nicht wirklich weniger lästig oder sicherer, aber wenigstens könnte es etwas von Nejis Würde retten, die dem Hyūga ganz offensichtlich mehr bedeutete als seine Gesundheit.

 

Und so dämlich es klingen mochte, Shikamaru schuldete ihm diese verfluchte Würde.

 

Darüber hinaus würde das Einbeziehen weiterer Personen – insbesondere von Nejis Familie – den Jōnin nicht nur verärgern, sondern auch jeglichen Fortschritt zerstören, den Shikamaru mit ihm gemacht hatte. Und was noch wichtiger war, es würde jede Chance ruinieren, sich weiteren lästigen Involvierungen mit dem Hyūga zu entziehen. Was er eigentlich von Anfang an hätte tun sollen. 

 

Wann bin ich nur so dumm geworden?

 

Shikamaru rieb sich erneut mit einer Hand über das Gesicht. Er wollte nicht die geringste Rolle dabei spielen, den wie auch immer gearteten Knoten zu lösen, in den Neji sich selbst verknüpft hatte. Er hätte wahrscheinlich mehr Glück darin, sich selbst einen Strick zu knüpfen, an dem er sich aufhängen konnte.

 

Das erklärt aber immer noch nicht, warum es mich dann überhaupt gekümmert hat…und nicht nur einmal…Mann, es ist viel zu früh, um über sowas nachzudenken…

 

Energisch schob er seine Gedanken beiseite und drehte sich, um direkt neben Neji zu sitzen. Er lehnte den Rücken gegen die Wand und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen; er würde nicht gehen, sondern bleiben und über den schlafenden Hyūga wachen. Nicht zum ersten Mal kam dachte er daran, wie sehr ihn Neji für das alles hassen würde. 

 

Das passiert, wenn man sich nicht einfach nur um seinen eigenen Kram kümmert…

 

Shikamaru rieb sich den Nacken und seufzte gedehnt, während er gegen seine eigene Müdigkeit ankämpfte und Nejis Atemzügen lauschte. Er überwachte aufmerksam den schwachen unregelmäßigen Rhythmus und versuchte seine Gedanken davon abzuhalten, schon wieder in eine rote Zone abzudriften. 

 

Zum Beispiel darüber, was hätte passieren können, wenn Neji mehr Schaden angerichtet hätte…

 

Oder was Nejis Reaktion auf seine letzte Mission über seine Denkweise aussagte…

 

Oder was es bedeutete, dass er so vehement seinem Onkel auswich…

 

Nicht zu erwähnen all die anderen ‚Warums?‘ oder ‚Was‘?‘, die sich gleich dahinter einreihten. 

 

Shikamarus Blick senkte sich, als die Bewegung von Nejis Brust stoppte. Der Hyūga versteifte sich, seine Finger krallten sich in die Laken. Ohne überhaupt darüber nachzudenken, streckte Shikamaru eine Hand aus, um sie auf den Kopf des Jōnin zu legen und sanft über das dunkle Haar zu streichen und zaghaft zu massieren. 

 

„Entspann dich!“, wisperte er. 

 

Im beinahe selben Augenblick lösten sich Nejis Finger aus dem Stoff und die Spannung fiel von ihm ab. Shikamaru summte leise und drückte noch einmal sanft mit der Hand gegen Nejis Schopf, um ihn seine Anwesenheit spüren zu lassen. Und dann glitten seine Finger aus irgendeinem unerklärlichen Grund weiter nach unten und fuhren über das verdeckte Fluchsiegel auf Nejis Stirn. 

 

Nach einem kurzen Moment zog er seinen Arm zurück, als würde er gerade erst realisieren, was er da eigentlich tat. 

 

Shikamaru wusste, dass dies eine weitere Sache sein würde, über die er nicht nachdenken würde. Genauso wie er wusste, dass dieser gesamte Vorfall ein weiteres Thema sein würde, über das er und Neji nicht miteinander sprechen würden. Es war besser so. Vorausgesetzt er schlief nicht ein und würde von Nejis Fingern um seine Kehle geweckt werden. 

 

Doch das wurde er nicht.

 

Es war das sanfte Spiel von Sonnenlicht auf seinen Lidern, das ihn Stunden später weckte.

 

Neji war bereits fort. 

 

Der graue Yukata lag ordentlich gefaltet auf dem Platz, an dem der Hyūga geschlafen hatte. Das Tablett mit dem Tee und den Tassen war gesäubert und zur Seite gestellt. Shikamaru hegte keinen Zweifel daran, dass das Badezimmer makellos aussah. Alle Spuren von Nejis Anwesenheit waren verschwunden. 

 

Shikamaru schloss die Augen und lehnte seinen Kopf zurück gegen die Wand. 

 

Von draußen drang das Gezwitscher von Vogelgesängen herein. 

 

Er konnte nicht anders, als daran zu denken, dass Vögel wirklich nicht Käfige gehörten…

 

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So, es geht weiter mit dem 6. Kapiteln und es wird wieder etwas ernster als im letzten ;) Ich hoffe doch sehr, dass es euch gefallen hat?! :) 

Vielen Dank an SasukeUzumaki und Scorbion1984 für eure Kommentare, das motiviert mich so sehr! :) 

Dying is not an outcome

Der Herbst schlich sich früher als erwartet nach Konoha. Die roten Farbtöne, die sich normalerweise immer erst einen Monat später zeigten, begannen bereits, das Dorf versteckt hinter den Blättern in ein Bild zu verwandeln, das mehr zu einem anderen Titel passte. Das Land des Feuers. Der vorzeitige Jahreszeitenwechsel brachte auch einen steten Strom neuer Missionen mit sich; und manche davon erstreckten sich deutlich weiter, als die Hokage die Shinobi von Konoha eigentlich aussenden wollte.

 

Die Bedrohung durch Akatsuki im Zusammenspiel mit der immer noch hoch priorisierten Abtrünnigkeit von Sasuke verursachten noch immer Brüche in dem Frieden, den sie zu sichern versuchten. Es war nun schon drei Jahre her, doch Naruto wollte einfach nicht loslassen. Und Tsunade brachte es nicht übers Herz, ihn dazu zu zwingen, ein Versprechen zu brechen, das Shikamaru selbst als unrealistisch und grausam erachtete. 

 

Sasuke würde nicht zurückkehren. 

 

Das war die gegenwärtige Realität. Und die würde sich in naher Zukunft auch nicht ändern, da war er sich sicher. 

 

Doch offensichtlich scherte sich Naruto einen Dreck um Realitäten – und Shikamaru musste feststellen, dass er den hyperaktiven Idioten dafür verantwortlich machte, einen Sinn für hingebungsvolle Kameraderie in ihm ausgelöst zu haben, die eigentlich Chōji und Ino vorbehalten gewesen war. Sicher, er würde sein Leben auch für jeden anderen seiner Shinobi Kollegen riskieren. Nicht jedoch seine Vernunft und geistige Gesundheit.

 

Aber natürlich hatte es der Hyūga Bastard geschafft, diese Realität zu zerstören. 

 

Zwei Monate und ich denke immer noch darüber nach…Mann, was für ein unnötiger Aufwand…

 

Shikamaru seufzte und blätterte kopfschüttelnd durch die Missionsberichte. Er überflog das Gekritzel eines Ninja, der unbedingt noch einmal Buchstabieren lernen musste. Es enthielt Informationen zu einer Spionagemission, bei der die Verteidigungstaktiken benachbarter Dörfer ausgekundschaftet worden waren. Shikamarus Aufgabe war es nun, Schwachstellen in diesen Taktiken zu identifizieren und dieses Wissen anschließend zu nutzen, um etwaige Mängel in Konohas eigener Sicherheit zu finden. Es war eine notwendige und auch wichtige Aufgabe. Nach der letzten Infiltrationsattacke auf das Dorf hatte man die Verteidigung des Dorfes in die Hände des Nara gelegt. Und seitdem hielt die Hokage es für angemessen, ihn in absolut jedes militärisches Revisionstreffen mit einzubeziehen. 

 

So nervig…

 

Shikamaru gähnte laut genug, um die Aufmerksamkeit seines Senseis auf sich zu ziehen. 

 

„Zehn Minuten.“ Asuma grinste ohne aufzusehen und blätterte durch eine Zeitung; seine eigenen Berichte mied er gekonnt. „Fünfzehn, wenn du mir Zigaretten mitbringst.“

 

„Abgemacht.“ Der Chūnin gähnte erneut, ließ seine Missionsreporte liegen und schlüpfte aus dem Besprechungszimmer. 

 

Er schlurfte den Korridor der Hokage Residenz entlang, hinaus auf die Straße und lenkte seine Schritte in Richtung Dorfmitte. Chōji und Ino waren vor ein paar Stunden gemeinsam mit Lee, der das Trio an Shikamarus Stelle vervollständigte, zu einer Mission aufgebrochen. Lee hatte irgendetwas darüber erwähnt, dass Tenten Babysitter für eine Gruppe Genin spielen musste und Neji wohl mit irgendeiner anderen Aufgabe betraut worden war. 

 

Shikamaru hatte nicht weiter nachgefragt und Lee war nicht weiter darauf eingegangen.

 

Jede Neuigkeit über den Hyūga hatte er von anderen Leuten erfahren; auf diese Weise konnte er einen sicheren und vernünftigen Abstand wahren. Seine Freunde lieferten ihm immer wieder häppchenweise Informationen, die Shikamaru zusammenpuzzelte, um einen ungefähren Eindruck davon zu erhalten, was gerade bei Neji los war. 

 

Von Ino hatte er erfahren, dass der Hyūga ihr dabei geholfen hatte, ihre Meditationstechnik weiter zu entwickeln und dass Sakura irgendwie davon Wind bekommen hatte. Scheinbar wollte die Rosahaarige Neji nun dazu nötigen, ihr ebenfalls zu helfen. Tenten hatte einen ganzen Haufen von Missionen erwähnt, die der Hyūga abgeschlossen hatte und die auch einen S-Klasse Auftrag mit Gai beinhalteten. Neji nahm jede verfügbare Mission an, bewarb sich immer sofort für jeden Auftrag oder bat darum, die Führung übernehmen zu dürfen. Von der letzten war er scheinbar sicher und gelassen zurückgekehrt.

 

Tenten meinte, es sei seine übliche Art. 

 

Scheinbar trainierte er auch immer noch mit Lee, wenn der ihm lange genug auf die Nerven ging. Und genauso wie sonst, schaffte er es immer noch ohne den geringsten Aufwand, alle Genin und Akademieschüler einzuschüchtern, die mit ihm in Kontakt kamen. Doch alle diese Informationen interessierten Shikamaru nicht annähernd so sehr wie die, die er von Hinata erhalten hatte.

 

Wäre besser gewesen, wenn ich gar nicht erst gefragt hätte…

 

Shikamaru runzelte die Stirn, und schritt eine Gasse entlang, die von kleinen Läden gesäumt war. Er wählte den nächstgelegenen Einzelhändler aus und suchte nach Asumas Zigarettenmarke. Sein Verstand verweilte allerdings bei dem Mittagessen, zu dem er sich vor einer Woche mit Kiba, Naruto und Hinata getroffen hatte. 

 

Während Kiba und Naruto sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf geworfen hatten, hatte sich Shikamaru deutlich mehr Mühe als sonst gegeben, Hinata in ein Gespräch zu verwickeln. Und dann, an irgendeinem Punkt, den er wahrscheinlich geplant hatte ohne es zugeben zu wollen, hatte sich die Unterhaltung Neji zugewandt. 

 

„Ja! Wo zur Hölle ist er?“, hatte sich Kiba direkt eingemischt. „Ich hab‘ ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.“

 

„Schnappt einem die ganzen Missionen unter der Nase weg! Der verfluchte Jōnin staubt die ganzen guten Sachen ab.“, hatte Naruto durch einen Mund voll Ramen gegrummelt. 

 

Doch Hinata war sofort still geworden, was keinem der anderen beiden Männer aufgefallen war. Wenn man bedachte, dass sie sowieso immer sehr schweigsam war, war es nicht verwunderlich, dass es leicht übersehen wurde. Doch Shikamaru war es aufgefallen. Als die äußerst reservierte Persönlichkeit, die sie nun einmal war, war es beinahe ebenso schwer gewesen, sie zum Reden zu bringen, wie Neji dazu, seine schützende Mauer ein wenig zu senken. 

 

Allerdings war Hinata auch sehr scharfsinnig. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass Naruto und Kiba ihnen keine Beachtung schenkten, hatte sie aus den Augenwinkeln zu Shikamaru hinüber gespäht und ihm ein schwaches Lächeln geschenkt. 

 

„Neji-kun bleibt in letzter Zeit oft für sich selbst.“

 

Shikamaru hatte daraufhin nur mit den Achseln gezuckt. „Macht er das nicht immer?“

 

„Schon, aber…er bleibt oft von zuhause fern…und Vater frägt sich, ob…“ Hinatas Blick war abgeschweift und ihre Stimme hatte so unglaublich besorgt geklungen, obwohl sie sich alle Mühe gegeben hatte, es vor ihm zu verbergen. „Ich glaube, diesmal ist es anders.“

 

Shikamaru hatte daraufhin so unauffällig und elegant wie möglich das Thema gewechselt. Doch die kryptischen Worte der jungen Hyūga hatten sich in seinem Hirn festgesetzt und Wurzeln geschlagen – sie hatten für die ganze vergangene Woche nicht aufgehört, an ihm zu nagen. Wie ihn Dauerschleife schienen sie in seinem Kopf abzulaufen und lenkten ihn ununterbrochen von seinen Aufgaben ab. 

 

Lästig…

 

Sogar jetzt, als er die Ryō für Asumas Zigaretten über die Theke schob, konnte er immer noch diesen Blick aus Hinatas Augen vor sich sehen. Es war nicht einfach nur Besorgnis um ihren Cousin, sondern ein fast schon erwartungsvoller Ausdruck gewesen; als erwartete sie, dass Shikamaru etwas darüber wusste. 

 

Oder etwas deswegen unternahm.

 

Das ist verfickt nochmal nicht mein Problem.

 

Shikamaru schob die Zigaretten in eine Tasche seiner Flakweste und setzte sich in Bewegung, um wieder zum Hokage Turm zurückzukehren. Während er dahin schlenderte, spähte er himmelwärts und versuchte, in den Wolken ein wenig Ruhe und Frieden zu finden. Seine Füße trugen ihn an dem Shogi Spielhaus vorbei, in dem er und Neji gespielt hatten. Unbewusst vergrößerte er seine Schritte, um schneller daran vorbei zu laufen und bog um eine Ecke, hinter der er mit Kiba zusammenstieß – und Akamaru.

 

Der Hund schaffte es gerade noch, sich zwischen die beiden zu zwängen und so den Aufprall etwas abzufangen, zwickte ihn dafür aber hart mit spitzen Zähnen in den Daumen. 

 

„Hey!“, maulte Shikamaru und schüttelte die Hand, um den kurzen stechenden Schmerz abzuschütteln. 

 

Kiba lachte und kraulte seinen Hund hinter den Ohren. „Guter Junge, Akamaru!“

 

„Wie nett.“ Der Nara rollte mit den Augen und richtete seine Aufmerksamkeit hinunter zu dem riesigen weißen Köter, der gerade an seiner Flakjacke schnüffelte. „Tja Pech gehabt…ich habe keine Leckerchen dabei.“

 

Das ist wirklich schade, denn wir haben eins für dich.“ Kiba grinste breit, seine tiergleichen Augen glitzerten vor einer Vorfreude, von der Shikamaru wusste, dass er sie nicht teilen würde. 

 

„Ich will es nicht wissen.“ Der Schattenninja wich einen Schritt von dem neugierigen Hund zurück, der ihn wie ein Hai umkreiste. 

 

„Hier kommst du nicht so schnell raus, du Drückberger.“, kicherte Kiba, doch seine Augen blieben auf Akamaru geheftet. „Die Pflicht ruft nämlich.“

 

Shikamaru blinzelte und prompt warf er dem Inuzuka eine Ausrede ins Gesicht. „Jo und ich stecke schon bis zum Hals in Arbeit. Frag die Hokage. Such dir jemand anderen dafür.“

 

„Die Hokage war diejenige, die mich geschickt hat, um dich zu suchen.“

 

Das kann nur eines bedeuten…Dreck…Mann, was für ein Drama…

 

Shikamaru seufzte und seine Schultern sackten nach unten. „Noch eine Mission…“

 

„Darauf kannst du wetten! Das Team ist schon zusammengestellt – und du hast die Führung.“

 

„Klasse.“, grummelte der Schattenninja und versuchte, aus dem Radar von Akamarus Nase zu entkommen, als der Hund schon wieder seine Flakweste anstupste. „Willst du mich dann mal ins Bild setzen?“

 

„Na klar. Aber zuerst…“ Kiba legte die Stirn in Falten, trat dann einen Schritt vorwärts und griff ohne Vorwarnung in die Tasche von Shikamarus Jacke, um das Päckchen Zigaretten daraus hervor zu zerren. „Ich wusste es!“

 

„Super.“, schnaubte der Nara, seine Stimme klang apathisch. „Mir ist klar, wo das hinführt…“

 

„Ha!“ Kiba schnippte mit den Fingern und deutete dann anklagend auf Shikamarus Gesicht, während der Hund weiterhin um sie herumlief und bellte. „Das Schwein hatte recht!“

 

„Dir ist klar, wie dämlich das klingt, wenn du es laut aussprichst, oder?“

 

„Du rauchst!“

 

Shikamarus Wimpern zitterten, als er ein Augenrollen unterdrückte. „Hat Ino dir aufgetragen, deinen Hund auf mich zu hetzen?“

 

Kiba lachte bellend, seine ungläubige Stimme wurde lauter. „Mann, du leugnest es ja nicht mal!“

 

„Warum sollte ich mir die Mühe machen?“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und schnappte die Packung aus Kibas Hand. „Du würdest mir wahrscheinlich sowieso nicht glauben, wenn ich dir sage, dass diese Zigaretten für Asuma sind; was auch wirklich der Fall ist. Also könnte ich entweder meine Zeit damit verschwenden, dich zu überzeugen, oder aber du kannst dich um deinen eigenen verfickten Kram kümmern und mich über die Mission informieren.“

 

Akamaru legte den Kopf schräg, blickte zu Kiba auf und jaulte leise. Shikamaru hatte nicht die geringste Ahnung, was der Hund gerade sagte, doch er vergab dem Köter den vorherigen Angriff auf seinen Daumen sofort, denn was auch immer dieses Jaulen bedeutet hatte, der Inuzuka ließ das Zigarettenthema fallen.

 

„Okay, was auch immer.“ Kiba zuckte mit den Achseln und setzte sich in Richtung Dorfausgang in Bewegung. „Du, ich und Hinata.“

 

Ah fuck, es musste ja Hinata sein…die Hyūga scheinen mich zu verfolgen…

 

„Achja? Und was ist mit Shino, hat der keine Zeit?“, murmelte Shikamaru und schob die Zigaretten zurück in seine Tasche, während er dem Inuzuka folgte. 

 

„Doch. Aber es werden nicht drei Spürhunde benötigt.“ Kiba hob eine Hand, um der Hyūga zuzuwinken, die am Ende der Straße auftauchte. „Ich, Hinata und Akamaru sind Ohren, Augen und Nase genug.“

 

Shikamaru beobachtete, wie Hinata zwei Ninja Taschen vor sich auf eine Bank legte. Er runzelte die Stirn und spähte zu Kiba hinüber. 

 

„Also worum geht es hier? Spionage?“

 

„Nö!“ Kiba grinste. „Wir sind die Verstärkung für ein Eliminierungsteam. Vermutlich S-Klasse.“

 

Was?“ Shikamaru stolperte beinahe über seine eigenen Füße. „S-Klasse? Sollte man da nicht eher Jōnin schicken? Scheiße, ich bin überrascht, dass Naruto da nicht mitmischt.“

 

Kiba ließ seinen Blick unruhig über die Umgebung schweifen, als würde er nach dem Uzumaki suchen. „Nah, die Hokage will, dass er hier bleibt.“

 

„Ah, geht es vielleicht um Sasuke?“, vermutete Shikamaru, auch wenn es nicht wirklich danach aussah.

 

„Nein, aber möglicherweise um Akatsuki.“

 

„Möglicherweise, huh?“ Der Nara zog eine finstere Miene. „Das hat man auch schon vor zwei Monaten über eine Mission gesagt und wie sich herausgestellt hat, war es nur ein Haufen von Nachahmern.“

 

„Ja, also selbst wenn es so sein sollte, die Hokage will kein Risiko eingehen.“ Kiba griff nach einer der Taschen, die Hinata ihm entgegenstreckte. „Wir brauchen dich, um die Teamfähigkeiten auszubalancieren, Nara. Also reiß dich zusammen.“

 

„Drei Chūnin für eine S-Klasse Mission – das erfüllt mich nicht gerade mit Zuversicht.“ Shikamaru nickte der Hyūga träge zu und nahm das Ninja Paket entgegen, das sie ihm reichte. „Danke.“

 

„Aww, sei nicht so streng zu dir selbst, Shikamaru. Gib dir ein bisschen Mühe und vielleicht wärst du dann sogar von dir selbst überrascht. Du weißt schon, dann bekommst du vielleicht endlich diese Beförderung!“ Kiba lachte und zwinkerte Hinata zu, als er sich zu den Toren umwandte. „Außerdem brauchen wir einen Strategen und jemanden, der den Gegner hinhalten kann. Mit deinem Jutsu bist du dafür perfekt geeignet.“

 

Shikamaru wünschte sich mehr als alles andere, dass er es nicht wäre.
 

Er fing das kleine Funkgerät auf, das Kiba ihm über die Schulter hinweg zuwarf. „Super…“

 

„Das wirst du brauchen.“

 

„Du hast meine Frage nicht beantwortet, Kiba.“ Angestrengt versuchte Shikamaru den seltsamen Blick zu ignorieren, mit dem Hinata ihn bedachte. „Sicher, falls es nötig ist, können wir auch auf geringere Entfernung kämpfen, aber wenn es um die hohen Ansprüche einer S-Rang Mission geht – wer zur Hölle soll dabei unser Nahkämpfer sein? Akamaru?“

 

Der Hund bellte angesichts des Sarkasmus in der Stimme des Nara. 

 

Der Inuzuka wuschelte seinem tierischen Begleiter durchs Fell und spähte über die Schulter hinweg zu dem Schattenninja. „Wie ich bereits sagte, Shikamaru, wir sind nur die Verstärkung. Es sind bereits Jōnin da draußen. Kurenai-sensai, Gai…“

 

„…und Neji-kun.“, beendete Hinata den Satz. Ihre lavendelfarbenen Augen zuckten kurz zur Seite, bevor sie sich wieder Shikamaru zuwandten. 

 

Der Nara hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, sein Gesicht blieb trotz der plötzlichen Spannung in seinen Eingeweiden täuschend ausdruckslos. Es half ihm auch nicht besonders, dass Hinata ihn auf diese seltsame Weise beobachtete. Warum zur Hölle sah sie ihn so an?

 

Lästige Frau…

 

Abrupt richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Er brauchte nicht mehr als ein paar Sekunden, um sich zu fokussieren und eine Strategie auszuarbeiten. 

 

„Na schön, wie auch immer. Kiba und Akamaru an die Spitze. Nehmt Fährte auf und zeigt uns den Weg; macht sie so schnell wie möglich ausfindig.“ Shikamaru linste zu der schüchternen Hyūga hinüber. „Hinata, wir brauchen deine Augen am Ende der Formation. Der übliche Byakugan Radius, verdammt, du weißt wie das läuft.“

 

Hinata nickte knapp. „Ja.“

 

„Schön, ihr beide werdet mich rund um die Uhr auf dem Laufenden halten. Über alles, auch wenn es unbedeutend wirken mag, es ist es nicht!“ Shikamaru schnallte sich seufzend seine Tasche um. „Wenn drei Jōnin Verstärkung anfordern, könnte das darauf hindeuten, dass sie getrennt wurden. Sollte das der Fall sein, will ich wissen, wo jeder von ihnen ist und zwar bevor sie mitbekommen, dass ihre Chūnin Kavallerie ankommt, verstanden?“

 

„Alles klar.“ Kiba grinste. Akamaru bellte zustimmend und sprang los. 

 

Shikamaru beobachtete, wie Kiba lossprintete, sich hart abstieß und seinem tierischen Kameraden himmelwärts in die Bäume folgte. Er starrte dem jaulenden Duo für einen Moment hinterher, bevor seine Augen langsam höher glitten…hinauf zu den vorbeiziehenden Wolken…wo sich ein Vogel gegen den milchigen Hintergrund abhob…frei von dem Käfig des Waldes und seinen Gittern aus Ästen.

 

„Shikamaru-kun?“, fragte Hinata zaghaft.

 

Shikamaru atmete langsam und tief ein. „Lass uns gehen.“

 
 

oOo
 

 
 

„Neji, kannst du mich hören?“

 

Neji hob die Hand, um der brüchigen Übertragung von Gai zu antworten, doch seine Finger hatten kaum Zeit, das Mikrofon zu berühren. Shuriken sirrten an ihm vorbei und zwangen ihn dazu, sich über den breiten Ast eines Baumes zurückzuziehen. Eine große Spinne fiel vor ihm nach unten und krabbelte ihm den Ast entlang nach. Neji sprang hoch und nagelte die Kreatur mit einem Kunai am Holz fest, bevor er sich auf Bodenlevel fallen ließ.

 

Ninjutsu, Taijutsu…jetzt schon Beschwörungsjutsus…ihre Teams sind perfekt ausgeglichen…

 

Nejis Arm schnellte nach vorn und halbierte eine Spinne mit chakra-geladener Handkante. Er wirbelte herum, um noch zwei weitere zu zerteilen und außerhalb ihrer Reichweite zu bleiben. Die Arachniden riefen Erinnerungen an seinen Kampf gegen Kidōmaru in ihm hervor. 

 

Ich weiß, wie man so einen Gegner bekämpft. Ich werde nicht verlieren.

 

„Na dann lass mal sehen, wie du das zerteilen willst!“, knurrte der Beschwörungsninja.

 

Nejis Kopf ruckte gerade rechtzeitig herum, um das das Flattern im Chakranetzwerk seines Gegners sehen zu können. Er wusste, was jetzt kommen würde. Sein Feind biss sich hart in den Daumen und schmetterte seine Handfläche auf den Boden. 

 

„Ninjakunst, Jutsu des vertrauten Geistes.“

 

In einem Schwall wabernden Chakras tauchte eine riesige Spinne auf, die sich auf vier ihrer haarigen Beine aufbäumte. Neji grinste, er wusste bereits ganz genau, wie er dieses Biest besiegen konnte.

 

„Los!“, brüllte der Mann. 

 

Ohne zu zögern rutschte der Hyūga in Position, eine Handfläche hoch erhoben. 

 

Doch die Attacke kam nicht. 

 

Die Spinne sprang von ihm weg und krabbelte in die Richtung davon, in der Neji zuletzt Gai gesehen hatte. Das Vieh ignorierte den Hyūga völlig.

 

Nejis Lippen zogen sich in einem Knurren zurück. „Verdammt.“

 

„Keine Sorge, für dich haben wir uns etwas ganz besonderes ausgedacht.“, versprach ihm sein Gegner, als sich drei weitere Ninja hinter ihm auf den Boden fallen ließen. Einer von ihnen trug ein lächerlich großes Schwert. 

 

Neji hatte das bereits kommen sehen, auch wenn sie ihre Chakrasignatur gut verborgen hatten. Gemeinsam mit Kurenai und Gai hatte er es geschafft, die Formation zu vereiteln, die der Feind ursprünglich hatte einnehmen wollen. Die zwölf gegnerischen Ninjas hatten anfangs versucht, ihre Reihen in vier Kreisen mit je drei Kämpfern um die Konoha Shinobi zu schließen. Anschließend hatten sie die Schlinge immer enger ziehen wollen. 

 

Doch Neji hatte eine Schwachstelle in ihrer Angriffslinie gefunden, auf die Gai einen schnellen und harten Schlag konzentriert hatte. Sie hatten es geschafft, die Formation zu durchbrechen und den Feind dadurch gezwungen, sich neu zu sammeln. Ihre Gegner hatten es daraufhin ausschließlich auf Kurenai abgesehen. Doch nachdem einer der Männer lauthals verkündet hatte, sie besäße nicht das Sharingan oder ein ähnliches visuelles Jutsu, hatten sie sofort die Taktik geändert und sich darauf fokussiert, die Konoha Ninjas zu trennen und einzeln anzugreifen. 

 

Obwohl Neji sein Bestes gegeben hatte, ein Auge auf jeden von ihnen zu behalten, waren die Konoha Jōnin immer weiter auseinandergezogen worden. Der Feind trieb mit aller Gewalt räumliche Keile zwischen das Trio und nutzte dabei eine effektive Kombination aus Ninjutsu und Taijutsu. 

 

Dann waren die Spinnen dazu gekommen – und um das Ganze nur noch schlimmer zu machen, schien ihr Gegner seine Chakrareserven durch eine externe Quelle immer wieder auffüllen zu können.

 

Ich muss zurück zum Team…

 

Neji stieß sich in einem hohen Sprung vom Boden ab, als einer der Ninjas auf ihn losging. Er traf mit einem heftigen Tritt den Kopf des Mannes und hämmerte ihn in den Waldboden. Scharf wirbelte der Hyūga herum und stieß seine Handfläche den Baumkronen entgegen, als zwei weitere Gegner auf ihn zu sprangen. 

 

„Acht Trigramme! Lufthandfläche!“

 

Konzentriertes Chakra explodierte aus seiner Hand und fegte seine Gegner aus der Bahn. Dann hörte er ein statisches Knacken. 

 

„Neji!“, Kurenais Stimme kratzte durch den Transmitter. „Wie ist deine Position?“

 

Nejis Finger hoben sich rasch zu seinem Mikrofon, während er in geduckter Haltung landete und sich umsah. Sein Körper konnte die Distanz zu seinen Kameraden nicht schließen, das Byakugan jedoch schon. Er konnte Kurenai sehen – und sie steckte in Schwierigkeiten; ihr Chakra war durch den exzessiven Einsatz von Genjutsus fast vollständig aufgebraucht.

 

Sie wird nicht mehr lange durchhalten…

 

„Neji!“

 

„Ich bin östlich von…“ Er verstummte und riss den Kopf zurück, um dem schweren Schlag einer Klinge auszuweichen, die so lang war wie sein ganzer Körper. 

 

„Du bist verdammt schnell, Bengel!“, lachte der schwertschwingende Ninja. 

 

Die Stirn des Hyūga legte sich in Falten. Diese Stimme kam ihm bekannt vor. 

 

„Neji!“ Kurenais Stimme knackte erneut durch das Mikrofon. „Du…sofort hierher zurück…Ziel…jetzt!“

 

Nejis Miene verfinsterte sich, als er versuchte, sein Funkgerät einzustellen und gleichzeitig den Attacken auszuweichen. Er bemerkte, wie einer der Männer Handzeichen formte. Das Chakra eines anderen begann zu flattern. 

 

Scheiße!

 

„Feuerversteck! Jutsu der Flammenentfesselung!“

 

Er wandte sich in dem Moment um, als ein Schauer von Shuriken auf ihn zugeschossen kam. Die tödlichen fliegenden Sterne brachen in funkenspritzende Flammen aus. Neji knurrte und drehte sich auf dem Absatz, um eine fließende Pirouette zu vollführen.

 

„ROTATION!“

 

Er konnte spüren, wie die Hitze der entzündeten Projektile sein Chakraschild versengten. Er kam wirbelnd zum Stehen und hatte kaum Zeit, überhaupt wieder voll auf dem Boden aufzukommen, als ihn ein Schlag auf die Brust durch den nächstgelegenen Baum donnerte. Schmerz explodierte in seinen Lungen, das Bersten des Stammes vibrierte durch seine Wirbelsäule und presste ihm ein ersticktes Husten ab, bevor er hart auf dem Rücken landete.

 

„Pinnt ihn fest!“, bellte einer seiner Gegner. 

 

Nejis Augen flogen weit auf und gerade noch rechtzeitig rollte er sich zur Seite weg. Kunais schlugen einen Sekundenbruchteil später im Boden ein. Mit einem Knurren kam Neji auf die Beine und stieß seine Handfläche in die Richtung, aus der die Messer geflogen kamen. 

 

„Acht Trigramme! Lufthandfläche!“

 

Die Gegner zerstreuten sich und gestatteten es Neji so, sich zu drehen und denselben Chakrastoß gegen den schwertschwingenden Anführer des Teams zu schleudern. Der Ninja schaffte es, den Großteil des Schadens mit seiner mächtigen Klinge abzufangen. In kurzer Entfernung kam der Mann schlitternd zum Stehen, sein Schwert hatte eine massive Furche in dem verwurzelten Waldboden hinterlassen. 

 

„Nicht schlecht! Sind die Fähigkeiten meines Clans denn diesmal gut genug?“

 

Und jetzt erkannte Neji die Stimme. 

 

Unmöglich.

 

Der Mann, der vor ihm stand, war breit gebaut und mit mehr Muskeln bepackt als ein Ochse. Allerdings sah er dem stämmigen Klienten nicht im Mindesten ähnlich, der vor zwei Monaten vor Tsunade gestanden hatte. Doch die Stimme war dieselbe, die Chakrasignatur so ähnlich, wenn auch leicht verändert. 

 

Ist das irgendeine Art von Transformationsjutsu? Oder vielleicht ist das ja seine wirkliche Form. 

 

Neji wich einen Schritt zurück und hob erneut seine Handfläche. Mit der anderen Hand suchte er nach seinen Kunais, die er während seines Sturzes verloren hatte. 

 

Verdammt.

 

Sein Gegner lachte und der Klang dröhnte über die Lichtung. „Ah, du erinnerst dich also an mich!“ 

 

„Was wollt ihr?“ Neji entschied sich für eine defensive Haltung, seine scharfen Augen blieben starr geradeaus gerichtet, nahmen aber automatisch die Peripherie um ihn herum wahr. Er wusste, dass die anderen drei Männer immer noch da waren und sich bewegten, doch sie schienen Abstand zu halten. 

 

Der Mann ignorierte seine Frage und verkündete stattdessen: „Ich bin Fukurō! Oberhaupt des Tsubasa Clans. Auch wenn ich mich seit unserem letzten Treffen etwas verändert habe, wie du sehen kannst.“ Seine Augen verengten sich und wurden dunkel. „Als du die Frechheit besessen hast, mich zu entehren.“

 

Auch Nejis Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. „Warum greift ihr Konoha an? Euer Clan hat einen Frieden mit dem Dorf geschlossen.“

 

„Frieden – was für ein naives Ziel.“ Fukurō grinste. „Wie auch immer, ich habe kein Interesse an Konoha. Nur an ein oder zwei Clans. Die Sache vor zwei Monaten war eine exzellente Gelegenheit, deine Fähigkeiten zu testen und zu beurteilen, ohne dabei etwas von Wert zu verlieren.“

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich, als pure Abscheu in ihm hochkochte. „Du hast unvorbereitete Ninja auf Genin-Level zu uns geschickt wie die Lämmer zur Schlachtbank! Ein fehlgeleitetes Mädchen und ihr ungeborenes Kind mussten deswegen sterben!“

 

„Das Gör wäre so oder so gestorben. Du hast sie von ihrem Elend erlöst, bevor ich es tun konnte.“

 

Nejis Gesichtszüge begannen angewidert zu zucken. „Und ihr Kind?“

 

„Darum hast du dich ja auch gekümmert, oder nicht?“ Fukurō feixte. „Ich weiß das sehr zu schätzen. Mein Tochter war eine Schande. Der Tsubasa Clan hat keine Verwendung für Huren oder Verräter, geschweige denn für Bastardkinder. Besonders nicht, wenn sie drohen, Clangeheimnisse preiszugeben. So etwas ist unverzeihlich. Ihr Schicksal wurde an dem Tag besiegelt, an dem sie sich mir widersetzt hat.“

 

Schicksal…besiegelt…

 

Diese Worte brachten eine gefährliche Saite in Neji zum Schwingen und er spürte das Gift eines unterdrückten Hasses in sich aufsteigen. „Du hast nicht das Recht, über das Schicksal eines unschuldigen Kindes zu entscheiden!“

 

„Musste ich ja auch nicht.“, schnaubte Fukurō. „Konoha hat das für mich übernommen. Und jetzt wirst du mir noch einmal behilflich sein. Also wenn du das Gefühl hast, dass es hier um eine Auge um Auge Sache geht, dann nehme ich gerne die deinen als Ausgleich für das Leben meiner Tochter und das ihres wertlosen Kindes.“

 

Die Zuversicht dieses Versprechens war nicht vorgetäuscht. Neji spürte, wie sich die anderen drei Ninjas näherten. Sie nahmen irgendetwas zu sich und sofort loderte ihr Chakra wie eine Feuersbrunst auf. 

 

Chakrapillen…?

 

Neji begann zurückzuweichen und schätzte rasch seine Lage ein. Sein Blick zuckte zu der Tablette, die sich Fukurō auf die Zunge legte und schluckte. Beinahe zeitgleich explodierte sein Chakra. 

 

Dagegen komme ich nicht lange an…

 

„Mit deinen Augen kannst du es sehen, nicht wahr?“ Der Schwertkämpfer grinste. „Beeindruckend, oder? Es waren zahllose Opfer nötig, um die Verdichtung des Chakras so genau hinzubekommen, dass sie das Netzwerk nicht beschädigt.“

 

Unbändiger Zorn breitete sich auf Nejis Zügen aus. Auf einmal machte alles entsetzlichen Sinn. Die Krankheit, die er im Chakrasystem des Mädchens entdeckt hatte, bevor sie starb. Er schüttelte den Kopf und als er der perversen Erkenntnis eine Stimme verlieh, war sie nicht mehr als ein bebendes Raunen.

 

„Du hast deine eigene Tochter für Experimente missbraucht…“

 

Der Hyūga war mehr als angewidert, als er sah, dass der Mann beeindruckt aussah, beinahe ehrfurchtsvoll. „Du konntest es sehen? Natürlich konntest du das. Ein Kekkei Genkai von solch mächtiger Form ist wirklich von unschätzbarem Wert.“ Fukurōs Finger schlossen sich fester um den Griff seines Schwertes. „Ich werde diesen Ort nicht ohne das Geheimnis deiner Augen verlassen.“

 

Sie sammeln also Dōjutsus…

 

Das erklärte zumindest, warum sie das Interesse an Kurenai verloren hatten, nachdem sie erkannt hatten, dass sie nicht über das Sharingan verfügte. 

 

Nejis Gedanken stockten, als Gais Stimme durch den Transmitter kratzte. „Neji…antworte! …du in Sicherheit? …wo…?“

 

„Die Tsubasa haben eine sehr lange Zeit darauf gewartet, einen Hyūga von Konoha isolieren zu können.“, fuhr Fukurō fast schon träumerisch fort. „Wir haben auch schon andere Clangeheimnisse begehrt. Aber mit der Stärke des berühmten Byakugans werden wir endlich in der Lage sein, unserem Clan eine Stellung der Ehre und Macht zurückzugeben. Es ist unser Schicksal!“

 

Bestimmung…Schicksal…Kontrolle…
 

„Neji…?“ Kurenais Stimme hallte durch das Funkgerät. 

 

Neji hob eine Hand, als wollte er antworten – nur um das Mikrofon auszuschalten. 

 

Sein Blick richtete sich auf Fukurō. Eine gefährliche Ruhe fror seine Züge ein und seine begehrten Augen wurden hart wie die kostbaren Opale, mit denen sie so oft verglichen wurden. 

 

„Ah, das ist schon viel besser.“ Fukurō feixte, offensichtlich glücklich über die Aufmerksamkeit, die Neji ihm schenkte. Er hob seine gewaltige Klinge. „Du wirst feststellen, dass sich dieser Kampf auf einem Niveau bewegt, von dem du einst gesagt hast, es würde uns fehlen. Ich frage mich, wie lange du durchhalten wirst, bis ich mir deine Augen nehme.“ 

 

Anmutig schob Neji ein Bein zurück, seine Handfläche hielt er nach Außen gerichtet, als er in die Haltung für die Acht Trigramme, vierundsechzig Hände fiel. Seine Iriden blieben starr auf Fukurō fixiert, auch als die restlichen Tsubasa Ninjas mit vor Stärke waberndem Chakra näher rückten. 

 

Der Tsubasa grinste und legte sein Schwert lässig auf einer Schulter ab. „Erinnere dich an meinen Namen, Hyūga. Du kannst ihn meiner Tochter sagen, wenn du sie auf der anderen Seite siehst.“

 
 

oOo
 

 
 

„Was zur Hölle ist los mit dir, Komori?!“, fauchte einer der Tsubasa Ninjas und wandte sich zu seinem Kameraden um, der mitten in der Bewegung erstarrt war. Der Schlag, der Kurenai hätte enthaupten sollen, hatte nie sein Ziel getroffen. 

 

„Ich…kann mich…nicht bewegen!“, keuchte Komori erstickt.

 

„Was zum Geier? Jetzt bring sie schon endlich um!“

 

„Ich…kann…meinen Körper…nicht bewegen!“

 

„Sag bloß.“ Shikamarus Stimme erscholl aus den Baumkronen, wo er stand und sich mit seinem Schattenbesitz außerhalb der Reichweite seines Gegners aufhielt. „Aber ich werde dir helfen.“

 

Ohne Vorwarnung, wirbelte Komori herum und erstach seinen Kameraden mit seinem Schwert. Der Angriff ließ den Tsubasa Ninja deckungslos zurück und Kurenai vollführte einen raschen Streich gegen seine Kehle, um ihn zu erledigen. Ruckartig befreite sie ihr Messer aus dem Hals des Mannes und blickte himmelwärts. 

 

„Überraschung!“, sagte Shikamaru träge und ließ sich auf den Boden fallen, als Kiba mit seinem ‚Durchbohrender Zahn‘ die Lichtung zerfurchte und zwei Feinde mit sich riss. „Gai-senpai und Neji?“

 

Kurenai schüttelte den Kopf, hielt sich einen blutenden Arm und sackte kraftlos gegen einen nahen Baum. „Gai hat gegen eine beschworene Spinne gekämpft und Neji antwortet nicht. Vielleicht ist sein Funkgerät kaputt.“

 

Shikamaru fluchte und wandte sich rasch um. „Das brauchen wir nicht, um ihn zu finden. Hinata!“

 

Die Kunoichi landete neben ihm, ihr Byakugan war bereits aktiviert. „Er ist in der Nähe und kämpft gegen drei Männer. Das Chakra von ihnen…ist ungewöhnlich stark.“

 

„Sie haben Pillen, die Chakra wiederherstellen.“, erklärte Kurenai, ihre roten Augen kniffen sich erschöpft zusammen. „Sie haben das seit Monaten geplant…sind sehr gut vorbereitet…“

 

„Die Spinne, gegen die Gai-sensei gekämpft hat, hat mehrere kleine produziert.“, informierte Hinata, ihre Augen bewegten sich rasch und unruhig. 

 

Fuck!

 

Shikamarus Blick schnellte zu Kurenai. „Was muss ich sonst noch wissen?“

 

„Sie sammeln Dōjutsus…sie dachten, ich hätte das Sharingan und hatten sich darauf vorbereitet.“ Kurenai spähte zu Hinata hinüber. „Es wäre besser, wenn du außer Reichweite bleibst und dich darauf konzentrierst, Gai und Kiba zu helfen.“

 

„Aber…“ Hinatas Atem stockte, ihre Auen schwangen nach Osten. „Aber Neji…“

 

„Ihm wird nichts passieren. Ich gehe mit Shikamaru.“

 

„Nein!“ Der Nara ließ seine Tasche von den Schultern gleiten, aufmerksam studierten seine dunklen Augen die Vorräte. „Wenn sie von diesen Pillen Schwankungen in ihrem Chakra haben, brauche ich jemanden, der das sehen und interpretieren kann. Ich brauche Hinatas Augen, wenn Neji mit Kämpfen beschäftigt ist.“

 

„Es sind ihre Augen, hinter denen sie her sind, Shikamaru!“ Kurenai packte ihn am Ellbogen, ihr Beschützerinstinkt gegenüber Hinata spiegelte sich klar auf ihrem Gesicht wider. „Mein Genjutsu wird sie ablenken und…“

 

„…du bist am Ende, Kurenai-senpai.“ Shikamaru begegnete ihrem karmesinroten Blick. Seine Stimme blieb ruhig, doch seine dunklen Iriden waren unnachgiebig. „Ich schätze, dir bleibt gerade mal genug Chakra für eine einzige Illusion, bevor du völlig ausgelaugt bist. Habe ich recht?“

 

Kurenai ließ ihre Hand sinken. „Shikamaru…“

 

„Ja, mir gefällt das Ganze auch nicht mehr als dir.“, grummelte der Nara, als er eine Salbe aus seiner Flakweste zog. „Aber wenn sie dachten, dass du das Sharingan hast und dich trotzdem angegriffen haben, dann sind sie auch auf Genjutsu vorbereitet, selbst wenn du es schaffen solltest, eines zu kreieren. Ich habe nicht vor, diese Kerle zu unterschätzen und zu riskieren, dass am Ende jemand sterben muss.“

 

Er beobachtete, wie Kurenai den Blick abwandte und über seine Worte nachdachte; natürlich erkannte sie den Sinn in seiner Argumentation. Sie hatten jetzt keine Zeit für einen Willenskampf. Und Hinata war bereits auf die Auseinandersetzung fokussiert, die weder der Nara, noch Kurenai sehen konnten. 

 

„Lass das mal die Kavallerie machen.“, versuchte Shikamaru zu scherzen, doch seine Stimme wurde flach, als er Kurenai die Heilsalbe reichte. „Wenn ich in Reichweite komme, wird eine Ablenkung unsere…“

 

Neji!“, schrie Hinata schrill, ihre lavendelfarbenen Augen flogen weit auf, bevor sie losstürzte. 

 

„Hinata!“ Kurenais Finger umklammerten wirkungslos die Luft, als ihre Schülerin schon außer Reichweite war und in den Baumkronen verschwand. „Hinata!“

 

„Gott verdammt!“, knurrte Shikamaru, stieß sich hart vom Boden ab und hetzte der Hyūga hinterher. „Was zur Hölle stimmt nicht mit den Hyūgas, dass sie ständig aus dem Team brechen müssen?!“

 
 

oOo
 

 
 

„Acht Trigramme! Luftha…ngh!“ Neji keuchte, als brennender Schmerz seinen Arm ergriff. Seine Finger begannen spastisch zu zucken. 

 

Verdammt!

 

Mit einem Zischen packte er seinen Arm und vollführte eine Seitwärtsrolle, um hinter einem Baum in Deckung zu gehen. Er sackte zusammen und sank gegen den mächtigen Stamm; rasselnd schnappte er nach Luft. Er hatte viel zu viel Chakra verbraucht. Sein Jutsu jetzt noch einmal zu erzwingen, würde zu einem tödlichen Rückschlag führen. 

 

Er deaktivierte das Byakugan und überprüfte aus reinem Instinkt sein Chakranetzwerk. Auf keinen Fall könnte er noch einmal die Acht Trigramme vollführen, nicht nach der Menge an Chakra, die er für das Kaiten Jutsu und die Sanfte Faust benötigt hatte. 

 

Er hatte es geschafft, einen seiner vier Gegner auszuschalten und einen weiteren zu verkrüppeln. Doch das hatte ihn kostbare Chakrareserven gekostet und da seine Gegner ihres immer wieder regenerieren konnten, befand er sich in extremen Nachteil. 

 

„Und wie lautet dein Urteil, Bengel? Befinden wir uns jetzt auf gewünschtem Niveau?“ Fukurō lachte, offenbar war es ihm gleich, ob der Hyūga seine Position verriet oder nicht. 

 

Er kann es sich ja auch leisten, arrogant zu sein…er weiß, dass ich mein Limit fast erreicht habe…

 

Nejis Gesicht verfinsterte sich und er starrte auf seinen Arm. Er legte seinen Daumen in die Armbeuge und presste seine Finger gegen die Extremität. Dumpfer Schmerz breitete sich aus; er war zu weit gegangen. 

 

„Komm schon Hyūga! Wo ist deine Zuversicht jetzt?“

 

Neji biss die Zähne zusammen und atmete langsam durch die Nase aus, während er seinen Geist neu fokussierte. Ihm blieb noch eine letzte Option, ein Notfallplan, den er nicht in Betracht und geschweige denn darauf zurückgreifen wollte. 

 

„Du kannst dich nicht ewig verstecken!“, brüllte der Tsubasa fast schon theatralisch; seine Stimme klang nun deutlich näher. 

 

Neji schloss die Augen. Er tat einen langen tiefen Atemzug und augenblicklich beruhigte er sich, seine angespannten Züge glätteten sich. Aus irgendeinem seltsamen Grund war es Shikamarus Stimme, die in seinem Verstand widerhallte. 

 

Entspann dich…

 

Er drängte sich durch den stechenden Schmerz und streckte seine Finger aus, um eine geringe Menge an Chakra in ihre Spitzen zu zwingen. Dann hob er die Hand und berührte leicht mit den Fingerspitzen die beiden verschlossenen Chakrapunkte in seiner Brust. 

 

Er drückte fest in die Haut. 

 

Qual jagte wie ein Stromschlag direkt in seine Lunge. 

 

Ein raues Husten explodierte aus den Tiefen seiner Brust, erschütterte seine Rippen und riss ihm den Atem in einem blutigen Spritzen aus der Lunge.

 

„Hab ich dich!“, brüllte Fukurō.

 

Nejis Augen flogen auf. Instinktiv duckte er sich und rollte zur Seite weg, um einer Enthauptung zu entgehen, als Fukurōs Schwert den Baum spaltete. Der Tsubasa Anführer kehrte seinen Hieb um und sägte mit seiner Klinge durch den kollabierenden Stamm, als wäre es Butter. 

 

Byakugan!“, keuchte Neji und presste eine Hand gegen seine Brust, während er rückwärts sprang, um den stürzenden Holzklumpen auszuweichen. 

 

Splitter und Staub wurden in Schwaden von Fukurōs Chakraattacke aufgewirbelt und der Schmutz drohte seine Kehle zu verstopfen. 

 

Atme!

 

Neji landete in einer geduckten Haltung, seine Robe flatterte in den Luftstößen, die von den sensenartigen Schwüngen der enormen Klinge verursacht wurden. Er hustete erstickt und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund; sein Blick verfinsterte sich angesichts der tiefroten Spur, die sich hart von seiner blassen Haut abhob. Er ignorierte das Blut, presste eine Handfläche gegen den Waldboden und krallte die Finger seiner anderen in den Stoff seiner Robe – als könne er so den Schmerz aus seinen Lungen reißen. 

 

…Wenn ich jetzt die Chakra Blockaden löse…bin ich erledigt…

 

Doch er brauchte das versiegelte Chakra in seinen Tenketsu. Schnell. Er hatte keine Zeit mehr, seine Optionen zu überdenken; das leise Wispern von fliegenden Shuriken zog seine Aufmerksamkeit auf sich, Sekunden nachdem das Byakugan ihre Bewegungen bemerkt hatte. 

 

„Feuerversteck! Jutsu der Flammenentfesselung!“

 

Flammen erwachten zuckend zum Leben und zogen gleißende Bahnen hinter den sich drehenden Sternen her. Sie waren wie riesige Glühwürmchen, die auf ihre Explosion zusteuerten.

 

Sie erreichten den Hyūga nie.

 

Doch etwas anderes schon – hart genug, um ihn seitwärts quer über die Lichtung stolpern zu lassen. Er schaffte es, ein Bein auszustrecken und sich abzufangen; Staub wirbelte auf, als er schlitternd auf den Knien stoppte. 

 

Er hatte kaum Zeit den Kopf zu heben, bevor ihm Hundeatem ins Gesicht schlug und Akamarus Zunge grob und nass über seine Wange schlabberte. 

 

Verstärkung…

 

Es war zwar nicht die eleganteste Rettung, aber immerhin hatte man es nicht geschafft, ihn in Streifen zu schneiden und gleichzeitig zu rösten. 

 

„Tsūga!“

 

Neji klammerte sich mit einer Hand an einem Ast fest, um sich auf die Füße zu ziehen und beobachtete, wie Kibas Jutsu den Feind dazu brachte, sich zurückzuziehen. Zumindest würde ihnen das etwas Zeit verschaffen. Er biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen und zwang seinen Körper zur Kooperation. Energisch entzog er sich dem besorgten Schnüffeln des Hundes, strich aber dennoch zaghaft über Akamarus Kopf. 

 

„Danke!“, murmelte er dem Hund zu, bevor er sich aufrichtete und dem Inuzuka entgegen lief. „Gai und Kurenai?“

 

„Auch schön, dich zu sehen! Hat dein Mikro den Geist aufgegeben, oder was?“ Kiba grinste, seine wilden Augen wanderten unruhig umher. „Keine Sorge, die kümmern sich um diese widerlichen Spinnen und räumen den Müll weg. Kurenai-sensei hat mich hinter euch her geschickt.“

 

Nejis Puls beschleunigte sich. „Euch?“

 

Kiba runzelte die Stirn und Neji konnte an der Besorgnis, die sich langsam auf das Gesicht des Hunde-Ninjas schlich, erkennen, dass etwas furchtbar falsch lief. 

 

„Du meinst, Hinata ist noch gar nicht hier?“

 

„Was?“ Nejis Augen weiteten sich, in seinem Inneren bildete sich ein ziehender Knoten. „Hinata…?“

 

„Ja!“ Die Falten auf Kibas Stirn wurden noch tiefer, während er Akamarus Kopf streichelte. „Scheiße…Shikamaru sollte bei ihr sein.“

 

Nejis Atem stockte. 

 

Shikamaru…?

 
 

oOo
 

 
 

Ich schwörs, dieser ironische Bullshit wäre vermutlich komisch, wenn es nicht mir passieren würde…

 

Shikamaru zog eine finstere Miene, seine Brauen waren tief über seinen dunklen Augen zusammengezogen, während er den Blick aufmerksam über die Bäume schweifen ließ. Auch wenn er seinen Fokus auf etwas bestimmtes richtete, war er dennoch ununterbrochen dabei, alles um ihn herum zu analysieren; er notierte sich im Geiste jedes Detail über seine Umgebung und – was am wichtigsten für sein Jutsu war – das Licht. Je dichter das Blätterdach war, desto höher wäre sein Bedarf an Blitzbomben. Er hatte bereits eine als Ablenkungsmanöver eingesetzt. 

 

Fuck…laufe ich überhaupt in die richtige Richtung?

 

Shikamaru kanalisierte Chakra in seine Füße und ging auf einem Ast in die Hocke. Während er sich orientierte, versuchte er seinen Transmitter einzustellen. Ohne Vorwarnung, bohrte sich ein schriller Schrei wie ein Kunai durch das Funkgerät in sein Trommelfell.

 

„Fuck!“ Er schlug sich mit der Hand gegen die Schläfe. „Dieser Hundesohn…“

 

„Shikamaru! Bist du da?“

 

„Kiba? Sekunde…“ Er stellte die Lautstärke des Transmitters ein und versuchte es nochmal. „Jetzt.“

 

„Wo zur Hölle bist du?“ Akamarus Bellen mischte sich zu Kibas Stimme. 

 

„Ich würde ja mein Radargerät fragen, aber ich jage immer noch hinter ihr her.“ Shikamaru klemmte sich drei Kunai zwischen die Finger; mit einem kratzte er ein Zeichen in den Baum. „Wo zur Hölle bist du?“

 

„Ich folge Neji…“

 

Er lebt…

 

„…er ist abgehauen.“

 

Ich bring ihn um.

 

Beinahe hätte Shikamaru vor Frust seinen Kopf gegen den Stamm des Baumes gehämmert. 

 

„Shikamaru? Hey! Hörst du mich?“

 

„Scheiße. Wohin ist er abgehauen?“

 

„Mann, wenn ich das wüsste, würde ich nicht meine Zeit damit verschwenden mit dir zu reden!“

 

Der Nara gönnte sich einen Augenblick, um genervt das Gesicht in einer Handfläche zu vergraben und einen bunten Schwall an Flüchen auszustoßen, der Kiba nervös kichern ließ. Nachdem er damit fertig war, seinen Zorn in seine Handfläche zu fauchen, richtete er sich mit einem Seufzen auf. Seine Finger ballten sich um die Kunais herum zur Faust, als er seine nächsten Worte grollte.

 

„Dieser dämliche, sture, lästige Bastard!“

 

„Ich kann dich hören, weißt du?!“ Die Stimme des Hyūga knackte durch die Leitung in sein Ohr. 

 

„Neji!“, riefen Shikamaru und Kiba wie aus einem Munde. 

 

Erleichterung wogte wie eine Droge durch Shikamaru und ließ ihn für einen Moment schwindeln, bevor er sich daran erinnerte, wie sauer er eigentlich war. Er schüttelte den Kopf und spürte, wie ihm die Griffe der Kunais die Blutzufuhr abschnitten – so verdammt heftig umklammerte er sie. Er zwang seine Worte an seinen zusammengebissenen Zähnen vorbei und klang dabei gefährlich ruhig. 

 

„Wo zur Hölle bist du, Hyūga?“

 

„Direkt hinter dir, Nara.“

 

Shikamaru verzog überrascht das Gesicht, bevor er sich umwandte und sein Blick auf Neji fiel, als der Hyūga auf einem Baum hinter ihm landete. Sofort wanderten seine dunklen Augen prüfend über den Jōnin und bemerkten das Blut und den Schmutz auf seiner Robe. Doch seltsamerweise beeinträchtigte es die lächerliche Gelassenheit nicht, die den Hyūga immerzu zu umgeben schien. 

 

Schnaubend schüttelte Shikamaru den Kopf. 

 

„Du siehst ziemlich scheiße aus.“, begrüßte er den langhaarigen Jōnin gedehnt, doch die schwindelerregende Erleichterung jagte erneut durch seinen Körper und Geist. Es fühlte sich trotz der Umstände nicht so an, als wären zwei lange Monate vergangen, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. 

 

Nejis Miene verdüsterte sich und sein Byakugan verblasste. „Und du läufst in die falsche Richtung.“

 

Das wäre mehr als peinlich gewesen, wenn Shikamaru nicht wenige Momente zuvor zu demselben Schluss gekommen wäre. Doch seine Aufmerksamkeit war starr darauf gerichtet, wie Neji seine rechte Seite entlastete. Statt auf die Stichelei zu reagieren, sprang er hinüber auf den Ast, auf dem der Hyūga stand und ließ gleichzeitig die Kunais wieder in seiner Tasche verschwinden. Sofort bemerkte er die Spannung in Nejis Zügen. 

 

„Du bist ziemlich schwer verletzt, oder?“

 

„Wir müssen Hinata finden“, antwortete Neji nur und aktivierte erneut sein Dōjutsu. „Jetzt!“

 

Der viel zu ruhige Tonfall ließ keinerlei Raum für Diskussionen. Shikamaru seufzte und rieb sich kurz die Nasenwurzel, bevor seine Finger zu seinem Funkgerät wanderten. 

 

„Kiba?“

 

„Jo! Ich bin dran; Akamaru hat ihre Spur aufgenommen. Wir holen ziemlich schnell auf.“

 

„Was erwartet uns, Kiba?“

 

„Sieht so aus als wären noch vier von den Kerlen übrig, den Typ mit dem Schwert und seinen feuerspeienden Kumpel eingeschlossen. Akamaru nimmt ziemlich heftiges Chakra wahr. Hinata muss versucht haben, zwei von denen von Neji wegzulocken, bevor ich angekommen bin. Beeilt euch mal lieber, ok?!“

 

„Wir sind sofort da!“ Shikamaru ließ seine Hand sinken und hielt kurz in der Bewegung inne, als ihm etwas einfiel. Er spähte zu Neji hinüber. „Diese Dreckskerle sind hinter Dōjutsus her…“

 

„Das weiß ich!“, fauchte Neji und drehte ihm den Rücken zu. 

 

Verwirrt beobachtete Shikamaru ihn. „Dann weißt du auch, dass Hinata im Moment ein viel interessanteres Ziel ist als ich. Und du wusstest, dass ich in die falsche Richtung unterwegs war; warum bist du zu mir gekommen und nicht direkt zu ihr?“

 

Neji warf stirnrunzelnd einen Blick über die Schulter. „Was?“

 

„Ich habe dich gefragt, warum verdammt nochmal du nicht direkt zu Hinata gegangen bist?“

 

Neji erstarrte, er zögerte einen winzigen Moment zu lange, bevor er antwortete. „Hör auf, meine Zeit zu verschwenden, Shikamaru.“

 

Und damit setzte er sich in Bewegung. Er übernahm die Führung, um sie zurück auf den richtigen Weg zu bringen. Der Nara schüttelte noch den Kopf, bevor er dem Hyūga folgte; seine Füße stießen sich immer wieder von den Ästen ab, während sie durch die Baumkronen hetzten. 

 

Unverwandt beobachtete er Nejis Bewegungen und suchte aufmerksam nach Anzeichen dafür, dass der Hyūga zusammenbrechen würde. Sollte er wirklich Schmerzen haben, versteckte er sie gut; was nicht überraschend war. Doch falls seine Chakrareserven aufgebraucht waren – wovon Shikamaru stark ausging – durften sie keinen Nahkampf riskieren. 

 

Das bedeutet, dass ich den Anführer dieser Mistkerle irgendwie mit dem Schattenbesitz festnageln muss…Klasse…

 

Eine Strategie begann bereits in seinem Kopf Gestalt anzunehmen, sie formte sich, als ob sie von unsichtbaren Fingern vor seinem inneren Auge gezeichnet würde. Zuversichtlich, dass der Plan funktionieren würde, berührte er sein Mikrofon, um mit Neji sprechen zu können. 

 

„Wenn wir auf Kiba treffen, müsst ihr beide drei unserer Gegner beschäftigen, während ich mich um den Anführer kümmere.“

 

„Beschäftigen?“, fragte der Hyūga – und hielt abrupt auf einem Ast des nächsten Baumes. 

 

Shikamaru fluchte und stoppte schlitternd in einer geduckten Haltung neben ihm. „Scheiße verdammt, Neji. Warn mich das nächste Mal vor, wenn du sowas machst!“

 

„Wir müssen eine Sache klarstellen, Shikamaru.“ Neji presste eine Hand gegen die Rinde des Baumes, seine Augen blieben weiter geradeaus gerichtet. „Hinata da rauszuholen hat oberste Priorität.“

 

„Es hat oberste Priorität, alle da rauszuholen!“, erwiderte Shikamaru ruhig und blickte in dieselbe Richtung wie der Hyūga. 

 

Die spitze Endgültigkeit in Nejis Worten gefiel ihm nicht. 

 

„Ich bin am Ende.“, gestand der Jōnin, seine Stimme war leise. „Und dieser Feind hat kein Limit, sofern er weiterhin diese Chakra Pillen nimmt. Kiba und Akamaru müssen die Aufmerksamkeit des Ninjas mit dem Feuerversteck lange genug auf sich ziehen, damit du oder Hinata die anderen beiden ablenken könnt. Das wird Fukurō eine Öffnung in unserer Formation gewähren, die ich abdecken muss.“

 

Shikamarus Stirn legte sich in Falten. Es gefiel ihm jetzt wirklich überhaupt nicht mehr, wohin das zu führen schien.

 

„Pass auf, warum überlässt du die Ausarbeitung einer Strategie nicht einfach mir?“

 

Neji warf ihm einen verärgerten Blick zu, den der Nara erwidert hätte. Doch er dachte angestrengt darüber nach, dem auszuweichen oder zu kontern, von dem er fürchtete, dass es als Nächstes kommen würde.

 

„Weil ich im Rang über dir stehe, Nara und weil ich mehr Erfahrung mit diesem Gegner habe.“ Nejis Gesichtsausdruck veränderte sich und wurde beinahe nachdenklich. „Sollte es nötig sein, werde ich Fukurō geben, was er seiner Meinung nach will.“

 

Shikamaru lachte auf. Es war nicht mehr als ein kurzes raues Rasseln, das mehr nach einem Schnauben klang. Denn es war das Einzige, dass er als Reaktion auf so etwas Dämliches anbieten konnte. Neji teilte seine Belustigung nicht.

 

„Und genau deswegen solltest du lieber mich den Plan ausarbeiten lassen, Hyūga.“

 

„Auch die beste Taktik kann misslingen, Shikamaru.“

 

„Vielen Dank für dein Vertrauen in mich.“, grinste er und versuchte verzweifelt, die Stimmung etwas aufzuhellen. 

 

„Hier geht es nicht um dich, Nara. Ich werde Fukurō lange genug ablenken, damit du Hinata abfangen und die anderen hier rausholen kannst.“, fuhr Neji fort, seine ruhigen Worte lösten eine unerklärliche Übelkeit in Shikamarus Magengegend aus.

 

Was zur Hölle sagt er da…?

 

Das hatte Shikamaru wirklich nicht erwartet. Er war mehr als zuversichtlich gewesen, dass es jeder von ihnen lebend aus dieser Situation schaffen würde. Auch nicht für einen einzigen Moment hatte er einen solchen letzten Ausweg, wie Neji ihn jetzt vorschlug, in Betracht gezogen. Lag darin denn nicht der ganze Sinn einer Verstärkung? Damit so eine Scheiße nicht passierte?

 

„Jetzt pass mal auf!“, knurrte der Nara. „Wir können ihre Aufmerksamkeit lange genug zwischen Kiba, Akamaru und dir aufteilen, damit ich diesen Fukurō mit dem Schattenbesitz festsetze. Hinata wird uns unterstützen.“

 

Neji schüttelte nur den Kopf. „Sie wird wahrscheinlich unsere Formation erkennen, aber sie kann nicht unsere Strategie erraten, Shikamaru. Sie hat die Gegner von uns weggelockt, aber im Moment ist Fukurō direkt hinter ihr. Er wird sofort auf sie losgehen, genauso wie bei Kurenai. Er ist arrogant, aber im Moment verfügt er über die Stärke, dass er sich das leisten kann – und dann hat er auch noch drei andere Ninjas im Spiel.“

 

„Eine Strategie kann jede noch so große Stärke außer Kraft setzen. Wir können das schaffen, Neji!“

 

„Wir haben keine Zeit. Du hast getan, weswegen du gekommen bist. Gai und Kurenai sind in Sicherheit und ich wäre tot, wenn Kiba nicht rechtzeitig aufgetaucht wäre. Aber jetzt haben wir ein neues Ziel: Hinata und euch von hier weg zu schaffen, das ist unser Ziel!“ Neji machte eine kurze Pause. „Im besten Fall kommen wir alle davon; und im schlimmsten wird das Geheimnis des Byakugan mit mir sterben. Das Siegel wird dafür sorgen.“

 

Shikamaru erhob sich aus seiner Hocke, Zorn schlich sich in seine Stimme und überlagerte dieses entsetzliche Gefühl, das in seinem Inneren an ihm nagte. „Halts Maul, Neji! Niemand wird sterben!“

 

Er konnte spüren, wie der Hyūga ihn beobachtete. „Es ist eine Variable, die wir nicht ausschließen können. Wir haben die Tsubasa bereits zweimal unterschätzt.“

 

„Ist mir ziemlich egal.“ Shikamaru schüttelte den Kopf. „Zu sterben ist keine Option.“

 

„Sei nicht dämlich, Nara. Wenn Hinata gefährdet ist, ist es mein ganzer Clan. Es ist meine Pflicht, die Erbin der Hauptfa…“

 

„Es ist deine verfickte Pflicht, am Leben zu bleiben, Hyūga!“ Shikamaru warf Neji einen finsteren Blick zu, von der Vehemenz seiner eigenen Worte überrascht. „Ich habe es dir bereits gesagt. Zu sterben ist keine Option. Und jetzt sei still und lass mich nachdenken.“

 

Zu seiner Überraschung, kontere Neji nicht oder bestand weiterhin auf seinen Standpunkt; was möglicherweise sogar schlimmer war. Denn es bedeutete, dass der Hyūga keinen Sinn darin sah, jemandem von etwas zu überzeugen, das für ihn bereits in Stein gemeißelt war. Shikamaru biss die Zähne zusammen, doch die Worte verließen seinen Mund, bevor er sie aufhalten konnte. 

 

„Wann hast du eigentlich angefangen, so schnell aufzugeben? Was ist verfickt nochmal los mit dir? Ich dachte du könntest es nicht akzeptieren, zu verlieren!“

 

Neji erwiderte nichts. Stattdessen ließ der Hyūga seine Fingerspitzen ein paar Mal über seine Brust gleiten, als würde er etwas Unsichtbarem folgen. Dann wandte er den Kopf, als er etwas außerhalb ihrer Sichtweite bemerkte. 

 

„Kiba ist da.“

 

Shikamaru nickte und wandte sich in dem Moment um, als Akamaru leise über den benachbarten Ast tapste. Der Schattenninja ließ sich wieder in eine geduckte Haltung sinken und formte mit seinen Händen einen Kreis, indem er die Fingerspitzen in seiner üblichen nachdenklichen Pose aneinander legte. Er spürte, wie sich Neji neben ihm bewegte. 

 

„Sie sind fast da. Dir bleiben drei Minuten, Shikamaru.“

 

Er benötigte nur zwei.

 

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Motiviert von den wunderbaren Kommentaren ist hier das 7. Kapitel von BtB. Gott, es war irgendwie so schwer zu schreiben, ich hoffe sehr dass es euch gefällt! Ja? Nein? ;) Meinungen und Anregungen wie immer sehr erwünscht - ich freu mich so über jedes Wort.

I told you so

„Acht Trigramme, vierundsechzig schützende Handflächen!“

 

Hinata stieß ihren Schutzschild einem Schauer entzündeter Projektile entgegen. Die Ckakraklingen ihres einzigartigen Jutsus schossen wie Laser aus ihrer Hand. Sie schwangen hin und her, um die wirbelnden Wurfsterne von Hinata abzulenken und sie in einem scharfen Rückschlag zurück zu den Angreifern zu schleudern. 

 

Die Breite von Fukurōs Klinge ließ die Shuriken wirkungslos abprallen. „Miststück!“

 

Anstatt sich darunter wegzuducken, begegnete Hinata dem nächsten Angriff und wehrte ihn mit Chakra Nadeln ab, die sie in so rascher Folge abfeuerte, dass Fukurō einen Moment zurückweichen musste. 

 

Shikamarus Stimme erscholl von irgendwo über ihr. 

 

„Hinata, zieh dich zurück!“

 

Die Hyūga Erbin wirbelte herum, ihr langes schwarz-blaues Haar flog wild um sie herum. Kunai sirrten über ihren Kopf, an deren Griffen Briefbomben befestigt waren. Die Klingen gruben sich in den Boden zwischen Hinata und ihren Gegnern, was zwei der vier Tsubasa dazu zwang, sich rasch von den Sprengfallen zu entfernen. Doch die Detonation kam nie. 

 

„Es ist nur eine Ablenkung!“, brüllte einer der Männer und stürzte sich – wie erwartet – auf Hinata. 

 

Der Idiot sprang direkt in die Flugbahn von Shuriken, die von rechts auf ihn zugeschossen kamen. Dünne Drähte zerschnitten mit einem scharfen Zischen die Luft und schnürten den Mann an einen Baum. Im Bruchteil einer Sekunde war er gefangen wie eine Fliege in einem Spinnennetz.

 

„Der erste Zug ist immer eine Finte.“, spottete Shikamaru von oben und zog sich einige Schritte zurück. Hinata verschwendete keine Zeit damit, vorwärts zu springen und die Chakra Punkte des Gegners rasch mit der sanften Faust zu verschließen.

 

„Neji! Jetzt!“, rief der Nara.

 

Der Hyūga brach aus dem Schutz der Baumkronen, landete hart auf dem Boden und begann ohne Umschweife, im Zickzack über die Lichtung zu sprinten. Der feuerbeherrschende Ninja schnellte herum und folgte seinem mäandernden Ziel wie ein Wärmedetektor. Er grinste und begann Handzeichen zu formen. 

 

„Feuerversteck! Jutsu der Flammenentfesselung!“

 

Eine ganze Masse an Shuriken explodierten in einer Hitzewelle und sirrte quer über die Lichtung auf Neji zu. Der Hyūga stieß sich vom Boden ab und drehte sich im Flug, in der Hand hielt er eine kleine Terrakottakugel. Er zerschlug sie in dem Moment, als sich die brennenden Projektile in sein Fleisch gruben. 

 

„Hab ich dich!“, lachte der feindliche Ninja in einem schrillen manischen Kichern, das abrupt abbrach, als der Körper des Hyūga auf dem Boden aufschlug und in einer Rauchwolke verpuffte. Zurück blieb nichts weiter als ein zerfurchtes Scheit, bevor das ölgetränkte Holz explodierte. 

 

„Ein Jutsu des Tausches!“

 

Die Wucht der Detonation riss einen kleinen Krater in den Untergrund und schleuderte Dreck und öliges Feuer in alle Richtungen. Fukurō knurrte und rammte sein Schwert in die Erde, um sich hinter der massiven Klinge zu verstecken und so den Flammen zu entgehen, die über den Stahl leckten. 

 

Der feindliche Ninja, der noch immer an den Baum gefesselt war, ging in Flammen auf. Noch während er starb, stieß er zwischen spitzen Schreien blutrünstige Flüche aus. Der gegnerische Feuerninja sah zwar überrascht aus, lief aber zuversichtlich durch die Flammen und knurrte die Konoha Shinobis an. 

 

„Idioten! Mir könnt ihr nicht mit Feuer kommen! Immerhin ist es mein Element und…“ mitten in der Bewegung blieb er abrupt stehen, wie festgefroren inmitten der lodernden Flammen. „W-was zum…?“

 

„Schattenbesitz erfolgreich!“ Shikamaru grinste aus den Baumkronen herunter. Das Feuer auf der Lichtung hatte ihm eine nahezu unbegrenzte Menge an Schatten zur Verfügung gestellt. „Gute Arbeit, Neji. Kiba! Jetzt!

 

„Gatsūga!“

 

Ein tiefes Donnern erschütterte die Lichtung, als der durchdringende Wirbel von Kibas Jutsu durch die Erde pflügte und einen Fluchttunnel in den Boden grub. Mit der Macht eines Tornados prallte der Inuzuka mit seinem Jutsu gegen den Feuerninja und riss dabei den gelähmten Körper in zwei Häften, während er gleichzeitig einen Teil der Flammen fortpeitschte. Neji kam vor dem Feuer geschützt durch den Gang unter der Erde gerannt.

 

„Hinata-sama!“

 

Die jüngere Hyūga reagierte sofort, sprang aus ihrer Deckung und spurtete an dem brennenden Laub vorbei, um ihren Cousin am Eingang des Tunnels zu treffen. Schlagartig kam sie zum Stehen, ihre Byakugan Augen richteten sich auf Nejis Brust und sie zog scharf die Luft ein.

 

„Aber…w-warum?“ Geschockt hielt sie sich eine Hand vor den Mund, ihre blassen Augen wanderten über seinen Körper; sahen durch Stoff und Haut. „Neji-niisan…was hast du dir angetan?“

 

Neji versteifte sich bei ihren Worten – er wusste, dass sie sehen konnte, was allen anderen verborgen blieb. Die plötzliche Durchschaubarkeit dessen, was er um jeden Preis verbergen wollte, drängte eine verwirrte Bitterkeit in seine Züge, die er nicht verstecken konnte. Doch dann zog Fukurōs Knurren sein Aufmerksamkeit auf sich. 

 

Beweg dich!

 

„Komm!“ Neji packte Hinata am Handgelenk und zerrte so die Finger von ihrem Mund, bevor er sich auf dem Absatz umwandte. Er rannte los, den behelfsmäßigen Fluchtweg entlang und zog sie mit sich. 

 

„Neji-niisan! Warte!“, rief Hinata hinter ihm. 

 

„Lauf weiter!“, grollte er, seine eigenen Augen blinzelten gegen die Dunkelheit an und Hitze strömte von allen Seiten auf sie ein. „Byakugan!“

 

In dem Augenblick, in dem er sein Dōjutsu aktivierte, fluchte er los. Hastig wirbelte er herum, packte Hinata um die Hüfte und ließ sich auf ein Knie fallen. Er drückte sie gegen seine Brust, als er sich auf den Boden warf und so ihren schmalen Körper vor der Fukurōs Klinge schützte, die über seinem Kopf durch das Erdreich pflügte, das den Tunnel formte. Die instabil gewordene Decke des Ganges stürzte mit einem Donnern auf Nejis Rücken.

 

Die fallende Erde ebnete den Boden zu ihren Seiten und ließ sie schutzlos gegen die gierigen Flammen zurück. 

 

Neji konnte spüren, wie das Feuer über seine Haut leckte und sich in den Ärmel seiner Robe fraß. Er rieb mit dem Arm gegen die Erde, um die Flammen zu ersticken und zog die Schulterblätter aneinander, um den Dreck von seinem Rücken zu schütteln. 

 

„Hinata…“

 

„Neji!“, krächzte die junge Hyūga unter ihm. „Bist du…?“

 

Mit einem Keuchen stemmte er sich auf Hände und Knie. Er hielt sich selbst mit durchgedrückten Ellbogen aufrecht und starrte hinunter in ihre weit aufgerissenen Augen. 

 

„Steh auf…steh auf und lauf…finde Gai…finde Kurenai…“

 

Ihre Lippen pressten sich trotzig zu einer dünnen Linie zusammen. „Nicht ohne dich!“

 

„GEH!“ Neji stützte sich auf eine Handfläche und hob den anderen Arm, um ihr genug Raum zu schaffen, sich umzudrehen und unter ihm heraus zu krabbeln. Kaum hatte sie sich etwas aufgerichtet, stieß er ihr heftig mit einer Hand in den Rücken, um sie von sich zu schubsen. „Lauf!“

 

Der Stoß ließ Hinata stolpern, doch augenblicklich kam sie zu ihm zurück. „Ich werde nicht weglaufen!“

 

Er kannte diese Worte.

 

Verdammt seien dieser Naruto und sein selbstmörderisches Nindo!

 

„Bitte! Geh!“, bellte Neji und verstummte, als er das Wispern einer Attacke wahrnahm, von der er wusste, dass er ihr nicht ausweichen konnte. 

 

Doch Hinata bewegte sich schneller. 

 

Sie warf sich mit ihrem ganzen Gewicht nach vorn, ihre Hände umklammerten ein Kunai, das auf den diagonalen Schlag von Fukurōs Schwert traf. Der harte Aufprall lenkte die Klinge mit einem Schauer aus Funken aus der Bahn und sie schlug nur wenige Zentimeter von Nejis Gesicht entfernt im Erdboden ein. Würde er sein Gesicht auch nur ein wenig drehen, könnte sich sein Atem auf dem kalten Stahl niederschlagen. 

 

„Hn. Wie herzallerliebst.“, schnaubte Fukurō und verpasste Hinata in einem Schwung mit der Rückhand eine heftige Ohrfeige; die junge Hyūga schrie schmerzerfüllt auf.

 

Nejis Augen flogen auf und blitzten gefährlich.

 

Die Bewegung des Tsubasas hatte seine Brust für einen Angriff entblößt. Neji rollte sich auf den Rücken, zog die Beine an die Brust und hämmerte seine Füße mit aller Kraft gegen die Rippen des Bastards, sodass er einige Schritte zurück stolperte, sein Schwert jedoch nicht los ließ. Rasch kam Neji auf die Beine und wandte sich Hinata zu; Frustration und Besorgnis erfüllten ihre Augen.

 

„Verdammt nochmal, jetzt geh endlich!“

 

„Das werde ich nicht!“, schnappte sie mit überraschender Vehemenz zurück. 

 

„Spiel jetzt bloß nicht den Helden!“, fauchte Neji und griff sich an seine schmerzende Brust. „Du schuldest es deinem Clan zu leben!“

 

Unser Clan schuldet es deinem Vater, dich nicht auch noch zu einem Hyūga Opfer zu machen!“, schrie Hinata ihn an und wankte zu ihm hinüber. 

 

Die Antwort ließ Neji schlucken. In seinem Inneren spürte er eine andere Art des Schmerzes, wie die subtilen Vorzeichen eines schlafenden Orkans. Sie legten zerbrochene Gefühle tief in ihm frei, die in etwas auszubrechen drohten, dem er sich selbst nicht erlauben durfte, sich ihm zu stellen.

 

Nein…nein…

 

Er biss die Zähne zusammen und unterdrückte diese verwirrenden, gefährlichen Gefühle. Jetzt war nicht die Zeit für so etwas. Und wie um seine Gedanken zu unterstreichen, ging Fukurō wie ein wildgewordenes Tier auf sie los; die Spitze seines Schwertes zerschnitt die Luft. 

 

„Und hier endet es!“, brüllte er speichelspuckend und mit bebenden Lippen. 

 

Neji schnellte herum und streckte einen Arm aus, um Hinata hinter sich zu schieben. Doch sie stürzte bereits vorwärts, um ihn zu verteidigen; Chakra Nadeln flogen aus ihren Handflächen. Die meisten prallten von der sausenden Klinge ab, doch eine bohrte sich in Fukurōs Hals und traf einen Nerv, der seinen Arm spastisch zucken ließ. 

 

Fukurōs Finger verloren den Halt um den Griff des Schwertes und der letzte Ruck seines Armes ließ die Klinge wie ein tödliches Boomerang durch die Luft segeln. Der Griff traf mit einem hässlichen Knacken auf Nejis Hüfte und ließ die tödliche Schneide einen Bogen beschreiben – direkt auf Hinata zu. 

 

„NEIN!“

 

Blut verteilte sich in weiten Spritzern über den Boden. 

 

Die Klinge gab kaum einen Laut von sich, als sie auf der Erde aufschlug. 

 

Dann war es still.

 
 

oOo
 

 
 

Es ist viel zu still…gar nicht gut…verdammt…

 

„Kiba!“, rief Shikamaru und hoffte, seine Stimme würde den Inuzuka erreichen, da er sich gerade nicht bewegen konnte. „Antworte mir, verdammt! Wo bist du?“

 

Der Nara wandte seinen Kopf dem Klang eines entfernten Brüllens zu, sein Fokus geriet ins Schwanken, als hätte ihm jemand einen heftigen Schlag verpasst. 

 

Was zum…?

 

Das erstickte Gurgeln des vierten Tsubasa ließ seinen Blick zurück zu dem Mann schnellen, der gegen sein Jutsu ankämpfte. Shikamarus Augen verengten sich und ein finaler Chakraimpuls schloss eine schattenhafte Hand um den Hals des feindlichen Ninjas. Die Augen des Mannes traten aus ihren Höhlen und flehten den Nara stumm um eine Gnade an, die er nicht gewähren würde. Das Schattenstrangulierungs-Jutsu zerquetschte dem Ninja die Luftröhre. Shikamaru ließ die Leiche achtlos fallen und während er sich umdrehte hob er die Finger zu seinem Funkgerät. 

 

„Kiba, wo zur Hölle bist du?“

 

Nichts.

 

Verdammte Scheiße.

 

Shikamarus Augen wanderten aufmerksam über die Bäume, während er zu Göttern betete, an die er normalerweise niemals denken würde. Kibas Jutsu hatte ihnen zwar den Feuerninja vom Hals geschafft, war jedoch an dem Chakrapuls von Fukurōs verfluchtem Schwert abgeprallt und hatte Hund und Besitzer in unterschiedliche Richtungen durch den Wald katapultiert. 

 

Es war ein kalkuliertes Risiko gewesen, dass sie eingehen mussten. Kiba hatte gesagt, er wäre auf so etwas vorbereitet gewesen. 

 

Fuck, sei einfach nur am Leben!

 

Shikamaru entschied sich, einen Höhenvorteil zu nutzen und sprang von Ast zu Ast in die Baumkronen. Er folgte der Spur des Tunnels, den Neji und Hinata genommen hatten, doch Angst krallte sich unbarmherzig in sein Innerstes. 

 

Sei am Leben. Sei am Leben. Sei am Leben.

 

Ein schriller Ton explodierte in seinem Ohr. 

 

Shikamaru!“ Kurenais Stimme klang brüchig durch den Transmitter. 

 

„Kurenai-sensei! Bist du in Bewegung?“ Seine Finger flogen zu seinem Mikrofon. 

 

Ich bin bei Kiba und Akamaru.“

 

Shikamaru atmete erleichtert aus. „Sind sie ok?“

 

„Ja, sie leben. Ihre Wunden sind nicht schlimm, aber Gai hat Medic-Nins angefordert, die uns entgegenkommen und auf halben Weg zum Dorf treffen werden. Wo sind Hinata und Neji?“

 

„Da bin ich noch dran.“

 

Shikamaru ließ sich etwas tiefer fallen und beschleunigte seine Schritte. Der Schattenninja rannte über die niedrigeren Äste, während er dem Tunnel bis zu einer Bruchstelle folgte. 

 

Fuck!

 

Er hielt inne und studierte aufmerksam seine Umgebung, bevor er hinunter auf den Waldboden sprang. Er griff nach einem Kunai und bewegte sich vorsichtig weiter; seine Augen wanderten wachsam umher. Nur das Knistern sterbender Flammen erfüllte den ansonsten stillen Wald und schwarzer Rauch waberte himmelwärts. Shikamaru nutzte ihn als Deckung und seine Füße wirbelten Asche auf, als er sich geräuschlos durch die Schwaden bewegte. 

 

Was für ein Durcheinander.

 

Um den Hustenreiz zu unterdrücken hob er einen Arm und vergrub Mund und Nase in seiner Armbeuge. Er kniff die Augen gegen den stechenden Qualm zusammen und suchte wachsam nach irgendwelchen Bewegungen. 

 

Sein Fuß strich gegen kaltes Metall.

 

Durch seine dichten Wimpern spähte der Nara nach unten und seine Augen weiteten sich, als sie Fukurōs monströses Schwert erkannten; an der Schneide klebte frisches Blut. 

 

„Nein…“

 

Er bemerkte nicht einmal, dass er das Wort laut ausgesprochen hatte.

 

„Shika…maru…“

 

Der Klang seines Namens ließ seinen Kopf nach oben schnellen. Doch dann begriff er, dass er die Stimme durch seinen Transmitter gehört hatte. Er schluckte, um den Knoten in seiner Kehle zu lösen, bevor er antwortete. 
 

„Wo bist du?“ Der Nara sprach leise und versuchte mit einem Arm den undurchdringlichen Rauch zu verscheuchen, als er aus dem heißen Smog trat. 

 

Beinahe wäre er vor Schock zur Seite gesprungen, als Finger über sein Bein strichen; seine Aufmerksamkeit war starr geradeaus gerichtet gewesen. Sein Blick senkte sich und sein Herz schlug ihm heftig bis zum Hals. 

 

„Hinata…“

 
 

oOo
 

 
 

Fukurō kollabierte halb gegen einen Baum, als er versuchte sich aufzurichten. Die eine Hälfte seines Körpers schien paralysiert zu sein und keine noch so große Menge an Chakra schien in der Lage zu sein, das zu heilen, was dieses kleine Miststück in seinem Nervensystem angerichtet hatte. Es reagierte einfach überhaupt nicht mehr. Und nicht nur das, zu allem Überfluss hatte er auch noch sein Schwert zurücklassen müssen. 

 

„Bastarde…“ Der Tsubasa Anführer schmetterte mit einem zornigen Knurren seine Faust gegen den Stamm, bevor er versuchte, sich weiter voran zu schleppen. 

 

Doch erhielt nicht einmal die Möglichkeit dazu.

 

Ein Kunai grub sich in seine Kniebeuge und sorgte dafür, dass sein Bein nachgab. Schmerzhaft ging er in die Knie und heulte einen wüsten Fluch, als er sich herumrollte, um die Waffe aus seinem Bein zu zerren. Er erstarrte mit der Hand am Griff des Kunais, seine Lippen zogen sich in einem Knurren nach hinten, bevor ein schwaches Kichern seiner Kehle entwich. 

 

„Na sieh mal einer an…“

 

Neji ließ sich nicht zu einer Erwiderung herab. 

 

Der Jōnin schritt einfach nur mit einer fließenden Anmut auf den Mann zu, die der unerträglichen Qual trotzte, die von seiner Hüfte ausging. Sein weiß gekleideter Körper starrte vor Blut und Asche, langes dunkles Haar schwang in den Bewegungen seiner weichen Schritte mit.

 

Er wirkte wie ein gefallener Engel, der sogar aus der Hölle vertrieben worden war.

 

Ohne innezuhalten trat er Fukurōs Hand beiseite und zog das Kunai aus der Wunde. Er rammte es dem Tsubasa Anführer bis zum Heft in die Eingeweide und riss ihm mit einem heftigen Ruck zur Seite die Bauchdecke auf. 

 

Kein Zögern, keine klugen, belehrenden Worte.

 

Nur eine Hinrichtung.

 

Die Parodie eines ehrenhaften Todes. 

 

Die Augen des Tsubasas wurden weit, sein Mund war zu einem stummen schmerzerfüllten Schrei aufgerissen. Unverwandt hielt Neji seinen Blick auf Fukurōs Gesicht gerichtet. Es waren seine Augen, die dieser Bastard gewollt hatte – und sie würden das Letzte sein, das der Tsubasa jemals sehen würde. 

 
 

oOo
 

 
 

In einem leisen Rascheln flogen die Bäume an ihm vorbei, Blätter wisperten um den hastenden Chūnin herum, als Shikamaru von Ast zu Ast sprang. 

 

„Es tut mir leid…“

 

Er blinzelte, beinahe wäre ihm die leise geraunten Worte gegen seine Brust entgangen. Er senkte den Blick auf den Körper, den er sicher in den Armen hielt. 

 

„Hmm?“

 

„Es tut mir leid…“, murmelte Hinata noch einmal, ihre halb geschlossenen Augen glitten von dem Druckverband um ihren Schenkel hinauf zu Shikamarus Gesicht. 

 

„Wofür zur Hölle entschuldigst du dich?“ Der Nara schüttelte den Kopf. 

 

„Ich habe das Team verlassen…“

 

Shikamarus Augen weiteten sich kurz, bevor ein schwaches Lächeln seine Lippen verzog. Seine Stimme klang amüsiert, als er antwortete: „Ein Hyūga entschuldigt sich bei mir, huh? Heute ist wirklich ein verrückter Tag…“

 

Was für eine Untertreibung.

 

Es war ein verfickt nochmal furchtbarer Tag. 

 

Shikamarus Magen hatte mehr Sprünge vollführt als ein dämliches Aufziehspielzeug und er war sich ziemlich sicher, dass Neji sich vorsätzlich einen Plan zurechtgelegt hatte, um ihm heute noch einen Herzinfarkt zu verpassen.

 

Er sollte besser am Leben sein…

 

Die Blutung von Hinatas Beinwunde hatte gestoppt, doch beinahe hätte die Klinge eine Arterie getroffen. Durch die Gunst irgendeines Gottes oder aber einfach nur aus purem Glück hatte sie es geschafft, genug Chakra aus ihren Handflächen fließen zu lassen, um die Flugbahn des Schwertes innerhalb eines Sekundenbruchteils ein winziges Stück zu ändern. 

 

Sie hatte ihm erzählt, dass sich Neji um ihr Bein gekümmert und dann Fukurō verfolgt hatte. Shikamaru war darüber nicht im Mindesten überrascht, doch er hatte gehofft, der Jōnin würde zumindest irgendeine Art von Selbsterhaltungstrieb aufweisen. Hinata war allerdings sofort zu Nejis Verteidigung eingesprungen und hatte sein Handeln unterstützt. Denn es war eine Tatsache, dass sie immer noch in Gefahr waren, solange Fukurō atmete. 

 

„Halte einfach durch, wir sind fast da.“, murmelte Shikamaru nun und drückte sie noch etwas fester an sich. „Gai-sensei wird sich den Rest des Weges um dich kümmern, okay? Er ist schneller als ich.“

 

„Neji…“ Hinata drehte den Kopf und spähte an der Schulter des Schattenninjas vorbei in die Richtung aus der sie kamen. „Er ist…“

 

„Ich werde ihn finden!“ Shikamaru zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Wenn er mich nicht zuerst findet, der hinterhältige Bastard.“

 

„Shikamaru-kun?“ Er beobachtete, wie sich ihre Lider schlossen; ihre Stimme wurde noch weicher. 

 

Er brummte leise, als er auf sie hinunterblickte. Doch Hinata antwortete nicht sofort, sondern nahm sich Zeit, das Blut von ihrer Unterlippe zu wischen, als sie sie zwischen die Zähne zog. Offensichtlich kämpfte sie mit ihren nächsten Worten. 

 

„Du musst Neji von meinem Vater fernhalten…“

 

Shikamarus Schritte gerieten beinahe aus dem Gleichgewicht, doch vehement stieß er sich ohne anzuhalten von dem nächsten Ast ab. Seine Intuition sagte ihm, dass diese Worte ganz weit oben in der Kategorie ‚Nicht mein verficktes Problem‘ standen. Doch im selben Moment musste er feststellen, dass sich sein Mund ein Beispiel an Naruto nahm und sein Hirn übersprang. 

 

„Wieso das?“ Er versuchte, die Frage nicht argwöhnisch klingen zu lassen; auch wenn er allen Grund dazu hätte. 

 

„Weil…es alles nur noch schlimmer machen würde…“

 

Shikamaru seufzte und schüttelte den Kopf. „Weißt du, ich bin jetzt nicht so wirklich gut bewandert in den Familiengeheimnissen der Hyūga…also wenn du meine Hilfe in dieser Sache willst, musst du dich schon ein bisschen klarer ausdrücken.“

 

Er spürte, wie sich der Griff von Hinatas Arm um seine Schulter verstärkte. „Ich denke, dass ich endlich verstanden habe…warum Neji von zuhause fortgeblieben ist…“

 

Der Nara forderte sie nicht auf, weiter zu sprechen, sondern ließ sie die Geschwindigkeit des Gesprächs entscheiden. Gleichzeitig versuchte er aber auch, durch die entstandene Pause auszudrücken, wie sehr er nicht in diese Sache verwickelt werden wollte. Doch bevor er zu der Hyūga hinunterblicken konnte, sprach sie weiter.

 

„Sollte er nach Hause kommen…und wenn…wenn er mit meinem Vater trainiert…dann wird er sehen, was ich gesehen habe…jeder, der das Byakugan besitzt kann es sehen…“

 

Shikamaru wartete auf eine Erklärung, die nie kam. 

 

Oh Mann, wie lästig…sollen das psychologische Spielchen sein, die ich mir selber zusammenreimen muss, oder was?

 

„Wenn du schon meine Hilfe willst, dann verheimliche mir nichts.“, sagte Shikamaru nachdrücklich, woraufhin sie entschuldigend den Kopf einzog. „Sprichst du von diesen Malen auf seiner Brust?“

 

Hinatas Augen flogen weit auf und sie stierte zu ihm hinauf. „Du weißt davon?“

 

Fuck…Ich dachte sie weiß, dass ich es weiß…

 

War das denn nicht der Grund, warum sie ihn vor ihrem Aufbruch so erwartungsvoll angesehen hatte? Der Nara schüttelte stirnrunzelnd den Kopf.

 

Ugh…das ist lächerlich…

 

„Weiß ich was genau?“, konterte Shikamaru. „Ich weiß nur, dass er vor zwei Monaten einige blaue Flecken dort hatte.“

 

Es war keine vollkommene Lüge. Aber wenn Hinata sich weigerte, sämtliche Karten auf den Tisch zu legen, würde er es auch nicht tun. Ihm war klar, dass sein Gesichtsausdruck nicht viel verraten würde, doch er würde auch nicht unterschätzen, wie scharfsinnig die Hyūga war. 

 

„Ich weiß nicht warum…aber…“ Hinata schüttelte den Kopf. „Er hat lebenswichtige Tenketsu blockiert…die Bahnen…die mit seinen Lungen verbunden sind…und seinem Herz.“

 

Er hat WAS getan?

 

Shikamaru spürte, wie mit seinem eigenen Herzen etwas merkwürdig Unangenehmes geschah. Vor zwei Monaten hatte er gewusst, dass Neji in seinem dämlichen betrunkenen Zustand etwas Unvorsichtiges getan hatte. Aber war es damit nicht erledigt gewesen?

 

Scheiße…er hat wirklich diese Bahnen ‚blockiert‘?

 

Shikamaru war kein Medic-Nin, aber es brauchte auch nicht viel, um hier eins und eins zusammenzählen zu können. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, welchen Schaden die Sanfte Faust anrichten konnte, wenn es um die Beeinflussung der Tenketsu ging; diese Wege waren lebenswichtig für die Körperfunktionen.

 

Er zwang sich dazu, tief einzuatmen und kam auf einem Ast zum Stehen, während er zu Hinata hinunterblickte. Sie sah ihn nicht an, ihre Augen waren nach unten gerichtet und ihre Stirn in besorgte Falten gelegt. 

 

„Ich wünschte, ich wüsste warum…“, wisperte sie kopfschüttelnd. Ihre verzweifelten Worte kamen mit stockenden Atemzügen über ihre Lippen. „Es…macht einfach keinen Sinn…so etwas zu tun…ich…“

 

„Hey, ganz ruhig…“, sagte Shikamaru sanft und zwang seine Stimme zu einer trägen Leichtigkeit, die er nicht im Geringsten verspürte. Doch er wusste, dass er sie für Hinata vortäuschen musste. „Ich werde mir etwas überlegen, okay? Es wird alles gut!“

 

Für einen furchtbaren Moment glaubte er, sie würde anfangen zu weinen. Doch sie tat es nicht und die tiefe Erleichterung, die er deshalb verspürte, versetzte ihm ein dumpfes Schuldgefühl. Doch dann hob sie den Kopf und sah ihn mit diesen tief besorgten und vertrauensvoll erwartenden Augen an. 

 

Ah fuck…Frauen und ihr Dackelblick…

 

Trotz seines Widerwillens lächelte er schwach und schritt vorsichtig über den Ast, um sie abzusetzen und gegen den Baumstamm zu lehnen. Er ging in die Hocke und begegnete ihrem Blick auf Augenhöhe.

 

„Hör zu, es ist besser, wenn wir niemandem von der Sache erzählen, okay?“ Shikamaru seufzte und rieb sich mit einem Brummen die Augen. „Je weniger Leute involviert sind, desto geringer ist die Gefahr, dass ich mit den Händen deines Cousins um meine Kehle im Krankenhaus ende.“

 

Hinata blinzelte, realisierte dann aber, dass es ein Scherz sein sollte. Sie versuchte zu lächeln und strich sich ihr dunkles Haar hinter ein Ohr, als sie unsicher summte und den Blick abwandte. „Okay.“

 

„Hey…“ Shikamaru wartete geduldig, bis sie ihn ansah. „Es wird alles gut, okay?“

 

Diesmal lächelte sie wirklich und besiegelte so die Abmachung. Und damit gab es keinen Ausweg mehr aus dieser Sache. Soeben hatte er sich kopfüber in das kalte Wasser aus Problemen gestürzt, die nicht seine waren; und jetzt konnte er nichts anderes mehr tun, als sich diesen Problemen zu stellen. 

 

Mist…

 

„Na schön.“ Shikamaru grinste schief und hob gerade die Finger zu seinem Funkgerät, als Gai in Sicht kam. Er kam auf sie zu gehüpft wie ein wahnsinniger grüner Frosch auf Crack, quicklebendig und bereit loszulegen.

 

Und ich will einfach nur schlafen…für eine Woche…

 

„Shikamaru-kun?“ Hinata packte ihn am Handgelenk, bevor er sich erheben konnte. 

 

„Jo?“

 

„Danke…“ Das Wort wurde von diesem verdammten vertrauensvollen und viel zu lästigen Lächeln begleitet. 

 

Trotz des genervten Murrens in seinem Kopf, erschien ihm das Gewicht ihrer Erwartung durch irgendetwas leichter, das Shikamaru nicht benennen konnte. Es fühlte sich wie eine seltsame Art der Akzeptanz in seinem Inneren an. Als hätte er es am Ende so oder so getan, auch wenn sie ihn nicht darum gebeten hätte.

 

Ich bin offensichtlich auf dem besten Weg, mich von meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit zu verabschieden…

 

Hinata lächelte erneut und Shikamaru rollte mit den Augen, als ein leidgeplagtes ironisches Seufzen seine Lippen verließ. 

 

„Wie lästig.“

 
 

xXx
 

 
 

Ihre Wege trafen sich kurz vor Sonnenuntergang.

 

Eigentlich hatte er sich auf eine Art mühsame Verfolgungsjagd eingestellt. Eine, die eine Menge Fluchen und Nachdenken seinerseits und eine Menge Schweigen und Vermeidung auf Nejis Seite mit sich bringen würde. 

 

Doch so kam es nicht.

 

Sehr zu seiner Erleichterung und Überraschung lief der Hyūga nicht vor ihm davon oder versuchte es auf einen Kampf ankommen zu lassen. Shikamaru stellte fest, dass er sich nicht durch irgendetwas hindurchdrängen oder es mit klugen Worten umgehen musste. Wie zum Beispiel einen meterhoher mentaler Verteidigungswall. Das hieß aber noch lange nicht, dass Neji in irgendeiner Weise erreichbar war. In dem Moment, als Shikamaru die kurze Distanz zwischen ihnen schloss, straffte der Hyūga die Schultern und diese viel zu gelassene Maske legte sich erneut über seine Gesichtszüge. 

 

So verdammt dickköpfig…

 

Doch Nejis Blick verriet ihn und als er sprach, bemerkte Shikamaru, dass die Stimme des Jōnin dieselben haarfeinen Risse in sich trug wie seine opalhaften Augen. 

 

„Hinata?“

 

„Sie ist in Sicherheit. Gai bringt sie zurück ins Dorf, ein Team Medic-Nins wird sie auf dem Weg treffen.“ Der Nara legte den Kopf schief, bevor er hinzufügte: „Es geht ihr gut. Den anderen auch.“

 

Etwas kaum Wahrnehmbares huschte für einen kurzen Augenblick über Nejis Gesicht – möglicherweise war es Erleichterung, Shikamaru war sich jedoch nicht sicher. Seine Lippen verzogen sich zu einem grimmigen Lächeln, doch seine dunklen Iriden musterten Neji aufmerksam. Er sah furchtbar aus. Eine unglaubliche Menge Blut klebte an ihm und Shikamaru hoffte inständig, dass nicht alles davon das des Hyūgas war. 

 

„Fukurō?“

 

„Tot.“

 

Der Nara brummte und seine Augen glitten flüchtig über Nejis Schulter und suchten nach einem Geist, der nicht kam. Das Gefühl einer tiefen Erleichterung überschwemmte im Moment alles andere in ihm. Sie alle hatten überlebt. Sie hatten es geschafft und dabei einige ihrer Wetten auf pures Glück und den Rest auf eine Zwei-Minuten-Strategie gesetzt.

 

Für’s Erste war der Feind besiegt. Was für Konsequenzen sich auch immer aus dieser Sache und vonseiten des restlichen Tsubasa Clans ergeben sollten – es wäre ein Kampf für einen anderen Tag. Und Shikamaru wollte dabeiganz sicher keine Rolle spielen. Er richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf Neji und runzelte angesichts des roten Flecks die Stirn, der sich langsam auf dem Stoff über der rechten Hüfte des Jōnin ausbreitete.

 

„Kannst du laufen?“

 

„Ja.“ Neji nickte und fügte widerwillig hinzu: „…langsam.“

 

Shikamaru lächelte zaghaft, er wusste, wie es sich vermutlich auf den Stolz des Hyūgas auswirkte, das zugeben zu müssen. Er zuckte mit den Achseln und drehte sich träge auf dem Absatz, um neben Neji herzulaufen. 
 

„Ist mir recht, Hyūga. Ich mag es, die Dinge langsam anzugehen.“

 

„Hn.“ Neji stakste neben ihm her und bemühte sich noch immer, ein gewisses Maß an Anmut aufrecht zu erhalten. 

 

Beinahe hätte Shikamaru eine Hand ausgestreckt, um Nejis Rücken zu berühren und ihm Halt zu geben, wie er es getan hatte, als der Hyūga betrunken gewesen war. Doch stattdessen verschränkte er hinter seinem Kopf die Finger ineinander und tat so, als würde er sich strecken. 

 

„Weißt du, ich hätte nie gedacht, dass ich kleinlich genug wäre, um das jemals zu sagen. Aber bei dieser Gelegenheit kann ich nicht anders…“ Er spähte seitwärts zu Neji hinüber. „Ich hab’s dir doch gesagt.“

 

Neji starrte für einen langen Moment auf den Boden und runzelte verwirrt die Stirn, bevor er den Blick durch dichte Wimpern erwiderte. „Huh?“

 

Shikamaru lächelte; es war nur ein ironisches, subtiles Heben eines Mundwinkels, bevor er die Augen abwandte und leise erklärte: „Du lebst, oder nicht?“

 
 

xXx
 

 
 

Der Himmel war von einem tiefen Purpur gezeichnet und die letzten Spuren des Sonnenuntergangs versanken in den dunklen Bahnen der Dämmerung, als sie ins Dorf zurückkehrten. Shikamaru hatte erwartet, dass sie ein Medic-Nin empfangen würde, wenn sie durch das Tor kamen. 

 

Doch er hatte nicht Sakura erwartet – und schon gar nicht Naruto.

 

Mist.

 

Der Uzumaki marschierte vor der pinkhaarigen Kunoichi her und stoppte Shikamarus und Nejis Schritte abrupt mit einem Ausdruck der Empörung und Besorgnis. Es war eine Kombination, die nur Naruto zustande bringen konnte, während er gleichzeitig jede Person in Hörweite darüber in Kenntnis setzte. 

 

„Was zur Hölle ist passiert, Shikamaru? Warum habt ihr zwei so ewig gebraucht?“

 

Der Nara versuchte den energiegeladenen Ninja zu verscheuchen. „Mann, was bist nur für ein Kleinkind.“

 

Naruto zog eine finstere Miene und wandte seine Aufmerksamkeit Neji zu. „Was ist passiert? Du siehst aus, als hätte dich eine Lawine überrollt!“

 

Shikamaru hatte keine Zeit, dem Großmaul zu sagen, dass er die Klappe halten sollte, bevor Sakuras Faust Narutos Hinterkopf traf. „Lass es gut sein!“

 

„Danke.“ Der Schattenninja grinste sie an und ignorierte Narutos geknickten Blick. 

 

Sehr zufrieden mit sich schritt Sakura zu dem Hyūga hinüber. Ihr Gesichtsausdruck wurde sofort ernst, als ihre grünen Augen über die blutgetränkte Robe glitten. „Lass mich mal sehen.“

 

„Es ist nur meine Hüfte, mit dem Rest komm ich klar.“ Neji verlagerte sein Gewicht auf seine unverletzte Seite und Sakura hielt ihre Hände über den frakturierten Knochen, um mit restaurativem Chakra die Verletzung zu heilen. 

 

„Du solltest dich wirklich untersuchen lassen, Neji!“, riet sie zaghaft. 

 

„Es ist alles gut.“, erwiderte der Hyūga kopfschüttelnd. 

 

„Hey! Was zur Hölle ist mit Hinata passiert?“, meldete sich Naruto erneut zu Wort und rieb sich immer noch die schmerzende Stelle an seinem Hinterkopf.

 

„Halt die Klappe!“, fauchte Shikamaru ihn an. 

 

„Ich werde sicher nicht die Klappe halten!“, knurrte der Blondschopf zurück. Seine gutgemeinten Intentionen machten sich wieder einmal zum schlechtmöglichsten Zeitpunkt bemerkbar. 

 

Dem Nara fehlte dafür allerdings jede Geduld – vor allem, als sich Naruto zu Neji umwandte und auf den Jōnin zuschritt. Er wusste nicht einmal, wie und warum es geschah, doch sein Körper bewegte sich augenblicklich und schob sich wie ein kalter unheilvoller Schatten zwischen Naruto und den Hyūga. 

 

„Bleib zurück!“ Die Worte verließen Shikamarus Mund in einem Tonfall, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er ihn besaß. Er war tief und drohend und umso beunruhigender, da er nicht zornig klang – sondern einfach nur todernst.

 

Für einen langen Moment sagte niemand etwas. 

 

Naruto starrte ihn einfach nur an, in seinen ausdrucksstarken Augen schwamm ein verletzter Blick gemischt mit fassungsloser Verwirrung, die seine wütende Erwiderung im Keim erstickte. Shikamaru stierte zurück und verbarg seine eigene Überraschung über seine Handlungen deutlich besser. 

 

Was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

 

Sakura ließ ihre Hände von Nejis Hüfte sinken und erhob sich aus ihrer Hocke. Rasch lief sie zu Naruto hinüber und schlug ihm leicht auf den Arm, um die Spannung in der Luft zu lösen. 

 

„Du solltest es wirklich gut sein zu lassen, außer du willst im Krankenhaus landen, okay?“

 

Naruto wandte seine Augen nicht von Shikamaru ab, seine Brauen zogen sich ganz leicht zusammen. „Ja…“, murmelte er dann rau und klang dabei ein wenig zittrig. „Klar.“

 

Shikamaru blinzelte und glitt sofort zurück in seine vertraute träge Erscheinung der Gelassenheit, als hätte er sie niemals abgelegt. Er hielt sich eine Hand vor den Mund und gähnte, während er mit den Schultern rollte, um seine verspannten Muskeln zu lockern. 

 

„Naja, für mich war das auf jeden Fall genug Aufregung für einen verdammten Tag. Bis dann.“ Er winkte faul mit einer Hand über die Schulter zu Sakura und Naruto hinüber, während er langsam davon schlenderte. „Neji, hast du einen Moment?“

 

Der Hyūga neigte leicht den Kopf in Sakuras Richtung um ihr zu danken, bevor er die angebotene Möglichkeit zur Flucht vor Naruto nutzte. Er schloss zu dem Nara auf, als der Schattenninja seine Schritte ein wenig verlangsamte. 

 

„Was gibt es, Nara?“

 

„Du wirst nicht nach Hause gehen, oder?“ Shikamaru schlenderte einfach weiter und wirkte vollkommen desinteressiert. Ihm entging nicht, wie sich Neji neben ihm versteifte. „Entspann dich, Neji…“

 

Doch die Worte bewirkten nur, dass sich der Hyūga noch mehr anspannte, bevor er leise ausatmete und den Nara mit mangelnder Verärgerung überraschte. 

 

„Nein“, murmelte er nur. „Werde ich nicht.“

 

„Dachte ich mir.“ Shikamaru warf ihm einen Seitenblick zu. „Schätze mal, du wirst dich auch nicht von einem Arzt untersuchen lassen, oder?“

 

„Es geht mir gut.“

 

Shikamaru hatte bereits gewusst, dass das Krankenhaus keine Option war. Hiashi Hyūga wäre bestimmt mit Hinata dort, oder aber ein anderes Mitglied des Clans. Es war viel zu riskant; vor allem, wenn Hinatas Warnung ernstzunehmen war. 

 

„Brauchst du einen Platz zum Pennen?“, platzte es einfach so aus ihm heraus und er schaffte es gerade noch, es zumindest einigermaßen beiläufig klingen zu lassen.

 

Neji zögerte und seine Lippen wurden schmal, als er die Stirn runzelte. „Warum solltest du…“

 

„Nimm es oder lass es bleiben.“ Träge rollte Shikamaru die Schultern. „Das Angebot steht. Erwarte nur nicht von mir, den aufmerksamen Gastgeber zu spielen.“

 

Neji sagte überhaupt nichts, doch er lief auch nicht davon. Genauer gesagt hielt er genau mit Shikamaru Schritt, weder fiel er etwas zurück, noch lief er vor dem Nara – er ging einfach nur leise neben dem Chūnin her. Shikamaru nahm an, dass es Nejis Art war, seine Würde zu bewahren. 

 

Es war schließlich nicht so, als hätte der Hyūga eine große Auswahl an Übernachtungsmöglichkeiten. 

 

Jeder andere würde darauf bestehen, dass sich Neji medizinischer Hilfe unterzog und Shikamaru nahm an, dass letztendlich er sich irgendwie darum kümmern musste, ohne dabei den lästigen Stolz des Hyūgas zu verletzen. Neji in einem Hotel unterzubringen war definitiv keine Option. Es würde nur ungewollte Aufmerksamkeit im Dorf erregen und Fragen aufwerfen. Die Hyūga waren genauso wie einst die Uchiha und blieben stets in der Siedlung ihres Clans – sie schätzten sowohl ihr Prestige, als auch ihre Privatsphäre.

 

„Ich will mich nicht aufbürden…“, sagte Neji leise nach einer unangenehmen Pause und klang dabei steif und unbehaglich.

 

Shikamaru kicherte, er konnte einfach nicht anders. „Mann, du bist wirklich unglaublich. Entspann dich, es ist kein Problem!“

 

Das war eine Lüge. 

 

Es war ein verfickt großes Problem soweit es die Privatsphäre des Nara betraf. Der Schattenninja wusste das eigentlich, aber anscheinend wusste ein dämlicher, komplizierter und störender Teil von ihm instinktiv etwas anderes.

 

Es war der gleiche törichte Teil von ihm, der ihn dazu gebracht hatte, Neji vor zwei Monaten nachzujagen…der gleiche Teil, der den Zorn des blassäugigen Ninja mit einem Zusammenprall von Zähnen und Lippen zum Schweigen gebracht hatte…der gleiche dämliche Teil, der Neji in einen Bereich seiner Welt eingeladen hatte, den er viel lieber unkompliziert gehalten hätte…genau der gleiche verrückte und verwirrende Teil seines Hirns, der das Bild des sonst so stoischen Jōnin nicht abschütteln konnte, wie er lachte und sich beschwipst in mäandernden Linien bewegte…

 

Und zu alledem kam der schlimmste und gefährlichste Teil. Der Teil von ihm, der ihn dazu gebracht hatte, über Nejis unruhigen Schlaf zu wachen und Shikamaru mit einer klammerhaften Besorgnis belästigte, die er einfach nicht nachvollziehen konnte…es war dieselbe Art von Besorgnis, die ihn dazu getrieben hatte, sich mit einer völlig untypischen aber automatischen Aggression, die ihn zutiefst beunruhigte, zwischen Neji und Naruto zu stellen…

 

Oh ja.

 

Es war ein verfickt großes Problem…

 

Und trotz all seines Genies, er hatte nicht die geringste Ahnung, wie zur Hölle er das Problem lösen konnte…oder ob er das überhaupt wollte.

 

 

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So und zum 17. Kapitel von Vmf gibt es hier noch das 8. zu BtB ;) 

Ich hoffe doch sehr, dass es euch gefallen hat. Ja? Nein? Würde mich wie immer mega freuen zu erfahren, was ihr von dem Kapitel haltet! :) 

Vielen Dank für eure Reviews zum letzten Kapitel, ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mich darüber freue :) 

I can't forget it

Der Nara Wald war in zarte Nebelschleier gehüllt und erfüllt von der nächtlichen Symphonie zirpender Zikaden am Boden und dem Rauschen bunter Ahornblätter in den Baumkronen. Glühwürmchen jagten oder schwirrten träge durch die Dunkelheit, glitten wie fallende Sterne in und aus dem Nebel. 

 

Neji beobachtete ihren Tanz durch halb geschlossene müde Augen, seine Fingerspitzen verteilten sachte eine Heilsalbe auf den Brandwunden an seinem Arm.

 

Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so erschöpft gewesen war. 

 

Doch es fühlte sich anders an als die übliche Müdigkeit, die aus exzessiv verbrauchtem Chakra resultierte. Er hatte nicht gelogen, als er vorhin gesagt hatte, er wäre am Ende. Sein Chakra war so niedrig, dass es sich anfühlte, als hätte ihm jemand all sein Blut und sämtliche Mobilität aus dem Körper gesaugt. Die Lebenskraft, über die er immer mit der arroganten Gewissheit verfügt hatte, sie wäre stets da, war vollkommen ausgezehrt.  

 

Seine Müdigkeit resultierte allerdings aus etwas anderem. 

 

Es war ein dumpfer Schmerz, der tief ging, tief bis in seine Knochen und seine Rippen zusammenzog. Er ließ den Hyūga mit dem Gefühl dieser gefährlichen Atemlosigkeit zurück, die er vor zwei Monaten zurückgekämpft hatte. 

 

Nicht jetzt…nicht heute Nacht…ich denke nicht, dass ich mich heute Nacht dagegen wehren kann…

 

Seine Finger verharrten kurz auf seinem Arm, bevor sie den Ärmel des Yukatas wieder nach unten zogen. Der Hyūga saß draußen auf der niedrigen Veranda, getaucht in die Pfütze weichen Lichtes, das dämmrig aus genau dem Gästezimmer fiel, aus dem er vor zwei Monaten spurlos verschwunden war. 

 

Ich sollte nicht hier sein…

 

Er hätte Shikamarus Angebot überhaupt nicht annehmen sollen; aber eine sicherere Alternative hatte er nicht. Doch in jedem Fall verblasste sein geistiges Unbehagen völlig neben dem Schmerz, der sich schleichend in seinen Muskeln ausbreitete. In dem Augenblick, in dem er über die Türschwelle des Nara Anwesens getreten war, hatte sein Körper letztendlich damit begonnen, ihm den Dienst zu versagen. Seine Finger hatten mit diesem beleidigenden Zittern angefangen; es waren kleine, kaum wahrnehmbare Bewegungen. Doch Shikamaru musste es bemerkt haben, denn der Schattenninja hatte sich sofort schweigend – und dankbarerweise ohne eine Szene zu machen – um eine einfache medizinische Versorgung gekümmert. Die ganze Zeit über erschien er dabei beiläufig und unbekümmert.

 

Er sollte sich überhaupt nicht darum kümmern…

 

Doch das tat er. Und Neji wollte nicht daran denken, warum. 

 

Stattdessen ließ der Hyūga etwas die Schultern fallen und schob den Yukata nach unten, um so gut wie möglich etwas Salbe auf seinen geschundenen Rücken aufzutragen. Es war kein kleiner Segen, dass der Nara Clan über eine Fülle an therapeutischen Mitteln und Salben verfügte. 

 

Neji konnte nicht anders, als ein wenig überrascht zu sein. 

 

Immerhin war den meisten Nara Männern diese lustlose Attitüde zu eigen. Sie machte es beinahe unmöglich zu glauben, dass sie wirklich über die nötige Konzentration verfügten, der es bedurfte, um sich solch engagierter Heilungsforschung zu widmen. 

 

Vielleicht sollte er auch eher Shikamarus Mutter danken –  es war schließlich ihr Vorrat an sorgfältig aufbewahrten Medikamenten, den Shikamaru aus ihrem Schrank stibitzt hatte. Dabei kam ihm ein gemurmelter Kommentar über den Lippen, wie lästig die Angewohnheit seiner Mutter war, die Döschen und Salben nicht zu kennzeichnen. Rasch überprüfte Neji die Creme, nur um sicherzugehen, dass er sich nicht irgendetwas Fragwürdiges auf die Schulter rieb. 

 

Ein dumpfer Schlag erscholl von irgendwo aus dem Haus. 

 

„Mist…“

 

Der leise Fluch ließ Neji den Kopf drehen. Die Shoji Tür wurde etwas weiter aufgeschoben und Shikamaru schlüpfte seitwärts nach draußen, ein Tablett präzise auf einer Hand balancierend. 

 

„Du hast Tee gemacht.“, bemerkte Neji, bevor er seinen Blick auf den Garten und anschließend auf die nahen Bäume richtete. „Ich dachte du wolltest nicht den aufmerksamen Gastgeber spielen.“

 

„Du solltest auch kein Drei Gänge Menü erwarten.“, erwiderte Shikamaru gedehnt und stellte das Tablett auf dem sauber gefegten Holz der Veranda ab. „Tee ist das höchste der Gefühle, wenn es um meine Gastfreundlichkeit geht.“

 

Der Hyūga schmunzelte schwach und stellte die Salbe beiseite. „Ich weiß deinen offenkundigen Aufwand zu schätzen.“

 

„Solltest du auch.“ Träge setzte sich Shikamaru, ein Bein ließ er über den Rand der Terrasse baumeln, das andere blieb aufgestellt, um seinen Arm darauf ablegen zu können. „Meine Mom wäre so stolz…“

 

Auch wenn es nicht nötig war, wusste Neji den Humor irgendwie zu schätzen. Es war schon schwer genug für ihn, sich in dieser Position zu befinden – schon wieder. Es störte den Hyūga mehr als alles andere, dass Shikamaru von seinen gefährlichen Ausrutschern in seiner sonst so stoischen Miene wusste. Hätte er die Energie dazu, hätte Neji vermutlich versucht, sich von der Veranda zu entfernen. Doch zu seiner persönlichen Verärgerung und Verwirrung war ihm im Moment die Abwesenheit von Schmerz wichtiger als sein Stolz. 

 

Seine Gedanken mussten sich auf seinem Gesicht widerspiegeln, denn Shikamaru lachte leise. „Entspann dich, Neji.“

 

Da waren sie wieder…diese beiden Worte.

 

Neji ließ seine Augen von dem Spiel der Glühwürmchen nach unten gleiten, um den flachen Steinen zu folgen, die zu den stillen Wassern des Gartenteichs führten.

 

Entspann dich.

 

So etwas konnte er sich nicht leisten, selbst wenn er es wollte. Doch er redete sich selbst ein, dass dem auch nicht so war; er wollte sich nicht entspannen. Er durfte sich nicht entspannen, nicht für eine einzige Sekunde. Jedes Mal, wenn er versuchte, die Spannung in seinem Innersten etwas zu lösen, begann eine rasselnde Synkope seine Atmung zu beeinträchtigen. Als würde Loslassen etwas in ihm entfesseln, für das ihm jegliche Energie fehlte, um sich ihm entgegenzustellen. 

 

Nicht heute Nacht…nur nicht heute Nacht…

 

Entspannung stand sehr weit unten auf der Liste seiner Ziele. Was im Moment wirklich zählte, waren Genesung und der Versuch, ein gewisses Maß an Würde zusammenzukratzen. 

 

Leise atmete Neji aus und griff nach dem Tee. Seine blassen Finger fächerten für einen Moment durch den wirbelnden Dampf des Getränks, bevor er den kleinen Becher anhob und einen Schluck des wohltuenden Gebräus nahm. Eine Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit auf Shikamaru. Der Chūnin hatte leicht den Kopf geneigt und den Hals gestreckt und musterte mit dunklen Augen Nejis freiliegendes Schulterblatt.

 

„Sieht übel aus.“

 

„Fühlt sich auch nicht viel besser an.“ Neji verzog leicht die Lippen und versuchte so die Schwere der Wunde herunterzuspielen, die er zwar nicht sehen, aber mehr als deutlich spüren konnte. Die einstürzende Tunneldecke hatte seinem Rücken nicht wirklich gutgetan. „Aber es wird verheilen.“

 

„Hn. Du solltest wirklich zu einem Arzt gehen!“

 

„Wären wir auf einer Mission, hätte ich diesen Luxus auch nicht.“

 

„Naja, du bist aber nicht auf einer Mission.“, erwiderter Shikamaru leichthin und griff nach seiner Teetasse, während er mit dem Kinn in Richtung der Wunde nickte. „Das könnte sich böse entzünden.“

 

„Ich vertraue darauf, dass die Wundsalben, die du mir gegeben hast, eine Infektion verhindern.“

 

„Na dann lass uns mal hoffen, dass ich dir auch das richtige Zeug gegeben habe und kein Waffenfett oder sowas.“
 

Neji erstarrte, seine Lippen schwebten über dem dünnen Rand seiner Tasse. Er warf dem Nara einen Seitenblick zu. „Das ist nicht witzig…“

 

Shikamaru schürzte die Lippen auf eine Weise, die deutlich machte, dass er sich alle Mühe gab, nicht zu schmunzeln. „Schätze nicht.“

 

Neji wollte nicht das geringste Risiko eingehen. Er linste hinunter auf die Salbe, die er neben sich gestellt hatte und kämpfte den Drang nieder, sein Byakugan zu aktivieren, um durch den Behälter blicken zu können. Er konnte Shikamaru giggeln hören und sein Blick schnellte erneut nach oben, sein Unbehagen kaschierte er mit einer finsteren Miene.

 

„Du wirst das nicht mehr so lustig finden, wenn ich das Zeug benutze, um die Waffe einzufetten, mit der ich dich erstechen werde, sollte sich wirklich herausstellen, dass das…“

 

„Vorsicht, Hyūga, das klingt unangemessen suggestiv…“ Der Nara versteckte sein Lächeln hinter einer Wand aus Dampf von seinem Tee. 

 

„Shikamaru.“, warnte Neji.

 

„Scheiße, woher nimmst du überhaupt noch die Energie für Drohungen?“ Shikamaru grinste und ein weiches Kichern nahm seinem Sarkasmus den Biss. „Bist du gar nicht müde?“

 

Doch.

 

Neji konnte spüren, wie sich seine Verärgerung verflüchtigte und er brachte sogar ein leises Summen als Antwort zustande. ‚Müde‘ war eine Untertreibung. Er drehte den Oberkörper, nur um auf halben Weg zu der Salbe innezuhalten, als sich ein scharfer Schmerz wie eine Lanze in seine Hüfte bohrte. 

 

Müde, angefressen und unter Schmerzen – das traf schon eher zu. 

 

Er schluckte mühsam seinen Frust hinunter und machte sich daran, erneut die Wunden zu versorgen, die er erreichen konnte. Die ganze Zeit über hielt er seinen Blick angestrengt von dem anderen Ninja fern. 

 

„Wir haben irgendwo noch ein Sedativum rumliegen.“, sagte Shikamaru. „Sollte dir helfen, trotz der Schmerzen zu schlafen.“

 

„Willst du damit sagen, dass du mich anders als das letzte Mal nicht bewusstlos schlagen willst?“, schnaubte Neji, doch in seinen blassen Augen tanzte eine verschleierte Belustigung. „Wie rücksichtsvoll von dir!“

 

„Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, wäre das vermutlich weniger lästig.“ Shikamaru grinste und setzte sich etwas aufrechter hin, bis sein Profil in fahles Mondlicht getaucht wurde. 

 

Das unheimliche Leuchten höhlte seine Gesichtszüge aus und ließ die braunen Iriden des Nara schwarz wie Onyx erscheinen. Das Licht der schwirrenden Glühwürmchen spiegelte sich tanzend in ihren dunklen Tiefen. Rasch wandte Neji den Blick ab und runzelte die Stirn; Shikamaru missinterpretierte seinen Ausdruck als Schmerz.

 

„Weiter links.“

 

Der Hyūga blinzelte angesichts der seltsamen Worte, sah aber nicht auf. Er war viel zu beschäftigt damit, sich darauf zu konzentrieren, seinen Arm nach oben und hinten zu bewegen, um mit den Fingern über den tiefen Schnitt in seinem Schulterblatt zu fahren. 

 

„Wie bitte?“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und stellte seine Tasse mit einem leisen Klacken auf dem Tablett ab.

 

„Ugh…was für ein Drama…“, grummelte der Schattenninja und rutschte näher, um sich hinter den Hyūga zu knien. 

 

Nejis Bewegungen erstarrten; sein ganzer Körper versteifte sich, als hätte ihn soeben ein eisiger Windhauch erwischt. „Was machst du da?“

 

„Entspann dich, ich werde dir schon nicht die Haare flechten oder sowas…außer du fängst jetzt an, dich wie ein Mädchen zu benehmen, indem du mir das hier schwer machst.“

 

Neji empörte sich leise über die Beleidigung und warf einen scharfen Blick über die Schulter. Doch Shikamaru grinste nur und streckte die Hand aus, um die Salbe aus den Fingern des Hyūga zu pflücken. Um Erlaubnis zu fragen schien für den Chūnin offensichtlich nicht von geringster Bedeutung zu sein; was Neji aber wirklich nicht hätte überraschen sollen. Der Hyūga lenkte sich mit seinem Tee ab und nippte vorsichtig daran, während er lauschte, wie Shikamaru den Deckel von der Cremedose drehte. 

 

Für einen furchtbaren Augenblick war es, als würde die Welt den Atem anhalten. 

 

Eine unbehagliche Spannung hatte Nejis Körper ergriffen, als würde er sich selbst darauf vorbereiten, jeden Moment erdolcht zu werden. Shikamarus rauchiges Kichern geisterte sanft über seine nackte Schulter und sorgte dafür, dass sich seine Brauen zusammenzogen. Warum lachte er?

 

„Du hältst schon wieder den Atem an.“ Das Lächeln des Nara schwang in seiner Stimme mit. „Lass das.“

 

„Das mache ich nicht!“, schnappte Neji zurück, wissend, dass es eine glatte Lüge war, aber genauso unfähig, nicht darauf zu reagieren. 

 

Warum beiße ich bei dem Bastard immer wieder an?

 

Zu Nejis Entsetzen begann seine Haut unter der weitschweifenden Berührung von Shikamarus Fingerspitzen zu prickeln, als sie sanft über sein Schulterblatt glitten und sein Haar beiseite schoben. Glücklicherweise brachte er genug Selbstkontrolle auf, um nicht zu zappeln.

 

„Könntest du aufhören, dich so anzuspannen und einfach atmen wie eine normale Person?“

 

„Oh halt die Klappe, Nara!“

 

Shikamarus erschöpfter Atem schwebte erneut über seine Schulter. „Du bist so verdammt anstrengend.“

 

„Dann hör auf, dir die Mühe zu machen.“

 

„Wie zur Hölle kann es eigentlich sein, dass dir deine Haare nicht bei allem, was du machst, im Weg umgehen?“

 

„Ich bin daran gewöhnt.“ Neji nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee. Er wagte es nicht, sich umzudrehen und Shikamaru anzusehen, als er fertig war, besagtes Haar über eine Schulter zu streichen, sodass es schwer über seine Brust fiel. 

 

„Also willst du keinen Haarschnitt, wenn ich eh schon hier hinten bin?“

 

„Shikamaru…“

 

„Ganz ruhig, Hyūga.“

 

Neji lächelte ganz leicht und schüttelte den Kopf. Dankbarerweise konnte Shikamaru seinen Gesichtsausdruck nicht sehen – der sich abrupt veränderte, als eine kühle sanfte Berührung die rohen Ränder der Wunde an seiner Schulter entlangfuhr. Neji holte kurz und scharf Luft und hielt sie, als er spürte wie Shikamarus leicht schwieligen Fingerkuppen zaghaft über seine Haut glitten. 

 

Ein elektrisierendes Kribbeln explodierte entlang seiner Wirbelsäule.

 

Das ist die Salbe.

 

Zumindest versuchte Neji sich selbst von dieser logischen Begründung zu überzeugen. Es gab absolut keinen Grund, aus dem es irgendetwas anderes sein sollte. Er blinzelte, als sich Shikamarus Handfläche sachte zwischen seine Schulterblätter drückte und sie so zwang, etwas nach hinten zu fallen und seinen Brustkorb etwas auszudehnen. 

 

„Atme.“, wies Shikamaru ihn sanft an.

 

Neji löste die verkrampfte Blockierung seines Kiefers und ließ die Luft lautlos von seinen Lippen fließen. Beinahe verfing sie sich jedoch sofort wieder in seiner Kehle, als Shikamarus Handballen die Länge seiner Wirbelsäule entlang fuhr. Es war, als wollte der Nara mit der Bewegung alle Anspannung vertreiben und den Hyūga dazu zwingen, einen weiteren Atemzug auszustoßen. 

 

„Gar nicht so schwer, oder?“, neckte Shikamaru ihn.

 

Ich wünschte, dem wäre so…

 

Neji gab keine Antwort darauf und schloss stattdessen einfach die Augen. Er setzte seine Teetasse ab, um sich mit der Hand auf dem Boden der Veranda abzustützen. Die Wärme, die von Shikamarus Hand ausging reduzierte sich zu einer leichten Berührung von Fingerspitzen, die sich vorsichtig über die verletzte Haut bewegten und dabei eine großzügige Lage an Heilsalbe darauf verteilten. 

 

„Hoffentlich vernarbt es nicht zu schlimm.“, murmelte Shikamaru. 

 

Neji brummte und versuchte, sich nicht zu sehr auf diese seltsamen Empfindungen zu konzentrieren, die durch sein Inneres wogten. Er tat es einfach als Erschöpfung ab, denn er konnte sich keinen anderen Grund dafür vorstellen, warum es sich so beruhigend anfühlte, auf diese Weise berührt zu werden. Das sanfte Gleiten von Shikamarus Fingern hielt an wie der stete Schwung eines weichen Pinsels und wiegte ihn sachte in eine Ruhe, die er trotz seiner routinemäßigen Meditation nie erreichen konnte. 

 

Er spürte, wie sein Geist abschweifte und sich seine Atmung beruhigte.

 

Shikamaru strich weich über seine Wirbelsäule. „Hey, schläfst du etwa ein?“

 

Nejis Wimpern flatterten, als er die Augen öffnete, seine Stimme war leise. „Mach dich nicht lächerlich…“

 

„Ist ja keine schlimme Sache, nur nicht unbedingt der beste Platz, um ein Schläfchen zu machen.“

 

„Ich schlafe nicht ein. Als ob ich das könnte, wenn ich so dasitze.“

 

„Hey, das ist schon möglich. Ich hab‘ das schon gemacht.“

 

„Glaub ich dir sofort.“, murmelte Neji und klang dabei belustigter, als er beabsichtigt hatte. „Ich würde dir glatt zutrauen, sogar im Stehen einzuschlafen.“

 

„He, es ist nichts falsch daran, ein Nickerchen zu machen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.“ Der Nara streckte erneut seine Hand nach der Salbe aus. 

 

Neji ließ seine Lider zufallen und versuchte die Kühle zu ignorieren, die über seine Haut tanzte, bevor sie von Shikamarus streichelnden Fingern verjagt wurde. Er räusperte sich und gab sich Mühe, nicht auf dieses befremdliche Gefühl zu reagieren. Es war ja schon allein lächerlich, dem generell Aufmerksamkeit zu schenken. 

 

„Warum schläfst du überhaupt so viel?“, fragte der Hyūga, da er irgendeine Art von Ablenkung brauchte. „Ist ja nicht so als würdest du Anstrengungen auf dich nehmen, die das rechtfertigen würden.“

 

Statt den erwarteten Konter zu liefern wurde Shikamaru still, als würde er über die Frage nachdenken. Neji dachte schon, er würde sich gar nicht mehr die Mühe machen zu antworten. Doch natürlich überraschte der Nara ihn.

 

„Asuma-sensei hat da eine Theorie, dass es daran liegt, dass sich mein Verstand nicht ausschalten lässt…daher das Bedürfnis, jede Möglichkeit zu nutzen, um ihn zum Schweigen zu bringen.“

 

Neji blinzelte und hob eine Braue, während er seinen Kopf minutiös drehte. Die scharfe Linie seines Kiefers wurde sichtbar, als er einen Blick auf den Schattenninja warf. „Aha?“

 

„Jo…“ Shikamaru neigte sich aus seinem Sichtfeld und richtete seine Aufmerksamkeit auf Nejis anderes Schulterblatt. „Aber das ist nur eine Theorie. Für mich klingt das nach einer Menge Bullshit.“

 

Der Hyūga dachte für einen Moment darüber nach. Es machte eigentlich vollkommen Sinn. Geistige Ermüdung wirkte sich durchaus auch in Form physischer Strapazen auf den gesamten Körper aus. Sollte also die Geschwindigkeit, in der Shikamarus Hirn operierte, irgendetwas damit zu tun haben, war es wenig verwunderlich, dass der Schattenninja schlief, wann immer sich ihm die Möglichkeit dazu bot.

 

Neji brummte. „Nun, wenn dein Verstand das Problem ist, kannst du auch einfach jemanden bitten, dich bewusstlos zu schlagen. So wie du es höflicherweise mit mir gemacht hast.“

 

„Ugh, das wirst du nie auf sich beruhen lassen, oder?“ Shikamaru kicherte dumpf, der Klang rollte warm über Nejis Haut. 

 

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das gemacht hast.“ Unter anderem…, ergänzte er im Stillen. 

 

„Ja was soll ich sagen, bring mich einfach nicht dazu, das noch einmal zu tun.“ Shikamarus Handfläche presste sich fest gegen seine Wirbelsäule und zwang ihn dazu, den Rücken durchzudrücken und einen weiteren flachen Atemzug zu entlassen. „Atme!“

 

Nejis Brust zog sich schmerzhaft zusammen. „Bitte hör damit auf.“

 

Shikamaru erwiderte nichts, zog aber die Hand zurück und machte sich wieder daran, die Verletzungen auf den Schultern des Hyūgas zu untersuchen. Gelegentlich neigte er sich in ulkiger Weise von einer Seite auf die andere und Neji vermutete, dass er es tat, um das Licht aus dem Gästezimmer seinen Rücken beleuchten zu lassen. 

 

Der Nara nahm sich noch ein paar Minuten mehr Zeit, die tiefen Schnitte zu examinieren, bevor er das Verbandsmull aufhob, um die Wunden zu verbinden. „Wahrscheinlich wird es ziemlich unangenehm für dich sein, auf dem Rücken zu schlafen.“

 

„Mmn.“ Neji schloss erneut die Augen und lauschte dem leisen Rascheln von ruhigen Bewegungen, als Shikamaru den Verband mit medizinischem Klebeband sicherte. „Ich habe dir gar nicht gedankt…dafür, dass du Hinata zu Gai-sensei gebracht hast…“

 

„Kein Problem.“

 

Der Jōnin zögerte kurz, bevor er seine nächste Frage stellte: „Hatte sie starke Schmerzen?“

 

Er spürte, wie die Bewegung von Shikamarus Hand für einen Augenblick leicht ins Zaudern geriet, bevor sie sich auf seine Schulter legte. „Sie war mehr um dich besorgt.“

 

Neji fühlte sich, als würde sich ein Messer in sein Herz bohren. „Das hätte sie nicht sein sollen.“

 

„Tja weißt du, das passiert aber meistens, wenn man jemandem etwas bedeutet.“

 

„Dass ich ihr etwas bedeute, hätte sie beinahe umgebracht.“ Nejis Kehle schnürte sich zu, kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen. Er hatte das eigentlich nicht laut aussprechen wollen; oder seine nächste Bemerkung. „Sie hätte sterben können.“

 

„Ja…so wie du.“

 

„Das ist nicht der springende Punkt, Shikamaru.“ Neji versuchte seine Schulter aus Shikamarus Griff zu befreien, doch die Finger des Nara ließen nicht los. 

 

„Ich habe dir gesagt, dass Sterben keine Option war. Und jetzt lass es gut sein.“

 

Ich kann nicht. Es ist meine Aufgabe, sie zu beschützen.

 

Neji biss die Zähne zusammen, allerdings mehr gegen den verdammten Schmerz, der seine Brust zusammenzog. Er neigte sich leicht zur Seite; es war die einzige jämmerliche Möglichkeit für die er die Energie aufwenden konnte, um etwas Abstand zwischen sich und Shikamaru zu bringen. 

 

„Wie kannst du das nur so leichtnehmen, Nara?“

 

„Weißt du, nur weil ich keine Energie dafür verschwende, mir Sorgen über etwas zu machen, das hätte sein können, aber nicht passiert ist, bedeutet das nicht, dass ich es ‚leichtnehme‘.“

 

Der Hyūga konnte spüren, wie sich Shikamarus Blick in seinen Hinterkopf bohrte, doch dann strich der Daumen des Nara mit sanftem Druck über seine Haut. Irgendwie schaffte es diese Bewegung allein, ihn ebenso schnell zu beruhigen, wie ihn die Worte verärgert hatten. Solch eine simple Berührung und Nejis Inneres verknotete sich in einem unbeschreiblichen Widerspruch von Gefühlen. Bevor er jedoch versuchen konnte, daraus schlau zu werden, verschwand der Kontakt, als würde sich die Wärme der Sonne hinter eine dunkle Wolke zurückziehen. 

 

Shikamaru verlagerte das Gewicht und setzte sich Neji gegenüber, er griff nach seiner Teetasse. Der Hyūga nutzte die Gelegenheit, um seinen Yukata wieder über die Schultern zu ziehen und ordentlich zurecht zu rücken, während er den Blick abgewandt hielt. Seine Augen folgten dem vergänglichen Schimmern von Licht, das sich auf der Oberfläche des Teiches kräuselte. 

 

„Außerdem.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Sich schuldig zu fühlen ändert gar nichts.“

 

Neji versteifte sich. „Ich habe nicht gesagt, dass ich mich schuldig fühle.“

 

„Du hast auch nicht gesagt, dass du wie Scheiße aussiehst, aber das tust du. Manche Dinge müssen nicht ausgesprochen werden, Hyūga.“

 

Neji fand keine Erwiderung auf Shikamarus Worte, da er ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung hatte, wie er im Moment aussah. Hätte er sich die Mühe gemacht, die Kondensation vom Spiegel im Badezimmer zu wischen, um sich selbst zu betrachten, hätte er die tiefen Schatten der Erschöpfung gesehen, die sich in den Mulden seiner Wangen festgesetzt hatten und unter seinen Augen hingen. Er hätte festgestellt, dass die eleganten, scharfen Züge seines Gesichtes hager und eingefallen geworden waren. 

 

Stille schlich sich zwischen die beiden. Sie wurde nur von den gelegentlichen Atemzügen des Chūnin unterbrochen, die über die Teetasse wehten und den verschwindenden Dampf zerstieben. Neji bemühte sich, die Augen auf den Teich gerichtet zu halten und versuchte, in den sicheren Zustand meditativer Ruhe überzugehen, die Shikamaru ihm irgendwie durch eine einzige einfache Berührung gewähren konnte. 

 

Es war lächerlich. 

 

Warum ist das so schwierig? Früher war es nie schwierig…

 

Der Hyūga schloss die Augen und versuchte wieder zusammenzusetzen, was sich furchtbar verstreut anfühlte, während er mit jedem Herzschlag noch weiter aus den Grenzen seiner Kontrolle driftete. Niemals zuvor hatte er sich in der Stille unwohl gefühlt. Sie war stets ein Rückzugsort gewesen. Doch nun lenkte sie nur seine Aufmerksamkeit auf den Lärm, der hinter seinen Schläfen pochte, auf den Knoten in seiner Brust und auf den dumpfen Schmerz, den er offensichtlich nicht kontrollieren konnte. 

 

Kontrolle…

 

Seine Lider glitten einen Spalt breit auf und er wurde sich schmerzlich bewusst, wie verdammt kontrolliert Shikamaru zu sein schien, ohne es überhaupt versuchen zu müssen.

 

Dieser Mistkerl.

 

Neid explodierte heiß und entsetzlich in Nejis Brust und kroch wie Galle seine Kehle hinauf, bevor sie sich in einem bitteren Schnauben bemerkbar machte.  

 

„Es muss so einfach für dich sein…“, hörte sich Neji laut sagen, während ein Teil seines Verstandes beschämt und wild versuchte, seine Zunge zum Schweigen zu bringen. 

 

Shikamaru hielt inne, als er den Tee halb an seine Lippen geführt hatte. „Was?“

 

„Nichts.“

 

Eine Braue des Nara wanderte nach oben und seine dunklen Iriden richteten sich auf den Hyūga. „Was zur Hölle soll das heißen?“

 

„Vergiss es. Es tut mir leid.“ Neji schüttelte den Kopf, wütend auf seinen unreifen Ausrutscher und noch wütender auf Shikamaru, weil er es war, der selbigen provoziert und mitbekommen hatte. 

 

Im völligen Kontrast zu dem unberechenbaren Gemüt des Jōnin, seufzte Shikamaru einfach nur leise, legte den Kopf in den Nacken schloss für einen Moment die Augen. 

 

Und in diesem Moment hasste Neji ihn…

 

Er hasste seine blasierte Gelassenheit, seine absolute Lässigkeit und seine träge Fähigkeit, sich selbst zusammenzuhalten, ohne es überhaupt versuchen zu müssen – ohne sein Inneres so verkrampfen zu müssen, dass es schmerzte, oder sein Äußeres zu stählen, bis es zerbrach.

 

Einst hatte Neji es auch nicht versuchen müssen. 

 

„Ach komm schon, Hyūga.“, triezte Shikamaru mit einer schwachen Spitze in seinem täuschend trägen Tonfall. „Was zur Hölle ist so verdammt einfach für mich?“

 

„Nichts. Ich habe doch gesagt, du sollst es vergessen.“ Neji starrte ihn finster an und versuchte, so viel Gift wie möglich in seinen Blick zu legen, bevor er auf schmerzhafte Weise auf die Füße kam und sich dem Gästezimmer zuwandte. 

 

Vage hörte er das Rascheln einer Bewegung hinter sich und nahm an, dass Shikamaru den vernachlässigten Tee abräumte. Dann strichen Finger über sein Handgelenk. Augenblicklich zuckte er vor der Berührung zurück und wirbelte mit einem finsteren Blick herum, bewaffnet mit einer vernichtenden Bemerkung, um den Schattenninja in seine Schranken zu weisen. 

 

Doch der bittere Kommentar erstarb auf seiner Zunge. 

 

Shikamaru war ihm sehr nah – zu nah. In seinen dunklen Augen schwammen namenlose Schatten, ebenso unlesbar wie seine Stimme, die wie warmer Rauch durch die Stille der Nacht rollte.

 

„Ich kann es nicht vergessen.“

 

Nejis Wut verflog und Verwirrung schlich in seine Züge. Er versuchte die seltsame Flexion zu verstehen, die Shikamarus üblichen ausdruckslosen Tonfall veränderte. 

 

Kami, er war viel zu müde, um nachdenken zu können, ganz zu schweigen davon, sich ein Manöver auszudenken, um diesem Spiel entgegenzuwirken. 

 

Er hatte weder die Energie, noch das Verlangen zornig zu werden, sondern einfach nur das tiefe Bedürfnis danach, alles zu stoppen. Vor allem diesen gefährlichen Ausdruck in Shikamarus Augen…er zog Empfindungen aus den Tiefen von Nejis Brust, die viel zu empfindlich waren, um deren Misshandlung jetzt ertragen zu können.

 

„Willst du, dass ich mich noch einmal entschuldige, Nara?“ Neji wollte einen Hauch von Verärgerung in seinen formalen Tonfall legen, doch er war schwach, müde.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Nein.“

 

Neji starrte zurück und versuchte, ihn anzufunkeln. Versuchte, eine stumme Bitte an den Nara zu senden, das alles einfacher zu machen und etwas zu sagen, das ihn zornig machen würde. Eine Bitte, ihm einen Grund zu geben, Wut in seine Stimme drängen zu können statt dieser verwirrten Müdigkeit. Ihm eine Ausrede dafür zu liefern, eine weitere Verteidigung mit einer Energie aufbauen zu können, die er nicht besaß.

 

Gib mir einen Grund, dich zu hassen, Nara…nur einen…das ist alles, was ich im Moment brauche.

 

Neji ließ seine Augen über Shikamarus Gesicht wandern und versuchte zu entschlüsseln, was sich in den Schatten dieser Augen verbarg. Verzweifelt suchte er nach etwas, das die Annahme, der andere Ninja würde es darauf anlegen, ihn zu verärgern, rechtfertigen würde.

 

Doch das tat er nicht.

 

Diese dunklen Iriden beobachteten ihn mit einer zermürbenden Ruhe und intensiver Aufmerksamkeit, von der Neji sicher war, dass Shikamaru sie bisher nur einem Shogibrett entgegengebracht hatte. Doch er sah nicht aus, als würde er ein Spiel spielen. Neji hatte nicht die geringste Ahnung, was hinter diesen Augen vor sich ging – und dieses mangelnde Verständnis zerrte an seinen Nerven. 

 

„Sieh mich nicht so an.“ Neji kleidete seine Worte in einen dünnen Mantel aus Eis. „Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es.“

 

„Witzig, ich könnte verfickt nochmal dasselbe zu dir sagen.“

 

Neji trat einen Schritt nach hinten, ohne dabei den Anschein zu erwecken, sich zurückzuziehen – sein Kinn hob sich ein wenig. „Hast du wirklich vor, mich in die Enge zu treiben, Shikamaru?“

 

Sag ja.

 

„Nein.“

 

Bastard.

 

„Was zur Hölle machst du dann da?“

 

„Ich warte darauf, dass du deinen Hintern nach drinnen bewegst. Es mag dir ja vielleicht entgangen sein, aber es wird kalt.“

 

Der blasierte Kommentar überrumpelte Neji völlig und ließ ihn sprachlos zurück. 

 

Was?

 

Shikamaru musterte ihn weiterhin ruhig. „Und außerdem muss ich nach diesem Sedativum suchen…“

 

Neji blinzelte und versuchte immer noch, den plötzlichen Themen- und Stimmungswechsel zu verarbeiten. „Was?“

 

„Außer natürlich, du bevorzugst einen erneuten Druckpunkt Knockout? Wir wissen ja beide, wie sehr dir das das letzte Mal gefallen hat.“ Shikamaru schmunzelte. Der schattenverschleierte Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, allerdings nicht aus seinen Augen. „Oder Sake, davon haben wir immer was da.“

 

Nejis Lider senkten sich mit einem müden Seufzen, seine Stimme wurde unglaublich weich. „Du bist ein Idiot, Shikamaru.“

 

„Danke.“, war Shikamarus ebenso leise und sanfte Antwort. Doch seine Stimme enthielt eine seltsame Schwere. 

 

Der Hyūga musste nicht die Augen öffnen, um zu wissen, dass der Nara ihn mit einem Stirnrunzeln musterte. Genauso wie er wusste, dass wenn er sich nicht an dem letzten Bisschen seiner Kontrolle festhalten würde, er direkt zurückstarren würde – gleichermaßen verwirrt.

 
 

oOo
 

 
 

Das schwelende Ende einer Zigarette glomm in der Dunkelheit auf. Rauchfahnen waberten nach oben und hingen in Schwaden über Shikamarus Kopf, im schwachen Licht, das in das Zimmer fiel, wirkten sie beinahe milchig. 

 

Er legte seinen Kopf auf dem Kissen ein wenig in den Nacken und suchte nach Mustern in dem Qualm, ganz ähnlich wie er es tat, wenn er die Wolken beobachtete. Der Schlaf wollte nicht kommen und er wollte sich nicht die Mühe machen, etwas zu lesen oder sich auf irgendetwas zu konzentrieren, das von ihm verlangen würde, sich von seinem Futon zu erheben. Also hatte er sich eine Zigarette aus der Packung angezündet, die er eigentlich Asuma hatte bringen sollen. 

 

Nur um ein paar behelfsmäßige Wolken zu erschaffen.

 

So war es auch überhaupt erst zu diesem mysteriösen Mist mit den Zigaretten gekommen. 

 

Wenn er keine Wolken finden konnte, dann erschuf er sie eben selbst. 

 

Gelegentlich führte er die Zigarette an die Lippen und nahm einen Zug; nur um das Toxin gleich wieder in sanften Ringen auszustoßen und so noch mehr Muster zu erschaffen, die er beobachten konnte. Es ging nicht darum, von dem Nikotin einen Kick zu bekommen; es sei denn, er brauchte die Ablenkung.

 

Er wusste, dass es total dämlich war, damit anzufangen, nur um den Rauch zu beobachten. Aber wenn man bedachte, wie unglaublich klug er die meiste Zeit über sein sollte, konnte es nur gesund und menschlich sein, auch eine schädliche Angewohnheit zu haben. 

 

Dieser Hyūga wird langsam zu einer schädlichen Angewohnheit…

 

Der Gedanke ließ ihn schmunzeln und er schüttelte den Kopf, während ein dünner Rauchfaden von seinen Lippen waberte. Neji hatte das Sedativum abgelehnt und sich stattdessen für ein wenig Meditation vor dem Schlafengehen entschieden. Shikamaru hatte nicht weiter darauf bestanden und sich für einen Waffenstillstand in ihrem strategischen Geplänkel entschieden. So sehr er sich gegen Konfrontationen sträubte, es war mindestens ebenso schwer für ihn, dem intelligenten Schlagabtausch mit dem Hyūga zu widerstehen. Neji konnte mit seinem intellektuellen Niveau mithalten und während Shikamaru keine Vorliebe oder Motivation für physische Kämpfe hatte – außer er wurde dazu gedrängt – geistige Herausforderungen waren seine Stärke und er liebte sie. 

 

Das ist immer noch keine Entschuldigung dafür, in diesen Bullshit verwickelt zu werden…

 

‚Diesem Bullshit‘ fehlte im Moment allerdings eine nähere Definition. Doch er hatte nicht die Absicht, ihm einen Namen zu geben. 

 

Shikamaru seufzte tief und drehte das Handgelenk, um auf die Zigarette starren zu können, die zwischen seinen schlanken Fingern steckte. Das glühende Ende spiegelte sich in den Tiefen seiner Iriden wider, als er die schrumpfende Asche studierte und schließlich den Blick zurück zu der wirbelnden Rauchwolke hob.

 

Fahl und rätselhaft.

 

Nejis Augen kamen ihm urplötzlich in den Sinn.

 

Wie lästig…

 

Diese verdammten Augen; so schwer zu lesen und dennoch war es ihm gleichzeitig unmöglich, sie nicht verstehen zu wollen. Genau wie Wolken – im einen Moment noch ungestüm und im nächsten völlig gelassen. Hauchdünne Emotionen, die kaum die Oberfläche streiften, bevor sie von einem Sturm des Stolzes oder Anstandes fortgepeitscht wurden.

 

Er konnte nicht anders, als selbstironisch zu lächeln, denn die Menge an Adjektiven, die ihm im Kopf herumwirbelten, deutete schon beinahe auf Donquichotterie hin – was vermutlich das absolut unpassendste Wort in Bezug auf seine Persönlichkeit war. 

 

Wann zur Hölle habe ich damit angefangen, wie ein verdammtes Mädchen zu denken?

 

Er strich mit einem Finger über das brennende Ende der Zigarette, das ihm beinahe die Haut versengte. Gut. Es war eine kurze, dämliche Ablenkung von einem anhaltenden, umso dämlicheren Gedanken.

 

Neji. Verdammt.

 

Er wusste beim besten Willen nicht, was schlimmer war; die Tatsache, dass er noch immer Nejis Haut unter seinen Fingerspitzen spüren konnte, oder die Tatsache, dass dies wahrscheinlich irgendetwas zu bedeuten hatte. Beides waren gleichermaßen lästige Gedanken; und der gemeinsame Nenner all dieser Probleme war Nejis verfluchte Fähigkeit, genau dann eine Reaktion in ihm auszulösen, wenn er eigentlich nichts weiter wollte als müßige, faule und vertraute Ruhe.

 

Und nicht so eine Schererei…

 

Er hätte ja Hinata die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, doch er wusste, dass das erbärmlich wäre. Er hatte nichts und niemanden, den er für diesen kleinen masochistischen Teil seines Hirns verantwortlich machen konnte. Der Teil, der ihn immer wieder dazu veranlasste, genau das zu tun, was er unter normalen Umständen hassen würde – seinen Kopf zu riskieren, wenn es eigentlich vermeidbar war. 

 

Jep. Ich habe ganz offiziell den Verstand verloren. Zu schade…ich hätte mir so schön meinen Weg zum Jōnin schlaumeiern und mir jeden vom Leib halten können, der was von mir will…Mann, was für ein Drama…

 

Doch er hatte keine Zeit, den müßigen Gedankengang zu beenden, denn ein seltsames Gefühl breitete sich unangenehm ziehend in seiner Magengegend aus. Die sonderbare Empfindung ließ ihn den Atem anhalten. Shikamaru konnte keine Erklärung dafür finden, was vermutlich auch der einzige Grund war, weshalb er dem Gefühl überhaupt Aufmerksamkeit schenkte. 

 

Asche fiel vom Ende der Zigarette auf seine Brust. 

 

Das verschwommene Blinken des Weckers zog seinen Blick in dem Moment auf sich, als sich die Nummern veränderten. 

 

Vier Uhr morgens.

 

Und dann hörte er es. 

 
 

oOo
 

 
 

Schmerz riss ihn aus dem Schlaf, als würden stumpfe Klauen seine Lungen aus der Brust reißen. 

 

Nejis Augen flogen auf, als er erstickt an einem Keuchen würgte. 

 

Nein! Nicht schon wieder…

 

Er rammte die Ellbogen in die Matratze und drückte seine Brust von dem Futon fort. Ein schmerzhaftes blutiges Husten brach aus ihm heraus und verteilte rote Spritzer über Kissen und Futon. 

 

Nein…

 

Er schob sich hinauf auf die Knie und der graue Yukata fiel offen, als er eine Hand gegen seine Brust hämmerte. Lange Finger gruben sich in blasse Haut; es wirkte fast, als würde er sich an sich selbst fest krallen in dem verzweifelten Versuch, die Qualen zu beenden, die wie ein reißender Blitz durch sein Nervensystem jagten. 

 

Stop. Stop. Stop!

 

Er konnte einen Hauch von Kupfer auf seiner Zunge schmecken und die blutigen Flecken auf dem Kissen versetzten sein Herz in Panik. Ein wilder Versuch, Chakra, das er nicht mehr hatte, in seine Fingerspitzen zu zwingen, riss einen erstickten Schmerzschrei aus seiner Kehle, der jedoch von dem lauten Knallen der aufgerissenen Fusama Tür übertönt wurde.

 

Doch Neji hörte es nicht.

 

Sein Sichtfeld verengte sich zu kleinen roten Punkten und weiße Explosionen flackerten in der sich ausbreitenden Dunkelheit auf, bevor sie gleich darauf wieder erstarben. Er konnte spüren, wie Bewusstlosigkeit versuchte, ihn in die eine Richtung zu reißen, während Schmerz ihn in die andere zog. 

 

Stop…

 

Und dann erschien eine andere Empfindung; direkt an der Peripherie des absoluten Chaos. 

 

Es fühlte sich nach Händen auf seinen Schultern an…sie zogen ihn zurück gegen die starke Stütze eines Körpers…

 

Finger fuhren zaghaft durch sein Haar…der Geruch von Nikotin…und Worte, die wie ein sanftes Mantra weich und warm gegen sein Ohr strichen…

 

„Atme, Neji…atme…atme…“

 

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Hach ich muss sagen, ich mag dieses Kapitel irgendwie sehr :) Wie sieht es bei euch aus, hat es euch auch gefallen? Reviews, Anmerkungen und Anregungen wie immer sehr willkommen, ich freue mich wie immer wie ein kleines Kind über jedes Wort! :) 

Danke wie immer an alle Reviewer! 

Sollten im Übrigen irgendwelche Fragen aufkommen, irgendwelche Begriffe oder Szenen unverständlich sein, dann scheut euch bitte nicht, mich zu fragen! :)

He'd kill himself first...

Shikamaru war sieben Jahre alt, als er seinen Vater zum ersten Mal dabei beobachtet hatte, wie er den panischen Kampf eines verwundeten Hirsches beschwichtigt hatte. Das Tier hatte im Sterben gelegen; seine Kehle war von dem Geweih eines rivalisierenden Männchens aufgeschlitzt worden. Trotz des instinktiven Kampfes war es nicht der Shinobi, der versucht hatte, den Schmerz zu lindern, sondern der Tod gewesen, gegen den sich die dem Untergang geweihte Kreatur tretend und schnaubend gewehrt hatte. 

 

Als sich Neji also in Shikamarus Griff ebenso heftig wand und um sich schlug, wie der todgeweihte Hirsch es getan hatte, wusste der Chūnin, dass es blanke Furcht und die Erstickungsgefahr war, gegen die der Hyūga ankämpfte – nicht der Schattenninja. 

 

„Neji…hör mir zu…Ne-!“ Seine Worte erstarben in einem schmerzerfüllten Stöhnen, als der Ellbogen des Jōnin so stark in seinen Rippen einschlug, dass sie beinahe brachen. 

 

Fuck! Au…

 

Shikamaru biss die Zähne zusammen und verlor für einen Moment den Halt um den anderen Ninja. Neji beugte sich augenblicklich nach vorn und krallte seine Hände in die Laken, während ein erneutes rasselndes Husten aus seiner Brust brach. Shikamaru ignorierte das Messergleiche Stechen in seinen Rippen und rappelte sich etwas auf, um sich hinter den keuchenden Jōnin zu knien.

 

„Nicht!“, sagte er mit überraschend ruhiger Stimme, während er einen Arm um Neji schlang, um den Ninja wieder gegen seine Brust zu ziehen. „Das wird es nur noch schlimmer machen. Du musst aufrecht sitzen bleiben.“

 

Er zuckte leicht zusammen, als sich Nejis Finger um seinen Unterarm schlossen, die schlanken Glieder packten mit durch pure Panik verliehener Kraft zu. Verletzend, verzweifelt. Shikamaru hielt den Griff seines Armes stramm, aber nicht erdrückend, was ihm einen weiteren fiesen Stoß in die Rippen einbrachte. 

 

Doch diesmal ließ er nicht los. 

 

„Atme…langsam, Neji…sachte, du musst dich beruhigen…“

 

Neji zischte, sein Körper drückte sich durch wie ein Bogen, der kurz davor war zu brechen. Perlen kalten Schweißes funkelten auf den blassen Konturen seiner bebenden Brust und sandten einen Schauer durch den ohnehin schon kämpfenden Körper. Der Griff um Shikamarus Unterarm verstärkte sich, die Knöchel auf der Hand des Hyūga traten weiß hervor. 

 

„S…stop…“, würgte er erstickt hervor.

 

Shikamaru spürte, wie dieser Klang einen furchtbaren Schmerz in seiner eigenen Brust auslöste. Er hob seinen freien Arm, um eine Handfläche gegen Nejis Stirn zu legen und spürte das kalte Metall des Hitai-ate, als er Nejis Kopf sanft aber bestimmt gegen seine Schulter lehnte.  

 

„Es wird aufhören…“ Shikamaru hielt seine Stimme ruhig und weich. „Komm schon…atme tief durch…“

 

Neji presste fest die Lider zusammen und versuchte Luft zu finden, die er in seine Lungen ziehen konnte. Shikamaru beobachtete den Jōnin aus dem Augenwinkel, seine Finger wanderten durch die dichten mokkafarbenen Strähnen, die Nejis Gesicht einrahmten und in den rasselnden Atemzügen zitterten. 

 

Denk nach, verdammt…

 

Shikamarus Verstand rezitierte augenblicklich Hinatas Worte.

 

„Er hat lebenswichtige Tenketsu blockiert…die Bahnen…die mit seinen Lungen verbunden sind…und seinem Herz.“ 

 

Der Nara kämpfte den Drang zu fluchen nieder und fuhr fort, mit den Fingern durch Nejis Haar zu streichen. Er versuchte, die Bewegungen so weich und beruhigend wie möglich zu halten, während er gleichzeitig fieberhaft nachdachte und kalkulierte. 

 

Wenn er die Tenketsu geblockt hat…dann muss er verstopftes Chakra in der Brust haben…

 

„Ssh…“, murmelte er, als Neji versuchte, seinen Arm zu befreien und hielt den Jōnin weiter fest.

 

Seine Chakrareserven sind aufgebraucht…könnte das hier dadurch getriggert worden sein? Versucht sein Körper die Barrikaden zu durchbrechen, um Chakra auffüllen zu können?

 

Neji erschauerte heftig und versuchte sich über Shikamarus Arm zu krümmen um zu husten.

 

In seinem Zustand könnte diese Belastung lebenswichtige Organe zerstören…

 

„Ganz ruhig…ruhig…“, raunte Shikamaru und hielt den Jōnin weiterhin gegen seine Brust und Schulter gelehnt.

 

Denk schneller…

 

Nach einem kurzen Moment begann er, seine eigene Respiration spürbar zu verändern. Sein Ziel war es, das Heben und Senken ihrer Brustkörbe so zu synchronisieren, dass Neji einen Anhaltspunkt hatte, an dem er seine Atmung orientieren konnte.

 

Gleichmäßige, tiefe Atemzüge.

 

Bitte…es muss funktionieren…

 

Shikamaru atmete hörbar gegen Nejis Hals aus und versuchte, den anderen Ninja dazu zu bringen, es ihm gleich zu tun. 

 

Komm schon, Hyūga…komm schon…

 

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, oder wie viel härter sich Nejis Finger in seine Haut gruben, doch langsam, sehr langsam, konnte er spüren, wie sich die schwache Ausdehnung von Nejis Brustkorb regelmäßiger gegen seinen Arm presste.

 

Komm schon…bitte…

 

Ohne überhaupt darüber nachzudenken drückte Shikamaru seine Lippen gegen den Pulspunkt unterhalb von Nejis Kiefer und spürte, wie sich der unregelmäßige Herzschlag zu beruhigen begann. Neji schluckte schwer, die schraubstockartige Umklammerung um den Arm des Nara lockerte sich etwas. 

 

„Atme…“ Shikamaru entspannte den Griff seines Armes, um Neji mehr Freiheit zu gewähren und das zu lösen, was sich für den Jōnin möglicherweise wie eine klaustrophobische Umklammerung anfühlte.

 

Doch der Schattenninja ließ nicht los. 

 

Stattdessen zog er den Arm etwas zurück, um eine Hand direkt über dem hämmernden Herzen, das kontinuierlich seinen Rhythmus wiederfand, gegen Nejis Haut legen zu können. Sein Mund glitt hinauf zu Nejis Schläfe, seine Stimme blieb sanft und leise.

 

„Ganz ruhig…du kannst das…du hast es fast geschafft…“

 

Die Anspannung in Nejis rauen Atemzügen ging bis tief in seine blasse Kehle. Doch das feuchte, blutige Rasseln beruhigte sich zu einem langsameren, weicheren Kratzen, bevor es schließlich zu einem profunderen und regelmäßigeren Geräusch abklang.   

 

„Du hast es geschafft…“, seufzte Shikamaru erleichtert. „Du hast es geschafft, Neji…atme einfach weiter…“

 

Zu seiner noch größeren Erleichterung willigte der andere Ninja mit einem so schwachen Nicken ein, dass es Shikamaru nicht mitbekommen hätte, wenn Nejis Kopf nicht an seiner Schulter lehnen würde. Die Verkrampfung der angespannten Muskeln des Hyūga ließ nach und entwich schließlich in einem kurzen Beben, als sich Neji völlig gegen den Halt von Shikamarus Körper sinken ließ. Lange Wimpern fielen über mondgleichen Augen nach unten.

 

„Geht doch…“, murmelte Shikamaru sanft. Sein Daumen klopfte im Einklang mit dem Herzschlag gegen Nejis Brust, um den steten Rhythmus zu unterstützen. 

 

‚Zeit‘ schien sich bis auf das Geräusch ihrer synchronen Atmung zusammenzuziehen.   

 

Shikamaru bemerkte nicht einmal, dass sein Mund weiterhin an Nejis Schläfe lehnte; seine Aufmerksamkeit war einzig auf das zaghafte Wispern der Atmung des Jōnin gerichtet. Nejis Finger hatten sich aus dem eisernen Griff um seinen Arm gelöst und erlaubten dem Blut, in einem Kribbeln zurück bis in Shikamarus Hand zu rauschen. Doch der Hyūga hatte seine Hand nicht zurückgezogen. 

 

„Du riechst…nach Rauch…“, krächzte Neji. 

 

Shikamaru blinzelte und drehte ein wenig den Kopf, um auf den Spalt einer silbrigen Iris hinunterzuspähen, die ihn aus dem Augenwinkel musterte. Ein leises Lachen, rauchig und erleichtert, verließ Shikamarus Lippen, bevor er es verhindern konnte.

 

„Du bist wirklich unglaublich…“

 

„…Du hättest nie…mit dem Rauchen…anfangen sollen…“ Neji schluckte und räusperte sich leicht.

 

„Willst du mich gerade ernsthaft über meine Gesundheit belehren? Nach dem, was gerade passiert ist?“ Shikamaru hielt seinen Tonfall leicht und sein Daumen fuhr mit dem sanften Klopfen fort, während er seine nächsten Worte in die dunkle Haarmähne murmelte. „Sprich nicht mehr, okay? Atme einfach nur…entspann dich.

 

Neji schnaubte schwach, doch es klang eher belustigt als streitsüchtig. Shikamaru konzentrierte sich auf die Atmung des Hyūgas und überwachte seinen Herzschlag, bis er das unangenehme Kribbeln einer eintretenden Taubheit in seinen Beinen spürte.

 

Mist…

 

„Ich muss uns ein wenig anders hinsetzen, okay? Atme einfach weiter.“

 

Dankbarerweise leistete Neji keinerlei Widerstand, als Shikamaru sie beide vorsichtig herumdrehte, sodass er sich mit dem Rücken gegen die Shojiwand lehnen und sie ihre Beine ausstrecken konnten. Kaum hatte er eine bequeme Position gefunden, schlang er erneut seinen Arm um Nejis Unterleib. 

 

„Alles gut?“, fragte Shikamaru und sah hinunter auf den Kopf, der an seiner linken Schulter ruhte. Nejis Lider flatterten auf und eine dunkle fein geschwungene Braue wanderte leicht ungläubig nach oben. „Ja, okay, blöde Frage.“

 

Unglücklicherweise hatte Shikamaru eine Menge Fragen; doch er entschied sich dagegen, sie zu stellen. Irgendwann würde es nötig sein, aber nicht jetzt; im Moment zählte nur, dass Neji ruhig blieb. Es erschien beinahe paradox. Neji war einst der Besonnenste unter den ‚Konoha 11‘ gewesen – zumindest wenn es um die Fähigkeit ging, sich selbst zu beruhigen und zu zentrieren. Normalerweise war er in dieser Sache unübertroffen.

 

Jo, und ich kümmere mich normalerweise um meinen eigenen Kram…

 

Shikamarus Inneres verkrampfte sich unangenehm aufgrund dieses Gedankens und um sich nicht weiter damit befassen zu müssen, entschied er sich für eine vernünftige Vorgehensweise. Er würde zu Hinata gehen und sie eine Lösung für dieses Problem finden lassen. Er würde ihr vom Spielfeldrand aus dabei helfen, aber er hatte keinerlei Absicht, mehr als das zu tun. Schließlich hatte er zwar seine Hilfe angeboten, aber das betraf nicht seine direkte Partizipation in dem ganzen Prozess, sondern nur die Unterstützung bei der Ausarbeitung eines Plans.

 

Nicht, dass bisher irgendetwas nach Plan gelaufen wäre…

 

Shikamaru seufzte leise; der Klang wurde von der Dunkelheit verschluckt. Er fühlte, wie sich Neji versteifte und bewegte als Antwort sachte seinen Arm. Es war nur ein kurzes, sanftes Anspannen, gemeint als eine Art Beschwichtigung. Der Kopf an seiner Schulter drehte sich leicht. 

 

„Entspann dich…“, wisperte Shikamaru, sein Daumen begann wieder mit dem sanften Klopfen; doch Nejis Bauch verkrampfte sich unter seiner Hand. 

 

Aha.

 

„Weißt du“ Shikamaru wog seine nächsten Worte sorgfältig ab. „ich werde das nicht gegen dich verwenden…oder dir deswegen das Leben schwer machen.“

 

Er wusste, dass er die richtige Schlussfolgerung gezogen hatte, als er spürte, wie sich die Anspannung etwas aus dem Körper löste, der sich gegen ihn lehnte. Es war nicht besonders schwer gewesen, anzunehmen, dass der Stolz des Hyūgas verletzt war. Der Chūnin wusste bereits, dass ihn morgen vermutlich eine kalte Schulter erwarten würde; oder aber sogar Nejis vollkommene Abwesenheit. 

 

Nicht zum ersten Mal versuchte sich Shikamaru einzureden, dass es eine gute Sache wäre. 

 

Und wie das letzte Mal wusste er, dass dies der Liste von Dingen hinzugefügt werden würde, über die sie nicht sprechen würden. Genauso wie er wusste, dass wenn er aufwachen und Neji fort sein würde, der graue Yukata ordentlich gefaltet auf einer Seite des Futons liegen und die Shoji Tür offen stehen würde, um Licht und Wind einzulassen um ihn zu wecken. 

 

Doch als Shikamarus Lider am frühen Nachmittag des nächsten Tages aufglitten…war es nicht das Licht das ihn weckte, oder die Brise, die durch eine Tür hereinwehte, die eigentlich offen sein sollte. 

 

Es war die unerwartete Stille eines immer noch ruhenden Raumes…

 

…und die Wärme von Nejis Atem an seinem Hals. 

 
 

xXx
 

 
 

Die Uhrzeit konnte nur anhand des Lichtspiels jenseits der Shoji Türen und dem Vogelgezwitscher gemessen werden; vermischt mit den sporadischen Pfiffen der Hirschrufe.

 

Doch trotz der fortgeschrittenen Stunde rührten sich die beiden Ninjas nicht. 

 

In entspannter Stille versunken glitt Shikamaru immer wieder in den Schlaf hinüber, verweilte in einem leichten dösenden Zustand, sodass er stets über den Jōnin wachen konnte, der an ihn gelehnt schlief. Gelegentlich hob der Nara seinen Handrücken hinauf zu Nejis Mund, um den gleichmäßigen Atem gegen seine Knöchel zu spüren; und bei zwei dieser Gelegenheiten – von denen er sich später zwang, sie zu vergessen – strich er ganz langsam mit einem Finger Nejis Hals entlang und folgte der entblößten Haut wieder zurück bis zu dem Pulspunkt. 

 

Es gab absolut keinen Grund dafür, es derart langsam zu tun; oder sich überhaupt die Mühe zu machen, sich des Herzschlags des Hyūgas zu vergewissern. 

 

Und schon gar nicht, warum er es gleich zweimal getan hatte. 

 

Shikamaru schloss die Augen und versuchte angestrengt, nicht daran zu denken. 

 

Etwa eine Stunde später war der Meinung, dass es an der Zeit war, sich zu bewegen. 

 

Nachdem Shikamaru überlegt hatte, wie zur Hölle er sich aus dieser Position befreien konnte, schaffte er es irgendwie, sich unter Neji herauszuwinden, ohne den Jōnin aufzuwecken. Doch er schrieb diesen Erfolg eher dem komatösen Erschöpfungszustand des Hyūgas zu, als seinen Fähigkeiten, sich unbemerkt zu bewegen. 

 

Eigentlich war er sich an einem bestimmten Punkt sogar sicher gewesen, sich in einen Zustand der irreversiblen Verknotung mit dem Hyūga manövriert zu haben; denn er hatte sich halb in den Laken und halb in den dichten Strähnen von Nejis Haar verfangen. Und das hatte zu einer Art Standbild Moment geführt. Einem, in dem der einzige Gedanke in Shikamarus Kopf ‚Er-wird-aufwachen-und-mich-umbringen-bevor-ich-wie-ein-Mädchen-wegrennen-kann‘ war.

 

Daher war er in dieser unangenehmen Position verharrt, bis ein Krampf ihn dazu gezwungen hatte, seinen Körper in einem Winkel zu drehen, von dem er sich eigentlich sicher gewesen war, dass er physisch überhaupt nicht möglich sein dürfte. Neji hatte sich während der ganzen Aktion so gut wie gar nicht bewegt, von einem schwachen Zucken seiner Finger einmal abgesehen. 

 

Shikamaru schnaubte halbherzig. 

 

Ganz recht, Hyūga, schlaf du ruhig weiter…und ich höre einfach auf, eine Blutzirkulation zu haben…

 

Shikamaru entkam dem Ganzen schließlich mit ein paar gemurmelten ‚wie lästig‘. Letztendlich war es ihm gelungen, die langen dunklen Strähnen zu entwirren, die sich in den Laken verfangen hatten, in denen wiederum er sich verwickelt hatte.

 

Als er es endlich geschafft hatte, Neji auf den Rücken zu legen und sich selbst auf den Knien neben dem Futon aufzurichten, entschied er sich, dass es der ganze Aufwand eigentlich überhaupt nicht wert gewesen war und hätte sich beinahe wieder hingelegt, um ebenfalls noch etwas länger zu schlafen. 

 

Beinahe.

 

Ein Pochen erklang von der Haustür und den Gang hinunter. 

 

Ugh…Geh weg…

 

Doch es ertönte erneut, etwas lauter diesmal. Shikamaru verzog das Gesicht und wartete darauf, dass das Klopfen aufhörte.

 

Es hielt weiter an.

 

„Was für ein Drama…“, stöhnte er genervt.

 

Er blinzelte schläfrig und streckte eine Hand aus, um Neji vorsichtig zuzudecken, ohne darüber nachzudenken, was er da eigentlich gerade tat. Es war noch viel zu früh für seinen müden Verstand, um sich mit irgendetwas Anstrengendem herumzuschlagen. Daher kam es ihm weder seltsam noch unnötig vor, als er langsam mit einem Finger über Nejis Arm strich, bevor er sich in geduckter Haltung auf die Ballen hochstemmte. 

 

Tür. Mach die Tür auf.

 

Mit einer finsteren Miene erhob er sich und rieb sich mit einer Hand über die Rippen, als er aus dem Zimmer schlüpfte und träge den Gang hinunter schlurfte. Das Klopfen ertönte schon wieder und ließ nicht nach, bis er die Tür einen Spalt breit aufzog. Seine dunklen Augen blinzelten gegen das warme bernsteinfarbene Sonnenlicht des späten Nachmittags an, gegen das sich hart die schmalen Silhoutten von niemand anderem abzeichneten als Hinata und…

 

„Shikamaru, das darf doch wohl nicht wahr sein!“

 

„Ino…“, stöhnte Shikamaru, lehnte sich gegen den Türrahmen und rieb sich die Augen.

 

„Wie zur Hölle kannst du um diese Uhrzeit immer noch schlafen?“

 

„Verzeihung, dass ich in meinem eigenen Haus ein Nickerchen mache, wenn ich es für richtig halte.“ Er hob eine Hand vor den Mund und gähnte. „Was ist denn los?“

 

„Na bei dir ganz offensichtlich nichts…“ Kritisch ließ die Blondine ihren Blick über den Nara wandern und hielt dabei einen Blumenstrauß im Arm. „Jetzt mal im Ernst, bist du wirklich gerade eben erst aufgestanden?“

 

Shikamaru überließ es seinen halb geöffneten Lidern, diese Frage zu beantworten, bevor er seine Aufmerksamkeit Hinata zuwandte. Sofort richtete er sich etwas mehr auf. 

 

„Hey, wie geht’s deinem Bein?“

 

Die dunkelhaarige Kunoichi lächelte ihn schüchtern an. „Oh…viel besser, danke…Ich…ich bin nur gekommen, um etwas vorbeizubringen.“

 

Shikamaru konnte einfach nicht anders, als zu Ino hinüber zu schielen. „Aber doch hoffentlich nicht die Blondine, oder?“

 

„Hey!“ Ino schnippte ihm hart mit den Fingern gegen die Stirn. „Du hast Glück, dass ich überhaupt vorbei gekommen bin, um nach dir zu sehen, Shikamaru!“

 

„Danke für deine Besorgnis.“ Shikamaru wischte ihre Hand beiseite und hob eine Braue. „Wobei ich ja nicht weiß, was ich von den Blumen halten soll. Das ist schon ziemlicher Weiberkram, findest du nicht?“

 

„Idiot! Die sind für deine Mum. Als kleines Dankeschön für ihre Hilfe.“

 

„Ah, richtig…“

 

„Ist sie denn zufällig zuhause?“ Ino stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte den Hals, um über seine Schulter spähen zu können. 

 

„Nah, nur ich. Dad hatte den seltsamen Einfall, irgendwas zu unternehmen, um ihren Hochzeitstag zu feiern. Einen Monat zu spät, aber hey…zumindest sind sie so endlich mal aus dem Haus gekommen. Sie werden für eine ganze Weile weg sein.“

 

„Aww.“ Ino drückte sich die Blumen an die Brust. „Das ist so süß! Wieso kannst du nicht mehr wie dein Dad sein?“

 

Shikamaru schnaubte und unterdrückte ein weiteres Gähnen. „Er macht das doch nur, damit sie aufhört ihn zu nerven.“

 

„Pff!“ Ino vollführte eine komplizierte Handbewegung, die Shikamaru nicht zu interpretieren wusste. „Ernsthaft Shikamaru, du wüsstest nicht mal, was Romantik ist, wenn sie dir mit nacktem Hintern ins Gesicht springen würde.“

 

„Jo, vermutlich nicht.“

 

„Wie auch immer!“ Ino drückte ihm das Gemisch aus knall blauen und eleganten weißen Blumen in die Hand. „Ich muss los und mich mit Shizune treffen. Auf keinen Fall wird Sakura mich beim Medizintraining schlagen! Also sorg dafür, dass die Blumen Wasser kriegen und wage es nicht, sie zu vernachlässigen!“

 

„Klingt nach einem ziemlichen Drama…“, grummelte Shikamaru und hielt den Strauß unbeholfen ein Stück weg von seinem Körper. 

 

„Shikamaru!“

 

„Jaja, was auch immer…“

 

„Guter Junge! Hinata wird dir dabei helfen. Also ich muss wirklich los! Wenn die Blumen eingehen, bist du tot, verstanden?“ Trotz ihrer Drohung grinste Ino herzlich und wirbelte herum. Beinahe hätte sie Shikamaru ihren dichten Pferdeschwanz ins Gesicht gepeitscht, als sie davon eilte. 

 

„Verrücktes Mädchen.“, murmelte der Nara und schüttelte den Kopf, bevor er seinen Blick auf Hinata richtete. „Solltest du dich nicht ausruhen?“

 

„Sollte ich, ja…aber ich wollte…uhm…hier…“ Hinata hob die Arme und streckte ihm die Reisetasche entgegen, die sie getragen hatte. „Für Neji-niisan.“

 

Shikamaru hielt seinen Gesichtsausdruck in Schach und griff nach der Tasche. Kurz wog er sie in der Hand und schätzte, dass sich Klamotten darin befanden. Es überraschte ihn nicht, dass Hinata Nejis Aufenthaltsort erraten hatte. 

 

Sie beobachtete ihn nervös. 

 

„Ist er…ist er ok?“, fragte sie, als Shikamaru ihrem Blick begegnete. 

 

Er konnte ein grimmiges Kichern nicht unterdrücken. Kopfschüttelnd trat er einen Schritt zurück, und drehte sich ein wenig, um sie mit einer Geste herein zu bitten. Hinata zögerte kurz, bevor sie die Einladung akzeptierte.

 

„Okay.“ Shikamaru drückte ihr die Blumen in die Hand, während sie sich mit den Zehen die Schuhe abstreifte. „Du kümmerst dich um die Blumen, ich mache Tee oder irgendwas in der Art und dann setzten wir uns hin und reden darüber, ja?“

 

Hinata lächelte zaghaft, ihre Augen wirkten traurig. „Ja.“

 
 

xXx
 

 
 

Kalt und unberührt verharrte der Tee auf dem Tablett, der letzte Dampf hatte sich bereits vor einer Stunde verflüchtigt. 

 

Hinata saß schweigend da; ihre Hände lagen ordentlich gefaltet in ihrem Schoß, als sie Shikamaru über den niedrigen Tisch hinweg ansah. Im Kontrast zu ihrer formellen Pose saß der Schattenninja ihr mit einem aufgestellten Bein gegenüber, ein Arm hing träge über seinem Knie. Doch sein Kopf war gesenkt, dunkle Augen stierten bewegungslos auf den Tee.

 

Trotz ihrer unterschiedlichen Körperhaltungen war eine deutliche Spannung spürbar, die sie beide teilten. 

 

Hinata blinzelte langsam, ihr Blick fiel auf ihre Hände und sie verschränkte ihre blassen Finger ineinander, während sich ihre Stirn in leichte Falten legte. 

 

„Es tut mir leid, Shikamaru-kun.”

 

Shikamaru verzog leicht die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln, doch der Ausdruck hielt nicht lange an. „Es ist nicht deine Schuld.”

 

„Ich…er spricht nicht mit mir. Das verstehe ich ja, aber…er spricht mit niemandem.“

 

„Ok, also was lässt dich dann glauben, dass du durch mich einen Durchbruch erzielen wirst?“, murmelte der Schattenninja gedämpft, seine Augen verweilten weiterhin auf der glatten Oberfläche des Tees. „Die Hokage sollte darüber informiert werden, oder Gai…irgendjemand…“

 

Du bist irgendjemand.“, wisperte Hinata. 

 

„Das habe ich nicht gemeint.“, knurrte er, seine Stimme harscher, als er es beabsichtigt hatte. Etwas sanfter fuhr er fort: „Es ist nicht dasselbe…“

 

Hinata hielt den Blick weiterhin gesenkt. „Ich verstehe.“

 

„Nein, das tust du nicht…sonst wärst du nicht hier.“ Shikamaru seufzte und blinzelte müde. „Ich könnte am Ende alles nur noch schlimmer machen, selbst wenn ich helfen wollte.“

 

„Du willst nicht helfen?“ Hinata sah auf, ihre Stimme war weich und ohne jede Anklage; beinahe schon zu verständnisvoll.

 

Verdammt.

 

„Ich will es nicht schlimmer machen!“, korrigierte Shikamaru und löste endlich seine Augen von der Teetasse. „Er hat aus welchem Grund auch immer diese Barrikaden in seinem Netzwerk errichtet und jetzt bittest du mich, sie quasi einzureißen…ist dir klar, wie böse das ausgehen könnte?“

 

„Ich weiß, wie fatal es ausgehen könnte, wenn er sie dort lässt!“ Überrascht und respektvoll stellte er fest, dass Hinata seinen Blick hielt. „Ich denke, das…weißt du auch…“

 

Shikamaru schürzte die Lippen; das Bild von Nejis Blut auf weißen Laken und dem Emaille des Waschbeckens ließ ihn mit seiner Antwort zögern.

 

„Hinata, ich bin kein Gesundheitsexperte und…“

 

„Aber dein Clan…“

 

„Nein! Ich habe nicht das Wissen, um mit so etwas umgehen zu können. Er braucht medizinische Hilfe…möglicherweise auch eine Art Mentor oder besserwisserischen Veteran, der ihm mal den Kopf zurecht rückt…was weiß ich…“

 

„Du liegst falsch…“ Hinata runzelte die Stirn und ihre Lippen pressten sich leicht zusammen. Eine tiefe Überzeugung schwang in ihrer Stimme mit. „Das braucht er nicht…mehr als medizinische Hilfe oder einen Mentor…braucht er…jemanden, der…“

 

„Der was?“, schnappte Shikamaru.

 

Die Hyūga schreckte ein wenig zurück, bevor sie fest ihre Finger umklammerte. „Der einfach nur da ist.“

 

Shikamaru drehte den Kopf zur Seite, doch er hielt sich davon ab, sich zu entschuldigen. Er war nicht sauer auf sie, doch diese Unterhaltung bewegte sich in eine Richtung, in die er nicht gehen wollte. Er hatte sich bereits schon mehr als genug in diesen Mist verwickeln lassen. Jetzt war es an der Zeit, sich aus dem Staub zu machen, bevor er zu tief in alles hineingezogen wurde. Während er darüber nachgrübelte, starrte er aus der offenen Tür, die auf die niedrige Veranda führte und musterte die langen Schatten, die sich über das honigfarbene Holz streckten. 

 

Hinatas nächste Worte hätte er niemals erwartet.

 

„Er braucht jemand…der ihn aufhält…der ihn davon abhält zurückzukehren…“

 

Was?

 

Shikamaru hob eine Braue und spähte zu ihr hinüber ohne den Kopf zu drehen. Das goldene Licht ließ seine dunklen Augen brandyfarben schimmern. 

 

„Zurückkehren?“

 

Hinata nickte ernst, ihre lavendelfarbenen Iriden wurden von flammendem Licht berührt. „An den Ort, an dem er sich befunden hat, als er jünger war…der Ort, von dem ich glaubte…von dem ich sicher war, dass Naruto ihn daraus gerettet hat…“

 

Aus dem Naruto ihn gerettet hat…?

 

Shikamaru hielt sich selbst nicht für übermäßig philosophisch, zumindest nicht auf eine träumerische, abstrakte Art. Er konnte durchaus selbstbeobachtend, nachdenklich und auch auf eine gewisse Weise meditativ sein, wenn er sich dazu aufraffte. Sein Wolkenbeobachten war ein eindeutiger Beleg für diese Seite seiner Persönlichkeit.

 

Aber Vorstellungen von Untergang und Ungewissheit hatten noch nie mit seiner Logik übereingestimmt. Vielleicht hatte er aber auch einfach nicht die Energie dafür, sich mit so etwas Deprimierendem und Substanzlosem auseinanderzusetzen. Es gab Strategien und Entscheidungen. Das war die klar umrissene Art, wie er die Dinge am liebsten betrachtete. Sie ersparte ihm all die emotionalen Wendungen, die zwangsläufig auftraten, wenn man Dinge zu konkret werden ließ.  

 

Doch trotz dieser Einschätzung holte Shikamaru langsam Luft und zwang sich dazu, vorsichtig auf den Kanten von Hinatas Worten entlang zu balancieren. Etwas widerwillig stellte er seine nächste Frage. 

 

„Was für ein Ort?“

 

Er wandte erneut den Blick von ihr ab, konnte aber deutlich Hinatas Erleichterung spüren, da er sich bereit erklärte, weiterhin an dem Gespräch teilzuhaben. Ihre Stimme schwebte sanft über den niedrigen Tisch und trug die Staubkörnchen mit sich, die in der Luft glitzerten. 

 

„Der Ort, an dem er sich vor drei Jahren befunden hat…als er so unglaublich weit weg von allen war…“

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten. „Er war schon immer ziemlich distanziert.“

 

„Nein…“ Hinatas Stimme senkte sich zu einem Wispern. „Ich meine den Ort, an dem er sich befand…als er mich beinahe getötet hat…“

 

Shikamarus Augen zuckten zu ihr zurück; jede Illusion von Frieden oder Täuschung wurde durch diese Worte zertrümmert. Auf einen Schlag erschienen die Schatten, die das sanfte Licht auf die Tatami Matten warf, viel dunkler und unheilvoller. Er beobachtete Hinata für einen weiteren Moment, als würde er hoffen, dass er sich gerade verhört hatte.

 

Sie überdramatisiert…

 

„Er ist nicht mehr dieses gestörte Kind. Neji würde dir nicht weh tun, Hinata.“ Shikamaru wusste nicht warum, aber was das betraf war er sich absolut sicher. „Geschweige denn würde er dich umbringen.“

 

„Ich weiß.“ Hinata lächelte, doch es war nichts weiter als ein elendes Heben der Mundwinkel. Zum ersten Mal seit sie Shikamarus Haus betreten hatte, zitterte weder ihre Stimme noch stotterte sie. „Ich weiß, dass er das nie tun würde…“

 

„Also worauf willst du hinaus?“

 

„Dass er sich vorher selbst umbringen würde, Shikamaru-kun…“

 

Ihren Worten folgte eine entsetzliche Stille, die ihre Aussage nur unterstrich. Hinata traf seinen Blick, ihre lavendelfarbenen Augen trugen einen schwachen Glanz in sich. Als hätte sie gerade einen äußerst schlechten Scherz erzählt, starrte Shikamaru sie an; und sie starrte zurück, so ernst wie er sie noch nie zuvor gesehen hatte. 

 

Der Schattenninja schnaubte und blinzelte langsam. „Was?“

 

„Er tut es bereits…“

 

„Schwachsinn.“ Scharf schüttelte Shikamaru den Kopf. Ein schwaches, zittriges Lachen stolperte von seinen Lippen. „Das kannst du nicht wirklich glauben.“

 

Ihr Schweigen war ihre Antwort; Traurigkeit verschleierte ihre Augen. Abrupt wandte Shikamaru den Blick ab und war bemüht, die Geste abweisend und nicht verwirrt oder verletzt erscheinen zu lassen. 

 

„Hinata…das ist lächerlich. Neji ist nicht der Typ, der einfach so aufgibt. Du kennst ihn doch mit seinem ‚Ich werde nicht verlieren‘ Mist. Das ist einfach unmöglich…auf keinen Fall würde er sich umbringen.“

 

„Ich habe nie gesagt, dass er sich dessen bewusst ist.“ Hinata schüttelte den Kopf. „Ich…ich glaube nicht, dass er es weiß…oder wenn doch…denkt er, dass er es kontrollieren kann.“

 

Schlagartig kam Shikamaru auf die Füße, er verspürte ein plötzliches, atypisches Bedürfnis, sich zu bewegen, anstatt wie von dieser Aussage paralysiert dazusitzen. Er fühlte sich von kalter Furcht überrannt und eingeschlossen, ausgelöst durch diesen unheilvollen Sinn, den Hinatas Worte ergaben. 

 

„Ich glaube das nicht…das ist krank…“

 

Er spürte, wie Hinata ihm mit Blicken folgte, während er ruhelos auf und ab schritt. Doch die Bewegung änderte nichts. Noch immer konnte er fühlen, wie sich die Kälte der Erkenntnis tief in sein Inneres schlich und sich dort festsetzte. 

 

„Ich kann einfach nicht glauben, dass er so dumm sein würde…“, wisperte Shikamaru und hielt bei der offenen Shoji Tür. „Lästiger Bastard…“

 

Weder er noch die Hyūga sprachen für einen langen Moment. Es gab nichts, das sie hätten sagen können, um den Schlag der hässlichen Wahrheit in Hinatas Worten abzumildern. 

 

Verdammt Neji…Was hast du dir nur angetan…?

 

„Shikamaru-kun…“ Die Stimme der Hyūga war so leise, dass er sie beinahe nicht gehört hätte. 

 

„Solltest du nicht langsam nach Hause gehen?“ Shikamaru drehte ihr leicht den Kopf zu und schenkte ihr den traurigen Schatten eines Lächelns. „Ich will schließlich nicht, dass noch mehr Hyūga Fahnenflucht begehen, ok?“

 

Hinata verharrte kniend vor dem Tisch, ihre großen Augen sahen ihn stumm flehend an; die mondgleichen Iriden denen so ähnlich, die noch vor einigen Stunden vor Panik und Schmerz weit aufgerissen waren. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru schloss die Lider. „Ich werde mir etwas überlegen, das ich der Hokage erzählen werde. Vielleicht wirst du das später irgendwann bestätigen müssen.“

 

Hinata richtete sich hoffnungsvoll auf. „Das werde ich.“

 

„Falls es so weit kommt, werde ich dich wissen lassen, was ich Tsunade erzählt habe, damit sich unsere Erläuterungen nicht widersprechen.“

 

„Okay.“

 

Shikamaru hob eine Hand und rieb sich mit dem Daumen über die Brauen. Langsam atmete er ein, während sein Verstand an einem wackeligen Plan arbeitete. 

 

„Es wird wegen dieser Blockaden etwas länger als sonst dauern, bis Nejis Chakra Level wieder voll regeneriert ist, oder?“

 

„Ja.“

 

„Na schön, das verschafft mir zumindest ein bisschen Zeit…für’s Erste…kümmere du dich einfach um alles, was mit dem Hyūga Clan zusammenhängt, ja? Lass nicht zu, dass das hier zu deiner Familie durchsickert!“

 

„Werde ich nicht!“

 

„Und um unser aller Seelenfrieden und geistiger Gesundheit willen: Sag kein gottverdammtes Wort zu Naruto oder Kiba…Scheiße, sag nichts zu irgendjemandem…wir wollen schließlich nicht, dass das hier irgendwie die Runde macht…nicht mal Gerüchte darüber!“

 

„Ich verstehe.“

 

„Gut, wenigstens einer von uns…denn ich verstehe es ganz sicher nicht...“, murmelte Shikamaru; seine Augen glitten auf und folgten den Schatten, die über den Garten krochen, als die Sonne zu sinken begann. 

 

„Shikamaru-kun, es tut mir le-” 

 

”Es ist nicht deine Schuld.“, unterbrach er sie, seine Stimme trug einen gelangweilten, apathischen Tenor, der mehr als nur ein bisschen erzwungen war. „Es macht sowieso keinen Sinn, sich schuldig zu fühlen, es ändert rein gar nichts…“

 

„Aber ich…Danke!“, sagte Hinata schließlich.

 

„Danke mir noch nicht, ja?“ Er wandte den Kopf und lächelte schwach. „Du solltest jetzt gehen.“

 

„Okay.“

 

Hinata verließ das Haus leise, nahm jeden Anschein von Frieden mit sich und ließ nichts weiter als eine schwere Stimmung zurück, die die Leere füllte. Ihre sanftmütige Anwesenheit hatte die grüblerisch düstere Atmosphäre auf Abstand gehalten und Shikamaru hatte gehofft, diese trostlose Wolke würde mit ihr gehen, doch das tat sie nicht. 

 

Er versuchte sich abzulenken, indem er etwas zu essen machen, hielt jedoch mittendrin inne und ließ alles liegen, um einige Male auf der Veranda auf und ab zu gehen. Doch völlig egal, was er versuchte, dieses bedrückende Gefühl blieb.

 

Es schwebte über und folgte ihm wie sein Schatten. 

 

Und jedes Mal, wenn Hinatas Worte durch seinen Verstand hallten, wurde es kälter.

 

„Er würde sich vorher selbst umbringen, Shikamaru-kun…“

 

Shikamaru schob die Tür zum Gästezimmer auf und schlüpfte geräuschlos hinein. Der Raum wurde von einem leichten Glimmen erhellt, das beinahe sandfarben wirkte, als das Licht durch die Fusama Paneele fiel. Shikamarus Blick senkte sich hinunter auf den Futon. 

 

Neji hatte sich nicht bewegt. 

 

Ein Arm des Jōnin lag über seinem Bauch, sein Kopf war nach hinten und leicht zur Seite geneigt. Die nackte Brust, entblößt durch den offengefallenen Yukata, hob und senkte sich sanft. 

 

Shikamaru starrte ihn für einen langen Moment an, seine dunklen Augen wanderten über die Marmorstatuen-gleiche Gestalt, bevor er sich näherte. Nahe an dem Futon stoppte er und sank auf die Knie, um sich neben den schlafenden Hyūga zu setzen. 

 

„Du bist ein lästiger Bastard, Hyūga.“, raunte er in die Stille, doch es lag kein Verdruss oder Zorn in seiner Stimme. 

 

Neji schlief weiter, eingehüllt in die ignorante Glückseligkeit einer Erholung, die er dringend brauchte. 

 

Ahnungslos von den Augen, die sein Profil musterten und den Fingern, die seinen Puls überprüften; ahnungslos von allem außer den tiefen, dunklen Schatten, in denen sein Geist verloren war. 

 

Schatten, die im Moment nicht einmal Shikamaru erreichen konnte. 

 

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Ah ja unsere liebe altruistische Hinata, ich mag sie :) Ich hoffe doch sehr, dass euch das neue Kapitel gefallen hat! Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge sind wie immer gerne gesehen! Ich freu mich so zu erfahren, wie ihr das Kapitel fandet! :) 

Vielen Dank wieder an meine lieben Reviewer, ihr haltet wirklich meine Motivation aufrecht! :) 

One good turn deserves another!

„Ich entscheide mich für den Tod…und ich entscheide mich für meine eigene Freiheit…“

 

Die Stimme erklang in einem weichen, melodischen Bariton, an den sich Neji erinnern konnte, obwohl es Jahre her war, seit er ihn das letzte Mal gehört hatte. Und obgleich diese Worte niemals direkt an ihn gerichtet gewesen waren. 

 

Ich träume schon wieder…oder nicht?

 

Doch diesmal war es eine andere Art des Schmerzes. Er breitete sich von seiner Brust aus und erblühte wie eine blutige Rose. Er meinte zu spüren, wie ein Phantom über seinen Kopf streichelte und nahm ein vertrautes, trauriges Lächeln wahr. 

 

„Neji…du musst leben…“

 

Verwirrung beherrschte seinen Geist. Warum diese Worte? Von allen Worten, die es gab; es ergab keinen Sinn. 

 

Vater…?

 

Er hörte das flatternde Flügelschlagen von Vögeln. Die Erscheinung dieses vertrauten Gesichtes verblasste und mit ihm alle nachklingenden Spuren des Traumes – aber nicht der Schmerz. 

 

Warum sollte ich nicht leben wollen…?

 

Nejis Augen flackerten auf und zittriger Atem verließ wispernd seine Lippen, als sein Verstand langsam zurück an die Oberfläche seines Bewusstseins kroch. Kaum hatte sich seine Sicht vollständig geklärt, erkannte er, dass er an eine beige Zimmerdecke starrte; der in kahlem Weiß gestrichenen Decke seines eigenen Zimmers völlig unähnlich. 

 

Dann erinnerte er sich daran, wo er war. 

 

Nara.

 

Neji blinzelte langsam und gab seinen Sinnen Zeit, sich wieder zu normalisieren. Er bewegte seine Hand, deren Fingerspitzen auf seinem Bauch ruhten, bevor er sie nach oben bis zu seiner Brust wandern ließ und aus einer Erinnerung heraus die Chakrapunkte entlangstrich. 

 

Es sollte nicht mehr so schmerzen…ich habe es zu sehr forciert, zu früh…als ich gegen den Tsubasa gekämpft habe…

 

Er zog tief Luft in seine Lungen, hielt sie, bis er bis fünf gezählt hatte und atmete langsam aus, während er sich gegen den Drang zu husten anspannte. Es gab keinen Zweifel; der wiederholte Einsatz der Handflächenrotation hatte den Großteil des Schadens verursacht. So konzentriertes Chakra aus allen Chakrapunkten auszustoßen, vor allem aus denen, die er manipuliert und blockiert hatte, hatte diese verheerende Rückwirkung ausgelöst.

 

Ich muss mir eine andere Form der Verteidigung ausdenken…zumindest, bis ich einen Weg gefunden habe, das wieder in Ordnung zu bringen…

 

Neji ließ die Hand wieder an seine Seite fallen und sein Blick löste sich von der Zimmerdecke, um den eleganten Pinselstrichen zu folgen, die sich in handgemalten Bildern über die Fusama Paneele erstreckten. Sie stellten eine ästhetische Chronik der Hirschherden dar, um die sich die Nara kümmerten. 

 

Schlagartig kehrte die Erinnerung an letzte Nacht zurück; oder war es die Nacht davor gewesen?

 

Wie lange habe ich geschlafen?

 

Das leise Zwitschern von Vögeln zog seine Aufmerksamkeit auf die Shoji Tür, die weit genug offen stand, um eine kühle Brise in den Raum wehen zu lassen. Gemessen an dem einfallenden Licht war es noch früh am Morgen. 

 

Wie viele Tage sind vergangen?

 

Neji schob einen Arm nach hinten und stützte sich vorsichtig auf den Ellbogen auf. Er musterte das Zimmer und sein Blick fiel auf eine vertraut aussehende Reisetasche. Er nahm sie oft mit sich, wenn er auf Missionen geschickt wurde, die weiter vom Dorf entfernt waren. 

 

Wie…?

 

Auf keinen Fall wäre Shikamaru zum Hyūga Anwesen gegangen; was nur den Schluss zuließ, dass irgendjemand die Tasche vorbei gebracht hatte. Ein unbehagliches Gefühl breitete sich in Nejis Magengegend aus, doch er zwang sich, es zu ignorieren und stattdessen die Tatsache zu würdigen, dass er zumindest Kleidung zum Wechseln hatte. 

 

Eine Notiz.

 

Auf der Tasche lag ein gefaltetes Stück Papier. Eine fein geschwungene Braue wanderte nach oben und Neji streckte sich, um nach der Nachricht zu greifen. Er schob einen Daumen in die Falte und klappte das Blatt auf. 

 

Essen im Kühlschrank. Schmerztabletten in der Küche. Dein Zeug ist in deiner Tasche und du hast Rückendeckung was den Clan angeht. Mach dir nicht die Mühe, nach dem zu suchen, was fehlt – du wirst es nicht finden. Ich bin bald zurück. Stell nichts Dämliches an. Versuch zu entspannen – Shikamaru

 

Neji starrte auf die träge hingekritzelten Worte, seine Augen überflogen noch einmal die Nachricht. 

 

Fehlt? Was zur Hölle soll denn fehlen?

 

Neji ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern und sein müder Geist versuchte gleichzeitig festzustellen, was möglicherweise abwesend war. Doch das Einzige, das seines Wissens nach im Moment fehlte, war Shikamaru. 

 

Will er mich veralbern?

 

Er runzelte die Stirn, als seine Iriden sich erneut auf die Notiz richteten. Wenn er ‚Rückendeckung‘ hatte, dann gab ihm das immerhin etwas Zeit, um eine Lösung für diese ganze Situation zu finden. 

 

Was das unterstrichene ‚entspannen‘ anging…

 

„Idiot“, schnaubte Neji trotz seines leicht zuckenden Mundwinkels. 

 

Mit einer trägen Bewegung legte er den Zettel zurück; sein Verstand war immer noch leicht schlaftrunken. Erst als Neji den Futon zusammengerollt, seine Reisetasche überprüft, anschließend ins Badezimmer gegangen und dann im Spiegel für einen langen Moment empört auf seine Stirn gestarrt hatte, wurde ihm bewusst, was fehlte.

 

Dieser Bastard!

 
 

oOo
 

 
 

Das Schwein war argwöhnisch. 

 

Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

 

Shikamaru konnte es an der Art erkennen, wie es ihn ansah, als er sich der Residenz der Hokage näherte. Die Perlaugen des Tieres verengten sich auf eine zweifelsohne kritische Weise. 

 

Es ist nur ein verdammtes Schwein…reiß dich zusammen…

 

Tonton musste auf irgendeine seltsame präkognitive Art seine Gedanken gelesen haben, denn das Schwein gab ein langgezogenes Grunzen von sich, das klang als versuchte sie zu knurren. 

 

Mit Akamaru komm ich ja klar…aber dieses Schwein ist einfach seltsam.

 

„Hey.“, sagte er schleppend und schlenderte an dem pinken Tier vorbei. „Du hast mich an den Hund verpfiffen…das ist nicht cool.“

 

Tonton wackelte mit den Ohren und schüttelte kurz ihren rundlichen kleinen Körper, bevor sie ihm hinterher trottete. Verärgert linste Shikamaru auf das rotgekleidete perlentragende Haustier der Hokage hinunter. 

 

Im Ernst, warum zur Hölle muss die Hokage ihr Schwein so ausstaffieren? Frauen…

 

„Shikamaru!“

 

Mist.

 

Der Schattenninja verwandelte seinen nächsten Schritt in eine träge 180 Grad Drehung und bog einen Arm zurück, um die Spannung aus seinem Nacken zu reiben, während Asuma auf ihn zu kam. Ein dünner Rauchfaden kringelte sich von der Zigarette aufwärts, die zwischen seinen Lippen hing.

 

Ah, seine Zigaretten.

 

„Sei nicht sauer, ich hab es nicht vergessen. Ich wurde nur auf halbem Weg gekidnappt und…“, begann Shikamaru zu erklären und griff in seine Flakjacke, um das neue Päckchen daraus hervor zu angeln, das er gekauft und mit den angebrochenen Schachtel ausgetauscht hatte. 

 

Er warf sie Asuma entgegen, der die Zigaretten mit einer Hand fing. Seine tiefbraunen Augen überprüften automatisch den Markennamen. 

 

„Gekidnappt, huh?“ Asuma grinste und salutierte Shikamaru lässig mit den Zigaretten, bevor er sie in einer Tasche verschwinden ließ. „Deswegen habe ich eigentlich nicht nach dir gerufen, aber erspart mir die spätere Fragerei.“

 

„Was gibt’s denn?“ Shikamaru schloss seine Augen zu einem halb interessierten Ausdruck und versuchte das Schwein zu ignorieren, das zu ihm hoch starrte. 

 

Asuma hob eine Braue und verzog seine Lippen zu einem schiefen Lächeln, das Shikamaru nervös gemacht hätte, wenn es ihm nicht so vertraut wäre. 

 

„Ino meinte, du hättest gestern den halben Tag verschlafen.“, sagte Asuma und nahm die Zigarette aus dem Mund, um eine dünne Rauchfahne auszustoßen. „Stimmt das?“

 

Shikamaru beobachtete, wie sich die bläulich graue Wolke verflüchtigte. „Ich hatte den Tag frei.“

 

„Du hattest auch einen ganzen Haufen unbearbeiteter Analysereporte über das Defensivsystem des Dorfes.“

 

Fuuuuuck…

 

Shikamaru verzog das Gesicht. „Jo…“

 

Asumas Augen verengten sich; doch nicht unfreundlich. Im Grunde sah er beinahe besorgt aus – was vermutlich noch schlimmer war. Der Nara gab sich Mühe, nicht allzu ertappt auszusehen und seufzte genervt auf, während er sich am Hinterkopf kratzte.

 

„Wie tot bin ich deswegen?“

 

„Ist schon okay.“ Asuma schmunzelte. „Ich habe der Hokage gesagt, sie soll nicht so streng mit dir sein, wenn man bedenkt, dass du ja zu dieser Mission gerufen wurdest.“

 

„Ja, das wäre dann wohl das Kidnapping.“

 

„Du bist kein Kind mehr, Shikamaru. Was dagegen den ‚napping‘ Part angeht…naja…wenn man es wörtlich übersetzt passt es irgendwie…“ Asumas Stimme verlor sich genauso langsam wie der Rauch, der seine Lippen verließ. 

 

Shikamaru stöhnte und lehnte sich gegen die Mauer. „Mann, es ist viel zu früh für eine Standpauke…“

 

Die Lippen des Sarutobi kräuselten sich. „Ich hatte nie vor, dir eine Standpauke zu halten, ich wollte dich nur vorwarnen.“

 

„Ah Mist…warum das?“ Auf einmal hatte Shikamaru eine gute Vorstellung, warum ihn das Schwein so seltsam anstarrte.

 

„Die Hokage will, dass diese Berichte erledigt werden. Schnell.“

 

„Dachte ich mir…wie nervig…“

 

„Hast du denn irgendwas anderes zu tun?“, fragte Asuma lässig, doch Shikamaru erkannte sofort, dass der Jōnin etwas aus ihm herauslocken wollte.

 

Er hatte nicht vor, den Köder zu schlucken. 

 

„Jo, ich muss dringend zu Ino und ihr sagen, dass sie aufhören soll, Mami zu spielen.“

 

Asuma lachte auf und kratzte die Bartstoppeln an seinem Kiefer, bevor er mit den Schultern rollte. „Ah, Shikamaru. Es ist nichts Verkehrtes einer Frau zu gestatten, sich um dich Sorgen zu machen.“

 

„Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass Kurenai dich genauso brutal behandelt wie Ino mich.“ Shikamaru grinste und unterdrückte den Drang zu giggeln, als Asuma überrascht und nervös hustete. „Wobei ich mich natürlich auch irren kann…“

 

Es war ein interessanter Anblick, den Jōnin krebsrot werden zu sehen. Shikamaru beobachtete mit trockener Belustigung und offensichtlicher Befriedigung, wie sich Asuma mit der Faust gegen die Brust schlug, um nicht noch mehr husten zu müssen. Der Nara wusste, wann er eine Situation ausnutzen konnte und im Moment sah er nicht den geringsten Grund, warum er diese Chance verstreichen lassen sollte. 

 

Und außerdem war es einfach viel zu amüsant.

 

„Ganz ruhig, Asuma-sensei. Schließlich würde ich nie wollen, dass diese kostbare Luftröhre beschädigt wird…Frauen mögen es doch, wenn man ihnen ein Ständchen bringt und all den Rotz, oder?“

 

„Ein Ständchen bringen?“ Der Vorschlag ließ Asuma tief gedemütigt aussehen. „Ich singe nicht.“

 

„Oh, also leugnest du es gar nicht?“ Shikamaru grinste träge und verschränkte die Arme.

 

Asumas Augen weiteten sich albern. „Was leugnen?“

 

„Hey, ist okay, ich werde schon nichts ausplaudern.“

 

„Es gibt nichts auszuplaudern.“, konterte der Sarutobi viel zu schnell und immer noch mit einem herzallerliebsten karmesinroten Teint.

 

„Klar, darauf will ich wetten.“, neckte der Nara. 

 

„Hast du nicht ein paar Berichte zu bearbeiten?“, grummelte Asuma und versuchte so seine Verlegenheit zu kaschieren; scheiterte jedoch kläglich.

 

Shikamaru grinste, stieß sich von der Wand ab und schlurfte weiter in Richtung der Hokage Residenz. Träge hob er eine Hand und winkte über die Schulter. „Bis dann.“

 

Verhör vermieden. Sehr schön.

 

Das leise Trippeln von Tsunades Schwein, das neben ihm her trottete zog seine Aufmerksamkeit hinunter auf das lästige Tier, als er das Gebäude betrat.

 

„Hör auf, mir nachzulaufen.“

 

Das brachte ihm jedoch nur einen weiteren kritischen Blick von Tonton ein, bis das Schwein etwas bemerkte. Shikamaru wandte gerade den Kopf, als eine ausgelaugt wirkende Shizune um die Ecke kam. 

 

„Tonton! Da bist du ja!“, keuchte die Medic-Jōnin und ging in die Hocke, um sich das Schwein unter einen Arm zu klemmen. „Und du hast Shikamaru gefunden!“

 

„Mich gefunden?“ Shikamarus Augen wanderten zwischen dem Tier und Shizune hin und her. „Du hast das Schwei..“

 

Das Schwein quiekte schrill.

 

„…Tonton“, korrigierte sich Shikamaru flach, „geschickt, um mir nachzulaufen?“

 

Shizune seufzte nervös. „Tsunade-sama will diese Berichte.“

 

„Jo, also was das angeht…“

 

Shizunes finstere Miene schnitt ihm das Wort ab. 

 

„Keine lahmen Entschuldigungen, Shikamaru! Nächste Woche findet ein Treffen mit dem Ältestenrat statt und sie braucht dafür die ausgearbeiteten Pläne, was wiederrum bedeutet, dass deine Reporte spätestens bis morgen erledigt sein müssen.“

 

Shikamaru seufzte gedehnt und ignorierte den säuerlichen Blick, mit dem die Frau ihn bedachte. Das war nicht unbedingt das gewesen, was er sich von diesem Morgen erhofft hatte. Wenn schon Shizune schlecht gelaunt war, wollte er gar nicht erst wissen, welche Ader wohl bei Tsunade geplatzt war. Oder wessen Kopf rollte.

 

Solange es nicht meiner ist.

 

„Nara Shikamaru!“

 

Wie aufs Stichwort donnerte die Stimme der Godaime mit genug Macht den Gang entlang, um ihr Opfer in Todesangst zu versetzen. 

 

Scheiße…das wäre dann wohl ich.

 

Shikamaru blieb eine Nanosekunde, um sich zu fragen – und nicht zum ersten Mal – ob es weniger schmachvoll wäre, wie ein kleines Mädchen davon zu rennen, oder wie eines zu schreien. 

 

„Wo zur Hölle bist du gewesen?“, verlangte Tsunade zu wissen, ihre grasgrüne Robe bauschte sich hinter ihr und verlieh ihrem Zorn eine zusätzliche unnötige Dramatik. „Du und Hyūga Neji habt einiges zu erklären!“

 

Shikamaru erbleichte und erholte sich gerade noch rechtzeitig, um etwas herzustellen, das – wie er hoffte – ein überzeugender Ausdruck der Verwirrung war. 

 

„Stimmt irgendwas nicht?“, waren die unintelligenten, unbeabsichtigten und automatischen Worte aus seinem Mund. 

 

Tsunade kam scharf an der Seite von Shizune zum Stehen, die sichtbar neben der vor Wut überschäumenden blonden Frau zusammenzuckte. Doch Tsunades finsterer Blick galt dem Nara. 

 

„Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen!“ Eine kurze unangenehme Pause entstand, bevor Tsunade fortfuhr. „Warum hast du nach der Mission nicht Bericht erstattet? Das ist Pflicht, das weißt du und so wie ich es verstanden habe, warst du der einzige unverletzte Shinobi.“

 

Wäre nicht das erste Mal, dass das passiert…

 

Shikamaru verzog innerlich das Gesicht, schaffte es aber, einen lobenswert ruhigen Ausdruck beizubehalten. 

 

„Das ist richtig.“

 

„Außerdem hast du das Verstärkungsteam angeführt, also wäre es deine Aufgabe gewesen, an der Nachbesprechung teilzunehmen.“

 

„Ich weiß.“

 

„Du weißt?“ Tsunades Stimme wurde um einige Dezibel lauter. „Soll das heißen, dass du keine legitime Entschuldigung dafür vorbringen kannst, warum du es versäumt hast, deiner Vorgesetzten den Abschluss einer A- bis S-Rang Mission zu melden?“

 

„Das ist korrekt.“

 

Tsunades Augen flackerten mit einer Mischung aus Zorn und Verwirrung, ganz so als hätte sie zumindest den Versuch einer Verteidigung erwartet. „Selbst bei einem Faulpelz wie dir hätte ich eigentlich genug Stolz erwartet, um dich zumindest zu rechtfertigen.“

 

Das wäre eher Neji.  

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Hat keinen Sinn, es zu leugnen. Ist ein viel zu großes Ärgernis wegen etwas zu lügen, über das ich sowieso mit dir sprechen wollte. Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich keinen Grund hatte…nur keine Entschuldigung.“

 

Eine fein geschwungene Braue wanderte nach oben, als sich Tsunade eine Hand in die Hüfte stemmte und eine Pose einnahm, die dem Nara nur allzu vertraut vorkam. Er hatte genug Frauen dabei beobachtet, um genau zu wissen, was sie bedeutete; er steckte bis zum Hals in der Scheiße und musste schnell eine Schaufel finden. 

 

Und dann warf ihm Shizune eine unerwartete Rettungsleine zu. 

 

„Hey…“ Sie runzelte die Stirn und hob Tonton etwas höher. „Warum hast du zwei Stirnbänder?“

 

Die Frage riss Tsunade aus ihrem wütenden Starren und ließ Shikamaru verwirrt blinzeln. Er folgte dem Blick der Frauen auf das Hitai-ate, das er sich direkt unterhalb der Metallplatte, die er immer trug, um den Arm gebunden hatte. 

 

„Das ist Nejis.“

 

„Nejis?“, fragten die beiden wie aus einem Munde. 

 

„Naja, es ist auf jeden Fall nicht so, dass ich mich heute extra patriotisch fühle.“ Shikamaru beobachtete, wie das Licht von dem geprägten Stahl reflektiert wurde, bevor er die Augen wieder auf Tsunade richtete. Jeder Anflug von Sarkasmus verschwand aus seinem Gesicht. „Das ist der Grund, aus dem ich hier bin, Tsunade-sama. Ich muss mit dir über Neji sprechen.“

 

Die Verärgerung in Tsunades Bernsteinaugen kühlte sich zu einem Glimmen ab und ließ sie mehr beunruhigt als zornig zurück. Ihre Hand fiel von ihrer Hüfte, während sie aufmerksam Shikamarus Gesicht musterte. 

 

„Das ist also dein Grund statt einer Entschuldigung, ich verstehe.“ Die Hokage seufzte. „Sakura hat mir gesagt, dass er sich einer medizinischen Untersuchung verweigert hat.“

 

„Das ist nicht ganz richtig.“ Shikamaru legte den Kopf schräg. „Er wollte nur nicht ins Krankenhaus.“

 

„Wirst du mir auch sagen, warum das so ist.“, fragte Tsunade.

 

„Ich wäre nicht hier, wenn ich nicht vorgehabt hätte, das zu tun.“

 

Tsunade runzelte die Stirn und Shikamaru konnte sich nur vorstellen, dass sie eigentlich erwartet hatte, er würde das hier kompliziert machen. Er atmete hörbar aus und spähte den Korridor auf und ab, um deutlich zu machen, dass er diese Sache nicht außerhalb ihres Büros diskutieren würde. 

 

Eine unsichere Stille breitete sich aus, bevor die Hokage schließlich kopfschüttelnd schnaubte.

 

„Du hast wirklich verdammt Glück, dass ich Ehrlichkeit und deinen scharfen Verstand so schätze, Nara.“ Ihre Stimme wurde etwas ruhiger. „Sonst würdest du jetzt ganz schön in der Klemme sitzen.“

 

Shikamaru hielt den Blick abgewandt. „Jo, das weiß ich.“

 

Er hörte, wie sie seufzte; ein leiser, gnädiger Ton. Sie wandte sich ihrem Arbeitszimmer zu und bedeutete Shikamaru, ihr zu folgen. Shizune hielt einen respektvollen Abstand und gesellte sich erst zu ihnen, als Shikamaru keine Andeutungen machte, ihre Anwesenheit wäre nicht willkommen. Der Grund, weshalb er sie bei dieser Besprechung akzeptierte, war, dass er das zusätzliche medizinische Wissen möglicherweise brauchen könnte.

 

Shizune schloss die Tür hinter ihnen. 

 

Das widerhallende Klacken des Schlosses besiegelte die Endgültigkeit seiner Entscheidung. 

 

Kein Zurück.

 

Tsunade schritt nach vorn und ließ Shikamaru kurz vor ihrem kürzlich ausgetauschten Schreibtisch stehen, da der vorherige ihrer Faust zum Opfer gefallen war. Shikamaru konnte nur hoffen, dass er eine Wiederholung dessen nicht miterleben musste. 

 

„Na schön, Shikamaru.“, sagte Tsunade. „Du hast meine Aufmerksamkeit und Zeit.“

 

Er beobachtete, wie die Hokage sich mit der Hüfte gegen das Holz lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt und den Blick aus Bernsteinaugen beständig auf ihn gerichtet. 

 

Er hatte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. 

 

Gut. Denn er war sich sicher, dass er das hier nicht ein zweites Mal tun könnte.

 
 

xXx
 

 
 

Als Shikamaru es zurück in den Nara Wald schaffte, glitten Wolkenfetzen wie hauchdünne Pinselstriche über den Nachmittagshimmel. Die Sonne brach hindurch, doch der Wind, der durch die Bäume wehte, blieb kalt und schneidend und brachte die Berichte zum Rascheln, die der Schattenninja träge durchblätterte, während er durch die vertraute Gegend schlenderte. 

 

Die Verhandlungsweise dieser Frau ist unverschämt…

 

Seine Miene verfinsterte sich, als er einen Spionagebericht überflog, der genauso gut eine verdammte Dissertation hätte sein können. Wer auch immer das geschrieben hatte, hatte ganz offensichtlich seine literarische Berufung verpasst, denn der Bericht ging so weit, dass er detailreich ‚die rostige, rötliche Panzerung der eisenverstärkten Wälle des Dorfes, die dem immerwährenden Brennen der Sonne, dem Aufprall von scharfen Klingen und den Aufschlägen eines Kunairegens der Feinde standhielten‘ beschrieb…

 

Klingt sehr nach Schlägen, die mein Hirn ertragen muss, wenn ich das lese…

 

Das Karma, das ihn nahezu augenblicklich für diesen Gedanken ereilte, war ein ebenso detaillierter Bericht, der direkt dem ersten folgte. 

 

Ugh…klar, ich habe Glück wie immer…

 

Doch Shikamaru bekam nie die Gelegenheit, seine geistige Misshandlung von Verteidigungsstrategien zu vollenden, bevor er auch schon gezwungen war, eine einzusetzen. 

 

Ein Kunai kam von links auf ihn zugeschossen. 

 

Es zischte an seinem Ohr vorbei und zwang ihn dazu, sich zu drehen und unter einem weiteren hinweg zu ducken. 

 

Was zur Hölle?

 

Ein drittes Messer schlug Funken, als es an der Kante der Stahlplatte mit dem Konoha Emblem entlangschrammte, das er auf den Ärmel genäht trug und löste den lockeren Knoten von Nejis Hitai-ate. Das Kunai befreite das Stirnband von Shikamarus Arm und nagelte es mit einem dumpfen Aufschlag an den nächsten Baum.

 

Der Nara verharrte in der Hocke im Gras; die Berichte unter einen Arm geklemmt und ein Kunai in der freien Hand, während sein Blick dem Pfad folgte, den das letzte Messer entlanggeflogen war. 

 

Seine dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen, bevor sie sich weiteten. 

 

„Neji?“

 

Der langhaarige Jōnin kam wie ein Panther und mit wilden Byakugan Augen durch die hohen Grashalme geschritten. Shikamaru fragte sich, ob er das nicht eigentlich hätte erwarten müssen. Er hatte sich bereits mehrmals gedacht, dass er höchstwahrscheinlich irgendwann im Krankenhaus enden würde; mit Nejis Händen unnachgiebig um seine Kehle geschlossen. 

 

Schätze mal, das Gute an der ganzen Sache ist, dass ich diese dämlichen Berichte nicht bearbeiten muss…das könnte tatsächlich funktionieren…

 

Doch selbst wenn er ernsthaft über diese letzte Möglichkeit eines Ausweges nachgedacht hatte; die Hände des Hyūgas legten sich nicht um seinen Hals. Stattdessen marschierte Neji einfach an ihm vorbei, packte das Kunai, das im Baum stak und befreite sein Stirnband. 

 

Shikamaru blinzelte und stierte einen Moment geschockt vor sich hin, bevor er sich kopfschüttelnd von dem Schreck erholte. 

 

„Das war dramatisch“, sagte er flach. 

 

Neji ließ sich nicht zu einer Antwort herab und band sich stattdessen sein ‚fehlendes‘ Hitai-ate mit stummem Zorn um. Dann machte er kehrt, pflückte sein beiden anderen Kunais aus dem Gras und schritt durch die hohen Halme zurück in Richtung der Nara Residenz. 

 

Shikamaru starrte dem Jōnin hinterher. 

 

Dann ließ er sich mit einem zittrigen Seufzen zurück auf den Waldboden fallen und schloss die Augen. 

 

 

Erst einige Zeit später riss er sie wieder auf, als irgendetwas an seiner Stirn abprallte und in das Gras neben ihm fiel. Mit einem verdutzten Stirnrunzeln streckte er eine Hand aus und tastete nach dem kleinen Gegenstand, bis sich seine Finger endlich darum schlossen. 

 

Er hob ihn hoch. 

 

Es war ein Shogi Spielstein. 

 

Ein Schatten fiel über seinen ausgestreckten Körper. 

 

„Wenn du Spielchen spielen willst, Shikamaru, bleib beim Shogi Brett.“

 

Der Schattenninja legte den Kopf gegen den Waldboden und spähte an dem Shogi Stück vorbei, das er zwischen Zeigefinger und Daumen hielt. Nejis Silhouette hob sich gegen den wolkengestreiften blauen Hintergrund ab. 

 

„Ich habe dich bereits zweimal geschlagen.“ Der Nara zuckte mit den Achseln. „Also wo bleibt denn da der Spaß?“

 

„Du hast mich geschlagen, als ich betrunken war.“, bemerkte Neji; seine Miene war frustrierend unlesbar. 

 

Shikamaru ließ den Shogi Spielstein über seine Knöchel tanzen. „Klingt nach der lahmen Ausrede eines gekränkten Verlierers.“

 

Neji unterdrückte ein Knurren. „Steh auf.“

 

„Danke, aber ich ziehe es vor, nicht von Kunais durchlöchert zu werden.“

 

„Dann mach das nie wieder!“ Nejis Kiefer verkrampfte sich sichtbar und die Kanten seiner Gesichtszüge wurden noch schärfer.

 

Shikamarus dunkle Augen wanderten zu dem schimmernden Stahl über Nejis Stirn. „Es hat dafür gesorgt, dass du hier bleibst, oder nicht?“

 

Er beobachtete, wie ein Anflug von Emotionen die maskenhafte Miene des Hyūga betrog, bevor sich seine Verteidigung wieder vollkommen schließen konnte. Wie eine Mauer, die sich senkte. Selbst Nejis Stimme wurde leiser. 

 

 „Was dachtest du denn überhaupt, wo ich in diesem Zustand hätte hingehen sollen?“

 

„Sag du es mir, Hyūga.“ Shikamaru hob eine Braue und schloss seine Finger hart genug um den Shogi Stein, um zu spüren, wie sich der Gegenstand in seine Handfläche grub.

 

„Ist nicht so, als hätte ich zurzeit eine große Auswahl an Möglichkeiten.“, schnappte Neji zurück.

 

„Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß.“ Shikamaru richtete sich auf seinen Ellbogen auf, denn er fühlte sich plötzlich unbehaglich mit dem Höhenvorteil, den Neji hatte, indem er über ihm stand. „Du bist nicht der Einzige, der kaum Auswahlmöglichkeiten hat, also verzeih mir, dass ich nicht nur deine miserable Gesundheit, sondern auch deinen dämlichen Stolz berücksichtigt habe.“ 

 

Für einen langen Moment verharrten sie in einem stierenden Stillstand. 

 

Nichts bewegte sich außer Nejis schwingendes Haar und das Shogi Stück, das Shikamaru wieder über seine Knöchel wandern ließ. 

 

Neji starrte den Nara kühl an, bevor er letztendlich sagte: „Ich kenne meine eigenen Schwächen besser, als es irgendjemand sonst jemals könnte, Shikamaru.“

 

Der Schattenninja blinzelte verdutzt. 

 

Es war eine elegante Evasion, doch es war eine, die einen Preis hatte. Diese Worte ließen Neji völlig offen zurück und der Nara musste sich fragen, ob es ein Test war, um zu sehen, ob Shikamaru diese Möglichkeit zu einem verbalen Schlag nutzen würde. 

 

Er tat es nicht. 

 

Dabei wollte er sie verdammt nochmal nutzen; auf seiner Zunge befand sich bereits ein ganzes Arsenal an spitzen Erwiderungen. Er hätte sie genauso schnell und tiefschneidend abfeuern können wie die Kunai, die Neji auf ihn geworfen hatte. 

 

Doch das tat er nicht.

 

Für einen Augenblick ließ er die Stille die Schwere dessen tragen, was er nicht aussprechen würde, bevor er die Lider schloss und leise ausatmete. 

 

Verdammt.

 

Durch das Rascheln von Gräsern wurde er sich Nejis Bewegungen gewahr. Licht tanzte über Shikamarus geschlossene Augen, doch dann blockierte ein Schatten das Spiel der Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht. 

 

„Völlig egal, was du glaubst…“ Neji hielt inne, seine Stimme wurde etwas leiser. „Ich weiß sehr zu schätzen, was du für mich getan hast, Shikamaru!“

 

„Du hast eine komische Art, deine Wertschätzung auszudrücken, Hyūga.“

 

„Und du hast eine manipulative Art, deine Besorgnis auszudrücken.“

 

Zorn und ein sehr unerwartetes Gefühl, verletzt zu sein, explodierte heftig in Shikamarus Brust – er konnte es gerade noch so unter Kontrolle halten. Hätte Neji diese Worte noch vor ein paar Stunden zu ihm gesagt, hätte er seine Faust in den Kiefer des Hyūga gerammt. Vor ein paar Stunden hätte es ihn enorm angepisst, diese Worte zu hören. Es hatte absolut keine Manipulation in dem gegeben, auf das Neji anspielte.

 

Mann, der hat vielleicht Nerven…

 

Shikamaru spürte, wie sich der Shogi Spielstein erneut in seine Handfläche stanzte.

 

Nachdrücklich zwang er sich dazu, seine Faust zu lösen. 

 

Er hatte absolut keine seiner Handlungen geplant, als Neji diese bluthustenden Anfälle erlitten hatte. Seine Reaktionen waren automatisch und instinktiv gewesen. 

 

Nicht manipulativ. 

 

Wenn man aber bedachte, wo Shikamaru gerade gewesen war und was er soeben getan hatte, war Manipulation vielleicht gar nicht so weit hergeholt. Doch eigentlich entsprach auch das nicht vollkommen der Wahrheit. 

 

Shikamarus Lider glitten einen Spalt breit auf, die dunklen Seen seiner Augen richteten sich auf die opalhaften Iriden, die auf ihn hinab sahen. 

 

Du bist wahrhaftig nicht der Einzige, der nur ätzende Optionen zur Auswahl hat, Neji…

 

Der Nara schnaubte und strich mit dem Daumen über den Shogi Stein. „Wie lästig.“

 

Zu seiner Überraschung bemerkte er eine seltsame Wandlung im Ausdruck von Nejis Augen, bevor der Jōnin den Blick abwandte. Ihm blieb keine Zeit, zu interpretieren, um was es sich dabei gehandelt haben könnte, bevor der Hyūga erneut das Wort ergriff. 

 

„Steh auf.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und klemmte sich vielsagend einen Arm hinter den Kopf. „Ich hab es dir schon gesagt. Ich bin nicht in der Stimmung, jetzt irgendwelchen scharfen Gegenständen auszuweichen.“

 

„Ja, nur Papierkram, wie es scheint.“, spottete Neji.

 

Die Erinnerung ließ den Schattenninja gequält aufstöhnen und seine Brauen zogen sich scharf zusammen. „Was für eine Schererei.“

 

„Du kennst doch bestimmt das Sprichwort darüber, dass zwei Köpfe besser sind als einer, oder?!“

 

„Kommt auf den zweiten Kopf an.“, murrte Shikamaru trocken, das Gesicht noch immer vor Verdruss verzogen, bevor sich Verwirrung darauf ausbreitete, als Neji in die Hocke ging und den Stapel an Berichten unter seinem Arm hervor zerrte. „Hey!“

 

Der Hyūga richtete sich wieder auf und blätterte durch die Reporte. „Dann ist es ja gut, dass es mein Kopf ist, den ich dir zur Verfügung stelle. Und jetzt steh auf, damit wir diese Berichte erledigt bekommen und du etwas schlafen kannst…offenbar bin ich nämlich nicht der Einzige, der wie Scheiße aussieht.“

 

„Ist das dein Ernst?“ Shikamarus Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das seine ehrliche Überraschung verbergen sollte. 

 

„Hör dich mal nicht so erstaunt an.“

 

„Gib mir noch einen Moment und ich höre mich gleich amüsiert an.“ Shikamaru setzte sich auf und legte seine gekreuzten Arme auf seinen aufgestellten Beinen ab, während er nach oben sah und zu entschlüsseln versuchte, was sich hinter Nejis Augen abspielte. „Warum solltest du dir deswegen überhaupt die Mühe machen?“

 

Neji runzelte die Stirn und hob den Blick, als wäre die Antwort darauf offensichtlich; was sie vermutlich auch war, wenn es irgendwas damit zu tun hatte, Punkte zu zählen. Shikamaru wusste, dass der Hyūga nicht das Gefühl haben wollte, noch mehr in der Schuld des Nara zu stehen, als es seiner Meinung nach ohnehin schon der Fall war. Wieder einmal wirkte es, als wäre es ein seltsames Spiel, das zwischen ihnen ablief. Es war Nejis angefressener Stolz gegen was auch immer Shikamaru wieder und wieder dazu trieb, dem lästigen Hyūga zu helfen. 

 

Warum zur Hölle mache ich mir die Mühe?

 

Neji sah aus, als wollte er genau diese Frage, die der Nara sich stumm stellte, in Shikamarus Gesicht werfen – wovon der Schattenninja aber inständig hoffte, dass er es nicht tun würde. Er war sich sicher, dass er sie nicht beantworten könnte.

 

Mist…

 

Diesmal war er derjenige, der sich offen gelassen hatte. 

 

Die Frage war nur, ob Neji die Chance für einen Schlag nutzen würde. 

 

Warum sollte er es nicht tun? Und hier kommt es…

 

Es kam nicht. 

 

„Eine gute Wendung ist der anderen wert, Shikamaru!“

 

Die Augen des Schattenninjas weiteten sich ein Stück angesichts dieser Worte. 

 

Nejis unerwartete Antwort brachte sie auf ebenmäßigen Boden; nicht vollkommen stabil, aber auch nicht durch irgendein Desaster manipuliert. Es dauerte eine Weile, bis sich Shikamaru sicher war, dass er sich die Worte nicht eingebildet hatte. Neji hatte soeben eine Chance verstreichen lassen, seinen Stolz zu verteidigen. Es war eine Möglichkeit gewesen, von der Shikamaru sicher gewesen war, dass sie der Hyūga ergreifen würde. 

 

„Also wenn du auf diese Weise spielen willst“, erwiderte Shikamaru schließlich „na schön, ich werde das Angebot nicht ablehnen.“

 

Neji summte nur als Antwort, die Augen auf die Reporte gerichtet, während er sich umdrehte, um zu der Nara Residenz zurückzukehren; eine weitere Reaktion bot er nicht an. 

 

Shikamaru folgte ihm nicht sofort. 

 

Er blieb noch für einen weiteren Moment sitzen und eine selten gesehen Intensität schwamm in seinen dunklen Augen, aufgewirbelt durch den inneren Konflikt einen einzigen nagenden Gedanken betreffend. 

 

Ein Gedanke, der ihn gleichermaßen verwirrte und faszinierte…

 

Es war eine dämliche, willkürliche und völlig unvorhersehbare Erkenntnis…die Erkenntnis, dass Neji ihn während ihrer gesamten aufwühlenden Auseinandersetzung nicht ein einziges Mal bei seinem Nachnamen genannt hatte.

 

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Na endlich scheint Neji ein bisschen aufzutauen, oder wie seht ihr das? Ich hoffe, das neue Kapitel hat euch gefallen! Wie immer freue ich mich wie Bolle über jedes eurer Worte zu dieser FF! :)

Mind is the forte, even if attitude is the pitfall

Eine angenehme Stille hatte sich über die beiden Ninjas gelegt, jeder von ihnen konzentrierte sich auf einen Stapel Missionsberichte. Eine Tasse Kabusecha Tee stand dampfend vor Neji auf dem Tisch und das starke Aroma von Kaffee schwebte von Shikamarus Seite herüber; doch ein lautes Gähnen des Schattenninjas ließ erahnen, dass das Koffein nicht den erwünschten Effekt erzielte. 

 

Neji spähte zu dem Nara hinüber. 

 

Shikamarus Kinn ruhte auf seinem Handballen und seine dunklen halb geschlossenen Augen studierten den Report, der vor ihm lag. Er sah aus, als wäre er nur zwei Lidschläge davon entfernt einzuschlafen, doch im Grunde konnte man das bei ihm nie so genau feststellen. 

 

In jedem Fall kann er eine Pause bestimmt gut gebrauchen. 

 

Sie hatten bereits die letzten drei Stunden damit zugebracht, sich durch die Blätterstapel zu arbeiten. 

 

Die vollständige Neubewertung des Defensivsystems des Dorfes war eine mehr als anstrengende und zermürbende Aufgabe. Nach Akatsukis Angriff auf Sunagakure war es jedoch unumgänglich, Vorkehrungen zu treffen, um Konoha vor einer ähnlichen Infiltrationsattacke schützen zu können. 

 

Neji runzelte leicht die Stirn. 

 

Die Akatsuki hatten Orochimaru sehr rasch an Priorität übertroffen.

 

Ich muss meine Stärke zurück erlangen…schnell…

 

Neji strich sich mit den Fingerspitzen über die Brust und rieb auf subtile Weise über das dumpfe ziehende Gefühl unter seiner Haut. Der Schmerz hatte nachgelassen, doch es würde eine Weile dauern, bis sich seine Chakrareserven wieder regeneriert hatten. Die Frustration darüber überwog jedes Unbehagen. 

 

Konzentrier dich auf das, was du gerade tust.

 

Er schüttelte den Kopf gegen seine eigene Ablenkung und verbrachte die nächsten Minuten damit, den ordentlichen, fein geschriebenen Text auf einem zweiseitigen Report zu studieren. Die Informationen darin waren präzise und wichtig, nicht so wie das Geschwafel einiger anderer Berichte. 

 

Verteidigung ist von zentraler Bedeutung aber genauso wichtig ist es, die Schwächen unserer Gegner herauszufinden, statt alle Aufmerksamkeit darauf zu richten, unsere eigenen zu verbergen…

 

Neji notierte einige Bemerkungen auf dem Blatt, während die Finger seiner freien Hand zu der Teetasse wanderten. Ohne seine Augen von dem Bericht abzuwenden, hob er sie an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck von dem lauwarmen Getränk, als ihm auffiel, dass es plötzlich viel zu still war. Rasch warf er einen Blick über den Tisch. 

 

Shikamarus Lider waren geschlossen. 

 

Neji setzte seinen Becher ab und hob eine Braue. „Shikamaru?“

 

Der Schattenninja antwortete nicht. Für einen Moment starrte der Hyūga ihn verständnislos an, als erwartete er, die Augen des anderen Ninja würden sich mit einem trägen halbherzig vernichtenden Ausdruck öffnen. 

 

„Nara.“, versuchte er es erneut.

 

Nichts.

 

Neji drehte eine Seite seines Berichtes und ließ das Papier dabei etwas lauter als nötig rascheln, um den Chūnin dazu zu bringen, sich zu rühren. Es war in etwa so erfolgreich wie seine Stimme. Neji nutzte einen Augenblick, um abzuwägen, was er tun sollte; seine blassen Augen wanderten zwischen dem Papierkram und Shikamaru hin und her. 

 

Es hat keinen Sinn, ihn zu wecken, wenn er dermaßen müde ist…er wird nur Fehler machen und den ganzen Aufwand ruinieren, den er bereits reingesteckt hat…

 

Daher blieb ihm nur eine machbare Option, die zusätzlich dazu beitragen würde, das Gefühl zu lindern, in der Schuld des Schattenninjas zu stehen. Also legte Neji seinen Stift geräuschlos beiseite, beugte sich über den Tisch und griff nach den Berichten, die neben Shikamarus Ellbogen lagen. Er würde sie schon schnell genug abarbeiten können; sein Körper mochte zwar erschöpft sein, doch sein Verstand war wach und aufmerksam.

 

Neji begann, den Stapel zu sich hinüber zu ziehen, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Sein Blick fiel auf ein weißes Heft, das zwischen den rotmarkierten Papieren steckte. Da er dachte, es sei einfach nur dort hineingerutscht, machte er sich daran, das Heft aus dem Stapel zu entfernen. Er griff nach dem schmalen Buchrücken und schaffte es, es leise hervorzuziehen; seitenverkehrt lag es auf dem Tisch.

 

Er neigte den Kopf und konnte leicht den invertierten Text lesen. 

 

‚AUFZEICHNUNGEN VERGANGENER KÄMPFE: Vertrauliche Informationen, VOL.1‘

 

Nejis Brauen hoben sich; er legte die Finger auf den Einband und drehte das Buch herum. Doch er bekam keine Gelegenheit, es aufzuschlagen, denn eine Bewegung aus den Augenwinkeln zog abrupt seine Aufmerksamkeit auf sich. 

 

„Hinterhältig.“, murmelte der Nara das vertraute Wort amüsiert, doch sein Gesichtsausdruck war angespannt; seine Miene stand in krassem Kontrast zu der Leichtigkeit in seiner Stimme. 

 

„Du hast geschlafen.“, sagte Neji und mochte es überhaupt nicht, wie defensiv er sich dabei anhörte. Es war dumm, aber er fühlte sich seltsam beschämt, weil er ertappt worden war. 

 

Lächerlich.

 

Shikamaru blinzelte träge und neigte den Kopf, um seine Schläfe auf einer Faust abzulegen. Seine dunklen Iriden glitten über das schmale Heft, das Neji noch nicht geöffnet hatte. Der Hyūga erhielt auch niemals die Chance dazu, denn der Schattenninja streckte seine freie Hand aus und griff nach dem gestohlenen schmalen Buch wie nach einem geschlagenen Shogi Spielstein. 

 

Neji lehnte sich ein wenig zurück und glättete seine Züge in seine übliche ruhige Maske. 

 

„Vergangene Kämpfe?“, platzte es dennoch aus ihm heraus, auch wenn er es schaffte, seinen Tonfall trotz seines Argwohns neutral zu halten. „Was hast du damit zu tun?“

 

Shikamaru gähnte nur abweisend und zuckte die Achseln. Neji beobachtete, wie der Nara das Heft aus der Reichweite des Jōnin zog, bevor er die kalten Überreste seines Kaffees mit einem Schaudern hinunter schluckte. 

 

Aus welchem Grund hat er ein Buch über Verschlusssachen?

 

Geduldig hielt Neji seine Augen auf den anderen Ninja gerichtet; es war eine stille Art, zu verdeutlichen, dass er nicht vorhatte, das Thema einfach so fallen zu lassen. Er wartete darauf, dass Shikamaru noch einmal seinem Blick begegnete – was allerdings nicht passierte. Stattdessen richtete der Nara seine Aufmerksamkeit auf die Reporte, die sich halb über den Tisch bewegt hatten. 

 

„Du stiehlst also schon meine Berichte? Bist ja ziemlich übereifrig, Hyūga…“

 

Überhaupt nicht amüsiert bot Neji nur einen flachen Blick an. „Gemessen an der Geschwindigkeit, in der du arbeitest – oder schläfst – bin ich überrascht, dass du überhaupt irgendetwas bis zu einer Deadline fertigbringst. Sind denn Kampftaktiken Teil des Defensivsystems?“

 

„Wie viele haben wir denn noch übrig?“ Shikamaru gähnte erneut und holte sich den Stapel Papier zurück, den Neji über den Tisch gezogen hatte. 

 

Shikamarus deutliches Meiden des Themas bestätigte nur das unbehagliche Gefühl, das dieses Buch in Neji ausgelöst hatte, doch er entschied sich, die Fragerei einzustellen – fürs Erste.

 

„Bin gerade mit meinen fertig geworden.“, sagte Neji. 

 

„Gut. Dann schlage ich eine Pause vor.“

 

Neji schnaubte spottend. „Du hattest gerade eine.“

 

„Jo und du hast sie unterbrochen.“ Shikamaru rollte mit den Schultern und verzog das Gesicht, als ein paar Gelenke knackten. „Ugh…wie spät ist es?“

 

Der Hyūga spähte zum Fenster hinüber. „So gegen fünf, schätze ich.“

 

Er hörte Shikamaru stöhnen und richtete den Blick zurück auf den Nara, um zu beobachten, wie der Schattenninja seinen Kopf in einer Armbeuge vergrub. 

 

„Drei Stunden…was für ein Drama…“, meckerte er gedämpft.

 

„Pass auf.“ Neji wollte erneut nach den Berichten greifen. „Du bist ganz offensichtlich nicht in der Lage, dich hierauf zu konzentrieren, also lass mich das einfach machen.“

 

Shikamaru schnaubte in seine Armbeuge. „Viel zu übereifrig…“

 

„Ich würde nicht sagen, dass das Wort zutrifft. Aber es ist in jedem Fall notwendig, wenn du das rechtzeitig erledigt haben willst.“

 

Sie will, dass das rechtzeitig erledigt ist…ich will das generell nicht machen…“

 

Verwirrung schlich sich in Nejis stoische Miene. „Wie willst du dich denn weiterentwickeln, wenn du dich nie anstrengst?“

 

Shikamaru stöhnte noch einmal und hob den Kopf von seinem Ellbogen, nur um sein Kinn auf seiner Handfläche abzustützen; er gähnte laut hinter seinen Fingern. 

 

„Ich habe nie gesagt, dass ich mich weiterentwickeln will…die Leute hören nur einfach nicht auf, das von mir zu erwarten.“

 

Neji legte den Kopf schief. „Sie erwarten das von dir?“

 

„Jo.“ Shikamarus schwere Lider hoben sich. „Anders als du und Naruto, habe ich kein wahnsinniges ‚Nach den Sternen greifen‘-Nindo. Ich habe nur Menschen, die ihre gesellschaftlichen Vorstellungen und Maßstäbe auf mich übertragen.“

 

Neji studierte aufmerksam die abgespannte Miene des Schattenninja und versuchte einen winzigen Funken Strebsamkeit darin zu finden. Doch Shikamarus Gähnen unterbrach jäh seine Suche und ungläubig über die Manier des Nara schüttelte er den Kopf. 

 

„Ich verstehe dich nicht. Du hast so viele Qualitäten.“ Der Hyūga runzelte die Stirn. „Du könntest es so leicht und schnell zum Jōnin schaffen und höher klassifizierte Missionen führen. Das sind Dinge, die es wert sind, nach ihnen zu streben.“

 

„Vielleicht sind sie das, aber das heißt nicht, dass ich sie will.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und egal wie sehr er es versuchte, Neji konnte in den Worten nichts anderes lesen außer ihre Unverblümtheit.

 

Warum sollte er diese Dinge nicht wollen?

 

In verwirrtem Schweigen grübelte Neji über Shikamarus Aussage nach. Er verstand nicht, warum man diese Ziele nicht erreichen wollte. So lange Zeit war er von dem Fokus auf seinen eigenen Fortschritt angetrieben worden; nie wäre es ihm dabei in den Sinn gekommen, dass jemand so brillantes wie Shikamaru nicht dasselbe erreichen oder anstreben wollte, wenn auch etwas gemächlicher. 

 

Statt sich einfach nur…niederzulassen…

 

Er konnte ja verstehen, dass Shikamaru keinerlei Sinn für Rivalitäten oder Wettbewerbe hatte, die ihn antrieben. Aber sicher musste es doch auch bei ihm irgendeine Art Ansporn für eine Entwicklung geben? Um sein Potential zu erreichen und es sogar zu übertreffen. War das nicht der ganze Sinn hinter allem? Besonders, wenn man so intellektuell talentiert war – es war doch einfach nur natürlich, den Zenit dieses Potentials und ein Ziel erreichen zu wollen. Nämlich all das zu sein, was man sein konnte; oder sogar mehr als das.

 

Er will das nicht…wie kann er das nicht wollen?

 

„Also, was willst du dann?“, fragte Neji und klang dabei beinahe schon frustriert.

 

Shikamaru sah leicht amüsiert aus, was den Hyūga nur noch mehr verwirrte. Doch dann ließ der Nara den Blick schweifen und Neji konnte an der Veränderung in diesen dunklen Augen erkennen, dass sich der Schattenninja gerade die Zukunft vorstellte. Und gleich darauf, zu Nejis vollkommener Fassungslosigkeit, glitt der Blick des Nara auf eine Weise nach unten und leicht nach rechts, die deutlich auf eine Introspektion hinwies; der Jōnin war sich sicher, dass Shikamaru sie niemals zuvor offen gezeigt hatte.

 

Es überraschte ihn nicht, als der Nara die Augen schloss. 

 

„Schlafen.“, scherzte Shikamaru schwach und leise; ein Seufzen glitt durch seine Finger. 

 

Neji nutzte die Gelegenheit, um ein wenig in seiner Wachsamkeit nachzulassen und versuchte, aus dem anderen Ninja schlau zu werden. Jedoch schien seine Miene daraufhin deutlich weniger kontrolliert zu sein, als er dachte, denn als sich Shikamarus Lider öffneten, sah ihn der Schattenninja mit einem Hauch von Verärgerung an. 

 

„Was soll dieser Blick?“

 

Der Hyūga blinzelte und errichtete rasch wieder seine Verteidigung aus Teilnahmslosigkeit. „Nichts. Ich verstehe nur nicht, warum du deine Intelligenz nicht nutzen willst, um etwas von Wert zu erreichen.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Ich habe bereits einiges von Wert und seltsamerweise habe ich weder meine ‚Intelligenz‘ noch eine ‚Strategie‘ genutzt, um diese Dinge zu erreichen.“

 

„Zum Beispiel?“

 

Den Blick, den Shikamaru ihm zuwarf, hatte Neji nicht erwartet. Es war eine Mischung aus ehrlicher Überraschung und Verwirrung. Sofort bereute der Jōnin, überhaupt gefragt zu haben. 

 

„Ernsthaft?“, fragte Shikamaru.

 

Ne, Nara, ich versuche witzig zu sein…Idiot…

 

Neji räusperte sich und hoffte inständig, dass er nicht so verlegen aussah, wie er sich fühlte. Doch bedauerlicherweise ersparte es Shikamaru ihm nicht, die Situation noch unbehaglicher zu machen. 

 

„Soll ja nicht abgedroschen oder kitschig klingen, aber da wären als Erstes meine Familie und Freunde.“ Shikamaru brummte und trommelte leicht mit den Fingern gegen seine Lippen. „Weißt du, es geht mir nicht um persönliche Ambitionen. So etwas interessiert mich nicht.“

 

Stirnrunzelnd starrte Neji auf die Tischplatte. Aus irgendeinem Grund rüttelten diese Worte heftig an den Stäben des phantomhaften Käfigs, in dem er sich schon immer gefangen fühlte…obwohl er es so weit geschafft hatte, obwohl er alles darauf verwandt hatte, bis an die Grenzen dieses Käfigs zu gehen und sie zu überwinden, ebenso wie das Gefühl dieses unausweichlichen Schicksals. Ja, er hatte es so weit geschafft, doch plötzlich, wie aus dem Nichts, brach das Gefühl über ihn herein, er hätte etwas dabei zurückgelassen. 

 

Aber ich habe meinen eigenen Weg eingeschlagen…das ist es…was ich immer wollte…

 

Spannung begann sich durch seine Brust zu ziehen, es war ein furchtbarer und dumpfer Schmerz. 

 

Neji versteifte sich etwas und lehnte sich leicht von dem Tisch weg; er war sich nicht bewusst, dass Shikamaru’s Augen seinen Bewegungen folgten. Mit aller Mühe versuchte er, dem Ziehen in seiner Brust keine Aufmerksamkeit zu schenken und konzentrierte sich wieder auf den Nara, als dieser erneut zu sprechen begann. 

 

„Aber das bin nur ich.“, sagte Shikamaru achselzuckend. „Wie ich schon sagte, Leute und ihre Vorstellungen…Scheiße, ich habe sogar absichtlich meinen Chūnin Wettkampf verloren und man hat mich dennoch irgendwie als qualifiziert angesehen.“

 

„Du warst in der Lage, zweihundert Züge vorauszusehen, Shikamaru.“ Neji schluckte und versuchte angestrengt, ruhig zu atmen, um diese Unterhaltung fortführen zu können. „Dein Verstand ist deine Stärke, auch wenn deine Attitüde dein Fallstrick ist.“

 

„Danke Asuma“, grummelte Shikamaru und rollte mit den Augen. „Ugh…ich habe gerade wirklich keine Energie, um darüber zu diskutieren.“

 

Neji war beinahe dankbar dafür. 

 

„Ich erspare dir den Ärger. Jetzt gib mir die Berichte und ich erledige den Rest.“ Er streckte seine Hand danach aus, bevor Shikamaru dagegen protestieren konnte; nicht dass er wirklich erwartet hätte, der Chūnin würde das tun. 

 

Das Einzige, das Shikamaru ganz offensichtlich nicht hergeben wollte, war das schmale weiße Buch, das sich der Schattenninja rasch unter den Arm klemmte, bevor er auf die Füße kam. 

 

„Schön, ist mir recht. Ich werde dann mal ein Nickerchen machen…“

 

Kopfschüttelnd griff sich der Hyūga den ersten Bericht von Shikamarus Stapel. „Na klar.“

 

„Weck mich dann in einer Stunde oder so, ja?“

 

„Tz. Und wie stellst du dir vor, soll ich das anstellen?“, richtete Neji seine Worte an den Rücken des Nara, der sich bereits der Tür zugewandt hatte. „Mit einem Signalhorn?“

 

„Was auch immer funktioniert.“ Shikamaru schlenderte dem Ausgang entgegen, seine Worte rollten noch über eine Schulter und verflüchtigten sich am Ende zu einem Gähnen. „Weck mich nur nicht vorher. Ich werde mich nicht bewegen.“

 

Das glaube ich sofort.

 

Neji spürte, wie sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln hoben, wischte den Ausdruck aber rasch aus seinem Gesicht, indem er einen Schluck seines kalten Tees nahm. Erst als Shikamaru aus seinem Sichtfeld verschwunden war, setzte er die Tasse ab und berührte mit den Fingern seine Brust; er schloss die Augen gegen den stechenden Schmerz. 

 

Ich werde das unter Kontrolle halten.

 

Neji entließ den angespannten Atem, der in seiner Kehle gefangen war, blinzelte ein paar Mal und griff nach seinem Stift. Mit aller Macht ignorierte er die Tatsache, dass seine Finger zitterten. 

 
 

xXx
 

 
 

Eine Stunde später legte Neji den Stift beiseite.

 

Er hatte das Gefühl, zumindest ein bisschen seine Schuld beglichen zu haben. Die Gegenleistung, um in der Nara Residenz bleiben zu dürfen lag in einem ordentlichen, bearbeiteten Stapel auf dem Tisch. Der Papierkram war erledigt, die Anmerkungen waren gemacht und das Grundgerüst für eine Verteidigungsstrategie stand. Alles was jetzt noch zu tun war, war Shikamaru dazu zu bringen, die Details auszuarbeiten, die Struktur abzusegnen und den Plan abzuliefern. 

 

Was bedeutete, dass es an der Zeit war, den Nara zu wecken.

 

Kami…warum hat er sich nicht einfach einen Wecker gestellt?

 

Neji erhob sich und streckte seufzend den Nacken, während er zu Shikamarus Zimmer lief. Vor der Tür hielt er inne und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen den Rahmen. 

 

„Steh auf, Nara.“

 

Die Stille hätte ihn nicht überraschen dürfen. Neji rollte die Finger ein, hob die Hand und hieb die Seite seiner Faust mit einem lauten Knallen gegen Tür, das den Rahmen erschütterte. 

 

Nichts.

 

Er wiederholte die Bewegung, nur um mit derselben Stille belohnt zu werden. Für einen flüchtigen Moment fragte sich Neji, ob der Schattenninja das mit Absicht tat. 

 

„Shikamaru, steh auf!“

 

Er wollte wirklich nicht in dieses Zimmer gehen müssen. 

 

Das wird sicher nicht passieren.

 

Die Versuchung, sein Byakugan zu aktivieren und mit Blicken Dolche durch die Wand zu bohren, war verlockend. Er konnte es sich lebhaft vorstellen, wie Shikamaru auf der anderen Seite grinste. Wenn er denn überhaupt wach war. 

 

„Steh auf, Nara!“

 

Erneut drosch Nejis Faust gegen die Tür. 

 

Ich werde sie ihm ins Gesicht hämmern, wenn er nicht bald antwortet…

 

‚Bald‘ wurde zu fünf Minuten und seine Geduld, von der er gerne dachte, er hätte sie im Überfluss, wurde weniger und weniger. Mit der festen Absicht, seine mentale Drohung wahr werden zu lassen packte Neji den Knauf und drehte ihn scharf, bevor er heftig die Tür aufstieß; genau in dem Moment, als Shikamaru sie auf der anderen Seite aufzog.

 

Fuck.

 

Unfähig, seine schwungvolle Bewegung zu stoppen und durch den Zug von der anderen Seite stolperte er vorwärts und direkt auf den anderen Ninja zu. Shikamaru, der sich immer noch im Halbschlaf befand, unternahm einen verspäteten Versuch auszuweichen; dummerweise schwankte Neji in genau dieselbe Richtung.

 

Sie krachten aufeinander, fluchten, verknoteten sich ineinander und gingen gemeinsam auf sehr ungraziöse Weise zu Boden. 

 

Der Schock des Aufpralls zog eine kurze, peinliche Stille nach sich…während Nejis Verstand nur den einzigen schrecklichen ‚Das-ist-gerade-nicht-wirklich-passiert‘ Gedanken verarbeiten konnte, bis er ein Stöhnen an seinem Ohr hörte.

 

„Ugh…verfickte Scheiße, Neji!“ Shikamaru hustete und wand sich schmerzerfüllt. „Warum hast du es nur immer auf meine Rippen abgesehen?“

 

„Wovon zur Hölle redest du?“, fauchte Neji, presste seine Hände neben Shikamarus Kopf gegen den Boden und versuchte, sich von dem anderen Ninja wegzustemmen, doch ein scharfer Ruck an seinem Haar ließ ihn gequält das Gesicht verziehen. „Geh runter!“, knurrte der Hyūga.

 

Shikamaru warf ihm einen vernichtenden Blick zu und rieb sich über die Stirn, wo Nejis Hitai-ate ihn hart getroffen hatte. „Du bist über mir, du Genie!“

 

Fest biss Neji die Zähne zusammen und zischte die Worte zwischen ihnen hindurch. „Du liegst auf meinen Haaren…Idiot…“

 

Shikamaru legte den Kopf ein wenig in den Nacken und sein Kiefer klappte nach unten. „Ich bin ein Idiot? Solltest nicht eigentlich du durch Wände sehen können?“

 

Finster starrte der Hyūga ihn an, doch all das Gift in seinem ‚Ich-bring-dich-um‘ Blick hatte absolut keinen Effekt auf den ausgestreckten Chūnin unter ihm. Shikamaru rieb sich einfach nur weiterhin die Stirn und Neji konnte nicht anders, als eine Art poetische Gerechtigkeit in der versehentlichen Kopfnuss zu erkennen, wenn man bedachte, dass Shikamaru ihm das Stirnband gestohlen hatte. 

 

„Ich glaube, du hast mir eine Gehirnerschütterung verpasst…“, grummelte Shikamaru und tastete über die Haut, als erwartete er, das Konohasymbol dort eingestanzt vorzufinden.

 

„Gut.“, knurrte Neji und sein Atem vermischte sich mit dem des Nara, während er nach unten stierte. „Es ist mir wirklich ein Rätsel, wie zur Hölle du es mit dieser Unfähigkeit aufzuwachen geschafft hast, so lange auf Missionen durchzuhalten.“

 

Shikamaru schnaubte. „Ich dachte nicht, dass ich mir Sorgen machen muss, in meinem eigenen Zuhause angegriffen zu werden…“

 

Einem wilden Tier gleich ging Neji in die Defensive, als er spürte, wie sein Stolz in eine Ecke getrieben wurde. 

 

Du bist derjenige, der immerzu kindische Fallen aufstellt.“, fauchte er zurück. „Ich bin mir fast sicher, dass du das hier geplant hast.“

 

„Ja klar, denn unsanft auf meinen Hintern befördert zu werden, eine Gehirnerschütterung zu bekommen und dich mehr oder weniger rittlings auf mir zu haben entspricht total meiner Vorstellung einer intelligenten Strategie…“

 

Neji öffnete den Mund zu einer altklugen Erwiderung, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen. 

 

Mehr oder weniger rittlings?

 

Als er den Blick senkte, musste er mit einem beschämenden Aufflackern von Hitze feststellen, wie nah sie sich waren. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich auf einem Knie abfangen können, doch sein anderes Bein war bei dem Versuch gescheitert, sich aus der Verknotung mit Shikamarus Schenkel zu befreien, was zu einem geneigten aber flachen Aufeinanderpressen ihrer Hüften und Bäuche geführt hatte. Er konnte jede Bewegung des angespannten Abdomens gegen sein eigenes spüren und aus irgendeinem Grund sorgte es dafür, dass ihm der Atem stockte. 

 

Es sollte sich nicht so intim anfühlen; nicht im Mindesten.

 

Es hätte sich nicht ansatzweise anders anfühlen dürfen, als würde er jemanden während eines Kampfes am Boden halten.  

 

Doch dann versuchte sich Shikamaru zu bewegen – und die Reibung ihrer Hüften sandte einen schauerartigen Hitzestoß in Nejis Leistengegend. Es fühlte sich an wie ein elektrischer Impuls, der seine Wirbelsäule hinunter jagte; scharf zog er die Luft ein. 

 

Das leise Geräusch sorgte augenblicklich dafür, dass Shikamaru unter ihm erstarrte.

 

Ihre Blicke trafen sich und Neji nahm die geringste Ausdehnung von Shikamarus Pupillen wahr, bevor sie beide voreinander zurückzuckten, als hätten sie sich verbrannt. 

 

Verwirrung traf Neji mit der doppelten Wucht der Röte, die sich auf seine Wangenknochen schlich. Abrupt kam er auf die Füße, wirbelte herum und verließ das Zimmer, während eine Kühle im Kielwasser der Hitze über seine Haut tanzte, die noch wenige Sekunden zuvor in ihm explodiert war. 

 

Was zur Hölle stimmt nicht mit mir…?

 
 

oOo
 

 
 

Das rege Treiben des frühen Abends war eine mehr als willkommene Ablenkung.

 

Kinder kämpften mit Bambusstecken gegeneinander und schwangen ihre harmlosen Waffen wie provisorische Katanas, während sie neugierig zwischen den losen Menschenansammlungen hin und her flitzten.

 

Anmutig wich Neji zur Seite, um einen Zusammenstoß mit einer Gruppe duellierender Jungen zu verhindern. Zu seiner Verärgerung wies Shikamaru eine beachtenswerte Geschwindigkeit auf, um den gleichen Aufprall zu vermeiden. 

 

Warum konnte er vorhin nicht auch so schnell reagieren?

 

Heftig schüttelte er den Kopf, um den Gedanken beiseite zu schieben. 

 

Er hatte bereits mehr als genug Zeit mit dem Versuch verbracht, nicht an das zu denken, was passiert war. Allerdings war es eine dieser Angelegenheiten, die nur noch offensichtlicher wurden, je mehr er sie mied. Sie hatte sich in den hintersten Winkeln seines Verstandes festgesetzt und wartete nur auf eine Gelegenheit, zuzuschlagen.

 

„Nervige Plagen.“, murmelte Shikamaru und wich einem heranrennenden Kind aus. 

 

Neji brummte nur als Antwort. Für den Großteil der Zeit hatte er es tunlichst vermieden, den Nara anzusehen oder anzusprechen. Und er beneidete die Fähigkeit des Schattenninja, die Dinge einfach so mit dieser unglaublichen Lässigkeit unter den Teppich zu kehren.

 

Shikamaru war einfach weiter geschlendert, als wäre rein gar nichts passiert; was eigentlich eine gute Sache hätte sein sollen, doch aus irgendeinem Grund sorgte das nur dafür, dass Neji sich noch unkontrollierter vorkam als ohnehin schon. Er war so verwirrt, dass es keine gute Mischung abgab, wenn er dem Ganzen auch noch Verärgerung hinzufügte. 

 

„Vorsicht.“, raunte Shikamaru plötzlich.

 

Was?

 

„Neji, mein jugendlicher Rivale!“

 

Oh Gott, nein…

 

Trotz der Warnung beging Neji den fatalen Fehler, an Ort und Stelle zu erstarren. Sein Verstand war viel zu abgelenkt, um zu realisieren, aus welcher Richtung Lees Stimme gekommen war. Er zuckte schmerzerfüllt zusammen, als der kameradschaftlicher Klaps seines Teamkameraden direkt auf seiner heilenden Wunde aufschlug. 

 

„He, immer mit der Ruhe!“ Mit gerunzelter Stirn starrte Shikamaru Lee für einen kurzen Moment finster und warnend an.

 

Neji ignorierte den besorgten Blick, den der Nara ihm zuwarf und drehte sich stattdessen mit einem vollkommen gefassten Ausdruck zu dem grüngekleideten Ninja um. 

 

„Du musst damit aufhören Lee. Vor allem in der Öffentlichkeit.“

 

„Vergib mir, Neji-kun!“ Lee grinste breit und seine Zähne blitzten für einen Moment verstörend grell auf. „Aber du wirst gerade deinem Potential nicht gerecht, mein Freund.“

 

Die einzige Erwiderung darauf war ein strenger Blick des Hyūga.

 

Er hat nicht unrecht…ich hätte seinen Schlag bemerken müssen lange bevor er getroffen hat.

 

Lee schien gegen Nejis finstere Miene völlig immun zu sein und lächelte salutierend. „Ich habe eine Nachricht von Gai-sensei.“

 

Neji versuchte, das Unbehagen zu verbergen, das sich in seine Augen schlich. „Was gibt es denn?“

 

„Er wollte mit dir über eine Mission zu einem Shinobi Kloster sprechen. Ich glaube es ist als ‚Feuertempel‘ bekannt. Hokage-sama hat ein Team angefordert, um die Gegend zu überprüfen.“

 

Eine Mission bedeutete Ablenkung. Eine nützliche, produktive Ablenkung.

 

„Ich bin gerade auf dem Weg zur Hokage Residenz. Wenn ich dort alles erledigt habe, werde ich mit Gai-senpai sprechen.“

 

Lee salutierte erneut mit einem „Roger“, bevor er sich an Shikamaru wandte. „Und was ist mit dir, Shikamaru-kun; Lust, uns zu begleiten?“

 

Neji beobachtete, wie der Schattenninja seinem Blick diesen vertrauten belästigten Ausdruck verlieh, bevor er den Kopf in Richtung des Papierstapels neigte, den er sich unter einen Arm geklemmt hatte. Lee verstand den Wink mit einem Lächeln und nickte, bevor er Neji erneut auf den Rücken klopfen wollte. Doch diesmal wehrte der Hyūga die Berührung mit der Handkante ab. 

 

„Lass es gut sein.“, sagte er stirnrunzelnd. 

 

Zu seiner Überraschung lachte Lee nur und reckte einen Daumen in die Höhe. „Das ist doch schon viel besser, Neji-kun! Du hast die Reflexe einer Katze!“

 

„Einer Katze, huh?“ Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben. 

 

Energisch zog Neji seine Gedanken von dem vorherigen peinlichen Zwischenfall fort und räusperte sich. „Wo finde ich Gai-senpai?“

 

„Auf dem Trainingsgelände!“, verkündete Lee der gesamten Straße. „Er fordert Kakashi-sensei zu einem herausragenden Wettbewerb auf!“

 

Ich will es nicht wissen…

 

Doch dankbarerweise blieb es ihm erspart, die Details dieses ‚herausragenden Wettbewerbs‘ zu hören, der wohl in Kürze beginnen musste, gemessen an der Geschwindigkeit mit der Lee verschwand, gleich nachdem er die Herausforderung erwähnt hatte. Neji beobachtete, wie der grüngekleidete Ninja wie ein Laubfrosch über die Dächer Konohas hüpfte und drehte sich erst um, als er Shikamaru schnauben hörte. 

 

„Herausragender Wettbewerb? Mann, das seid ihr beide in ein paar Jahren.“, sagte der Nara. 

 

„Mit so einer Idiotie kann ich nicht mithalten.“ Kopfschüttelnd folgte der Hyūga Shikamaru zur Hokage Residenz. „Der Feuertempel? Hat Hokage-sama diese Mission erwähnt, als du heute mit ihr gesprochen hast?“

 

„Nein.“

 

„Also hat der Auftrag gar nichts mit dem vertraulichen Buch zu tun, das du hast?“

 

Aufmerksam beobachtete er Shikamaru aus dem Augenwinkel. Der Schattenninja blinzelte langsam und schürzte die Lippen.

 

„Willst du alle meine Hausaufgaben machen, Hyūga?“
 

„Du bist nicht witzig, Shikamaru.“

 

„Tz. Entspann dich.“

 

Neji konnte eines seiner Augen zucken fühlen. Sollte er diese Worte auch nur noch einmal, wäre das Einzige, das er entspannen würde, seine Mäßigung. Shikamaru erhöhte ein wenig das Tempo und zwang ihn, stirnrunzelnd Schritt zu halten. Als sie sich dem Anwesen näherten, trafen sie auf halbem Weg auf das Schwein der Hokage. 

 

„Im Ernst…wieso…“, grummelte Shikamaru. 

 

Neji sah zu, wie sich Tonton mit einem Grunzen revanchierte. Er verstand nicht so ganz, warum der andere Ninja so ein Problem mit dem Haustier der Hokage hatte. Immerhin hatte sie sich schon hin und wieder als äußerst nützlich erwiesen; zumindest wenn es um das Überbringen von Nachrichten oder Spurenverfolgung ging. Doch ganz offensichtlich teilte Shikamaru seine Meinung in dieser Sache nicht, denn der Schattenninja sah aus, als würde er all seinen Papierkram direkt auf dem kleinen Tier abladen wollen. 

 

Widerwillig amüsiert schüttelte Neji den Kopf. Kaum hatten sie die Residenz betreten, rannte das Schwein mit einem Quieken davon. Der Hyūga linste zu Shikamaru hinüber. 

 

Der Schattenninja zuckte nur mit den Achseln. „Hey, schau nicht mich an…“

 

Neji hob den Blick, als Shizune um eine Ecke gerannt kam, ihre langen Ärmel flatterten, als sie völlig außer Atem auf sie zu stolperte.

 

„Shikamaru! Sind das die Berichte für Tsunade-sama?“, keuchte sie.

 

„Jo.“ Shikamaru nickte mit dem Kinn in Richtung des obersten Blattes, während er ihr den Stapel reichte. „Ganz oben liegt der Vorschlag für den Plan, ich würde aber trotzdem empfehlen, Temari oder Kankurō zu Rate zu ziehen.“

 

„Ich werde deinen Vorschlag bei der Besprechung nächste Wo- oh, Neji…“ Shizune brach ab, klemmte sich die Berichte unter einen Arm und lächelte den Hyūga an. „Was machst du denn hier?“

 

Neji neigte leicht den Kopf. „Ich bin hier, um mit Tsunade-sama zu sprechen. Weißt du zufällig, ob sie Zeit hat?“

 

Aus irgendeinem ihm unbegreiflichen Grund spähte Shizune zu Shikamaru hinüber, bevor sie antwortete.

 

„Sie war gerade fertig, mit Asuma zu sprechen, also gehe ich davon aus, dass sie Zeit hat, ja.“

 

„Asuma?“, echote Shikamaru und wirkte auf einmal alarmiert, als er den Korridor auf und ab sah. 

 

„Ja.“ Shizune bedeutete Neji, ihr zu folgen. „Wolltest du mit ihm sprechen, Shikamaru?“

 

„Nah, ich gehe lieber ein bisschen spazieren.“ Der Nara wandte sich träge um, trat über Tonton hinweg und machte sich auf den Weg zum Ausgang. „Bis dann.“

 

Neji hob eine Braue und schritt dann neben Shizune her, sein Blick glitt zu den Berichten in ihrem Arm. Doch sein Verstand kehrte zurück zu dem weißen Buch mit den vertraulichen Informationen, das Shikamaru nicht mit seinem Papierkram abgegeben hatte. Er konnte dieses seltsame Gefühl, das er wegen dieses Heftes empfand und das vermutlich unbegründet war, einfach nicht abschütteln.

 

Sie bogen um eine Ecke und stießen beinahe mit Asuma zusammen. 

 

Der Sarutobi hatte die Stirn in tiefe Falten gelegt und seine dunklen Brauen waren tief über seinen Augen zusammengezogen. Doch der nachdenkliche Ausdruck löste sich zu seiner üblichen entspannten Miene, als er aufblickte. 

 

„Abend.“ Er lächelte, eine unangezündete Zigarette klemmte in einem Mundwinkel. „Habt ihr Shikamaru gesehen?“

 

Neji nickte kurz mit dem Kopf über die Schulter. „Du hast ihn gerade verpasst, Asuma-senpai.“

 

„Klar, du meinst er hat sich aus dem Staub gemacht.“ Asuma kicherte, doch Neji bemerkte, dass der Ausdruck in seinen Augen so gar nicht zu seinem Lächeln passte. „Kein Problem. Danke.“

 

Der Jōnin schob die Hände in die Taschen seiner Hose und schlenderte weiter. Noch einmal wandte Neji stirnrunzelnd den Kopf, während er der sich entfernenden Gestalt mit blassen Augen folgte. 

 

Irgendetwas stimmt nicht…

 

Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, öffnete sich die Tür zum Büro der Hokage, bevor Shizune nach der Klinke greifen konnte. 

 

Neji drehte sich um und seine silbrigen Augen trafen auf die bernsteinfarbenen Iriden der Hokage. Tsunade hob das Kinn und trat zurück in ihr Arbeitszimmer. 

 

„Neji. Genau dich wollte ich jetzt sehen.“

 

___________________

 

Es geht weiter und es gab doch tatsächlich - wenn auch unbeabsichtigten - Körperkontakt zwischen Neji und Shikamaru...na was das wohl noch wird ;) 

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat. Vielen vielen Dank, liebe Reviewer für jedes eurer Worte, ihr motiviert mich so sehr! <3 

Anregungen, Fragen, Verbesserungsvorschläge wie immer gerne gesehen und ich freue mich, zu lesen, wie euch das Kapitel gefallen hat! :)

 

You need to stop this...because I...can't

Das schrille Pfeifen von Hirschrufen zerrte Shikamarus Aufmerksamkeit von dem Heft fort, das er auf seiner Hüfte aufgestellt hatte. Die Finger an den Kanten der Seite hielten inne und sein halb geschlossener Blick glitt durch den dämmrig beleuchteten Raum hinüber zu der Shoji Tür, die er offen gelassen hatte. 

 

Die Abendbrise wehte herein und trug die stechende Herbstkühle und einen feuchten Hauch des Nebels mit sich, der den Wald hinter dem Garten einhüllte.

 

Ein weiterer Hirschruf erscholl.

 

Wie spät ist es?

 

Irgendwann während seines Versuches, Asuma auszuweichen – und dem kläglichen Scheitern darin - hatte er das Zeitgefühl verloren. Wie vorausgeahnt hatte sein Sensei ihm den Weg abgeschnitten, den er eingeschlagen hatte, um einer unvermeidbaren Konversation auszuweichen; eine die nur so vor eindeutiger Untertöne gestrotzt hatte.

 

Shikamarus Gedanken wanderten zurück zu der Unterhaltung.

 

Zu dem Zeitpunkt hatte Asuma eine Lunge voll Rauch inhaliert und ihn auf eine Weise tief in seiner Brust gehalten, die Shikamaru als Indiz dafür zu deuten wusste, dass der Sarutobi seine nächsten Worte sorgfältig abwog. 

 

„Selbstverständlich traue ich dir zu, dass du einem Freund helfen willst, Shikamaru.“, hatte Asuma gesagt. „Deine Besorgnis um Naruto und dein Interesse darin, Akatsuki zu neutralisieren überrascht mich also nicht.“

 

„Aber…?“, hatte Shikamaru ihn weiter angestachelt.

 

„Aber du bietest dich da für etwas sehr Großes an; ohne vorher mit mir darüber zu sprechen.“

 

Shikamaru hatte nur mit den Achseln gezuckt und seine Augen glitten über die Laternen des Bürgersteiges. „Ständig nerven mich alle damit, dass ich mal die Initiative ergreifen soll. Also habe ich das getan.“

 

„Mh, ich frage mich, ob da nicht doch mehr dahinter steckt.“
 

„Zum Beispiel?“

 

Asuma hatte trocken gelächelt und den Kopf geschüttelt. „Ich würde mich das nicht fragen, wenn ich es wüsste, oder?“

 

„Hey, mach dir keine Sorgen um mich.“ Shikamaru hatte nach einem schnellen Ausweg aus dieser Situation gesucht und sich dabei Mühe gegeben, das nicht allzu offensichtlich werden zu lassen. „Und außerdem, wie du heute Morgen schon gesagt hast; ich bin kein Kind mehr.“

 

„Das weiß ich.“

 

„Solltest du dann nicht lieber stolz oder sowas in der Art sein?“

 

„Du weißt besser als jeder andere, wie wichtig es für dich ist, für die kommenden Missionen einen klaren Kopf zu behalten.“

 

„Ich hatte noch nie zuvor ein Problem damit.“

 

„Jo…und ich musste mich niemals zuvor fragen, was mit dir los ist.“

 

„Du bist nicht mein Dad, Asuma.“

 

Shikamaru hatte diese letzten Worte bereut. Vor allem, weil er sie mit einer Spitze verärgerten Trotzes ausgespien hatte, statt einfach nur mit unverblümten Sarkasmus. Doch Asuma hatte nur gebrummt und eine Wolke aus Rauch ausgeatmet, auf der Shikamaru einfach nur leise hatte davon schweben wollen. 

 

Dankbarerweise waren sie dann von Chōji unterbrochen worden.

 

Sein Freund hatte ihm ungefähr einen Wochenvorrat an Essen gereicht, der komplett von der Mutter des Akimichis gekocht und eingepackt worden war. Offensichtlich befürchtete sie, der Nara würde seiner Faulheit nachgeben und sich nur von geliefertem Essen ernähren, während seine Eltern fort waren.

 

Asuma hatte ihn daraufhin nicht noch mehr gedrängt und war einfach weiter geschlendert, ohne einen Blick zurück zu werfen – obwohl er noch über die Schulter gerufen hatte: „Ach übrigens, ich habe nie gesagt, dass ich nicht stolz bin…‘oder sowas in der Art‘.“

 

Energisch holte Shikamaru sich selbst von den Gedanken an dieses Gespräch zurück und ein schwaches Lächeln erwärmte den sonst so genervten Ausdruck auf seinem Gesicht. Doch das Stirnrunzeln kam rasch wieder, als sich seine Augen erneut auf die vertraulichen Informationen richteten, die er bis gerade eben studiert hatte. 

 

Wenigstens der ist bereits ausgeschaltet.

 

Seine dunklen Iriden musterten das durchgestrichene Gesicht des verstorbenen Akatsuki Mitgliedes, Akasuna no Sasori. Er blätterte eine Seite weiter und das Bild eines Shinobi mit gräulich-blauer Haut und einem haiartigen Gesicht starrte ihn an. 

 

Super…

 

Es gab einfach immer noch zu viele weiße Lücken in diesem Buch.

 

Und der Versuch, nur diese Lücken zu füllen, würde allein schon eine furchtbare Mission werden. 

 

Kopfschüttelnd schlug Shikamaru das Buch zu. Er unterdrückte ein Gähnen und legte das Heft zur Seite, bevor er sich von der niedrigen Couch hochstemmte und mit einem Stöhnen auf die Beine kam. Sein Verstand fühlte sich an, als würde er so viele Gedanken ausbrüten, dass sie mit einem irritierenden Pochen von innen schmerzhaft gegen seine Schläfen drückten. 

 

Verdammt.

 

Er trottete hinüber zu der Shoji Tür und lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen. Mit den Fingern versuchte er die Spannung aus seiner Stirn zu reiben und war fast versucht, Neji für seine Kopfschmerzen verantwortlich zu machen.

 

Die Kopfnuss vor ein paar Stunden war vermutlich nicht gerade hilfreich gewesen. 

 

Ich wünschte wirklich, das wäre der Grund…

 

Ein weicher Lichtkegel aus dem Inneren des Hauses warf die Silhouette des Schattenninjas auf die mit Laub übersäte Veranda. Shikamaru beobachtete, wie die Blätter über das Holz raschelten und folgte ihren Bewegungen. Er selbst fühlte sich von einer ähnlichen Strömung erfasst, nur wurde er in die eine Richtung gezogen, während er in die andere blickte. Er hatte seine Wetten darauf gesetzt, dass er bereits nicht mehr im Dorf sein würde, wenn Asuma herausfand, dass die Dinge doch nicht ganz so eindeutig waren, wie es dieses ‚Initiative ergreifen‘ zunächst vermuten ließ. 

 

Ich glaube, ich schaufle mir gerade ein ziemlich tiefes Grab, Sensei…

 

Sein Blick glitt himmelwärts und richtete sich auf den Mond. Das riesige opalhafte Rund hing vor einem tintenschwarzen Hintergrund und schien seine Gedanken widerzuspiegeln. Egal wie sehr er es versuchte, Shikamaru schaffte es nicht, das Bild dessen abzuschütteln, was sich bei ihrem ungelenken Aufeinanderprallen in Nejis Augen gedrängt hatte. Doch was ihn noch viel mehr verunsicherte, war die Vorstellung, dass sich möglicherweise irgendetwas in seinem eigenen Blick abgespielt hatte.

 

Verdammt…

 

Es war nicht der Schlag von Nejis Schädel gegen seinen eigenen gewesen, der dieses Gefühlschaos und diese Hitze in ihm ausgelöst hatte. Er hatte das jetzt schon eine ganze Weile ignoriert und es sofort gedanklich beiseite geschoben, als er gespürt hatte, wie diese Wärme bei der Bewegung ihrer Hüften aufgeflammt war. 

 

Es war ein gefährliches, möglicherweise sogar desaströses Terrain. 

 

Doch für einen Moment…eine kurze, verrückte Sekunde lang, als sich ihre Blicke getroffen hatten, hatte es ihn nicht im Geringsten gekümmert, ob er sich dabei verbrennen würde, dieses Gebiet zu erforschen. 

 

Nicht gut…

 

Shikamaru versuchte seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, doch dieses frustrierende Gefühl nagte weiter an ihm und rief ein lästiges Brennen in seiner Körpermitte hervor. Und diesmal konnte er es nicht auf Sake oder Zorn schieben. Er konnte es nicht einmal als Unbehagen oder Nervosität abtun…diese Art von Empfindungen brannten nicht auf diese Weise…

 

Shikamaru seufzte, drehte den Kopf und schlug mit einem Zischen die Stirn gegen den Rahmen der Schiebetür, während er die Augen schloss. 

 

„Verdammt.“

 

Der gemurmelte Fluch hatte kaum seine Lippen verlassen, als ein Chor scharfer panischer Schreie von Hirschen aus dem Nara Wald hallte. Die Lider des Schattenninja flogen auf und sein Blick schnellte zum Waldrand. 

 

Was zur Hölle?

 

Für einen Moment verharrte er und wartete auf eine Erkenntnis, die nicht kommen wollte. Mit einem verstimmten Seufzen stieß er sich von dem Türrahmen ab, packte sich eine Handvoll Kunai und schlüpfte in seine Sandalen. Ganz so, als würde er die Ablenkung nicht begrüßen, stapfte er durch den taubedeckten Garten. Eine weitere Reihe scharfer Hirschrufe erscholl und stirnrunzelnd lenkte er seine Schritte in die Richtung, in der die Ursache für die Aufregung der Herde zu liegen schien. 

 

Den nebelverhangenen Pfaden folgte er mit einer Leichtigkeit, die daher rührte, dass er diese Routen bereits unzählige Male beschritten hatte. Shikamaru kannte die Wege ebenso gut wie die Generationen von Hirschen, die sie in den weichen Waldboden gestampft hatten. 

 

Abrupt hielt er an, als zwei Ricken an ihm vorbei sprangen, ihre weißen Spiegel[1] waren helle Punkte in der Nacht, bevor sie von der Dunkelheit verschluckt wurden. Was auch immer sie aufgeschreckt hatte, lag direkt hinter dem nächsten Abhang; einer, der zur selben Lichtung abfiel, auf der er vor all den Jahren seinen Vater mit dem sterbenden Hirsch beobachtet hatte. 

 

Er hoffte inständig, dass er nicht etwas Ähnliches vorfinden würde. 

 

Das ist wirklich das Letzte, das ich jetzt bräuchte…

 

Er drehte das Kunai zwischen den Fingern und ignorierte die schwache Besorgnis in seinen Eingeweiden. Geräuschlos näherte er sich der Lichtung und hielt dabei den Kopf in ständiger Habachtstellung gesenkt. Als er die Kuppe des Abhanges erreichte, hielt er inne, seine dunklen Augen blickten nach unten, um die Schneise zwischen den Bäumen zu inspizieren, die plötzlich von dem sanften Blau von Chakra erfüllt wurde. Der plötzliche Ausbruch von Licht zwang ihn, die Lider zu schließen. 

 

Als sich seine Sicht wieder geklärt hatte, verzog sich überrascht sein Gesicht, bevor sich ein frustrierter Ausdruck darauf ausbreitete. 

 

„Sturer Bastard.“

 
 

oOo
 

 
 

Halte es…

 

Neji konnte fühlen, wie seine Arme unter der Anspannung bebten, doch er hielt sie starr vor Kontrolle nach außen gestreckt. Unregelmäßig keuchte er, sein Kiefer verkrampft und die blassen Augen wild und voller Frustration. 

 

Ich werde das schaffen…

 

Er konnte fühlen, wie sich der Chakrastrom von der Flut in seinen Armen zu der scharfen, klingenartigen Struktur verengte, die Hinata benutzte. Während er den Chakrafluss in eine stabile Emission zwang, begann er sich zu drehen. Sein Körper bewegte sich mit einer fließenden und anmutigen Flexibilität, als er damit anfing, die Strahlen aus seiner Handfläche zu einem bogenförmigen Schild zu strecken. 

 

„Acht Trigramme, vierundsechzig schützende Handflächen!“

 

Er startete das defensive Jutsu und konnte mühelos die Bewegungen wiederholen, für die Hinata mehr als doppelt so viel Zeit und Aufwand benötigt hatte, um sie zu meistern. Die Struktur des Jutsus hielt er in ständiger Bewegung und ließ ununterbrochen die laserartigen Chakrastrahlen aus seinen Handflächen fließen, während er seine Drehung beschleunigte, um eine Kuppel zu formen. 

 

Seine Brust begann sich zusammenzuziehen.

 

Nein.

 

Schmerz breitete sich aus. 

 

Ich werde nicht verlieren…

 

Er meißelte die Worte in seinen Verstand und kämpfte gegen die Belastung an, die sich in sein Chakranetzwerk fraß. Wenn er schon nicht seine Handflächenrotation einsetzen konnte, musste er zumindest dieses Jutsu als übergangsmäßige Alternative meistern. 

 

Halte es. Halte es. Halte es.

 

„Neji!“

 

Das Jutsu entglitt ihm.

 

Shikamarus Stimme ließ seine Konzentration zersplittern. 

 

Sein Chakrafluss geriet außer Kontrolle, flammte auf und prallte mit voller Wucht zurück gegen die Blockaden in seinem Netzwerk. Ein reißender Schmerz bohrte sich durch Lungen und Herz und zwang ihn, sich in eine gekrümmte Pose fallen zu lassen, während ein nasses rotgesprenkeltes Husten aus seiner Kehle brach. 

 

NEIN! Ich hatte es!

 

Neji krallte seine Finger in den Stoff seiner Robe und schluckte mit einem frustrierten Knurren den kupferartigen Geschmack von Blut hinunter. Gleich darauf spürte er eine Hand auf seiner Schulter und zornig zuckte er vor der Berührung zurück, während er einen Arm zur Seite riss, um Shikamaru von sich zu stoßen. 

 

„Fass mich nicht an!“

 

„Neji, was zur Hölle machst du da?“

 

„Defizite kompensieren.“, fauchte der Hyūga, stemmte sich auf seine Füße und wünschte sich sofort, er hätte das nicht getan. Er brauchte einen ganzen Moment, um die schwarzen Flecken weg zu blinzeln, die in seinem Sichtfeld explodierten. 

 

„Es geht dir noch lange nicht gut genug, um das machen zu können.“ Shikamaru hielt seine Stimme leise und ruhig. 

 

Doch unglücklicherweise erzielte sein Versuch der Beruhigung und vernünftigen Argumentation den gegenteiligen Effekt. Neji warf dem anderen Ninja einen vernichtenden Blick zu und in diesem Moment war es, als wären sie in der Zeit zwei Monate zurück zu dieser regnerischen und von Zorn erfüllten Nacht gesprungen.

 

„Wage es nicht, mich über meine Grenzen zu belehren, Nara.“

 

An Shikamarus Kiefer zuckte ein Muskel, doch die Wut in seinen Augen verflüchtigte sich rasch zu einem Glimmen. „Ich werde diesen Mist sicher nicht noch einmal mit dir machen.“

 

Das hatte Neji nicht erwartet.

 

Giftgetränkte Worte brannten wie Galle an der Rückseite seiner Kehle; doch er konnte sie nicht ausstoßen. Denn Shikamaru bedachte ihn plötzlich mit einem Blick, von dem er nicht wusste, wie er ihn deuten oder sich dagegen verteidigen sollte.

 

Die tiefbraunen Augen des Nara waren unglaublich weich geworden und von einer frustrierten, verwirrten Besorgnis erfüllt, die den Zorn abkühlte, der in Nejis Blut wogte. Der Hyūga runzelte leicht die Stirn und wusste nicht, wie er auf diesen Ausdruck reagieren sollte, der auf ihn gerichtet war. 

 

Er war dem Blick gefährlich ähnlich, den der Schattenninja ihm in der Nacht auf der Veranda zugeworfen hatte, nachdem er die Wunden auf seinem Rücken verbunden hatte. Neji neigte den Kopf und sein schwerer Atem versetzte die langen mokkafarbenen Strähnen, die sein Gesicht einrahmten, in ein träges Schwingen.

 

Ganz deutlich konnte er spüren, wie sich die gleiche Verwirrung wie die des Nara auf seine eigenen Züge schlich. 

 

Doch dann blinzelte Shikamaru langsam und durchbrach das Starren. 

 

„Was auch immer“, grummelte er. „Wenn du dann fertig bist mit ‚Defizite kompensieren‘: Im Haus gibt es was zu essen.“

 

Ohne ein weiteres Wort machte der Nara kehrt und folgte dem Weg den Abhang hinauf, seine schwarzgekleidete Gestalt verschwand wie die Schatten, die er beherrschte, als er in wabernde Nebelschwaden eintauchte.

 

Neji stierte auf die wirbelnden Dämpfe…dann schloss er die Augen. 

 

Verdammt.

 
 

xXx
 

 
 

Sie aßen schweigend. 

 

Die Distanz zwischen ihnen gähnte tiefer und weiter als die Spannbreite des Tisches und die Stille, die die Leere füllte, war von Verwirrung und einer seltsamen Schwere geprägt. Nur das Rascheln von Papier durchbrach das Schweigen, als Neji eine Seite der Missionsbeschreibung umblätterte, die Tsunade ihm gegeben hatte.

 

Und um alles noch komplizierter zu machen, war er auch noch zusammen mit Shikamaru in ein Team gesteckt worden. 

 

Konzentrier dich.

 

Die beigefügte Karte studierte er jetzt schon zum fünften Mal, doch bereits die ersten vier Male hatte er keine einzige Information aufnehmen können. Er fragte sich, ob Shikamaru sich dabei irgendwie leichter tat und hob den Blick. Doch der Nara schien mehr daran interessiert zu sein, die Bestandteile seines Essens zu examinieren, das er kaum angerührt hatte. 

 

Konzentrier dich.

 

Es war unmöglich.

 

Nejis blasse Augen blieben starr auf Shikamarus Gesicht fixiert. Der Kiefer des Nara verkrampfte sich über den Gelenken und seine Wimpern hingen auf Halbmast, als würden sie sich jeden Moment über den dunklen Iriden schließen. 

 

Dunkle Iriden die plötzlich aufsahen. 

 

Neji blieb keine Zeit, einen Augenkontakt zu vermeiden; also erwiderte er den Blick und suchte nach einer Erklärungfür sein Starren. 

 

„Wusstest du von der Mission nach Hanegakure, bevor Tsunade-sama mich einberufen hat?“

 

Shikamaru ließ sich nicht das Geringste anmerken. „Sie hat mich die Teams mobilisieren lassen, aber sie hat mir nicht gesagt, wo wir hingeschickt werden würden.“

 

Die sichere arbeitsbezogene Gesprächsgrundlage gab Neji einen gewissen Halt. 

 

„Die Aufgabe unseres Teams ist hauptsächlich Aufklärung.“ Er senkte den Blick erneut auf die Missionsbeschreibung. „Wir sollten früh aufbrechen.“

 

„Jo, ich denke, das kriege ich hin.“

 

Neji schob die Papiere zur Seite und legte die Hände auf die Tischplatte, als er begann, sich zu erheben. „Gut.“

 

„Wenn du eine Revanche hinkriegst.“, ergänzte Shikamaru unerwartet. 

 

Der Hyūga hielt inne. „Was?“

 

Träge zuckte der Schattenninja mit den Achseln und spähte aus den Augenwinkeln zu dem Shogi Spielbrett am anderen Ende des Zimmers. 

 

Neji folgte seinem Blick. „Wie spät ist es denn?“

 

„Keine Ahnung.“

 

Neji schürzte die Lippen und dachte darüber nach. Zumindest würde es die Spannung zwischen ihnen lösen – und mit Sicht auf die Mission morgen wäre weniger Konflikt und Verwirrung umso besser. 

 

Also räusperte er sich und erwiderte: „Ein Spiel.“

 

Mit einem schwachen Lächeln lehnte sich Shikamaru zurück. „Hast du Angst, zweimal zu verlieren?“

 

Neji schnaubte, doch mit der Verspottung hatte Shikamaru ihn bereits an den Haken bekommen, bevor der Hyūga überhaupt wusste, dass er reagiert hatte.

 

„Die Wette gilt, Nara!“

 
 

oOo
 

 
 

Das leise Klacken der Shogi Steine stoppte mitten im Spiel; es war ein kurzer Stillstand, in dem die beiden Spieler in gespanntem Schweigen verharrten und über die Strategie ihrer nächsten Züge nachgrübelten. 

 

Shikamaru schmunzelte in sich hinein.

 

Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr so herausgefordert worden.

 

Er ließ den Blick über das Brett schweifen, um den Spielfluss neu einzuschätzen, bevor er die Augen schloss, die Finger zu seiner üblichen nachdenklichen Pose formte und langsam und tief einatmete. Diesen meditativen Zustand hielt er aber nicht länger als eine Minute, bevor seine Lider aufglitten und er sofort seinen nächsten Zug machte. 

 

Er bemerkte, wie sich Neji anspannte, als er den Spielstein ablegte und seine Finger ausstreckte, um einen Stein des Hyūgas vom Brett zu nehmen. Doch Neji kicherte nur leise und der unerwartete Klang ließ Shikamaru irritiert den Blick heben. Der Jōnin studierte kopfschüttelnd das Spielbrett.

 

„Wie von dir erwartet, Shikamaru.“

 

„Du warst nah dran.“

 

„Nicht nah genug.“, brummte Neji. „Ich hätte das kommen sehen müssen.“

 

„Noch ist das Spiel nicht vorbei.“

 

„Ich weiß, wann ich besiegt wurde.“ Der Hyūga neigte den Kopf und suchte in dem Muster der Spielsteine nach einer Lösung. „Wahrscheinlich sollte ich mich einfach mit Würde verabschieden.“

 

Wahrscheinlich.“, echote Shikamaru, doch er ließ das Wort leicht von der Zunge rollen. 

 

„Naja, wenn es jetzt eh schon so weit gekommen ist…“ Neji zuckte mit den Schultern und streckte die Hand aus, um einen Spielstein in einem völlig unerwarteten Manöver über das Brett zu schieben. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich und er hob das Kinn aus der Handfläche, auf der er es abgelegt hatte. „Das ist Selbstmord.“

 

Wahrscheinlich“ Neji lächelte schwach. „Aber ich schätze, das ist jetzt auch schon egal.“

 

Aufmerksam studierte der Nara das Spielbrett. „Naja du hättest meine Verteidigung noch etwas länger attackieren können.“

 

„Das wäre von sehr geringem Wert gewesen, wenn man bedenkt, dass der Angriff ohnehin fehlschlagen würde.“

 

„Hey, pack die Gelegenheit beim Schopf und vielleicht schone ich dich auch.“

 

Neji schnaubte, doch Shikamaru glaubte ein Lächeln zu sehen, das an den Mundwinkeln des Hyūga zupfte. „Danke, dass du so gnädig bist, Shikamaru.“ 

 

„Ist nur fair.“, erwiderte der Nara und legte einen weiteren Spielstein ab. „Ich bezweifle, dass irgendjemand anderes die Chance bekommt, dir gegenüber Gnade zeigen zu können statt umgekehrt.“

 

Nejis Finger zuckten leicht gegen das Spielbrett.

 

Er schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wahr.“

 

Shikamaru blinzelte, doch er hielt den Blick gesenkt, um nicht überrascht zu wirken. Solange die Shogipartie andauerte, schien der Hyūga deutlich weniger auf seine persönliche Defensive zu achten. 

 

„Ach ja?“, fragte er und ließ seinen Tonfall desinteressiert klingen, nur um ganz sicher zu gehen und den Jōnin nicht aufhorchen zu lassen. „Ich habe nicht den Eindruck, dass Gai-sensei das schafft.“ 

 

„Nein.“ Neji neigte den Kopf leicht zur Seite, die Augen auf das Spielbrett fixiert. „Aber ich habe ihn nie dazu in der Lage gesehen, diese Art von Kontrolle über mich zu haben, um überhaupt gnädig mir gegenüber sein zu können.“

 

Shikamaru hob eine Braue und kämpfte den Drang nieder zu schmunzeln. „Dir ist klar, wie arrogant das klingt, oder?“

 

„So habe ich es aber nicht gemeint.“ Der Jōnin runzelte leicht die Stirn. „Ich respektiere Gai-sensei, trotz all seiner lächerlichen Mätzchen…“ Die Wimpern des Hyūga erzitterten in einem kontrollierten Schauder. „Und dann dieser unverzeihliche Trainingsanzug…“

 

Kopfschüttelnd verzog Shikamaru seine Lippen zu einem Grinsen. „Aber es ist doch so jugendlich…

 

Neji gab sich alle Mühe, nicht zu lachen – und Shikamaru wollte ihn an den Schultern packen und schütteln.

 

Scheiße, gestatte dir endlich, etwas zu fühlen! 

 

„Also siehst du jemand anderen dazu in der Lage, dich zu kontrollieren?“, fragte Shikamaru lässig und dachte über die möglichen Manöver nach, die er bereits zehn Schritte im Voraus geplant hatte. 

 

Neji schürzte die Lippen und eine deutliche Spannung schlich sich in seine Haltung. „Ach vergiss es, du bist dran.“

 

„Ich bezweifle ja, dass es darum geht, dass dir jemand intellektuell überlegen ist.“, bemerkte Shikamaru, den Blick noch immer auf das Shogibrett gerichtet. „Und du bist ziemlich geschickt darin, den Leuten während eines Kampfes den Arsch aufzureißen, also würde ich sagen, dass es auch nicht um physische Auseinandersetzungen geht.“

 

Neji blieb stumm. 

 

Doch statt innezuhalten, nutzte Shikamaru den Freiraum, den der Hyūga ihm gewährte. Mit einem Finger berührte er einen Shogi Spielstein und schob ihn langsam vorwärts. 

 

„Was bedeutet“, er machte eine Pause, um den Stein aufzuheben und auf das Brett zu knallen „dass es hier um etwas, oder jemanden geht, der sich in deinem näheren Umfeld befindet.“

 

„Hör auf.“

 

Shikamaru sah auf und bemerkte, dass Nejis Augen geschlossen waren. 

 

„Warum hast du zugelassen, dass ich überhaupt anfange?“, erwiderte er sanft und versuchte, etwas unter dem Stahl erkennen zu können, der Nejis Gesicht verhärtete. 

 

„Nicht.“ Die Sehnen in Nejis Hals spannten sich an. „Ich kann das heute Nacht nicht.“

 

„Was?“, forderte Shikamaru zu wissen, seine dunklen Iriden folgten jeder noch so kleinen Bewegung. 

 

Das…“ Mit einem ärgerlichen Rucken des Handgelenks gestikulierte Neji zwischen ihnen hin und her, hielt die Lider aber weiterhin geschlossen. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und verspürte einen seltsamen Stich in seinem Inneren. Er wusste genau, was ‚das‘ war; auch wenn es ironischerweise weder einen Namen noch eine Definition hatte. ‚Das‘ war dieser unausweichliche und lästige Knoten aus Widersprüchen, der zwischen ihnen knisterte und genug Hitze erzeugte, um Nejis übliche Aura der Zurückhaltung aufzutauen. 

 

Nur ein wenig mehr Hitze, ein bisschen mehr Druck. 

 

„Du bist am Zug.“, murmelte Shikamaru, sich seiner Wortwahl genauestens bewusst. 

 

Nejis Augen flogen auf, doch es drängte sich kein Zorn in sie. „Hör auf, Spielchen zu spielen.“

 

Die Luft zwischen ihnen schien sich elektrisch aufzuladen, verdichtete sich allmählich, stellte feine Härchen auf und beschleunigte Pulsschläge. Shikamaru hielt den Blick des Hyūga auf vertraute Weise gefangen. 

 

„Ist es nicht das, was wir gerade tun?“

 

Nejis stolze Kieferlinie verkrampfte sich, während er einen Spielstein mit einem scharfen Schwung quer über das Brett schob – als würde er eine Grenze zwischen ihnen ziehen. „Übertreib es nicht, Nara!“

 

„Hey, ich kann genauso evasiv und lästig sein wie du…“ Shikamaru unterstrich diese Aussage, als er einen Bauern auf der anderen Seite des Spielfeldes ablegte und Nejis taktischen Rückzug abschnitt, indem er diese unsichtbare Grenze überschritt. „Ist aber nicht wirklich eine Lösung, nicht wahr?“

 

„Fang das nicht noch einmal an.“

 

„Du kannst es nur so lange vermeiden, bis ich gezwungen bin, es erneut zu beginnen.“

 

Auch diesmal erreichte die Wut die Augen des Hyūga nicht, als sie sich verengten. Shikamaru war sich nicht sicher, was zur Hölle es war, das in Nejis Blick aufblitzte, doch die geisterhaften Iriden blieben starr auf ihn fixiert. 

 

„Du hast mich gefragt, wer in der Lage ist, mich zu kontrollieren.“ Neji beugte sich vor, seine Stimme wurde leise und drohend. „Lass es mich hier sehr deutlich machen, dass diese Person niemals du sein wirst!“

 

Shikamaru wich nicht zurück. Stattdessen begegnete er der aggressiven Geste direkt und richtete sich auf, um sich ebenfalls nach vorn zu lehnen und zurück zu starren. 

 

„Dann ist es ja gut, dass ich gar nicht versuche, dich zu kontrollieren.“

 

„Nein, du versuchst nur, mich zu entschlüsseln.“, zischte Neji und seine elegant geschwungenen Züge spannten sich unter dem Druck an, seine Maske aufrecht zu erhalten. „Gib’s auf!“

 

Shikamaru grinste, doch es war hohl und erzwungen. „Ich wünschte wirklich, ich könnte das.“

 

„Das kannst du nicht gewinnen, Shikamaru.“

 

„Na, wer macht es jetzt zu einem Spiel?“

 

„Tz.“ Nejis Gesicht verhärtete sich noch mehr. „Wenn du mit der Semantik spielen willst, nur zu. Es macht für mich absolut keinen Unterschied.“

 

Stirnrunzelnd sah Shikamaru zu, wie sich eine eisige Feindseligkeit auf Nejis Miene stehlen wollte. Wie Frost, der versuchte, sein Gesicht zu stählen, es aber nur schaffte, die Ränder zu erreichen. Der Schattenninja schüttelte den Kopf, während er in diese silbergetönten Augen starrte, seine Stimme wurde leise. 

 

„Ich versuche nicht, dich zu kontrollieren, Neji.“

 

Die kalte Maske aus Gelassenheit, die sich über Nejis Züge gelegt hatte, bekam feine Risse – es war das Aufblitzen eines zornigen Schmerzes in seinen blassen Iriden. Shikamaru beobachtete, wie der Hyūga es mit Spott zu kaschieren versuchte. 

 

„Als ob du das könntest.“, knurrte Neji, zog sich rasch zurück und erhob sich in einer fließenden, aber scharfen Bewegung. 

 

Wider besseres Wissen begann Shikamaru aufzustehen. Er bewegte sich langsam, als würde er von der magnetischen Spannung angezogen, die zwischen ihnen pulsierte. Verwirrt sah Neji ihn an, bevor er an ihm vorbeimarschieren wollte. Und aus irgendeinem Grund, den Shikamaru weder benennen noch verleugnen konnte, trat er abrupt vor den Hyūga und versperrte ihm den Weg. 

 

„Verschwinde.“, zischte Neji und stierte über Shikamarus Schulter. 

 

„Sieh mich an.“

 

„Geh mir aus dem Weg, Nara!“

 

Shikamaru bemerkte, dass obwohl Neji den Blick abgewandt hielt, er ihn nicht senkte; doch die Muskeln in seinem Gesicht spannten sich an und zuckten, als wüssten sie nicht, welchen Ausdruck sie annehmen sollten. 

 

„Was ist nötig, damit du es kapierst?“ Shikamaru schüttelte den Kopf und Frustration fraß sich in seine Stimme. „Du musst das hier nicht tun.“

 

„Verschwinde.“

 

„Du musst bei mir nicht auf dieses dumme blaublütige Gehabe bestehen.“

 

Nejis Lippen verzogen sich zu einem säuerlichen Grinsen. „Du weißt nichts über das Blut der Hyūga.“

 

„Nur, dass es genauso rot ist wie das jedes anderen, wenn du es aushustest.“

 

Shikamaru sah zu, wie Nejis Augen aufflogen, genauso blass wie die Robe, die sich wie lebendes Eis kräuselte, als sich Neji sehr langsam vorbeugte. „Solltest du nicht das Bedürfnis haben zu bluten, Nara, rate ich dir, mir aus dem Weg zu gehen!“

 

Shikamarus Stirn legte sich in Falten und er konnte die Hitze von Nejis Atem auf seinem Gesicht fühlen, die im völligen Kontrast zu der Kälte in der Stimme des Hyūgas stand. „Du musst dich selber nicht so fertig machen, Neji.“

 

Die Finger des Jōnin ballten sich zur Faust und seine Stimme war angespannt. „Sag mir nicht, was ich tun muss…du hast keine Ahnung, was ich brauche.“

 

Ja, Shikamaru war sich mehr als sicher, dass er im Moment von sehr vielen Dingen nicht die geringste Ahnung hatte. 

 

Sein Hirn nahm Informationen nur in irrationalen Bruchstücken auf. 

 

Für den Anfang stand Neji viel zu nah. 

 

Und diese Tatsache stellte etwas mit und vor allem unter seiner Haut an, das sich wie ein statisches Knistern in seinem Blut anfühlte. Es betäubte ihn für einen Moment und sein Hirn schien komplett einzufrieren. 

 

Da seine mächtigste Waffe außer Gefecht gesetzt war, traf ihn Furcht wie ein Schlag in die Magengrube. 

 

Und darauf reagierte er rein instinktiv. 

 

Oder zumindest war es das, was er sich selbst einredete, denn wenn er dem Vorbild eines sicheren und rationalen Denkens gefolgt wäre, hätte er nie im Leben das gemacht, was er als nächstes tat. 

 

Und zwar rammte er seinen Handballen direkt in Nejis Brustbein. 

 

Der Aufschlag ließ den Hyūga zusammenzucken und zurück stolpern, Fassungslosigkeit verzögerte seine Reaktion. Shikamaru wusste, dass jetzt logischerweise der beste Zeitpunkt war, sich zurückzuziehen. Es war dieser Moment, die günstigste Gelegenheit.

 

Doch sie zog an ihm vorbei und ließ eine sengende Hitze zurück. 

 

Er redete sich selbst ein, dass es Zorn war. 

 

Das ist alles, was es ist…

 

Und um das zu beweisen, stürzte er vorwärts. 

 

Neji parierte seinen nächsten Schlag, attackierte ihn aber nicht.

 

„Schlag zurück, Hyūga!“, drängte Shikamaru ihn. „Du willst also unbedingt Blut husten? Schön, wie wäre es, wenn ich dir diesmal dabei helfe?“

 

Nejis Augen blitzten auf. „Lass mich in Ruhe!“

 

Sofort änderte Shikamaru die Taktik. „Nur eine völlig gestörte Person oder ein Masochist würde das tun, was du dir antust. Also, was davon bist du?“

 

Das schien eine Wirkung zu erzielen. 

 

Neji ging ihm an die Kehle; im wahrsten Sinne das Wortes. Blasse Finger schnellten nach vorn und legten sich wie ein Schraubstock um Shikamarus Hals, bevor er zurückweichen konnte. Der Griff zwang den Schattenninja zu erstarren, stoppte jedoch, kurz bevor er ihm die Luftzufuhr abschnürte; dennoch war die Umklammerung heftig genug, um Blutergüsse zurückzulassen, das wusste Shikamaru.

 

„Greif härter zu.“, hustete Shikamaru. 

 

Nejis Gesicht verzerrte sich in einem wilden Wechsel von Wut und Verwirrung, sein Arm zitterte vor Zurückhaltung. „Warum?“

 

Die Frage krallte sich unbarmherziger in den Schattenninja als die Finger des Hyūga.

 

Warum?

 

Shikamaru schluckte an dem Griff um seinen Hals vorbei und starrte mit einer Mischung aus Frustration und Kampfeslust zurück. Eine aufgewühlte und elektrisierte Spannung verdichtete die Luft, die in der kurzen Distanz zwischen ihnen flimmerte und zwang ihre Atemzüge, sich zu vertiefen und ihre Brustkörbe, sich schneller und weiter zu heben. 

 

Shikamaru spürte, wie sich Nejis Finger um seine Kehle lockerten und er beobachtete aus dunklen geweiteten Pupillen, wie der Blick des Hyūga auf seinen Mund fiel. 

 

Warum…?

 

Genau in dem Moment, in dem Neji vorwärts trat, wischte Shikamaru dessen Griff beiseite. 

 

Sie prallten in einer Woge roher Hitze aufeinander. 

 

Münder trafen sich mit einem hungrigen und zornigen Aufprall, teilten und stahlen sich gegenseitig den Atem. 

 

Shikamaru konnte spüren, wie ein elektrischer Schlag durch sein Nervensystem jagte, seinen Verstand kurzschloss und eine ursprüngliche, primitive Gier tief in seinem Innersten weckte. Sie zeigte sich in dem Übereinanderkratzen von Zähnen und dem Kampf von Zungen; sie suchte nach Unterwerfung, die keiner von beiden geben wollte. 

 

Er drängte vorwärts.

 

Neji drängte ihn zurück.

 

Mit einem Knurren riss Shikamaru eine Hand nach oben und vergrub die Finger in langem dunklem Haar. Heftig riss er daran – unterbrach damit den Kuss und legte die scharfe stolze Kante von Nejis Kiefer bloß. Seine Zähne schrammten über die blasse Haut und entrissen dem Jōnin ein kurzes gebrochenes Keuchen. 

 

„Bastard…“, zischte Neji. „Ich bring…dich um…“

 

„Sei still!“, knurrte Shikamaru zurück. „Denk nicht nach.“

 

„Nein…“ Neji verdrehte den Körper, um seine Handfläche hart gegen Shikamarus Brustkorb zu donnern. 

 

Der Stoß trieb sie auseinander und riss Funken aus Hitze und Erregung in die Luft, zwei Klingen gleich, die voneinander abprallten. Doch das statische Knistern zerrte sie gleich darauf wieder mit einem hörbaren Knall zueinander – von dem Shikamaru deutlich merkte, dass es der Aufschlag seines Rückens gegen die Wand war. 

 

Verdammt.

 

Er hatte kaum Zeit, Neji finster anzustarren, bevor der Jōnin erneut seinen Mund attackierte; es war ein gnadenloser Kuss, der unmissverständlich Unterwerfung einforderte. Doch das würde nicht geschehen. Keine Seite würde hierbei nachgeben und selbst im Dunst dieses wahnsinnigen Verlangens, das heiß und heftig zwischen ihnen glühte, konnte Shikamaru das instinktiv spüren. 

 

„Neji…“
 

„Nein!“

 

Shikamarus Hüfte rollte nach vorn, als er den beißenden Stich von Zähnen an seinen Lippen spürte. Er schob die Schultern zurück, als er sich drehte und ihre Positionen tauschte, um Neji hart gegen das Fusama Paneel zu stoßen, ohne dabei die Verknotung ihrer Zungen zu lösen.  

 

Nejis Mund öffnete sich zu einem Wimmern, als er heftig gegen die Wand schlug und erlaubte es so Shikamaru, mit einem brutalen Griff um den Kiefer des Jōnin die Kontrolle über den Kuss zu übernehmen. Der Hyūga reagierte darauf, indem er unbarmherzig Shikamarus Nacken packte. Doch er drückte sich dem Chūnin entgegen, als dieser sich noch weiter nach vorn schob und fiel in die stete Bewegung ihrer Hüften mit ein. 

 

Pure Lust, die ihnen den Atem raubte, zwang sie dazu, die Verbindung ihrer Lippen zu unterbrechen, um nach Luft zu schnappen. 

 

F…fuck..“, krächzte Neji. 

 

Der Klang des Wortes, wie es in diesem tiefen kultivierten Ton von Nejis Lippen wisperte, verwandelte Shikamarus Blut in kochende Lava. Er legte eine Hand an Nejis Hüfte und zerrte den Jōnin damit in den Rhythmus ihrer kreisenden Bewegungen; die grobe Reibung ihrer Körper entlockte ihm ein raues Stöhnen. 

 

Niemals zuvor in seinem Leben war er so hart, so hungrig und so heftig erregt gewesen. 

 

Es war machtvoll, verschlingend und gefährlich. 

 

Er wusste nicht, ob er es noch aufhalten konnte. 

 

Doch dann stoppten plötzlich Nejis abgehackte Atemzüge. 

 

„Atme…“, raunte Shikamaru gegen Nejis Ohr, schob einen Schenkel zwischen die Beine des anderen Ninja und verschlang ihre Körper noch enger miteinander. 

 

„…Verdammt…“, zischte Neji und ließ den Kopf nach vorn fallen, um seine Stirn gegen Shikamarus zu lehnen, ihre Atemzüge verwoben sich ineinander. „Das ist…verrückt…“

 

„Ich weiß…“

 

Doch auch diese Erkenntnis schaffte es nicht, das langsame aber bestimmte Rollen ihrer Hüften zu stoppen; oder die harte mächtige Hitze, die Shikamaru spüren konnte, wie sie sich gegen seine eigene Erektion presste und ein Inferno in seinem tiefsten Inneren entfesselte. 

 

„Warum?“, keuchte Neji gegen Shikamarus Mund, seine Nägel krallten sich tief in den Nacken des Nara, als wollte er bis unter die Oberfläche vordringen. „Götter…was zur Hölle…läuft nur falsch bei mir…?“

 

Die Worte trieben Splitter aus Eis in Shikamarus Venen. 

 

Falsch…Stop…ich kann nicht…

 

„Nicht…“ Entschieden warf er das Wort dem Jōnin entgegen, fuhr aber in einer langsamen erotischen Liebkosung mit der Zunge über Nejis verletzte Lippen und zog sich ein wenig zurück, um mit dem Mund über den des Hyūga zu streichen. „Denk nicht nach!“

 

Neji schüttelte den Kopf, schloss krampfhaft die Augen und Shikamaru wusste, dass er es tat, um gegen dieses Vergnügen anzukämpfen. Der Nara lockerte die harte Umklammerung von Nejis Haar und fuhr mit den Fingern durch die mokkafarbene Mähne, bevor er sie über den weißen Stoff gleiten ließ, der bei jeder ihrer Bewegungen leise raschelte. 

 

„Ich habe keine Ahnung…was zur Hölle das hier ist…“ Shikamaru wisperte die Worte gegen Nejis Mund und stieß dabei leicht ihre Lippen aneinander. 

 

Aber ich will es…

 

„Es ist falsch…“ Nejis Gesicht verzog sich zu einer finsteren Miene, seine Augen waren noch immer geschlossen und verzweifelt versuchte er, diese Anziehungskraft und dieses markerschütternde Verlangen mit dem letzten Rest seiner Sinne niederzukämpfen. 

 

Sinne, die sich unter der Hitze dessen aufzulösen begannen, was sich mit jeder Berührung ihrer Hüften aufbaute.

 

Shikamaru bebte. „Dann sag mir…dass es sich nicht gut anfühlt…“

 

Bastard…“ Nejis Atem verflüchtigte sich zu einem Schaudern. 

 

Ein Schaudern, das Shikamaru für sich beanspruchen wollte, bis er betrunken war vom Geschmack dieser tiefen beständigen Stimme, die die Worte und wortlosen Klänge zwischen seinen Lippen nährte. 

 

Fuck…Stop…

 

Shikamaru rammte seine Handfläche gegen die Wand, seine Finger verkrümmten sich hart, während er versuchte, diesen wahnsinnigen Drang unter Kontrolle zu halten, der sein Inneres verkrampfte. Neji musste durch eine einzige Berührung allein seine Gedanken gelesen haben; zeitgleich legten sie sich gegenseitig eine Hand an die Hüfte. Daumen gruben sich in die Haut über scharfen Beckenknochen und hielten den jeweils anderen in Schach. 

 

Leise keuchend legte Shikamaru ihre Stirnen aneinander. 

 

„Sieh mich an…“

 

Neji hob die Lider und die silbernen Seen seiner Augen erschienen grau und stürmisch wie aufgewühlte Wolken. Unstet, unvorhersehbar, beinahe unkontrolliert. 

 

Mit einem Schlag war es Shikamaru gleich, ob der Sturm ihn zerreißen würde. 

 

Er starrte zurück, seine Iriden so schwarz wie verschlingende Schatten. 

 

Neji sah nicht weg. 

 

Und als Shikamaru die Intimität in diesem Blick bemerkte, in dem das elende Durcheinander aufgeheizter Emotionen schwamm, konnte er einfach nicht verstehen, wie Neji sich selbst jemals als etwas Geringeres als menschlich betrachten konnte. 

 

Für einen Moment länger suchten sie die Augen des anderen. 

 

Dann lehnte sich Shikamaru ein winziges Stück nach vorn und strich ihre Lippen in einem langsamen und vorsichtigen Schwung übereinander, bei dessen Berührung sich Neji versteifte. Der Schattenninja spürte, wie sich seine Brust schmerzhaft zusammenzog, als er sich auf eine brutale Zurückweisung gefasst machte. 

 

Tu es…Gott, stoß mich einfach weg…

 

Doch Neji stieß ihn nicht von sich. 

 

Mit einem Blick zog er ihn noch näher. 

 

Ein einziger Blick, der heißer und greller aufflammte als die Blitze in diesen stürmischen Augen. 

 

Shikamaru hob seine freie Hand, schlang seine Finger um Nejis Nacken und wiederholte das zögerliche Übereinanderstreichen ihrer Münder. Zaghaft legte er etwas mehr Kontakt in die Bewegung, bevor er sanft mit der Zunge über Nejis Lippen fuhr. 

 

Er konnte spüren, wie sich der Griff an seinem Becken immer wieder anspannte und löste. 

 

Und dann fühlte Shikamaru das langsame, sinnliche Gleiten von Nejis Zunge gegen seine eigene, warm und nass wie flüssiges Feuer. Das Streicheln der feuchten Muskeln wandelte sich von einem Kampf in einen Tanz, trieb frische Wogen des Verlangens in jeden Teil von ihm und erregten ihn bis zu einem Maß, an dem es schmerzhaft wurde. 

 

Fuck…

 

Als sie sich lösten, um Luft zu holen, war es, als würde man etwas Verschmolzenes auseinanderreißen; pure und rohe Spannung knisterte zwischen ihnen. Es war unbeschreiblich. 

 

Und es war nur ein Kuss.

 

Das muss aufhören…

 

Federleicht schwebten Shikamarus Lippen über Nejis hohen, geröteten Wangenknochen und weiter bis zu seinem Ohr; die Stimme des Nara war ein heiseres, aber sinnliches Murmeln. 

 

„Du musst das aufhalten…denn ich…kann es nicht.“ 

 
 

~❃~

TBC

 

__________________________

Hihi, ein fieser Cut :D Tut mir leid, aber das muss hin und wieder sein! Tatsächlich war das Kapitel gar nicht so leicht zu schreiben für mich, da ich dieses Kapitel und besonders die Chemie zwischen Shikamaru und Neji hier einfach liebe und meine Ansprüche an Beschreibungen und emotionale Darstellung dementsprechend sehr hoch waren...ich glaub ich muss mir jetzt auch erstmal was zu trinken holen :D

Ich hoffe auf jeden Fall, dass euch allen das neue Kapitel gefallen hat und ihr Spaß am Lesen hattet! Bei diesem (und dem nächsten ;D) Kapitel würde ich mich ganz besonders über ein Feedback freuen, da ich in beide irgendwie enorm viel Aufwand und Zeit reingesteckt habe, dass ich am Ende fast das Gefühl hatte, einen schriftstellerischen Burnout zu durchleiden -.-

Also wie gesagt: Über Anregungen, Meinungen und Verbesserungsvorschläge würde ich mich mega freuen!!

Ein riesiges Dankeschön geht wie immer an alle meine lieben Reviewer! Danke für die Motivationsschübe, die ihr mir immer wieder durch eure Worte zukommen lasst! <3

 

Fuck...

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Blood is nothing but water in our clan

Shikamaru liebte Wolken. Aber verdammt, er hasste den Regen.

 

Besonders um fünf Uhr in der Früh. 

 

Er lauschte dem Trommeln des Wassers auf dem Vordach über seinem Kopf, unaufhörlich und laut…genauso brutal wie die Kopfschmerzen, die gegen seine Schläfen zu pochen begannen. Der Schattenninja saß schutzsuchend vor dem Regen und zusammengekrümmt auf einer Bank, die an der Wand eines der Teehäuser des Dorfes stand. 

 

Für irgendwelche Gäste war es jedoch noch viel zu früh. 

 

Es ist viel zu früh für irgendwas…

 

Shikamaru kämpfte den Drang nieder, die Augen zu schließen und beobachtete unter schweren Lidern, wie Wasser herabstürzte und auf jeden Frühaufsteher einschlug. Auf der anderen Straßenseite zerbrach der billige und hastig gekaufte Regenschirm einer Frau unter der Wucht des Regens. Shikamaru sah zu, wie sie ihn auf dieselbe zornige Art in eine Mülltonne pfefferte, wie es der Schattenninja mit dem Schirm getan hatte, den er vor zwei Monaten in der Nacht kaputt gemacht hatte, in der Neji betrunken gewesen war.

 

Neji.

 

Während er sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr, schloss Shikamaru nun doch die Augen. 

 

Stop. Denk nicht daran.

 

Die ganze Nacht über hatte er nichts anderes getan, als daran zu denken. Wieder und wieder, bis er sich eine Stunde zu früh dazu durchgerungen hatte, sich aus dem Staub zu machen, nur um festzustellen, dass Neji bereits gegangen war. Shikamaru seufzte und war sich sicher, dass ihn das Bedürfnis nach einer Ablenkung oder einer Pause der trommelnden Gedanken in seinem Kopf über einen prekären Rand treiben würde.

 

Als hätte ich nicht bereits meinen Verstand verloren…

 

„Scheiße“, knurrte er und lehnte sich nach vorn, um seine Arme auf den Oberschenkeln abzulegen und die Hände zwischen seine Knie baumeln zu lassen. Sadistischer Weise konfrontierte ihn sein Hirn mit Asumas Stimme in einer Art vorausdeutender Warnung. 

 

‚Du weißt besser als jeder andere, wie wichtig es für dich ist, für die kommenden Missionen einen klaren Kopf zu behalten.‘

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten und stierte auf den nassen Boden unter seinen Füßen. Finster beobachtete er das Spritzen der Regentropfen, während er pausenlos daran arbeitete, eine wie auch immer geartete mentale Barriere heraufzubeschwören, die nötig wäre, um ihm den Kopf gerade zu rücken.

 

Die Mission. Konzentrier dich auf die verfluchte Mission. 

 

Zwei Teams; Aufklärung und Rückendeckung. Sie sollten als separate Missionen behandelt werden, die beide für Hanegakure mobilisiert worden waren, das Land der Federn und Heimat des Tsubasa Clans. Nach dem Zwischenfall mit Fukurō und seinem gescheiterten Versuch, Dōjutsus zu sammeln war es nötig, das Level der Feindseligkeit einzuschätzen, das zwischen den verbliebenen Mitgliedern des Tsubasa Clans und Konoha bestand. Da Akatsuki ganz klar die Liste aller Prioritäten dominierte, musste sich schnell um diese Situation gekümmert werden; was bedeutete, dass ein Team den Grad der Bedrohung einschätzen und das andere als Reserve fungieren sollte, falls beide Gruppen gezwungen wären, gegen einen Feind angehen zu müssen. 

 

Nejis Worte hallten duch seinen Geist. 

 

„Wusstest du von diesen Missionen, bevor ich von Tsunade-sama einberufen wurde?“

 

Gewusst? Er war die Hand gewesen, die alle Steine in Position gebracht hatte. Alles was er jetzt noch brauchte, war, dass der Rest wie geplant ablief. 

 

Nicht, dass das bisher bei irgendetwas der Fall gewesen ist…was zur Hölle stimmt nur nicht mit mir…

 

Er konnte spüren, wie sein Verstand erneut in dieses Sperrgebiet abdriftete…in das Terrain keuchender Atemzüge, spielender Muskeln, wilder opalhaften Augen, die an der Schwelle einer tiefen Lust flackerten…

 

Stop…

 

„Shikamaru!“ Narutos laute keifende Stimme erscholl über die Straße. 

 

Der Schattenninja blinzelte und richtete sich von seiner gebeugten Haltung auf. Mit einem Seufzen setzte er seine übliche träge Fassade auf, die sich prompt in ein ehrliches Gähnen verwandelte. Seltsamerweise war diesmal Schlaf wahrscheinlich wirklich die einzige Lösung für seine Situation; ein glückseliger Mangel an Denken. 

 

Jo…nicht nachdenken…darin werde ich inzwischen richtig gut…

 

Er blinzelte erneut, als er realisierte, dass eine Hand vor seinem Gesicht herumwedelte und ihm warmen Ramen-behafteten Atem in die Nase trieb. 

 

„He, Erde an Shikamaru!“ Naruto giggelte und Regentropfen rannen ihm über die Wangen. „Was ist denn mit dir los?“

 

„Es ist früh…du bist laut…zähl eins und eins zusammen.“

 

„He…immer noch kein Morgenmensch, huh?“

 

Ausdruckslos starrte Shikamaru vor sich hin. „Es ist sehr früh und du bist sehr laut.“

 

Naruto lachte – laut. „Sobald man erstmal aufgestanden ist und es losgeht, ist es doch gar nicht mehr so schlimm!“

 

„Es ist ein gottverdammtes Drama.“

 

„Ich würde dir ja zustimmen, wenn ich nicht total aus dem Häuschen wäre, weil ich endlich eine anständige Mission bekommen habe! Mann, ich kann es nicht erwarten, endlich wieder ernst zu machen!“

 

Shikamarus Lider erbebten unter einem Seufzen. „Du hast einfach viel zu viel Energie.“

 

„Das liegt an den Nudelsuppen.“ Naruto grinste breit und fuhr sich mit den Fingern durch die schlaffen Spitzen seiner triefend nassen Haare. „Vielleicht solltest du auch noch was essen, bevor – Sekunde…verdammt nochmal, was machst du hier?“

 

Der Schattenninja hob eine Braue und lehnte sich zurück gegen die Wand. „Wahrscheinlich sollte ich dich dasselbe fragen…“

 

„Uh, wir sollen uns doch um sechs am Tor treffen, oder nicht?“

 

Wir?

 

Shikamaru blinzelte schon wieder. „Huh?“

 

„Scheiße ja, ich bin bereit für eine echte Mission!“, rief der Uzumaki begeistert und seine blauen Augen blitzten. Mit einer Faust hämmerte er sich gegen die Brust und begann gleich darauf, in die Luft zu boxen. „Nur immer her damit, ich laufe vor gar nichts davon!“

 

Stirnrunzelnd unternahm Shikamaru nicht einmal den Versuch, die Verwirrung zu verbergen, die sein plötzlich aufgetretenes Unbehagen noch vervielfachte. „Was meinst du mit ‚wir‘? Was zur Hölle machst du hier?“

 

„Mann, was glaubst du wohl?“ Naruto kicherte. „Solltest du nicht eigentlich ein Genie sein?“

 

„Solltest du denn nicht mit Lee und Gai-senpai zum Feuertempel gehen?“

 

„Nope, die Mission wurde gecancelt! Aber das passt mir sehr gut.“

 

Automatisch ließ Shikamaru seinen Blick über den Bürgersteig schweifen auf der Suche nach einem der anderen. „Warum?“

 

„Weil ich endlich nach zwei endlosen Monaten eine richtige Mission zugeteilt bekommen habe.“

 

„Ugh…“ Der Nara rieb sich über die Augen. „Nein, ich meinte, warum findet die Mission zum Feuertempel nicht statt?“

 

„Naja, die ganze Sache wurde nur aufgrund irgendeiner unheimlichen, religiösen Vision über rote Wolken angeleiert, die sich nähern oder sowas in der Art. Ziemlich weltfremd, weißt du.“

 

„Rote Wolken?“ Shikamarus Stirn legte sich in Falten und nachdenklich glitt sein Blick zur Seite. „Die Akatsuki…“

 

„Jo, aber scheinbar ist die Vision eines alten Mönches kein Beweis für irgendwas. Ich meine, es wäre natürlich toll, das Kloster noch einmal zu besuchen, auch wenn Sora nicht mehr da ist.“ Naruto brummte und kratzte sich um Hinterkopf. „Aber Asuma-sensei hat sich eingeschaltet und hat…“

 

„Asuma?“ Schlagartig richteten sich Shikamarus Augen wieder auf den Uzumaki. 

 

Was zum…?

 

„Jo, er hat veranlasst, dass die Tempel Mission gestrichen wurde.“ Naruto zuckte mit den Achseln und bemerkte nicht den düsteren Ausdruck, der sich auf das Gesicht des Naras schlich. „Also wurden Lee und ich für deine Mission nach Hanegakure eingeschrieben.“

 

„Das ist ein Scherz…“, sagte Shikamaru flach, sein Verstand aufgeteilt zwischen Asuma und dieser mehr als lästigen Änderung in seinem Plan. 

 

„Nö!“ Naruto grinste ihn zähneblitzend an und zog ein gefaltetes, mit Fettspritzern besprenkeltes Papier hervor, das er neben Shikamaru auf die Bank knallte. „Hast du wirklich geglaubt, dass ich nur rumsitze, während ihr den ganzen Spaß habt?“
 

Verdammt. Naja ich schätze, ich kann sie in Shinos Team abschieben…Chōji nehme ich dafür zu mir…das könnte funktionieren…es ist zwar ein Ärgernis, aber damit könnte ich trotzdem arbeiten…

 

Stirnrunzelnd griff er nach dem Blatt und klappte es auf. Er überflog die Teamlisten und halb geschlossene braune Augen weiteten sich immer mehr. Die gesamte Aufstellung war geändert worden. 

 

Ihr wollt mich doch verarschen…

 

Plötzlich spiegelte das beschissene Wetter die Situation wider, in der er sich befand. Und um alles nur noch schlimmer zu machen, sank jede Chance, einen Silberstreif zu finden, in dem Moment, als er die Listen der neu arrangierten Teams zur Kenntnis nahm. 

 

„Wann zur Hölle wurde das beschlossen?“, knurrte er und überflog die Namen. 

 

Naruto schien den zornigen Tonfall in Shikamarus Stimme nicht zu bemerken. „Uh, vor einer halben Stunde oder so?“

 

„Was?“ In Shikamaru begann es zu brodeln und fuchsteufelswild stierte er auf das Blatt. 

 

„Ja, war so eine richtige Last-Minute Aktion.“ Der Uzumaki grinste schon wieder und das Schimmern seiner goldenen Haare und sein fröhliches Gemüt machten alles nur noch schlimmer. „Wir treffen uns alle am Tor, wie ich gesagt habe.“

 

Hat Asuma das eingefädelt?

 

„Wer hat das entschieden?“ Ohne den Blick davon abzuwenden, hielt Shikamaru das Papier hoch.

 

„Eh?“

 

Genervt rieb sich der Nara die Schläfen, sein Kiefer verkrampfte sich. „Wer hat das entschieden?“

 

„Naja, die Hokage und Asuma-sensei, glaube ich.“ Stirnrunzelnd bemerkte jetzt sogar Naruto den düsteren Tonfall in der Stimme des Schattenninja. „Kami, Shikamaru, was ist nur los mit dir?“

 

Wortlos starrte der Nara auf den genehmigenden Stempel von Tsunade und ignorierte Narutos verwirrte Miene. „Sie haben die Teamführer gewechselt, die Gruppenmitglieder gemischt und zwei Leute komplett von der Mission gestrichen.“

 

„Ja schon, aber dafür bekommst du doch Lee und mich.“

 

Ugh. Darum geht es doch gar nicht.

 

„Es bedeutet, dass ich die gesamte Strategie, die ich bereits geplant hatte, neu ausarbeiten muss!“ Shikamaru schüttelte den Kopf und ein Muskel über seinem Kiefer zuckte. „Hat Tsunade-sama das selbst geschrieben?“

 

„Nun, ja. Sie hat es sogar mit Neji besprochen und von ihm absegnen lassen.“

 

Shikamarus Augen wurden hart.

 

Seine Finger verkrampften sich um das Papier und zerknüllten es beinahe. 

 

„Sie hat es mit Neji besprochen?“, schaffte er, eine lockere spontane Frage zu stellen, die in völligem Widerspruch zu seinen verkrampften Sehnen stand. 

 

„Jo.“ Naruto legte in einer nachdenklichen Pose den Kopf leicht in den Nacken. „Neji war schon im Gespräch mit der Hokage, als ich dazu gekommen bin. Das war nachdem Asuma sich eingeschaltet hatte, das wiederum war, bevorich wusste, dass ich deiner Mission zugeteilt werde…“ Er lächelte unbeholfen. „Öh, das macht Sinn, oder?“

 

Shikamaru fuhr mit der Zunge über seine hart aufeinandergepressten Zähne und er konnte schon wieder einen Muskel in seinem Gesicht zucken fühlen. „Ja…macht total Sinn…“

 
 

xXx
 

 
 

Der Regen hatte sich zu einem armseligen Schauer beruhigt und rann in irritierenden eisigen Bächen Shikamarus Nacken hinab. Energisch versuchte er es zu ignorieren, während er zur Hokage Residenz marschierte, zwei Stufen auf einmal die Treppe hinauf nahm und jeden zornigen Schritt mit einem mentalen Fluch unterstrich. 

 

Lästiges. Gottverdammtes. Verficktes. Ärgernis. Dämliches. Schwein. Ist. Besser. Nicht. Anwesend. 

 

Am oberen Ende der Treppe angekommen hielt er inne und wischte sich den Regen aus den Wimpern, bevor er die Türen aufschob und in das Gebäude schlüpfte. Mit schnellen Bewegungen schob er das Wasser von seiner Flakjacke und spähte durch den Korridor, während sich seine Wut zu zwei Knoten in seinen Schläfen zusammenzog.

 

Verdammt.

 

Mit Kopfschmerzen, die sich in seinen Schädel fraßen, drehte er sich, um seine Schritte in Richtung des Büros der Hokage zu lenken; eine missbilligende Falte war zwischen seine Brauen gestanzt. 

 

Eine Stimme ließ ihn innehalten. 

 

„Wie ich sehe, ergreifst du schon wieder die Initiative.“

 

Blinzelnd schnellte Shikamaru herum, als Asumas Worte träge um die Ecke des Ganges geschwebt kamen. Eine Rauchfahne kündigte die Präsenz des Jōnin an, bevor er in Sichtweite kam. 

 

„Schon wach und das noch vor zehn Uhr?“ Asuma kicherte. „Ich bin beeindruckt.“

 

Der Nara ergriff die Gelegenheit, sehr unbeeindruckt auszusehen, während sich sein Sensei näherte. Sofort fiel das Lächeln aus dem Gesicht des Sarutobi, als Shikamaru nichts auf den Scherz erwiderte und auch keine Anstalten machte, die Spannung in der Luft zu lindern. 

 

„Stimmt was nicht?“, fragte der Jōnin ein bisschen zu unschuldig. 

 

Shikamarus Stimme war ebenso flach wie seine Miene. „Hattest du irgendeinen Grund, aus dem du nicht wolltest, dass Naruto und Lee den Feuertempel überprüfen?“

 

Der Anflug einer Nervosität berührte Asumas Iriden, bevor seine nächsten Worte über seine Lippen rollten wie der Rauch seiner Zigarette. „Du meinst einen anderen als den, dass es Zeitverschwendung ist?“

 

„Du bist ein erbärmlicher Lügner.“

 

Asuma grinste und führte seine Zigarette erneut an die Lippen. „Schätze mal, das ist keine so schlechte Sache.“

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ist es schon, wenn du mir unterstellst, ich würde mich seltsam verhalten und dann herumläufst und Missionen durcheinander bringst, für die ich viel Zeit aufgewandt habe, um sie durchzutaktieren; nur wegen deiner Probleme mit dem Feuertempel!“

 

Asuma legte den Kopf schief und ein Strom aus Qualm verließ seine Lippen. Seine Gesichtszüge nahmen einen verschleierten Ausdruck an, den Shikamaru als Unbehagen zu entziffern gelernt hatte, versteckt hinter Rauch und einem trägen Lächeln. 

 

„Ich habe keine Probleme mit dem Feuertempel.“ Der Sarutobi zuckte mit den Schultern. „Nur damit, Ressourcen zu verschwenden.“

 

„Ressourcen verschwenden?“, echote Shikamaru und Verärgerung schlich sich in seine Stimme. „Dank dir hat die Hokage Ino und Shino von der Liste gestrichen und sie durch Lee und Naruto ersetzt.“

 

„Und?“

 

„Und das bedeutet, dass wir eine Kunoichi, die den Gegner hinhalten kann und einen Fährtenleser-Shinobi weniger haben. Alles was ich jetzt habe, sind beeindruckendes aber unnötiges Taijutsu und ein unberechenbarer Schafskopf!“

 

„Ich bin mir sicher, dass du deine Strategie überarbeiten kannst.“

 

„Verdammt, darum geht es nicht!“ Shikamaru zerrte das zerknüllte Papier hervor, das Naruto ihm gegeben hatte und hielt es zwischen zwei Fingern hoch. „Die Strategie war perfekt, so wie sie war!“

 

Seine Stimme musste harscher geklungen haben, als er beabsichtigt hatte, denn Asuma hielt mit der Zigarette auf halbem Weg zu seinen Lippen inne; beinahe stirnrunzelnd. 

 

„Nun, manchmal passieren Dinge, die uns dazu zwingen, die Situation zu revidieren, Shikamaru.“, erwiderte er langsam und in einem vorsichtig neutralen Ton. „Du weißt das.“

 

„Also was? Testest du mich auf das schnelle Treffen von Entscheidungen?“, schnappte Shikamaru.

 

„Vielleicht muss ich das.“

 

Gottverdammt…das kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen…

 

Sehr langsam atmete Shikamaru ein und versuchte, seine Stimme zu etwas zu beruhigen, das sich nicht so angepisst anhörte, wie er höchstwahrscheinlich aussah. 

 

„Ich brauche niemanden, der mir im Nacken sitzt und meine Angelegenheiten noch lästiger macht, als sie ohnehin schon sind.“ Er stopfte die Teamliste zurück in seine Flaktasche. „Und ich habe es auch nicht nötig, wie ein verdammtes Kind durch die Mangel gedreht zu werden…“

 

Jetzt runzelte Asuma tatsächlich die Stirn. „Was stimmt nicht mit dir?“

 

„Warum zur Hölle fragt mich das jeder?“ Shikamarus Augen blitzten zornig auf. „Es ist früh, es regnet und meine gesamte Strategie wurde von der Hokage und meinem Sensei zerschossen, eine Stunde bevor ebendiese Mission losgeht. Also Verzeihung, wenn ich ein bisschen weniger locker bin als sonst.“

 

Der wütende Biss seiner Worte dröhnte durch die Luft.

 

Shikamaru blieb einige Zeit, um sich zu wünschen, er hätte einfach den Mund gehalten; oder zumindest gelogen, oder die Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt, oder eine andere lässige Vermeidungstaktik angewandt. Doch stattdessen war er direkt in ein Minenfeld marschiert, das überspannt war mit mentalen Stolperfallen, die er törichterweise in seiner Verärgerung ausgelöst hatte.

 

Ah schon wieder…wirklich verfickt klug angestellt…

 

Asumas Reaktion darauf war, um seine Zigarette herum die Lippen zu schürzen, ein verkniffener prüfender Blick verhärtete sein Gesicht. Shikamaru sah zur Seite weg, wohlwissend, dass es viel zu spät war, um das Ganze mit Humor abzutun. Es war, als befände er sich in einem verdammten Scheinwerferlicht; alles, was jetzt noch fehlte, war Ibiki, der sich mit ins Chaos stürzte und ein Verhör einleitete. 

 

Scheiße.

 

Beinahe wäre Shikamaru zusammengezuckt, als sich Asumas Hand auf seine Schulter legte. Er begegnete dem Blick seines Senseis nicht, denn er wusste, dass er die Besorgnis widerspiegeln würde, die in Asumas Stimme mitschwang. 

 

„Was ist nur los mit dir?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Es ist früh…und du hast meine Strategie vermasselt.“

 

Noch immer stirnrunzelnd nahm der Jōnin einen weiteren Zug seiner Zigarette und entließ mit einem Seufzen eine fahle Wolke aus Qualm. „Ja, ich schätze, das habe ich.“ Asumas Hand fiel von seiner Schulter. „Aber ich teste dich nicht, Shikamaru. Ich treibe dich an.“

 

Schnaubend rollte der Nara mit den Schultern. „Kommt auf’s Gleiche raus.“

 

„Nein. Ich würde dich nicht antreiben, wenn ich nicht darauf vertrauen würde, dass du damit umgehen kannst…und wenn ich nicht der Meinung wäre, dass es nötig ist.“

 

Shikamaru hielt seinen Kopf weiterhin zur Seite gedreht, doch er warf seinem Sensei einen Blick aus den verengten Augenwinkeln zu. „Warum ist es nötig?

 

„Ich habe es dir bereits gesagt. Du hast dich da für etwas Großes angemeldet, was bald zum Tragen kommen wird, nachdem du deine Mission in Hanegakure erledigt hast.“ Asuma zog erneut an der Zigarette. „Ich muss wissen, dass du damit umgehen kannst, wenn ich deine Strategien infrage stelle, sie vielleicht sogar komplett umschmeiße und dir nur Sekundenbruchteile bleiben, um damit zu arbeiten.“

 

Shikamaru gab sich alle Mühe, nicht so auszusehen, als fühlte er sich verraten; sein Kiefer verkrampfte sich. „Warum jetzt?

 

„Weil du meiner Truppe zugeteilt wirst, sobald du zurück bist.“

 

Aufmerksam suchte der Schattenninja auf Asumas Gesicht nach einem schlecht getimten Humor, bevor ihm klar wurde, dass es der Jōnin ernst meinte. „Deiner Truppe? Also hat die Hokage bereits Führer für die Nijū Shōtai zugewiesen?“

 

Asuma lachte auf und das heisere Geräusch wurde in Rauch gehüllt. „Naja, ich schätze mal es bräuchte mehr als nur einen Schubs, damit du deswegen ein wenig Enthusiasmus zeigst.“

 

Um den Nebel aus seinem Verstand zu vertreiben, blinzelte Shikamaru ein paar Mal und tat so, als wäre es der Rauch, der ihn störte. „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass sie schon Teams zusammengestellt hat.“

 

Mann, diese unverschämte Abmachung wird immer noch unverschämter…

 

„Es war nötig. Die Nijū Shōtai haben oberste Priorität, wenn du zurückkommst. Und deswegen gebe ich dir eben einen kleinen Schubs.“

 

Shikamaru seufzte. „Klar, schubs mich ruhig noch weiter…du bist immer noch ein gottverdammter Sklaventreiber.“

 

Die Haut um Asumas Augen legte sich in Fältchen, als er warm lächelte. „Nur weil du, Chōji und Ino inzwischen Chūnin seid, bedeutet das nicht, dass ich aufhöre, ein Auge auf euch drei zu haben. Oder euch hin und wieder aus dem Konzept zu bringen, wenn ich weiß, dass ihr damit keine Schwierigkeiten habt.“

 

Das weißt du nicht.

 

Shikamaru ballte eine Hand in seiner Hosentasche zur Faust. Er konnte nachvollziehen, was Asuma hier tat – konnte sogar die Notwendigkeit darin erkennen – doch der Sarutobi hätte sich keinen schlechteren Zeitpunkt dafür aussuchen können, ihn ‚aus dem Konzept zu bringen‘. 

 

Warum hast du so gottverdammt viel Vertrauen in mich…?

 

Shikamarus Blick fiel nach unten und Schuldgefühle versäuerten die Frustration in seinem Inneren. Als wolle er eine unbehagliche Empfindung abschütteln, verlagerte er das Gewicht von einem Bein auf das andere. Ihm war klar, dass Asuma ihn beobachtete und so war er nicht überrascht, als der Jōnin erneut eine Hand auf seine Schulter legte und sie zaghaft drückte. 

 

„Außerdem, sieh es positiv. Du und Neji führt diese Missionen an, oder?“

 

„Laut der neuen Teamaufstellung schon.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und löste so den Griff um seine Schulter. „Und das ist nicht wirklich ein Silberstreifen.“

 

Asuma brummte. „Nun, ich weiß, dass das nicht dein Plan gewesen ist. Ihr beide hättet im selben Aufklärungsteam sein sollen, stimmt’s?“

 

Panik durchzuckte Shikamarus Augen, doch dankbarerweise hielt er sie weiterhin abgewandt. „Uh…ja schon.“

 

„Wenn man bedenkt, dass du eigentlich schon auf Jōnin Level bist, auch wenn dir noch der Titel fehlt“, Asuma stockte und warf Shikamaru einen spöttisch ermahnenden Blick zu „bist du mehr als fähig, das Verstärkungsteam zu führen, während Neji den Aufklärungstrupp leitet.“

 

Darum. Geht. Es. Nicht!

 

„Wenn du es sagst.“, murmelte Shikamaru jedoch nur.

 

„Das tue ich. Und du wirst das gut machen.“ Der Sarutobi rieb sich über seinen bärtigen Kiefer. „Wenn man alle Dinge in Betracht zieht, ist es alles ziemlich ausgeglichen. Vielleicht hatte Hyūga ja recht, den Teamwechsel vorzuschlagen.“

 

Der Paukenschlag traf Shikamaru wie ein explodierender Hieb in die Magengrube.

 

Seine Augen schnellten zu Asuma. „Neji hat den Teamwechsel vorgeschlagen?“

 

Verwirrt sah der Sarutobi ihn an. „Ja.“

 

„Ich dachte du hast das vorgeschlagen und Tsunade-sama hat es nur mit ihm besprochen.“

 

Statt mich verfickt nochmal vorher zu informieren…

 

„Nein.“ Kopfschüttelnd steckte sich Asuma eine weitere Zigarette an. „Ich habe nur den Auftrag beim Feuertempel streichen lassen und vorgeschlagen, Naruto und Lee mit auf deine Mission zu schicken. Das war meine Vorstellung davon, dir einen Schubs zu geben und deine Strategiefähigkeiten herauszufordern. Daraufhin hat Neji den Tausch mit Ino und Shino vorgeschlagen.“

 

Was ihn automatisch an Shinos Stelle als Führer des anderen Teams setzt…hinterhältiger Bastard…wahrscheinlich werde ich ihn umbringen, noch bevor er es selber schafft…Scheiße…

 

Shikamaru zog sich von diesen Gedanken zurück ins Hier und Jetzt, als er bemerkte, dass Asuma immer noch redete. 

 

„Was gut ist.“, fügte der Jōnin gerade hinzu. „Denn Ino muss sich auf ihr Training zur Medic-Nin für die Nijū Shōtai konzentrieren und Kurenai kann Shino für eine Nebenoperation brauchen, an der sie nicht teilnehmen kann.“

 

„Und die Hokage war einfach so…damit einverstanden und hat es genehmigt…“, raunte Shikamaru mehr zu sich selbst. 

 

So viel dazu, dass sie ihren Teil der Abmachung einhält…

 

„Warum sollte sie nicht? Du und Neji seid die beste Wahl als Teamführer. Es macht doch nur Sinn, dass ihr beide separate Gruppen leitet.“

 

„Jo…“, erwiderte Shikamaru gedehnt, aber in seinem Inneren brodelte es. „Macht total Sinn…“

 
 

oOo
 

 
 

Es machte absolut keinen Sinn.

 

Nicht, als es passiert war und auch nicht im Nachhinein. 

 

Da war keine Klarheit, keine bequeme Erklärung und keine Entschuldigung. Da war nichts außer Widersprüchlichkeit und Drang, ein Knistern und Reiben, genauso intensiv und roh, wie es ihre Körper gewesen waren. 

 

Kami, gib mir einfach eine Sekunde Frieden…

 

Nejis Augen glitten auf, um den Dampf anzustarren, der von der Oberfläche seiner Teetasse wirbelte. Die Kondensation war wie ein Gespinst und erinnerte Neji an die rauchigen Klänge, die über seine Haut gerollt waren. 

 

‚Lass einfach los…‘

 

Beinahe hätte er die Tasse in seinem Griff zerbrochen. 

 

„Neji, bist du ok?“

 

„Ja”, log er und spähte zu den grünen Iriden hinüber, die ihn ansahen. „Wir sollten bald aufbrechen.“

 

„Richtig.“ Sakura nickte und legte ihren Spieß mit Klößen ab, an dem sie gerade geknabbert hatte. „Kiba und Chōji wissen schon über den Teamwechsel Bescheid, oder?“

 

Neji brummte und erinnerte sich an einen überenthusiastischen Uzumaki im Büro der Hokage. „Ich wäre überrascht, wenn Naruto es noch nicht der gesamten Öffentlichkeit erzählt hat.“

 

„Wahres Wort.“

 

Während Sakura gleichzeitig ihre Klöße verschlang und ihre Ausrüstung überprüfte, richtete Neji den Blick erneut auf seine Teetasse. Er hob sie an, um einen Schluck zu nehmen – und hielt inne mit der heißen Keramik gegen seine Lippen gelehnt, seine mondgleichen Augen hoben sich kurz bevor eine phlegmatische Stimme hinter seinem Rücken an sein Ohr drang. 

 

„Hyūga, ich muss mit dir sprechen.“

 

Neji drehte seinen Kopf ein winziges Stück zur Seite und fing die Reflexion von Licht auf dunklen Linsen ein; ein vertrautes Gesicht, das von einem hohen Kragen und einer tiefen Kapuze verdeckt wurde.

 

„Shino.“, grüßte der Jōnin und nickte mit dem Kopf in Richtung der Bank, die ihm gegenüberstand. 

 

Der Aburama akzeptierte die wortlose Einladung und bewegte sich auf diese unheimliche Weise, die die anderen Chūnin nicht selten verstörte. Neji hatte damit jedoch noch nie wirklich ein Problem gehabt. Shino war still, zurückhaltend und intelligent und Neji hatte kein Problem mit irgendeiner dieser Qualitäten; was es nur umso unerklärlicher machte, warum das seltsame Gefühl von Unbehagen über seine Wirbelsäule kroch wie einer von Shinos Käfern. 

 

Irgendetwas stimmt nicht.

 

„Hey Shino.“, grüßte Sakura den Insekten-Ninja lächelnd und schlang sich ihre Tasche über die Schulter, während sie sich von der Bank erhob. „Ich melde mich noch kurz bei Yamato und Kakashi-sensei. Wir sehen uns dann später mit den anderen am Tor.“

 

Neji nickte, hielt seine Aufmerksamkeit aber weiter auf Shino gerichtet, während Sakura sich zwischen den engstehenden Tischen des Teehauses hindurchschlängelte. Der Aburame nahm ihren freigewordenen Platz ein.

 

„Also“, begann Neji und setzte seine Tasse ab. „Worüber willst du mit mir reden?“

 

„Es gibt zwei Dinge, die ich besprechen möchte. Keins von beidem hat etwas mit mir zu tun.“ Shinos Stimme schwebte klar aber leise über den hohen Kragen seiner Jacke. „Das Erste wäre Hinata, denn sie hat Vorrang.“

 

Neji glättete sein Gesicht zu seiner gelassenen Maske und fuhr mit dem Daumen über den Rand seiner Tasse. „Und die zweite Sache?“

 

„Erstmal Hinata.“ Shino hielt seine tiefe Kadenz bei und Neji spürte instinktiv, dass sich der Aburame auf keinen Kompromiss einlassen würde.

 

„Na schön.“

 

„Vor dem Teamwechsel war sie deinem Team zugeteilt. Der Gruppe, die von Shikamaru geführt werden sollte.“

 

Der Hyūga blinzelte langsam. „Das ist korrekt.“

 

Für einen Moment schwieg Shino. „Während es ja sehr praktisch ist, dass Naruto und Lee die Teamstärke wieder ausgleichen, ist es wohl ebenso praktisch für dich, dass du jetzt als Kopf des Teams eingesetzt wurdest, das eigentlich ich hätte führen sollen.“

 

Überrascht legte Neji den Kopf ein wenig schräg. Angestrengt versuchte er, etwas aus Shinos Tonfall heraushören zu können, da es unmöglich war, dessen Gesichtsausdruck zu lesen. Es erschien ihm doch etwas kindisch, wegen einer Führerposition territorial zu werden. 

 

„Hast du ein Problem damit?“, fragte Neji und hielt seine Stimme ruhig.

 

„Was habe ich dir gerade gesagt?“ Diese abgeschirmten Augen schienen ihn kühl zu mustern. „Hier geht es nicht um mich.“

 

„Ich sehe aber auch keinen Zusammenhang mit Hinata.“, konterte der Hyūga ebenso neutral. 

 

„Wirklich? Hinata ist nicht länger Teil des Aufklärungstrupps. Du hast sie einfach so dem Verstärkungsteam zugeteilt.“

 

Wo zur Hölle soll das hier hinführen?

 

„Was für eine beeindruckende Beobachtung.“ Neji konnte sich den Sarkasmus einfach nicht verkneifen; es war immer noch besser, als dem Knoten aus Anspannung und Unbehagen nachzugeben, der an seinen Nerven zerrte. „Worauf willst du hinaus?“

 

„Beobachtung sagt mir auch, dass du vor drei Jahren – nach der Chūninprüfung – angefangen hast, deine Rolle als Hinatas Beschützer ernster zu nehmen. Es war nur eine subtile Veränderung in deiner Attitüde, aber dennoch eine offensichtliche. Vielleicht hast du es getan, um zu kompensieren, was du ihr angetan hast. Oder aber um deine eigenen Schuldgefühle zu lindern.“

 

Nejis Züge erstarrten. „Worauf willst du hinaus?“, wiederholte er. 

 

„Dass du wieder damit anfängst, die gleichen Anzeichen von Verachtung ihr gegenüber zu zeigen, wie du es vor der Veränderung deines Herzens getan hast. Dieser Teamwechsel kurz vor knapp ist ein eindeutiger Beweis. Du meidest sie.“

 

„Das ist jetzt aber eine ziemlich subjektive Beobachtung.“ Neji schob seinen kalten Tee von sich und fühlte, wie ihm mit der Bewegung ein Teil seiner Geduld entglitt. „Und sie ist auch noch völlig unbegründet.“

 

„In diesem Fall verleiht es meiner anderen Schlussfolgerung nur noch mehr Gewicht, Hyūga.“, erwiderte Shino. „Du meidest deinen ganzen Clan.“

 

Nejis Augen verwandelten sich zu Eis – doch sein Blut war Feuer und der nur dünn verschleierte Zorn schlich sich in seine tiefe Stimme. „Vorsicht, Shino!“

 

Doch der Insekten-Ninja rührte sich nicht, blinzelte vermutlich nicht einmal hinter diesen irritierend unlesbaren Brillengläsern, die Neji aus irgendeinem Grund das Gefühl gaben, durchschaubar zu sein. 

 

„Das ist nicht unbegründet, nicht wahr?“

 

„Ich scheitere daran, zu erkennen, was dich das angehen sollte.“

 

„Hinata gehört zu meinem Trupp“, erklärte Shino geradeheraus. „Sie geht mich etwas an. Und sie ist besorgt um dich.“

 

„Hat sie dir das gesagt?“

 

„Nein. Das musste sie aber auch nicht.“

 

Neji zog seine Hand von der Tischplatte zurück und legte sie auf einem Schenkel ab. Seine Finger verkrampften sich zu einer knöchelhervortretenden Faust. „Wo und wie ich meine Zeit verbringe und mein Leben außerhalb meiner Verpflichtungen dem Clan gegenüber diktiere hat absolut nichts mit dir oder ihr zu tun!“

 

„Die Tsubasa haben Dōjutsus gesammelt. Wenn man bedenkt, dass du dich zusammen mit Hinata auf deren Gebiet begeben wirst, sollte man eigentlich meinen, du wärst nicht so begierig darauf, getrennt von ihr zu operieren. Shikamarus Strategie hat das bedacht.“

 

Neji hob eine Braue und gab sich alle Mühe, nicht darauf zu reagieren. „Shikamaru hat zwei Byakugan Nutzer demselben Team zugeteilt. Es war eine fehlerhafte Strategie, die unsere Fähigkeiten verschwendet hätte.“

 

„Selbst wenn das als Fehler in Shikamarus Strategie angesehen werden könnte – was mehr als zweifelhaft ist – waren seine Beweggründe zumindest nicht hinterlistig oder eigennützig.“

 

Dieser Bastard.

 

Ein empörter Zorn brach aus seinen Fesseln tief in Neji und peitschte ein kurzes aufgebrachtes Glühen in seine Augen, bevor er es aufhalten konnte. 

 

„Was willst du damit sagen, Aburame?“

 

„Ich mag es nicht, mich zu wiederholen.“ Shino schüttelte den Kopf. „Hinata macht sich Sorgen um dich. Das bringt sie in Gefahr. Als ein Hyūga, besorgt dich das etwa nicht?“

 

Als ein Hyūga…

 

Neji fühlte sich, als hätte ihm jemand eine lange vergessene Fessel um den Hals gelegt und eine unerwartete Bitterkeit brach sich in ihm Bahn und verlieh seiner Stimme eine ätzende Spitze. 
 

„Natürlich…weil die Nebenfamilie ja lebt, um die Stammmitglieder zu beschützen…“, spie er aus.

 

Shino blieb für einen Moment still. „Weil sie deine Cousine ist, Neji.“

 

Blut ist nichts weiter als Wasser in unserem Clan…

 

Auf Messers Schneide dieses Gedankens lagen die Schuld und der Zorn, die ihn immerzu begleiteten; scharfe, bittere Emotionen, die sich immer wieder in die hintersten Winkel seines Verstandes bohrten…in einen Ort, der viel zu verletzlich war. Neji kämpfte gegen den Drang an, brutal die Tischplatte zu umklammern. Stattdessen löste er seine Faust und legte seine Handfläche ruhig auf dem Holz ab, während er sich erhob. 

 

„Vielleicht solltest du etwas mehr Vertrauen in das Team haben, in dem sich Hinata befindet, statt dich bei mir darüber zu beschweren, wie wehrlos sie ist.“

 

„Ich habe nie gesagt, dass sie wehrlos ist.“, erwiderte Shino. „Und so wie ich das verstanden habe, war es Hinata, die das letzte Mal zu deiner Verteidigung eingesprungen ist.“

 

Muskeln verkrampften sich in Nejis Kiefer. „Ja und sieh dir an, wie gut das für sie ausgegangen ist.“

 

„Ganz genau.“, sagte der Aburama und der Hauch einer Drohung drängte sich in seine Stimme. „Man sollte meinen, dass du mit diesen Augen ein bisschen weniger blind wärst, Hyūga.“

 

Neji musste jede einzelne Sehne in seinem Körper anspannen, um sich davon abzuhalten, auf den Aburame loszugehen. Er ging tief in sich, um einen Sinn für Diplomatie zu finden, der noch nicht von seinem Frust manipuliert worden war. Tief einatmend lehnte er sich auf die Stütze seiner Handfläche und beugte sich etwas nach vorn, um direkt in die reflektierende Oberfläche von Shinos Sonnenbrille zu starren. 

 

„Lass mich dir Grenzen zwischen meiner Cousine und mir jetzt sehr deutlich machen, Shino. Ich bin nicht verantwortlich für ihre emotionale Unreife und ihren Mangel an objektivem  Urteilsvermögen.“

 

Shino verharrte unbewegt, doch selbst in seinem Schweigen konnte Neji das Missfallen des Aburame beinahe spüren. Wie ein ruhendes Summen in seiner Aura und schleichende Missbilligung in diesen maskierten Augen, die Neji nicht sehen konnte. Doch er musste sie auch nicht sehen. Zumindest so viel konnte er in dem rätselhaften Ninja lesen. 

 

Neji schüttelte den Kopf. „Ich verstehe deine Besorgnis um sie, Shino, aber um ehrlich zu sein…das ist nicht mein Problem.“

 

„Du stiehlst meine Sprüche, Hyūga.“, erklang eine trügerisch träge Stimme direkt hinter ihm. 

 

Wie zur Hölle hat er es geschafft, mir so nah zu kommen?

 

Er hatte es nicht einmal bemerkt. 

 

Neji veränderte den Winkel seines Blickes ein winziges Stück und konzentrierte sich auf Shinos Brillengläser, um Shikamarus Reflexion in den Linsen zu erkennen. Mit der rechten Hüfte hatte sich der Nara gegen die Seite einer Bank gelehnt und verharrte in einer faulen lümmelnden Pose, die auf eine viel lockerer Stimmung schließen ließ, als die, die Neji sofort zwischen ihnen knistern spüren konnte. 

 

Verdammt.

 

Mit einer bemüht kontrollierten und ruhigen Miene zog sich Neji von Shino zurück und drehte leicht den Kopf ohne den Schattenninja anzusehen. „Wir sollten uns am Tor treffen, Nara.“

 

„Ja…zumindest das hat sich nicht geändert.“, erwiderte Shikamaru und gab sich keine Mühe, die Stacheln in seiner trägen Stimme zu verbergen. 

 

Neji weigerte sich, darauf zu reagieren, richtete seine Aufmerksamkeit noch einmal auf den Aburame und fragte abgehackt: „Was war die andere Sache, über die du mit mir sprechen wolltest?“

 

Shino musterte ihn für einen langen Augenblick mit mehr Verachtung als Nachdenklichkeit. Neji machte sich auf eine peinliche Stille gefasst, doch dankbarerweise unterbrach der Aburame die Pattsituation. Stattdessen griff Shino in seinen Kapuzenmantel und zog ein kleines Glas daraus hervor, das er auf den Tisch stellte. 

 

„Kikaichū Käfer“, erklärte er. „Zum Fährtenlesen, solltet ihr sie brauchen. Hinata oder Kiba können die Weibchen von den Männchen unterscheiden.“

 

Neji griff nach dem Glas. „Danke.“

 

Flüchtig nickte er Shino zu und bot sonst nichts an, bevor er sich für einen raschen Ausweg entschied und in einen angrenzenden Gang glitt, um Shikamaru auszuweichen. Rasch lief er zur Tür und ließ das Glas mit den Käfern in seiner Kordeltasche verschwinden, die er über der linken Schulter trug. Er konzentrierte sich darauf, einfach nur vorwärts zu schreiten und nicht zurückzusehen. 

 

Lauf einfach weiter.

 

Er trat auf die Straße hinaus und die feuchte Luft legte sich schwer auf seine Lungen. Der Regen hatte noch weiter nachgelassen und war nicht mehr als ein sanftes Nieseln – ganz anders als die wilden Schritte, die er spüren konnte, wie sie rasch zu ihm aufschlossen. 

 

Er wandte den Kopf und in seinen blassen Augen blitzte eine Warnung auf. „Spar dir den Atem, Nara!“

 

Shikamaru starrte ihn finster an, zuckte dann mit den Achseln und ließ ohne Vorwarnung seine Faust auf Nejis Gesicht zuschnellen; er legte sein ganzes Gewicht in den Schlag. Eine Nanosekunde vor dem Einschlag neigte Neji seinen Kopf zur Seite und spürte Knöchel an seiner scharfen Kieferlinie entlangschrammen. Beinahe hätte er es versäumt, den rückwärtigen Hieb von Shikamarus Ellbogen zu bemerken und konnte ihm gerade noch ausweichen. 

 

Beide sprangen einen Schritt zurück, was Neji einen Moment Zeit gab, die heftigen und gewaltbereiten Spannungen zu registrieren, die zwischen ihnen hin und her wogten. Sie zogen alles an die Oberfläche, was er in seine innersten Tiefen verbannt hatte und von dem er so sicher gewesen war, er könnte es kontrollieren. 

 

Ich werde das unter Kontrolle halten.

 

„Was zur Hölle machst du da?“, zischte Neji und seine Augen wanderten schnell umher, um den Nara auf die Öffentlichkeit dieser Situation aufmerksam zu machen. 

 

„Ich spare mir meinen Atem.“, konterte Shikamaru mit einem freudlosen Grinsen. „Missbrauchst Asuma als Bauern? Du bist wirklich ziemlich clever, Hyūga, das muss ich dir lassen.“

 

Offensichtlich hatte es keinen Ausweg aus der Unvermeidbarkeit gegeben, dass Shikamaru die Puzzleteile derart schnell zusammensetzen würde. Neji konnte nicht anders, als die Intelligenz des Nara im Moment etwas mehr zu hassen, als er sie bewunderte. 

 

Verdammt. 

 

Neji hielt seinen undurchdringlichen Abstand und ließ sich nicht zu irgendeinem Gesichtsausdruck herab, der eventuell zu einem Riss in seiner Defensive führen könnte. Shikamaru hatte es bereits geschafft, wie ein Schatten unter die erste Schicht zu gleiten und Neji wollte auf keinen Fall andeuten, dass es noch weitere Schwächen gab, die ausgenutzt werden konnten. 

 

Wir haben keine Zeit dafür.

 

Scharf machte Neji auf dem Absatz kehrt und verließ die Hauptstraße, um zumindest ein bisschen Privatsphäre zu haben. Shikamaru folgte ihm weniger eilig, doch mit nicht geringerer Verärgerung. 

 

„Ich habe getan, was nötig war.“, informierte Neji den Nara und hielt einige Schritte Distanz zwischen ihnen, als er sich endlich umwandte, um den anderen Ninja anzustarren. „Jetzt im Moment ist die Mission alles, was wichtig ist.“

 

Shikamaru schnaubte und lehnte sich gegen eine Wand. „Ich bin die Leute so leid, die mir sagen, was nötig ist, also warum spielst du nicht einen besseren Trumpf aus?“

 

„Das ist kein Spiel, Nara.“

 

„Nein, so wie es aussieht ist es nur ein ‚Spiel‘, wenn ich es kontrolliere, oder? Aber nicht, wenn du derjenige bist, der alle verfickten Steine in Position bringt.“

 

Nejis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Es war notwendig.“

 

„Du lästiger Bastard! Du hast es nicht mit mir abgesprochen!“

 

„Das musste ich auch nicht. Deine Strategie war fehlerhaft.“

 

„Warum? Weil sie dich für deinen Geschmack ein bisschen zu offen gelassen hat? Hast du Angst davor, mit zwei Leuten in einem Team zu sein, die deinen Bullshit möglicherweise durchschauen? Oder bist du wirklich ein derartiger Kontrollfreak, dass du nicht damit umgehen kannst, nur der Zweite in der Rangfolge zu sein?“

 

Nejis Lippen verzogen sich beinahe zu einem Knurren, bevor er sich gerade noch fangen konnte. Auf diese Worte zu reagieren wäre genau das, was Shikamaru wollte; also zur Hölle damit. 

 

„Finde deine Antworten, wann immer du willst, Nara.“, schnappte er zurück. „Aber jetzt haben wir keine Zeit dafür.“

 

„Du hast nicht erwartet, dass sich Shino wegen Hinata einschaltet, oder?“

 

Neji gab sich alle Mühe, einen heißen Ansturm von Zorn niederzukämpfen und weigerte sich zuzugeben, dass das hier nicht eines der Dinge war, die er erwartet hatte. „Was ich vorausgesehen habe, war ein erträgliches Risiko.“

 

„Und für deinen eigenen selbstsüchtigen Vorteil wird die ganze Strategie über Bord geworfen.“, knurrte Shikamaru. „Wenn du schon unbedingt das Sagen haben musst, dann informiere wenigstens die Leute, die deswegen ins Kreuzfeuer geraten. Hast du daran überhaupt gedacht?“ 

 

‚Denk nicht nach…‘

 

Neji zog sich selbst von der Erinnerung an diese heiser gesprochenen Worte zurück und schüttelte den Kopf, um die Umklammerung zu lösen, die sie um seinen Verstand gelegt hatten. 

 

Jetzt willst du also, dass ich nachdenke? Manche Dinge sind ‚keine Kopfsache‘, oder? Waren das nicht deine Worte?“, fauchte Neji in einem vernichtenden verbalen Schlag, der die Aura zwischen ihn traf. 

 

Scharf riss Shikamaru den Kopf zurück. „Das ist schwach von dir, Hyūga.“

 

Nejis Finger schlossen sich zu einer Faust, bevor er sie wieder ausstreckte und versuchte, seinen brodelnden Zorn zur Unterwerfung zu zwingen. Seine Brust spannte sich um die aufkochende Rage herum an; aufgebrachte, bittere Wut, ausgelöst durch den Gedanken, dass – wieder einmal – Shikamaru über diese Kontrolle verfügte, die er selbst auch einst besessen hatte. 

 

Er fühlte sich betrogen, als wäre ihm eine Rettungsleine entrissen worden. 

 

Nein.

 

„Ich werde es jetzt sehr einfach für dich formulieren, Nara, da ich sehe, dass wir uns auf einem niedrigen Niveau bewegen.“ Neji beugte sich etwas nach vorn, seine Augen waren hart. „Ich stehe im Rang über dir. Ist das simpel genug für dich?“

 

„Ich würde ja sagen“, murmelte Shikamaru und hob eine Braue „wenn ich nicht der Meinung wäre, dass du auf etwas anderes anspielst.“

 

Der Hyūga trat näher, bis sie Zehe an Zehe voreinander standen; das leise Schnurren in seiner Stimme trug nur zu der Drohung in seinen Worten bei. „Dann sag nein und ich werde es noch simpler für dich machen.“

 

„Wach auf.“, hauchte Shikamaru kopfschüttelnd zurück. „Du hattest deine Chance, mir das Genick zu brechen und du hast sie nicht ergriffen.“

 

Der Blick aus Nejis blassen Augen fiel hinunter zur Kehle des Schattenninja. Trotz des schwarzen Stoffes konnte er sich die Blutergüsse vorstellen, die die Haut des Naras zeichneten. Neji grinste bitter und seine Stimme fiel tiefer zu einem todbringenden Wispern. 

 

„Was für ein Glück für dich, dass ich nicht vorhabe, den Rest meines Lebens hinter Gittern zu verbringen, nur weil ich deines beendet habe.“

 

„Zu dumm“, erwiderte Shikamaru und sein Atem sorgte dafür, dass sich die Härchen in Nejis Nacken aufstellten. „Ist es nicht das, was du ohnehin schon tust?“

 

Obwohl er keine weitere Klarheit zu diesen Worten hören wollte, hob Neji eine Braue. Doch unglücklicherweise las Shikamaru die Frage auf seinem Gesicht und antwortete in einem Raunen.

 

„Wie du schon immer gewesen bist, nicht wahr?“, wisperte der Schattenninja. „Ein Vogel in einem Käfig, genau wie du gesagt hast.“

 

Ein quälendes Gefühl brach wie eine Wunde tief in Nejis Brust auf. In seinem Schock hätte er beinahe nicht bemerkt, dass er Schmerzen hatte, bis seine Rippen begannen, sich zusammenzuziehen und sich Atemlosigkeit wie eine Faust um ihn schloss. 

 

Wann habe ich das gesagt?

 

Neji legte die Stirn in Falten. „Das ist Jahre her…“

 

„Eigentlich eher nur zwei Monate“, korrigierte Shikamaru, doch es lag keinerlei Sarkasmus oder Bissigkeit in seiner Stimme. 

 

Der Schattenninja klang fast schon zu leise; es war die gefährliche Art stiller Worte, von der Neji niemals gewollt hatte, dass sie direkt an ihn gerichtet wurde. Sie kratzte an denselben scharfen Splittern in ihm, die Hinata mit ihren Worten damals auf der Lichtung berührt hatte; als sie seinen Vater erwähnt hatte. 

 

Opfer…Käfig…vor zwei Monaten…

 

„Das habe ich nie gesagt.“, fauchte Neji, seine Stimme ein heißer Ansturm der Verleugnung. 

 

„Doch das hast du. Du warst betrunken.“

 

Das Stirnrunzeln auf Nejis Gesicht fror ein, seine Augen zuckten ruhelos auf und ab, während sein Hirn nach dem trunkenhaften Ausrutscher suchte. Er konnte sich an kaum etwas aus dieser Nacht erinnern. Als er alle seine Sinne – und noch dazu heftige Kopfschmerzen – wiedererlangt hatte, war er am nächsten Morgen zügig vor dieser Nacht geflohen.

 

Auf keinen Fall hätte ich so etwas jemals gesagt…warum sollte ich? Das kann unmöglich wahr sein…

 

Doch warum fühlte es sich dann so an, als wäre er soeben ausgeweidet worden?

 

Ablehnung wäre der schnellste und effektivste Weg, um den Schmerz zu betäuben. Und so errichtete er diese Barriere aus falscher Überzeugung, die einst seine fatalistische Philosophie über Bestimmung und Schicksal geschützt hatte. 

 

„Das hätte ich niemals gesagt.“, presste er hervor. „Niemals!“

 

Langsam blinzelnd zog Shikamaru ein wenig den Kopf zurück, um Neji durch seine Wimpern hindurch anzusehen. Der Hyūga erwartete Sarkasmus oder Zorn und bereitete sich beinahe schon darauf vor, es als berechtigten Grund nutzen zu können, um das zu zertrümmern, was auch immer es war, das sich unruhig in ihm regte, wann immer Shikamaru ihm so gottverdammt nah war. 

 

„Schätze, dann lügt wohl einer von uns.“, sagte Shikamaru schließlich. 

 

Es war nicht die Antwort, die Neji gewollt hatte. Rasch zog er Luft durch die Nase ein und wich einen Schritt zurück, bevor sich ihre Atemzüge auf diese Weise ineinander verweben konnten, die dafür sorgte, dass er die Fähigkeit, überhaupt atmen zu können, vollständig verlor. 

 

„Als würde es eine Rolle spielen.“, schnappte Neji. „Was eine Rolle spielt, ist die Mission und sofern es das Ändern deiner Strategie betrifft, Shikamaru, dein verletzter Stolz interessiert mich nicht.“

 

Stolz?“, Shikamaru spie das Wort aus und ein Aufflammen ungläubiger Frustration brannte in seinen Augen, bevor die Hitze abrupt erstarb und nichts weiter als einen hohlen Blick zurückließ. „Du denkst wirklich, dass Stolz der Grund dafür ist, dass ich angepisst bin?“

 

Stille. 

 

Niemand würde in diesem Augenblick nachgeben. Ihre sinnbildlichen Hörner hatten sich ineinander verhakt und sie beide gruben ihre Ballen tief in den Boden, um nicht zurückzuweichen. Zumindest überzeugte sich Neji selbst davon, dass es so zwischen ihnen war…und die Illusion war perfekt, logisch und absolut glaubwürdig. Zumindest, bis Shikamaru etwas tat, dass das alles nur unglaublich kompliziert machte. 

 

Der Bastard lächelte.

 

Seine Lippen bogen sich in einer sanften Kurve nach oben. 

 

Und diese sanfte Kurve drang geradewegs durch Nejis Defensive – ein scharfer, brutaler Stich. 

 

‚Lass mich ein…‘

 

Der Stich hinterließ eine Wunde der Leere in seinem Inneren. Er hatte kaum Zeit, den angerichteten Schaden zu kaschieren, bevor Shikamaru den Kopf schüttelte und eine ironische und allzu vertraute Warnung raunte. 

 

„Vorsicht, Hyūga.“

 

Neji wusste sofort, was das bedeutete, doch es dauerte einen Moment, bis er sich erholt hatte und antworten konnte. Und dann tauchte ein orangener Blitz an der Peripherie seines Sichtfeldes auf, bevor eine heisere Stimme losbrüllte.

 

„Hey! Endlich habe ich euch gefunden!“

 

Neji blinzelte und wandte Naruto einen gelassenen und leicht versteinerten Blick zu, als der Uzumaki zu ihnen herüber sprang. „Naruto.“

 

„Warum zur Hölle braucht ihr so ewig?“, plärrte der Jinchūriki und schüttelte sich Wasser aus den Haaren, bevor er zu Shikamaru hinüber schielte. „Und he, was soll dieser Blick? Dauernd schaust du mich so böse an, wenn Neji bei dir ist und ich dazu komme! Was? Plant ihr beide die Weltherrschaft oder sowas?“

 

Neji hob eine Braue, reagierte sonst aber nicht, während sich Shikamaru für den flachen und belästigten Gesichtsausdruck entschied, der für ihn so natürlich war wie atmen. 

 

„Du bist immer noch laut…“, sagte der Nara gedehnt. „Und es ist immer noch früh.“

 

„Na dann wach endlich mal richtig auf, Faulpelz.“ Naruto verzog das Gesicht und beugte sich viel zu nah Shikamaru entgegen, um in dessen halb geschlossene Augen blicken zu können. „Bist du krank?“

 

„Nicht mal annähernd.“ Shikamaru lehnte sich auf den Fersen zurück. „Lass das.“

 

„Im Ernst, du siehst irgendwie…“

 

„Naruto, sind die anderen bereit zum Aufbruch?“, unterbrach Neji den energiegeladenen Ninja. 

 

„Jo, wir warten alle nur auf euch beide.“, meckerte Naruto augenrollend, bevor er seinen Kopf zurückzog. „Pff! Ihr seid mir zwei tolle Teamführer.“

 

Neji tauschte einen raschen Blick mit Shikamaru aus. 

 

Doch der Nara zuckte nur mit den Schultern und drehte sich bereits, um neben Naruto herzulaufen, eingehüllt in den Komfort seiner gelassenen Haut, die er sich erneut übergestreift hatte…die in völligem Kontrast zu dem Feuer und den Schatten stand, die noch wenige Momente zuvor in seinen Augen gestanden hatten. 

 

Dieser Chamäleon-Akt täuschte Neji nicht. 

 

Doch auf der anderen Seite wusste Neji, dass sich Shikamaru genauso wenig von ihm täuschen ließ.

 

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Uiuiui nach dieser Intimität jetzt absolute Spannung...habt ihr das schon erwartet, oder seid ihr eher geschockt? ;) Egal wie, ich hoffe auf jeden Fall, dass euch das neue Kapitel gefallen hat!

Nach einer winzigen Pause geht es also weiter mit ShikaNeji! Ich habe diese Tage aber auch irgendwie wirklich gebraucht, um ein wenig den kreativen Burnout auf Abstand zu halten. Dabei haben mir auch soooo sehr alle eure unglaublich unterstützenden Worte geholfen, vielen vielen Dank, ich kann gar nicht beschreiben, wie viel mir jedes einzelne bedeutet!

He'd never trust you again

Zehn Stunden…

 

Shikamaru seufzte. 

 

Es kam ihm vor, als würden sie schon deutlich länger laufen. Naja, zumindest er und Hinata liefen. Naruto und Lee wechselten ständig zwischen einem Sprinten und Joggen, einem Hüpfen und einem Springen. Lee hatte sogar damit angefangen, auf den Händen zu laufen, nachdem er irgendeine dumme Wette gegen Naruto verloren hatte. Offenbar war er sehr darauf bedacht, seinem Trainingsanzugtragenden Sensei nachzueifern, indem er die letzten Kilometer auf den Händen zurücklegte. 

 

Shikamaru warf einen Blick über die Schulter zu dem grüngekleideten Ninja. 

 

Lee sah einfach lächerlich aus; wie ein Schlangenmensch, der versuchte, einen Skorpion zu imitieren, indem er auf den Händen lief und die Beine über den Kopf gebogen hatte, um die Balance zu halten. Fasziniert starrte Naruto ihn an und schien dabei zwischen Bewunderung und Belustigung über diese verrückte Vorführung hin und her gerissen. 

 

Nejis Worte durchzuckten kurz Shikamarus Verstand. 

 

‚Mit so einer Idiotie kann ich nicht mithalten.‘

 

Jo, deswegen hast du sie auch beide in mein Team abgeschoben, du hinterhältiger Bastard…

 

Doch Hinatas sanfte Stimme an seiner Schulter zog ihn von seinen mürrischen Gedanken fort. 

 

„Solltest du nicht…uhm, irgendwas dazu sagen, Shikamaru-kun?“, fragte sie und beobachtete den kopfüber laufenden Ninja besorgt. 

 

„Wahrscheinlich.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und hielt seinen gemächlichen Schritt bei. 

 

Er hatte bereits die Entfernung und Dauer ihres Weges kalkuliert; und auch Verzögerungen mit einberechnet. Sie lagen gut in der Zeit, vorausgesetzt Lee konnte weiterhin mithalten. Aber gemessen an der lächerlich hohen Willenskraft, über die der Ninja mit den buschigen Augenbrauen verfügte, schien das kein Problem zu sein. Im Grunde konnte es nicht einmal als wirkliches Problem angesehen werden, wenn man es mit dem massiven lästigen Chaos verglich, in dem sich Shikamarus Kopf befand. 

 

Verdammt.

 

Mit diesem Geisteszustand war es schon schwierig, nur eine Strategie neu zu überarbeiten.  Doch zwei Strategien neu auszuarbeiten und irgendwie nahtlos miteinander zu verbinden war beinahe unmöglich. Nicht nur deswegen, weil er immer noch viel zu angepisst war, um klar denken zu können, sondern auch, weil er den ersten Plan mit Neji besprechen musste. Es war eine weitere unvermeidbare Konfrontation; und sollte er es nicht schaffen, seinen Zorn bis dahin im Zaum halten zu können, befürchtete er, dass vermutlich am Ende einer von ihnen durch die Hände des anderen stranguliert werden würde.  

 

Wie lästig…

 

Für einen kurzen Moment wurde seine Aufmerksamkeit durch Narutos überraschtes Quäken abgelenkt, als Lee sich fachmännisch eine kieselsteinübersäte Steigung hinauf manövrierte.

 

„Mann, buschige Augenbraue, ist das nicht tödlich für deine Hände?“ Naruto verzog das Gesicht und lief neben dem auf den Kopf gestellten Ninja her. 

 

Lee schüttelte den Kopf, was ihn allerdings beinahe die Balance kostete. „Wenn ich es nicht schaffe, den nächsten Kilometer auf den Händen zu laufen, dann gehe ich die nächsten zwei komplett auf den Knien!“

 

„Wäre das nicht einfacher?“, grinste Naruto. 

 

Beschämt wandte Lee sein rotes Gesicht dem Uzumaki zu. „Du hast recht. Dann gehe ich eben die nächsten vier Kilomater auf…“

 

„Deinem Arsch, wenn du jetzt nicht sofort aufhörst“, murrte Shikamaru und warf über die Schulter einen finsteren Blick zu den beiden. „Und das wird auf lange Sicht gesehen nicht einfacher sein.“

 

„Whoa, ist das überhaupt möglich?“ Naruto hielt inne, um auf seine Kehrseite zu linsen und schob den Hintern raus, während er versuchte, sich diese Fortbewegungsmethode vorzustellen.

 

„Idiot.“, seufzte Shikamaru.

 

Hinata errötete neben ihm und wandte ihre lavendelfarbenen Augen von Naruto ab. Sie strich sich ihr schwarzes Haar auf eine nervöse Weise hinter ein Ohr, bei der sich Shikamaru fragte, ob er sie ‚versehentlich‘ dem Uzumaki Großmaul entgegen schubsen sollte; einfach nur um die Dinge ein wenig durcheinander zu bringen. Doch er beschloss rasch, dass es ihn nicht scherte.

 

„Hey Shikamaru? Wie weit ist es noch?“, rief Naruto.

 

Viel zu weit, wahrscheinlich…

 

Shikamaru zog eine Karte aus einer Tasche seiner Flakjacke und entfaltete das Papier, um sie zu studieren, ohne in seinen Schritten innezuhalten. Er schätzte, dass sie noch eine halbe Stunde länger unterwegs sein würden; vorausgesetzt, es kam zu keinen Komplikationen. 

 

„Nicht mehr weit. Wir werden uns bald mit Nejis Team treffen.“

 

Deutlich hörte er, wie Naruto seufzend mit dem Fuß über den staubigen Weg kickte.

 

„Warum müssen die anderen überhaupt voran gehen?“, grummelte der Uzumaki.

 

„Das habe ich dir bereits vorhin gesagt. Sie sind das Aufklärungs- und wir das Reserveteam.“ Schnaubend schob Shikamaru die Karte zurück in seine Jacke. „Was im Klartext bedeutet, dass wir keinen verrückten oder nervigen Mist veranstalten, verstanden?“

 

„Jaja.“

 

Shikamaru setzte wenig Vertrauen in diese Antwort. Er wusste nur zu gut, dass Naruto an eine Art Leine legen zu wollen dem Versuch gleichkam, einen Zyklon festzuhalten. Der Uzumaki war ein Wirbelwind, der niemals aufhörte sich zu drehen, selbst wenn er  gelegentlich etwas langsamer wurde. Doch Shikamaru wollte einfach nur in einem entspannten und vorhersehbaren Tempo voran kommen.

 

Keine Scherereien, kein Stress.

 

Verdammt nochmal, Hyūga…

 

Natürlich hatte Neji dafür gesorgt, dass Naruto dem Verstärkungsteam zugeteilt worden war; ein cleverer Zug vonseiten des Hyūga. Er hatte die laute, unvorhersehbare und unkontrollierbare Figur geschickt Shikamaru zugeschoben, während er den wichtigsten Spieler, den der Nara gebraucht hätte, für sich behielt. 

 

Sakura.

 

Der Schattenninja biss die Zähne aufeinander und sein Verstand drehte sich einzig und allein um seinen ruinierten Plan. Er hatte alles an Ort und Stelle und jede der benötigten Personen auf der richtigen Position gehabt. Sakura, Hinata, sich selbst und Neji; das war der Plan gewesen und er wusste, dass er funktioniert hätte. Vor allem deswegen, weil es nicht wirklich eine andere Wahl gab, als dass die Strategie aufging. 

 

Immerhin war das die Abmachung.

 

Mal davon abgesehen, dass Tsunade jetzt auf einmal Nejis Strategie in die Hände gespielt hatte. Und egal wie sehr sich Shikamaru davon zu überzeugen versuchte, dass ihr in dieser Angelegenheit die Hände gebunden waren, es trug nichts dazu bei, die Frustration in ihm zu lindern. Sie drängte sich bis in seine Schritte und er bemerkte erst, dass er das gemächliche Tempo der Gruppe beschleunigt hatte, als ihn jemand am Ellbogen berührte.

 

„Hmn?“ Shikamaru drehte den Kopf und spähte in ein Paar weicher lavendelfarbener Augen. „Ist alles ok?“

 

„Ich wollte…uhm…dich gerade dasselbe fragen, Shikamaru-kun.“, erwiderte Hinata.

 

Mist.

 

„Jo, ich bin nur gerade ein bisschen am Kalkulieren.“ Der Nara schürzte die Lippen und seine Füße verfielen in einen stetigeren Rhythmus, als er sie zu einem weniger hastigen Tempo zwang.

 

„Shikamaru-kun?“

 

„Jo?“

 

„Ich…“ Hinata zögerte und kurz spähte sie prüfend über die Schulter. 

 

Stirnrunzelnd folgte Shikamaru ihrem Blick zu Naruto und Lee, bevor er sich wieder der Hyūga zuwandte. Sie beäugte ihn, als wäre sie wegen etwas zwiegespalten; es wirkte beinahe entschuldigend. Doch seltsamerweise bot ihm genau das eine Gelegenheit, von der er wusste, dass er sie früher oder später ergreifen musste. 

 

Es ist doch keine Zeit so toll wie die beschissene Gegenwart…

 

„Naruto, Lee!“ Shikamaru blieb stehen. „Hinata hat irgendwelche Aktivitäten vor uns im Wald bemerkt.“

 

Geflissentlich ignorierte er Hinatas weitäugiges Blinzeln und vertraute darauf, dass sie ihre Überraschung besser zu verbergen wusste als die Röte, die sich immer auf ihre Wangen schlich, wenn sie Naruto ansah. Die anderen beiden Ninja hatten bei seinen Worten sofort innegehalten; Lee erstarrte auf eine alberne Art in einem Handstand, während Naruto offenbar seine Aufregung unter Kontrolle zu halten versuchte, da ihn möglicherweise etwas Spannendes erwartete.

 

„Ihr beide müsst das bitte überprüfen.“, fuhr Shikamaru fort und drehte sich träge zu den beiden um. 

 

Narutos Augen blitzten auf und Vorfreude verzog seine eben noch schmollenden Lippen zu einem weiten Grinsen. 

 

„Alles klar!“ Der Uzumaki streckte in seiner üblichen Manier einen Daumen nach oben, während Lee zurück auf die Füße sprang. 

 

„Ja, überlass das nur uns, Shikamaru-kun.“, rief der grüngekleidete Ninja salutierend. 

 

„Bleibt einfach nur in den Baumkronen und berichtet mir dann, was ihr gefunden habt.“, erwiderte Shikamaru. „Und geht nicht zu weit weg. Hinata und ich kümmern uns um das, was sich auf Bodenlevel abspielt.“

 

„Sind schon weg!“ Mit einem Daumen rieb sich Naruto unter seinem Kinn und grinste noch breiter. 

 

Shikamaru lächelte schmal und beobachtete, wie der Uzumaki mit Lee auf den Fersen in das herbstverfärbte Blätterdach sprang und verschwand. Gemessen an dem Enthusiasmus der beiden wusste der Nara, dass es nicht lange dauern würde, bis Lee und Naruto zurück wären. Das bedeutete, dass ihm vermutlich gerade genug Zeit blieb, diese lästige Frage zu stellen.

 

„Also“, begann er und drehte sich zu Hinata um. „Was ist los?“

 

Die Hyūga wandte den Blick von den Bäumen ab. „Du hast mir nie gesagt…was du entschieden hast.“

 

„Was ich entschieden habe…“, echote Shikamaru und formulierte es absichtlich nicht als Frage, da er an der Besorgnis in ihrer Stimme erkennen konnte, dass sie sich auch so näher erklären würde.

 

Doch er kannte ihre Antwort bereits.

 

„Neji.“, sagte Hinata.

 

Schnaubend knickte Shikamaru die Hüfte ein und rieb mit den Fingern über die Falten auf seiner Stirn. „Dein Cousin ist ein deutlich lästigeres Ärgernis als ich je für möglich gehalten oder erwartet hätte.“

 

Hinatas Wimpern hoben sich und sie bedachte ihn mit einem sanften traurigen Blick. 

 

Ah fuck…Warum muss sie immer diese Sache mit ihren Augen machen…

 

Doch egal, wie sehr er es versuchte, er konnte ihr deswegen nicht böse sein; denn Hinatas Ausdruck trug eine Entschuldigung in sich, die sie nicht anbieten sollte, wenn man ihre Beweggründe bedachte. Die Sache mit Neji kümmerte sie, trotz all der Gefahr, die es bedeuten konnte. Sie legte ihr Herz so unbedacht in ihre Handlungen und noch dazu hatte sie ihre Hoffnungen in ihn gesetzt. Und völlig egal, wie sehr Shikamaru das nervte, beleidigt konnte er deswegen nicht sein. Vermutlich hätte er sich schuldig gefühlt, wenn er Neji nicht immer noch den Hals umdrehen wollte. 

 

Leise seufzte der Nara. „Ich habe es dir nie gesagt, denn zu dem Zeitpunkt, als ich mich entschieden habe, war es umso besser je weniger du darüber weißt. Im Grunde trifft das auch jetzt noch zu.“

 

Hinata runzelte die Stirn, doch ihre schüchterne Natur verbot ihr einen finsteren Blick; auch wenn sich das sanfte Zittern in ihrer Stimme zu dem seltenen selbstbewussten Ton glättete, mit dem sie ihn schon einmal angesprochen hatte. 

 

„Ich bin nicht wehrlos.“ Sie straffte die Schultern. „Ich will helfen.“

 

Shikamaru nickte. „Das weiß ich. Aber ich habe einen Handel geschlossen…und es ist nicht die Art Vereinbarung, von der du wollen würdest, dass Neji von deiner willentlichen Beteiligung daran weiß, verstanden?“

 

Hinata legte den Kopf schief, doch Shikamaru verriet nichts an ihre scharfsinnigen Augen. Er wusste nur zu gut, dass sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, doch er hielt seine Miene ausdruckslos und müde, während er seine Gedanken und Sorgen in eine Ecke seines Verstandes drängte, um sich später mit ihnen zu beschäftigen. 

 

„Willentliche Beteiligung?“ Entschlossen trat Hinata einen Schritt vor und die Sanftheit in ihren Zügen verhärtete sich ein wenig. „Aber genau das ist der Fall. Ich will helfen, Shikamaru-kun!“

 

Kopfschüttelnd wich Shikamaru ein Stück zurück. „Ich weiß; und ich hatte auch geplant, diesbezüglich auf dich zurückzukommen, aber indirekt.“

 

„Dann erzähl mir wenigstens von dieser…Vereinbarung.“ Hinatas blasse Finger ballten sich zu einer kleinen Faust. „Ich habe es nicht nötig, beschützt zu werden.“

 

Beinahe hätten diese Worte Shikamaru zum Schmunzeln gebracht. 

 

Und hier ist er wieder…der Hyūga Stolz. 

 

„Ich weiß, dass du helfen willst, aber das muss auf eine umständlichere Art passieren. Was bedeutet, dass du nicht so viel wissen darfst wie ich.“ Shikamarus Blick fiel zu ihrer Schulter. „Es muss so sein.“

 

„Aber warum?“ Purer Frust ließ Hinatas Stimme bei dem letzten Wort beben. 

 

Shikamaru öffnete die Lippen, um ihr zu antworten – doch er blieb stumm. Denn auf einen Schlag bohrte sich die Erkenntnis darüber, warum es nötig war, wie ein Dolch in seine Magengegend. Und um alles noch schlimmer zu machen, sank das Unbehagen durch das Wissen, dass ihn dieses Verständnis plötzlich störte, noch tiefer in ihn. Es hatte ihn nicht gestört, als er die Vereinbarung getroffen hatte. 

 

Reiß dich zusammen!

 

Es hatte damals keine Rolle gespielt und es sollte auch jetzt keine Rolle spielen.

 

Objektive Beurteilung…das ist es, was jetzt nötig ist…

 

Shikamaru gab keine Erwiderung auf den verletzten Blick aus Hinatas Augen oder die Besorgnis auf ihrem Gesicht. Stattdessen machte er einfach auf dem Absatz kehrt und begann wieder zu laufen. Er musste sich weiter vorwärts bewegen. Still stehen zu bleiben würde nur dazu führen, dass er seine eigenen Pläne auseinanderpflückte…und schlimmer…es würde ihn dazu bringen, seine Beweggründe zu hinterfragen. 

 

Bis zurück zu dem Moment, an dem er noch nicht einmal daran gedacht hatte, das hier überhaupt zu tun. 

 

Auf keinen Fall darf ich jetzt damit anfangen.

 

„Shikamaru-kun!“ Hinata holte zu ihm auf und packte ihn vorsichtig am Ellbogen. „Bitte…schließ mich nicht einfach aus…“

 

Shikamaru schüttelte nur den Kopf. „Hinata…“

 

„Vertraust du mir nicht?“

 

Hör einfach auf…

 

Shikamaru seufzte und an seinem Kiefer zuckte ein Muskel. „Das ist es nicht.“

 

Doch Hinata bohrte weiter. „Dann…dann sag mir, warum du es mir nicht sagst.“

 

„Je weniger du weißt, desto besser.“ Energisch schritt er weiter aus, doch sie ließ sich nicht abschütteln. 

 

„Warum?“, verlangte sie zu wissen und erneut streckten sich ihre Finger nach seinem Arm aus. „Sag mir, warumdu…“

 

„Verdammt nochmal!“, schnappte Shikamaru und wirbelte scharf genug herum, dass Hinata einen Schritt zurück schreckte. „Schön, ich werde dir sagen, warum.“

 

„Shik…“ Hinatas Stimme brach ab, als er sich direkt vor ihr aufbaute. 

 

Als er zu sprechen begann, waren seine Worte heftig, aber leise. „Sollte Neji auch nur für einen einzigen Augenblick denken, dass du direkt an dem beteiligt warst, was ich geplant habe, dann kannst du die Fortschritte, die du in den letzten drei Jahren mit ihm gemacht hast, in die Tonne treten!“

 

Shikamaru hielt ihren Blick und in seinen Augen blitzte eine untypische Wildheit.

 

Mit leicht geöffneten Lippen starrte Hinata ihn an, doch kein Laut entwich ihrem Mund. 

 

Kopfschüttelnd zügelte er seinen zornigen Tonfall und seine Stimme fiel zu einem Murmeln. 

 

„Weil es nicht die geringste Chance gibt, dass er dir dann jemals wieder vertrauen würde – darum!

 

In dem Moment, indem die Worte seine Lippen verlassen hatten, spürte Shikamaru, wie sich der Messergleiche Stich noch tiefer und noch schmerzhafter in ihn bohrte. Sofort zwang er sich, ihn zu ignorieren und konzentrierte sich auf den geschockten und verunsicherten Ausdruck auf Hinatas Gesicht. Doch viel zu schnell wich ihre Miene etwas Sanfterem. 

 

„Shikamaru…“

 

„Es ist das Risiko nicht wert, Hinata.“, argumentierte er. „Nach all diesen Scherereien mit eurem Clan bist du viel zu weit in deiner Beziehung zu Neji gekommen. Wir haben nur ätzende Optionen, um mit dieser Sache hier umzugehen…aber so ist es nunmal. Du hast es nicht verdient, sein Vertrauen deswegen zu verlieren.“

 

„Genauso wenig wie du.“, erwiderte Hinata und ihre blasslilanen Iriden schimmerten mit einer tiefen Traurigkeit; einer wissenden Art von Traurigkeit. 

 

Scheiße…

 

Shikamaru musste einen Schritt vor ihr zurücktreten; musste Abstand zwischen sich und dem bringen, was diese Augen auszulösen drohten. Er konnte es sich nicht leisten, so zu denken. Aufmerksam studierte er die Umgebung und schüttelte den Kopf, während er versuchte, die Spannung aus seinem Nacken zu reiben, bevor seine Hand wieder an seine Seite fiel. 

 

„Pass auf, ich tue nur, was ich tun muss, ok? Ich habe eine Vereinbarung getroffen.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und mied Hinatas Blick. „Das ist alles, was eine Rolle spielt. Es ist nichts Persönliches für mich, nicht so wie bei dir. Im Grunde betrifft es mich überhaupt nicht.“

 

Er bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Hinata auf seine Worte den Kopf schüttelte und sich ihm vorsichtig näherte. 

 

„Shikamaru-kun…“

 

In einer fließenden Bewegung wich Shikamaru vor ihr zurück und ließ es aussehen, als würde er einfach nur weiter schlendern, während er seine nächsten Worte über die Schulter rollen ließ. 

 

„Ich muss meine Strategie neu überarbeiten, aber ich muss auch wissen, dass du sie nicht in Frage stellen wirst. Vertrau mir einfach und tu, was ich sage, wenn es soweit ist, etwas wegen Neji zu unternehmen. Kannst du das?“ 

 

„Ja.“ Kein Zögern – und dankbarerweise keine weiteren Fragen. 

 

Shikamaru lief weiter und sah weder zurück noch zu Hinata, als sie zu ihm aufholte und wortlos mit ihm Schritt hielt. Sie bewegten sich schweigend und ihre Schatten schmolzen dahin, als der Wald um sie herum dunkler wurde und der frühe Abend nach und nach sämtliches Licht schluckte. Gut. Shikamaru hatte kein Problem mit Dunkelheit; sie würde ihm nur helfen, diese nagende Verwirrung zu kaschieren, die darum kämpfte, die Kontrolle über seine Züge zu übernehmen. 

 

Scheiße…lass mich das alles einfach ausschlafen…

 

Für einen Moment gestattete er sich, diesem Gedanken nachzuhängen, bevor einem Leuchtfeuer gleich ein vertrautes Grinsen und gelbes Haar auf dem Weg vor ihm aufblitzten. 

 

„Die Luft ist rein!“, plärrte Naruto und formte mit den Händen einen Trichter vor dem Mund, um seine Stimme zu verstärken. Es war total unnötig.

 

Doch Shikamaru hatte nicht die Energie, überhaupt darauf zu antworten. Ohne Vorwarnung brach Lee mit einem Hechtsprung aus den Baumkronen, kam mit einer flüssigen Rolle auf dem Boden auf und stieß sich anschließend so mit den Füßen ab, dass er erneut kopfüber auf seinen Händen landete, um seine lächerliche Fortbewegungsart wieder aufzunehmen. 

 

„Keinerlei Feinde in Sicht!“, bestätigte Lee und vollführte einen beeindruckenden einarmigen Handstand, um mit seiner freien Hand zu salutieren.

 

„Gut zu wissen.“ Kopfschüttelnd trottete Shikamaru weiter und nutzte die Gelegenheit für ein wenig Humor. „Wenn du dich selbst verletzt, trägt dich Naruto.“
 

„Ja klar!“ Naruto zog eine finstere Miene und verschränkte mit einem Schnauben die Arme hinter dem Kopf, bevor er die Augen zu Schlitzen verengte. „Ich möchte wetten, dass ich dann auch deine abgelaufenen Ramen Gutscheine bekomme, huh? Dir ist klar, dass das echt mies war, Shikamaru?!“

 

„Ich weiß.“, erwiderte der Nara nur schulterrollend und ließ seine Tasche hinunter zu seinem Ellbogen rutschen, bevor er in die Hocke ging. Mit einer Hand wühlte er durch seine Sachen, während er mit der anderen die Karte aus seiner Flakjacke zog. 

 

„Hinata?“, rief er und drehte den Kopf, als die Kunoichi zu ihm trat. „Kannst du die anderen ausfindig machen? Sie sollten inzwischen am Sammelpunkt sein.“

 

Die Hyūga nickte und aktivierte ihr Byakugan, während Shikamaru eine Wasserflasche aus der Tasche angelte und sich einen ordentlichen Schluck genehmigte. Inzwischen grummelte Naruto irgendetwas über Ramen und Lee hüpfte zurück auf seine Füße. In dem vergeblichen Versuch, die Müdigkeit zu verscheuchen, die ihm in die Augen kroch, spritzte sich der Nara etwas Wasser ins Gesicht.

 

Scheiße. Ich muss schlafen…

 

Er konnte seine Erleichterung kaum unterdrücken, als sich Hinata mit einem leichten Lächeln zu ihm umdrehte.

 

„Sie sind gerade dabei, das Lager aufzuschlagen. Akamaru und Kiba sind schon auf dem Weg zu uns.“

 

Shikamaru drehte den Deckel auf die Flasche und ließ sie in seiner Tasche verschwinden, bevor sie sich wieder über die Schulter schob und sich erhob. „Okay, dann lass uns die beiden mal auf halber Strecke treffen. Übernimm die Führung.“

 

Rasch verstaute Shikamaru die Karte wieder in seiner Jacke und folgte Hinata, nachdem er sich kurz vergewissert hatte, dass Lee und Naruto sich hinter ihnen einreihten. Sein Blick wanderte zurück zu der Hyūga; anmutig lief sie voran und führte sie weg von dem Pfad, dem sie gefolgt waren und tiefer hinein in das Dickicht des Waldes. Kurz darauf kam raschelnd etwas Weißes vor ihnen zwischen den Bäumen in Sicht; ein springender Akamaru. 

 

„Akamaru.“ Hinata streckte die Hand aus, als der Hund direkt auf sie zukam, den Kopf in ihre Handfläche kuschelte und in einem sanften Schwung mit dem Schwanz wedelte.

 

Shikamaru hob eine Braue wegen des liebevollen Verhaltens des Vierbeiners, bevor sich Akamaru ihm zuwandte, seine Flakweste mit einer feuchten Schnauze anstupste und ihn heftig in den Daumen zwickte.

 

„Hey!“, maulte Shikamaru und fragte sich, warum er immer derjenige war, der sich die finsteren Blicke des Schweins oder Hundebisse einfing. „Im Ernst, wofür war das denn jetzt?“

 

„Er spielt nur mit dir.“, lachte Kiba und ließ sich von einem Baum fallen, um in einer tiergleichen gebeugten Position zu landen, bevor er zu dem Nara hinauf grinste. „Außer, du versteckst schon wieder Zigaretten.“

 

„Willst du mich durchsuchen, Inuzuka?“, fragte Shikamaru flach und rollte mit den Augen, bevor prüfend seinen angeknabberten Daumen bewegte.

 

Kiba lachte nur und beobachtete stolz, wie Akamaru Naruto und Lee mit deutlich mehr Begeisterung begrüßte. Die buschige weiße Rute peitschte zärtlich gegen die beiden, während der Hund an ihren Handflächen schnüffelte. Dann richtete Kiba seine tiergleichen Augen auf Hinata und bedachte sie mit einem kurzen, kaum wahrnehmbaren Blick, um festzustellen, ob sie verletzt war. Shikamaru entging das nicht; in seinem Geist machte er sich eine Notiz über den Beschützerinstinkt, den sowohl Shino als auch Kiba gegenüber Hinata an den Tag legten. 

 

„Ihr liegt gut in der Zeit.“ Mit einem Daumen deutete Kiba über die Schulter in die Richtung, aus der er gekommen war. „Neji hat uns schon aufgetragen, das Lager aufzuschlagen. Ich hoffe, ihr habt Hunger.“

 

Wie aufs Stichwort ließ Narutos Magen ein orchestrales Grummeln hören. Schmunzelnd spähte Shikamaru über eine Schulter. 

 

„Wie schnell kannst du rennen, Naruto?“, grinste der Nara.
 

„Huh?“ Naruto blinzelte. „Wieso?“

 

„Habe mich nur gerade gefragt, ob du so schnell laufen kannst, wie Chōji isst.“

 

Narutos Augen weiteten sich und füllten sich beinahe mit Tränen, bevor er losspurtete. Wie ein oranger Blitz katapultierte er sich die Äste entlang, während er etwas unintelligentes vor sich hin plärrte, das mehr wie ein frustriertes Heulen klang. 

 

Für einen Moment sagte sonst niemand etwas. 

 

„Das ist eine bewundernswerte Geschwindigkeit.“, bemerkte Lee schließlich.

 

„Der Weg zu seinem Herzen führt ganz offensichtlich durch seinen Magen, huh?“ Kiba feixte und stieß Hinata mit dem Ellbogen an. „Behalt das im Hinterkopf.“

 

„Kiba!“ Hinata errötete heftig und beugte den Kopf nach vorn, um ihre Haare ihr Gesicht verdecken zu lassen, während der Hunde-Ninja lachte. 

 

Shikamaru schmunzelte, ersparte ihr aber noch mehr Peinlichkeiten. „Hat Neji irgendwas gesagt, wie lange er Pause machen will, Kiba?“

 

Der Inuzuka schüttelte den Kopf. „Er hat gesagt, ich soll dich fragen.“

 

„Wirklich rücksichtsvoll.“, murmelte Shikamaru. 

 

Kiba legte den Kopf synchron mit Akamaru schief. „Was war das?“

 

„Nichts. Lasst uns gehen.“

 
 

xXx
 

 
 

Essen. Schlafen. Strategie ausarbeiten.

 

Das war der Plan. Shikamaru hielt den Blick starr auf Akamaru gerichtet, der der Gruppe voran trottete und sie zum Sammelplatze führte. Sie hatten dafür eine kleine Lichtung auf der Karte ausgewählt, die gut gelegen und nahe genug an einer Wasserquelle war, ohne als Lagerplatz zu offensichtlich zu sein. Shikamaru hoffte inständig, dass Naruto gewusst hatte, wo er hin musste, als er einfach so davon gesprungen war. 

 

„Wir sind da.“, rief Kiba über die Schulter. 

 

Aufblickend bemerkte der Nara das flackernde Licht von Flammen durch das dichte Blattwerk vor ihm. 

 

Wenn Neji der Meinung war, dass es sicher genug ist, ein Feuer anzuzünden, sollten wir für die Nacht nichts befürchten müssen. Zwei Wachen zur selben Zeit sollten also ausreichen…nur für den Fall. 

 

Das ankommende Team trat auf die Lichtung und Shikamaru ließ den Blick kurz und prüfend darüber wandern. Vier Zelte waren aufgestellt und die Segeltuchplanen der Eingänge schwankten leicht in der Abendbrise mit. Im Zentrum des Lagers knisterte ein kleines Feuer und verbreitete einen Kranz aus pulsierendem Licht, der die Gestalten erhellte, die um die Flammen saßen. 

 

Essen. Schlafen.

 

„Oh komm schon!“, bellte eine rüpelhafte Stimme. 

 

Shikamaru hob eine Braue. Wild gestikulierend lieferte sich Naruto mit klackenden und aufeinanderprallenden Essstäbchen einen Miniaturkampf mit Chōji um einen Streifen ihres wohlrationierten Fleischvorrates. Geduldig legte derweil Sakura die Stücke auf den Rost eines provisorischen Dreibeins, das sie aufgebaut hatte. 

 

„Lasst das!“, meckerte sie und zielte mit einem Hieb auf Naruto, der zwar daneben ging, den Uzumaki allerdings den Sieg kostete – und das Essen. 

 

„Verdammt!“, maulte Naruto. 

 

Kopfschüttelnd näherte sich Shikamaru der Wärme des Feuers, während sich Hinata und Lee auf die andere Seite begaben. Rasch zählte er durch. Es waren alle da; außer Neji. 

 

Dachte ich mir.

 

Chōji lachte Naruto noch einen weiteren Moment aus, bevor er den Nara bemerkte und aufsah. Shikamaru erwiderte den Blick und lächelte seinen Freund nickend an, als er sich dem Akimichi gegenüber niederließ. 

 

„Bist du okay?“, fragte Chōji.

 

„Ich muss schlafen.” Shikamaru ließ die Tasche von seiner Schulter gleiten. „Wo ist Neji?“

 

„Er achtet nur darauf, dass wir sicher sind.“, erwiderte Sakura und beugte sich vor, um dem Schattenninja eine Essensration zu reichen. „Wir sollten bis morgen Abend ankommen, oder?“

 

„Das ist der Plan. Wir brauchen zwei Aussichtsposten, die Schichten wechseln alle paar Stunden.“ Shikamaru hielt inne, bevor er einen Blick in die Runde warf. „Wer will die erste Wache übernehmen?“

 

Naruto blinzelte eulenhaft und lehnte sich in dem Versuch zur Seite, sich hinter Hinatas Rücken zu verstecken. Sofort erstarrte die Kunoichi mit ihrem Bissen auf halbem Weg zu ihrem Mund. Ihre Augen weiteten sich und eine feine Röte kroch vom Hals hinauf in ihr Gesicht. Kiba blies die Backen auf, um sich davon abzuhalten, laut aufzulachen und presste sich eine Faust gegen die Lippen. 

 

„Hinata und Naruto.“, prustete er. 

 

„Kiba!“, quiekten Naruto und Hinata zur selben Zeit aus völlig verschiedenen Gründen. 

 

„Nachdem du als erster den Mund aufgemacht hast, solltest du vielleicht die erste Wache übernehmen.“, sagte Shikamaru gedehnt und das gepeinigte Stöhnen des Inuzuka ließ ihn grinsen. 

 

„Was denkst du darüber, Akamaru?“ Kiba wuschelte liebevoll durch das dichte Fell des Hundes, bevor er mit den Achseln zuckte. „Ja okay, was auch immer.“

 

„Schön, Kiba und Lee übernehmen die erste Schicht.“

 

Sofort reckte Lee grinsend einen Daumen in die Höhe. „Klar!“

 

„Naruto und Chōji die zweite und Sakura und Hinata die dritte.“ Shikamaru hob eine Hand, um Narutos Protest im Keim zu ersticken, als der Uzumaki ihn misstrauisch beäugte. „Neji und ich müssen die Strategie überarbeiten, was im Klartext bedeutet, dass ich weit weniger Schlaf bekommen werde als du, okay? Vermutlich werden wir noch vor Sonnenaufgang aufbrechen.“

 

Nach einem zustimmenden Nicken aller Anwesenden, wandte der Nara seine Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu und war zufrieden damit, dem spielerischen Geplänkel der anderen zu lauschen, ohne selbst ins Kreuzfeuer zu geraten. Das freundschaftliche Gemurmel löste ein wenig die Spannung in seinem Inneren und so blieb er einfach schweigend sitzen und beobachtete die Flammen, während sich der Rest der Gruppe unterhielt. Es dauerte nicht lange, bis sie alle ihre Mahlzeiten beendet hatten und der Essstäbchenkampf um den letzten Bissen entschieden war. In Bestätigung des Wacheplans begaben sich Kiba und Lee auf ihre Posten.

 

Während sich die beiden Frauen auf den Weg zu einem der Zelte machten, blieb Shikamaru am Feuer sitzen. Naruto war bereits an Ort und Stelle eingedöst und Chōji vertilgte seinen letzten hart umkämpften Fleischstreifen. Für einen Moment war es angenehm still und Shikamaru sah einfach nur weiterhin dem Tanz der Flammen zu, während das Holz im Feuer knisterte und knackte. Er bemerkte kaum, dass sich Chōji bewegte, bis sich sein Freund neben ihn setzte. 

 

„Ino war nicht gerade glücklich über den Teamwechsel.“, sagte der Akimichi leise nach einem Augenblick der Stille. 
 

Träge blinzelte Shikamaru und legte sein Kinn auf einer Handfläche ab. „Darauf möchte ich wetten. Sakura ist ihr damit wieder einmal eine Nasenlänge voraus, hm?“

 

„Ja.“, kicherte Chōji kopfschüttelnd. „Sie ist viel zu temperamentvoll wegen dieser Sache. Aber hey, hat Asuma-sensei dir von den Nijū Shōtai erzählt?“

 

Ohne das Haupt zu drehen, spähte Shikamaru zu Chōji hinüber. „Ino und du seid also auch dort hineingeraten, hm?“

 

„Nunja, Asuma-sensei hat uns empfohlen. Er wollte dasselbe bei dir machen…“ Der Akimichi schürzte die Lippen und seine Stirn legte sich in Falten. „Aber du warst bereits dafür angemeldet.“

 

Fuck…

 

Shikamaru richtete sich ein wenig auf; ihm war die Veränderung in Chōjis Tonfall nicht entgangen. „Ich weiß, dass ich es dir nicht erzählt habe. Ich wollte ja…ich war nur…sehr beschäftigt in letzter Zeit.“

 

„Ino war sauer, weil du nichts gesagt hast.“ Chōji schüttelte den Kopf. „Aber ich nicht.“

 

Shikamaru blinzelte und warf seinem Freund einen fragenden Blick zu; das hatte er nicht erwartet. 

 

Doch der Akimichi lächelte nur, immer noch kopfschüttelnd. „Ich weiß, dass du dafür deine Gründe hast, Shikamaru.“

 

Der Nara wandte sich ab und schloss die Augen, während eine Welle der Erleichterung die Spannung in seinem Gesicht löste. Niemals zuvor war er so dankbar für die Tatsache gewesen, dass Chōji ihn so gut kannte. Er war sich nicht sicher, ob er es schaffen würde, schon wieder jemandem etwas vormachen zu müssen; besonders seinem besten Freund. 

 

Du bist wirklich ein guter Kerl, Chōji.

 

„Jo, sowas in der Art.“ Shikamaru lächelte schwach und klopfte seinem Freund auf die Schulter, bevor er sich erhob. „Ruh dich ein bisschen aus, ok?“

 

Chōji nickte. „Du auch!“

 

„Darauf kannst du wetten.“ Der Nara kämpfte ein Gähnen zurück und trat über einen dösenden Naruto hinweg, bevor er den Uzumaki mit der Ferse ankickte. „Hey, schlaf hier nicht neben dem Feuer ein.“

 

„Eh?“, grummelte Naruto verschlafen. 

 

„Ich sagte, dein Haar brennt.“, log Shikamaru flach.
 

„WAS?“ Naruto setzte sich abrupt auf und wuschelte sich mit den Fingern manisch durch die gelben Spitzen seiner Haare. 

 

Lachend half Chōji dem Uzumaki auf die Beine, während Shikamaru seinen Weg zu einem der Zelte fortsetzte. 

 

Endlich. Schlafen.

 

Eine Hand packte ihn an der Schulter. 

 

Oh Mann, gönn mir `ne Pause…

 

„Shikamaru, hast du eine Minute?“ Naruto trat einen Schritt zurück; seine sonst so sonnige Miene wirkte beschattet. „Ich würde gerne kurz mit dir sprechen.“

 

Und ich würde gerne schlafen.

 

„Mann, du hast echt ein Talent für falsche Augenblicke.“, seufzte Shikamaru laut, hob eine Hand, um sich müde die Augen zu reiben und zog die Nase kraus. „Na schön, was gibt’s denn?“

 

Er hörte, wie Naruto ungeschickt das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. „Ich habe dir nie wirklich gedankt, weißt du.“

 

Was?

 

Stirnrunzelnd ließ Shikamaru seine Hand sinken. „Was?“

 

Naruto lächelte schwach und das energetische Funkeln in seinen blauen Augen klang zu etwas Ruhigerem ab. Shikamaru konnte nicht anders, als deswegen etwas nervös zu werden. 
 

„Wofür hast du mir nicht gedankt?“, forderte er zu wissen, während sein Verstand herauszufinden versuchte, auf was Naruto anspielte. 

 

„Naja…für deine Unterstützung denke ich.“ Naruto runzelte die Stirn und eine selten gesehene Ernsthaftigkeit schlich sich auf sein sonst lachendes Gesicht. „Mit Sasuke.“

 

Ah.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Kein Grund, mir deswegen zu danken.“

 

„Doch.“ Die Finger des Uzumakis ballten sich zu einer lockeren Faust. „Ich habe…ich habe in dieser Sache kaum Unterstützung…von Sakura abgesehen. Und es ist nicht einfach für mich, immer diese Blicke von Kakashi-sensei und Jiraiya-sama zu sehen…“

 

Shikamaru nickte ernst. Als wären Narutos Miene und sein Tonfall nicht schon genug gewesen, um seine Aufrichtigkeit deutlich zu machen, war die Nutzung von Jiraiyas Namen anstelle von ‚Kauziger Bergeremit‘ der endgültige Beweis dafür, dass er seine Worte ernst meinte. Nicht, dass es nötig gewesen wäre. Shikamaru hätte es allein durch einen Blick in das Gesicht des Uzumaki erkennen können. 

 

„Du hast mir immer den Rücken freigehalten, Shikamaru…du und die anderen. Völlig egal, wie hoch der Preis gewesen ist. Ihr habt damals euer Leben riskiert.“ Narutos Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln. „Ich weiß, dass du Sasuke nicht einmal leiden kannst.“

 

„Du hast recht, ich mag ihn nicht.“, erwiderte Shikamaru flach. „Habe ich noch nie.“

 

„Ja, aber du hilfst mir dennoch immer wieder.“ Naruto stierte hinunter auf seine Faust und atmete zitternd ein. „Denkst du, dass ich mir etwas vormache?“

 

Shikamarus Augen weiteten sich, bevor sich seine Züge erneut glätteten und seine Miene ausdruckslos zurückließ, während er über seine nächsten Worte nachdachte. 

 

„Ich denke, dass du tust, was du tun musst, Naruto.“

 

„Ja? Nun, ich kann einfach nicht aufgeben.“ Kopfschüttelnd schluckte Naruto. „Würde ich das tun, wäre es als…als würde ich den Leuten ins Gesicht spucken, die mir geholfen haben, als ich ein Kind war. Als ich in dieselbe Finsternis hätte abrutschen können, in der sich Sasuke jetzt befindet…Ich kann ihn nicht einfach so…dort zurücklassen.“

 

Für einen Moment musterte Shikamaru ihn schweigend, bevor er leise sagte: „Ich weiß.“

 

Und er wusste es wirklich; wünschte sich jedoch irgendwie auch, es wäre anders. Denn als er Naruto dabei beobachtete, wie er mit diesem Konflikt rang, erkannte er die klare Parallele zwischen dem, was Naruto sagte und was Hinata ihm vor Tagen über Neji erzählt hatte. 

 

‚Er braucht jemanden, der ihn aufhält…der ihn davon abhält, zurückzukehren…‘

 

Plötzlich wusste er, was er zu Naruto sagen sollte, denn zur selben Zeit, sagte er es zu sich selbst. 

 

„Du tust, was jeder Freund tun würde, Naruto.“ Der Nara ließ seinen Blick durch das Lager schweifen. „Du tust das, wovon du glaubst, dass es richtig ist und das ist Grund genug…komme was wolle.“

 

Naruto antwortete nicht sofort; er schien eine Art von Stärke aus diesen Worten ziehen zu können, bevor er schließlich nickte. 

 

„Danke, Shikamaru.“ Seine Miene erhellte sich wieder, als er lächelte. „Du hast recht.“

 

Achja?

 

Shikamaru erwiderte den Blick und gab sich Mühe, zurückzulächeln.

 

…das hoffe ich wirklich.

 
 

xXx
 

 
 

Kälte weckte ihn. 

 

Es war eine kühle Brise, die die Segeltuchklappe rascheln ließ, als sie zurückgezogen wurde und sich kurz darauf wieder schloss. Shikamaru versuchte es zu ignorieren, doch der Rauchgeruch des schwelenden Lagerfeuers wühlte ihn weiter auf und machte jeden Versuch zunichte, seinen Verstand wieder in traumlosen Schlaf abdriften zu lassen. Seine dunklen Augen öffneten sich einen Spalt breit und gewöhnten sich genug an die Dunkelheit, um vage eine Gestalt auszumachen, bevor er sie kopfschüttelnd wieder schloss. 

 

„Vergiss es!“ Mit einem Stöhnen rollte er sich auf die andere Seite. 

 

„Steh auf.“

 

„Verzieh dich.“

 

„Nara.“

 

„Wenn ich jetzt keinen Schlaf bekomme, werde ich während dieser Mission Narkolepsie entwickeln.“

 

„Soll das heißen, dass du bisher noch nicht daran leidest?“, raunte Neji trocken.

 

Shikamaru schnaubte, bewegte sich aber nicht einen Millimeter. „Witzig.“

 

„Wir müssen die Strategie dafür besprechen, wenn wir in Hanegakure sind.“

 

„Oh, also jetzt willst zusammenarbeiten?“, stieß Shikamaru hervor und packte seine Decke, um sie sich über den Kopf zu ziehen. „Weck mich in einer Stunde oder so, denn jetzt werde ich mich sicher nicht vom Fleck bewegen.“

 

Shikamaru bewegte sich, bevor er überhaupt wusste, was ihn getroffen und aufgeschreckt hatte. 

 

Einen Sekundenbruchteil später erkannte er, dass es eiskaltes Wasser war. 

 

„Was zur Hölle?“, krächzte Shikamaru abgehackt und sein Kopf zuckte von einer Seite zur anderen, um erfolglos in die Dunkelheit zu stieren; seine Augen suchten nach irgendwelchen Bewegungen. 

 

„‘Was auch immer funktioniert‘, erinnerst du dich?“, sagte Neji und Shikamaru hörte den dumpfen Aufprall seiner Wasserflasche, als der Hyūga sie wieder auf den Boden fallen ließ. „Jetzt steh auf.“

 

Der Nara schätzte die Richtung, aus der Nejis Stimme gekommen war und reagierte mit müdem Zorn. Mit einem Bein beschrieb er einen weiten Bogen, wissend, dass der Hyūga keine Chance hätte, hoch genug zu springen, ohne gegen das Dach des niedrigen Zeltes zu knallen. Der Schlag streifte den Jōnin, traf aber nicht. Trotzdem war es genug, um Shikamaru einen Eindruck davon zu vermitteln, wohin sich Neji zurückziehen müsste und so führte einen buchstäblich blinden Hieb in die Dunkelheit aus. 

 

Seine Faust traf hart im Käfig von Nejis Handfläche und Fingern auf. 

 

Hab ich dich.

 

„Nicht mal annähernd.“ Nejis Atem strich über seine Wange. 

 

„Nah genug“, erwiderte Shikamaru, hakte ein Bein um Nejis Knie und zog es ruckartig zurück. 

 

Der Klang, wie Neji scharf die Luft einzog, ließ ihn grinsen und er drehte sich, als der Hyūga auf ihn zu stolperte, sodass er sich über dem Jōnin befand, der unter ihm zu Boden ging. In der Dunkelheit war es unmöglich, den Ausdruck auf dem Gesicht des Hyūgas zu erkennen, doch Shikamaru konnte es sich vorstellen. Die Lippen in einem Knurren zurückgezogen und wütend blitzende opalhafte Augen.

 

„Kenne deine Umgebung, bevor du handelst, Hyūga.“

 

Shikamaru hatte nicht einmal Zeit für Schadenfreude, bevor ein heftiger ohrenbetäubender Schlag krachend auf seine Stirn traf und Schmerz in seinem Schädel explodierte. Er realisierte nicht, dass er auf den Rücken gedreht wurde, bis Nejis Stimme über ihm erscholl. 

 

„Kenne das Gemüt deines Gegners, bevor du ihn anpisst, Nara.“

 

Shikamaru war nicht einmal in der Lage zu antworten. Weiße Punkte zerplatzten und tanzten vor seinen Augen, ein schrilles Pfeifen rang in seinem Kopf und er wusste, dass er vermutlich doppelt sah. Zum Glück war es so dunkel. Jetzt zwei Hyūga zu sehen, würde nur dafür sorgen, dass er rotsah.

 

Er hob einen Handballen zu seiner Schläfe und presste mit einem schmerzerfüllten Stöhnen die Lider aufeinander. 

 

Deutlich konnte er spüren, wie sich Neji über ihm versteifte. 

 

„Nara?“

 

Shikamaru ignorierte das ungeduldige Schnappen seines Namens und ließ seine Fingerspitzen stattdessen zu seiner pochenden Stirn gleiten, um sie vorsichtig abzutasten. Als er die Hand zurückzog, waren seine Finger nass und klebrig von Blut.

 

Fuck.

 

„Shikamaru?“ Nejis Tonfall hatte sich komplett verändert. 

 

Energisch versuchte der Schattenninja, die tanzenden Punkte in seinem Blickfeld fortzublinzeln. Er spürte, wie Nejis Finger seinen Ellbogen berührten und seinen Arm entlang bis zum Handgelenk strichen; sanft aber bestimmt zog Neji Shikamarus Hand von dessen Kopf fort. Der Nara hätte die Stirn gerunzelt, wenn es nicht so verdammt weh getan hätte. 

 

Noch immer saß Neji wie versteinert auf ihm. „Verdammt nochmal, sag irgendwas.“

 

„Fick dich“, schaffte Shikamaru zu krächzen und hob seine Hand erneut zu seiner Stirn, um die Wunde zu befühlen. 

 

Doch Neji erreichte sie zuerst und seine Berührung ließ Shikamaru scharf zusammenzucken. 

 

„Du blutest…“

 

„Was du nicht sagst!“

 

„Halt still.“ Vorsichtig legte Neji eine Hand an Shikamarus Hinterkopf und neigte sich zur Seite, um in der Dunkelheit nach etwas zu tasten. 

 

Shikamaru versuchte, sich auf einen Ellbogen hochzustemmen, doch das schwindelerregende Pochen in seinem Kopf ließ ihn daran zweifeln, ob Bewegung eine gute Idee war. Vage spürte er, wie sich Nejis Finger an seinem Hinterkopf bewegten. 

 

„Ich sagte doch, du sollst stillhalten.“

 

Shikamaru öffnete die Lippen zu einer sarkastischen Erwiderung, doch das Aufflackern eines schummrigen Lichtes ließ ihn verstummen. Krampfhaft schloss er die Augen gegen die schwache Illumination, die ihm viel greller erschien, als sie vermutlich war. Das Rascheln von Bewegungen sagte ihm, dass Neji offenbar irgendetwas zurechtrückte; doch er machte sich nicht die Mühe, die Augen zu öffnen, um zu sehen, was es war. Hinter geschlossenen Lidern konnte er nur die Veränderungen des dämmrigen Lichtes ausmachen. 

 

„Guter Schlag…“, murmelte er trocken.

 

„Halt die Klappe.“, schnappte Neji, doch seine Berührung war sanft, als er die Wunde begutachtete. „Genau aus dem Grund solltest du dein Hitai-ate dort tragen, wo es eigentlich vorgesehen ist.“

 

Shikamaru öffnete einen Spalt breit die Augen und perplexer Unglaube wischte seinen Zorn fort. „Bitte sag mir, dass ich halluziniere…denn auf keinen Fall hast du gerade mir die Schuld hierfür in die Schuhe geschoben.“

 

„Sei einfach still.“ Neji runzelte die Stirn, sein Gesicht erschien Shikamaru in dem gedämpften Licht der Chakra Kugel, die an der Seite des Zeltes lag, endlich etwas deutlicher. 

 

Glücklicherweise sah er nicht doppelt, was jedoch nicht bedeutete, dass er die Dinge nicht ein wenig verschwommen wahrnahm. Doch nicht einmal das war genug, um die tiefe Sorgenfalte zwischen Nejis Brauen zu verbergen, die durch das weiche Licht der Kugel in ein scharfes Relief getaucht wurde. Schweigend musterte Shikamaru ihn durch halb geschlossene Lider und verzog das Gesicht, als der Hyūga seine Stirn mit etwas Kühlem und Feuchtem berührte. 

 

„Hör auf, die Stirn zu runzeln.“, mahnte Neji ruhig. „Du machst es nur schlimmer.“

 

„Ein bisschen spät, um besorgt zu sein, findest du nicht?“

 

Neji bedachte ihn nur mit einem harten und tadelnden Blick. Benommen starrte Shikamaru durch dichte Wimpern zurück; er hätte nicht erwartet, dass es Neji war, der sich zuerst abwandte. 

 

„Ich hatte nicht vor, dir weh zu tun.“

 

Aus irgendeinem Grund – den er schlicht und einfach einer Gehirnerschütterung zuschob – kicherte Shikamaru heiser. „Soll das heißen, dass du andere Absichten im Sinn hast, wenn du jemandem eine Kopfnuss verpasst?“

 

Seufzend drehte Neji den Oberkörper, um mit einer Hand durch seine braunschwarze Tasche zu wühlen, ohne die er normalerweise nie unterwegs war. „Kannst du dich aufsetzen?“

 

„Du bist über mir.“

 

Neji rutschte ein wenig zurück. „Richte dich langsam auf!“

 

Vorsichtig schob Shikamaru seine Ellbogen nach hinten und drückte langsam seinen Oberkörper nach oben. Das Zelt schien eine interessante Drehung und Neigung zu vollführen, was ihn dazu zwang, seine Augen gegen eine aufkeimende Übelkeit zu schließen.

 

Ugh…diesmal hat er es echt geschafft…

 

Eine kühle Berührung strich über die Wunde an seiner Stirn und prompt hob er wieder die Lider. Nejis Gesicht war dem seinen sehr nah und die Fingerspitzen des Hyūga verteilten vorsichtig eine Salbe auf der Verletzung. Logischerweise hätte er in diesem Moment eine Mordswut verspüren müssen, oder zumindest planen sollen, wie er einen anständigen Treffer landen konnte, wenn Neji ihm schon so nah war…doch stattdessen fand er sich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als Neji anzusehen…die Nähe zwischen ihnen löste ein Summen in seinen Venen aus.

 

Verdammt.

 

Neji war voll auf die Wunde fokussiert, seine blassen Iriden folgten den Bewegungen seiner Finger, während er die Salbe zaghaft verteilte. „Bis morgen sollte es halbwegs verheilt sein. Hinatas Heilsalben sind sehr effektiv. Fühlst du dich schlecht?“

 

„Eher…mörderisch…“ Shikamaru schloss erneut die Lider, viel zu müde, um etwas Sarkastischeres anbieten zu können. 

 

„Ich meine es ernst, ist dir übel?“

 

Shikamaru versuchte, nicht die Stirn zu runzeln, als er einen Arm hob, um Nejis Handgelenk zu packen und die Finger des Hyūga von seinem Gesicht fortzuziehen. „Geh einfach. Ich muss schlafen.“

 

Neji schüttelte ernst den Kopf. „Du kannst jetzt nicht schlafen.“

 

„Oh, versuche es nicht einmal!“, grummelte Shikamaru und machte sich daran, sich langsam wieder hinzulegen. 

 

Doch Neji packte ihn sanft an den Armen. „Ich meine es ernst!“

 

„Ich auch. Auf keinen Fall kann ich in diesem Zustand strategisch denken…scheiße, ich kann überhaupt nicht denken, Punkt!“

 

„Nein, das meinte ich nicht. Du hast vielleicht eine Gehirnerschütterung.“

 

Shikamaru fühlte sein Auge zucken, bevor er es leicht öffnete. „Was?“

 

„Du solltest nicht schlafen, wenn du eine Gehirnerschütterung hast.“, sagte Neji ruhig, als würde er mit einem minderbemittelten Kind sprechen. 

 

Ausdruckslos starrte Shikamaru ihn an. Er stellte sich vor, dass wenn er eine dramatischere Person wäre, ihn das Ganze hier vermutlich in einen Schlaganfall katapultiert hätte.

 

Essen. Schlafen. Strategie ausarbeiten.

 

Das war der Plan gewesen. 

 

Ein simpler, makelloser, unkomplizierter, narrensicherer Plan…total auf den Kopf gestellt. 

 

Shikamaru starrte Neji weiterhin an. 

 

Und dann, zur weitäugigen Überraschung des Hyūga, begann er zu lachen.

 

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Und die Mission geht los...und gleich geraten Shikamaru und Neji schon wieder aneinander :D Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat, auch wenn es vielleicht wieder ein paar Fragen mehr aufgeworfen hat?! ;) 

Vielen lieben Dank an alle Reviewer und Leser, ihr haltet meine Motivation wirklich unglaublich aufrecht! <3 

Auch hier würde ich mich wieder sehr über ein paar Worte freuen; Anregungen, Verbesserungsvorschläge, Fragen, ich freue mich über jedes Wort! <3

Human

An dieser Situation gab es absolut nichts Amüsantes. 

 

Als Shikamaru also aus dem Nichts heraus anfing zu lachen, musste Neji feststellen, dass er keine Ahnung hatte, wie er darauf reagieren sollte; und deshalb war das Erste, das seinen Mund verließ, nichts weiter als eine prägnante Feststellung des Offensichtlichen. 

 

„Das ist nicht witzig, Nara.“

 

Shikamaru kicherte tief aus der Kehle und seine eben noch halb geöffneten Augen schlossen sich. „Ich weiß.“

 

Stirnrunzelnd entschied sich Neji für Irritation statt peinlichem Schweigen. „Also warum lachst du dann?“

 

„Betäubt den Drang…dich umbringen zu wollen…“ Shikamarus Giggeln ernüchterte zu einem schmerzerfüllten Stöhnen, als er seine Stirn mit Daumen und Zeigefinger umklammerte. „Ah…Scheiße…“

 

Neji verstärkte den Griff seiner Hände um Shikamarus Arme und versuchte, das kriechende Unbehagen niederzukämpfen, das sich durch seine stoische Miene zu fressen drohte. Leicht neigte er den Kopf, um unter der Hand des Nara auf die Verletzung des Chūnin linsen zu können. Es war eine glatte Platzwunde. Hätte Neji etwas härter zugeschlagen, hätte der Hieb ein Schleudertrauma verursachen können; sofern das nicht ohnehin schon der Fall war. 

 

Verdammt.

 

Er hatte mit einem heißen und zornigen Impuls reagiert.

 

Unkontrolliert. Schwach.

 

Scharf schüttelte Neji den Kopf und räusperte sich. „Du scheinst zumindest halbwegs Herr deiner Sinne zu sein. Ich rate dir, diesen Zustand beizubehalten. Konzentrier dich darauf, wach zu bleiben.“

 

Es dauerte eine Weile, bis Shikamaru antwortete, sein Gesicht war hinter der Hand schmerzhaft verzogen. 

 

„Hast du mich gerade ernsthaft…aufgefordert, mich zu konzentrieren?“, murmelte der Schattenninja und knurrte, als ein weiterer Versuch sich hinzulegen erneut vereitelt wurde. 

 

„Setz dich aufrecht hin, Nara.“

 

„In welcher Richtung ist denn ‚aufrecht‘?“

 

„Um Kamis willen…“, seufzte Neji und verlagerte das Gewicht, um einen besseren Halt an dem Nara zu haben, ohne dessen Position zu sehr zu verändern. 

 

Es war unerlässlich, jedwede unnötige Bewegung zu vermeiden. Für einen Moment dachte Neji über seine Optionen nach, bevor er sich von den Knien in die Hocke begab. Vorsichtig schob er ein Bein um Shikamaru, neigte den Oberkörper und folgte der Bewegung, bis er hinter den Schattenninja kam und ihn aufrecht gegen seinen Körper lehnte; ganz ähnlich wie Shikamaru ihn gestützt hatte, als er…

 

Als ich die Kontrolle verloren habe.

 

Schnaubend ließ Shikamaru die Hand von seinem Kopf fallen. „Karma…“

 

„Was?“ Neji blinzelte, seine Wirbelsäule starr durchgestreckt, als er eine unangenehme stützende Position einnahm, um Shikamaru aufrecht zu halten. 

 

„…Karma…“

 

„Hn. Dafür, dass du mich vor zwei Monaten ausgeknockt hast?“ Neji rollte mit Augen und versuchte angestrengt zu entscheiden, was zur Hölle er mit seinen Händen machen sollte, bevor er sie nahe an Shikamarus Schultern hielt, jedoch ohne ihn zu berühren. 

 

Er spürte, wie Shikamaru mit einem schwachen Kichern den Kopf leicht schräg legte. „Das auch…“

 

Neji wusste, worauf der Nara wirklich anspielte.

 

Aber auf keinen Fall würde er seinem Verstand jetzt gestatten, sich den Gedanken daran hinzugeben, wie er Blut ausgehustet hatte…seine schwächsten Augenblicke…die auch die Erinnerung an den Moment beinhalteten, als sie sich das letzte Mal so nah gewesen waren. 

 

Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. 

 

Stop…

 

Neji atmete langsam und kontrolliert aus und versuchte, die Atmosphäre zwischen ihnen in keiner Weise zu stören; nicht, dass er gedacht hätte, es würde sich noch etwas in ihr ändern können. Sie war bereits so schwer, dass sie ihn zu ersticken drohte – voller Spannungen und straff wie ein gespannter Stolperdraht.

 

Und dennoch blieb Shikamaru vollkommen ruhig; er kämpfte nicht und schäumte nicht vor Wut. 

 

Das sollte er aber…

 

„Warum bist du nicht sauer?“, fragte Neji leise und versuchte, seinen Tonfall so neutral wie möglich zu halten. 

 

„Oh, ich bin angepisst.“, erwiderte Shikamaru schläfrig, auch wenn er gar nicht wütend klang. „Aber ich kann nicht wirklich…irgendwas dagegen tun…jetzt im Moment…und Rumschreien…ist so lästig…“

 

Nejis Blick fiel hinunter auf den Scheitel des Nara und er runzelte die Stirn, bevor er den Hals nach hinten strecken musste, um dem Schwung von Shikamarus spitzem Pferdeschwanz zu entgehen.

 

„Außerdem…“, sagte Shikamaru gedehnt „weiß ich aus eigener Erfahrung, wie unbequem diese Haltung für dich ist…also reicht es mir erstmal…dich auf diese Art leiden zu lassen…ugh…abgesehen von dem Schädelhirntrauma.“

 

Neji glaubte nicht, dass es möglich wäre, durch diese Antwort ein noch größeres Durcheinander zu fühlen als jetzt in ihm aufwirbelte. Doch trotz dieses Chaos konnte er deutlich eine Erleichterung spüren, die die Spannung löste, die sich um seine Brust zusammengezogen hatte. 

 

Shikamarus morbider Humor ließ zumindest darauf schließen, dass sein Hirn bei dem Aufschlag keinen nennenswerten Schaden genommen hatte. Langsam glitt Nejis Blick hinunter zu seinen Händen, die immer noch an den Seiten von Shikamarus Schultern schwebten. 

 

„Bleib einfach nur wach, Nara.“

 

„…Du kennst mich…das passiert eher nicht…“

 

Kopfschüttelnd zog Neji sein Kinn erneut vor dem spitzen Pferdeschwanz zurück. „Hör auf zu scherzen.“

 

„Ich meine es ernst…“

 

„Du solltest zumindest noch für eine weitere Stunde wach bleiben.“

 

Shikamaru gab irgendein unintelligentes Geräusch von sich, von dem Neji glaubte, dass es eine Beleidigung gewesen wäre, wenn sich der Nara die Mühe gemacht hätte, sie anständig zu artikulieren. Doch rasch fokussierte sich der Hyūga wieder auf die Situation und vermutete, dass Shikamarus Gehirnerschütterung wahrscheinlich doch nichts zu Ernstes war. Auf der anderen Seite war ihm aber auch das Risiko, das darin bestand, die Verletzung als zu leicht abzutun, zu groß; besonders, da es hier um Shikamarus Hirn ging. Jede sichtbare Schwellung am Kopf würde zwangsläufig Sakura ins Spiel bringen…etwas, das Neji möglichst vermeiden wollte. 

 

Verdammt.

 

Er hatte überhaupt nicht vorgehabt, so brutal zu reagieren; und ein Teil von ihm konnte sich immer noch nicht damit abfinden, dass er es getan hatte. Was Neji jedoch noch mehr störte, war die Tatsache, dass es nicht das erste Mal gewesen war, dass er so ausgerastet war. Und während er es schaffte, sich selbst gegen jeden anderen zu stählen und zu distanzieren, blieb Shikamaru weiterhin völlig immun gegen jede noch so aufwändige Verteidigung. Entweder das, oder aber der Nara hatte es tatsächlich geschafft, bis unter Nejis Haut vorzudringen und diese völlig absurden Reaktionen wie eine Infektion in ihm zu verbreiten. 

 

Wie…?

 

Neji spannte die Muskeln in seinem Rücken an und kämpfte den Drang nieder, die Verspannung aus seinen Schultern zu rollen. 

 

Wie zur Hölle schafft er es, mich so zu provozieren…?

 

Egal wie sehr er es versuchte – und Kami, er hatte es versucht – er konnte einfach keinen Sinn darin erkennen. 

 

Das Einzige, das er wusste, war, dass all das auf diesen leichtsinnigen Kontrollverlust vor zwei Monaten zurückzuführen war; in der Nacht, in der Shikamaru sich dazu entschlossen hatte, ein törichter und interferierender Bastard zu sein und ihm nachgejagt war. 

 

Und dann, im Kreuzfeuer dieser zornigen und verwirrenden Konfrontation…und diesem dummen, kopflosen Aufeinanderprallen von Lippen…war es, als wäre ein Katalysator zwischen ihnen explodiert. Wie aus dem Nichts und auf einen Schlag; wie die Art des außergewöhnlichen atomaren Knalls, der Universen erschaffen hatte.

 

Doch soweit es Neji betraf, hatte er pures Chaos erschaffen. 

 

Kompliziertes, unentrinnbares und aufwühlendes Chaos.

 

Was zur Hölle hat er nur mit mir gemacht…?

 

Das Gefühl, wie sich Shikamarus Gewicht gegen ihn veränderte, zog ihn zurück von seinen Gedanken. Die Schultern des Nara waren nach unten gesunken und sein Körper war viel zu entspannt. Kein gutes Zeichen. 

 

„Nara?“

 

Schließlich berührte Neji doch mit den Händen die Arme des Schattenninjas und drückte ganz sanft. Doch die ausbleibende Reaktion brachte ihn dazu, den Griff zu verstärken und seine Daumenballen fuhren mit leichtem Druck über dunklen Stoff. 

 

Er hob ein wenig die Stimme. „Shikamaru?“

 

„Jaja, bin immer noch da…“, murrte der Nara mit vor Schläfrigkeit heiserer Stimme. 

 

Neji lockerte den Halt seiner Finger, ließ aber nicht los. „Ist dir schlecht?“

 

„Wahrscheinlich, wenn ich mich bewegen würde.“

 

Neji ließ den Blick durch das Zelt schweifen. „Halte einfach nur ein bisschen länger durch…dann kannst du schlafen…“

 

Mit einem Wimmern schüttelte Shikamaru den Kopf. „…Drückebergerei…“

 

„Hmn?“ Neji fuhr mit den Händen hinunter bis zu Shikamarus Ellbogen. „Was?“

 

„Ugh…Strategie…“

 

„Wir besprechen das morgen.“, erwiderte Neji noch bevor er realisieren konnte, wie sanft sich seine Stimme anhörte. Sofort versuchte er sie wieder zu verhärten, indem er hinzufügte: „Wenn man bedenkt, dass du viel zu verwirrt bist, um überhaupt irgendetwas von Sinn von dir zu geben.“

 

„Und wessen Schuld ist das nochmal?“, maulte Shikamaru, bevor sich seine gekrümmte Pose versteifte. 

 

Neji entging es ebenfalls nicht. 

 

Beide erstarrten, als sie draußen das Rascheln einer Zeltplane hörten, gefolgt von dem Schlurfen von Schritten. Ein gedämpftes Giggeln drang durch die Zeltwände an ihre Ohren. 

 

Was jetzt?

 

Neji blinzelte und aktivierte das Byakugan, um die Umgebung scannen zu können, ohne sich bewegen zu müssen. Er spürte, wie Shikamaru den Kopf drehte und eine Frage in die subtile Bewegung legte.

 

„Naruto.“, berichtete Neji. 

 

Shikamaru versuchte sich aufzusetzen, hielt aber inne, als Neji weitersprach. „Und Chōji.“

 

Aus irgendeinem Grund entspannte das den Nara, trug aber nichts dazu bei, Nejis wachsendes Unbehagen zu lindern. Alarmiert beobachtete der Hyūga, wie sich Naruto ihrem Zelt zuwandte und Chōji gestikulierte, still zu bleiben.

 

Wie müssen uns bewegen.

 

„Entspann dich…“, murmelte Shikamaru und folgte seinem eigenen Ratschlag, indem er sich wieder voll gegen Neji lehnte. 

 

Der Jōnin ignorierte ihn und überlegte bereits, wie schnell er sich von Shikamaru lösen könnte, ohne den anderen Ninja zu sehr aufzuschrecken. Seine Grübelei wurde verzweifelt, als Naruto begann, übertrieben langsam auf ihr Zelt zuzukriechen.

 

Oh um Kamis willen…

 

Nejis Byakugan Augen verengten sich. 

 

„Dieser Schwachkopf.“, zischte er leise. 

 

Entspann dich, Hyūga!“

 

Shikamarus blasierter Tonfall trug nur noch mehr zu Nejis Irritation bei, doch er bekam nie die Chance, seiner Verärgerung Luft zu machen. Chōji unterbrach Naruto mitten in seiner Schleichattacke, indem er sich zwischen den kriechenden Uzumaki und das Zelt schob. 

 

Nejis Augen folgten der Interaktion, während Chōji Naruto von dem Zelt fort schubste und so die kindischen Mätzchen des Genins unterband. Aufmerksam fuhr der Hyūga fort, die beiden zu beobachten und deaktivierte sein Dōjutsu erst, als die beiden hinter der Baumgrenze der Lichtung verschwanden. 

 

Er zuckte zusammen, als er von Shikamarus Ellbogen angestupst wurde. 

 

„Atme, Neji.“

 

Stirnrunzelnd hielt der Hyūga für eine weitere trotzige Pause inne, bevor er letztendlich den Atem entließ, der in seiner Kehle gefangen gewesen war. Erleichterung vertrieb rasch seine Verärgerung und ließ ihn schweigend zurück, aber nicht entspannt. Doch diese Stille sorgte dafür, dass die Spannung zwischen ihnen nachließ und immer mehr von den ruhigen Atemzügen gebremst wurde. 

 

Neji starrte auf die dämmrige Chakrakugel, die er aktiviert hatte und das Licht der provisorischen Lampe wurde etwas weicher. Trotz dieses illuminierenden Scheins hatte er sich niemals zuvor so sehr in einer Dunkelheit verloren gefühlt. Trotz all seines Wissens und Einblicke in die verschiedensten Dinge - das Byakugan eingeschlossen - gab es Dinge, die er einfach nicht sehen konnte. 

 

‚Man sollte meinen, dass du mit diesen Augen ein bisschen weniger blind wärst, Hyūga.‘

 

Shinos Worte erschienen nun in einem völlig anderen Kontext in Nejis Gedanken und der Hyūga musste feststellen, dass sein Blick wieder zu Shikamaru wanderte, dessen Zopf ihn an der Wange kitzelte. Selbst ohne den Besitz eines visuellen Dōjutsu, hatte der Nara vorausgesehen, dass Chōji eingreifen würde, als hätte er es selbst miterlebt. Und dann fiel Neji etwas ein. Es war dieser vertraute, unbehagliche Gedanke, dass er trotz seiner unübertroffenen Fortschritte unter den ‚Konoha elf‘ etwas verpasst hatte. 

 

Lächerlich…und dennoch…

 

„Du wusstest, dass Chōji eingreifen würde.“, sagte Neji mit sehr leiser Stimme; auf eine gewisse Weise widerwillig, die Stille zu durchbrechen. 

 

Er versuchte sich selbst einzureden, dass er nur sprach, um Shikamaru wach zu halten und nicht wegen dieses seltsamen Gefühls, das durch sein Inneres tobte und nach Klarheit verlangte. 

 

Shikamaru summte schläfrig und die sanfte Vibration rasselte in seiner Kehle, bevor er sich räusperte, um zu antworten. „Ich habe es gehofft…“

 

Doch Neji war klar, dass der Nara seine Treffsicherheit hinunterspielte. „Du wusstest es.“

 

Shikamarus Stimme streckte sich zu einem Gähnen und er zuckte mit den Achseln. „Naja, es ist hilfreich, Leute in seinem Leben zu haben, die einen kennen, oder?“

 

Neji fasste das als rhetorische Frage auf, denn er fand keine Antwort darauf. Und sie löste nur eine Reihe von Fragen in seinem Kopf aus, vor denen er sich sofort zurückziehen wollte.

 

Er beobachtete, wie Shikamaru mit der Ferse über den dünnen Futon auf und ab fuhr, vermutlich um die Taubheit aus seinem Bein zu vertreiben. Auch Neji konnte spüren, wie seine eigenen Muskeln gegen die steife Haltung protestierten. Hinzu kam auch noch die Tatsache, dass Shikamaru offenbar vorhatte, ihm mit den gelegentlichen Schwüngen seines scharfen Pferdeschwanzes ein Auge auszustechen; wie aufs Stichwort legte Shikamaru den Kopf schief und sah aus dunklen Halbmonden zu ihm auf. 

 

Der Bastard grinste. 

 

„Hast du es bequem?“

 

Neji schenkte ihm einen äußerst flachen Blick. „Nein.“

 

„Gut.“ Die Lippen des Naras kräuselten sich noch etwas mehr, bevor er mit den Schultern zuckte und die Augen abwandte. „War es die Mühe denn wert…um ein Jōnin zu werden…?“

 

Was?

 

Die zusammenhanglose Frage ließ Neji blinzeln, doch er hielt den Argwohn aus seiner Stimme fern. „Natürlich.“

 

Shikamaru blieb für einen Moment still. „…schätze mal, dass Gai dich nicht dazu drängen musste…“

 

Leicht belustigt hob Neji eine Braue. „Nein.“

 

„Oder dein Onkel…“

 

Augenblicklich erstarb jeder Hauch von Amüsement. Nejis Kiefer verkrampfte sich, doch noch immer blieb seine Stimme ruhig. „Nein.“

 

„Muss eine ziemlich…“ Shikamaru pausierte, um zu gähnen. „…heftige Prüfung gewesen sein, oder?“

 

„Ja…unter anderem.“

 

„…Klingt nach einem ganz schönen Drama…“

 

„Gemessen an deiner Attitüde war es das wahrscheinlich.“, murmelte Neji und wich einem weiteren Schwung von Shikamarus Pferdeschwanz aus. „Ich behaupte einfach mal, dass du das aus einem bestimmten Grund erwähnst, Nara.“

 

„Du musst eine Menge Zeit allein verbracht haben, um dich selbst so weit zu treiben…“

 

Ein brüchiges Flackern berührte Nejis Züge, doch selbst wenn Shikamaru in der Lage gewesen wäre, sein Gesicht zu sehen, der Ausdruck verschwand, bevor er sich festsetzen konnte. Die Jahre isolierter Entwicklung waren dem Hyūga niemals zuvor als eine negative Sache erschienen. Neji zog seine Hände von Shikamarus Armen zurück und legte sie am Boden ab; die Spitzen seiner Finger drückten kleine Krater in den Futon. 

 

„Ich schätze schon. Es war notwendig.“

 

Shikamaru kicherte trocken und freudlos. „Mann, ich hasse dieses Wort wirklich…“

 

„Na schön, es war unvermeidbar.“

 

„Vorsicht Hyūga…du klingst ein bisschen fatalistisch.“

 

„Hmmn.“ Neji lächelte schwach und beäugte Shikamarus Schulter. „Und du klingst ein bisschen zu kohärent, um wirklich eine Gehirnerschütterung zu haben.“

 

„Da könntest du recht haben“, erwiderte Shikamaru, winkelte ein Bein an und begann, sich nach vorn und von dem Jōnin weg zu lehnen. „Ich werde jetzt mein Nickerchen nachholen.“

 

Stirnrunzelnd griff Neji erneut nach dem Arm des Chūnin. „Shikamaru.“

 

„…Was für ein Drama…“ Der Nara drehte den Kopf. „Dann erzähl mir lieber irgendwas Interessantes, um mich wach zu halten.“

 

Neji hob eine Braue und versuchte den natürlichen Instinkt niederzukämpfen, der nach irgendeiner Art von Manipulation in dem suchte, was sich hier gerade abspielte. Doch er konnte nichts anderes in Shikamarus Gesicht lesen als pure Erschöpfung.

 

Spielt er schon wieder Spielchen?

 

Neji entschied sich dafür, buchstäblich auf den Grenzen dieses Territoriums zu balancieren, auf das sich Shikamaru vielleicht oder vielleicht auch nicht begeben hatte. Er schob sich um Shikamaru herum, bis er dem Schattenninja gegenübersaß, sagte jedoch nichts, während er die Verletzung an der Stirn des Nara untersuchte; sich deutlich bewusst, dass diese müden Augen auf ihn fixiert blieben. Es war eine vertraute und dreiste Observierung, bei der sich der Nara nicht einmal die Mühe machte, sie zu verbergen. Neji wünschte sich, er würde es tun. 

 

„Hör auf, mich so anzusehen.“, sagte er ernst. 

 

Shikamaru schmunzelte träge. „Du bist ziemlich paranoid, weißt du das?“

 

Schnaubend hielt Neji den Blick auf die Platzwunde gerichtet und suchte mit einer leichten Berührung seines Daumens nach Schwellungen. „Ich schätze es nicht, angestarrt zu werden.“

 

Doch Shikamaru fuhr unbeirrt fort, ihn zu beobachten, ohne zusammenzuzucken. „Ich dachte, du wärst inzwischen daran gewöhnt, wenn man bedenkt, dass dich die Leute die ganze Zeit über anstarren, Hyūga.“

 

Ein bitteres Grinsen schlich sich auf Nejis Gesicht. „Soll mir das schmeicheln?“

 

„Ich bin nicht daran interessiert, dein Ego zu fördern, Neji.“ Shikamaru rollte mit einer Schulter und legte einen Arm auf seinem aufgestellten Knie ab. „Außerdem glaube ich nicht, dass die Leute es schaffen, hinter deine abartigen Verteidigungsmechanismen zu sehen.“

 

Das zog sofort Nejis volle Aufmerksamkeit auf sich. 

 

Der Jōnin hielt inne, als er nach der Chakra Kugel griff, die Schwierigkeiten zu haben schien, ihre magere Beleuchtung aufrecht zu erhalten. Sie schien beinahe Nejis glühende Augen widerzuspiegeln, die zu Shikamaru zurückzuckten. 

 

In seinen Worten schwang eine spöttische Spitze mit. „Und du denkst, dass du dahinter siehst, Nara?“

 

Shikamaru legte den Kopf schief und erwiderte den Blick ruhig. 

 

„Ich denke, dass du Angst davor hast, ich könnte es.“

 

Sofort versteifte sich Neji, bevor er sich zurücklehnte und augenblicklich mit der Rüstung einer kühlen und abweisenden Haltung absicherte. Doch schon wieder bedachte Shikamaru ihn mit seinem ‚Ich-durchschaue-deinen-Bullshit‘ Blick, der dafür sorgte, dass sich alle Härchen des Hyūgas aufstellten. Diese dunklen Augen hämmerten Dellen und Risse in die Verteidigung, die normalerweise jeden auf Abstand hielt, der es jemals wagte, sie umgehen zu wollen.  

 

Sein Verstand focht mit den Implikationen in den Worten des Nara, die er vor zwei Monaten gesagt hatte, einen stillen Kampf aus. 

 

‚Du kannst dich selbst belügen, doch ich durchschaue es…‘

 

Trotz der schwachen Panik, in die Nejis Herzschlag verfiel, hielt er seine äußere Miene stoisch und geschützt. Energisch versuchte er, sich davon zu überzeugen, dass sich seine Brust nicht deswegen zusammenzog, weil er sich auf die anstehende Aufgabe konzentrieren musste. 

 

Überprüfe seine Augen und geh…

 

Kopfschüttelnd packte Neji mit einer Hand Shikamarus Kiefer und realisierte nicht einmal, wie unbewusst kontrollierend diese Geste war. 

 

„Halt still.“, wies er den Schattenninja an. 

 

Er hob die Chakrakugel zu Shikamarus Gesicht und studierte die Augen des Nara mit analytischer Objektivität, als er nach etwaigen Abnormitäten in der Flexion der Pupillen suchte. Doch sie zogen sich normal zusammen und als er die Kugel senkte, dehnten sie sich wieder aus. Er wiederholte den Test ein paar Mal mit demselben Ergebnis. 

 

„Kein Schaden.“, sagte Neji leise. 

 

„Da bin ich mir nicht so sicher…“ Shikamarus Stimme wurde heiser; rau vor Müdigkeit und schwer von einer tieferen Bedeutung, die Neji nicht entschlüsseln konnte. 

 

Ihre Blicke hielten sich in gegenseitigem Bann und trotz der Düsternis des Zeltes wusste Neji, dass diese dunklen Augen nicht nach Licht suchten, als sich die Pupillen über ihre üblichen Sphären auszudehnen begannen. 

 

Die magnetische Anziehungskraft folgte augenblicklich. 

 

Verdammt seist du, Nara…

 

Seine Finger lösten sich von der Chakrakugel - aber nicht von Shikamarus Kiefer.

 

Aus reinem verwirrtem Zorn verhärtete der Hyūga seinen Griff ein wenig und fühlte, wie sich die Muskeln an Shikamarus Kiefergelenk unter dem Druck anspannten. Doch davon abgesehen, reagierte Shikamaru überhaupt nicht; er fuhr einfach nur fort, Neji anzusehen. 

 

Und deshalb gruben sich Nejis Nägel noch tiefer in die weiche Haut. 

 

Wehr dich, du Bastard.

 

Keine Reaktion. 

 

Ihre Blicke blieben verschmolzen, als Nejis Finger von Shikamarus Kiefer hinunter zur Kehle des Chūnin glitten und sich sanft um das lebenswichtige Collum legten, ohne zu quetschen. Er wusste, dass die Position seiner Finger genau dieselbe wie die der Hämatome war, die er am Hals des Nara hinterlassen hatte, als er ihn das letzte Mal so gepackt hatte. 

 

Shikamaru musterte ihn ruhig; es war der Beweis eines Vertrauens, das Neji nicht verdient hatte…und das er nicht wollte. 

 

„Nicht.“, warnte Neji. 

 

Shikamaru blinzelte langsam. „Du bist es, der es tut.“

 

„Dann halte mich auf!“

 

„Du greifst nicht hart genug zu, um mich überzeugen zu können, Neji.“

 

Nejis Blick fiel hinunter zu seinen Fingern. „Ist es das, was es brauchen würde?“

 

„Ich weiß es nicht.“, wisperte Shikamaru und das Timbre seiner Stimme jagte ein Kribbeln Nejis Arm entlang, ließ seine Haut prickeln und schien sein Blut aufzuwühlen. „…Warum findest du es nicht heraus…?“

 

Neji zog kurz und scharf die Luft ein, seine Augen verengten sich. 

 

Er konnte Shikamarus Puls unter dem Druck seiner Fingerspitzen pochen fühlen…

 

…und wie sich die Sehnen in der Kehle des Nara anspannten, als er schluckte…

 

…bis hinunter zu dem warmen Hauch von Shikamarus Atem gegen seine Haut…

 

Einfach alles daran verdeutlichte, wie sehr sich der andere Ninja selbst offen ließ.

 

Warum?

 

Angestrengt mied er Shikamarus Augen und hielt den Fokus auf seine Finger gerichtet, die sich um den ungeschützten Hals bewegten, ihren lockeren Griff zwar nicht verstärkten, aber genauso wenig losließen. 

 

Und die ganze Zeit über blieben diese dunklen Iriden auf sein Gesicht gerichtet. 

 

„Gefällt dir, was du siehst, Shikamaru?“, stieß Neji hervor; sein Kiefer verkrampft, doch die Stimme noch angespannter, als er sie zwischen den Zähnen hervorpresste. „Ist es das, wovon du willst, dass ich es rauslasse?“

 

Shikamarus Atem kitzelte über seinen Arm, als der Schattenninja langsam die Luft ausstieß. „Nur zu!“

 

Es war ein Schubs, ein waghalsiger, gefährlicher Stoß.

 

Die Sehnen in Nejis Hand zogen sich zusammen, ein starrer paralysierender Zorn sorgte dafür, dass seine Finger gekrümmt verharrten, aber nicht zudrückten – und dennoch zuckte der Bastard mit keiner Wimper. 

 

„Also wer ist jetzt der Masochist?“, zischte Neji mit düsterer Miene. 

 

Shikamaru hob das Kinn und presste seine Kehle dem Griff von Nejis Fingern entgegen. „Greif härter zu, Hyūga und wir werden sehen, zu was es dich macht!“

 

Nein.

 

Nejis Arm begann unter der Belastung, sich zurückzuhalten, zu beben – es war ein kaum wahrnehmbarer Tremor. Doch unter der Oberfläche konnte er es deutlich fühlen; diese ruhende Wut, die lange verschlossene Bereiche seines Selbst aufwirbelte…

 

Nein.

 

Er hatte es vor Jahren schon einmal losgelassen…vor drei Jahren…nur waren die Augen, die ihn damals angesehen hatten, nicht dunkel gewesen…sie waren blass…blass wie seine eigenen…

 

Hyūga Augen…

 

Ein Schütteln ergriff Nejis Arm. Doch das Zittern ging tiefer, direkt bis in seine Knochen…es rüttelte an den Grundfesten, an denen er drei Jahre gearbeitet hatte, um sie zu sichern…mit Rissen aus eisigem Schmerz breitete sich das Beben in seiner Brust aus…

 

Nein…

 

„Neji…“

 

Er konnte kaum Shikamarus Stimme hören; wie Rauch an einem Horizont, den er nicht sehen konnte…denn alles, was er sehen konnte, waren diese zahllosen Augen…

 

„Neji.“

 

…diese kontrollierenden, herablassenden Augen…befahlen ihm, zu gehorchen.

 

„Neji…sieh mich an.“

 

…diese bitteren, hoffnungslosen Augen…befahlen ihm, zu leben.

 

Und dann waren da diese scharfen, obsidianhaften Augen…so nah und dunkel, dass sie all die zahllosen Hyūga Seen aus Weiß schluckten. 

 

Shikamarus Augen…sagten ihm, er solle…

 

„Atme.“

 

Das Wort traf seinen Verstand wie ein Kunai.

 

Atme.

 

Mit einem heftigen Ruck kam Neji zur Besinnung. 

 

Er nahm einen scharfen und plötzlichen Atemzug und tauchte aus seinem Geist auf, als wäre er aus einem Genjutsu gerissen worden. Sein Puls schien sich zu überschlagen und sein Bewusstsein kehrte zu ihm zurück; was dazu führte, dass sich sein Gesicht in Verwirrung verzog, während er darum kämpfte, seine Atmung zu beruhigen. 

 

„Neji…“ Shikamarus Stirn war kaum einen Zentimeter davon entfernt, seine eigene zu berühren und zwang ihre Augen, sich in einem steten Blick zu treffen. 

 

Er…hat sich bewegt…?

 

Neji konnte den sanften Druck von Shikamarus Fingern an seinem Nacken spüren, ein Daumen massierte die Haut zaghaft. 

 

…Wann zur Hölle hat er seine Hand an meinen Nacken gelegt?

 

Er hatte nicht einmal registriert, dass Shikamaru seine Position überhaupt verändert hatte. Seine eigenen Finger lagen immer noch leicht um die Kehle des Nara und sein Handgelenk beugte sich etwas, um der Nähe und ihrer Position entgegenzukommen. 

 

…Ich…verliere den Verstand…

 

Neji starrte auf seine Finger, doch seine Augen zuckten gleich darauf wieder nach oben, als er spürte, wie Shikamaru gegen den lockeren Griff anschluckte, bevor er sprach. 

 

„Ein Rat, Hyūga? Wenn du jemandem an die Kehle gehst, bist nicht du derjenige, der mit dem Atmen aufhören soll.“, sagte Shikamaru sehr leise und seine ausdruckslose Stimme wurde von dem sanften Druck seiner Finger an Nejis Nacken abgemildert. „Könnte lästig werden…“

 

Neji blinzelte kurz, bevor er die Lider schloss, um den ruhigen hypnotischen Blick aus den dunklen Seen dieser Iriden auszublenden. Langsam zog er seine Hand von Shikamarus Hals zurück und senkte sie, um sie auf einem Schenkel abzulegen; er krallte die Finger in den schwarzen Schurz seiner Robe.

 

Was zur Hölle ist gerade passiert?

 

Energisch kämpfte er gegen den warnenden Schmerz in seiner Brust an, nahm einen kurzen Atemzug, dann einen langsameren und zwang ihn an dem Knoten in seiner Kehle vorbei. 

 

Für einen langen Moment sagte keiner von ihnen etwas.

 

Dann glitt Shikamarus Berührung hinunter zu seiner Schulter und drückte sie zaghaft. Neji zog die Schulter zurück. 

 

„Sag es einfach…“, wisperte Neji bitter. 

 

„Was soll ich sagen?“

 

„Tz.“ Nejis Kiefer verkrampfte sich. „Verdammt seist du…Mach einfach und hol dir den Punkt…die Runde hast du gewonnen…“

 

Shikamarus Atem brachte Nejis lange Strähnen zum Schwingen. „Und was soll ich dir sagen?“

 

Dass ich durchdrehe…den Verstand verliere…

 

„Was das hier aus mir macht…was ich deswegen bin…“ Neji zwang die Worte zwischen seinen Lippen hervor, als würde er Gift tief aus seiner Kehle ausspucken; so ätzend wie Galle und gleichzeitig lebenswichtig wie Blut. 

 

Er erwartete nicht, dass Shikamarus Antwort ihm das Gefühl gab, als würde er bereits bluten. 

 

„Menschlich.“

 

 

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Ein ruhigeres Kapitel läutet gleichzeitig den Beginn meines Semesters ein - was bedeutet, dass ich nicht versprechen kann, inwieweit ich in den nächsten Wochen den Uploadrhythmus aufrecht erhalten kann. Ich werde mir aber alle Mühe geben, in halbwegs beizubehalten. 

Dieses Kapitel zu schreiben hat mir wieder sehr viel Spaß gemacht,  vor allem wegen der Intensität zwischen Neji und Shikamaru! Ich hoffe sehr, dass es euch beim Lesen genauso gut gefallen hat?! Natürlich würde ich mich über Meinungen und Anregungen freuen!! <3
 

Vielen Dank wie immer an alle meine treuen Review-Schreiberinnen - ihr seid der absolute Hammer, ohne euch wäre dieses ganze Projekt nicht dasselbe! <3

 

 

Time to go

Ein dumpfes, langgezogenes Heulen hallte durch das Lager. In der darauffolgenden Stille waberte der nächtliche Nebel tief zwischen den Zelten und benetzte das Segeltuch mit einem dünnen feuchten Film. Eine Zwergohreule, die auf einem niedrigen Ast saß, drehte ihren Kopf einmal um die eigene Achse. Für einen Moment war es sehr leise, die Atmosphäre wirkte beinahe gelassen…bevor ein weiterer verlorener Schrei ertönte. 

 

Shikamarus Augen flatterten auf. 

 

Müde musterte er das fadenscheinige Gewebe der Laken, die er sich über den Kopf gezogen hatte, während er sich in einem Schwebezustand zwischen Schlaf und Bewusstsein befand. Eingemummelt in den Kokon der dünnen Decken spürte er, wie sein Atem den Stoff hob und ihn über seine Stirn kitzeln ließ. Irritiert drehte er den Kopf von dieser seltsamen Empfindung weg. 

 

Während er langsam blinzelte und erneut die Augen schloss, registrierte er drei Dinge. Erstens, es war gottverdammt eiskalt. Zweitens, eine seltsame Vorahnung hatte ihn aus dem Schlaf gezogen. Und drittens, er konnte einfach nicht verstehen, worum es sich dabei handelte. 

 

Ugh…ist mir auch egal…ich werde mich nicht bewegen…

 

Er entließ ein langsames müdes Seufzen und zog seine Schultern gegen die Kälte zusammen; verharrte in der mageren Wärme seines eigenen Körpers, während sein Geist mühsam von Erschöpfung zu Achtsamkeit zurückkehrte. Mit der Zeit wurden ihm dadurch auch andere Dinge deutlich; wie zum Beispiel die Tatsache, dass es deutlich dunkler war, als er erwartet hätte, als er erneut die Lider hob. Selbst mit den über den Kopf gezogenen Decken hätte es im Zelt zumindest ein bisschen heller werden müssen, seit er endlich zu seinem wohlverdienten Schlaf gekommen war. 

 

Wie spät ist es?

 

Die stete und ununterbrochene Wiederholung von Eulenschreien brachte ihn nach und nach dazu, sich zu bewegen. Als wäre er ein Taucher, der die Wasseroberfläche durchbrach, um nach Luft zu schnappen, bog er den Nacken zurück. Sein Pferdeschwanz schob sich durch die Falten der Laken, dicht gefolgt von Stirn, Nase und Kinn. 

 

Kühle Luft schlug ihm ins Gesicht. 

 

Ätzend.

 

Die Empfindung ließ ihn die Miene verziehen, nur um die Bewegung gleich darauf zu bereuen, als ein scharfer kurzer Schmerz über seine Stirn zuckte. Er befreite seinen Arm aus den verwickelten Laken und hob die Hand, um mit den Fingern über den schmerzenden Bereich zu streichen. Hinatas Salbe musste wahre Wunder bewirkt haben, denn er spürte nicht einmal die Spur einer Narbe von der Platzwunde. Eine tiefe Erleichterung glättete seine Züge, doch sie hatte nicht das Geringste mit Eitelkeit zu tun. Es war nur einfach so, dass keine Narbe bedeutete, dass er sich auch keinen lästigen Fragen darüber stellen musste, wie es zu der Verletzung gekommen war. 

 

Sehr gut…

 

Fest entschlossen, sich wieder in den provisorischen Kokon aus Decken zu vergraben, schloss er die Augen. Doch als er das ferne Schlurfen von Schritten hörte, drehte er sich etwas und linste blinzelnd über eine Schulter.

 

Warum ist es verdammt nochmal so dunkel?

 

Leise vernahm er die wispernden Stimmen von Hinata und Sakura und er spitzte die Ohren, um zu hören, worüber die beiden sprachen, konnte aber nur undeutliches Gemurmel ausmachen, das von den Zeltplanen gedämpft wurde. 

 

…Schichtwechsel?

 

Kein Wunder, dass er müde war. Er konnte nicht sehr lange geschlafen haben, wenn die beiden jungen Frauen jetzt erst aufgestanden waren, um ihre Wache zu übernehmen. Seufzend zog Shikamaru einen Ellbogen an den Körper und drehte sich langsam, um sich aufzurichten, während er gleichzeitig versuchte, die Laken um den Unterleib gewickelt zu halten. Mitten in der Bewegung hielt er inne, als etwas seine Aufmerksamkeit auf sich zog. 

 

Er blinzelte etwas mehr gegen die Finsternis an…und dann weiteten sich seine Augen.

 

Wann zur Hölle hat er sich wieder in das Zelt geschlichen…?

 

Shikamaru konnte die Gestalt auf der anderen Seite des Zeltes gerade so erkennen, so weit von ihm entfernt, wie es irgend möglich war. Der schlafende Ninja lag auf der Seite, den Rücken Shikamaru zugewandt.

 

Der Abstand zwischen ihren Körpern schien klar festgelegt und aussagekräftig…

 

…und genau deshalb zuckte Shikamarus Augenbraue nach oben, als er die langen dichten Mokkasträhnen bemerkte, die sich in mäandernden Wellen über den Grund ergossen; die zusammengebundenen Enden streiften die Bettrolle des Nara und schlossen die Distanz zwischen ihnen. 

 

Ok, das ist jetzt viel zu metaphorisch für meinen Geschmack…

 

Doch Shikamarus Amüsement milderte sich zu einem schwachen Lächeln, als er dem Fluss der Haare zu Nejis Kopf folgte und das Schweifen seines Blickes wiederholte, um ihn zu dem Haarband zurückgleiten zu lassen, der die Enden des dunklen Stroms zusammenhielt.

 

Er hatte eigentlich erwartet, dass Neji länger fort sein würde, wenn nicht sogar für die ganze restliche Nacht. 

 

Langsam legte Shikamaru den Kopf schief und musterte den anderen Ninja in unbeirrter Stille. 

 

Dann ertönte außerhalb des Zeltes ein Grummeln und unterbrach sein sanftes Starren. 

 

Widerwillig zog er den Blick von dem schlafenden Jōnin fort und blickte um sich, um die Richtung auszumachen, aus der die Stimme kam. Nach der halb gewimmerten Beschwerde zu urteilen, zu der sich das Geräusch zuspitzte, schätzte er, dass es sich um Naruto handelte.

 

Also sind er und Chōji gerade erst von ihrer Schicht zurückgekommen? Ugh. Warum zur Hölle bin ich wach?

 

Shikamaru stöhnte genervt, hob einen Arm und begann, sich aus den verhedderten Laken um seine Hüfte zu schälen. Die Kälte verursachte ihm eine Gänsehaut und sickerte durch das Gewebe seiner Kleidung, als er zum Eingang des Zeltes krabbelte und so leise und langsam wie möglich den Reißverschluss des Segeltuchs öffnete. 

 

Neji regte sich nicht. 

 

Shikamaru schlüpfte in seine Sandalen und lauschte gleichzeitig nach dem Geräusch von Bewegungen oder gedämpften Stimmen. Er schob die Zeltplanen mit dem Handrücken auf und glitt hinaus in die Nacht. Ein dünner Wirbel des Nebels waberte um ihn herum, als er sich erhob und leicht mit den Fingern gegen seine Stirn drückte. 

 

Hmmn. Die Temperatur ist ganz offensichtlich ziemlich in den Keller gerauscht…

 

Aufmerksam scannte er die Lichtung und drehte sich zu dem lauten, rasselnden Schnarchen um, das aus einem der Zelte drang. Zumindest irgendjemand befand sich in so tiefem Schlaf, wie Shikamaru es gerne gewesen wäre. Aufseufzend begann er, träge durch den Nebel zu trotten. Die nachtblaue Düsternis, von der die Lichtung erfüllt war, ließ darauf schließen, dass die Dämmerung immer noch einige Stunden entfernt war; was ihm nur wieder die frustrierende Frage aufdrängte, warum er verdammt nochmal überhaupt aufgewacht war. 

 

Verdammt…

 

Ein leises Rascheln ertönte. 

 

Aus dem Augenwinkel erhaschte er eine Bewegung und hielt neben einem der Zelte inne, als sich ein riesiger weißer Hund seinen Weg zwischen den Planen hindurch nach draußen bahnte. Das weiche, müde Knurren des Vierbeiners brachte Shikamaru zum Schmunzeln. 

 

„Du auch, huh?“

 

Akamaru schnüffelte und schob seinen Kopf weiter nach vorn, gefolgt von einer großen Pfote, auf der er seine Schnauze ablegte, während er Shikamaru aus schläfrigen Augen beobachtete. Der Schattenninja brummte und schob seine Hände tief in die Taschen seiner Hose, als er sich umwandte und seinen Spaziergang fortsetzte. Er konnte ein Rascheln hinter sich hören, sah jedoch nicht zurück. Eine feuchte Nase stupste ihn am Unterarm an und zog seine Aufmerksamkeit hinunter zu dem riesigen Köter. 

 

Akamaru hob den Kopf. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Wenn du mich beißt, flipp ich aus!“

 

Doch eigentlich hätte er nicht einmal ausflippen können, wenn er es versucht hätte; er war viel zu müde. Allerdings schien sich Akamarru ohnehin damit zufrieden zu geben, um ihn herum zu schnüffeln und den Schattenninja träge zu flankieren, während er ihm auf Schritt und Tritt folgte. 

 

Seltsam.

 

Noch einmal spähte Shikamaru zu dem weißen Hund hinunter. „Wie lästig.“

 

Akamaru gab ein Geräusch von sich, das wie ein Schnauben klang, schüttelte sich ausgiebig und stellte ein Ohr auf. Shikamaru machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu fragen, was der Hund von ihm wollte und schlenderte einfach weiter die Peripherie des Lagers entlang. Wie ein Schatten blieb der Ninjahund an seiner Seite und schnupperte gelegentlich in die Luft, während Nebelschwaden in trägen Lachen um sie herum wogten; wie auf die Erde gekrochene Wolken. Shikamaru ließ seine Gedanken kreisen und beobachtete die feuchten Dämpfe, als er mit stetigen Bewegungen die Müdigkeit aus seinen Gliedern verscheuchte. 

 

Ich sollte mir lieber mal eine Strategie ausdenken…

 

Ein tiefes Winseln zog seinen Fokus nach unten und gleich darauf über seine Schulter. Akamaru war einige Schritte hinter ihm stehen geblieben, den großen weißen Kopf schief gelegt und die Schlappohren aufmerksam aufgestellt. Fragend hob Shikamaru eine Braue und seine dunklen Augen bemerkten die wachsame Haltung des Hundes. Und dann erstarrte Akamaru vollständig, das sanfte Schwingen seines langen buschigen Schwanzes stoppte komplett. Shikamaru runzelte die Stirn und sein Blick folgte dem des Vierbeiners in die undurchdringliche Dunkelheit hinter der Baumgrenze. 

 

Scheiße…

 

Die Hände noch immer in den Taschen vergraben, machte der Schattenninja langsam auf dem Absatz kehrt. Aufmerksam wanderten seine Augen zwischen dem Hund und den Bäumen hin und her, während er ganz gemächlich auf das vigile Tier zu trottete. Trotz seines faulen Ganges raste sein Verstand und kalkulierte die Situation ununterbrochen. Sollte sich eine Bedrohung in ihrer nächsten Nähe befinden, musste sie irgendwie an Sakura und Hinata vorbei gekommen sein. 

 

Nicht gut…

 

Das Lager infiltrieren und einer Entdeckung durch das Byakugan entgehen zu können setzte ein gefährlich hohes Niveau an Heimlichkeit und List voraus. Auch wenn es mehr als zweifelhaft war, dass jemand einen direkten Angriff auf die beiden jungen Frauen riskieren würde, wenn sich weitere sechs Ninjas in unmittelbarer Reichweite befanden. 

 

Außer, sie haben es irgendwie geschafft, Hinata und Sakura unbemerkt außer Gefecht zu setzen…

 

Sollte das der Fall sein, konnte er mit Sicherheit davon ausgehen, dass es sich bei dem Gegner um jemanden handelte, der gerissen genug war, sich ihnen so weit nähern zu können, um die beiden Kunoichi geräuschlos ausknocken zu können. Und das wiederrum bedeutete, dass ihr Feind das vorher geplant haben musste. 

 

Und er wird auch wissen, wie man dementsprechend handelt…verdammt…

 

Shikamaru ging neben Akamaru in die Hocke, tat so, als würde er den Hund mit einem leichten Tätscheln beruhigen und hielt den Schein unter dem Deckmantel, abgelenkt zu wirken, aufrecht. Doch gerade, als er sich eine Taktik zurechtgelegt hatte, überraschte ihn der weiße Hund, indem er sich sichtbar entspannte und wieder anfing, mit dem Schwanz zu wedeln. 

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten. 

 

Falscher Alarm?

 

Akamarus Kopf schnellte scharf herum, er fiepte jedoch nur zaghaft. Sofort erstarrte der Nara, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung ausmachte, entspannte sich aber rasch wieder, als die Gestalt in Sichtweite kam und nicht den geringsten Versuch unternahm, sich zu verstecken. 

 

„Bandelst du gerade mit meinem Kumpel an, Shikamaru?“

 

Der Schattenninja linste über die Schulter zu Kiba. „Ich spreche leider nicht Hundisch.“

 

Schnaubend kam Kiba näher, bevor er laut gähnte. „Mann, du bist aber sehr früh auf.“

 

„So wie du.“

 

Als wäre es Erklärung genug neigte Kiba seinen Kopf in Richtung seines vierbeinigen Begleiters. 

 

Shikamaru wandte den Blick wieder dem Hund zu, nur um neugierig an der Stirn angestupst zu werden, als Akamarus feuchte Nase ihn beschnüffelte. Es blieb ihm kaum Zeit, zurück zu weichen, bevor der Köter ihm auch schon mit einem rauen Schwung seiner Zunge über die Stirn leckte. 

 

„Verdammt!“ Shikamaru kam sofort auf die Beine und wischte sich mit dem Unterarm über die nasse Haut, um den Hundespeichel zu entfernen. „Ugh…beiß mich lieber wieder das nächste Mal…“

 

Doch mit einem Schlag störte ihn das schlabberige Schlecken des Hundes nicht annähernd so sehr wie die Tatsache, dass Kiba angesichts seiner Aussage und Akamarus Verhalten nicht lachte. Während er fortfuhr, mit dem Rücken seines Handgelenks über seine Stirn zu reiben, linste er zu dem Inuzuka hinüber. Akamaru war zu seinem Herrn hinüber geschlichen und hörte nicht auf, leise zu winseln und zu knurren; er schien irgendeine Art Botschaft zu übermitteln, von der Shikamaru nicht die geringste Hoffnung hatte, sie entschlüsseln zu können. 

 

Doch was immer der Hund ‚sagte‘, es stanzte ein tiefes Stirnrunzeln in Kibas Gesicht.

 

„Was denn? Schmecke ich wirklich so schlecht…?“, fragte Shikamaru trocken und täuschend gelangweilt. 

 

Eine von Kibas Brauen wanderte langsam nach oben und ein Ausdruck aggressiver Musterung verengte seine tiergleichen Augen zu Schlitzen. „Du riechst nach Hinata.“

 

Was?

 

Shikamarus Augenbrauen hoben sich bis zu seinem Haaransatz und die Empfindung einer unangemessenen Belustigung stieg in ihm auf. Energisch drängte er sie zurück und räusperte sich, bevor er eulenhaft blinzelte, als hätte er sich verhört.

 

„Was?“

 

Kibas starrer Blick wurde etwas wilder und kopfschüttelnd näherte er sich. Shikamaru blieb genau dort stehen, wo er war und wirkte nach außen hin, als würde ihn die Miene des anderen Ninja nicht im Geringsten beeindrucken. Der Inuzuka schnippte mit einem Finger gegen die Stirn des Nara. 

 

„Du riechst nach Hinatas Salbe. Warum?“

 

„Vielleicht deswegen, weil ich sie benutzt habe?“

 

„Sie gibt das Zeug nicht einfach so an irgendjemanden weiter.“

 

Shikamaru gab sich alle Mühe, nicht spöttisch zu schnauben. 

 

Beschützermodus eines klassischen Alphamännchens…Mann, gönn mir `ne verdammte Pause…

 

Er konnte zwar die Anschuldigung, die in Kibas Stimme mitschwang überhaupt nicht leiden, doch er hatte den Beschützerinstinkt des Inuzukas hinsichtlich Hinata bereits in seinem Verstand notiert und so war Shikamaru bestens hierauf vorbereitet. Er entschied sich für den schnellsten Weg, dieses Missverständnis zu zerstreuen und behielt seinen ruhigen und gelangweilten Gesichtsausdruck bei, der keinen seiner Gedanken preisgab. 

 

„Neji.“, sagte Shikamaru schlicht. 

 

Kiba blinzelte. „Eh?“

 

„Neji hat mir die Salbe geliehen.“ Achselzuckend legte Shikamaru mit seinen nächsten Worten einen sprichwörtlichen Haken aus. „Er meinte, sie würde mir gegen meine Kopfschmerzen helfen.“

 

Kiba schnaubte und Shikamaru wusste sofort, dass er den Köder geschluckt hatte.

 

„Man benutzt keine Wundsalbe gegen Kopfschmerzen.“, knurrte Kiba.

 

„Wer hat dir das denn erzählt?“ Shikamaru hob eine feine Braue und nutzte seine stärkste Waffe, seine Intelligenz, diese lästige Konfrontation auszufechten. „Die Salbe ist der sehr ähnlich, die sie Naruto damals bei der Chūninprüfung gegeben hat.“

 

Kiba zog die Nase kraus wie ein Tier, das sich darauf vorbereitete, zuzuschnappen. „Worauf willst du hinaus?“

 

Shikamaru seufzte tief und wühlte sich in seinem Verstand gleichzeitig durch den Vorrat an medizinischem Wissen, den er dort abgespeichert hatte. Beinahe konnte er die Stimme seiner Mutter in den Ohren hören, während er ihre Worte auswendig herunter ratterte. 

 

„Für diese Art von Heilsalbe nutzt man Pflanzenextrakte und kristallines Menthol, um Schmerzen zu lindern, besonders bei Entzündungen.“ Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sich der zornige Ausdruck aus Kibas Gesicht löste. „Folglich schadet das Zeug auch bei Kopfschmerzen nicht, wenn man es auf Schläfen und Stirn aufträgt. Das Menthol kühlt und entspannt gleichzeitig…wenn es nicht gerade von Hunden weggeschlabbert wird.“

 

Akamaru schien den subtilen Tadel des Schattenninjas zu spüren, denn er zog den Kopf ein und wedelte auf eine Weise langsam mit dem Schwanz, die man nur als Verlegenheit deuten konnte. Shikamaru nutzte diesen Umstand zu seinen Gunsten und warf dem Hund einen halbherzig finsteren Blick zu, während sich Kiba mit ebenso beschämter Miene am Hinterkopf kratzte. 

 

„Ah…richtig.“, murmelte der Inuzuka und sah überall hin, nur nicht zu Shikamaru. 

 

Mission erfolgreich abgeschlossen; Shikamaru feixte. „Du solltest sie benutzen…könnte dein Gemüt abkühlen, bevor du noch jemandem an die Kehle gehst.“

 

„Heh!“ Doch Kiba grinste peinlich berührt. „Ja, sorry deswegen.“

 

Der Nara zuckte nur mit den Achseln und schob seine Hände zurück in die Hosentaschen. „Vergiss es.“

 

Ganz offensichtlich war Kiba mehr als begierig, das Thema so rasch wie möglich zu wechseln, denn er stellte eine Frage, die Shikamaru beinahe das Gesicht verziehen ließ; sie war eine Mahnung, die er weder wollte, noch brauchte.

 

„Also haben du und Neji einen Plan ausgearbeitet?“

 

„Jo.“ Shikamaru spähte zum Rand der Bäume. 

 

„Cool, aber warum zur Hölle bist du dann um drei Uhr morgens wach?“

 

Ich habe nicht die geringste Ahnung…

 

Doch ihm blieb keine Zeit, um sich eine Ausrede einfallen zu lassen. 

 

Akamaru ließ ein tiefes Knurren hören und zog die Aufmerksamkeit der beiden Ninjas zu der Baumgrenze, auf die seine goldenen Augen bereits vorhin fixiert gewesen waren. Kiba reagierte darauf, indem er in die Luft schnüffelte und wandte in dem Moment den Kopf, als Akamarus Schnauze zuckte. In einem weißen Blitz sprang der Hund in den nebelverhangenen Wald. 

 

Stirnrunzelnd fiel Kiba ein leichtes Joggen. „Akamaru!“

 

„Gibt’s ein Problem?“, rief Shikamaru ihm hinterher und folgte Kibas Fußabdrücken mit gemächlicheren Schritten, während der Inuzuka seinem vierbeinigen Gefährten hinterher trabte. 

 

„Bin mir nicht sicher, er scheint nicht verängstigt zu sein, nur neugierig!“, rief Kiba zurück und sprang über knorrige Wurzeln, bevor er abrupt innehielt. 

 

Shikamaru trat an seine Seite und seine dunklen Augen sahen nach unten, um Kibas Blick zu folgen. Von all den Dingen, die irgendeinen wie auch immer gearteten Verdacht hätten erregen können, hatte er auf keinen Fall erwartet, dass Akamaru mit der Nase einen kleinen Holzklotz vor sich her schob.

 

Ich schwör’s, das darf nicht wahr sein…warum schlafe ich gerade nicht…

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob das hier ein lästiger Auftakt zu einem Apportierspiel sein sollte. Doch ein tiefes, kratziges Winseln des Hundes brachte ihn dazu, noch einen weiteren Schritt näher zu treten. Die Dunkelheit half nicht gerade bei seinem Versuch, herauszufinden, was das Problem war, doch als er ein genaueren Blick auf den Klotz warf, weiteten sich die Augen des Nara. 

 

Es war gar kein Stück Holz, das der Hund mit seiner Pfote anstupste. 

 

„Was zum…?“ Shikamarus Augen verengten sich. „Ist das eine Eule?“

 

Kiba legte den Kopf schief und ging in die Hocke, um Akamaru im Nacken zu kraulen und gleichzeitig seine freie Hand auszustrecken, um den Vogel umzudrehen. „Ja…sie ist tot.“

 

Sofort richteten sich Shikamarus Augen himmelwärts und scannten der Baumkronen, die von einer schummrigen Dunkelheit und einem dichten Netz aus Blättern und Zweigen verdeckt waren. 

 

„Hat sie ein Schlag oder Aufprall getötet?“, fragte Shikamaru und senkte den Blick, während Kiba die Eule untersuchte.

 

„Nah. Kein Zeichen von Brüchen oder einem Schaden, der von einem Sturz oder einem Einschlag herrühren könnte…“ Kiba ließ den Flügel des Vogels fallen. „So wie es aussieht, ist sie erst auf dem Boden verendet.“

 

Brummend linste Shikamaru ein weiteres Mal zu den Ästen über ihren Köpfen. Leise hörte er, wie sich Kiba neben ihm aufrichtete.

 

„Keinerlei Wunden. Muss krank gewesen sein oder so…“ Kiba zuckte mit den Achseln und schob mit den Zehen den Flügel des Vogels sanft zurück an den kleinen Körper. „Ich meine, Vögel hören nicht einfach auf zu atmen und fallen vom Himmel.“

 

Shikamaru erbleichte. 

 

Scheiße…

 

Er erstarrte, als würde ihm Eis die Wirbelsäule hinunterrutschen. „Wie spät ist es?“

 

„Huh?“

 

„Du hast gesagt, es wäre so gegen drei Uhr?“ Shikamaru drehte sich auf dem Absatz um, sein Gesicht eine Maske träger Gelassenheit; sie stand in völligem Kontrast zu der Dringlichkeit, die seine Schritte nach und nach beschleunigte. 

 

Scheiße. Scheiße. Scheiße!

 

Energisch zwang er sich, nicht loszusprinten, trat rasch über Wurzeln und hätte sich dabei beinahe den Knöchel verstaucht; doch er verlangsamte sein Tempo nicht. Im Gegenteil, er begann schneller zu laufen. Nickend joggte Kiba an seine Seite. 

 

„Nun, ja. Grob geschätzt, vielleicht auch etwas später…was ist denn los?“

 

„Ich muss dringend schlafen, bevor wir schon wieder los müssen.“, log Shikamaru und es kümmerte ihn nicht einmal, ob er Kiba überzeugt hatte oder nicht. 

 

Er hatte nicht gewusst, was ihn vorhin aus dem Schlaf gezogen hatte.
 

Doch er wusste es jetzt.

 

Es war vier Uhr morgens. 

 
 

xXx
 

 
 

 

Scheiße. Scheiße. Scheiße!

 

Shikamaru verlangsamte nun doch seine Schritte, um seinen Weg von Kibas zu trennen, ohne es zu auffällig wirken zu lassen. Er tat so, als würde er eine Verspannung aus dem Nacken drehen, während er darauf wartete, dass sich Kiba zu dem Zelt begab, das er sich mit Lee teilte. 

 

„Bis später“, grinste der Inuzuka und zog die Plane zurück. 

 

Shikamaru gab sich alle Mühe, gelassen auszusehen und winkte dem anderen Chūnin halbherzig zu; er blieb wo er war, bis Akamaru dem Inuzuka ins Innere des Zeltes gefolgt war. Doch in dem Moment, in dem die weiße Rute verschwunden und die Zeltplane zugefallen war, wirbelte Shikamaru scharf herum und duckte sich unter dem Segeltuch hindurch in das Zelt, das er sich mit Neji teilte. 

 

Er brauchte keine Zeit, um sich an das noch schwächere Licht im Inneren zu gewöhnen. Nejis pfeifender Atem zerrte seinen Blick direkt zu dem Hyūga. In der Dunkelheit konnte er gerade so die Gestalt des anderen Ninjas ausmachen. Neji hatte sich in eine halbwegs sitzende Position aufgerichtet und war leicht nach vorn gebeugt. Stirnrunzelnd hob Shikamaru die Stimme genug, um die zunehmend rasselnden Atemzüge zu übertönen. 

 

„Neji.“, sagte er sanft.

 

Keine Antwort.

 

Shikamaru versuchte, in der Finsternis die dunkle Gestalt zu mustern. Seine zusammengekniffenen Augen wurden weich, als sie sich endlich an die fehlende Helligkeit gewöhnt hatten und das schwache Beben bemerkten, dass die starre Form des Hyūga schüttelte. Nejis Finger krallten sich in jede Art von Anker, die sie erreichen konnten; eine Hand umklammerte die Laken, drehte und wickelte sie wie weiße Fesseln um sein Handgelenk, während die andere sich in die blassen Falten seiner Robe grub. 

 

Shikamaru konnte sein Gesicht nicht erkennen, das hinter einem Vorhang seines nach vorn gefallenen langen Haares versteckt war. Doch der Nara musste es auch nicht sehen, um sich den Ausdruck darauf vorstellen zu können…verzerrt von absolutem Schmerz. 

 

Verdammt nochmal, Neji…

 

Zwar war Neji bisher noch nicht in Panik geraten, doch ein nasses blutiges Rasseln brach zwischen abgehackten Atemzügen aus ihm heraus. 

 

Das wird nur immer noch schlimmer…

 

Steif stand Shikamaru da, halb geschlossene Augen auf den Hyūga gerichtet, während sich seine eigenen Finger in seinen Taschen zu losen Fäusten ballten und er ein einziges Mal den Kopf schüttelte; den Drang niederkämpfend, sich zu bewegen. Das hier war jederzeit gefährliches Terrain. Doch jede Sekunde, die verstrich, entriss ihm mehr von seiner Zurückhaltung und ließ ein Loch in seiner Magengegend zurück, das sich bei jedem heiseren Husten und Erschauern des Jōnin mit immer kälter werdender Besorgnis füllte.

 

Shikamaru atmete tief ein. 

 

Dann setzte er sich in Bewegung.

 

Mit drei leisen Schritten schloss er die Distanz und ging neben dem anderen Ninja in die Hocke; er bewegte sich so langsam und unauffällig, wie es ihm in dieser Situation möglich war. Doch Neji schien seine Anwesenheit überhaupt nicht bemerkt zu haben, oder wenn doch, hatte der Hyūga offenbar beschlossen, ihn zu ignorieren. Shikamaru ging davon aus, dass es sich eher um Letzteres handelte. 

 

Er schürzte die Lippen und zog die Weisheit in Betracht, auf Nummer sicher zu gehen.

 

Hn…Warum jetzt damit anfangen?

 

Und so handelte er einfach, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen. 

 

Er legte einen Arm auf seinem Schenkel ab und streckte seine freie Hand aus. Mit kurzem Zögern ließ der Schattenninja sie schweben, bevor er sie zaghaft auf eine bebende Schulter legte. 

 

Nejis Finger spannten sich in den Laken noch heftiger an.

 

Das Rascheln des Stoffes zog für einen Moment Shikamarus Blick nach unten, bevor er über Nejis Arm dorthin zurück glitt, wo seine Hand auf der Schulter des Hyūga ruhte. Ganz sanft drückte er und fuhr mit dem Daumen über ein scharfes Schlüsselbein. Die wagemutige Berührung sorgte sofort dafür, dass sich Neji aufrichtete; Shikamaru konnte deutlich die Spannung spüren, die an den Muskeln unter seiner Hand zerrte. 

 

Ich sollte das lieber langsam angehen lassen.

 

Zärtlich klopfte er mit dem Daumen gegen Nejis Schlüsselbein und ahmte so einen steten Herzschlag nach. Neji verharrte angespannt und versuchte verzweifelt, seine Atmung zu beruhigen. Doch er schlug nicht um sich. Shikamaru beobachtete ihn genau und fragte sich, ob dieses Tolerieren wohl ein vorläufiges Vertrauen vermittelte. Auch, wenn es deutlich weniger extrem war, als ihre letzte Konfrontation, war es dennoch genauso prekär. Die Standsicherheit, auf der sie sich gemeinsam bewegten war ebenso fragil wie Nejis Atem und drohte bereits unter dem leichtesten Druck nachzugeben. 

 

Und dennoch ging Shikamaru das Risiko ein. 

 

Langsam ließ er seine Berührung höher rutschen und seine Finger glitten unter den Wasserfall des dunklen dichten Haares, um zärtlich Nejis Nacken zu massieren. Der Hyūga blieb noch immer verkrampft und sein Körper schüttelte sich unter einer Kombination aus Schmerz und Anspannung; es war eine gefährliche Mischung, die reaktionsfreudig und explosiv war. 

 

Komm schon, Hyūga…

 

Shikamaru konzentrierte sich trotz seines trägen Halbmast-Blickes unbeirrt auf den Jōnin und suchte aufmerksam nach der kleinsten Veränderung oder Reaktion. Vorsichtig fuhr er mit dem leichten Druck seiner Finger fort und bewegte sie langsam über Nejis Genick. Er sagte gar nichts und bot einzig und allein diese sanfte und beruhigende Berührung an, die geräuschlos zwei Worte sprach.

 

Entspann dich…

 

Wieder und wieder ließ er seine Finger diese Nachricht vermitteln, rieb über die Haut des Hyūga und arbeitete gegen die Spannung an, die sich gegen seine Berührung stemmte. Ein kleiner Teil von ihm blieb dabei stets wachsam, immer vorbereitet auf ein heftiges Rucken von Nejis Ellbogen oder ein zorniges Zischen und das abrupte Drehen eines straffen Körpers. 

 

Normalerweise hätte es sich so abspielen müssen. 

 

Und als Nejis rasselnde Atemzüge zu einem stetigeren Rhythmus übergingen, war Shikamaru voll auf eine brutale Reaktion vonseiten des Jōnin gefasst. Was er jedoch überhaupt nicht erwartet hatte, war, dass Neji leicht den Kopf neigte und langsam zitternd ausatmete, als er sich ein wenig entspannte. Da das Gesicht des Hyūga noch immer hinter dem Vorhang seines Haares verborgen war, war es unmöglich, seine Miene zu erkennen; was vermutlich sehr geholfen hätte, um seine derzeitige Gemütslage einschätzen zu können.

 

Nach einem schmerzhaft angespannten Moment beobachtete Shikamaru schweigend, wie Neji eine Hand an seinen Mund hob.

 

Für einige Sekunden verharrte der Hyūga so. 

 

Und als er seine Hand sinken ließ, war die Rückseite seines Handgelenks nass und rot von Blut. 

 

Shikamarus Auge zuckte. „Neji…“

 

„Wie…geht es deinem Kopf…?“, krächzte Neji. 
 

Shikamaru atmete langsam durch die Nase aus und versuchte, sein Glück nicht zu sehr herauszufordern, indem er den Hyūga noch mehr drängte. 

 

„Funktioniert normal.“, sagte er daher nur achselzuckend. „Das ist alles, was zählt.“

 

Ganz leicht drehte Neji den Kopf und die scharfe Kante seiner dichten Strähnen bewegte sich, sodass sie den Grat eines hohen Wangenknochens und die weiche Neigung seines Kiefers freilegte. Shikamaru erhaschte einen flüchtigen Blick auf eine blasse Iris, die ihn musterte. Er sah zurück und seine Finger hielten kurz inne, bevor sie mit der sanften Massage fortfuhren. 

 

Entspann dich. 

 

Nejis Lider schlossen sich zitternd und verrieten seine Reaktion auf die Berührung, bevor er sich fangen konnte. Langsam hob er eine Hand und schob sie unter seine fallenden Haare, um zaghaft nach Shikamarus Handgelenk zu greifen und so den Druck der Finger des Schattenninjas zu stoppen. 

 

„Wir müssen…“ Neji hielt inne, um seine Atmung zu stabilisieren. „Wir müssen an dieser Strategie arbeiten…“

 

„Ich weiß.“ Ruhig musterte Shikamaru ihn und entspannte seine gefangene Hand. 

 

Neji ließ ihn nicht los. 

 

Für einen Moment verharrten sie auf diese Weise; die Finger des Hyūga locker um Shikamarus Handgelenk geschlungen, während die des Nara zaghaft auf dem Nacken des Jōnin lagen. Von all den Dingen, die sich in diesem Augenblick zwischen ihnen hätten entwickeln sollen, gehörte eine angenehme Stille nicht dazu. Und während sie in dieser unerwarteten Ruhe versunken blieben, fragte sich Shikamaru für einen kurzen Moment, ob sein Kopf denn wirklich normal funktionierte – oder der von Neji. 

 

Das ist entweder gut, oder es wird noch richtig hässlich…

 

Shikamaru blieb still, wollte nicht diesen sicheren Grund erschüttern, auf den sie sich irgendwie verirrt hatten; vollkommen frei von den üblichen Minen, die sie beide jedes Mal auslösten, wenn sie beieinander waren.

 

Es war so viel beständiger, so viel ruhiger. 

 

Er hatte keine Ahnung, wie lange sie sie in dieser Position verharrten, doch es musste bereits eine ganze Weile sein, denn Shikamaru bemerkte, dass sich seine Beine unangenehm zu verkrampfen begannen, je länger er in der Hocke blieb. Nichtsdestotrotz machte er keine Anstalten, sich zu bewegen; er wollte auf keinen Fall diesen seltenen Zauber von Ruhe brechen. 

 

Und dann passierte es. 

 

Nejis Daumen strich federleicht über die Haut an seinem Handgelenk und folgte in einer zärtlichen Berührung den Venen. Sie löste eine augenblickliche prickelnde Wärme aus, die Shikamarus Unterarm entlangjagte und winzige statisch knisternde Explosionen in seinem Blut auslöste. Instinktiv bewegten sich Shikamarus Finger und streichelten über Nejis Nacken. 

 

Der Nara hörte, wie der Atem des Hyūgas leicht und weich zitterte; so sanft, dass es ihm beinahe entgangen wäre.

 

Beinahe.

 

Eine glühende Hitze begann sich zwischen ihnen zu regen. 

 

Fuck…dabei berühren wir uns diesmal kaum…

 

Als würden sie beide deutlich das Feuer spüren, mit dem sie gerade spielten, streckte Shikamaru die Finger genau in dem Moment aus, als sich Nejis Griff um sein Handgelenk leicht verstärkte und seine Hand vom Nacken des Hyūga fort zog. Ihre Finger strichen übereinander; dann lehnten sie sich voneinander weg. Neji neigte sich in die eine Richtung, während Shikamaru zurückrutschte, um sich in das zerknüllte Nest seiner eigenen Bettrolle zu setzen. 

 

Stille schwebte schwer zwischen ihnen und kühlte die Luft ab, die eben noch von dieser gefährlichen Hitze erfüllt war. 

 

Keiner von ihnen sagte etwas, als sich Shikamaru zurück auf seine Handflächen lehnte und Neji mit den Fingern durch seine dichten Mokkasträhnen fuhr, die sein Gesicht einrahmten. Doch dankbarerweise breitete sich nur wieder dieses angenehme Schweigen aus; fast wie ein dünner Schleier der Verleugnung über den Funken, die soeben aufgeflammt waren. 

 

Verdammt…

 

Shikamaru schloss die Augen und versuchte, die Wärme niederzukämpfen, die immer noch über seinen Arm tanzte, wo Neji ihn berührt hatte. Es war verrückt – und unbestreitbar. Er konnte sich immer wieder selbst davon überzeugen, eine Menge Dinge zu sein, doch ignorant zu sein, wenn es um sein eigenes Verhalten ging, gehörte definitiv nicht dazu.

 

Diese Anziehungskraft, die er zu Neji verspürte, hatte das Attribut ‚gefährlich‘ inzwischen hinter sich gelassen. 

 

Jedes Mal, wenn die Hitze sie packte, gruben sich ihre Klauen noch ein wenig tiefer…und entrissen immer wieder ein bisschen mehr Kontrolle. Einzig und allein durch ein Streicheln über sein Handgelenk, konnte er sie erneut aufflackern fühlen und dieses Mal war sie stärker. Und in diesem Moment wusste er, dass das letzte Mal, als sie diesem unerklärlichen Hunger nachgegeben hatten, nur ein Hauch von etwas möglicherweise Verschlingendem gewesen war.

 

Shikamarus Augen glitten auf und richteten sich wieder auf Neji. 

 

Er wusste – wusste aus seinem tiefsten Inneren – dass diese aufgeheizte Nacht bei ihm zuhause nur ein verlangender Vorgeschmack dessen gewesen war, was auch immer seine Zähne in sie beide schlagen würde, sollten sie sich jemals wieder auf diese Weise berühren. 

 

Scheiße…das darf nicht passieren…

 

Schlagartig schloss er die Augen und rieb sich über die Lider, als wollte er mit dem Druck tanzende Punkte in seinem Sichtfeld heraufbeschwören statt der aufblitzenden Bilder aus dieser Nacht…

 

Energisch schüttelte er den Kopf gegen diese Erinnerungen an und versuchte, seinen Fokus und seine Priorität aus diesen undurchsichtigen Tiefen zu ziehen, in die sie abzurutschen drohten. 

 

Ich habe eine Vereinbarung getroffen, das ist alles, was zählt…das darf nichts Persönliches werden…

 

In einer scharfen Bewegung ließ Shikamaru seine Hand sinken, als er bemerkte, dass sein Name gerufen wurde. Er hob den Blick zu den Mondsteingleichen Augen, die ihn von der anderen Seite des Zeltes aus beobachteten und beinahe konnte Shikamaru in der Dunkelheit sogar den Gesichtsausdruck des Jōnin ausmachen. 

 

Der Hyūga hatte eine Braue gehoben und seine Lippen waren zu einem schwachen Lächeln verzogen. „Wenn du dann fertig damit bist, deinen eigenen Gedanken hinterherzujagen, haben wir noch eine Strategie auszuarbeiten, Shikamaru.“

 

Der Nara erkannte den leichten Humor in Nejis üblicherweise ruhigen, aber stoischen Stimme und wusste sofort, was der Hyūga hier tat; er bot ihm einen Ausweg an. Er ergriff die Gelegenheit augenblicklich und nutzte sie gleichzeitig, um in ihren humorvollen aber ebenso taktischen Schlagabtausch mit einzufallen. 

 

Eine sichere Grundlage…

 

Mit einem trägen Grinsen legte er den Kopf schief. „Sie sollte lieber eine Spielertausch beinhalten, Hyūga.“

 

Nejis Lippen kräuselten sich langsam. „Eher nicht, Nara.“

 

„Ich meine es ernst. Naruto und Lee werden meinem Kopf ernsthaften Schaden zufügen; und der befindet sich ja noch immer in einem empfindlichen Zustand, nach deiner kleinen…“ Shikamaru ruckte scharf mit dem Kopf, um eine Kopfnuss nachzuahmen. 

 

Nachdenklich summend fuhr sich Neji mit einer Hand über den Mund, um das Schmunzeln aus seinem Gesicht zu wischen. „Ich schätze, ich kann dir Chōji für Lee geben.“

 

„Sakura.“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Das glaube ich eher nicht.“

 

„Sie ist besser in einer Verstärkungsoffensive als bei der Aufklärung, Neji.“

 

„Genau wie Lee.“

 

„Jo.“ Shikamaru schnaubte. „Aber bei Sakura ist Gefahr geringer, dass sie auf den Händen läuft und mich in den Wahnsinn treibt.“

 

„Das ist schwach von dir, Nara.“ Inzwischen musste Neji sogar ein Kichern niederkämpfen. 

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und war sich bewusst, dass Neji keine Kompromisse eingehen würde, obwohl das keineswegs bedeutete, dass er nicht nach einer Möglichkeit suchte, den Grundstein für einen späteren Teamwechsel zu legen; denn letztendlich brauchte er die pinkhaarige Kunoichi. Sie war essentiell für seinen Plan; oder war es zumindest, bevor die Taktik komplett auf den Kopf gestellt worden war. 

 

„Es ist besser, einen Taijutsu Kämpfer wie Lee an der Front und eine Medic-Nin wie Sakura in der Reserve zu haben.“

 

Neji summte. „Ein wahres Wort unter normalen Umständen, aber Sakura ist eine ausreichend gute Kämpferin, mit dem Vorteil, dass sie Ninjutsu beherrscht. Nicht zu erwähnen Kiba und Chōji. Ich muss sagen, dass ich mit der Balance der Teams eigentlich sehr zufrieden bin.“

 

Augenrollend ließ sich Shikamaru auf seine Ellbogen sinken. „Balance? Habe ich den Handstandlauf erwähnt?“

 

„Warte, bis er versucht, dich aus ‚Trainingsgründen‘ gegen deinen Willen huckepack zu tragen.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und grinste. „Du bist ein lästiger Bastard, Hyūga.“

 

Belustigung tanzte in Nejis Augen, als er eine Braue hob. „Das sagst du ständig.“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und legte den Kopf in den Nacken, um an das Zeltdach zu starren; draußen begann es offenbar zu dämmern. Es schien metaphorisch zu der helleren Stimmung zwischen ihnen zu passen, trotz der mangelnden Kompromissbereitschaft vonseiten Nejis. 

 

Er wusste, dass der Hyūga im Moment niemals einem Teamwechsel zustimmen würde – der Jōnin hatte seine Spielfiguren genau da, wo er sie haben wollte und trotz der Störung in Shikamarus ursprünglichem Plan, hatte er bereits damit angefangen, mit den neu gemischten Karten zu spielen, die ihm zugeschoben worden waren. 

 

Es ist ein Drama…aber auch die einzige verdammte Option…

 

Was bedeutete, dass es nur Energieverschwendung wäre, sich jetzt über die Situation aufzuregen, ganz zu schweigen davon, dass es viel zu lästig war, wenn er dermaßen müde war. Und außerdem verfolgte er mit dem spielerischen Geplänkel zwischen ihm und Neji auch noch ein anderes Ziel. Es war eine seltene Gelegenheit, die Shikamaru nicht verstreichen lassen wollte – aus einem Grund, dem er keine Aufmerksamkeit schenken wollte. 

 

Das ist nichts Persönliches…

 

Summend stierte Shikamaru weiter an das Zeltdach. „Weißt du, du könntest auch Narutos Schattenklone nutzen, um…“

 

„Du schlägst gerade nicht ernsthaft Naruto für das Aufklärungsteam vor, Shikamaru?!“

 

„Knebel ihn und du hast kein Problem.“

 

„Es ist schon schwer genug, einen zum Schweigen zu bringen, wenn nicht sogar unmöglich…geschweige denn alle seine Klone.“

 

Ohne den Kopf zu bewegen senkte Shikamaru den Blick und spähte unter dichten Wimpern und mit einem schiefen Grinsen zu Neji hinüber. „Soll das heißen, der formidable Hyūga hat Angst vor Konohas Schafskopf?“

 

„Wenn sich besagter ‚Schafskopf‘ vervielfacht, habe ich jeden Grund, beunruhigt zu sein, nicht verängstigt.“ Neji schüttelte den Kopf. „Außerdem befolgt er nie Befehle.“

 

„Jo, aber er ist nicht einfach zu besiegen. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der mehr aushält.“

 

Neji legte das Haupt schräg. „Seine Stärke kann ich nicht verleugnen, was aber nur noch mehr Grund ist, ihn im Reserveteam zu lassen.“

 

„Sakura hat einen harten Schlag. Das Verstärkungsteam könnte sie gut gebrauchen.“

 

„Nein.“

 

„Du bist ein einziges Ärgernis, Hyūga…“, sagte Shikamaru gedehnt, doch seine Augen flackerten mit einem stummen Lachen. „Du weißt, dass Sakura schnarcht, oder?“

 

Neji grinste. „Selbst wenn ich dir glauben würde, wäre es nur noch mehr Grund, sie in meiner Gruppe zu behalten. Schließlich würde ich nicht wollen, dass sie deine narkoleptischen Schläfchen stört.“

 

„Und sie schlägt wie Ino…vermutlich sogar härter, wenn man nach den blauen Flecken geht, die Naruto ständig hat.“

 

Neji schüttelte mit einem amüsierten Aufeinanderpressen seiner Lippen den Kopf. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Ist sie dir denn lästig?“

 

„Tut mir leid, Shikamaru, aber ich werde Sakura diesmal die Chance geben, Lee zu übertreffen.“ 

 

„Übertreffen? Das wird nie passieren. Die beiden bewegen sich keinesfalls auf Augenhöhe.“

 

„Achja?“ Neji blinzelte. „Und warum das?“

 

Shikamarus ausdruckslose Miene passte zu seiner flachen Stimme. 
 

„…sie ‚brennt nicht mit der Flamme ewiger Jugend‘.“

 

Es war es absolut wert, diese lächerliche Phrase auszusprechen, nur um Neji endlich einmal lachen zu hören.

 
 

xXx
 

 
 

Zwei Stunden später waren die beiden Teams bereit, verschiedene Wege einzuschlagen. 

 

Das brüchige Licht der Dämmerung schimmerte durch die Bäume und tauchte den Lagerplatz in ein nebliges Beige. Sämtliche Spuren, die auf die Anwesenheit der Shinobi hätten hinweisen können, waren getilgt. Während sich die Gruppen zum Aufbruch bereit machten, sah Shikamaru zu, wie Naruto den lächerlich schweren Rucksack hoch hob, den ursprünglich Chōji getragen hatte und leise grummelte, dass es sogar Packpferde leichter hätten. 

 

„Reiß dich zusammen.“, foppte Kiba ihn grinsend. 

 

„Warum müssen wir jetzt auch noch euren Scheiß tragen?“ Naruto zog eine finstere Miene und rollte knurrend mit den Schultern gegen das Gewicht der zusätzlichen Bettrollen und Zeltplanen an. 

 

„Sieh es als eine Gelegenheit zu trainieren…“, nuschelte Shikamaru und seine schläfrigen Augen wanderten zu Lee. „Stimmt’s, Lee?“

 

„Jeder Herausforderung ist eine Gelegenheit, stärker zu werden, Naruto!“, flötete Lee viel zu energiegeladen, wenn man die frühe Stunde bedachte. „Es ist so belebend!“

 

Kopfschüttelnd sah Shikamaru dem Ninja mit den buschigen Augenbrauen zu, wie er sich die zweifache Last seiner Ausrüstung auf den Rücken schnallte, bevor er den Hüftgurt festzog und enthusiastisch einen Daumen in die Luft streckte. Narutos Miene verdüsterte sich noch mehr und er murrte ununterbrochen, während er das Gewicht von einem Bein auf das andere verlagerte. 

 

Hinata beobachtete das Ganze mit stiller Besorgnis und bot an, so viel Gewicht zu tragen, wie es ihr möglich war, während sie gleichzeitig versuchte, Kiba davon abzuhalten, Naruto zu ärgern. Gähnend schulterte Shikamaru seinen eigenen Rucksack, blieb aber weiter träge gegen einen Baum gelehnt. Langsam glitt sein Blick hinüber zu Neji und er beobachtete den Jōnin durch halb geschlossene Augen. 

 

Der Hyūga hockte ein Stück entfernt und sprach mit Chōji und Sakura, den Kopf geneigt und seine Aufmerksamkeit auf die Karte gerichtet, die auf dem Waldboden ausgebreitet war. Shikamaru sah zu, wie der Jōnin mit einem Finger über das vom Byakugan kartierte Gebiet strich und den Bereich umkreiste, an dem sich die beiden Teams in Absprache mit Shikamaru treffen sollten. Sie würden sich dort sammeln, nachdem das Aufklärungsteam das Level der Bedrohung aus der Ferne eingeschätzt und die Peripherie des Dorfes nach Tsubasa Rebellen abgesucht hätte. 

 

Nach Nejis Mission zu urteilen, die er zusammen mit Tenten und Lee vor zwei Monaten abgeschlossen hatte, gab es eine offensichtliche Spaltung innerhalb des Tsubasa Clans. Es wäre von großem Vorteil, Verbündete hinter den Linien des Feindes zu finden, gemessen daran, dass die Beziehung zwischen Hanegakure und Konoha so verdammt undurchsichtig geworden war. 

 

Und jetzt vermutlich sogar feindselig…

 

Die Bedrohung einschätzen und Informationen über mögliche Verbündete sammeln; das war die erste Phase der Mission. Als nächstes käme das Ziel und möglicherweise die Notwendigkeit, entweder einen Gesandten im Namen von Konoha loszuschicken…oder aber eine Offensive zu starten, um die Bedrohung zu beseitigen. 

 

Hoffentlich kommt es nicht so weit…

 

„Mann, beeilt euch mal! Ich bekomm schon einen Krampf!“, plärrte Naruto und fing sich dafür einen tadelnden Blick von Sakura ein. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Beruhig dich!“

 

Doch es war gar nicht nötig; Neji rollte breits die Karte zusammen und Chōji und Sakura hatten sich erhoben, um ihre Rucksäcke aufzusammeln. Shikamaru stieß sich von dem Baum ab, hielt aber mit einem leichten Stirnrunzeln inne, als er beobachtete, wie Neji zusammenzuckte, während er sich aufrichtete. Eine Hand des Hyūga berührte flüchtig seine Brust, bevor er die Finger zu dem Riemen seiner schwarzbraunen Tasche gleiten ließ und es so wirken ließ, als wollte er ihn nur zurechtziehen. 

 

Es war nur eine subtile Bewegung, doch Shikamaru entging sie nicht. 

 

Die Zeit läuft ab…

 

Sofort fokussierte sich sein Verstand auf sein eigentliches, hintergründiges Ziel und Tsunades Worte spielten sich wie ein warnender Kommentar über seinen Gedanken ab. 

 

‚Wir haben einen Deal. Sorg dafür, dass es klappt, Nara…denn mit der Zeit werde ich gezwungen sein, einzuschreiten. Wenn du es nicht schaffst, dieses Problem zu beheben, bleibt mir keine andere Wahl, als einen Hyūga ins Spiel zu bringen, der es kann.‘

 

Shikamaru entließ zitternd den Atem, von dem er zunächst gar nicht gemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte. 

 

Rasch setzte seine müde Miene auf, als Neji auf ihn zuschritt und ihm ein Funkgerät reichte. 

 

„Sozusagen erprobt und getestet.“, sagte Neji leise. „Ich habe einen Prioritätskanal eingestellt; solltest du mich kontaktieren müssen, ohne die anderen Leitungen nutzen zu wollen. Ich gebe dir den Lagebericht durch, sobald wir die erste Phase abgeschlossen haben. Lass uns dann nochmal den Treffpunkt bestätigen, nur für den Fall, dass sich etwas in unserem Plan ändert.“

 

„Verstanden.“ Shikamaru nickte und ließ den Transmitter in einer Tasche seiner Flakweste verschwinden. „Wir bewegen uns mit der vereinbarten Geschwindigkeit vorwärts. Die zusätzliche Ausrüstung sollte Naruto davon abhalten, voranzupreschen.“

 

„Wie vereinbart.“, bestätigte Neji und seine Lippen bogen sich schwach, als er zu dem immer noch meckernden Uzumaki hinüber linste. 

 

Doch Shikamaru folgte seinem Blick nicht und senkte die Augen stattdessen zu Nejis Brust; als er wieder aufsah, bemerkte er, dass Neji ihn beobachtete. Sie tauschten einen stummen Blick aus, gefolgt von einem subtilen Neigen von Shikamarus Kopf, das ein langsames Blinzeln bei dem anderen Ninja auslöste. 

 

Eine Frage, die gestellt und eine Antwort, die gegeben wurde, ohne ein Wort zu sagen. 

 

Nein Neji, dir geht es nicht gut…

 

Obwohl Shikamaru seine Antwort aussprechen wollte, hielt er sich zurück. Der Hyūga schien sein Unbehagen gespürt zu haben, denn Neji schüttelte den Kopf und drehte sich um, bevor er einen letzten Blick zurück warf. 

 

Zeit zu gehen.

 

Shikamaru hielt für einen weiteren Herzschlag die blassen Iriden in seinem Bann, bevor er sich von dem Baum entfernte. 

 

Ihre stumme Kommunikation war niemandem aufgefallen. 

 

Und selbst als sich die Gruppen trennten, bemerkte niemand außer Hinata, wie Neji auf seltsame Art auf Shikamarus Stirn sah…

 

…oder wie sich Shikamarus Stirn in Falten legte, als er beobachtete, wie Neji sich umwandte und davonlief.  

 

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Noch einmal geht es etwas ruhiger bei Shikamaru und Neji weiter. ABER: Ich kann ohne zu viel zu spoilern sagen, dass es sehr bald wieder mehr Action geben wird UND auch langsam mehr Licht in das Dunkel um Nejis Zustand kommen wird! ;) 

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat, bitte lasst mich wieder eure Meinung wissen, ich freu mich immer so über eure Worte! <3
 

Vielen vielen Dank an alle meine treuen Review-Schreiber/innen und Leser/innen, fühlt euch alle geknuddelt! <3

Mentors and guardians

Vor Neji erstreckte sich eine farblose Welt; es war wie ein invertierter Plan, den sein Byakugan mühelos kartierte; seine teleskopartige Reichweite deckte das Team zu allen Seiten ab, während sie langsam vorrückten. Ununterbrochen und aufmerksam alles um sich herum beobachtend blieb Neji fest im klar umrissenen Kokon seines Dōjutsus verwurzelt, das alle Farbsättigung seiner Umgebung schluckte.

 

Zehn Stunden. In der nächsten halben Stunde, sollten wir das Land infiltriert haben…

 

Während er Zeit und Entfernung einschätzte, stieß sich Neji leicht von einem Ast ab und senkte den Blick hinunter zu den rennenden Chūnin. Kiba und Akamaru führten die Gruppe an, Chōji und Sakura befanden sich dahinter im Zentrum ihrer Formation. Am Ende folgte Neji in den Baumkronen; es war unerlässlich, dass sich zumindest ein Ninja in dem Blätterdach bewegte, um auch dieses Level überwachen zu können. 

 

‚Die Tsubasa sind ein Clan, der noch mehr von den Bäumen abhängig ist, als jeder Shinobi aus Konoha…‘

 

Neji ließ die Information sacken und teilte seine Aufmerksamkeit zwischen dem Scannen der Umgebung und der Überprüfung des Wissens auf, das sie aus früheren Begegnungen und Geschäften mit Hanegakure erhalten hatten. Sämtliche Daten, die ihm zur Verfügung standen, waren bereits im Vorfeld durch das Sieb von Shikamarus analytischem und präzisen Verstand gefiltert worden – und waren in prägnante nützliche Fakten unterteilt worden.

 

Der Nara hatte die Informationen beinahe schon lakonisch klar formuliert, wie einen detaillierten Bericht. 

 

Hanegakure. Land der Federn. Heimat des Tsubasaclans. Einst verbündet mit Konoha, jedoch nach dem Dritten Großen Shinobi Krieg aus der Allianz ausgestoßen. Die Beziehungen zwischen den Dörfern endeten. Gerüchte berichten über zivile Unruhen innerhalb des Tsuabasa Clans; eine Rebellengruppe hat sich formiert. Als Folge heuerten sie Shinobi aus Konoha an, um gestohlene Schriftrollen zurückzuholen…

 

…und ihre Rebellen auf Genin-Level umzubringen…

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich und sein Geist drehte sich von dem Faktenstrom hin zu der Erinnerung an einen grausamen Kampf, in dem er das Leben einer jungen Frau beendet hatte…

 

Einer jungen Mutter…

 

Kopfschüttelnd bemühte er sich, seinen Fokus wieder auf den Vorrat objektiver Informationen zu richten und von der Flut gefährlicher Gedanken fortzuziehen, für die er keinen Platz in seinem Kopf haben durfte; geschweige denn durfte er zulassen, dass sie sein Urteilsvermögen beeinflussten, wenn es um diese Mission ging. 

 

Konzentrier dich.

 

Die Tsubasa heuerten Shinobi aus Konoha an, um die Rebellen zu eliminieren und die Schriftrollen zurückzuholen. Diese ‚Rebellen‘ könnten sich jetzt als unsere Verbündeten herausstellen. Weiterhin haben es die Tsubasa darauf abgesehen, Dōjutsus zu sammeln, oder zumindest war dem so. 

 

Blinzelnd schätzte Neji die Richtung ein, in die sie sich bewegen mussten, als sich der Weg unter ihm zu schlängeln begann. Mit seinem Byakugan konnte er sehen, dass der Pfad einige Kurven beschrieb und an manchen Stellen steil in den Erdboden abfiel. Doch er musste nicht anhalten, um die Gruppe zu führen; sein Team hielt weiterhin das Tempo, da Akamaru alle tiefen Schlaglöcher im Boden und Unterholz fand und die anderen trittsicher darum herum navigierte. 

 

Ein schrilles Kreischen explodierte vor ihm. 

 

Neji blinzelte rasch. 

 

Wie aus dem Nichts schnellte ein Vogel durch sein Sichtfeld und prallte beinahe mit ihm zusammen. 

 

Mit Leichtigkeit wich er zur Seite und richtete seine Aufmerksamkeit gleich darauf wieder auf den Einsatzplan in seinem Kopf. 

 

Derzeitiges Ziel: Abschluss der ersten Missionsphase. Identifiziere das Ausmaß der Spaltung des Tsubasa Clans, finde die Absichten beider Seiten heraus, beurteile das Level an Bedrohung für Konoha und schütze etwaige Verbündete hinter den feindlichen Linien. 

 

Simpel.

 

„Wir haben ein Problem.“ Kibas Stimme kratzte durch den Transmitter. 

 

Nejis Blick wanderte nach unten zu dem laufenden Chūnin. „Was ist los?“

 

„Akamaru nimmt irgendetwas seltsames wahr.“

 

Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben und er nutzte die teleskopartige Sphäre seines Byakugan, um sowohl die Baumkronen als auch das Unterholz zu überprüfen. „Ich höre.“

 

„Ich kann es nicht erklären. Wir arbeiten hier mit reinem Instinkt. Er ist sehr aufgeregt.“

 

„Aufgeregt?“ Neji stieß sich von einem weiteren Ast ab und drehte den Kopf, seine Augen bewegten sich ununterbrochen, während er die Umgebung absuchte. „Drück dich etwas klarer aus, Kiba. Ich brauche mehr als nur Akamarus Vorahnung.“

 

„Nimm es oder lass es bleiben…es ist nicht so einfach einem menschlichen Hirn einen animalischen Instinkt zu erklären.“

 

Menschlich…

 

Shikamarus Stimme sickerte durch die haarfeinen Risse in seiner Konzentration; fast so, als würde auch sie durch das Funkgerät zu ihm sprechen. 

 

‚Hin und wieder handeln wir rein aus Instinkt, aber einer anderen Art von Instinkt. Eine, die nicht von unserem Verstand geleitet wird…‘

 

Neji legte die Stirn in Falten und hob eine Hand, um mit einem Finger das Funkgerät zu berühren und den Kanal an seine drei Teammitglieder zu öffnen. „Stop!“

 

Sofort hielt die Gruppe inne. 

 

Neji ließ eine kleine Menge Chakra in seine Füße fließen und landete geduckt auf dem nächsten Ast, bevor er sich auf Bodenlevel fallen ließ. Während sich die anderen näherten, erhob er sich und wandte sich Kiba zu. 
 

„Aufgeregt, sagtest du?“ Nejis blasse Augen zuckten zu Akamaru. 

 

Der Inzuka ging neben dem Hund in die Hocke und schlang einen Arm um Akamarus Hals. „Ja, irgendwas stimmt nicht.“

 

Neji runzelte erneut die Stirn, er wünschte sich etwas mehr Klarheit in dieser Sache. Akamaru schien wie auf Zehenspitzen zu stehen, schnupperte in die Luft und entließ ein tiefes grummelndes Winseln, während sein Kopf nach oben ruckte, dann wieder nach unten; als wäre er sich nicht sicher, woher die Ursache für seinen Aufruhr kam. 

 

Am besten sind wir ab jetzt besonders vorsichtig.

 

Für einen Moment entfernte sich Neji ein Stück von der Gruppe, atmete tief ein und hob eine Hand. Er formte das Schlangensymbol, indem er seinen rechten Zeige- und Mittelfinger hob und hielt das Handzeichen, um den Fokus seines Dōjutsus noch zu verbessern. Dann begann er zu suchen, ließ den Blick aufmerksam über das Blätterdach und das dichte Unterholz des Waldbodens gleiten.

 

In unmittelbarer Umgebung konnte er nichts erkennen außer Vögel und Insekten, doch er hatte keinen Zweifel, dass er beginnen würde, feindliche Aktivitäten zu bemerken, wenn er seine Sicht noch weiter strecken würde.

 

„In unserer jetzigen Position scheinen wir sicher zu sein.“, sagte er und ließ seine Hand sinken. 

 

„Dann rücken wir weiter vor?“, fragte Sakura und hakte ihre Daumen unter die Riemen ihres Rucksacks, um ihn etwas zu justieren. 

 

„Ja.“ Neji kehrte zu der Gruppe zurück. „Wir überschreiten die Grenze zu Hanegakure innerhalb der nächsten dreißig Minuten. Es ist sicher anzunehmen, dass sie in diesem Bereich patrouillieren werden, sowohl auf Boden- als auch auf Baumlevel.“

 

„Verstanden.“ Sakura und Chōji nickten.

 

Neji spähte zu Kiba hinüber. Doch der Inuzuka beobachtete weiterhin Akamaru und seine Nase zuckte, um den Geruch aufzunehmen, den sein Hund offenbar genauer erkennen konnte. Neji sah zurück zu den anderen beiden Chūnin. 

 

„Denkt daran, was wir besprochen haben. Wir sind nicht hier, um den Feind anzugreifen, aber sollten wir in eine unvermeidbare Konfrontation geraten, dann lasst ihr euch sofort in die Formation zurückfallen, die wir ausgemacht haben!“ Einen kurzen Moment hielt der Hyūga inne, als sein Verstand die letzte Auseinandersetzung mit den Tsubasa Revue passieren ließ. „Auf keinen Fall dürfen wir bei den Tsubasa ein Risiko eingehen, nicht, solange wir keine Ahnung von ihren Fähigkeiten haben. Seid ab jetzt auf alles vorbereitet!“

 

Stirnrunzelnd tauschte Sakura einen Blick mit Chōji aus. „Denkst du, dass uns etwas Ähnliches erwartet, wie das, wogegen du, Gai-sensei und Kurenai-sensei angehen musstet?“

 

„Es ist nicht unwahrscheinlich…aber auf der anderen Seite war Fukurō keine Informationsquelle, der man trauen kann.“

 

„Bist du dir da sicher?“ Mit einer finsteren Miene sah Kiba auf. „Immerhin war er ja in der Verantwortung.“

 

Neji schüttelte den Kopf. 

 

„Er war zwar damals der Clanführer, aber wir haben nicht die geringste Ahnung, wer diesen Platz jetzt eingenommen hat, oder welche Absichten diese Person verfolgt. Wir sind uns ja nicht einmal wirklich sicher, dass Fukurōs Absichten und Taten repräsentativ für das ganze Dorf standen. Schon allein die Rebellen standen ganz klar nicht auf seiner Seite.“

 

Sakura nickte. „Im Grunde nehmen wir also am besten erst einmal gar nichts an.“

 

„Im Grunde wissen wir also einen Scheiß.“, übersetzte Kiba und wuschelte durch Akamarus Fell. 

 

Geradeheraus, aber definitiv wahr.

 

„Daher ja auch die Notwendigkeit unserer Aufklärung.“, erwiderte Neji. „Zumindest haben wir schon vorher ein paar Erfahrungen mit dem Gegner sammeln können.“

 

„Und wir haben Shikamarus Team als Verstärkung.“, fügte Chōji grinsend hinzu. 

 

„Lasst uns hoffen, dass wir sie nicht brauchen.“

 

Bevor Neji die Gruppe jedoch wieder auf Kurs bringen konnte, schnellte Akamarus Schwanz angespannt nach oben und er machte eine Bürste, was Kiba dazu zwang, den Griff seines Armes zu verändern. 

 

„Scheiße.“

 

„Was ist los?“, fragte Neji stirnrunzelnd. 

 

Doch Kiba erhielt nie die Gelegenheit für eine Erklärung. 

 

Akamaru wirbelte scharf herum und ein dumpfes Knurren brach zwischen seinen gebleckten Fängen hervor. 

 

Noch bevor irgendjemand reagieren konnte, duckte sich der Hund und stürzte vorwärts…seine Kiefer schnappten direkt nach Nejis Füßen. 

 
 

oOo
 

 
 

Vier Uhr morgens…

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander. 

 

Warum ist es immer um vier Uhr morgens…?

 

Es musste einen Grund dafür geben.

 

Die Hinweise darauf lagen irgendwo tief in seinem Kopf vergraben, wie Shogi Steine, die neu ausgerichtet werden mussten. 

 

Verdammt nochmal, denk nach.

 

„Hast du Kopfschmerzen?“

 

Narutos Stimme zerrte Shikamaru aus den Katakomben seines Verstandes, in denen der Großteil seines Fokus verankert war, obwohl er nach außen den Eindruck erweckte, als würde er sorglos vor sich hin dösen. Er lehnte halb liegend an einem Baum, ein Bein aufgestellt und das andere auf den Wurzeln abgelegt. 

 

„He, Genie!“, bohrte Naruto weiter.  

 

Shikamaru spähte finster unter dem Schirm seiner Hand hervor. „Was?“

 

Narutos himmelblaue Augen verengten sich zu argwöhnischen Schlitzen, während er sich nach vorn lehnte und dadurch beinahe selbst dafür sorgte, wegen des ganzen Gewichtes der Ausrüstung, die auf seinem Rücken festgeschnallt war, vornüber zu kippen. Er sah zu Shikamaru hinunter. 

 

„Du reibst dir jetzt schon seit…bestimmt zehn Minuten ständig so über die Stirn.“

 

Träge blinzelte der Nara und senkte die Hand von seinem Kopf, während sein Gesicht eine sichere ausdruckslose Miene annahm. „Jo, ich bin nur müde.“

 

„Du bist immer müde, Faulpelz.“ Naruto beugte sich noch näher, sein Gesicht verzog sich in einer prüfenden Untersuchung, als er versuchte, irgendetwas in Shikamarus gelangweilten Zügen zu lesen. „Du warst auch schon total abwesend, bevor wir überhaupt aufgebrochen sind.“

 

„Das nennt sich Denken. Willst du vielleicht auch wissen, was genau das bedeutet?“

 

Doch der spielerische Spott ließ Naruto nur unverzagt grinsen. Shikamaru seufzte tief, als der energetische Ninja sich noch weiter zu ihm beugte und den Aufwand seiner Inspektion verdoppelte. 

 

„Ich glaube ja immer noch, dass du krank bist, oder so.“ Der Uzumaki legte die Stirn in Falten und seine Belustigung verwandelte sich schlagartig in Besorgnis. „Kiba meinte, du hättest üble Kopfschmerzen gehabt.“

 

„Nein.“ Shikamaru hob eine Braue. „Aber ich kriege jede Minute welche.“

 

„Im Ernst, Shikamaru, bist du okay?“

 

Jetzt wird also sogar schon Naruto scharfsinnig? Wann ist das denn passiert?

 

Shikamaru stöhnte genervt. Ruhig hob er eine Hand in den Raum zwischen ihren Gesichtern, tippte einen Finger gegen Narutos Stirn und schob fest genug, um den anderen Ninja aus dem Gleichgewicht zu bringen. 

 

Mit fuchtelnden Armen taumelte der Uzumaki zurück, um nicht auf seinem Hintern zu landen. 

 

„Hey!“, quäkte Naruto beleidigt und schwang seinen Oberkörper albern vor und zurück, wie ein Mann, der über ein Drahtseil balancierte, um das Gewicht seiner Rucksäcke auszugleichen. „Willst du mich verkrüppeln?“

 

„Würde es dafür sorgen, dass du die Klappe hältst?“ Shikamaru rollte mit den Augen und legte einen Arm über sein aufgestelltes Knie. „Du kannst auch was von dem Zeug ablegen, Naruto. Wir bleiben hier noch für die nächste halbe Stunde.“

 

„Jo, aber ich brauche ungefähr genauso lang, mir diesen ganzen Mist wieder anzulegen.“

 

„In dem Fall geh irgendwohin und lehn dich an irgendwas.“

 

„Trottel.“, schnaubte Naruto, doch er grinste schon wieder.

 

Shikamaru schmunzelte und legte sich den anderen Arm unter den Kopf, während er sich wieder gegen den Baum zurücksinken und den Blick über den späten Nachmittagshimmel gleiten ließ. 

 

Durch das Blätterdach konnte er keine Wolken sehen. 

 

Zu schade…

 

Zumindest hatten sie noch etwas Zeit, bevor sie wieder aufbrechen mussten; die gleiche Geschwindigkeit mit Nejis Team beizubehalten war sehr wichtig. Selbst die kleinsten Ausrutscher konnten sich zu halbstündigen Verzögerungen ansammeln, die sie sich auf diesem unbekannten Gebiet nicht leisten konnten

 

„Shikamaru-kun, bist du etwa immer noch müde?“, rief Lee enthusiastisch von oben zu ihm herab und zog Shikamarus Blick damit zu dem Ast direkt über dem Kopf des Nara. 

 

Lee hockte wie ein zusammengekauerter Laubfrosch kopfüber und hielt sich an dem Ast fest, seine weiten Augen blinzelten nicht. Shikamaru gab sich alle Mühe nicht halb belustigt und halb beunruhigt auszusehen. 

 

„Ich hätte auf jeden Fall nichts dagegen, ein Nickerchen zu machen.“

 

Lee verzog das Gesicht und schien diese Worte mit offensichtlicher Abneigung verarbeiten zu müssen; oder mit Besorgnis – was vermutlich noch schlimmer war. „Du scheinst dich nicht besonders energiegeladen zu fühlen.“

 

„Ich fühle mich nie besonders energiegeladen.“, merkte der Nara an.

 

„Es ist eine Frage des Willens, Shikamaru-kun.“

 

„Täusch dich nicht, ich bin absichtlich entspannt, aber danke.“

 

„Der jugendliche Geist kann nicht in dir brennen, wenn er durch Müdigkeit erdrückt wird!“

 

Und hier kommt es…

 

Shikamaru schürzte die Lippen, voll darauf gefasst, jeden Augenblick der Empfänger einer besonders ‚jugendlichen‘ Lektion zu sein. Und offensichtlich schien Lee ihn auch keineswegs enttäuschen zu wollen, denn er hüpfte von seiner Kopfüber-Hocke auf den Boden und landete geduckt neben dem faulenzenden Schattenninja. 

 

„Du solltest mal mit mir und Gai-sensei trainieren. Es ist so erfrischend und wird deine Trägheit kurieren.“

 

„Wird das auch beinhalten, dass ich gegen meinen Willen durch die Gegend getragen werde?“, murrte Shikamaru; sofort erschien Nejis schmunzelndes Gesicht vor seinem inneren Auge. 

 

Lee legte den Kopf schief. „Redest du von Krafttraining?“

 

„Jo…klar...“ Shikamaru schloss die Lider und lehnte den Kopf gegen die raue Rinde des Baumes, während er versuchte, das Gesicht des Hyūgas aus seinen Gedanken zu vertreiben. „Du, Tenten und Neji, trainiert ihr noch zusammen?“

 

„Seit Neji Jōnin ist nicht mehr so oft wie früher.“

 

Eins von Shikamarus Augen öffnete sich einen Spalt breit und spähte zu dem grüngekleideten Ninja hinüber. Gerade vollführte Lee eine Runde Liegestützen und wechselte dabei zwischen zwei Armen und nur einem. 

 

„Ja, er hat wirklich das Maximum aus sich herausgeholt…“, bemerkte Shikamaru leise, während er müßiger Weise die Liegestütze mitzählte. 

 

„Ich habe nichts Geringeres von meinem Rivalen erwartet!“, strahlte Lee und wechselte die Hand. „Neji ist zu Großem bestimmt.“

 

Erneut schloss Shikamaru die Lider und grübelte über die verschiedenen philosophischen Interpretationsmöglichkeiten dieser Aussage nach. Er fragte sich, was wohl Neji davon halten würde, gemessen daran, was für ein empfindliches Thema ‚Bestimmung‘ früher für ihn gewesen war. 

 

„Du denkst nicht, dass er sich mit dem Rang eines Jōnin zufrieden geben wird?“

 

Lee schüttelte den Kopf. „Das ist nicht sein finales Ziel.“

 

„Ach nein?“, fragte Shikamaru, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte und hob die Wimpern, wirkte aber immer noch entspannt. „Was ist denn sein finales Ziel?“

 

Lee wechselte fließend zu Sit-Ups und kam dabei noch nicht einmal ins Schwitzen. „Ich weiß es nicht. Aber was immer es ist, es übertrifft Jōnin.“

 

Shikamaru versuchte nicht ein einmal, seinen verblüfften Gesichtsausdruck zu verbergen. „Du weißt es wirklich nicht?“

 

„Nein.“ Lee kicherte leicht. „Bei jemandem wie Neji können wir nur mutmaßen.“

 

Jemandem wie Neji…

 

Plötzlich fragte sich Shikamaru, unter was für ein rivalisierend ikonisierendes Licht Lee den Hyūga geschoben hatte. Es würde zumindest erklären, warum Lee Neji so unglaublich schnell verziehen hatte, dass der Hyūga ihn vor Monaten ausgeknockt hatte. Doch am Ende dieses Gedankens reihte sich ein weiterer, viel dringlicherer ein. Warumes der Hyūga überhaupt getan hatte. 

 

Ich hätte es ja als Ausraster unter emotionalem Druck abgetan…aber das füllt nicht die Lücken…es muss einen Auslöser gegeben haben…eine Ursache…

 

Shikamaru warf Lee einen Seitenblick zu und dachte angestrengt über seine Optionen nach.

 

Ich könnte einfach fragen…ist ja nicht so, als würde sich das von selber klären…ugh…wie lästig…

 

Er würde dabei sehr vorsichtig sein müssen. 

 

„Jōnin ist einer der höchsten Ränge, die es in Konoha gibt, also wie kannst du dir sicher sein, dass er überhaupt ein Ziel jenseits dessen hat?“

 

„Na weil“ Lee warf ihm ein Lächeln zu „er mir mal gesagt hat, dass es nicht sein höchstes Ziel ist, Jōnin zu werden.“

 

Shikamaru legte ein wenig den Kopf in den Nacken und ließ den Blick über das Blätterdach wandern. „Glaubst du, er strebt ANBU an?“

 

„Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Shikamaru-kun. Er gibt kaum etwas von sich preis.“

 

„Er lässt sich nicht in die Karten schauen, huh?“, fragte der Nara mit einem Gähnen und dirigierte die Unterhaltung vorsichtig in eine andere Richtung. „Aber ihr arbeitet immer noch hin und wieder als altes Team zusammen, oder?“

 

Lee nickte und sprang zurück auf die Füße, um sofort in eine Runde Squats überzugehen, deren Anzahl vermutlich bis in die Hunderte gehen würde. „Ab und zu, aber Neji übernimmt in letzter Zeit sehr viele Solomissionen.“

 

Shikamaru registrierte die sich bietende Gelegenheit und ergriff sie sofort. „Warum das?“

 

Mit gebeugten Knien hielt Lee inne und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, bevor er fortfuhr. „Ich denke, er versucht stärker zu werden. Kann es nicht wirklich einschätzen. Aber nichts, was Neji tut, ist grundlos.“

 

Ja…wie dich auf deinen Hintern zu setzen, obwohl du rein gar nichts getan hast…

 

Shikamaru schürzte die Lippen und ging seine verschiedenen Möglichkeiten durch auf der Suche nach dem besten Weg, dieses Thema anzusprechen; doch er musste dabei so viele Flanken decken. Das absolut Letzte, das er tun wollte, war irgendwelche Samen in Lees Verstand zu säen, die den Taijutsu Ninja auf die Idee bringen könnten, dass etwas im Argen lag. Und dazu kam noch, dass er selbst Nejis Verhalten an jenem Abend als spontane Ablenkungstaktik rechtfertigt hatte. 

 

Irgendetwas hat das alles ausgelöst…in dieser Nacht…irgendwas hat ihn aus dem Konzept gebracht…Lee und Naruto haben sich über rührseligen Mist unterhalten…Scheiße…denk nach, verdammt…

 

Die Augen schließend versuchte Shikamaru, seinen Verstand zurück zu der regnerischen Nacht zu lenken, als dieses ganze lästige Chaos seinen Anfang genommen hatte. 

 

Rückblenden blitzten in seinem Geist auf. 

 

Tenten, Lee, Naruto, Neji und er selbst…Neji war abgelenkt gewesen…distanziert…mehr als sonst…vielleicht sogar ein bisschen verärgert, doch das war wegen all dieser abartigen Verteidigungen des Hyūga schwer zu sagen…sie hatten einen Akatsuki Nachahmer verfolgt…in diesem ätzenden Regen…und Naruto und Lee hatten über etwas gesprochen…über…

 

Kakashi und Gai…

 

Shikamaru hatte zu der Zeit nicht wirklich zugehört; er war viel zu sehr wegen des Regens angepisst gewesen und wegen des Einflusses, den das schwindende Licht auf sein Jutsu haben würde. Nichtsdestotrotz konnte er sich erinnern, dass Naruto und Lee sich einen verbalen Kampf geliefert hatten, bei dem sie ihre jeweiligen Senseis verteidigt und gepriesen hatten…irgendein Mist darüber, welcher der mächtigen Rivalen am weitesten pissen konnte. 

 

Doch dann hatte sich ihr Loyalitätskampf zu etwas entwickelt, das weitaus sentimentaler war. 

 

Genau…Naruto hat Iruka erwähnt…

 

Dann hatten sie angefangen, über Mentoren zu sprechen…ihre Kindheit…und inspirierende und aufmunternde Reden von Vertrauenspersonen, die sie motiviert hatten, als sie aufgeben wollten. 

 

Und dann war Neji ausgeflippt. 

 

Ok. Er hat also reagiert…Gedanken kommen vor Emotionen…Emotionen werden immer von etwas ausgelöst…auch unterbewusst…

 

Shikamaru hob eine Hand, um sich über die Stirn zu reiben und bemerkte nicht, dass sich ihm Hinata leise näherte; viel zu verloren auf den verworrenen Pfaden, in die seine Gedanken ihn gezogen hatten. 

 

Was bedeutet…auch wenn er reagiert hat, war es nicht einfach nur wegen dieses rührseligen Schwachsinns…Naruto redet ständig so Zeug…also muss es das Thema gewesen sein…Mentoren…Vertrauenspersonen…das Ganze mussirgendwie mit seinem Clan zusammenhängen…

 

„Shikamaru-kun?“

 

Als hätte man ihm einen heftigen Stromschlag verpasst, zuckte Shikamaru zusammen und schlagartig sprang ihm das Herz bis zum Hals, als ihm bewusst wurde, dass sich jemand neben ihm befand, der nicht Lee war. 

 

Hinata starrte ihn beschämt an, weil sie ihn so aufgeschreckt hatte. 

 

Naruto brach in schallendes Gelächter aus. „Ha, süß! Mach das nochmal!“

 

Rasch erholte sich Shikamaru von dem Schreck mit einem trägen Augenrollen und räusperte sich, während er darauf wartete, dass sich sein Puls wieder beruhigte. „Nun, du bist noch hinterhältiger als dein Cousin, Hinata.“

 

Die Hyūga schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid, ich…ich wollte mich nicht an dich ran schleichen.“

 

Shikamaru machte eine wegwischende Handbewegung und schloss die Augen. 

 

Fuck. Die Hyūgas verpassen mir von allen Seiten Herzinfarkte…

 

Er konnte Naruto giggeln hören, während der Uzumaki sich im Kreis drehte, um das Gewicht seiner Rucksäcke auszubalancieren, von denen er sich noch immer weigerte, sie abzulegen. „Sollten wir dann nicht bald mal los?“

 

„Ja, demnächst.“ Er konnte spüren, wie Hinata ihn beobachtete; und er wusste, was das bedeutete. Also hob er die Lider und drehte den Kopf. „Lee, wenn du genauso lang wie Naruto brauchst, um dich fertig zu machen, dann solltest du langsam damit anfangen, dein Zeug aufzusammeln. Wir brechen bald auf.“

 

„Roger!“ Flink hüpfte Lee auf die Füße und sprang mit einem Elan auf den Haufen Rucksäcke zu, der den Eindruck vermittelte, er wäre hinter einem frisch gebackenen Kuchen her und nicht hinter dem massiven Gewicht einer überdimensionalen Ausrüstung. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, konnte aber nicht anders, als amüsiert zu schmunzeln. 

 

Trotz dieser doch sehr krassen Aura aus Enthusiasmus, die Naruto und Lee umgab, waren ihre Herzen stets am rechten Fleck. Das machte es schwer, in ihrer Gegenwart ernsthafte Verärgerung zu empfinden, außer, dass man sich stets Mittel und Wege ausdenken musste, ihre reichlich vorhandene Energie zu nutzen oder zu meiden. 

 

Na schön. 

 

Shikamaru richtete den Blick auf Hinata und hob fragend eine Braue. „Was spukt dir denn im Kopf rum?“

 

Mit leicht schuldig wirkendem Gesichtsausdruck sah Hinata zur Seite. Shikamaru gefiel dieses unbehagliche Gefühl überhaupt nicht, das diese Miene bei ihm auslöste. 

 

Scheiße.

 

Doch bevor er fragen konnte, berührte Hinata mit den Fingern ihre Schläfen. „Ich habe gehört, wie Kiba Naruto erzählt hat, dass du…Kopfschmerzen hattest.“

 

„Was?“ Der Nara versuchte angestrengt, nicht zu schmunzeln, doch die Belustigung schlich sich in seine Stimme. „Denkst du etwa auch, dass ich krank bin?“

 

Verwirrt schüttelte Hinata den Kopf. „Nein, ich…ich wollte mich nur entschuldigen…“

 

„Für meine Kopfschmerzen?“ Shikamaru schmunzelte nun doch. 

 

„Dafür, dass ich dich so bedrängt habe…als ich gefragt habe, wie ich helfen kann.“

 

Sofort verschwand Shikamarus Lächeln und er brummte leise, bevor er antwortete. „Schon gut. Ich verstehe, warum du es getan hast. Du bist besorgt. Das ist okay.“

 

Als hätte er ihr die Absolution erteilt, erhellten sich Hinatas Züge und sie sah aus lavendelfarbenen Iriden zu ihm auf. „Danke…für alles, was du tust!“

 

Shikamaru wich ihrem Blick aus. Hinatas Dankbarkeit sorgte dafür, dass sich dieses nagende Unbehagen in seiner Magengegend ausbreitete und zwang ihn sogar physisch, seine Position zu verändern; er setzte sich etwas aufrechter hin. 

 

„Pass auf, ich habe es dir bereits gesagt…danke mir noch nicht…“

 

Hinata akzeptierte seine Worte schweigend und nickte, als sie ihre Hände im Schoß faltete. Sie begann, nervös an ihren Fingern herumzunesteln, während sie zu Naruto und Lee hinüber spähte. Die beiden Ninjas rannten in einem spontanen Wettkampf gegeneinander hin und her, die turmhohen Rucksäcke auf ihren Rücken schwankten gefährlich. 

 

Shikamaru folgte ihrem Blick und zögerte für einen kurzen Moment, bevor er sagte: „Du sagtest, du willst helfen…“

 

Sofort zuckte Hinatas Aufmerksamkeit zu ihm zurück und die Bewegung ihrer Hände stoppte. „Ja!“

 

„Dann erzähl mir ein bisschen mehr über die Situation zwischen Zweigfamilie und Haupthaus.“

 

Hinata blinzelte. „Was willst du wissen?“

 

„Ist es noch immer so extrem?“

 

Hinatas Lider senkten sich; es war ein Moment hin und her gerissener Reflexion, die in Shikamaru den Wunsch auslöste, er hätte die Frage anders formuliert. Doch als sie den Kopf hob und antwortete, klang ihre Stimme eher nachdenklich als zornig. 

 

„Die Beziehungen sind…uhm…nun sie sind etwas besser geworden…“

 

Shikamaru linste aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. „Geht es etwas genauer?“

 

„Als Vater vor drei Jahren angefangen hat, Neji zu trainieren…wurden die Dinge etwas besser. Es war schon immer schwierig…mit den Ältesten…aber Vater…er gibt sich Mühe.“

 

Nachdenklich strich Shikamaru mit den Fingern träge über seinen Kiefer, während er nach einer Möglichkeit suchte, seine nächste Frage so zu formulieren, dass sie nicht zu anklagend klang. Doch er entschied sich rasch, dass es besser wäre, weiterhin geradeheraus zu sein und schüttelte sein Zögern ab, bevor er einfach fragte. 

 

„Könnte dein Vater in letzter Zeit irgendetwas getan haben, nun, sagen wir in den letzten zwei bis drei Monaten, das Neji dazu gebracht haben könnte, ihn meiden zu wollen?“

 

Stumm starrte Hinata für einen Augenblick vor sich hin, bevor sie betreten den Kopf schüttelte. „Ich weiß es nicht.“

 

Shikamaru blinzelte langsam und musterte sie. Er konnte deutlich die besorgte Traurigkeit in ihren Iriden lesen, die nur dafür sorgte, dass er sich wegen seiner nächsten Frage noch schlechter fühlte. 

 

„Besteht auch nur die geringste Möglichkeit, dass dein Vater das Fluchsiegel bei Neji benutzen würde?“

 

„W-was?“ Hinatas Augen weiteten sich und ein wildes Gestöber an Emotionen jagte durch die blassen Seen; so ausdrucksstark und offen. 

 

So anders als Nejis. 

 

„Besteht sie?“, fragte Shikamaru erneut, aber etwas zaghafter. 

 

Hinatas Lippen wurden schmal und ein leichtes Stirnrunzeln schlich sich auf ihre Züge, als sich ihre sonst so sanftmütige Haltung etwas anspannte. Doch als Shikamaru die Veränderung beobachtete, war es kein beleidigter Zorn, den er erkennen konnte. Das bedeutete aber nicht, dass es einfacher war, sich dem widersprüchlichen Blick stellen zu müssen, mit dem sie ihn bedachte; hin und her gerissen zwischen Loyalitäten und Fronten, zwischen die sie niemals hätte geraten sollen. 

 

„Ich…ich weiß es nicht…“, wisperte sie letztendlich und ihre Stimme wurde so leise, dass sich Shikamaru ihr entgegen neigen musste, um sie zu hören. „Ich wünschte, ich könnte…ich wünschte, ich könnte nein sagen…ich willnein sagen.“

 

„Also gibt es eine Möglichkeit?“

 

„Vater würde nicht…er würde Neji nicht weh tun wollen.“

 

„Ja also, wir handeln aber nicht immer nur nach gutem Gewissen.“

 

Kopfschüttelnd senkten sich Hinatas Augen in ihren Schoß. „Er würde das Neji nicht antun. Es…es gibt keinen Grund…

 

Zumindest keinen, von dem wir wissen…

 

Shikamaru spähte kurz zu Naruto und Lee hinüber und versuchte einzuschätzen, wie viele Fragen er in die begrenzte Zeit packen könnte, die ihm noch blieb. 

 

Rede schneller.

 

„Erinnerst du dich daran, wie du mir zum ersten Mal davon erzählt hast, dass Neji dich und den Clan meidet?“

 

Hinata nickte. „Ja.“

 

„Du sagtest, dein Vater wäre besorgt. Du hast auch gesagt, dass es diesmal ‚anders‘ wäre, als dass er einfach nur für sich bleibt.“

 

Hinata summte leise. „Neji hat mehr Missionen übernommen…Einzelmissionen…und hat sich von zuhause ferngehalten.“

 

„Und er hat damit angefangen, bevor er diese Chakarpunkte versiegelt hat, stimmt’s?“

 

„Ja.“

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten und legte die Teile Stück für Stück aneinander. In der Nacht, als Neji ausgeflippt war, hatte er im Wald eine Panikattacke. 

 

Nur, dass es eben nicht einfach nur eine Panikattacke war…

 

Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. Damals hatte er Nejis Atmung überprüft, als er bewusstlos gewesen war. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Hämatome auf der Brust des Hyūga gesehen.

 

Was bedeutet, dass der Bluthusten erst später begonnen hat. Erst, als die Auswirkungen der Blockaden Wurzeln geschlagen haben…

 

Aufseufzend zog Shikamaru die Nase kraus und fuhr sich mit dem Daumen über eine Augenbraue. „Also muss ich davon ausgehen, dass vor ungefähr drei Monaten etwas passiert ist, das ihn dazu veranlasst hat, sich von eurer Familie zu entfernen…und das ihn später dazu gebracht hat zu denken, es wäre total klug, seine Tenketsu zu blockieren, richtig?“

 

„Ich…ich weiß nicht…es macht einfach keinen Sinn.“

 

Sag bloß…

 

Shikamaru ließ seine Hand sinken, viel zu müde um frustriert zu sein, doch in seiner Stimme schwang ein Anflug von Erschöpfung mit. „Hinata, du musst zurückdenken und dich erinnern, das ist wichtig!“

 

„Ich versuch es ja…“ Sie schüttelte den Kopf, ihre Stimme leicht angespannt und ihre Verzweiflung wurde deutlicher, als sie mühsam nach Antworten suchte. „Aber er ist immer so…distanziert…Es tut mir leid…ich hätte energischer versuchen müssen, die Dinge zu ändern.“

 

„Hinata…“

 

Ihr Atem begann leicht zu beben, bevor sie schniefte und sich ihre Finger in ihrem Schoß zu kleinen Fäusten ballten. „Ich hätte es einfach immer…energischer versuchen müssen.“

 

Alarmglocken begannen ohrenbetäubend in Shikamarus Hirn zu läuten und sandten ein Signal aus, sie so schnell wie möglich zu beruhigen, bevor die Hyūga die Aufmerksamkeit der anderen beiden Ninja auf sie zog. 

 

„Hinata, als Erstes: Hör auf, dich zu entschuldigen!“ Er senkte seine Stimme zu einem sanfteren und ruhigeren Timbre und schenkte ihr ein schwaches Lächeln, als sie zu ihm aufsah. „Wärst du nicht gewesen, wären die Dinge jetzt deutlich schlimmer. Okay?“

 

Hinata wandte den Blick ab, nickte aber mit einem leisen Summen. „Okay…“

 

„Gut…es tut mir leid, dass dir das so nahe geht, aber ich muss wissen, wie zur Hölle das alles angefangen hat, damit ich es beenden kann.“

 

„Aber ich…ich weiß nicht, warum er Zuhause so meidet…oder warum er die Tenketsu blockiert hat…“ Sie unterbrach sich und schluckte einen Knoten aus Emotionen herunter, der ihr Feuchtigkeit in die Augen zu treiben drohte. „Glaubst du…glaubst du wirklich, dass mein Vater das Fluchsiegel benutzt hat…dass er…?

 

Ihre Augen wurden unglaublich groß und sie blinzelte heftig.

 

Scheiße.

 

Noch mehr Alarmglocken schrillten in Shikamarus Kopf und seine dunklen Augen weiteten sich, als er beobachtete, wie sich ihre Gesichtszüge zusammenzogen und zu bröckeln begannen.

 

Oh Scheiße. Fang nicht an zu weinen. Fang nicht an zu weinen. Fang verfickt nochmal nicht an zu weinen!

 

„Hinata!“ Shikamaru drehte sich, um sich ihr gegenüber zu setzen und versuchte, ihren Blick einzufangen. „Ich weiß, dass das hart für dich ist und es tut mir leid, dass ich dich in diese beschissene Situation bringen muss, aber wenn du und die Hokage wollt, dass ich diese Blockaden in seinem Netzwerk löse…dann muss ich wissen, was sich verdammt nochmal auf der anderen Seite von ihnen befindet, wenn sie brechen, okay?“

 

Hinata schloss die Lider und presste fest die Lippen aufeinander, während sie ihre frustrierten Tränen zurückkämpfte. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. „Wie wirst du…das anstellen…?“

 

„Wie ich es herausfinden werde?“ Shikamaru versuchte zu lächeln. „Schätze mal, indem ich lästige Fragen stelle.“

 

„Nein, ich…ich meinte, wie du…diese Blockaden ei-einreißen wirst?“

 

Das willst du nicht wissen…

 

Er wollte nicht einmal daran denken. 

 

Oder daran, was es jedes Mal in seinem Innersten auslöste, wenn er darüber nachdachte. 

 

Scheiße…

 

„Ich habe dir bereits gesagt…“ Achselzuckend wandte Shikamaru den Blick ab. „Es gibt ein paar Dinge, die du nicht im Voraus wissen darfst.“

 

Und diesmal drängte Hinata ihn nicht. Sie hatte offenbar Frieden mit diesem Verständnis geschlossen, oder – was eher zutraf – mit dieser Vereinbarung. Shikamaru hoffte inständig, dass sie es nicht würde verstehen müssen – nur akzeptieren. Es war bereits persönlich genug für sie, so wie es war. 

 

Es ist nichts Persönliches für mich…

 

Was allerdings in keiner Weise den messergleichen Stich in seinen Eingeweiden und seiner Brust erklärte. Es war etwas, das er zu ignorieren lernen musste…immer wieder musste er es ignorieren…

 

Und ich werde jetzt damit anfangen…jetzt sofort…

 

Shikamaru schloss die Augen und entließ kurz und angespannt den Atem, bevor seine Lider auch schon wieder aufglitten. Für einen Moment sah er zu Naruto und Lee hinüber.

 

„Noch eine letzte Frage.“

 

Summend hob Hinata den Kopf. „Ja?“

 

„Vier Uhr morgens; klingelt da was bei dir?“

 

Ehrlich gesagt erwartete er gar keine Antwort und diese Tatsache machte es ihm leichter, einfach nur schwach zu lächeln und das Thema mit einer Handbewegung beiseite zu schieben, als sie ihm einen fragenden und unwissenden Blick zuwarf.

 

„Ja, bei mir auch nicht.“

 

„Shikamaru! Gehen wir jetzt dann mal los, oder was?“, bellte Naruto zu ihnen herüber und hörte lange genug mit seiner Herumtollerei auf, um die Hände in die Hüften zu stemmen, sich nach vorn zu beugen und zu keuchen, als wäre er völlig atemlos. „Das Zeug bringt meinen Rücken noch um!“

 

„Ich übernehme das zusätzliche Gewicht, Naruto-kun!“ Lee stolperte zu dem Uzumaki hinüber und deutete mit dem Daumen auf die Rucksäcke auf seinem eigenen Rücken. „Ich werde Gai-sensei beweisen, dass ich ebenfalls in der Lage bin, einen Kameraden in Not zu tragen!“

 

„Lass uns lieber aufbrechen, bevor Naruto das Angebot noch annimmt.“, murmelte Shikamaru Hinata zu und griff nach seiner Tasche. 

 

Die Kunoichi brummte zustimmend und erhob sich, als sich Shikamaru mit einem Gähnen aufrichtete. Er bog einen Arm nach hinten und rieb sich den Nacken, wobei seine Finger deutlich härter zudrückten, als nötig gewesen wäre, um Shikamarus Aufmerksamkeit von dem Ziehen in seinem Inneren abzulenken. 

 

Deutlich konnte er Hinatas Blick auf sich spüren, gelassen aber scharfsinnig. 

 

Ich habe gerade mit lauter Familienvorwürfen um mich geschmissen…das kann für sie auch nicht leicht sein…

 

Ohne sie anzusehen berührte er die Hyūga an der Schulter und drückte sie sanft, ganz anders als der Griff an seinem eigenen Genick. Es war ein magerer Versuch, sie zu beruhigen, doch es war auch alles, was er im Moment tun konnte. 

 

Was wirklich nicht viel ist…

 

Mit leichtem Druck nutzte er die Berührung dazu, sie von dem Baum zurück in Richtung der anderen beiden Shinobi zu schieben. Während sie sich näherten, ließ er die Hand sinken und schüttelte den Kopf, als sich sein Fokus auf Narutos gegenwärtiges Gehabe richtete. 

 

Wie lästig.

 

Energisch kämpfte Shikamaru den Drang nieder, sich eine Hand vors Gesicht zu schlagen. 

 

Stattdessen hob er eine Braue. „Naruto. Auf keinen Fall!“

 

„Eh?“ Naruto erstarrte mitten in der Bewegung, als er versuchte auf die auf Lees Rücken geschnallte Ausrüstung zu klettern. Halb hing er nach unten und sackte langsam immer weiter ab, als die Schwerkraft an Narutos eigenen Taschen zu zerren begann und drohte, beide Ninjas aus dem Gleichgewicht zu bringen. 

 

„Im Ernst, denk nicht mal daran.“, warnte Shikamaru und seine Augen verengten sich zu einem erschöpften und unbeeindruckten Blick. 

 

Lee versuchte zu grinsen, während er sich ganz offensichtlich abmühte, das zusätzliche Gewicht zu tragen. „Aber ich…“

 

„Selbst wenn du Naruto tragen könntest, haben wir keine Zeit für Albernheiten.“

 

„Jaja, was auch immer.“, grummelte Naruto und versuchte sich zurück auf den Boden gleiten zu lassen, ohne sich selbst oder Lee dabei zu verletzen. „Warum trägst eigentlich nicht du auch ein bisschen was von dem ganzen Zeug?“

 

„Ich bin krank, erinnerst du dich?“ Shikamaru grinste. „Ich habe Kopfschmerzen.“

 

Keine Sekunde später verpasste ihm augenblickliches Karma eine sprichwörtliche Ohrfeige. 

 

Das markerschütternde Kreischen seines Funkgeräts explodierte in seinem Ohr und stach sich schmerzhaft in seine Schläfen. 

 

„Fuck!“ Shikamaru zuckte zusammen, als hätte man ihn erstochen und hob zischend eine Hand an sein Ohr. 

 

Naruto giggelte. „Das hast du sowas von verdient!“

 

„Ugh, ich hasse diese Dinger…“, murrte Shikamaru mit finsterer Miene und nestelte an dem Gerät, um die Lautstärke einzustellen. Als eine Stimme durch die Leitung knackte, hielt er inne. 

 

„Shi…maru…“

 

Shikamarus Augen wurden groß, als er merkte, wie angestrengt die Stimme klang. „Chōji?“

 

Das gesamte Reserveteam erstarrte wie auf Kommando. Ihr gesamter Fokus richtete sich auf den Transmitter. Eine angespannte Stille riss die Belustigung aus Narutos Gesicht und Lee stand da, als wäre er jeden Moment dazu bereit, loszusprinten. Hinata trat nervös von einem Bein auf das andere und ließ den Blick zwischen Shikamarus verkrampften Zügen und dem Funkgerät hin und her wandern. 

 

„Chōji?“ Shikamaru berührte mit zwei Fingern sein Mikrofon. „Hörst du mich?“

 

Nichts.

 

„Mist.“, knurrte er und spähte zu der Hyūga. „Hinata.“

 

Die Kunoichi nickte verstehend und vollführte ein rasches Handzeichen, um ihr Byakugan zu aktivieren und mit ihrer Sicht die Distanz zu dem anderen Team zu schließen. 

 

„Was passiert denn?“, fragte Naruto leise und mit rauer Stimme. „Shikamaru?“

 

Doch Shikamarus Hand zuckte scharf nach oben, um Naruto das Wort abzuschneiden. Seine Aufmerksamkeit zog sich auf das statische Knistern seines Transmitters zusammen. 

 

„Chōji? Neji? Verdammt nochmal, redet mit mir.“

 

Doch Hinatas knappes Keuchen war die Antwort, die er nicht haben wollte. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru linste zu ihr hinüber, während er sich bereits umdrehte. „Wie schlimm?“

 

„Ich…“ Hinata blinzelte, immer noch konzentriert auf ihr Blickfeld. 

 

„Erklär es uns, während wir laufen.“, sagte Shikamaru. „Naruto, Lee, lasst die Ausrüstung hier. Wir haben keine Zeit mehr.“

 

Beruhige dich. Es wird alles gut.

 

„Es ist ein Hinterhalt.“

 

„Was?“ Shikamaru wirbelte herum und die Wucht seines Unglaubens drängte sich schwer in seine nächsten Worte. „Wie zur Hölle konnte das passieren? Das ist unmöglich. Neji hätte das Kilometer im Voraus sehen müssen.“

 

Hinata schüttelte energisch den Kopf. „Hat er nicht.“

 

Auf keinen Fall, kann er das übersehen haben…wie…?

 

Shikamaru gestattete sich selbst ganze fünf Sekunden, um sich von dem Schock zu erholen. 

 

Dann reagierte er. 

 

„Verdammt.“ Sofort begann er zu rennen und bedeutete Hinata, mit einem Schwung seines Armes, die Führung zu übernehmen. „Geh voran und halte mich auf dem Laufenden! Naruto, mach deine Doppelgänger bereit!“

 

„Verstanden!“, knurrte Naruto nickend, als er den Schattenninja flankierte.

 

Shikamaru drehte den Kopf. „Lee, übernimm die Baumkronen! Verteidigung vor Offensive, bis wir das Ausmaß des Kampfes einschätzen können. Narutos Klone werden dir den Rücken freihalten, solltest du das brauchen. Diese Bastarde nutzen die Bäume.“

 

„Überlass das nur mir!“ Lee stieß sich vom Boden ab und sprang über Äste immer höher. 

 

Shikamaru richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf die Länge von Hinatas Haar, das direkt vor ihnen durch die Luft schwang und wie eine sanfte Brise durch den Wald wogte, leise und schnell; ganz anders als der blonde Hurrikane, der sich an seiner Seite bewegte. 

 

„Naruto, benutz nicht das Rasengan!“

 

„Was! Warum?“

 

„Nicht, bis wir wissen, gegen wen wir kämpfen!“
 

„Aber…“

 

„Ich meine es ernst!“, fauchte Shikamaru und schnitt dem Uzumaki mehr mit seinem Blick als mit seiner Stimme harsch das Wort ab. „Wir können es uns auf keinen Fall leisten, das hier zu vermasseln. Nutze es nicht! Hinata, mit wie vielen haben wir es zu tun?“

 

„Über zwanzig!“, rief die Kunoichi über die Schulter. 

 

Wie zur Hölle konnte Neji das übersehen?

 

„Wie zur Hölle konnte Neji das übersehen?“, schnappte Naruto und gab Shikamarus wachsendem Unbehagen damit eine Stimme. „Er sollte so einen Mist doch sehen können!“

 

Shikamaru hatte keine Antwort darauf; er war bereits am Kalkulieren, als eine Stimme durch seinen Transmitter explodierte; das Wort kratzte rau über seine Nervenenden und jagte eine eisige Kälte schlagartig durch seinen Körper.

 

„…Rotation!“

 

Shikamaru erbleichte und seine Hand schnellte zu dem Mikrofon. „Neji! NICHT!“

 

Mit aufblitzenden blauen Augen wirbelte Narutos Kopf zu ihm herum. „Shikamaru, was zum…? Willst du, dass wir diese Kerle bekämpfen, oder dass sie uns den Arsch aufreißen?“

 

Shikamaru fluchte und versuchte, eine Taktik auszuarbeiten, Hinata zu folgen, Narutos finsteren Blick zu ignorieren und sein Funkgerät einzustellen; alles zur gleichen Zeit. 

 

Er darf die Handflächenrotation nicht anwenden…nicht in diesem Zustand…!

 

Panik stieg unter der berechnenden Ruhe, zu der er seinen Kopf zwang, in ihm auf. 

 

„Neji!“, rief er noch einmal. „Verdammt nochmal! Antworte mir, Hyūga!“

 

„Unten…“

 

Erleichterung riss ein Schwall Luft aus Shikamarus Lungen, als er die brüchige Antwort hörte.

 

„Neji!“

 

„Dem…Boden…“

 

Der Klang eines abgehackten Hustens, das aus dem Jōnin herausbrach, ließ Shikamaru fluchen; mit einem rauen Rasseln platzte das Geräusch durch die Leitung. 

 

„Neji?“

 

Dem…Boden…“

 

„Neji, was zur Hölle willst du mir sagen?“

 

„Sie kommen…ugh…aus dem Boden…“

 

Noch bevor Shikamaru die Situation verarbeiten konnte, kam Hinata schlitternd und mit einem überraschten Keuchen zum Stehen. Sie starrte in den Himmel und Schock spiegelte sich in ihren Byakugan Augen. „W-was?“

 

Shikamaru und Naruto stoppten an ihrer Seite und folgten ihrem Blick nach oben. 

 

Beide rissen die Augen auf. 

 

Naruto legte den Kopf schief. „W-was zur Hölle ist das?“

 

Shikamaru wich einen Schritt zurück und sein Kiefer verkrampfte sich mit einem Knurren. 

 

Scheiße…

 

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Uiuiui, wie versprochen steht wieder Action vor der Tür (mit einem kleinen und hoffentlich nicht zu fiesen Cliffhanger ;)) und Shikamaru denkt angestrengt über Neji nach. Und, habt ihr schon Ideen, was mit unserem Hyūga los sein könnte? Theorien würden  mich ja schon sehr interessieren, das muss ich zugeben! ^^ Generell würde ich mich wieder sehr über Meinungen und Anregungen freuen!! <3

Meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen - ihr seid der Wahnsinn, danke wieder und wieder für eure Unterstützung!! <3
 

A./N.: Bei Break to Breathe handelt es sich eigentlich um den Auftakt zu einer ganzen Serie. Ursprünglich hatte ich mir fest vorgenommen, NUR BtB zu übersetzen, da dieser Teil für sich bereits eine enorme Aufgabe darstellt. Aber...in den letzten Tagen und nach Gesprächen mit Rayne ist es jetzt offiziell: Auch der Rest der BtB Serie wird auf Deutsch erscheinen...Ich muss verfickt nochmal verrückt sein...Aber Scheiße, ich freu mich drauf und hoffe sehr, dass mich der/die ein oder andere auf dieser langen wilden Reise zusammen mit Shikamaru und Neji (und einigen anderen Charakteren ;)) begleiten wird, ich würde mich so freuen!! <3 

An dieser Stelle, will ich auch direkt alle Leser/innen beruhigen, die sich jetzt vielleicht (berechtigterweise!) denken "Was...das ist eine ganze Serie? So ewig wollte ich das dann doch nicht lesen!" - BtB KANN als eigenstehende Story gelesen werden, sie hat ein abschließendes Ende und man muss die nächsten Teile nicht lesen! Sollte es dazu irgendwelche Fragen geben, schreibt mir einfach! :) 

 

Surprise

Sie kamen aus dem Boden.

 

Von tief unter der Erde.

 

Die erste Hand war mit einem Schauer aus Schotter und Staub aus dem Untergrund geschnellt. Akamarus Kiefer hatten sich das dünne Handgelenk gepackt, bevor sich die Finger um Nejis Knöchel legen konnten. 

 

Augenblicklich war der Hyūga zurückgesprungen, doch kaum hatten seine Füße wieder den Boden berührt, war die Oberfäche der Erde wie eine Schale aufgebrochen und Hände hatten begonnen, nach seinen Beinen zu schnappen. Körper folgten gleich darauf und sprangen aus dem Untergrund wie reanimierte Leichen. 

 

Nur, dass diese Feinde sehr lebendig waren. 

 

Und schnell.

 

Sie zwangen die Konoha Shinobis zu ständiger Bewegung. Doch die Geschwindigkeit des Kampfes störte Neji nicht annährend so sehr wie Shikamarus ausbleibende Antwort auf seine letzte Übertragung. 

 

„Nara! Hast du mich gehört? Sie kommen aus dem…“

 

Neji wirbelte herum, als er einen doppelten Angriff bemerkte. 

 

Die Attacke kam nicht schnell genug. 

 

Die Finger des Hyūga schlugen in der Kehle eines der sich nähernden Shinobi ein. Nejis Bewegungen waren so schnell, dass sie verschwommen wirkten, als er Öffnungen in der Defensive seiner Gegner fand und eine Reihe scharfer Stiche machte beide Ninjas bewegungsunfähig, als der Aufprall der Sanften Faust ihre inneren Organe zum Platzen brachte. 

 

„Neji!“, schrie Sakura eine Warnung, die er nicht brauchte. 

 

Er konnte es bereits sehen. 

 

Unglücklicherweise gab es nur einen Weg, um dem Angriff zu entgehen. Sein Körper bewegte sich aus reinem Instinkt und fiel bereits zum zweiten Mal in sein natürliches Defensivjutsu.
 

„Acht Trigramme Handflächenrotation!“

 

Neji wirbelte in die schützende Drehung und an der Kuppel seines Jutsus prallte ein Hagel federförmiger Kunai ab. Stiche muskelverkrampfenden Schmerzes bohrten sich tief in seine Brust und er fragte sich, ob er es wirklich geschafft hatte, den Angriff abzuwehren. Doch dann fühlte er es erneut – das Blut, das seine Kehle hinauf quoll.

 

Nein…

 

Energisch schluckte er den ekelerregenden nach Eisen schmeckenden Klumpen hinunter und sprang genau in dem Moment zurück, als Chōjis vielfach vergrößerte Faust zu seiner Verteidigung erschien. Mit einem hässlichen Knacken traf sie auf den Schädel eines Angreifers, der aus einer der Furchen im Boden gesprungen kam. 

 

Neji hob die Finger zu seinem Transmitter und fuhr sich mit dem Rücken seines anderen Handgelenks hastig über den Mund, um das Blut fortzuwischen, das zwischen seinen Lippen hervorquoll, während er den Würgereiz niederkämpfte. 

 

„Shikamaru!“, hustete er. „Wie ist eure Position?“

 

Keine Antwort, nur ein statisches Knacken. 

 

Verdammt!

 

Neji zog drei Kunai in die Fingerbeugen und sprintete auf Sakura zu, als Chōjis gigantische Faust einen Baum entwurzelte. Den Stamm als provisorische Waffe nutzend schlug der Akimichi heranrennende Gegner zur Seite, um Neji einen Weg frei zu räumen. 

 

Auf dem Radar seines Dōjutsus flammten Bewegungen auf. 

 

Als er sich drehte kamen krallenförmige sensenartige Klingen sirrend durch die Luft geflogen, manche von ihnen zerschnitten sie flach wie eine Frisbee, während andere in vertikaler Ausrichtung auf Neji zu wirbelten. Es war eine Attacke, die alle Ebenen abdeckte und ausweichendes Ducken oder Springen unmöglich machte. 

 

Ich kann…die Handflächenrotation nicht nochmal anwenden…

 

Neji hatte kaum Zeit, um diese Erkenntnis verarbeiten zu können, bevor er auf die einzige Alternative zurückgriff; Hinatas Jutsu.

 

„Acht Trigramme, vierundsechzig schützende Handflächen!“

 

Er spürte den Schwall des Chakras in zwei Strömen in seine Handflächen jagen und das Jutsu, das er versucht hatte, im Nara Wald aufrecht zu halten verschoss klingenartige Strahlen. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig, seine Arme so zu bewegen, dass die Chakranadeln aus seinen Händen die sensenartigen Klingen aus der Bahn warfen, bevor in einen Rundum-Kick vollführte und damit eine der Sicheln zurück gegen den Ninja schleuderte, der den Angriff gestartet hatte. 

 

Da er die Attacke erfolgreich vereitelt hatte, drehte sich Neji zu Sakura um und rannte direkt auf sie zu.

 

Die pinkhaarige Kunoichi hielt ihre Stellung; ihre Chakrageladenen Schläge warfen den Ring aus Feinden, der sich um sie geschlossen hatte, ein paar Schritte zurück. Neji rammte ein Kunai in das Genick eines der gegnerischen Ninjas und stach mit den Fingern in den lebenswichtigen Nierendruckpunkt eines anderen, bevor er sich selbst zwischen Sakura und den Schwung einer Klinge warf, die auf ihren Nacken gezielt hatte. Funken stoben auf, als die Waffe des Feindes hart gegen Nejis gekreuzte Kunai schlug. Der Nachhall des Treffers bebte durch seine Arme. 

 

„Sakura!“, zischte Neji und spähte über eine Schulter. „Du musst den Boden zusammenbrechen lassen! Sie müssen Katakomben haben. Bring sie zum Einsturz, jetzt!“

 

Der Befehl ließ Sakura blinzeln, bevor sie ein paar Schritte zurücksprang und ihr Chakra in eine Faust kanalisierte. „Verstanden! Sorg dafür, dass sich die anderen nicht am Boden befinden!“

 

„Versucht es nur!“, knurrte der schwertschwingende Ninja und sprang rückwärts, während sich seine beiden Hände fester um den Griff seiner Waffe legten. 

 

Die Bewegung ließ seine Deckung weit offen.

 

Neji drückte seinen linken Fuß in das Erdreich und wirbelte herum, um sein rechtes Knie um die Kehle des nach vorn gebeugten Ninja zu schlingen. Brutal ruckte er mit dem Bein und beförderte seinen Gegner damit auf den Boden, bevor er sich auf die Knie fallen ließ, um den feindlichen Ninja am Boden festzunageln und dessen Chakrapunkte mit einem raschen Stoß seiner Finger zu versiegeln. 

 

Gleich darauf flog Nejis Hand zu seinem Transmitter, seine Stimme erreichte Kiba und Chōji. 

 

„Begebt euch sofort auf höhere Level! Springt in die Baumkronen!“

 

Neji hörte, wie Sakura einen tiefen Atemzug nahm, als sie ihr Chakra zusammen mit einem aufbauenden Brüllen heraufbeschwor und sich so auf einen erderschütternden Schlag vorbereitete, der den Boden zerreißen würde. 

 

„Macht euch bereit!“, schrie Sakura und sprang außer Reichweite. 

 

„Okay! Wir sind sicher!“ Kibas Stimme kratzte durch die Leitung. 

 

Aufmerksam scannte Nejis Byakugan die Kampfzone und folgte Chōji und Kiba, die die Bäume hinaufsprangen mit Akamaru auf den Fersen.

 

Zeit zu verschwinden.

 

„B…Byaku…gan…Hyūga…“

 

Stirnrunzelnd richtete Neji den Blick hinunter zu dem stotternden Feind zu seinen Füßen. Der Mann knurrte ihn an, unfähig sich zu bewegen, aber in der Lage, seine Stimme zu einem durch den Wald hallenden Schreien zu heben. 

 

„H…HYŪGA!“

 

Neji spürte die augenblickliche Veränderung der Atmosphäre, als der Fokus aller verbliebenen Gegner umgeleitet wurde. Zehn feindliche Augenpaare schwangen in seine Richtung; doch das Starren eines Ninjas war noch bösartiger als das der anderen, sein Chakra begann wild zu wogen. Nejis Blick zuckte zu dem Shinobi und traf sich mit dem Stieren eines rothaarigen Mannes, der ein vertraut aussehendes Schwert in der Hand hielt. 

 

Genau wie das von Fukurō…

 

Neji runzelte die Stirn, hatte aber keine Zeit, sich dem Tsubasa Aggressor voll zuzuwenden. 

 

„Neji!“, brüllte Sakura. „Verschwinde da!“

 

Gerade als der Rothaarige die Lippen zu einem Grinsen verzog, unterbrach Neji das Starren. 

 

Sakura stürzte an ihm vorbei und zwang den Hyūga damit, sich von einem breiten Ast abzustoßen und sich himmelwärts zu katapultieren, als die Faust der Kunoichi in den bereits rissigen Boden raste und eine Schockwelle aus Chakra tief durch die Erde jagte. 

 

Sie wogte mit einem pulsierenden Beben durch die Tunnel, aus denen die Tsubasa herausgebrochen waren. 

 

Für einen kurzen Moment war alles surreal still. 

 

Dann entfaltete der übermäßige Druck des Aufpralls seine Wirkung. 

 

Neji registrierte das gefährliche Flackern von Chakra unter der Oberfläche, Sekunden bevor der Boden explodierte und Erdbrocken und Wolken aus Staub in alle Richtungen schleuderte. 

 

Er befand sich hoch genug in der Luft, um dem Regen aus Steinen und Dreck zu entgehen…

 

…aber nicht dem massiven Schwert, das sirrend aus dem Dunst geschossen kam. 

 

Neji schloss die Augen und biss die Zähne gegen den Schmerz zusammen, von dem er wusste, dass er kommen würde. 
 

„ROTATION!“

 
 

oOo
 

 
 

Das ist übel…

 

Shikamaru wusste nicht, was beunruhigender war, die anschwellende wogende Schwärze oder der entsetzliche Lärm, der proportional dazu zunahm. Vögel…hunderte von ihnen…die sich sammelnden Schwärme strömten aus allen Winkeln des Waldes hervor und bündelten ihre flatternden Horden zu einer enormen wogenden Masse.

 

Das ist richtig übel…

 

Der Lärmpegel war ein Crescendo; das makabre Kreischen und Schreien von tausenden von Vögeln. Im Vergleich dazu hörte sich das Chidori an wie eine Kinderrassel. 

 

Das muss ein Beschwörungsjutsu sein…

 

Shikamaru wich einige Schritte zurück, die Augen starr auf den Himmel fixiert, während der massive kreischende Vogelschwarm das restliche Licht schluckte und eine frühzeitige Dunkelheit über die Lichtung warf. 

 

Kein Licht. Keine Schatten.

 

„Verdammt.“, zischte er und spürte, wie ihn Naruto am Arm anstupste.

 

„Was zur Hölle geht hier vor?“, brüllte Naruto über das Kreischen hinweg. 

 

„Es ist ein streuendes Schwarmjutsu!“, schrie Shikamaru stirnrunzelnd zurück, den Blick immer noch unbewegt auf die unzähligen schlagenden Flügel gerichtet. „Hinata! Mach den Beschwörer ausfindig! Vermutlich sind es mehr als einer; gemessen an der Größe von dem Ding!“

 

„Ich suche bereits!“, rief sie ihm entgegen. 

 

Die Falten auf Shikamarus Stirn vertieften sich. 

 

Wie zur Hölle haben sie es an dem Byakugan vorbei geschafft? Auf keinen Fall können sie außerhalb Hinatas Reichweite sein…sie müssen sich in relativer Nähe aufhalten, um das heraufbeschwören zu können….

 

„Shikamaru!“, plärrte eine Stimme aus den Baumkronen.

 

Lee.

 

Der Nara griff nach seinem Transmitter und öffnete den Kanal an sein ganzes Team, um zu verhindern, sich heiser zu brüllen. „Komm runter auf Bodenebene, Lee!“

 

„Verstanden!“

 

„Uh, Shikamaru…jetzt wäre wirklich ein guter Zeitpunkt für einen Plan…“ Narutos Stimme kratzte durch die Leitung. 

 

„Ich arbeite daran.“ Shikamaru wich noch weiter zurück. „Hinata?“

 

„Ich habe noch nichts gefunden…!“

 

„Sie kommen von überall!“, brüllte Lee und seine Stimme rang ohrenbetäubend durch das Funkgerät, als er neben dem Team landete und sich mit finsterem Blick aufrichtete. „Und auch noch alle möglichen verschiedenen Arten…“

 

„Mann“ Naruto nahm eine halb hockende Pose ein, als bereitete er sich darauf vor, loszuspringen. „Was zur Hölle machen die Viecher da?“

 

„Sie halten uns hin.“, murmelte Shikamaru und beobachtete aufmerksam den verstörenden Schwebezustand des Schwarms. „Diese Art Jutsu wird für gewöhnlich dafür eingesetzt um Truppenbewegungen zu verschleiern…aber es kann auch offensiv genutzt werden…“

 

Hinata hätte die Beschwörer bis jetzt eigentlich schon lange ausfindig machen müssen…verdammt…wir können nicht auf sie warten…

 

Wie aufs Stichwort begann die Ansammlung der Vögel zu pulsieren und das synchronisierte Schlagen ihrer Flügel erzeugte genug Kraft, um mit einem bedrohlichen Rascheln eine Böe nach der anderen vor sich her zu treiben.

 

„Uh…Shikamaru…“

 

Der Nara schüttelte den Kopf. „Benutz das Rasengan…“

 

„Aber du hast gesagt…“

 

„Tu es einfach! Konzentrier deinen Angriff auf das Zentrum ihrer Formation, ich werde die linke Flanke mit Briefbomben attackieren.“

 

„Und das soll reichen?“

 

„Die Vögel, die wir treffen, werden verpuffen wie Klone. Wir brauchen eine Öffnung in ihrer Linie.“ Während er sprach kramte Shikamaru in seiner Ninjatasche und zog drei Kunai hervor. „Wir brauchen eine Schneise, die groß genug ist, dass wir ein wenig Spielraum haben. Ich brauche Licht und zwar schnell, um mein Jutsu der Schattennaht anwenden zu können. Lee, verteidige Hinata, sollten sich die Viecher auf uns stürzen und sei auch auf Feinde auf Bodenlevel gefasst. Hinata, finde diese Beschwörer!“

 

Ein schrill kreischender Chor sorgte dafür, dass sich die Formation veränderte und eine schwarze Welle wogender schreiender Leiber senkte sich zu ihnen herab. 

 

Fuck!

 

Shikamaru wirbelte die Kunai in seiner Hand. „Naruto! Jetzt!“

 

„Jutsu der Schattendoppelgänger!“ Drei Schattendoppelgänger erschienen und zwei von ihnen sprangen in die Luft, um den Schwarm abzulenken, während der dritte die glühende Sphäre in Narutos Handfläche kreierte. „Und los geht’s!“

 

Shikamaru schob ein Bein zurück und bereitete sich auf den Angriff vor, als sich Naruto mit einem Brüllen vom Boden abstieß und die wirbelnde Kugel im Käfig seiner Finger hielt. Shikamaru schätzte Narutos Flugbahn ein und bog einen Arm über die Brust, jederzeit bereit, seine Kunai fliegen zu lassen. 

 

Doch Hinatas Keuchen ließ ihn inne halten. 

 

„Da ist…nichts…“

 

Shikamaru erstarrte augenblicklich. „Was?“

 

„D-da sind keine Beschwörer…“

 

WAS?

 

„Dann sind das…“ Shikamarus Augen weiteten sich und sein Blick schnellte zu Naruto. „Nar-!“

 

„-RASENGAN!“

 

Der Hieb traf wie ein Donnerschlag im Schwarm der Vögel ein, der mit blauen Blitzen durch die schwarze Wolke aus Schwingen brach und mit einem Kanonenfeuer aus Chakra detonierte…

 

Die Explosion erhellte für einen kurzen Moment den Wald…

 

Und dann regnete es karmesinrote Tropfen.

 

Ein zerfetzter Sturm aus Blut, Knochen und geknickter Federn prasselte auf sie nieder.

 

„Scheiße!“ Shikamaru riss einen Arm in die Höhe, um seine Augen vor dem roten Regen zu schützen, der auf sie stürzte. Der Übelkeit erregende Geruch von Blut und verbrannten Kadavern verkeilte sich in seiner Kehle. 

 

Wenn es kein Schwarmjutsu ist…!?

 

Shikamaru hörte, wie Naruto krachend neben ihm auf dem Boden aufkam und hustend und bebend einen Schwall Flüche ausstieß. Er fühlte klebriges Blut auf seiner Haut und das Trommeln von Knochenfragmenten, die wie Hagel auf sie niedergingen. 

 

Und es ist auch keine Illusion…aber was…zur Hölle ist es dann?

 

„Die sind real, verdammt!“, knurrte Naruto und sprach damit das Offensichtliche aus, während er wieder auf die Füße kam und versuchte, den Schauer aus Federn und Blut mit den Händen von sich zu schlagen. „Ugh…oh Gott…und ich habe…ich habe sie einfach auseinander gerissen…“

 

„Nimm dich zusammen, Naruto!“ Shikamaru versuchte, sich die rote klebrige Flüssigkeit aus dem Gesicht zu wischen, was allerdings nur dazu führte, dass er es noch mehr darauf verteilte. „Die werden gleich unsauseinanderreißen, wenn wir nicht kontern. Du musst sie nochmal treffen.“

 

Weite, angewiderte Augen schnellten zu Shikamaru herum. „W-was?“

 

Der Nara blinzelte hinauf durch den rötlichen Dunst und zu dem immer noch kreischenden Schwarm, der pulsierte und sich neu formierte, um die Lücken mit markerschütternden Schreien zu schließen. 

 

„Super, jetzt sind sie auch noch angepisst!“, knurrte Naruto, doch seine Stimme zitterte. 

 

„Shikamaru?“, drängte Lee, hielt sich dicht bei Hinata und nahm eine defensive Haltung ein. 

 

…was zur Hölle kontrolliert das hier…es gibt einfach keine Möglichkeit…

 

„Shikamaru-kun?“

 

Shikamaru schob sich Knochensplitter von seiner Flakweste und vertraute darauf, dass sein Mikrofon in der Lage war, seine Stimme über das Kreischen hinweg zu seinen Teamkameraden zu tragen. „Naruto, greif sie noch einmal an. Nur drück das Rasengan weiter nach oben in den Schwarm und halte es, bis du die Spitze ihrer Formation erreicht hast. Dann lass los.“

 

„Verdammt!“ Naruto schüttelte heftig den Kopf und seine Hände verkrampften sich zu Fäusten, während seine Stimme durch die Leitung zischte. „Na schön!“

 

Shikamaru wandte sich Hinata zu. „Sobald Naruto eine Schneise erschaffen hat, wird der Schwarm versuchen, sich neu zu sammeln. Ich werde die linke Flanke mit Briefbomben attackieren, Lee übernimmt die rechte. Das sollte die Horde auseinandertreiben und sie lange genug verstreut halten, um durchstoßen zu können. Wir werden deine Augen brauchen…es wird ziemlich chaotisch werden…wir müssen uns praktisch blind bewegen.“

 

Hinata nickte und ihr blutverklebtes Haar schwang in den Windstößen mit, die die zahllosen Flügelschläge ihnen entgegen wirbelten. Als Antwort neigte Shikamaru kurz und grimmig den Kopf, bevor er gen Himmel sah und noch einmal gegen den nachlassenden Regen aus Federn anblinzelte, der um sie herum wirbelte. 

 

„Lee, mach dich bereit!“ Shikamaru zog weitere drei Kunai aus hervor, die Griffe zwischen seinen Knöcheln verankert. Lee folgte seiner Anweisung. 

 

„Also mach was draus, Naruto!“, ermunterte der Nara den zappelnden Uzumaki und spähte zu ihm hinüber. 

 

Naruto nickte und wischte sich das Blut von der Kleidung. „Jo…verstanden!“

 

„Wir sind direkt hinter dir.“ Shikamaru drehte sich rasch, um einen Weg entlang der Bäume zu suchen. Er plante bereits den Pfad, den sie nehmen würden und markierte ihn mit einer Armbewegung für Hinata. 

 

Sie verstand augenblicklich und nickte. 

 

Ugh…das wird richtig hässlich…

 

„Macht euch bereit!“

 

Sie mussten die ganze Aktion genau richtig timen. Sofort begab sich das ganze Team in Position; Naruto trat einen Schritt zurück, während er gleichzeitig das Handzeichen für seine Schattendoppelgänger formte. 

 

Dann verstummten die Vögel auf einen Schlag. 

 

Shikamaru blinzelte und hielt rasch eine Hand hoch. „Stellung halten!“

 

Die Konoha Ninja erstarrten wie eine Einheit und ihre gesammelten Blicke zuckten zu dem unheimlichen Schwarm, der in verstörender Stille über ihnen schwebte. Das einzige Geräusch, das jetzt noch zu hören war, war das der sich synchron hebenden Flügel; ein steter, rhythmischer Ton, wie das finstere Schlagen einer Kriegstrommel. 

 

Shikamaru spürte, wie sein Puls das hypnotische Pochen widerspiegelte…

 

Ein beunruhigendes und unnatürliches Gefühl kroch unter seine Haut…

 

Die Zeit verlangsamte sich…schien beinahe zusammenzuschrumpfen und sich wieder auszudehnen im Gleichklang mit dem steten Schlag hunderter Flügel…

 

Ein endloser Schwarm aus Augen stierte nach unten…Federn zuckten und fielen…

 

Der dicke, blutige Nebel um sie herum wogte, die Windstöße gewannen an Kraft und trieben die Kadaver der getöteten Vögel auf dem Boden vor sich her…
 

Shikamaru fühlte seine Haut unangenehm kribbeln…

 

Und dann, so schnell wie sich versammelten hatten, stoben die Tiere auseinander. 

 

Sie lösten sich in einer Masse kreischenden Durcheinanders auf. Federn regneten in bunten Wirbeln nieder, als die Vögel abhoben und zurück in das Dickicht des Waldes oder die Sicherheit des weiten Himmels flohen…

 

Für einen langen Moment zog sich die Welt zu einem unheimlichen Stillstand schwebender Daunen zusammen. Das distanzierte Kreischen der Vögel verhallte langsam zu einer Stille, die noch viel verstörender war als der Lärm, der ihr vorausgegangen war…

 

Shikamaru stand bewegungslos da…einfach nur das zaghafte Driften und Wirbeln der fallenden Federn beobachtend; es war wie ein unheimliches Paradoxon zu dem Blut und den Eingeweiden, die noch vor wenigen Momenten herabgeregnet waren.

 

…W…was zur Hölle?

 

Er spürte den weichen Flaum einer Daune über seine Wange streichen und blinzelte sich aus seinem benommenen Starren, schluckte hart und zog die Luft in seine Lungen, die er angehalten hatte. 

 

Dann hörte er, wie Naruto auf den Boden plumpste. 

 

„W…was ist gerade passiert?“, krächzte der Uzumaki und wuschelte sich Federn aus den Haaren, während es aussah, als knie er in den Überbleibseln mehrerer gerupfter Hühner. 

 

Shikamaru schüttelte wortlos den Kopf und seine Augen scannten aufmerksam die Umgebung.

 

Jetzt, da sich der massive Schwarm zurückgezogen hatte, war es wieder etwas heller. Der Nara wünschte sich jedoch sehr, dass es noch immer dunkel wäre…die zusätzliche Helligkeit ließ Licht auf eine grausige Szenerie fallen. Fassungslos ließ er seinen Blick über tropfende Blätter schweifen. Blut rann über Laub und Zweige und tropfte auf den Boden, der übersät war mit zerfetzten Kadavaren, Knochen und rotgetränkten Federn. 

 

Was zur Hölle war das? Es ist, als wären sie…

 

„Shikamaru-kun?“

 

Hinatas zaghafte Stimme riss seine Aufmerksamkeit von dem Chaos weg. Er räusperte sich und strich sich blutige Daunen von seiner Kleidung. „Seid ihr alle okay?“

 

Lee nickte und entfernte die Briefbomben von den Kunai, die er nicht gebraucht hatte. Bevor er sie in seiner Tasche verschwinden ließ, nutzte er die flache Seite eines der Messer, um das klumpige Blut und Fleischfetzen von seinem Trainingsanzug zu kratzen. „Ich glaube schon. Keiner ist verletzt.“

 

Naruto schnaubte und kam abrupt auf die Füße. „Ja klar, willst du mich verarschen? Was ist hier gerade verfickt nochmal passiert? Dieser Bullshit war noch abgefuckter als ein verfluchtes Genjutsu.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. 

 

Ein Kommando über so einen riesigen Schwarm…braucht einfach eine Art Beschwörer oder Leiter…

 

Der Schattenninja ging in die Hocke und hob eine der ruinierten Federn auf; sein Daumen strich die gebrochenen Lamellen entlang. Energisch ignorierte er Narutos bebendes Grummeln und richtete all seine Konzentration auf die Feder in seiner Hand. 

 

Auf keinen Fall ist es möglich, dass jemand das hier aus dem Untergrund heraufbeschworen hat…nicht in der Geschwindigkeit, in der sich die Vögel versammelt haben…

 

Er spähte hinauf zu den Bäumen, dann wieder nach unten und war sich vage bewusst, dass Naruto noch immer vor sich hin plapperte.

 

„…hat nichts davon gesagt, Vögel in die Luft zu jagen!“

 

„Du hast ja recht, Naruto.“, sagte Lee und trat einen Schritt näher. „Aber Neji hat uns auch gewarnt, auf alles vorbereitet zu sein.“

 

Neji…

 

Blinzelnd ruckte Shikamarus Kopf nach oben. Sofort ließ er die geknickte Feder fallen und hob die Finger an seinen Transmitter; seine Stimme klang heiser, als er den Mund öffnete. 

 

„Neji?“

 

Das Knistern und Knacken einer toten Leitung war seine einzige Antwort. Shikamaru knirschte mit den Zähnen und versuchte so die Spannung zu lösen, die von ihm Besitz ergriffen hatte, während er sich aufrichtete und Hinata einen kurzen Blick zuwarf. Sie verstand die stumme Aufforderung sofort und aktivierte ihr Dōjutsu. 

 

Shikamaru bemühte sich, sich selbst zurück in seinen rational denkenden Modus zu versetzen und das kalte Ziehen in seinem Inneren zu ignorieren. Wenn Nejis Team aus dem Boden und das Reserveteam aus der Luft angegriffen worden war, dann bedeutete das, dass beide Gruppen mit sorgfältig koordinierten und geplanten Attacken angegriffen worden waren; es war nicht einfach nur eine zufällige Mischung von Angriffsmethoden, sondern es ging darum, die Invasoren von oben und unten einzukeilen, statt die Flanken zu attackieren. 

 

Durchdacht…viel zu durchdacht, um kein vorsätzliches Handeln zu sein…aber wie sind sie an das Wissen gekommen, um solch einen Hinterhalt vorbereiten zu können?

 

Stirnrunzelnd schüttelte Shikamaru den Kopf. Sie hatten zwei Byakugan Nutzer, die in der Lage waren, jede Art von Aktivitäten zu sehen; dazu kamen auch noch Kiba und Akamaru. Wachsam ließ er seinen Blick noch einmal über die Bäume wandern, seine Augen folgten dem wirren Netz aus Zweigen und Ästen. 

 

Neji hat gesagt, sie sind von unten gekommen…dabei haben die Hanegakure Shinobi eine Affinität für die Bäume…Ihre Stärke liegt ganz klar über dem Boden…aber Untergrundgänge zu nutzen…und auch noch ein Netzwerk, das es ihnen gestattet, Bewegungen in der Luft steuern zu können…

 

Ein Summen in seinem Ohr sorgte dafür, dass er überrascht mit einer Schulter ruckte und eine Hand schlug auf das ablenkende Geräusch ein, bevor er realisierte, dass es das Brummen seines Funkgeräts war, das zum Leben erwachte.

 

„Shikamaru…“

 

Die Finger des Naras nestelten an dem Transmitter, um die Leitung besser einzustellen. „Sakura?“

 

Sofort beugten sich Naruto und Lee zu ihm, doch Shikamaru hob eine Hand, um sie auf Abstand zu halten und drückte mit der anderen immer noch an dem Mikrofon herum, um ein besseres Signal zu bekommen. 

 

„Sakura?“

 

„Ja…se…okay? Sei…verletzt?“

 

„Ich versteh dich nur sehr schlecht. Aber ja, wir sind ok. Und ihr?

 

„…“

 

Das Zögern sorgte augenblicklich dafür, dass Shikamarus Finger gegen den Transmitter zuckten.

 

Scheiße…bitte sag mir nicht…

 

Shikamaru blinzelte langsam und kämpfte darum, seine Stimme ebenso ruhig und stabil wie sein Gesicht zu halten, als er die Frage wiederholte. „Sakura…seid ihr alle okay?“

 

„…Ja.“

 

Die Verzögerung gefiel dem Nara überhaupt nicht, doch er warf einen raschen Blick hinüber zu Naruto und Lee; er überdachte sein ursprüngliches Vorhaben, noch weiter nachzufragen. 

 

„Gut. Also ist niemand verletzt?“, fragte er und wandte seinen Kopf Hinata zu, die sich näherte und ihr Nicken sagte ihm, dass sie das andere Team geortet hatte „Sakura? Hörst du mich? Ist irgendjemand verletzt?“

 

Sakura zögerte schon wieder. „…Shikama-…“

 

Eine andere Stimme schnitt ihr das Wort ab. „Es geht allen gut, Nara.“

 

Shikamarus Augen schlossen sich mit zitternden Lidern und dem Aufflackern von Erleichterung, bevor er schnaubte und seine übliche träge Stimme annahm. „Wie nett, dass du dich endlich dazu herablässt, mir zu antworten, Hyūga.“

 

„Also wenn du genug Zeit hast, um Witze zu reißen, gehe ich davon aus, dass ihr euch nicht in direkter Gefahr befindet?“

 

Der Tonfall des Jōnin ließ Shikamaru leicht lächeln und er spähte zu seinen Teamkameraden, viel zu erleichtert, um sarkastisch sein zu können. „Nicht unmittelbar. Ich will aber auch nicht weiter hier rumhängen. Sie haben uns mit einem Luftangriff attackiert.“

 

„…Luftangriff?“

 

„Jo. Haben uns an beiden Enden erwischt. Ich habe keine verfickte Ahnung, wie sie das angestellt haben…“

 

„Mit einem dicken fetten Vogelschwarm, so haben sie das angestellt.“, plärrte Naruto dazwischen und nestelte an seinem eigenen Transmitter, um sich in die Leitung einzuklinken. 

 

„…Vögel?“, fragte Neji.

 

„Das ‚Land der Federn‘ hat seinem Namen alle Ehre gemacht und dem ganzen Mist.“, meckerte Naruto. „Ein Gottverdammtes Blutbad war das…“

 

Neji blieb für einen Augenblick stumm. „Shikamaru?“

 

„Ja, mach dir keine Sorgen.“ Stirnrunzelnd sah der Nara um sich. „Ich setz dich später ins Bild.“

 

„Ok. Ich denke, es wäre das Beste, wenn wir uns treffen. Wir sind…im Nachteil, wenn wir getrennt sind. Ich schätze mal, dass Hinata uns bereits ausfindig gemacht hat. Wir bleiben, wo wir sind, bis ihr da seid.“

 

Shikamarus Blick wanderte über die Lichtung und fühlte schon wieder dieses unheimliche Kribbeln in seinem Genick. Beiläufig bedeutete er Hinata, die Führung zu übernehmen und folgte Naruto und Lee, als sie sich in Bewegung setzten und über tote Vögel hinweg schritten. 

 

„Alles klar, wir sind auf dem Weg.“

 

Neji summte leise. „Verstanden.“

 

Trotz dieses Stichwortes für das Ende ihrer Unterhaltung, ergriff Shikamaru noch einmal das Wort; er wollte die Chance nutzen und versuchen, irgendetwas aus Nejis Stimme heraus zu lesen. 

 

„Wir müssen uns schnell weiter bewegen, sobald wir…“

 

„Ich habe bereits einen Ort ausfindig gemacht, an den wir uns zurückfallen lassen können.“

 

„Schon wieder drei Schritte voraus, Hyūga?“

 

„…Immer noch 197 hinter dir, Nara.“

 

„Ich fühle mich geschmeichelt.“

 

Neji schnaubte leise und amüsiert. „Lass es dir nicht zu Kopfe steigen.“

 

„Würde mir nie in den Sinn kommen.“ Shikamaru rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. „Ich erhole mich immer noch von deinem letzten Abschiedsgeschenk an meinen Kopf.“

 

„…Stirnband, Nara.“

 

Shikamaru lächelte. „Ah, schwache Nummer von dir, Hyūga.“

 

„Sag mal, redete ihr in irgendeinem Code miteinander?“, grätschte Naruto verbal dazwischen und linste mit einem perplexen Stirnrunzeln über eine Schulter zu Shikamaru.

 

Doch der Nara machte nur eine entlassende Handbewegung in Narutos Richtung. „Wir sind bald da, Neji. Achja, wir haben nur noch wenige Zelte.“

 

„Das ist unser letztes Problem.“

 

„Das sagst du jetzt.“, grinste Shikamaru und bemerkte, wie Naruto das Tempo erhöhte. „Stell sicher, dass Chōji auf jeden Fall alle Ausrüstung mitnimmt, die ihr noch habt.“

 

„Ich behalte das im Hinterkopf.“

 

„Hey! Ist bei Sakura alles ok?“, schaltete sich Naruto schon wieder ein. 

 

„Es geht ihr gut.“

 

„Und dir?“, fügte Shikamaru hinzu. 

 

„Natürlich.“

 

Shikamaru zögerte, ließ die Worte, die ihm auf der Zunge lagen aber fallen. „Befindet ihr euch in der Nähe einer Wasserquelle?“

 

„Einen Moment.“ Eine kurze Pause entstand. „Ja.“

 

„Sehr gut.“ Shikamaru trat über das knorrige Netz von Wurzeln hinweg und folgte den anderen einen steilen Abhang hinunter. „Wir müssen uns ein bisschen sauber machen u-…“

 

„Bist du verletzt?“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Nein. Nur schmutzig.“

 

„Was soll das heißen?“

 

„Ich werde dir sicher nicht die Überraschung verderben, Hyūga.“ Shikamaru hielt seinen Tonfall leicht und seine Stimmung hob sich immer weiter, als sie den mit Dickicht bewachsenen Abhang hinter sich brachten und wieder geraden Boden unter den Füßen hatten. 

 

„Eigentlich finde ich ja, dass wir beide für heute schon genug Überraschungen hatten.“

 

Shikamaru schnaubte. Das war eine verdammte Untertreibung.

 

Ein sanftes Bellen vor ihnen brachte die gesamte Gruppe dazu, ihre Aufmerksamkeit auf Akamaru zu richten. Der Hund kam zu ihnen herüber gesprungen und lief direkt zu Hinata, um sofort über das Blut zu schnüffeln, das ihre gesamte Kleidung bedeckte. Nachdem er sich versichert hatte, dass sie unverletzt war, wiederholte der Vierbeiner die Prozedur bei den anderen Teammitgliedern und hob seinen Kopf zu Shikamaru. 

 

Eine Braue des Nara wanderte nach oben. „Du willst mich gerade wirklich nicht beißen…oder abschlecken…“

 

Akamaru legte seinen Kopf schief und wedelte mit dem Schwanz. 

 

„Ja, am Ende fängt er sich sonst noch irgendeine Krankheit ein!“, rief Kiba aus kurzer Distanz und winkte ihnen entgegen, während er sich näherte, den Blick auf Hinata gerichtet. „Geht es dir gut?“

 

Die Kunoichi nickte und spähte immer wieder offensichtlich besorgt zu Naruto hinüber, der an dem getrockneten Blut auf seiner Kleidung herumkratzte als hätte er Flöhe. Kiba folgte ihrem Blick, besah sich dann auch aufmerksam Lee und und Shikamaru und schüttelte den Kopf. 

 

„Woah, ihr seht aus wie wandelnde Leichen.“ Der Inuzuka legte die Stirn in Falten. „All das Blut kommt von Vögeln, huh?“

 

„Jo, vermutlich von allen Vögeln aus dem gesamten beschissenen Wald.“, grummelte Naruto und zog eine finstere Miene. „Was habt ihr denn abbekommen? Würmer?“

 

Kiba schnaubte. „Kein schlechter Vergleich, wenn man bedenkt, dass die Bastarde direkt aus dem Boden gesprungen sind, genauso schmutzig und schleimig wie Würmer, nur um auf uns loszugehen.“

 

„Mann, du willst mir was von einem schmutzigen Kampf erzählen?“ Naruto gestikulierte zu seiner Kleidung.

 

Shikamaru rollte genervt mit den Augen, als die beiden Ninjas eine hitzige Diskussion darüber anfingen, wen von ihnen es jetzt eigentlich schlimmer getroffen hatte. Träge trottete der Nara um sie herum und bahnte sich mit Hinata und Lee weiter seinen Weg über die laubbedeckte Lichtung. Ein leichtes Rascheln zog seine Aufmerksamkeit auf Sakura, die ihnen entgegen kam; ihre Schritte waren schnell und energisch.

 

Eine Frau auf einer Mission.

 

Entweder gut oder schlecht…

 

Unbehaglich lächelte Shikamaru sie an, sich nicht sicher, wie er den Ausdruck in ihren Augen deuten sollte. Immer wieder spähte die Kunoichi prüfend über ihre Schulter. Da er merkte, dass sie direkt auf ihn zukam, hielt der Schattenninja inne und wartete darauf, dass Lee und Hinata an ihm vorbei liefen; dann wandte er sich der pinkhaarigen Kunoichi zu.

 

„Sakura.“

 

„Shikamaru, bitte sag mir, dass das alles Blut vom Feind ist und nicht von dir.“, sagte die Haruno und blieb mit einer Grimasse stehen. 

 

Der Nara folgte ihrem Blick über seine blutbesudelte Erscheinung. 

 

„Und Hirn…vermutlich auch ein paar Innereien…“, erwiderte Shikamaru flach und seine Lider zitterten, bevor er die Lippen schürzte. „Du kannst jetzt aufhören, mich anzustarren.“

 

„Sorry, es ist nur…“ Sie schüttelte den Kopf und lächelte ihn verstehend an. „Ihr seid alle ok. Das ist alles, was zählt.“

 

Shikamaru nickte, suchte aufmerksam ihr Gesicht ab und kam sofort zum Punkt. „Was ist los?“

 

Sakura holte langsam und tief Luft und wandte für einen Moment die Augen ab. Sie presste die Lippen aufeinander, bevor sie ihn wieder ansah, ganz so als müsste sie gegen die Last irgendeines Vorbehaltes ankämpfen. Und  Shikamaru war sich sicher, dass Neji ihn ihr aufgebürdet hatte.

 

Wie lästig…

 

Allein dieses Wissen sorgte dafür, dass sich das unbehagliche Gefühl in seiner Brust noch vervielfachte. Dennoch beobachtete Shikamaru sie geduldig, legte nach einem Moment seinen Kopf ein wenig schief und hob die Brauen, während er darauf wartete, dass sie ihm antwortete. 

 

Sakura schloss die Augen, doch als sie sie wieder öffnete, glommen sie vor einer Dringlichkeit, die sofort dafür sorgte, dass sich Shikamaru versteifte. 

 

„Ich muss dringend mit dir spre-…“, sie hielt inne, als Shikamarus Blick über ihre Schulter wanderte. 

 

„Es geht mir gut, Sakura.“, sagte der Nara etwas lauter und deckte sie somit, bevor er mit dem Kopf zur Seite nickte. „Du solltest lieber nach Naruto sehen. Er hat das meiste von dem Zeug abbekommen.“

 

Sakura musste sich nicht umdrehen, um die Präsenz hinter ihr zu spüren. 

 

Sie warf Shikamaru einen dankbaren Blick zu und formte mit den Lippen ein stummes „Danke“. Er zuckte nur mit den Achseln, schob die Hände in die Taschen und knickte in lässiger Manier die Hüfte ein. Doch mit einem kurzen Augenkontakt versicherte er ihr, dass er verstanden hatte, was sie nicht mehr erklären konnte. 

 

„Wir sehen uns später.“, sagte er noch und die tiefere Bedeutung seiner Worte schien sie zu beruhigen. 

 

Sie lächelte und nickte. „Ok.“

 

Shikamaru sah ihr nach, wie sie zu Naruto und Kiba schritt und wartete einen Moment, bevor er seinen Blick zurück gleiten ließ; zurück über die Lichtung und zu dem blassäugigen Ninja, der ihn aufmerksam musterte.

 

Nejis Augen wanderten in einem langsamen prüfenden Weg über ihn…kletterten von seinen Füßen hinauf und folgten jeder Falte in seiner Kleidung und Flakjacke…registrierten die dicken Krusten aus Blut, Federn, Knochensplittern und Fleisch…der inspizierende Blick glitt noch höher, bis sich die opalhaften Iriden auf sein Gesicht richteten. 

 

Der Schattenninja blinzelte. 

 

Der Hyūga hob eine Braue. 

 

Achselzuckend lächelte Shikamaru schief. „Überraschung.“

 

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Nach einem Tag Verzögerung geht es jetzt wieder weiter und, die Kampfszene war dann doch gar nicht so lang und dann auch noch mittendrin unterbrochen...sorry for that :D 

Ich hoffe trotzdem, dass euch das Kapitel gefallen hat!! Anregungen, Meinungen, Fragen, ich freue mich wie immer über alles, es ist immer so schön, von euch zu lesen!! <3

Vielen Dank an alle meine treuen Reviewer/innen und Leser/innen! <3

Wake up, Hyūga

Das Wasser fühlte sich wie Spritzer aus Eis gegen sein Gesicht an – ganz anders als die grauenvolle Dusche aus Blut, die vorhin auf ihn niedergegangen war.

 

Ugh…super Start für die erste Missionsphase…

 

Shikamaru blinzelte sich Perlen eisigen Wassers von den Wimpern und fühlte kalte Tropfen über seinen Hals rinnen, bis sie sich in der Mulde an seiner Kehle sammelten und schließlich in einem dünnen Bach die hageren Konturen seiner Brust hinabliefen. Er erzitterte mit einem finsteren Blick.

 

Es ist viel zu kalt für sowas…

 

Er kniete am Rand des kleinen Flusses und beobachtete das Wasser, wie es sanft um kleine Felsen gurgelte. Endlich war auch der rosafarbene Blutschimmer verschwunden und das Wasser war klar, als er es mit den Händen auf schöpfte und damit Arme und Gesicht benetzte.

 

Das Blut war bei Weitem nicht so schlimm wie der Rest des ganzen Zeugs, das er sich von der Flakjacke hatte kratzen und aus seinem Haar klauben müssen. Fleischfetzen und Knochenfragmente vermischten sich im Bachlauf mit all den anderen ‚Vogelstücken‘, über die sich Naruto weiter Fluss abwärts zeternd beschwerte. 

 

Verdammt. Was für eine Art abgefuckter Angriff war das eigentlich?

 

Kopfschüttelnd tauchte Shikamaru seine Hände erneut in das fließende Wasser und beobachtete, wie die sanfte kalte Strömung über seine Hand wusch. Er hatte geduldig darauf gewartet, bis Hinata fertig war, bevor er sich selbst daran gemacht hatte, sich zu säubern; und als er endlich die lästige Aufgabe beendet hatte, seine Flakjacke und restliche Kleidung zu reinigen, schienen bereits die Sterne durch das Blätterdach.

 

Muss schlafen…

 

Shikamaru griff nach seinem schwarzen Oberteil und schüttelte es mit einer Art Peitschenschlag durch die Luft, seine dunklen Augen verengten sich verärgert. Er würde es im Kalten trocknen lassen müssen, da es außer Frage stand, ein Feuer anzuzünden. Auf keinen Fall wollten sie die Aufmerksamkeit ihres Feindes auf sich ziehen und auch die Wachen hatten sie verdoppelt. 

 

Wenn das überhaupt irgendetwas gegen diesen Gegner bringt…wie zur Hölle konnten sie uns kommen sehen…?

 

Für einen kurzen Moment spähte der Schattenninja himmelwärts und starrte finster den Mond an, bevor er den Blick wieder auf den Bach richtete und sich darauf konzentrierte, sein Haar auszuwaschen. Energisch versuchte er, das kalte Rinnsal zu ignorieren, das ihm die Wirbelsäule hinunter rann. Es erinnerte ihn viel zu sehr an dieses erschreckende Gefühl, das von ihm Besitz ergriffen hatte, als die Vögel verstummt waren. 

 

Was zum Teufel sollte das…?

 

Es hatte sich wie eine Gruppenarbeit abgespielt; koordiniert wie eine Illusion, nur dass es keine gewesen war…

 

Plötzlich kribbelte ein anderes Gefühl auf seiner Haut. 

 

Shikamaru erstarrte, als er sich gerade zu dem Bach hinunterbeugte. 

 

Sein Kopf schnellte herum, als Hinata in sein Sichtfeld trat und wie angewurzelt stehen blieb. Was als nächstes geschah, wäre höchst amüsant gewesen, wenn es nicht Shikamaru gewesen wäre, der die lächerliche Aufregung provozierte, die Hinata stottern ließ. 

 

Eine Hand der Kunoichi flog zu ihrem Mund, die andere über ihre Augen. „E-es tut mir leid!“

 

Trotz des mangelnden Lichtes und dem Schild ihrer Finger musste man kein Genie sein, um anzunehmen, dass ihr Gesicht wieder diesen einzigartigen Rotton angenommen hatte, der in etwa ein ähnliches Markenzeichen war wie Shikamarus eigener Gesichtsausdruck, als er die Brauen hob.

 

„Uh…“ Der Schattenninja spähte umher und bewegte sich unbehaglich in seiner hockenden Haltung; schwankte vor und zurück, als wäre er sich nicht sicher, was er tun sollte. 

 

Peinlich…

 

Eigentlich war es nur deswegen peinlich, weil sie es zu einer peinlichen Situation machte.

 

Es ist ja nicht so, als wäre ich komplett…ugh…was auch immer…

 

Shikamaru entschloss sich dafür, besagte Peinlichkeit einfach zu ignorieren und seufzte, während er sich mit einer Hand seine nassen dichten Strähnen zurückstrich. Er neigte den Kopf zur Seite, um das überschüssige Wasser aus seinem Haar zu drücken, bevor er es wieder zu seinem hohen spitzen Pferdeschwanz band. 

 

„Du machst es also schon zur Gewohnheit, dich an mich anzuschleichen.“, neckte er sie und versuchte so, ihre Verlegenheit ein bisschen zu lösen. „Wie lästig.“

 

„I-ich-e-tu-ka-ru-ich-it-ir-chen-u…“, stotterte sie hinter der Maske ihrer Hände hervor, die Fingerspitzen fest auf das Gesicht gepresst. 

 

Shikamaru starrte sie für einen Moment ausdruckslos an. „Ja, also ich habe gerade kein einziges Wort verstanden.“

 

Hinata legte sich die Hände auf die glühenden Wangen und wandte den Blick ab. „Es tut mir leid…ich wollte mit dir sprechen…“

 

„Ah ok.“ Shikamaru faltete ein Bein und ließ sich darauf nieder, während er durch seinen Rucksack kramte. „Was gibt’s denn?“

 

Hinata blieb zwar auf Distanz, näherte sich aber zumindest ein bisschen dem Bach, die Augen auf das Wasser gerichtet, immer noch beschämt. „Ich…ich habe darüber nachgedacht…was du mich gefragt hast…“

 

Shikamaru legte den Kopf schräg und angelte mit einer Hand einen Müsliriegel aus seiner Tasche, während er mit der anderen die spitzen Enden seines Zopfes ausdrückte. „Ok…?“

 

„Ich wollte nur…“ Hinata zögerte und beobachtete weiter die Strömung. „Du hast mir gesagt, ich solle darüber nachdenken, was vor etwa zwei bis drei Monaten mit Neji-niisan passiert sein könnte…“

 

Shikamaru biss in seinen Riegel und kaute schweigend, schluckte die harten Körner mit einer Grimasse, bevor er sich räusperte. „Jo?“

 

„Nun, ich denke…ich glaube, ich weiß, wann das alles los gegangen ist…dass er mehr Missionen angenommen hat und zuhause gemieden hat.“ Hinata nickte, wie um sich selbst Mut zu machen. „Es war nach seinem Geburtstag.“

 

Shikamaru hörte sofort auf zu kauen, den Riegel noch immer an den Lippen. „Sein Geburtstag?“

 

Beinahe hätte Hinata ihm den Kopf zugewandt, bevor sie sich daran erinnerte, wie peinlich berührt sie war; sie summte leise. „J-ja…er i-ist im Juli achtzehn geworden. Vor zwei Monaten.“

 

Shikamarus Augen verengten sich und ein spekulatives Flackern spielte in ihren Tiefen. „Okay. Kannst du dich sonst noch an irgendetwas von diesem Tag erinnern?“

 

Hinata hob einen Fingerknöchel an ihre Lippe, die Stirn war in nachdenkliche Falten gelegt. „Nicht an viel…die Ältesten wollten mit Vater sprechen. Ich glaube, Neji war auch dabei, aber das kann ich nicht mit Sicherheit sagen.“

 

Shikamaru beobachtete sie aufmerksam, sein Appetit völlig vergessen; er schob den Riegel beiseite und streckte eine Hand nach seinem Rollkragen Oberteil aus. „Also eine Beratung der Haupt- und Nebenfamilie oder sowas in der Art?“

 

„Nun, das dachte ich, aber…“ Hinata stockte. „Ein Repräsentant der ANBU war da.“

 

Was zur Hölle?

 

Shikamarus Bewegungen froren ein und seine Finger krümmten sich nur Zentimeter von seiner Kleidung entfernt, als sein scharfer Blick die Kunoichi fixierte. „ANBU?“

 

„Ja, aber…es schien kein Problem zu geben…ich meine, ich hatte nicht das Gefühl, das irgendetwas im Argen läge, um das sich ein ANBU kümmern müsste…aber danach hat Neji begonnen, mehr Solomissionen anzunehmen…und er hat danach auch d-das Training mit Vater eingestellt. Das ist alles, woran ich mich erinnern kann.“

 

Nachdenklich sah Shikamaru zur Seite weg, seine Augen zuckten kalkulierend hin und her.

 

Zeitlich passt das perfekt…das wäre auch kurz vor der Mission, bei der er ausgerastet ist…aber es kann unmöglich sein, dass Tsunade-sama nichts davon erwähnt hat…wenn Neji mit ANBU involviert wäre, dann…

 

„Shikamaru-kun?“

 

„Mn?“, brummte der Schattenninja, abgelenkt von seinen Gedanken. 

 

„Warum hast du…“ Hinata runzelte die Stirn. „Warum hast du mich nach vier Uhr morgens gefragt?“

 

Blinzelnd zog sich Shikamaru aus seinen Gedankengängen zurück, griff nach seinem Shirt und wrang es aus, während er sich erhob. 

 

„Ich bin nur neugierig.“, erwiderte er achselzuckend. „Mir ist aufgefallen, dass Neji um die Uhrzeit normalerweise immer wach ist.“

 

Hinata nickte. „Oh…ja.“

 

Shikamaru hielt inne und wandte sich ihr etwas mehr zu, seine Augen verrieten deutlich seine Überraschung. „Moment, du wusstest das?“

 

Offenbar bemerkte sie seinen irritierten Tonfall, denn Hinata drehte sich ein wenig, ihre Augen zuckten zu seinem Gesicht. „Ich…nun, ja. Ich meine…das ist normal für Neji.“

 

Shikamarus Kiefer fiel ein wenig nach unten. „Warte, was? Wieso ist das normal?“

 

Hinata blinzelte und sah dabei ein wenig verwirrt und unruhig aus. „Naja, vielleicht nicht normal für uns, aber ich…er hat das schon immer getan…er meditiert dann.“

 

Shikamaru hätte das Schnauben nicht einmal aufhalten können, wenn er es versucht hätte. „Um vier Uhr fucking morgens?“

 

„Ich…“ Hinata verzog das Gesicht und sah dabei unglaublich verlegen aus. „Ich habe mir irgendwann angewöhnt, noch früher aufzustehen, um zu trainieren…dann, wenn alle anderen schlafen…es ist so still…ich wollte nur…genau wie Naruto-kun hat mich Neji dazu inspiriert, härter an mir zu arbeiten…härter zu trainieren…“

 

Seufzend warf sich der Nara sein feuchtes Oberteil über die Schulter und ignorierte Hinatas beschämtes Zappeln. „Also steht er um vier Uhr auf?“

 

„Ich…ich weiß nicht. Ich habe ihn ein paar Mal gesehen, aber nur ein einziges Mal gefragt…wir haben damals ja nicht sehr viel miteinander gesprochen. Er sagte, er würde meditieren…seinen Verstand konditionieren.“

 

Er hat gelogen.

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten. 

 

Neji macht diesen Meditationsmist gegen sechs Uhr morgens, nicht um vier…ist sowieso verrückt, dass ich das überhaupt weiß…durchgeknallte Hyūgas und ihr bescheuerter Frühaufsteher Bullshit…

 

„Shikamaru-kun?“

 

Blinzelnd holte sich Shikamaru zurück von seinem mentalen Fluchen. „Warum hast du mir das nicht vorher erzählt?“

 

„Ich…ich dachte nicht, dass es wichtig wäre…“ Hinata sah aus, als würde sie sich gleich wieder entschuldigen. „Es tut -…“

 

„Nicht! Das ist nicht nötig.“ Seufzend schüttelte Shikamaru den Kopf. „Ich lasse dich bei einer ganzen Menge Dinge im Dunkeln…mir tut es leid, dass ich mich so kryptisch verhalte. Es ist ein Drama…aber es muss so sein.“

 

„Es ist okay.“

 

„Nein, ist es nicht, aber zumindest machst du das alles nicht noch lästiger für mich.“ Shikamaru brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Das weiß ich zu schätzen.“

 

„Ich weiß…“ Hinata verschränkte die Finger und lächelte zaghaft. „Ich muss jetzt zurück, ich bin gleich mit der Wache dran.“

 

„Jo und ich muss ein Nickerchen machen.“

 

Die Hyūga machte sich schon auf den Rückweg, bevor sie noch einen Blick auf sein Gesicht warf. „Oh…Sakura-chan hat gefragt, wo du bist.“

 

Nickend hob der Nara seine Jacke auf. „Danke.“

 

Als er sich wieder voll aufgerichtet hatte, war Hinata bereits verschwunden und ließ ihn mit einem unbehaglichen Gefühl zurück; doch zumindest hatte er nun ein paar mehr Puzzlestücke. 

 

Warum zur Hölle habe ich das jemals zu meinem Problem gemacht…?

 

Aufseufzend wischte er die Wasserperlen von seiner Haut, bahnte sich seinen Weg vorsichtig über bemooste Steine und schlich zurück zu einem der aufgestellten Zelte. 

 

Er hatte inzwischen einen neuen Plan.

 

Schlafen. Mit Sakura sprechen. Strategie ausarbeiten.

 

Neji hatte einen weiten Umkreis abgesucht und eine Stelle im Wald ausfindig gemacht, an der es aufgrund des massiven Gesteins unter der Erdoberfläche unmöglich war, Tunnel zu errichten. Kiba und Akamaru patrouillierten in den Baumkronen und überließen es Hinatas Byakugan Augen, die Umgebung auf Bodenlevel abzusuchen. Zusätzlich hatte Naruto ein paar seiner Schattendoppelgänger als Aussichtsposten aufgestellt und Lee saß in kurzer Entfernung von den Zelten auf dem Boden und bewachte ihre verbliebenen Vorräte. Shikamaru ging stark davon aus, dass sich Sakura und Chōji im Moment ausruhten. 

 

Wir müssen schon sehr bald wieder aufbrechen…

 

Müde drapierte Shikamaru sein Shirt und seine Flakjacke über einen tiefhängenden Ast. Er wandte sich dem Zelt zu, schob die Planen auseinander und duckte sich darunter hinweg, während er die Zähne gegen die Kälte zusammenbiss. 

 

„So ein Mist…“, murrte er leise, ließ sich auf alle Viere nieder und krabbelte durch das Zelt, bis er eine Bettrolle fand. Gleich darauf vergrub er sich mit einem fröstelnden Zischen unter den Laken. 

 

Gib mir einfach nur fünfzehn Minuten…

 

Die Zeltplanen öffneten sich raschelnd und eine unwillkommene Brise schwebte herein.

 

„Ugh. Warum…“, stöhnte er und zerrte sich die Decken über den Kopf. 

 

„Setz dich hin, Nara.“

 

Unter dem Stoff zog Shikamaru eine finstere Miene und seine Stimme krächzte leise darunter hervor. „Ich schwör dir, Hyūga…wenn du schon wieder kaltes Wasser auf mich kippst…dann zieh ich dir die Haut ab…“

 

Er konnte Neji schnauben hören, doch der Klang wurde leiser und weicher, bis er sich in etwas verwandelte, das beinahe ein Lachen hätte sein können; und das ließ Shikamaru inne halten. Deutlich konnte er spüren, wie sich seine Verärgerung etwas verflüchtigte und widerstrebend hob er den Kopf; das scharfe Ende seines Pferdeschwanzes stach unter den Laken hervor, bevor er den Nacken drehte. Träge öffnete er einen Spalt breit ein Auge und linste über die Schulter zu dem Jōnin.

 

„Setz dich hin.“, sagte Neji noch einmal. 

 

Shikamaru musste ein paar Mal blinzeln, um den anderen Ninja deutlich sehen zu können, doch als sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte er, dass Neji etwas in der Hand hielt. 

 

„Auch wenn er kalt sein sollte, bitte sag mir, dass das Kaffee ist!“

 

„Nicht wirklich.“

 

„Dann bin ich nicht interessiert.“, murrte Shikamaru und zog sich erneut unter seine Decken zurück. „Nacht.“

 

Er hörte, wie Neji die Tasse beiseite stellte. „Wie lange brauchst du?“

 

„Länger als wir wahrscheinlich Zeit haben.“, erwiderte der Nara, hielt seine Stimme aber träge und leicht, während er sich langsam auf den Rücken rollte. 

 

Er konnte deutlich spüren, wie Neji ihm mit den Augen folgte. 

 

„Wir müssen innerhalb der nächsten Stunde oder so aufbrechen…wenn es schnell gehen muss, bleibt in etwa eine halbe Stunde.“, sagte Neji. „Wir dürfen nicht so stationär bleiben, auch wenn wir die Sicherheitsvorkehrungen erhöht haben.“

 

„Was für ein Drama…“, seufzte Shikamaru und rieb sich die Augen. „Dann gib mir wenigstens fünfzehn beschissene Minuten.“

 

„Ich gebe dir zwanzig.“

 

Shikamaru spähte unter seiner Hand zu dem Hyūga hinauf und hob eine Braue, als er seinen müden Blick über Nejis Gesicht wandern ließ; die eleganten Züge wirkten beschattet, wenn nicht sogar ein wenig eingefallen. 

 

Stirnrunzelnd ließ der Schattenninja seine Hand sinken. „Hast du überhaupt mal geschlafen?“

 

Nejis Lippen kräuselten sich schwach, es war beinahe nicht bemerkbar, doch Shikamaru, wusste, nach welchen Anzeichen er suchen musste, ohne es bewusst zu realisieren.

 

„Das solltest du. Wir brauchen dich in wachsamen Zustand, Hyūga.“

 

„Ich halte das aus.“ Neji sah zu den Zeltplanen. „Außerdem muss einer von uns den Überblick behalten.“

 

Shikamaru folgte seinem Blick. „Wie wäre es mit etwas mehr Vertrauen in die anderen? Sie brauchen keinen Babysitter.“

 

Beinahe hätte er angesichts des Ausdrucks gekichert, mit dem Neji ihn bedachte, doch er hielt seine eigenen Augen halb geschlossen und amüsiert; lud den Jōnin ein, auf den Humor einzugehen, anstatt auf die Beleidigung. Und offenbar war Neji viel zu müde, um lästig zu sein; doch auch zu stolz, um nachzugeben, denn er entschied sich einfach nur dafür, sich mit einem Augenrollen niederzulassen – zu einem Lachen ließ er sich jedoch nicht herab. 

 

Shikamaru versuchte, sich selbst davon zu überzeugen, dass er nicht enttäuscht davon war.

 

Außerdem gab es dringlichere Dinge, um die er sich sorgen musste; nicht zu erwähnen, dass er sich noch überlegen musste, wie er bestimmte Fragen formulieren sollte. Fragen, die vermutlich den gesamten Sinn für Humor des Hyūga auslöschen würden.

 

Super…

 

Laut gähnend rollte sich Shikamaru auf die Seite und seine Halbmast-Blick folgte Neji, als sich der Jōnin bewegte, um sich auf die andere Bettrolle zu legen. Als hätte er einen Stock verschluckt, ließ er sich steif auf den Laken nieder und legte einen Arm über seinen Bauch, die Finger zu einer losen Faust geformt.

 

Egal wie sehr er es versuchte, Shikamaru konnte die Worte nicht daran hindern, seine Lippen zu verlassen. „Entspann dich, Neji.“

 

Neji spähte aus dem Augenwinkel herüber, ohne den Kopf zu drehen. „Sollten wir die Nacht überleben, werde ich das sicher in Betracht ziehen.“

 

Shikamaru hob eine Braue, den Mund hinter den Laken verborgen und das Gesicht nur vom Nasenrücken aufwärts sichtbar. „Niemand wird sterben. Entspann dich.“

 

„Zwei Byakugan Nutzer wurden überrumpelt, Shikamaru. Also sag mir nicht, ich soll mich entspannen.“

 

„Niemand wird sterben! Wie ich es dir schon einmal gesagt habe…das ist keine Option.“

 

Die ausbleibende Antwort zog mit einem Schlag eine scharfkantige Spannung in die Luft und Shikamaru machte sich sofort daran, sie wieder zu lösen. Er wollte später nicht die doppelte Anstrengung unternehmen müssen, um die Wogen zu glätten, auch wenn er wusste, dass er das Boot schon sehr bald gefährlich zum Schaukeln bringen würde mit all den Fragen, die in seinem Kopf herumwirbelten.

 

„Außerdem“ Shikamaru ließ das Wort zu einem Gähnen auslaufen. „Du verlierst nicht, erinnerst du dich?“

 

Neji grinste. „Ich habe beim Shogi verloren.“

 

Shikamarus Kichern brachte die Laken in Bewegung und zwang ihn, sie mit der Nase etwas von sich zu schieben. „Ja, mehrmals…du bist ziemlich mies.“

 

Sehr zur Überraschung des Naras, pressten sich die Lippen des Hyūga zusammen, doch nicht wegen Verärgerung – nach dem Heben von Nejis Wangenknochen zu urteilen, kämpfte der sture Bastard gerade ein Lächeln nieder. 

 

„Irgendwann, Shikamaru…“ Neji drehte den Kopf und sah zu dem Schattenninja hinüber, „werde ich dich schlagen.“

 

Shikamaru hob beide Brauen und hielt seinen schläfrigen Gesichtsausdruck bei. „Du klingst ziemlich überzeugt.“

 

„Ich bin mir sicher. Denn mit diesem Moment mache ich es zu meinem Ziel.“

 

Noch in derselben Sekunde, in der der Hyūga diese Worte fallen ließ, bemerkte Shikamaru die Gelegenheit; und ergriff sie.

 

„Achja? Sieht so aus als hätte Lee recht, wenn er sagt, dass du zu Großem bestimmt bist.“

 

Aufmerksam beobachtete er, wie sich Nejis Miene veränderte. Die Heiterkeit, die die Augen des Hyūga erhellt hatte, verblasste etwas. „Lee hat das gesagt?“

 

Und es geht los…

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Jo, ich war überrascht.“

 

Eigentlich hatte der Schattenninja erwartet, Neji würde nun in eine angespannte, grüblerische Stille verfallen, doch wie es schien, war der Hyūga gerade sehr erfolgreich darin, ihn zu überraschen. 

 

„Ich schätze mal, das war zu erwarten.“, erwiderte Neji leise und seine melodischen Töne klangen beinahe nachdenklich. „Er glaubt daran, dass was auch immer passiert – wenn man hart daran arbeitet, bestimmt das letztendlich das Ergebnis…ich nehme an, das könnte man als selbstbestimmtes Schicksal definieren…“

 

„Niemand kann verleugnen, dass du sehr hart arbeitest.“

 

„Ich wünschte, ich könnte dasselbe von dir behaupten“, erwiderte Neji mit einem Schnauben. 

 

„Du bist echt voll von schwachen Nummern, oder?“

 

Neji schloss die Augen. „Dann hör auf, über Bestimmung zu reden…“

 

„Das waren Lees Worte, nicht meine.“ Shikamaru rollte sich auf den Rücken und zog die Decken erneut bis über Mund und Nase, um so viel von seinem Gesicht wie möglich warm zu halten, ohne sich komplett unter dem Stoff zu verkriechen. „Also ist es mit dem Jōnin für dich getan?“

 

„Wie bitte?“

 

„Deine Entwicklung oder was auch immer…scheinbar hast du ja sowas wie ein finales Ziel.“

 

Er hörte, wie sich Neji bewegte und drehte den Kopf, um zu beobachten, wie sich der Hyūga ganz leicht aufrichtete und seine schwarzbraune Tasche als provisorisches Kissen nutzte. 

 

„Und ich gehe einfach mal davon aus, dass Lee dir das erzählt hat.“ Nejis Lippen zuckten und verrieten den Hauch eines Lächelns.

 

„Er sagte, Jōnin wäre nicht dein endgültiges Ziel…das hat mir die Frage aufgedrängt, ob du irgendwas Verrücktes wie die ANBU anstrebst.“ Er sprach die Worte langsam und träge aus, ließ sie über die Zunge rollen wie Würfel über ein Spielbrett und wartend auf das Ergebnis.

 

Dieses Spiel mit Neji zu spielen konnte bedeuten, deutlich mehr zu verlieren als er jemals erhoffen konnte, dadurch letztendlich zu erreichen; sollte sich herausstellen, dass es eine Katastrophe war, die ANBU Karte auszuspielen. Und gerade als er dachte, Neji würde sich nicht zu einer Antwort herablassen, räusperte sich der Hyūga und seine Stimme wurde sehr leise. 

 

„Würde es denn eine Rolle spielen, wenn ich es täte?“

 

Shikamaru legte den Kopf in den Nacken und koordinierte bereits den Kurs, von dem er hoffte, dass die Unterhaltung ihn einschlagen würde. „Ja also, es ist nicht gerade die beste Karriere Route, wenn man sie vermeiden kann.“

 

„Zu viel Aufwand für deinen Geschmack, Nara?“

 

„Es würde mir viel mehr Schlaf rauben als mir lieb ist…und das aus Gründen, über die ich gar nicht erst nachdenken will.“

 

„Ich dachte, du verschwendest deine Zeit nicht mit Schuldgefühlen“, erwiderte Neji. „Das Gebiet, in dem ANBU operieren, ist nur ein tieferes Level der Welt, in der jeder Shinobi arbeitet.“

 

„Ja, aber würdest du wirklich in diesem Gebiet operieren wollen?“

 

„Warum sollte ich das nicht?“, knurrte Neji.

 

Als er merkte, wie sich der Tonfall des Hyūga verhärtete, manövrierte Shikamaru seine nächsten Worte vorsichtig in Position, um weiterhin dieser aufschlussreichen Richtung folgen zu können, in die sich ihre Unterhaltung gerade bewegte. 

 

„Es gibt einen Unterschied zwischen dem Töten während eines Kampfes und kaltblütigem Morden.“

 

„Tz. Werd‘ erwachsen, Nara.“

 

„Wach auf, Hyūga.“

 

„Ich bin aufgewacht!“, schnappte Neji und ein scharfes abruptes Drehen seines Kopfes sorgte dafür, dass Shikamaru erstarrte. „Ich bin vor langer Zeit mit der Realität aufgewacht. Ich könnte genau wie Naruto einem weit hergeholten Traum nachjagen, oder aber ich kann auf den Boden der Tatsachen zurückkommen und mit dem arbeiten, was ich habe. Und genau das ist es, was ich tue.“

 

Shikamaru hatte ein ganzes Arsenal an Antworten darauf; hauptsächlich welche, die darauf hinwiesen, was Neji zurzeit mit seiner Gesundheit tat. Doch er verbannte jeden Sarkasmus und entschied sich für einen sichereren Weg. Er stemmte sich auf einen Ellbogen hoch und seine dunklen Augen füllten sich mit dieser selten gesehenen Intensität, als er sie von dem trägen Verschluss der Lider befreite; sie trafen auf Nejis finsteren Blick. 

 

„Indem du dich selbst zu den verdammten Black Ops versetzen lässt?“

 

„Wenn es das ist, was ich tun muss, dann soll es so sein.“

 

„Warum zur Hölle solltest du das tun müssen, Neji?“

 

Neji wandte den Blick ab und stieß ein müdes irritiertes Seufzen zwischen den Zähnen aus, bevor er kopfschüttelnd langsam und kontrolliert einatmete. „Geh schlafen, Nara.“

 

Scheiß drauf, das hier sicher anzugehen.

 

Mit seinen nächsten Worten übertrat Shikamaru auf subtile Weise die Linie. 

 

„Außer natürlich, die ANBU haben dich bereits rekrutiert…“

 

Neji versteifte sich und seine blassen Augen weiteten sich ein bisschen, bevor sich sein Gesicht zu einer Maske verhärtete, die viel zu kalt war, um sie lesen zu können und zu stählern, um unter dem Druck weiterer bohrender Fragen nachzugeben. Shikamaru spürte deutlich, dass er soeben jede Möglichkeit verloren hatte, noch mehr von dem anderen Ninja zu erfahren. 

 

Wenn die ANBU Neji rekrutiert haben…warum zur Hölle hat die Hokage das nicht erwähnt?

 

Shikamaru ließ seinen Ellbogen zurückgleiten und ließ sich wieder auf den Rücken sinken. Während er sich die Decken erneut mit einem Gähnen bis zum Hals zog, tat er so, als würde er wieder zurück in seine übliche Lässigkeit schlüpfen. 

 

„Was auch immer…schätze mal, wenn es wirklich zu erwarten ist, dann wird es wohl einfach passieren, oder?“

 

Nejis eisiger Blick klang etwas ab und stattdessen runzelte er leicht die Stirn. „Versuchst du absichtlich, mich zu irritieren, indem du so redest?“

 

Da er spürte, dass es nun an der Zeit war, sie beide wieder auf sichereren Boden zurückzubringen, ließ Shikamaru den Anflug von Belustigung in seinen nächsten Worten mitschwingen. „Hey, Lee war derjenige, der Bestimmung erwähnt hat. Ich gebe einen Scheiß auf so einen Schmarrn.“

 

„Lee scheint das Bedürfnis zu haben, dem Wort eine bessere Bedeutung zu geben, wenn er in meiner Nähe ist.“ Nejis Stirnrunzeln vertiefte sich. „Ich verstehe nicht, warum er sich die Mühe macht.“

 

„Macht doch Sinn.“ Shikamaru ließ seine Lider zufallen. „Wahrscheinlich versucht er, die Spannung zu lösen. Und mal ganz ehrlich, du musst dich wirklich dringend entspannen.“

 

Ein kurzes scharfes Lachen brach aus Neji heraus, viel zu harsch, um belustigt zu sein. „Wundervoll. Er will, dass ich sein Rivale bin – und du willst, dass ich mich entspanne.“

 

Jetzt legte auch Shikamaru seine Stirn in Falten und er öffnete einen Spalt breit ein Auge. „Weißt du, manchmal, wenn du Menschen um dich hast, dann geht es ihnen einfach nur darum, bei dir zu sein…sie wollen rein gar nichts von dir.“ 

 

„Aber ich verstehe den Sinn dahinter nicht so ganz.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und drehte den Kopf, um zu antworten. 

 

Doch er brachte kein Wort heraus, als sich sein Blick auf Nejis Gesicht richtete.

 

Die Stirn des Hyūgas hatte sich regelrecht zu einer beinahe schon kindlichen Verwirrung verknotet. Er sah aus, als wäre er dabei, ein Rätsel zu lösen, dessen Aufbau keinerlei Platz in seinem mentalen Katalog fand. Und mehr als das, er sah beunruhigt aus, aber nicht auf eine frustrierende Weise – tatsächlich wirkten diese blassen Augen seltsam distanziert; verloren. 

 

Als hätten sich seine Verteidigungsmechanismen gesenkt, ohne dass es ihm bewusst war. 

 

Shikamarus Blick wurde weich und der Stich von etwas Unangenehmen schmerzte in seiner Brust. Mit einem Schnauben stählte er sich selbst gegen dieses Gefühl und schüttelte über seine eigene Reaktion den Kopf. 

 

Das ist nichts Persönliches.

 

„Dann versuch gar nicht erst, es zu verstehen. Akzeptiere es einfach.“ Shikamaru rollte sich auf die Seite, denn er musste diese Unterhaltung jetzt beenden. „Nacht.“

 

„Ich glaube nicht, dass ich es akzeptieren kann.“

 

„Dann toleriere es. Geh schlafen.“

 

„Ich weiß nicht wie.“ Nejis Stimme wurde leise.

 

„Schließ die Augen und halt die Klappe für den Anfang.“

 

„Das habe ich nicht gemeint, Idiot.“

 

Und schon wieder schwang etwas von tieferer Bedeutung in Nejis Stimme mit – diese schmerzerfüllte Bestürzung. Shikamaru spannte sich an und wünschte sich so sehr, es wäre einfach nur aufgrund der Kälte. Sein unerklärlicher Drang, eine Hand nach Neji auszustrecken und auf den Hyūga zu reagieren, löste alle möglichen Arten von Panik in ihm aus und ließ verzweifelt nach einem Weg suchen, diese Situation zu vermeiden. 

 

Scheiße…

 

Viel zu müde, um strategisch denken zu können, griff er auf die sichere Methode zurück, den anderen Ninja durch Provokationen auf Abstand zu halten. Shikamaru ließ ein knurrendes Seufzen hören. 

 

„Geht es nur mir so, oder wirst du immer dümmer, Hyūga?“

 

Sofort verhärtete sich Nejis Stimme. „Willst du schon wieder eine Gehirnerschütterung?“

 

Shikamaru widerstand dem Drang, sich selbst zu ohrfeigen und schnaubte über seine eigene Blödheit; zwischen ihnen beiden irgendeine Art von Balance aufrecht zu erhalten, war unmöglich. Er brauchte Neji mit einer aufrechten Verteidigung, um ihn auf Distanz halten zu können, doch gleichzeitig war es nötig, diese Distanz zu überbrücken, wenn er zu dem sturen Bastard durchdringen wollte. 

 

Fuck. Ich vermassle es…ich darf es nicht vermasseln…

 

Als würde es die Situation weniger lästig oder real machen, wenn er den Kopf unter den fadenscheinigen Laken vergrub, tat Shikamaru genau das und schnaubte unter seinem Kokon aus dünnem Stoff. 

 

„Es wird nicht helfen, wenn wir beide hirntot sind“, murrte er und hörte, wie sich Neji auf der anderen Seite des Zeltes bewegte.

 

„Ah, soll das heißen, du gibst deine ‚Zwei Genies, die sich gemeinsam dämlich aufführen‘ Strategie auf?“, murmelte Neji leise. „Dabei war das Klügste, das du bisher getan hast, Nara.“

 

Shikamaru schnaubte noch einmal. „Reich eine verfickte Beschwerde ein oder halt die Klappe. Ich versuch zu schlafen.“

 

Ein heftiger Tritt von Nejis Zehen in seinen unteren Rücken sorgte dafür, dass er sich ruckartig mit einem Knurren umdrehte und seine Ellbogen in die Bettrolle grub. „Was zur Hölle, Hyūga!“

 

Neji hob eine Braue und seine Lippen verzogen sich zu einem Feixen. „Betrachte meine Beschwerde als eingereicht, Nara. Deine zwanzig Minuten sind um.“

 

Oh verdammt nochmal.

 

Shikamarus Miene verfinstere sich und er wartete, bis sich Neji auf dem Absatz umgedreht hatte, bevor er seinen Ellbogen hob und ihn so hart in Nejis Kniebeuge rammte, dass das Bein einknickte. 

 

„Pass auf, wo du hinläufst.“, sagte der Nara gedehnt. 

 

Neji konnte gerade noch so sein Gleichgewicht halten und bewahrte sich so vor einem äußerst ungraziösen Taumeln aus dem Zelt. Mit einem mörderischen Blitzen in den Pastellaugen wirbelte er herum. Doch Shikamaru zuckte nur mit den Achseln und fand sich nicht in der Lage, seinen Mund davon abzuhalten, sich zu einem Feixen zu verziehen. Seine selbstgefällige Miene fiel allerdings sehr rasch aus seinem Gesicht, als sich ein Grinsen auf Nejis Lippen schlich. 

 

Scheiße.

 

Shikamarus Augen weiteten sich, als sich die Finger des Hyūga an seine Bettdecke legten. 

 

„Oh verfickt nochmal, wage es ja nicht, Hyūga!“

 

In dem Bruchteil einer Sekunde, in dem sich ihre Augen trafen, reagierten sie beide gleichzeitig. Zwei Paar Hände krallten sich in die Laken und zerrten in entgegengesetzte Richtungen, bis das wütende Reißen des Stoffes die Luft zerschnitt.

 

Stille folgte. 

 

Shikamaru starrte mit offenem Mund auf sein Ende der zerfetzten Laken, während Neji die andere Hälfte betrachtete, die von seinen schlanken Fingern hing. Und zum völligen Schock des Nara, würgte Neji etwas zurück, das sich wie ein Lachen anhörte. 

 

Shikamaru warf ihm einen vernichtenden Blick zu. 

 

Er beobachtete, wie sich das Gesicht des Hyūga zu dem nüchternsten Ausdruck glättete, den der Jōnin beherrschte. Nejis Stimme war angespannt von der Bemühung, ernst zu bleiben und nicht zu amüsiert und zufrieden zu klingen. 

 

„Also, wenn du dann fertig damit bist, dich wie ein Kind aufzuführen, Shikamaru…“

 

Shikamaru biss die Zähne zusammen und krümmte sich gegen die Kälte zusammen, die über seine Haut kroch. Jede Chance auf Schlaf – und wären es nur vierzig verdammte Augenblicke gewesen – war aus dem Fenster getreten worden.

 

Das war schlimmer als eine Gehirnerschütterung.

 

„Ein Kind, huh?“ Shikamarus linste hinüber zu Nejis Bettrolle. 

 

Ihre Blicke trafen sich erneut. 

 

Nejis Augen weiteten sich. „Denk nicht mal daran!“

 

Diesmal war es Shikamaru, der grinste. 

 

Einen Herzschlag später stürzten sie sich beide auf die Decken des Hyūga. 

 

Sie prallten mit krachenden Schultern und verhedderten Beinen aufeinander. Das manövrierte beide in eine Rauferei, die in etwa so anmutig war wie ihr erster Kampf vor zwei Monaten. Shikamaru gab sich Mühe, die Oberhand zu gewinnen und nutzte seinen Ellbogen als Waffe um Neji den Versuch, ihn zu schubsen, zu vergelten. 

 

Er konnte spüren, wie der Schlag ohne Wirkung am Kiefer des Jōnin entlang schrammte. „Verdammt.“

 

„Hn.“, spottete Neji beinahe lächelnd. „Immer noch zu langsam.“

 

Shikamaru grinste und hob eine Braue. „Achja?“

 

Er packte die Laken von Nejis Bettrolle, täuschte einen Tritt gegen Nejis Bauch an und zwang den Jōnin so, den Körper durchzubiegen, um auszuweichen. In der Sekunde, in der sich Neji nach vorn beugte, ließ Shikamaru seinen Arm nach oben schnellen und ein scharfes Rucken seines Handgelenkes wickelte den Stoff um Nejis Schultern und Hals. 

 

Hab ich dich.

 

Er zog; jedoch nur, um zu fluchen, als sich der Stoff straffte und sich nicht weiter bewegte, da der Rest unter ihrer beider Körper eingeklemmt war. Sein Versuch, den Jōnin so zur Seite zu reißen, missglückte. 

 

Shikamaru verzog das Gesicht. „Ah, Mist.“

 

Schnaubend befreite sich Neji mit Leichtigkeit aus der Schlinge, um zu kontern. 

 

In einem letzten Versuch, sich zu verteidigen, spielten Geschick und Taktik keinerlei Rolle mehr – und genau deswegen fand sich Shikamaru keine fünf Sekunden später auf dem Rücken liegend wieder, mit Nejis Fingern in vertrauter Weise um seine Kehle geschlossen. 

 

„Serien-Würger…“, grummelte Shikamaru, doch bevor er überhaupt den Versuch starten konnte, sich zu bewegen, strich auch schon der Schenkel des Hyūga gegen sein Becken, als sich der Jōnin schwunghaft rittlings auf ihn setzte. 

 

Shikamaru spürte, wie sein Kopf nach hinten gedrückt wurde, als Neji ihn fest am Hals packte.

 

Verdammt…

 

Shikamaru versuchte, den anderen Ninja von sich zu buckeln, doch Nejis freie Hand krallte sich in seine Hüfte und hielt ihn hart genug unten, um heftige Schmerzen zu verursachen. Er wimmerte hörbar. Sofort veränderte sich Nejis Griff und fixierte ihn mit weniger Druck, gewährte ihm aber dennoch keinerlei Freiraum, um zu entkommen.

 

„Gib’s auf, Nara. Du hast verloren.“

 

Shikamaru fluchte leise und die flachen Konturen seines Bauches spannten sich an. Energisch wand er sich, um sich zu befreien, doch je mehr er sich bewegte, umso energischer hielt Neji ihn unten. 

 

Viel zu schnell musste er feststellen, dass jede Art von Bewegung rapide gegen ihn arbeitete, wenn er so nah an Neji gedrückt war. Ihre Körper rieben auf eine Weise übereinander, die ihn schon mit Kleidung wahnsinnig genug gemacht hatte; geschweige denn, wenn er halb nackt war. 

 

Fuck.

 

Sie befanden sich in einer gefährlichen Position und plötzlich hatte es nichts mehr mit Nejis Hand um seine Kehle zu tun. 

 

Er musste das aufhalten; jetzt.

 

„Was auch immer.“, murrte der Schattenninja. „Geh runter von mir, Hyūga.“

 

„Ich fasse das mal als bedingungslose Kapitulation auf.“

 

„Beweg dich endlich, ich bin viel zu müde für diesen Mist…“ Shikamaru schluckte schwer. 

 

Er blinzelte, als er spürte, wie Nejis Daumen über die Kante seines Kiefers strich und sich unter sein Kinn legte, um seinen Kopf noch etwas weiter nach hinten zu zwingen. 

 

„Was machst du da?“ Shikamaru runzelte die Stirn und seine dunklen Augen zuckten zu den blassen, die in musterten. 

 

„Du zitterst…“, sagte Neji leise, seine Stimme verstörend unlesbar. 

 

„Weil es verfickt kalt ist…“, knurrte Shikamaru zurück, doch er konnte nicht sagen, ob es Adrenalin war, das durch seinen Kreislauf jagte oder etwas anderes; denn ganz sicher war ihm im Moment nicht kalt. 

 

Neji hob eine Braue, er durchschaute die Lüge sofort. 

 

Langsam wanderte der Daumen des Jōnin zurück über seinen Kiefer und Shikamaru atmete so kontrolliert wie möglich aus. Er spannte sich an, um sich selbst davon abzuhalten, noch mehr auf die Berührung zu reagieren, als er es ohnehin schon tat. Es war ein totaler Verrat seines Körpers, so darauf zu anzusprechen; so von diesen warmen Händen und ihrer lästigen unentrinnbaren Anziehungskraft bewegt zu werden.

 

Reiß dich zusammen.

 

Apathie war offensichtlich ein verdammtes selektierendes Miststück. Von all den Gelegenheiten, sich um nichts zu scheren, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, vollkommen unberührt zu bleiben. Doch trotz all seiner lakonischen Neigungen konnte Shikamaru einfach nicht aufhalten, was Neji ihn ihm aufwirbelte.

 

„Normalerweise bist du besser im Lügen, Shikamaru.“, sagte Neji und seine tiefer fallende Stimme nährte nur noch mehr die feuchte Hitze, die sich zwischen ihnen aufbaute. 

 

„Achja? Nun, normalerweise ziehst du dich an diesem Punkt zurück.“

 

Du hättest du dich vor langer Zeit zurückziehen sollen.“

 

Ich weiß…

 

Stirnrunzelnd beobachtete Shikamaru, wie die mondgleichen Iriden seinen Hals entlang wanderten. Der Griff um seine Kehle lockerte sich und dann spürte er das langsame aber bewusste Streichen von Nejis Fingern über die Blutergüsse, die seine Haut bedeckten; die Male, die die harten Griffe hinterlassen hatte, als der Jōnin ihn gepackt hatte. 

 

„Tut es weh?“, murmelte Neji und sein Atem brachte die Strähnen zum Schwingen, die sein Gesicht einrahmten. 

 

Shikamaru bemerkte, wie seine Stimme leicht zitterte und heiser wurde. „Nein.“

 

Er musterte Neji durch dichte Wimpern und versuchte verzweifelt, herauszufinden, was zur Hölle der Hyūga gerade tat. Es machte keinen Sinn. Ein Teil von ihm vermutete, dass es eine Art Heimzahlung für das letzte Mal war, als sich etwas physisches zwischen ihnen abgespielt hatte. 

 

Das darf nicht nochmal passieren.

 

Ihm stockte der Atem in der Kehle, als Nejis Finger um seinen Hals wanderten und sich an seinen Nacken legten. Noch immer konnte er den phantomhaften Griff um sein Collum spüren; es war ein kitzelndes Gefühl, dass seine Haut kribbeln ließ, genau wie der Schwung von Nejis Haar, als der Hyūga den Kopf neigte. 

 

Fuck…beweg dich…

 

Shikamaru grub die Ellbogen in die Bettrolle und bereitete sich darauf vor, scharf und schnell seine Hüften zu drehen, um Neji von sich zu werfen, bevor die Hitze, die sich in seinem Schritt sammelte anfangen konnte zu brennen. 

 

„Ich werde nicht gegen dich verlieren, Shikamaru…“ Nejis Stimme umspielte seine Ohrmuschel, die Worte so kühl im Vergleich zu dem heißen Atem, der sie mit sich trug. „…und ich werde es nicht aufgeben…“

 

Shikamaru krallte seine Finger in die Laken und sein Kiefer verkrampfte sich. „Was aufgeben?“

 

„Was auch immer du suchst…“, raunte Neji und zog sich weit genug zurück, um seine Lippen über die Kehle des Schatteninjas gleiten zu lassen. „Was auch immer du zu tun versuchst…“

 

…Scheiße.

 

Das Einzige, das Shikamaru im Moment versuchte, war nicht zu reagieren.

 

Deutlich konnte er spüren, wie Nejis Mund den verblassenden Malen auf seinem Hals folgte und das zaghafteste Kratzen von Zähnen entlockte ihm ein leises Zischen. Energisch schloss er die Augen gegen die Empfindung. Es war, als würde er unter seiner Haut gebrandmarkt werden. 

 

Fuck…

 

Das Spiel von Nejis Lippen zerrte seinen Herzschlag in einen Rhythmus, der ihm den Kopf verdrehte. 

 

…Scheiße…halte es auf, bevor es zu weit geht…

 

„Weißt du…“ Der Nara schluckte ein Knurren hinunter und seine Stimme brach keuchend aus ihm heraus. „Du bist immer noch paranoid…“

 

Der Griff um seinen Nacken löste sich. 

 

Neji zog sich weit genug zurück, sodass sich ihre Nasen berührten und sich ihre Blicke durch den tiefen Schwung ihrer Wimpern trafen. Der Schattenninja konnte Nejis Atem auf der Zunge schmecken und sog ihn ein wie ein Toxin – noch süchtiger machend als Rauchen es jemals sein könnte. Und ebenso gesundheitsschädlich, wenn die nächsten Worte des Hyūgas ernst zu nehmen waren. 

 

„Ich meine es ernst, Nara…wenn du mich drängst…“ Neji zog seine Fingern wieder nach vorn, um mit dem Daumen über Shikamarus Kehle zu streichen und ließ sie über die feuchten angespannten Sehnen gleiten, als würde er eine Klinge nachahmen. „…dann wirst du es bereuen.“

 

Langsam blinzelte Shikamaru und schüttelte den Kopf; die Bewegung sorgte dafür, dass ihre Münder übereinander strichen und ihre Nasen aneinander stießen. „Ich versuche nicht, dich zu drängen, oder zu schubsen.“

 

„Also was versuchst du dann, jedes Mal, wenn du die Grenzen verwischst?“

 

Ich versuche, dich zurückzuziehen.

 

Hart verkrampfte sich Shikamarus Kiefer und er antwortete nicht. 

 

Er sah zu, wie Neji fragend den Kopf zur Seite neigte und die opalhaften Halbmonde seiner Augen flackerten, als sie nach einer Antwort suchten. Doch Shikamaru hatte nicht vor, ihm eine zu geben und stattdessen entspannte er sich ein wenig, ließ die Verkrampfung aus seinen Muskeln bluten. Doch in seinem Inneren fühlte er sich angespannt wie eine Sprungfeder, mit einer Spirale aus Erregung, die sich in seinem Unterleib verknotete…und der Druck ließ mit einem Beben einen weiteren aussagekräftigen Schauer über seine Wirbelsäule tanzen. 

Verdammt.

 

Neji entging es nicht. 

 

Shikamaru zuckte zusammen, als er spürte, wie eine kühle Handfläche über seinen Bauch glitt; die flachen Konturen seines Abdomens spannten sich an. Seine Lippen öffneten sich leicht unter Nejis Mund und er atmete scharf gegen diese Berührung ein, die sämtliche Härchen auf seinem Körper aufstellte. 

 

„Neji.“ Rasch schob er eine Hand zwischen ihre Körper und packte Nejis Handgelenk, bevor die Finger des Jōnins noch weiter südwärts wandern konnten. „Was…was zur Hölle machst du da…?“

 

Der Mund des Hyuga strich federleicht gegen seinen und sprach tiefe hypnotische Worte gegen seine Lippen. „Ich gebe dir einen weiteren Grund, mich zu schubsen…“

 

Shikamaru blinzelte heftig und schnappte nach der aufgeheizten Luft, die mit jedem Atemzug noch höher aufstieg. „Warum?“

 

„Tu es, Nara.“ Neji schüttelte den Kopf, die Mokkasträhnen seines Haares schirmten ihrer beider Gesichter ab. „Schubs mich.“

 

Stirnrunzelnd legte Shikamaru den Kopf schief und versuchte verzweifelt, wieder Herr seiner Sinne zu werden; doch offensichtlich war er nicht der Einzige, der damit Probleme hatte. Er konnte es deutlich in den silbrigen Augen sehen, wie sie versuchten, das Feuer zu ersticken, das in ihnen aufloderte. 

 

„Warum, Neji?“

 

„Verdammt seist du…“, knurrte Neji und hob seine freie Hand, um seine Finger in Shikamarus Nacken zu krallen – seine Stimme brach rau aus ihm heraus. „Tu es!“

 

Shikamaru hob die Schultern gegen diese unangenehme Umklammerung an, doch er bemühte sich darum, seinen Kopf genauso eben zu halten wie seine Stimme. „Warum?“

 

Um Kontrolle kämpfend starrte Neji zu ihm hinunter. Doch der Schattenninja machte keine Anstalten, ihn als Antwort darauf anzugreifen oder sich zu wehren; er blieb einfach nur sehr ruhig liegen und schwieg. 

 

Und als Neji endlich sprach, war seine Stimme nicht mehr als ein angespanntes Wispern. „Weil ich einen Grund brauche, dich zurückzustoßen…“

 

Shikamarus Augen weiteten sich…und dann wurden sie unglaublich weich. 

 

„Nicht.“ Neji schüttelte den Kopf. „Sieh mich nicht so an.“

 

Deutlich spürte Shikamaru, wie die Anspannung auf seinem Gesicht zerbrach. Er ließ Nejis Handgelenk los, gab dem Hyūga aber keine Gelegenheit zu antworten, bevor er nach oben griff, um mit den Fingern durch die dunkle Mähne des Jōnin zu fahren und Nejis Kopfhaut leicht zu massieren. 

 

„Wie lästig.“, murmelte er sanft. 

 

Er sah, wie etwas in Nejis Augen aufblitzte, bevor der Hyūga die Lider schloss und zu verstecken versuchte, was auch immer sich in diesen blassen Seen abspielte. Wieder einmal gestattete Shikamaru seiner Berührung, unausgesprochenen Worte zu vermitteln und fuhr mit sanftem Druck Nejis Nacken entlang, bis er spürte, wie sich der Griff an seinem eigenen Genick lockerte. 

 

Der kalte Stahl von Nejis Hitai-ate legte sich an seine Stirn. 

 

Für eine Weile verharrten sie so, beide gefesselt von der Stille. 

 

Shikamarus Herzschlag hatte sich stabilisiert, doch die Hitze blieb fest verknotet in seinem Inneren verankert und Rinnsale davon sickerten jedes Mal in sein Blut, wenn Nejis Atem über seine Lippen geisterte. 

 

Die Spannung zwischen ihnen schien beinahe zu summen.

 

Und dann passierte es.

 

Shikamaru hatte keine Ahnung wie, doch sie bewegten sich zur exakt selben Zeit. 

 

Ein subtiles Neigen ihrer Köpfe war genug und ihre Münder trafen sich, strichen zaghaft übereinander. Es war ein flüchtiger Schwung, der zu einem gegenseitigen Öffnen der Lippen führte, doch keiner von ihnen machte Anstalten, den Kuss zu vertiefen. Für einen Augenblick teilten sie ihren Atem, Münder schwebten federleicht übereinander und tranken den berauschenden Geschmack des angedeuteten Kusses hinunter, ohne in den Tanz von Zungen einzutauchen. 

 

Und wieder einmal berührten sie sich kaum, doch das allein reichte, um ein Fieber zwischen ihnen auszulösen. Shikamaru konnte spüren, wie Nejis Atem gegen seine Lippen zu zittern begann; es war ein erotischer Schauer zurückgehaltenen Verlangens. Beinahe hätte es hier und jetzt seinen Verstand reißen lassen wie ein gespanntes Drahtseil. Niemals zuvor hatte er diese Art gefesselter Lust verspürt; und all die komplizierten Bedürfnisse, die damit einhergingen.

 

Neji lehnte sich weiter nach vorn; dann erstarrte er. 

 

Shikamaru hörte es Sekunden später. 

 

Das Geräusch leiser Stimmen erklang direkt außerhalb ihres Zeltes.

 

Es brach den Zauber, der sich über ihre Sinne gelegt hatte und kühlte einen Teil der Hitze in der Luft ab. Neji zog sich zurück und Shikamaru ließ seine Hand sinken, während beide Luft einsogen, die nicht nach dem jeweils anderen schmeckte. Für einen Moment blieb der Hyūga auf den Knien und gewährte Shikamaru genug Raum, um sich aufzusetzen. 

 

Es war unmöglich einzuschätzen, was die letzten Minuten mit dem prekären Untergrund angestellt hatten, den sie sich geschaffen hatten und auf dem sie sich bewegten. Shikamaru konnte beim besten Willen nicht sagen, ob gerade ein Keil zwischen sie getrieben worden war, oder etwas sie noch näher zueinander gebracht hatte. 

 

Auch die Stille bot dafür keine Antwort und Nejis Augen enthielten nichts außer Fragen, als sie nach oben zuckten. 

 

Shikamaru konnte nicht eine einzige davon beantworten. 

 

Er wollte es nicht. 

 

Er wollte es nicht wollen.

 

Neji bedachte ihn mit einem letzten, hin und her gerissenen Blick, bevor er sich mit einer fließenden und anmutigen Bewegung erhob. Seine ruhige Haltung stand in völligem Kontrast zu dem Ausdruck in seinen Augen, als er leise die Zeltplanen beiseite schob und in die Nacht verschwand. 

 

Im selben Moment, in dem das Segeltuch zu schwang, presste Shikamaru die Lider zusammen und ließ sich nach hinten auf die Bettrolle fallen, während er sich mit der Hand über das Gesicht strich und in seine Handfläche seufzte.

 

Fuck.

 

Ein zittriges Keuchen brach aus ihm heraus bevor er seine Finger in den Schädel krallte; die Nägel schnitten tief in seine Kopfhaut.

 

Was zur Hölle mache ich hier eigentlich…?

 

Als er den Klang von Schritten hörte, ließ er die Hände sinken und spähte zum Zelteingang, der sich öffnete. Er musste nicht lange warten, bis die Person das Wort ergriff. 

 

„Shikamaru?“

 

Sakura…

 

__________________

Irgendwie war ich heute Nacht unglaublich motiviert und das Schreiben lief richtig gut, daher...TADA: hier ist schon das nächste Kapitel. Es hat mir soo Spaß gemacht, es zu schreiben und ich hoffe, es gefällt euch genauso gut! Ja, nein? Vielleicht bringt es ja für den ein oder anderen etwas Licht ins Dunkel um Neji, oder hat es eher nur noch mehr Fragen aufgeworfen?? ;) Würde mich ja interessieren, ob inzwischen vielleicht jemand eine Theorie hat :D 

Über ein paar Worte zum Kapitel würde ich mich wie immer sehr freuen, besonders, da es hier auch wieder verstärkt um die Beziehung zwischen Shikamaru und Neji geht ;) 
 

Vielen vielen Dank wieder an meine lieben Leser/innen und vor allem Reviewer/innen - ihr seid wirklich meine größte Motivationsquelle - danke dafür!! <3

Moral obligations

Es war kein Kaffee, aber es war genauso schwarz…und so bitter, dass es seinen Würgereiz auslöste. Shikamaru fragte sich ernsthaft, ob Neji versucht hatte, ihn zu vergiften. Schnaubend beäugte der Schattenninja misstrauisch den Inhalt der Tasse und verzog das Gesicht aufgrund des Geschmackes, als er das erste Mal daran nippte. Deutlich konnte er spüren, wie Sakura ihn beobachtete und hob den Blick, um ihrer düsteren Miene zu begegnen. 

 

„Du musst alles davon trinken, Shikamaru.“

 

„Hast du diesen Mist mal probiert?“

 

„Ich habe es gemacht.“

 

Fuck.

 

Shikamaru rutschte unruhig hin und her. „Klar.“

 

Schnaubend rollte Sakura mit den Augen. „Naruto, Lee und Hinata mussten es auch trinken, also stell dich nicht an wie ein Baby.“

 

„Wie zur Hölle hast du Naruto dazu gebracht, das zu trinken?“, murrte Shikamaru über den Rand der Tasse, die Neji ihm gebracht hatte und nahm einen weiteren zögerlichen Schluck, bevor er den ganzen Inhalt hinunterkippte wie sehr schlechten Sake; mit einem Schaudern presste er die Lippen aufeinander. 

 

„Das willst du nicht wissen.“ Sakura griff nach dem Becher als würde sie ihm nicht vertrauen, dass er ihn bis auf den letzten verdammten Tropfen geleert hatte. Sie sah sogar nach. 

 

„Ugh…“ Shikamaru fuhr sich mit den Knöcheln über den Mund und ließ mit einem Stirnrunzeln seine Zunge über die Zähne gleiten. „Okay, also was für einen Sinn hatte das gerade?“

 

„Das Letzte, das wir jetzt brauchen, ist, dass irgendeiner von euch von etwas krank wird, das einer dieser Vögel mit sich herumgeschleppt hat.“, erklärte Sakura mit ernstem, beinahe schon mütterlichen Tonfall. „Kiba meinte, du hättest letzte Nacht einen toten Vogel gefunden, der krank gewesen sein muss.“

 

„Jo.“ Shikamaru streckte eine Hand nach seiner Wasserflasche aus und öffnete sie.

 

„Nun und da ihr übersät wart mit den Eingeweiden von Vögeln, ist es besser, wenn wir keinerlei Risiko eingehen.“

 

Danke für die Erinnerung.

 

Shikamaru gurgelte das Wasser in seinem Mund herum und versuchte so, den üblen Geschmack des Gebräus fort zu waschen. Es war jedoch nichts im Vergleich zu dem bitteren Geschmack der Worte, die er anschließend hervor zwang.

 

„Kein Grund, das weiter aufzuschieben…würdest du zum Punkt kommen?“

 

Sakura wandte ihr Gesicht ab und die pinken Strähnen ihrer Haare schirmten für einen Moment ihr Profil ab. Während er die Flasche beiseite stellte, hob Shikamaru eine Braue und fragte sich, ob sie ihre Entscheidung, mit ihm sprechen zu wollen, revidiert hatte. Doch keinen Augenblick später wurde ihm bewusst, dass sie aufmerksam nach Stimmen außerhalb des Zeltes lauschte. 

 

„Du kannst offen sprechen. Neji wird so bald nicht zurückkommen.“, beantwortete Shikamaru ihre unausgesprochene Frage und rutschte ein Stück zurück, um Nejis gestohlene Bettdecke nach oben und über seine Schulter zu ziehen, um so einen provisorischen Mantel gegen die Kälte zu erschaffen.

 

Nach dem Ausdruck auf Sakuras Gesicht zu urteilen, als sie sich ihm wieder zuwandte, würde es ihm gleich noch kälter werden. Ihre grasgrünen Augen waren sorgenvoll zusammengekniffen und standen in scharfem Kontrast zu der trägen Miene, von der Shikamaru wusste, dass sie sich auf seinen eigenen Zügen abzeichnete.

 

Die Kunoichi schüttelte den Kopf. „Es geht ihm gar nicht gut, Shikamaru.“

 

Aus irgendeinem Grund machte es die Sache nur umso realer, jetzt, da sie es aussprach.

 

Doch trotz des schmerzhaften Ziehens in seiner Brust, spielte Shikamaru weiterhin die Rolle des Unwissenden und hob eine Braue. „Was meinst du?“

 

„Ich dachte eigentlich, er wäre während des Kampfes verletzt worden. Als ich ihn gefunden habe, hat er geblutet…aber da waren keine äußerlichen Verletzungen.“ Sakura berührte ihre Lippen. „Er hat Blut gehustet…“

 

Shikamaru blinzelte träge und atmete langsam durch die Nase aus.

 

Das war’s.

 

Es gab keine Möglichkeit mehr, das hier zu vermeiden; dabei hatte er so sehr gehofft, ihm würde mehr Zeit bleiben. Zeit, um einen besseren Plan auszuarbeiten…Zeit, um die Teile so aneinander zu setzen, wie es nötig war…Zeit, um sicherzustellen, dass alle Flanken gedeckt, alle möglichen Folgen berücksichtigt und todsichere Ausweichoptionen vorhanden waren. 

 

Er hätte Zeit benötigt, die er ganz offensichtlich niemals gehabt hatte.

 

Sakura musste sein Schweigen als Schock missinterpretiert haben, denn sie sah ihn verstehend an; traurig und suchend. 

 

Scheiße…Zeit, reinen Wein einzuschenken…

 

Shikamaru leckte sich über die trockenen Lippen und nahm sich einen weiteren Moment, um den sichersten Kurs für diese Unterhaltung einzuschlagen. Doch Sakura ergriff das Wort, bevor er die Gelegenheit dazu bekam; sie schüttelte den Kopf gegen die Realität an, von der sie glaubte, nur sie wisse davon.

 

„Es ist schlimm, Shikamaru…der Schaden ist komplett innerlich...hauptsächlich betrifft es-…“

 

„Seine Lungen.“, unterbrach Shikamaru sie und ließ damit die Bombe über sein Wissen um diesen Umstand platzen, ohne sie anzusehen. 

 

Er spürte deutlich, wie das Nachbeben seiner Worte sie mit einem Zucken traf.

 

Abgehackt schnappte sie nach Luft, bevor sie mit einem ungläubigen Wispern ausatmete. „D-du weißt es?“

 

Shikamaru wich weiterhin ihrem Blick aus. „Wissen es Chōji und Kiba?“

 

„Nein. Aber woher-…“

 

„Bist du dir sicher?“

 

„Ja. Neji hat uns über Funk aufgetragen, weiter zu gehen…aber ich bin zurück gegangen und habe ihn huste- Moment…“ Sakura hob ihre Hände, um jeden seiner Versuche, ihr weiterhin auszuweichen, abzuwehren. „Shikamaru, woher weißt du es?“

 

Er ignorierte ihre Frage komplett. „Was hat er zu dir gesagt?“

 

„Dass ich nichts zu dir sagen soll.“

 

Shikamaru lächelte schwach angesichts dieser Worte; es war ein trostloses und freudloses Heben der Mundwinkel.

 

Sturer Bastard.

 

„Was mir ziemlich sinnlos erscheint.“, fuhr Sakura leise fort und klang dabei mehr verstört als genervt. „Denn ganz offensichtlich weißt du deutlich mehr darüber als ich.“

 

Seufzend ließ Shikamaru die Spannung durch seinen Körper rollen, bevor mit den Schultern dagegen anzuckte. Er hielt seine Aufmerksamkeit auf die Bewegung des Lakens gerichtet, das über seinem Rücken hing, um sich von dem unbehaglichen Gefühl in seiner Magengegend abzulenken. Doch Sakuras unbeirrtes Starren zwang ihn, letztendlich ihrem Blick zu begegnen. Ein Muskel in seinem Kiefer zuckte, bevor er sprach.

 

„Es gab einen Grund, aus dem ich dich ursprünglich für mein Team eingeschrieben habe, Sakura. Dich und Hinata.“

 

Sakura blinzelte, als hätte sie nicht erwartet, dass er sich wirklich erklären würde. Sie faltete die Beine unter sich und nahm eine bequemere Position auf der anderen Bettrolle ein.

 

„Wegen Neji.“, schlussfolgerte sie.

 

„Ja…“

 

„Du weißt, was mit ihm los ist.“

 

Shikamaru schürzte die Lippen, während sie ihn erwartungsvoll musterte. Seufzend legte er eine Hand hinter sich auf dem Boden ab und lehnte sich darauf zurück; fort von ihr und ihren Feststellungen, sowohl auf figurative als auch buchstäbliche Weise. Seine Augen musterten sie argwöhnisch. 

 

„Bevor ich irgendetwas sonst sage, Sakura, müssen wir ein paar Dinge klarstellen.“

 

„Okay…“

 

„Erstens. Das hier bleibt in diesem Zelt. Niemand wird erfahren, dass wir dieses Gespräch geführt haben. Niemand! Verstanden?“

 

Sakura nickte. „Ja.“

 

„Zweitens. Es gibt ein paar Informationen, die ich dir erzähle und ein paar, die ich dir nicht sagen kann und auch nicht sagen werde.“

 

Er war nicht überrascht, dass sich ihre Stirn daraufhin in Falten legte und sie den Kopf schief legte. „Warum?“

 

„Lass es uns plausible Leugnung nennen. Je weniger du weißt, desto sicherer bist du. So läuft das.“

 

„…Okay.“

 

„Gut.“ Shikamaru neigte den Kopf in Richtung des Zelteingangs und deutete damit nach draußen. „Dasselbe gilt für Hinata. Sie weiß Bescheid. Ich muss wissen, dass du das nicht noch lästiger für mich machen wirst, als es ohnehin schon ist.“

 

Sakura hob eine Braue und schien beleidigt zu sein. „Warum sollte ich das tun?“

 

„Exakt!“ Shikamarus Augen verengten sich. „Warum solltest du?“

 

„Okay. Ich habe es verstanden.“

 

„Gut. Das hier muss wie eine Mission behandelt werden. Effektiv; so ist es nunmal.“

 

„Was meinst du damit?“

 

Shikamaru hätte beinahe geschnaubt. Es war eine komplizierte Frage, denn auf einen Schlag erschien ihm die Antwort darauf gar nicht mehr so klar umrissen. Energisch schüttelte der Schattenninja seine Befangenheit ab und zuckte mit den Achseln, als er sich etwas weiter nach hinten lehnte und auf seine Handfläche stützte. 

 

„Ich meine, dass diese Situation mit Neji etwas ist, dem ich zugeteilt wurde, um mich darum zu kümmern.“, antwortete er. 

 

„Was?“ Sakura sah aus, als würde er auf einmal in fremden Zungen mit ihr sprechen. „Zugeteilt…?“

 

„Ja. Direkt.“ Er stieß sich von seiner Hand ab und stellte ein Knie auf. „Es ist eine Mission und als solche muss diese Sache auch behandelt werden. Es gibt keinen Platz dafür, das hier zu vermasseln. Ich brauche dich und Hinata im Hintergrund dafür, aber ihr beide werdet nur mit dem arbeiten, was ihr unbedingt wissen müsst, nicht mehr und nicht weniger.“

 

„Und was muss ich wissen?“, fragte Sakura.

 

Shikamaru wünschte sich, er müsste diese Frage nicht beantworten. Es war eines der Dinge, die ganz oben auf seiner ‚Was ich unbedingt vermeiden muss‘-Liste stand. Dieser Moment war eines davon. Zusammen mit einer langen Reihe von Situationen, die ihn letztendlich zu dieser Unterhaltung geführt hatten. 

 

Davon gibt es jetzt keinen Ausweg mehr.

 

Shikamaru hielt seine Gesichtszüge ausdruckslos und seine Stimme fiel mit täuschender Gelassenheit von seinen Lippen. „Irgendwann wirst du Doktor spielen müssen. Hinata wird deine Augen sein und du wirst einen Eingriff vornehmen müssen.“

 

Sakuras Augen weiteten sich und ihre geschwungenen Brauen schossen bis zu ihrem Haaransatz. „Was? An Neji?“

 

Shikamaru nickte nur und sah zu, wie Sakuras Brauen zu einem Stirnrunzeln zusammenfielen. Es trug noch mehr Zweifel in ihren Gesichtsausdruck, als Shikamaru sehen wollte. 

 

Mach das nicht noch schwerer, verdammt.

 

„Shikamaru…“ Sie schüttelte den Kopf. 

 

„Das ist nichts Persönliches, Sakura. Das sind die Anweisungen der Hokage.“

 

Sakura verbiss sich, was auch immer ihre automatische Antwort darauf gewesen wäre und Shikamaru beobachtete sie beim Kampf ihrer eigenen Überzeugungen. Letztendlich beließ sie es bei einem angespannten kurzen Schnauben und schüttelte schon wieder den Kopf. 

 

„Warum hast du das mir gegenüber nicht schon früher erwähnt? Warum hat Tsunade-sama nichts darüber gesagt?“

 

„Nun, erst einmal ist Neji schneller an dich heran getreten als ich es konnte. Er hat die Mitglieder der Teams getauscht, was alles vermasselt hat.“

 

„Warum ist Tsunade-sama dann nicht eingeschritten und hat das verhindert?“

 

„Weil sich auch noch Asuma-sensei eingemischt hat und wir nicht wollten, dass er oder Neji Verdacht schöpfen.“

 

Sakura hob eine Braue. „Warum sollte Neji überhaupt die Teams verändern, wenn er nicht bereits Verdacht geschöpft hat?“

 

Wegen dem, was zwischen uns passiert ist…

 

Shikamaru verkrampfte seine Faust in den Laken, bevor er seine Finger ausstreckte und ungeduldig mit dem Daumen zu trommeln begann.

 

„Pass auf, all das ist irrelevant für dich. Um die Wahrheit zu sagen, du hättest von all dem nichts wissen sollen, bis ich dich gefragt hätte, den Eingriff durchzuführen…es wäre auf die Art viel sicherer gewesen.“

 

Sicherer?“ Sakuras Stirnrunzeln vertiefte sich. 

 

„Ja, du wärst in keiner Weise involviert gewesen, außer, dass du Befehle befolgt hättest. Doch wie es scheint, will in letzter Zeit einfach gar nichts nach Plan laufen, also müssen wir irgendwie darum herum arbeiten.“

 

„Warum diese ganze Heimlichtuerei?“

 

Je weniger Leute Neji am Ende von all dem hassen wird, umso besser…darum.

 

Träge zuckte Shikamaru mit den Achseln. „Anweisungen der Hokage.“

 

Sakuras Miene wurde säuerlich und Shikamaru konnte deutlich sehen, dass sie den Willen verlor, ihm zu glauben; wenn nicht sogar, ihn zu unterstützen. Er konnte es sich nicht leisten, es so weit kommen zu lassen. 

 

„Pass auf, wenn wir uns nicht um dieses Problem kümmern, dann wird das sehr bald sehr sehr hässlich werden. Uns rennt die Zeit davon. Also: Kannst du das tun, oder nicht?“

 

Sakura musterte ihn schweigend und nahm sich Zeit für ihre Antwort. „Was genau willst du, das ich tue?“

 

„Wenn der Moment gekommen ist – und völlig egal, wie Neji darauf reagieren wird – wirst du tun, was ich dir sage. Das ist alles, was du wissen musst.“

 

„Kannst du mir nicht wenigstens eine Vorstellung von dem geben, womit ich arbeiten muss – im medizinischen Sinne.“

 

Shikamaru nickte und ruckte mit dem Kinn in Richtung seines Rucksackes. Sakura verstand den Wink und streckte die Hand danach aus, packte den Riemen und warf ihn zu dem Schattenninja hinüber. Shikamaru wühlte durch seine Sachen und zerrte eine schmale Schriftrolle hervor, die er mit einem Schwung seines Handgelenks entrollte. Danach reichte er sie der Kunoichi.

 

„Shizune bezeichnet es als schwere Lungenembolie.“

 

Sakura zog die Schriftrolle in ihren Schoß und fuhr mit den Fingern über Shizunes Handschrift, während sie die hastig skizzierten Schemata und Anmerkungen mit einem Stirnrunzeln studierte. 

 

„Oh mein Gott…wie konnte das passieren…?“, wisperte sie, als würde die Schriftrolle ihr antworten. 

 

„Ich gehe davon aus, dass du mit den medizinischen Aspekten vertraut bist.“, erwiderte Shikamaru und versuchte, den unerträglichen Knoten in seiner Magengegend zu ignorieren, der sich nur noch mehr verkrampfte, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht bemerkte.

 

„Ja.“ Sakrura tippte mit einem Finger über eine anatomische Skizze auf dem Pergament. „Es ist ein Zustand arterieller Blutgerinnsel in seinen Lungen…was auch das erklärt, was ich gespürt habe, als ich versucht habe, ihn zu heilen.“

 

Shikamarus Blick fiel auf ihren trommelnden Finger. „Hast du eine Ahnung davon bekommen, wie ernst es ist?“

 

„Es ist schlimm.“

 

Shikamaru rollte die Zunge hinter seinen Zähnen ein und spannte den Kiefer an, um nicht zu fluchen. „Wie schlimm?“

 

„Übel.“ Sakura zögerte. „Und es wird schlimmer werden…schnell.“

 

Shikamarus Augen schlossen sich für einen Moment. 

 

Gott…Ich dachte, ich hätte mehr Zeit…

 

„Aber Shikamaru…woher hat Neji diese Gerinnsel?“

 

Seine Lider glitten auf und er starrte auf die Schriftrolle, während er Shizunes Worte rezitierte. „Chakra Blockaden. Stagnierendes Chakra, das lebenswichtige Tenketsu blockiert, hat sich verfestigt und so die physischen Verklumpungen verursacht…zumindest hat das Shizune gesagt.“

 

„Chakra Blockaden…“ Verstehen wischte die Falten aus Sakuras Gesicht, entzog ihrer Haut aber auch sämtliche Farbe und ließ sie blass und besorgt zurück. „Das erklärt, warum die Handflächenrotationen so einen gravierenden Schaden verursacht hat.“

 

Shikamaru antwortete ihr nicht; es war eine rhetorische Feststellung. Während nur die Hyūga in der Lage waren, die volle Komplexität des Chakranetzwerkes zu verstehen, war sich Shikamaru dennoch wohl bewusst, dass das Jutsu der Handflächenrotation das Ausstoßen von Chakra aus allen 361 Chakrapunkten erforderte. Da Neji aber mehrere zentrale Tenketsu blockiert hatte, war es, als würde er eine Sturmflut gegen einen Deich schleudern, um das Ckakra durch diese Blockaden zu zwingen, wenn er sein Jutsu anwandte. 

 

Diese Art von Druck drohte nicht einfach nur auf seinen Körper einzuschlagen oder Hämatome zu verursachen. 

 

Letztendlich würde er aufbrechen oder zerplatzen.

 

Gott verdammt Neji…warum zur Hölle hast du dir das angetan…?

 

„Shikamaru?“ Sakuras Stimme drang durch den dichten Nebel aus Besorgnis, der sich über seinen Verstand gelegt hatte und erinnerte ihn daran, wie unübersichtlich er dachte. 

 

Konzentrier dich.

 

„Ja…?“ Shikamaru rieb sich mit der Hand über die Stirn, als würde diese physische Bewegung den Dunst aus seinem Kopf vertreiben. 

 

„Woher hat Neji diese Blockaden?“

 

„Nur das, was du wissen musst, Sakura. Das war der Deal.“

 

„Shikamaru…“

 

„Mach mir das nicht schwer, okay?“, seufzte der Schattenninja und kämpfte darum, sich wieder auf die dringend benötigte Distanz zu dieser Situation zu bringen. „Es ist schon genug Ärgernis, alle Dinge unter einen Hut zu bringen und stabil zu halten…Ich kann es nicht gebrauchen, dass irgendjemand die Angelegenheiten ins Wanken bringt.“

 

Irgendetwas musste in seiner Stimme mitgeschwungen sein, denn es brachte Sakura dazu, sich ein wenig zurückzuziehen, als würde sie etwas hinter seinen Worten lesen, das er nicht direkt ausgesprochen hatte. Er sah auf und bemerkte den verwirrten Ausdruck in ihren Augen. Doch dankbarerweise senkte sie den Blick hinunter auf die Schriftrolle und nickte nur. 

 

„Okay“, gab sie nach. „Ich gehe einfach mal davon aus, dass es dann zumindest Hinata weiß.“

 

„Sie weiß genau dasselbe wie du – nämlich das, was sie wissen muss. Das ist alles.“ Shikamaru lehnte sich erneut auf seiner Handfläche nach hinten. „Niemand sonst hat Verdacht geschöpft und so muss es bleiben. Wir haben zwei Missionen. Hanegakure und Neji. Es tut mir leid, dass du es überhaupt herausfinden musstest – ich hätte dich da rausgehalten, bis es nicht mehr anders gegangen wäre…aber Neji hat meine Strategie zerschossen.“

 

Sakura sah auf und Traurigkeit milderte den Anflug von Frustration in ihren Augen ab. „Du bist mein Freund, Shikamaru. Genau wie Neji. Du musst mich nicht aus diesen Angelegenheiten heraushalten.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und tat so, als ließe ihn das alles unberührt. „Ich weiß das zu schätzen…aber es ist nichts Persönliches, Sakura. Jetzt im Moment ist es nur eine Mission und die Tatsache, dass Neji ein Kamerad ist, ist nur noch mehr Anreiz dazu, das hier richtig zu machen und die Dinge nicht zu kompliziert werden zu lassen. Je klarer dein Kopf ist, desto besser wird es für jeden von uns laufen.“

 

Stirnrunzelnd wandte Sakura den Kopf ab und presste die Lippen aufeinander. „Ich verstehe.“

 

Es war offensichtlich, dass sie das nicht tat. Und selbst wenn sie es wirklich verstand, dann stimmte sie ihm dabei nicht zu.

 

Das ist nicht mein Problem.

 

Kopfschüttelnd zwang er sich dazu, die Grenzen in seinem Verstand neu abzustecken. Die Dinge mussten klar definiert bleiben. Sakuras und Narutos Hang zu sentimentaler Verbundenheit war etwas, das er sich selbst in dieser Sache nicht leisten konnte. Nicht jetzt, nicht wenn es für ihn unpersönlich, klar und unkompliziert bleiben musste.

 

Aber warum zur Hölle ist er dann unter meiner verdammten Haut…?

 

Träge sah Shikamaru zu, wie Sakura die Schriftrolle aufrollte und wünschte sich, er könnte genauso einfach diese lästigen Gedanken und Gefühle aufrollen und wegstecken, die durch ihn wogten. Er hatte einfach jede denkbare Waffe diesem Problem entgegengeschleudert, das aus seiner übermächtigen und gefährlichen Attraktion zu Neji bestand. 

 

 Attraktion, nicht Verbundenheit…

 

Das verzweifelte Schnappen dieses Gedankens alarmierte ihn; denn es fühlte sich an, als versuche er, sich selbst davon zu überzeugen.

 

Nein. Das ist alles, was es ist…

 

Unverblümt zwang er sich, den nervigen Stich in seinem Inneren zu ignorieren und richtete seinen Blick wieder auf Sakuras Gesicht. Er machte den Mund auf, bevor sein Hirn noch weitere lästige Gedanken hochwürgen konnte.

 

„Sei darauf vorbereitet, dass ich zu jeder Zeit mit dieser Angelegenheit an dich herantreten werde.“, sagte er und streckte eine Hand aus, um ihr das Pergament wieder entgegen zu schieben, als sie Anstalten machte, es ihm zurück zu geben. „Nein, behalte Shizunes Notizen. Sieh sie dir genau an und sei bereit.“

 

„Okay. Das werde ich.“

 

„Es wird nicht einfach werden. Hinata wird sich um die Chakra Blockaden kümmern…aber du musst dich darauf konzentrieren, den Schaden an seinen Lungen zu heilen – oder was auch immer sonst kaputt gemacht worden ist.“

 

Sein unberührter Tonfall ließ Sakura die Stirn runzeln, doch ihre Stimme war weich. „Shikamaru…weiß Neji es?“

 

„Weiß er was?“

 

„Wie ernst sein Zustand ist?“

 

Shikamaru brummte. „Selbst wenn er es weiß, würde er niemals um Hilfe bitten.“

 

„Aber…warum…?“

 

Weil ihn das dazu zwingen würde, sich dem zu stellen, was wirklich im Argen liegt…was ihn dazu gebracht hat, sich das anzutun…

 

Er warf ihr einen flachen und undeutbaren Blick zu. „Ich frage nicht nach dem ‚Warum‘.“

 

Sakuras Miene verfinstere sich. „Vielleicht sollte das jemand tun.“

 

„Ja, also dieser jemand wird aber ganz sich nicht du oder ich sein. Das steht nicht in der Missionsbeschreibung. Jetzt im Moment spielt das ‚Warum‘ keine Rolle.“

 

Er hoffte inständig, sie würde es dabei belassen, doch ihr frustriertes Seufzen war wie eine kalte Brise, die drohte, sich in einen heftigen Windstoß zu verwandeln; sie schüttelte erneut den Kopf, offensichtlich bestürzt über seinen Mangel an Anteilnahme und Besorgnis.

 

„Aber es spielt eine Rolle, Shikamaru…ich meine, mal ganz davon abgesehen, dass Neji nicht um Hilfe bitten würde, muss es einen Grund dafür geben, warum er so krank ist. Einen Grund dafür, warum oder woher er diese Chakra Blockaden hat.“

 

Träge hob Shikamaru eine Braue. „Erinnerst du dich daran, was ich darüber gesagt habe, dass du nur das wissen musst, was wirklich nötig ist? Du musst dir keine Sorgen um solche Dinge machen.“

 

„Gott, bist denn du gar nicht deswegen besorgt?“

 

Diese Anschuldigung traf schmerzhaft einen Nerv, der tief unter Shikamarus falscher Gleichgültigkeit begraben war. Es reichte zwar noch nicht, damit sich dieser Schmerz auf seinem Gesicht widerspiegelte, doch er schwang leise in seiner Stimme mit; die geringste Veränderung in seinem Tonfall.

 

„Ich tue nur, was ich tun muss, Sakura.“

 

„Wie kannst du das so sagen, als wäre es etwas völlig Unpersönliches?“

 

„Weil es das ist!“

 

„Wie kannst du das sagen?“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Mein Mund bewegt sich, oder nicht?“

 

Sakuras Augen blitzten angesichts dieses unangebrachten Sarkasmus auf. „Du kannst nicht ernsthaft so schnippisch in dieser Angelegenheit sein.“

 

„Ich werde sicher auch nicht dramatisch werden.“

 

„Neji ist unser Freund. Er ist keine Mission.

 

„Er ist aber auch nicht Sasuke.“

 

Eine fassungslose Stille folgte seinen Worten.

 

Sakura zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen.

 

Es war grausam, dass er das gesagt hatte. Er wusste das – doch es hatte den beabsichtigten Effekt. Sie wich nach hinten wie ein Tier, das sich zurückzog, um sich von einer frischen Verletzung zu erholen. Shikamaru seufzte; die Sasuke-Karte spielte er nur sehr ungern aus. Doch es war nötig, um sie in die Realität zu holen. Zumindest war das der Grund, den er sich einredete, aus dem er es zu ihr gesagt hatte…nicht, weil ihre Worte wie Salz in einer Wunde waren, die er gar nicht haben sollte. 

 

„Pass auf.“ Shikamaru brach die Stille und seine Stimme war nur ein müdes Seufzen. „Du sagst dir selbst das, was für dich nötig ist, okay? Ich muss klar denken; denn ich wäre ein mieser Freund, wenn ich das hier nicht richtigmachen würde.“

 

Sakura sah ihm nicht in die Augen; sie hatte sich in die Hülle aus Schuldgefühlen und Traurigkeit zurückgezogen, die auch oft von Naruto Besitz ergriff, wenn man Sasuke erwähnte; Shikamaru hatte das schon beobachtet. Die Reaktionen der beiden auf ihren verlorenen Teamkameraden hatten ihm deutlich die Notwendigkeit vor Augen geführt, immer auf sicherem Abstand zu bleiben. Ohne es überhaupt zu realisieren, hatten sie ihm diese Lektion erteilt. Diese Art von Verbundenheit führte zu vernebeltem Urteilsvermögen; die Art, vor der Asuma ihn gewarnt hatte, dass er sie sich nicht leisten könne.

 

Noch ein Grund mehr, warum das nichts Persönliches werden darf…Ich muss einen klaren Kopf bewahren.

 

„Lass uns einfach hoffen, dass Naruto niemals herausfindet, dass du das gesagt hast…“, murmelte Sakura schließlich und tauchte lange genug aus ihrer Schale der Traurigkeit auf, um ihm einen Blick zuzuwerfen. „Ich werde tun, was auch immer ich tun muss.“

 

Shikamaru nickte und ein Teil von ihm wollte sich entschuldigen. „Danke.“

 

„Das tun Freunde nunmal, Shikamaru.“, erwiderte Sakura ruhig und schniefte. Sie sammelte erneut ihre Stärke und Beherrschung zusammen und schob die Schriftrolle in eine Tasche, bevor sie sich erhob und aus dem Zelt schlüpfte.

 

Shikamaru sah zu, wie das Segeltuch hinter ihr zu fiel…dann schloss er die Augen. 

 
 

oOo
 

 
 

Die monochrome Welt erstreckte sich in einer verzerrten Ausdehnung, schwoll an und zog sich proportional zu Nejis Fokus zusammen. Seine Byakugan Augen scannten die Baumkronen und beobachteten das invertierte Spiel der Schatten und des Mondlichtes.

 

Konzentrier dich.

 

Er hob seinen rechten Zeige- und Mittelfinger und das Handzeichen der Schlange brachte ihn ein wenig zurück von den ablenkenden Gedanken, die in den Winkeln seines Verstandes umherwirbelten. Scharf atmete er die kalte klare Luft ein und nutzte sie, um den anhaltenden Geschmack von Shikamarus Atem zu zerstreuen.

 

Die Intimität dieses Augenblickes hatte ihn völlig überwältigt.

 

Und was noch schlimmer war als das, war die Tatsache, dass er selbst derjenige gewesen war, der diesen Moment initiiert hatte.

 

Was zur Hölle habe ich mir dabei gedacht? Nein...ich habe überhaupt nichts gedacht…

 

Neji schüttelte den Kopf und blinzelte heftig, während er versuchte, keine Farben in die graustichige Welt seines Dōjutsus bluten zu lassen. Doch er fühlte sich in Teilen seines Selbst aufgerüttelt, von denen er nicht gedacht hätte, dass sie jemals berührt werden könnten; geschweige denn derart erschüttert. Er war hinter all seinen Verteidigungen provoziert und berührt worden; und das nur durch einen geteilten Atemzug.

 

Verdammt sei dieser Bastard.

 

Er hatte sich auch bereits selbst verdammt. 

 

Schon allein dieses schwelende Verlangen in seinem Inneren anzuerkennen, war ein taktischer Fehler, ein entscheidender Ausrutscher in seinem sonst so makellosen Bestreben, kühl und unnahbar zu bleiben.

 

Was hat er nur mit mir gemacht?

 

Jahrelang hatten immer wieder Leute versucht, seine Verteidigungen zum Einsturz zu bringen, selbst Lee und Tenten mit ihren gutgemeinten Intentionen und loyaler Besorgnis. Doch obwohl er ihre Kameraderie stets zu schätzen gewusst hatte, erwiderte er den Einsatz für sein Team auf seine ganz eigene Art und Weise und zu seinen Bedingungen. 

 

Immer kontrolliert.

 

Und selbst als die Dinge vor zwei Monaten begonnen hatten, sich zu drehen, war er dennoch in der Lage gewesen, sie zusammenzuhalten, völlig egal, was es ihn gekostet hatte…

 

Aber dann…

 

Neji legte die Stirn in Falten. 

 

Aber dann hatte Shikamaru die Bühne von Nejis zerfallender Welt betreten, völlig unbeeindruckt von Nejis Rolle als Konohas Pantomime. Es scherte ihn nicht, dass Neji ein Jōnin war, ein Hyūga, ein Wunderkind und Ausnahmetalent…und genauso wenig schien er sich auch nur um die Hälfte dessen zu kümmern, was all die anderen offenbar für Aufmerksamkeit und Bewunderung wert hielten; oder sogar Verachtung, gemessen an Nejis wahrgenommener Arroganz.

 

Nein, Shikamaru war weder ein Kritiker, noch ein Fan. 

 

Was er war, war ein träger Beobachter, der viel zu viel sah für jemanden, der es gar nicht mochte, sich die Mühe machen zu müssen, etwas anderes als Wolken zu betrachten. Und noch viel ärgerlicher war die Tatsache, dass er es selbst mit seiner lustlosen Attitüde schaffte, so viel mehr zu sehen, als irgendjemand sonst; mit Ausnahme vielleicht von Hinata.

 

Verdammt sei seine Intelligenz.

 

Neji konnte jeden mit der Effizienz seines Schauspiels täuschen; sowohl auf Missionen und auch, was sein Verhalten und seine Hingabe – oder eher Gehorsam – dem Clan gegenüber anging, trotz seiner Narben aus der Vergangenheit. Wenn er es aufführte, verrutschte seine Maske nie und er verließ seine Bühne stets mit progressiver Perfektion, was ihm oft einen Rang, eine Runde Applaus oder einen Rivalen eingebracht hatte. 

 

Aber nicht bei Shikamaru…

 

Nein…dieser Bastard war in der Lage, hinter jeden Vorhang zu sehen, während andere entweder Rosen oder Dornen zu seinen Füßen legten. Jeder sonst glaubte ihm den Akt und bewunderte oder hasste ihn dafür. Jeder sonst sah, was Neji wollte, dass sie sahen und sie reagierten auch dementsprechend.

 

Aber nicht Shikamaru…

 

Neji spannte den Kiefer an und biss die Zähne zusammen. Es war sein kritischer Kontrollverlust vor zwei Monaten gewesen, der einen Riss in diesem Schauspiel hinterlassen hatte. Neji hatte nicht nur den Text vergessen, sondern auch die gesamte Handlung. Er war ins Stocken geraten, gestolpert und hatte es vermasselt. 

 

Doch niemand hatte es bemerkt – außer Shikamaru. 

 

Und um das alles noch schlimmer zu machen, hatte der Nara nicht nur seinen Ausrutscher registriert, sondern er hätte beinahe gesehen, was unter den Flügeln dieser kontrollierten Bühne lauerte, zu der Nejis Leben geworden war. Beinahe hätte er all die Phantome, die Geister und unentrinnbaren Heimsuchungen gesehen. 

 

Energisch presste Neji die Lider aufeinander.

 

Verdammt sei er...

 

Er konnte es versuchen so sehr er wollte, doch es war nicht zu leugnen. Shikamaru, obwohl abartig faul, widerwillig verantwortungsbewusst und vollkommen unbeeindruckt was die Vorstellung von Grenzen und Rängen anging, hatte es irgendwie, auf irgendeine Weise, geschafft, hinter Nejis Schauspiel zu blicken…

 

Weiter als bis dorthin wird er nicht gehen…ich kann nicht…

 

Neji spannte sich an und seine Brust verkrampfte sich. 

 

Die Erkenntnis darüber, wie bloßgelegt er war, ließ sein Blut gleichzeitig kalt und heiß werden. Es war völliger Wahnsinn und er hasste es. Aber Kami, es wollte sich einfach nicht aus seinem Netzwerk bluten, egal wie sehr er versuchte. Und es machte es nur noch schwerer, das in sich unten zu halten, was immer weiter aufstieg. 

 

Ich werde das unter Kontrolle halten…ich werde mir einen Weg schaffen, wenn ich keinen finde…genau wie bei allem anderen auch…

 

Der Schmerz in seiner Brust wurde schärfer.

 

Und dann zog ihn ein tiefer unheimlicher Schrei mit einem physischen Zucken aus dem dichten Sumpf seiner Gedanken. Mit einem Knurren tauchte er daraus auf, ohne überhaupt realisiert zu haben, wie tief versunken er gewesen war. 

 

Konzentrier dich!

 

Er spannte das Handzeichen an und näherte sich durch seinen Byakugan Blick einer Zwergohreule. Aufmerksam beobachtete er, wie der Vogel seinen kleinen Kopf drehte und die großen Augen den Untergrund studierten. Die Eule spannte und faltete die Flügel, ein weiterer eindringlicher Ruf antwortete aus einiger Entfernung. 

 

Konzentrier dich…

 

Neji verwurzelte sich wieder in der Welt seines Dōjutsus und dehnte seine Sicht weit hinter die Peripherie aus, an der Narutos Schattendoppelgänger patrouillierten, um weiter nach oben und tiefer nach unten suchen zu können; er deckte alle Winkel der umgebenden Sphäre ab. 

 

Und dann sah er sie. 

 

Wie ein Echolot auf einem Radar. 

 

Seine Augen wurden hart und verengten sich. 

 

Na endlich hab ich euch gefunden.

 
 

oOo
 

 
 

Der Feind kam unter einem Deckmantel aus Nebel und Blättern. 

 

Sie gingen wie eine engmaschige Einheit vor und hatten ihre Formation auf Baum- und Bodenlevel verteilt, um alle Bereiche zu abzudecken. Fünf von ihnen waren schwer bewaffnet. Weitere fünf – die das Zentrum der Formation bildeten – waren vermutlich Ninjas, die die unsichtbaren Waffen von Gen- und Ninjutsus mit sich trugen.

 

Das wird euch diesmal nicht retten.

 

Neji verfolgte ihre Bewegungen mit Leichtigkeit und kroch in den Bäumen aus dem Radius ihrer Reichweite. 

 

Mit den Händen gab er die Informationen an Shikamaru weiter. Unter ihm las der Nara die stumme Kommunikation, dechiffrierte ruhig die Zeichen und drehte dementsprechend seine Position, währen er sein Funkgerät nutzte, um die anderen mit dem vereinbarten Morsecode zu erreichen. 

 

Jeder von ihnen würde an seinem Platz sein.

 

Neji streckte seine Sicht noch weiter, um die ‚Todeszone‘ abdecken zu können, die Shikamaru vorbereitet hatte. Narutos Klone hatten bereits damit begonnen, sich dem Feind zu nähern, während Chōji einen Bogen schlug, um in den Rücken ihrer Gegner zu gelangen. Dabei bewegte er sich in einem Abstand, den er schnell mit seinem Expansionsjutsu überbrücken konnte, um so dem Feind auf effektive Weise den Rückzug abzuschneiden. Der Akimichi und Naruto waren die blockierende Kraft ihrer Strategie. 

 

Sakura und Lee blieben in den Bäumen, in kurzer Distanz zu der Todeszone, nur für den Fall, dass der Gegner versuchen sollte, ihrer Schlinge zu entkommen. Sie waren die Reserve, die jeden etwaigen Fluchtweg abschneiden sollte und hielten Briefbomben bereit, um die Feinde damit in Shikamarus Fallen zu lenken. Kiba und Akamaru nahmen ihre Position in der Mitte des Lagerplatzes ein, um als Köder zu fungieren und bereit, sofort auf Kommando in die Offensive zu gehen. Hinata war dazu stationiert, das Team zu führen und zu verhindern, dass irgendjemand von ihnen ins Kreuzfeuer geraten würde. Um den Rest mussten sich Neji und Shikamaru kümmern.

 

Selbst wenn der Feinde den Köder nicht schlucken sollte, sie befinden sich bereits in der Todeszone. 

 

Noch einmal suchte Neji mit den Augen nach jedem Einzelnen des Konoha Teams.

 

Sie hatten sich alle sofort mobilisiert und eine geschlossene absolute Verteidigung geschaffen. 

 

Neji veränderte seine Position und bewegte sich geräuschlos über den Ast, bis er seine Handfläche an der Rinde ablegen konnte, während er die Distanz kalkulierte. Ihr Feind bewegte sich langsam, vorsichtig und ihre Aufstellung war beständig, begann sich aber zu einer Speerformation zu verändern, als sie sich immer weiter dem Lagerplatz näherten. 

 

Neji wartete, bis der führende Ninja, eine Frau, unter ihm eine unsichtbare Grenze passierte.

 

Dann gab er das Signal. 

 

Er tippte zweimal gegen sein Funkgerät, pausierte und tippte erneut; der dumpfe Nachhall wurde durch die Leitung getragen.

 

Kiba reagierte sofort. Der Inuzuka, der gerade faul vor einem der Zelte lag, hörte auf, das Kunai in seiner Hand lässig hin und her zu drehen und erhob sich gelassen…dann ließ er die Waffe fliegen. 

 

Sie traf eine von Shikamarus Blitzbomben.

 

Der plötzliche Ausbruch an Licht flammte mit einem ohrenbetäubenden Knall auf und warf Schatten in alle Richtungen.

 

Zeitweise geblendet erstarrte der Feind an Ort und Stelle.

 

„Gatsūga!“, brüllte Kiba.

 

Die Tsubasa Shinobi erhielten nicht einmal die Gelegenheit, zu reagieren, bevor das erdzerwühlende Jutsu vorwärts raste und sie von den sich schlängelnden Ranken von Shikamarus Schattennaht ablenkte. Der Feind veränderte seine Formation, bewegte sich, um ihre Linien um ihre Anführerin zu schließen, bevor Kibas Angriff sie zerstreuen konnte.

 

Doch Shikamaru erreichte die Frau zuerst. 

 

Die schwarzen Ranken wickelten sich um ihre Beine und Taille und zerrten sie brutal aus der Sicherheit ihres menschlichen Schildes. Mit einem Aufschrei wurde sie nach hinten gerissen, unfähig sich zu bewegen, während die Schatten sie zurück zogen. Neji ließ sich auf Bodenlevel fallen und nahm die Frau augenblicklich in Gewahrsam, bevor das Licht und mit ihm die Schatten verschwanden.

 

Er presste den kalten Stahl seines Kunai gegen ihre Kehle. „Denk nicht mal daran, dich zu bewegen.“

 

Die Frau versteifte sich und bog den Hals nach hinten, als die Klinge über ihre Kehle schrammte. Mit einer einzigen Bewegung wandten sich alle Tsubasa Ninja zu ihnen um; sofort hob die Anführerin eine Hand, um die Shinobi aufzuhalten.

 

„Stop!“, sagte sie knapp.

 

Ihre Gefolgsleute erstarrten wie befohlen, es war eine beeindruckende Vorführung von absolutem Gehorsam. Neji katalogisierte diese Information in seinem Verstand. Geduldig wartete er darauf, dass Narutos Schattendoppelgänger und Kiba mit Akamaru zu ihnen stießen. Unverzüglich formten sie einen Ring um ihre Feinde und da Neji wusste, dass Hinata das Chakra der Tsubasa überwachen würde, deaktivierte er selbst sein Dōjutsu. Seine milchigen Augen bewegten sich, als er den Kopf neigte, um der Frau ins Gesicht zu sehen. Sie hob ihre grauen Iriden und erwiderte den finsteren Blick.

 

„Hyūga.“, spie sie aus. 

 

Nejis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du bist gut informiert.“

 

„Ich sollte diese Augen auch gut kennen, gemessen daran, wie viel Ärger sie uns verursacht haben.“

 

Neji hob eine Braue. „Ich glaube, du verwechselst da etwas, Tsubasa.“

 

„Das bezweifle ich. Ihr habt uns zuerst zum Feind gemacht.“

 

„Wärst du so freundlich, das zu erklären?“, erscholl eine träge Stimme aus der Dunkelheit.

 

Neji drehte den Kopf, als Shikamaru aus den Schatten auftauchte und sich mit faulen Schritten aus dem dichten Schwarz löste. So entspannt; Neji hätte beinahe gelächelt. Shikamaru schob seine Hände in die Taschen und rollte mit einem Stirnrunzeln die Schultern, während er zu ihnen herüber trottete. 

 

„Kitori-sama.“, rief einer der feindlichen Ninja und starrte Naruto düster an.

 

„Sei still!“, erwiderte die Kunoichi ruhig – zu ruhig. 

 

„Kitori, huh?“ Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben. 

 

Die angesprochene Frau hob trotzig das Kinn. „Ich bin Tsubasa Kitori. Und ihr seid aus Konoha.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln, das Mondlicht reflektierte von der Metallplatte an seinem Arm. Das Konohaemblem blitzte auf. „Sag bloß. Wie habt ihr uns gefunden?“

 

„Indem wir sie gefunden haben.“, antwortete Kitori. 

 

„Sie?“, verlangte Neji zu wissen und hielt die flache Seite seines Messers weiterhin unter ihren Kiefer gedrückt. 

 

„Die Rebellen. Fukurōs Rebellen.“

 

Neji tauschte einen raschen Blick mit Shikamaru aus. „Fukurō war kein Rebell; er war das Oberhaupt eures Clans und Anführer von Hanegakure.“

 

Kitori schnaubte und ein herablassender Tonfall schlich sich in ihre Stimme. „Ich denke, dass ich das Amt meines Mannes besser kenne als du.“

 

„Dann weißt du auch, dass er tot ist.“, erwiderte Shikamaru gerade heraus. „Und dass er Konoha Shinobi angeheuert hat, um sich um das Rebellenproblem der Tsubasa zu kümmern.“

 

Er war das Rebellenproblem.“, sagte Kitori und ihre Finger ballten sich an ihren Seiten zu Fäusten. „Die Macht ist ihm zu Kopf gestiegen und er hat gegen die die Interessen des Dorfes gehandelt. Deshalb wurde er verbannt. Er hat einige seiner Gefolgsleute mit sich genommen, inklusive unseres Sohnes.“

 

Stirnrunzelnd rief sich Nejis Verstand das Bild des grinsenden rothaarigen Shinobis in Erinnerung, der dieses vertraut aussehende Schwert nach ihm geworfen hatte. 

 

Das war Fukurōs Sohn…?

 

Das Gesicht des rothaarigen Mannes verblasste und wurde beinahe sofort von einer Vision des sterbenden Mädchens ersetzt, während das Leben aus ihren grauen Augen floss. Augen genau wie die der Frau, der er gerade ein Messer an die Kehle hielt.

 

Könnte diese Frau…die Mutter des Mädchens sein?

 

Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Kitori. „Und was ist mit dem kleinen Team Rebellen, das die von Fukurō angeheuerten Konoha Shinobi eliminieren sollten?“

 

„Sie waren eine Gruppe, die von mir ausgesandt worden war, um die verbotenen Schriftrollen zurückholen, die Fukurō gestohlen hatte, als er verbannt wurde.“, erklärte die Kunoichi, ihre Stimme rau vor Bitterkeit. „Mein Mann wusste, dass wir versuchen würden, ihn aufzuhalten, also hat er Vorkehrungen getroffen, um das zu verhindern.“

 

Mit verengten Augen legte Shikamaru den Kopf schief. „Warum bist du nicht mit Fukurō gegangen? Wir reden hier von deinem Ehemann und Sohn…hast du keine familiäre Verpflichtung darin gesehen, die beiden zu unterstützen?“

 

Kitoris Augen blitzten auf. „Warum sollte ich? Wenn sie Experimente an meinem kleinen Mädchen durchgeführt haben?“

 

Neji erstarrte und ihm wurde eiskalt. Eine Woge aus Schock und Reue paralysierte ihn für einen Moment. Sein Griff um das Kunai geriet ins Wanken; eine ganze Minute verstrich und Shikamarus Augen zuckten zu ihm. Gerade noch rechtzeitig erholte er sich und packte den Griff des Messers wieder fester; seine Knöchel traten weiß hervor. 

 

Der Schattenninja zögerte kurz, bevor er von der Frau zu wissen verlangte: „Was meinst du damit?“

 

„Ich meine genau das, was ich gesagt habe.“, spie Kitori aus, die Zähne hart zusammengebissen, während sie die Worte hervorpresste. „Sie haben an meinem Mädchen herumexperimentiert. Meiner Tochter, Toki. Sie starb in Konoha, als sie versucht hat, das zurückzuholen, was ihr Vater und Bruder gestohlen hatten…sie ist von eurenShinobi getötet worden.“

 

Neji hielt sein Gesicht ausdruckslos, gab nichts von dem preis, was sich unter der Oberfläche seiner Züge abspielte. Er lockerte den Griff um die Klinge und wollte schon sprechen, doch Shikamaru kam ihm zuvor. 

 

„Also wart ihr heute Nacht auf Rache aus?“

 

„Nein.“ Kitori schüttelte den Kopf, soweit es ihr in dieser Position gestattet war. „Wir sind hinter den Rebellen her. Obwohl ich vermute, dass ihr mit ihnen zusammenarbeitet. Warum sonst solltet ihr in Hanegakure sein?“

 

„Wir arbeiten nicht mit ihnen zusammen.“, stellte Neji klar. „Wir sind hier, um zu verhandeln und wieder Frieden zwischen unseren Dörfern herzustellen.“

 

Kitoris Augen verengten sich, verständlicherweise misstrauisch. „Warum jetzt?“

 

„Weil eure Rebellen uns zum Handeln gezwungen haben, indem sie uns in euren Bürgerkrieg mit hineingezogen haben.“ Shikamaru nickte mit dem Kopf hinüber zu den Tsubasa Ninjas, die von Naruto und Kiba bewacht wurden. „Die Hokage möchte einen offiziellen Frieden mit Hanegakure, um einen Krieg zwischen unseren Dörfern zu verhindern.“

 

Deutlich konnte Neji spüren, wie ein Teil der Anspannung von der Frau abfiel und vorsichtig senkte er die Klinge, ließ aber nicht eine Sekunde in seiner Wachsamkeit nach. 

 

Kitori griff sich an den Hals und strich mit den Fingern über den Anhänger, der dort an einer Kette befestigt war, bevor sie sprach. „Es war immer unsere Absicht, alte Bande mit Konoha wieder aufleben zu lassen, aber wie ihr sehen konntet, sind wir mit unseren eigenen Leuten sehr beschäftigt.“

 

„Also was hat es mit dieser kleinen Willkommensparty auf sich gehabt, die aus dem Boden geplatzt ist?“, ergriff Kiba das Wort und spähte über die Schultern der Tsubasa Ninjas.

 

„Das waren alle Shinobi, die noch von der Rebellion meines Mannes übrig sind.“, erklärte Kitori und Missbilligung fraß sich in ihre Stimme. „Wir verfolgen sie nun schon eine sehr lange Zeit. Sie sind aufgetaucht, als ihr hier angekommen seid; ihr habt uns also einen Gefallen getan, indem ihr sie ausfindig gemacht habt. Wir hatten bereits vermutet, dass sie sich unter die Erde zurück gezogen haben, aber es war uns unmöglich, sie zu lokalisieren, da unsere Stärken schon immer über der Oberfläche lagen.“

 

„Sie müssen sich sehr tief im Untergrund befinden.“, bemerkte Shikamaru und sah zu Neji hinüber. „Wir haben sie auch nicht bemerkt.“

 

„Dann vermute ich, dass sie irgendeine Art von Barriere- oder Versiegelungsjutsu verwenden.“

 

Neji runzelte die Stirn, doch seine Erfahrung mit Barrierejutsus unterstützte nur noch mehr Kitoris fundierte Vermutung. Es wäre nicht das erste Mal, dass sein Byakugan nicht in der Lage war, durch ein Barrierejutsu zu dringen. Als damals Orochimarus Klang Shinobis Sasuke mit sich genommen hatten, war das Byakugan gegen ihre Formation des schwarzen Nebels machtlos gewesen. 

 

Es kann also nicht ausgeschlossen werden…und wenn es wahr ist…dann ist das ein mächtiger Vorteil für sie…

 

Neji sah erneut zu der Kunoichi. „Dieser rothaarige Shinobi, den ich getroffen habe; er hat dasselbe Schwert geschwungen wie dein Mann.“

 

„Tsubasa Hibari.“ Kitori murmelte den Namen kalt und ihre Lider schlossen sich für einen Moment, als hätte sie Schmerzen. „Mein Sohn. Und ganz der Junge seines Vaters. Grausam.“

 

Das muss er auch sein, um Experimente an seiner eigenen Schwester durchzuführen…

 

Neji studierte aufmerksam ihre Miene und las die Qual, die auf ihrem Gesicht geschrieben stand, während Shikamaru schon seine nächste Frage stellte. 

 

„Wenn Fukurō verbannt wurde, wer hat seine Stellung als Hanegakures Anführer eingenommen?“

 

„Sein Bruder. Tsubasa Ozuku.“

 

Shikamaru blies die Backen auf und zog die Brauen zusammen. „Also Fukurōs Bruder hat sein Amt als Clanoberhaupt eingenommen und sein Sohn seine Stellung als Rebellenführer? Ihr habt da ja ein ziemliches Familiendrama am Laufen.“

 

Kitori kicherte freudlos und bitter. „Die Familie war schon immer gespalten. Ozuku-sama ist ein besserer Mensch, als es Fukurō jemals war. Er war auch ein besserer Vater für meinen Jungen, aber selbst das war nicht genug, um Hibaris Herz zu ändern.“

 

„Und so ist er in die Fußstapfen seines Vaters getreten und hat sich zum Anführer der Rebellen aufgeschwungen, richtig?“, schlussfolgerte Shikamaru. 

 

Kitori nickte und wandte sich dann wieder Neji zu. „Das Schwert, das du erwähnt hast. Er hat es gestohlen. Es gehört Ozuku. Sowohl Fukurō, als auch Ozuku haben zwei identische Klingen von ihrem Vater erhalten. Sie waren bereits seit Generationen in der Familie.“

 

„Okay, also die Rebellenfreaks im Boden sind die Bösen.“, unterbrach Naruto, müde von all dem Geschwafel. „Und was ist mit dieser verdammten Vogel Attacke?“

 

Kitori runzelte die Stirn. „Vogel Attacke?“

 

„Ja, war nur schwer zu übersehen.“, knurrte der Uzumaki. 

 

Auch Nejis Stirn legte sich in Falten. „Unmöglich zu übersehen, wenn ihr die Rebellen wirklich verfolgt habt, so wie du gesagt hast.“

 

„Ich gehe davon aus, ihr meint das beschwörende Schwarmjutsu?“, fragte Kitori und sah zwischen Shikamaru und Neji hin und her, während sie Naruto völlig ignorierte.

 

„Es war kein Schwarmjutsu!“, schnappte der Uzumaki. „Diese Vögel sind nicht einfach verpufft, als wir sie getroffen haben!“

 

„Dann muss es Hibaris Genjutsu gewesen sein.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Es war kein Genjutsu.“

 

Kitoris Augen weiteten sich. „Dann hat mein Sohn das verbotene Jutsu unserer Familie angewandt. Es steht in den Schriftrollen, die sie gestohlen haben.“

 

Na super…

 

Neji seufzte. „Und wie genau funktioniert dieses Jutsu?“

 

„Diese Informationen werde ich ganz sicher nicht an euch weitergeben.“, schnaubte Kitori und warf Neji einen bösartigen Blick zu. 

 

Noch bevor Neji auf ihr Starren mit einer steinernen Miene kontern konnte, ergriff Shikamaru das Wort und hob die Stimme weit genug, um die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zu ziehen. 

 

„Pass auf, wir sind hier, um diesen Konflikt zu lösen. Aber wenn wir das machen wollen, dann müsst ihr offen mit uns über das sprechen, gegen das wir antreten müssen.“

 

„Und warum sollten wir Konoha vertrauen? Ihr habt mein Kind getötet und das Team, das sie begleitet hat. Konoha hat sich von den Rebellen übertölpeln lassen.“ Kitori zuckte abweisend mit dem Handgelenk. „Ihr werdet uns nur im Weg stehen.“

 

Neji sträubte sich innerlich angesichts ihres Tonfalls und seine Augen wurden kalt, um dem zornigen Sieden in seinem Blut entgegenzuwirken. „Wir wurden übertölpelt, weil Hanegakure es nicht für nötig gehalten hat, benachbarte Dörfer darüber zu informieren, dass es sich in einem zivilen Konflikt befindet. Und ihr hattet ebenso wenig den Verstand, uns darüber in Kenntnis zu setzen, dass Fukurō als Oberhaupt abgesetzt  – oder schlimmer, sogar verbannt wurde und das von seinem eigenen Bruder.“

 

Shikamaru nickte. „Grund genug für ihn, Rache üben zu wollen und dabei alle Mittel einzusetzen, um sie zu bekommen. Einschließlich, uns dafür zu missbrauchen.“

 

„Exakt.“, ergänzte Neji kühl. „Ihr hättet aufgrund eurer moralischen Verpflichtungen handeln müssen, wenn nicht aufgrund eurer politischen.“

 

Scharf wirbelte Kitori zu ihm herum und ihr Pferdeschwanz aus dicken geflochtenen Zöpfen schwang in der Bewegung mit. „Belehre mich nicht über moralische Verpflichtungen, Hyūga. Bei allem, was recht ist, bestünde meine moralische Verpflichtung im Moment eigentlich darin, dich zu töten, weil du meinem Mädchen das Leben genommen hast.“

 

Neji blieb keine Zeit, sich gegen den Stich ihrer Worte zu verteidigen. Shikamaru schritt nach vorn und ein bedrohliches Pulsieren ging wie eine Schockwelle von ihm aus. 

 

„Wage es nicht, es auch nur zu versuchen.“, knurrte der Schattenninja und seine Stimme wurde gefährlich ruhig und tief – ähnlich dem Tonfall, den er schon einmal vor einer Weile an Naruto gerichtet hatte, als er dem Uzumaki gesagt hatte, er solle sich von Neji fern halten. 

 

Kitori wandte sich zu ihm um und spürte offensichtlich die Drohung hinter seinen Worten. Shikamaru begegnete ihrem Blick, seine dunklen Augen waren mit einem durchdringenden dräuenden Ausdruck auf sie fixiert, den nur Neji und die Kunoichi sehen konnten. 

 

„Du befindest dich definitiv nicht in der Position, einen unserer Shinobi für schuldig zu befinden, nur wegen euremMangel an Effizienz und eurer vollkommen desorientierten und misskalkulierten Strategie.“, stellte der Nara mit dieser viel zu gelassenen und viel zu kalten Stimme klar. „Der Tod deiner Tochter geht auf deine Rechnung, nicht Nejis!“

 

Kitoris Augen füllten sich mit einer dünnen Schicht aus Tränen, doch sie weinte nicht. Trotzig reckte sie das Kinn und stierte Shikamaru auf eine Weise finster an, die Neji dazu brachte, sich zu bewegen und ihren Zorn zurück auf sich zu lenken. 

 

„Während wir die Fehler, die auf beiden Seiten gemacht wurden, nicht rückgängig machen können, können wir euch sehr wohl dabei unterstützen, diesen Bürgerkrieg zu beenden.“, sagte der Hyūga vernünftig, seine beruhigende Stimme linderte ein wenig das Gift, das Shikamaru verströmte. „Betrachte es als Zeichen guten Vertrauens im Bedauern um all die Leben, die bereits verloren sind. Im Gegenzug wird Hanegakure einen Friedensvertrag mit Konoha unterzeichnen. Denn ich gehe davon aus, dass es das ist, was beide Seiten wollen…ein Ende dieses Konfliktes.“

 

Kitori riss ihren Blick von Shikamaru los und richtete ihre stürmischen Augen auf Neji.

 

Für einen Moment musterte sie ihn, vermutlich suchte sie nach Anzeichen für eine Täuschung. 

 

Doch Neji machte keine Anstalten, sich in irgendeiner Weise defensiv zu verhalten und hielt seine Miene ruhig, die Augen beständig auf sie gerichtet. Shikamarus halb geschlossener, immer noch drohender Blick half nicht gerade, doch dankbarerweise schien sich die Kunoichi mehr für das Friedensangebot zu interessieren, als für eine Rechtfertigung, ihren Kummer und Schmerz abzulassen. 

 

„Na schön.“, gab Kitori schließlich mit einem Schniefen nach und wandte den Blick ab. „Ihr werdet mit Ozuku-sama sprechen müssen.“

 

Neji blinzelte langsam und Erleichterung löste die Spannung auf seinem Gesicht. „Verstanden.“

 

„Gut.“ Sie nickte, und rieb sich mit den Daumen unter ihre Augen. „Wir werden euch zu unserem Dorf mitnehmen und euch allen notwendigen Schutz und eine Unterkunft gewähren.“

 

„Woher wissen wir, dass ihr uns nicht in eine Falle führt?“, fragte Shikamaru, nun wieder gedehnt und mit seiner üblichen trägen Stimme…ganz so, als wären die letzten Augenblicke nicht passiert. 

 

Neji warf ihm versteckt hinter seinen Wimpern einen kurzen subtilen Blick zu und versuchte, unter die Haut von Shikamarus Chamäleon-Akt sehen zu können; doch der Schattenninja blieb auch unter seinem prüfenden Starren frustrierend gelassen, reagierte nicht und gab nicht das Geringste preis. 

 

Warum bist du nur so schwer für mich zu lesen, Nara…?

 

„Warum um alles in der Welt sollten wir das tun?“, schnappte Kitori, ihr gefiel Shikamarus Anschuldigung ganz und gar nicht. „Wir haben mehr Grund, euch zu misstrauen. Aber wir wollen beide, dass dieses Problem gelöst wird. Und selbst, wenn ich Rache wollen würde, was absolut sinnlos ist, können wir uns einen Krieg mit Konoha auf keinen Fall leisten. Es würde uns zerstören.“

 

„Ja…das würde es…“, sagte Shikamaru nur und musste seinen Tonfall nicht verändern, um seine Drohung darin mitschwingen zu lassen. 

 

Neji warf ihm einen warnenden Blick zu. 

 

Was zur Hölle machst du da?

 

Doch Shikamaru ignorierte ihn völlig, seine Augen blieben weiterhin auf Kitori fixiert; herausfordernd und intensiv, trotz seiner trägen halb geschlossenen Lider. Neji runzelte die Stirn und setzte sich in Bewegung, um sich zwischen den Schattenninja und die Tsubasa Frau zu stellen und so auf physische Weise die angespannte Feindseligkeit zu durchbrechen, die Shikamaru erschaffen hatte – aus welchem Grund auch immer. 

 

„Wann brechen wir auf?“, fragte Neji leise und versuchte zu pazifizieren, was der Nara provoziert hatte. 

 

Kitori schien zu spüren, was er tat, denn sie begegnete seinem Blick und entließ ihre Anspannung mit einem Seufzen. „Am besten mobilisierst du dein Team sofort. Wenn wir gleich aufbrechen, werden wir bis zum Sonnenaufgang im Herzen unseres Dorfes sein.“

 

„Verstanden.“ Neji beugte den Kopf und erhielt als Antwort ein zögerliches Nicken von der Kunoichi. „Naruto, Kiba, zieht euch zurück.“

 

Die Konoha Ninjas nickten, auch wenn Naruto etwas zögerte und erst zurückwich, als Neji ihn mit einem vernichtenden Ausdruck bedachte. Kitori schritt zu ihrem Team hinüber, um sie eher mit Befehlen statt Erklärungen zu beruhigen. Als Neji zu Shikamaru hinüber spähte, bemerkte er, dass der Schattenninja die Frau immer noch beobachtete.

 

„Hör auf damit.“, forderte Neji mit barscher Stimme. 

 

„Entspann dich.“, murmelte Shikamaru und war dabei selber ganz offensichtlich nicht entspannt. 

 

Neji runzelte die Stirn und hob die Finger an sein Funkgerät, um den Kanal an das ganze Team zu öffnen. „Entschärft die Fallen und sammelt euch, wie wir es vereinbart haben.“

 

„Alles klar, wir sind in Bewegung.“, kratzte Sakuras Stimme durch die Leitung.

 

„Ich auch.“, bestätigte Chōji. 

 

„Sehr gut. Bleibt weiterhin wachsam, aber greift diese Leute nicht an. Im Moment sind sie unsere Verbündeten.“ Neji ließ seine Hand sinken und richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf Shikamaru. „Was zur Hölle sollte das, Nara?“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und zuckte mit den Achseln, bevor er sich abwandte und sich entfernte. „Was auch immer.“

 

Verwirrt starrte Neji ihm hinterher. Er spürte, wie die verräterische Spannung eines Stirnrunzeln seine Maske zum Bröckeln brachte, bevor er seine Miene erneut stählte und mit langen fließenden Schritten die Distanz zu dem Schattenninja schloss. 

 

„Shikamaru.“

 

„Was?“, seufzte der Chūnin und schlüpfte in das Zelt, um seinen Rucksack zu holen.

 

Rasch schob Neji das Segeltuch zur Seite, bevor es ihm ins Gesicht schlagen konnte. „Was zur Hölle ist los mit dir, Nara? Wir können es uns nicht leisten, diese Gelegenheit zu sabotieren.“

 

Er sah zu, wie sich Shikamaru auf den Knien bewegte und seine Ausrüstung überprüfte. „Ich weiß.“

 

„Was sollten dann verdammt noch mal diese Todesblicke?“

 

„Nichts, sie hat mich nur angepisst.“

 

Sie ist diejenige mit weit größerem Grund, sauer zu sein, nicht du.“

 

„Jo.“ Shikamaru hielt inne und sah auf. „Ich weiß. Bist du dann fertig?“

 

Neji löste etwas Spannung aus seiner Stimme und klang mehr neugierig als verwirrt. „Warum bist so wütend auf sie? Du kennst sie nicht einmal.“

 

„Nein…aber ich kenne dich.“, konterte Shikamaru und schüttelte den Kopf mit einem Fluchen, bevor er seine Handflächen in erschöpfter Kapitulation nach oben hob. „Vergiss es einfach, Hyūga. Ich habe gerade echt nicht die Energie für sowas.“

 

Aus irgendeinem Grund und ohne seine Zustimmung, verschwand Nejis zornige Verwirrung – sie ließ ihn vollkommen im Stich. Er wusste nicht wie oder warum, doch sie verpuffte mit einer Leichtigkeit, die er noch nie zuvor erlebt hatte. Und als er dabei zusah, wie Shikamaru ruckartig die Reißverschlüsse seines Rucksackes schloss, wurden Nejis Augen weich, ebenso wie seine Stimme. 

 

„Du? Ohne Energie?“, neckte er. „Ich fass es nicht.“

 

Shikamaru ließ beinahe seine Tasche fallen. Offene Überraschung wusch die Schatten von seinem Gesicht, als er aufblickte und Neji ungläubig anstarrte. 

 

Energisch presste Neji die Lippen aufeinander, um sich vom Lächeln abzuhalten, amüsiert über den fassungslosen Anblick, den der Chūnin ihm gerade bot; es passierte nicht oft, dass er die Gelegenheit bekam, Shikamaru zu überraschen. Nicht, dass er nach Chancen suchte, um das zu tun. Er hatte gar nicht vorgehabt, humorvoll zu sein. Es war einfach passiert. 

 

Dabei ist das kaum der richtige Zeitpunkt, um Witze zu reißen…

 

Doch das hielt ihn nicht davon ab, zaghaft zu schmunzeln. 

 

Shikamaru starrte auf Nejis Mund, während sein eigener vor Schock offen hing. 

 

Neji grinste und sah als Erster weg, während er den Kopf schüttelte. „Wenn du dann fertig damit bist, deinen Kiefer vom Boden aufzusammeln, müssen wir aufbrechen.“

 

„Du hast einen Scherz gemacht.“

 

„Gut beobachtet, Nara.“

 

Shikamarus Lippen zuckten. „Es war nicht mal eine billige Nummer.“

 

„Ich schätze nicht.“

 

„Wie hat es sich angefühlt?“

 

Nejis Lippen kräuselten sich, als er sich vom Lächeln abhielt. Er rollte in vorgetäuschtem Verdruss mit den Augen, von dem er aber wusste, dass Shikamaru ihn sofort durchschauen würde. „Beweg dich, Shikamaru.“

 

Er duckte sich unter der Zeltplane hinweg und trat hinaus ins Freie, bevor der Schattenninja antworten konnte. Seine Schritte lenkte er zurück zu der sich versammelnden Gruppe. 

 

Er schaffte kaum den halben Weg. 

 

Rasiermesserscharfer Schmerz stach in seine Brust und verwandelte seine Atmung in ein zerfetztes Keuchen, als er abrupt zum Stehen kam. 

 

Nein…

 

Er musste jedes Bisschen seiner Kontrolle aufbringen, um sich rechtzeitig zu erholen. Die Zähne zusammenbeißend zog er seine Fassung so harsch und schnell zurück, wie die Luft gerade eben aus ihm gerissen worden war. Fest presste er die Lider zusammen, bevor sie wieder aufriss und bebend ausatmete. 

 

Zum Glück hatte niemand seinen Ausrutscher bemerkt. 

 

Die Konoha Chūnin hielten ihren Fokus weiter auf ihre neuen Verbündeten gerichtet, vorsichtig, aber freundlich. Neji nutzte die Gelegenheit, um sich auf subtile Weise eine Hand gegen die Brust zu drücken, seine Finger gruben sich in den Stoff seiner Robe. 

 

Nicht jetzt…Gott, nur nicht jetzt…

 

Der scharfe Schmerz ließ zu einem dumpfen Pochen nach; qualvoll, aber erträglich. Langsam atmete Neji ein und entließ die Luft nach und nach durch die Nase. 

 

Das geht vorüber…

 

Er hob seine Hand zum Riemen seiner schwarzbraunen Tasche, tat so, als würde er mit den Schultern rollen und so das Gewicht verlagern. Er bemerkte nicht, wie sich Hinatas Augen kurz auf ihn richteten und bis er hörte, wie sich Shikamaru ihm von hinten näherte, befand sich seine Maske wieder fest an ihrem Platz. 

 

Leicht drehte er den Kopf, als Shikamaru gähnend an seine Seite trat, um neben ihm zu laufen. „Ugh…was für ein Drama…“

 

Fragend hob Neji eine Braue und folgte Shikamarus Blick hinüber zu dem orangegelben Blitz, der im Zentrum der Gruppe auf und ab hüpfte. Und dann beging er den fatalen Fehler, Narutos Blick zu begegnen. Denn in diesem Moment fasste der Uzumaki ihren Augenkontakt als Einladung auf, um seine Vorfreude mit einem lauten Schrei kund zu tun – und vergaß dabei komplett, dass er noch immer sein Mikrofon an hatte. 

 

Shikamarus Hand schnellte zu spät zu seinem Funkgerät. „Oh Schei…“

 

Narutos Brüllen explodierte in zehnfacher Lautstärke und prügelte so heftig auf ihre Trommelfelle ein, dass es sich anfühlte, als würden sie jeden Moment platzen. 
 

„HEY LEUTE! WUSSTET IHR, DASS SICH HANEGAKURE IN DEN BÄUMEN BEFINDET?“

 

Taumelnd hätten Neji und Shikamaru beinahe ihre Köpfe aneinander gestoßen. 

 

Für ein paar Sekunden waren sie wie paralysiert. Eingefroren in dem ohrenbetäubenden Nachbeben von Narutos Stimme. 

 

Shikamaru blinzelte und verzog schmerzerfüllt das Gesicht. „Fuck…“

 

Unfähig zu antworten, öffnete und schloss Neji seinen Mund und bewegte seinen Kiefer gegen das Klingeln in seinen Ohren an. 

 

Oh. Mein. Gott.

 

Doch ihnen blieb keine Zeit, sich zu erholen und ihre Transmitter herunterzureißen, bevor auch schon Kibas Stimme einen Herzschlag später durch die Leitung detonierte. 

 

„IN DEN BÄUMEN? AUF KEINEN FALL!“

 

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Ooooh, slowly shit  gets real... :D 

Ein etwas längeres Kapitel als die letzten, in dem wirklich ziemlich viel passiert, finde ich, oder wie sehr ihr das?? Was hat Shikamaru wohl vor?? ;) Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat, bitte lasst mir wieder ein paar Worte da, Meinungen, Anregungen, Theorien, ich freue mich über alles und das motiviert mich enorm!! <3 

Vielen Dank an meine treuen Reviewer/innen und Leser/innen - ihr seid der Wahnsinn, ich freu mich so über eure Kommentare! :)

Emotional Freedom Technique

Die Tsubasa führten sie immer tiefer in die verworrenen Eingeweide des Waldes und über Pfade, die von dicken knorrigen Wurzeln eingerahmt wurden. Massive Reben krümmten sich aus dem Boden und drückten sich um die voranschreitenden Shinobi herum wie die Gedärme eines Waldmonsters, das sie im Ganzen verschluckt hatte. 
 

„Mann, das ist, als würden wir uns einer der Kröten des kauzigen Bergeremiten bewegen!“, murrte Naruto und schob sich an mächtigen Baumwurzeln vorbei. 

 

„Was zur Hölle ist ein kauziger Bergeremit?“, fragte einer der Tsubasa Ninja und runzelte die Stirn. 

 

Neji schüttelte den Kopf, hielt den Blick aber nach vorn gerichtet, während er über einen der höher gelegenen Äste lief, um die Gruppe im Auge behalten zu können. Mit seinem Byakugan folgte er den Tsubasa Ninjas unter sich und beobachtete sie dabei, wie sie die Konoha Truppe ohne auch nur ein einziges Mal inne zu halten durch die komplizierten Routen navigierten. 

 

Keine leichte Aufgabe, es sei denn, man stammte aus diesem Land. 

 

Hanegakures Grenzregion war wie ein Labyrinth. 

 

Ohne das Byakugan oder einen Führer, wären wir niemals in der Lage gewesen, diese Wege ausfindig zu machen…

 

Es hätte sie Stunden gekostet und vermutlich hätten sie eher einen Kampf als einen Weg gefunden. Als hätte sie seine Gedanken gespürt, spähte Kitori über ihre Schulter zu ihm hinauf. Neji hielt inne, als die Kunoichi ihren Blick auf ihn richtete und ihm mit einem leichten Schwung ihrer Hand signalisierte, in welche Richtung er gehen müsse. 

 

Der Hyūga nickte, wandte sich um und sprang anmutig hinüber zu dem nächsten Baum, als sich ihr Kurs änderte. Von unten hörte er einen Schrei. 

 

„Vorsichtig, Naruto!“, tadelte Sakura. 

 

„Ich wollte das machen.“, grummelte der Uzumaki zurück. 

 

„Ja klar.“ In Kibas Stimme schwang ein Giggeln mit. „Oh hey, Shikamaru, bist du gerade dabei einen Plan oder sowas auszuarbeiten?“

 

„Gönn mir `ne Pause, Inuzuka.“

 

Nejis Blick fiel hinunter auf die Gruppe und wanderte über die invertierten Gestalten, bis er sich auf Shikamaru richtete. Der Nara lief neben Chōji, die Augen auf den Untergrund gerichtet, offensichtlich bemüht darum, den Fallstricken aus Wurzen und Ranken auszuweichen. 

 

Trotz der monochromen Sicht seines Dōjutsus konnte Neji deutlich die Müdigkeit sehen, die sich auf dem Gesicht des Schattenninjas abzeichnete – Shikamarus halbgeschlossene Lider wirkten angespannt, als würde er darum kämpfen, seine Augen nicht vollständig zu schließen. 

 

Er muss sich dringend ausruhen…

 

Da seine Aufmerksamkeit weiter auf Shikamaru gerichtet blieb, bemerkte Neji nicht, was Akamaru wahrgenommen hatte. 

 

Der Hund ließ von unten ein sanftes knurrendes Winseln hören. 

 

Und dann, wie das unheimliche Eintreten einer Sonnenfinsternis, veränderte sich das Licht…es verschwand.

 

Neji sah noch vor den anderen nach oben, seine Byakugan Augen durchdrangen die Dunkelheit, als sie begann, sich um sie herum zu verdichten. Der Wald an sich schien vor Aktivitäten jenseits der Baumkronen anzuschwellen, zu pulsieren und zu wuseln; höher nach oben. 

 

Viel höher…

 

Neji kam zum Stehen und hob Zeige- und Mittelfinger mit dem Schlangenzeichen, um seine Sicht weiter nach oben auszudehnen.

 

Da.

 

Der Hyūga hob die Brauen und seine mondgleichen Augen weiteten sich. 

 

Naruto hatte mit seiner Behauptung über das Dorf der Tsubasa nicht übertrieben.

 

Und Hanegakure befand sich nicht einfach nur in den Bäumen. 

 

Es war aus ihnen gemacht. 

 

Das Dorf befand sich hoch über ihnen und sein gesamtes Gerüst bestand aus massiven Zweigen und gigantischen Ästen. Die Heimstätten der Tsubasa waren in die kolossalen Stämme und Hölzer eingebettet, meist kuppelförmig und mit einigen größeren Gebäuden, die wie Nester geformt waren. Alles war mit einem Gehwegsystem miteinander verbunden, das auf den miteinander verwachsenen Ästen angelegt worden war; es diente als Brücken und verband das Dorf auf allen Ebenen. 

 

Beeindruckt studierte er den invertierten Grundriss.

 

Es war eine ganze Gemeinschaft, die auf den Fundamenten der Natur aufgebaut war und die Tsubasa hatten es geschafft, von ihrer Umwelt zu profitieren, ohne sie zu zerstören. 

 

Unglaublich…

 

Ein leichtes Kratzen erklang in seinem Ohr. 

 

Neji blinzelte und kehrte zurück von seiner vertieften Inspektion, während seine Finger zu seinem Funkgerät glitten, als er das schwache statische Knacken hörte. Er justierte die Lautstärke, die er nach der akustischen Explosion von Narutos und Kibas Stimmen auf stumm gestellt hatte.

 

„Ja?“

 

„Neji…“ Shikamarus müde Stimme erscholl durch die Leitung. „Kitori sagt, wir begeben uns jetzt nach oben – kannst du es sehen?“

 

„Ja.“

 

„Wie weit?“

 

„Schon ziemlich hoch.“

 

„…Ugh…wie lästig…“

 

„Du kannst immer noch Lee fragen, ob er dich trägt.“ Neji grinste und machte auf dem Absatz kehrt, um sich über den Ast und auf schnellstem Wege zu dem wartenden Team zu begeben. 

 

„Ich krieche lieber, danke…“, murrte Shikamaru. 

 

Neji hob eine Braue und Belustigung brachte seine Augen zum Schimmern, als er sich neben dem faulen Ninja auf Bodenlevel fallen ließ. Rasch glättete er seine Miene zurück zu der polierten Maske, als er sich aufrichtete und sein Dōjutsu deaktivierte, um Hinata übernehmen zu lassen. 

 

„Kriechen?“, echote er trocken und schaltete sein Mikrofon aus. 

 

Träge spähte Shikamaru zu ihm hinüber, sein Halbmast Blick vermittelte Langeweile, um die Müdigkeit zu verstecken, die sich eigentlich darin befand. Der Schattenninja öffnete die Lippen, um zu antworten, hielt jedoch inne und räusperte sich stattdessen. Neji verstand den Wink und drehte sich in dem Moment um, als Kitori sie erreichte. 

 

„Wir nehmen den Käfig nach oben.“, informierte Kitori sie und gab einem ihrer Ninjas ein Signal. „Lass sie runterkommen.“

 

„Ein Käfig?“ Neji versuchte angestrengt, die Missbilligung aus seiner Stimme zu verbannen, doch sie erreichte seine Augen; es war der geringste Hauch von Feuer in seinen Opalaugen. 

 

„Ja.“ Kitori drehte sich ein wenig und deutete zu einem großen Aufzug, der aus den Baumkronen auftauchte und einem riesigen Vogelkäfig sehr ähnlich sah. „Es geht damit deutlich schneller, als die Wege zu Fuß zu gehen.“

 

Neji musterte den ‚Aufzug‘ argwöhnisch.

 

Es machte durchaus Sinn. Doch Sinn hatte nichts mit dem Rütteln von Unbehagen in seinem Inneren zu tun, das diese irritierenden Dinge in ihm aufwirbelte, über die er eigentlich gar nicht nachdenken wollte, wenn er den Käfigähnlichen Lift beäugte. 

 

Lächerlich…

 

Natürlich half es ihm dabei auch wenig, Shikamarus beständigen Blick auf sich fixiert zu haben. Schon wieder verspürte er dieses verstörende Gefühl, bloßgelegt zu sein. Der Nara sah einfach viel zu viel. 

 

Er muss aufhören, das zu tun…

 

Kopfschüttelnd sah Neji zu, wie Kitori auf den Käfig zuschritt, ihn öffnete und den Teams bedeutete, einzusteigen – ein zweiter Aufzug senkte sich bereits zu ihnen herab.

 

Nejis Stirn legte sich in Falten. 

 

„Angst vor der Höhe, Hyūga?“, fragte Shikamaru gedehnt, doch seine Stimme war weich und seine Worte dazu gedacht, mit subtilem Humor die Spannung zu lösen, von der Neji gar nicht gemerkt hatte, dass er sie ausstrahlte.

 

Minutiös drehte Neji seinen Kopf und spähte aus den Augenwinkeln über die Schulter. „Willst du immer noch kriechen, Nara?“

 

Shikamaru schnaubte und stieß sich von dem Baum ab, an den er sich gelehnt hatte. „Zumindest hätte ich dann eine Ausrede, mich nicht mehr zu bewegen, wenn ich endlich oben angekommen bin.“

 

„Das stimmt.“

 

Der Hyūga schloss sich dem Rest des Konoha Teams an, als sie mit Kitori einen der Käfige betraten; ein vorfreudiges Summen umgab die Shinobi.

 

Neji teilte es nicht.

 

Seine Aufmerksamkeit teilte sich auf zwischen dem dumpfen Schmerz in seiner Brust und dem bevorstehenden Gespräch, das sie mit Ozuku Tsubasa führen mussten. Die Mission innerhalb der nächsten Tage abzuschließen war unabdingbar. Und das bedeutete, dass er und Shikamaru schnell eine neue Strategie ausarbeiten mussten, die auch die neu dazugewonnen Spieler berücksichtigte. 

 

Nejis Blick wanderte hinüber zu dem Nara. 

 

Shikamaru hatte sich gegen den Käfig gelehnt, den Rücken in die natürlichen Kurven der Stäbe gekrümmt, die Augen geschlossen und den Kopf nach hinten gelegt, seine Hände waren in den Taschen begraben. Chōji sagte etwas zu ihm, das Neji nicht verstehen konnte, doch der Nara antwortete nicht. Selbst als der Akimichi wieder ging, rührte sich Shikamaru nicht. 

 

Still beobachtete Neji ihn, während sich die restlichen Shinobi lebhaft miteinander unterhielten, Kitori nach den Spezies der Vögel fragten, die gerade um den Käfig flatterten und sich im anbrechenden Morgengrauen bewegten. Es brachte Neji in Erinnerung, wie wenig Schlaf das gesamte Team in letzter Zeit gehabt hatte.

 

Und dieser Gedanke wurde ihm umso deutlicher, als seine Augen über Shikamarus Gesicht wanderten und den Konturen des Schattenninjas folgten. Doch statt offen zu starren, glitt sein Blick tiefer über die scharfe Kieferlinie des Nara und bis zum Saum des schwarzen Shirts. Die Erinnerung an seine Finger um Shikamarus Kehle stanzte eine tiefe Falte zwischen Nejis Brauen. 

 

Was, wenn ich härter zugegriffen hätte…? Hätte er mich aufhalten können?

 

Nejis Gedanken schweiften immer weiter ab, während der Aufzug durch das Blätterdach immer höher stieg. Doch anders als der Nebel, der sich in seinem Geist verdichtete, wich langsam die Dunkelheit, die den Käfig umgab. Strahlen milchigen Lichtes stachen durch das Laub und einer davon fiel auf Shikamarus Gesicht. 

 

Die Augen des Schattenninjas flatterten langsam auf. 

 

Sofort wandte Neji den Blick ab. 

 

Stattdessen richtete er seinen Fokus auf die Außenposten, die im Gewirr der Baumkronen sichtbar wurden. Wachen der Tsubasa standen auf handgefertigten Plattformen und patrouillierten mit Vögeln auf den Schultern an den Grenzen.

 

„Das ist unglaublich.“, hauchte Sakura durch die Käfigstäbe und Ehrfurcht spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider. „Wie haben eure Leute es geschafft, so etwas Kompliziertes zu erschaffen?“

 

„Ihr wisst es nicht?“ Kitori blinzelte. „Das haben wir eurem ersten Hokage zu verdanken.“

 

„Huh?“ Naruto riss sich von seinem erstaunten Gaffen los. „Was meinst du?“

 

Kitori lächelte schwach und trat hinüber zu Sakura und Naruto. „Auf ähnliche Weise wie Konoha gegründet wurde, wurde Hanegakure durch den Shodai Hokage zum Leben erweckt.“

 

Achja?

 

Neji hob eine Braue und spähte zu Shikamaru hinüber. Doch der Nara zuckte nur mit den Achseln und machte dadurch deutlich, wie wenig ihn das interessierte. Angestrengt versuchte Neji, nicht zu lächeln und fokussierte sich wieder auf die Unterhaltung in dem aufsteigenden Käfig.

 

„Ein Jutsu des Holzversteckes?“, fragte Sakura.

 

„Ja.“ Mit einer ausholenden Geste deutete Kitori auf die Umgebung. „Wir sind ihm dafür sehr dankbar und ehren sein Andenken für die Erschaffung unseres Heimatlandes. Ohne das einzigartige Kekkei Genkai des ersten Hokage, wäre unser Clan nie in der Lage gewesen aufzublühen.“

 

Shikamaru schnaubte murmelte kaum hörbar: „Sie zeigen ihre Dankbarkeit also, indem sie während des Dritten Shinobi Krieges ihre Allianz mit Konoha hintergehen und zerbrechen. Wie nett.“

 

Neji trat hinüber zu Shikamaru und ließ die Bewegung subtil wirken, während er die Stimme senkte. „Was habe ich darüber gesagt, sich gegen diese Leute zu stellen?“

 

Gähnend machte Shikamaru eine abweisende Handbewegung. „Entspann dich, Hyūga. Ich sollte ihr vielleicht von deiner glänzenden Erfolgsbilanz erzählen, wenn es um nicht provozierte Misshandlung geht.“

 

„Dir ist schon klar, dass du diese Verletzungen nur deswegen durch mich erlitten hast, weil du mich provoziert hast!?“, murmelte Neji, doch seine ursprüngliche Gewohnheit, verärgert zu reagieren, wurde von dem Wunsch überlagert, mit dem Nara in ihr übliches Geplänkel einzusteigen. 

 

„Dann steht wohl dein Wort gegen meines.“ Shikamaru schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. „Bring lieber mal deine Fangirls aus dem Shogi Spielhaus dazu, dich zu unterstützen und deinen Standpunkt durchzusetzen.“

 

Nejis Wimpern flatterten, als er ein Augenrollen unterdrückte, doch in seiner Stimme schwang ein Schmunzeln mit. „Und das kommt von dem Mann, dessen blondes Teammitglied sich aufführt wie ein Cheerleader am Spielfeldrand. Und ich rede nicht von Naruto.“

 

„Ino.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Sie ist lästig.“

 

„Würdest du sie gegen einen anderen Spieler eintauschen?“

 

„Das habe ich nie gesagt.“

 

Neji brummte leise, als der Aufzug anhielt. „Zumindest beweist es ihr Vertrauen in dich. Und das wiederum sagt einiges aus.“

 

„Ich habe es dir bereits gesagt“, sagte Shikamaru und hob die Lider, während sich Kitori daran machte, den Käfig zu öffnen. „Manche Dinge erreicht man, ohne eine Strategie dafür zu benötigen.“

 

Neji schürzte die Lippen.

 

Vielleicht…

 

Doch er hatte keine Zeit, den Gedanken tiefer sinken lassen zu können, denn Kitori führte sie über einen hölzernen Gehweg und mit der Hand deutete sei nach vorn auf ihr Ziel. Neji ließ den Blick über die Struktur des Gebäudes gleiten und aktivierte sein Dōjutsu, um seine Sicht weiter auszudehnen und das vom Alter gezeichnete Schild lesen zu können, das daran hing.

 

DAS KRÄHENNEST

 
 

oOo
 

 
 

Vogelgesang schwebte sanft durch das offene Fenster des Gästezimmers herein; es war eine weiche harmlose Melodie aus leichtem Zwitschern und spielerischem Zirpen.

 

Friedvoll und angenehm.

 

„Ugh…mach, dass es aufhört…“, stöhnte Shikamaru und seine heisere Stimme durchbrach Nejis Fokus. 

 

Der Hyūga hob eine Braue, ohne seine Augen von der Karte abzuwenden, die er auf dem niedrigen Tisch ausgebreitet hatte. Auf Knien setzte er sich ein wenig anders hin und griff nach der Teetasse, die neben einem Stapel Schriftrollen vor sich hin dampfte. 

 

„Geh schlafen.“, erwiderte er wenig hilfreich und nippte an dem heißen Getränk. 

 

Gerade lag Shikamaru ausgestreckt auf einem der beiden Betten. In dem Moment, in dem sie ihre zugewiesenen Zimmer betreten hatten, war der Nara schnurstracks auf die nächste flache Oberfläche zugegangen, die nicht der Boden war. Ohne ein Wort hatte er sich darauf fallen gelassen und hatte sich gerade noch so die Mühe gemacht, wenigstens die Sandalen von den Füßen zu treten und sich die Flakjacke vom Leib zu reißen. 

 

Neji dagegen hatte geduscht, etwas gegessen, einen Gesprächstermin mit Ozuku vereinbart, sicher gestellt, dass sich der Rest des Teams ein wenig ausruhte und über alles in Kenntnis gesetzt wurde und er hatte die Gelegenheit wahrgenommen, sich ein wenig mit dem Aufbau des Dorfes vertraut zu machen. 

 

All das hatte er innerhalb einer Stunde erledigt.

 

Eine Stunde, in der sich Shikamaru nicht einen Millimeter bewegt hatte – es aber geschafft hatte, zu knurren, zu fluchen und den harmlosen Intervallen aus Vogelgezwitscher blutige Vergeltung anzudrohen. 

 

Wie aufs Stichwort erklang ein neuer Chor aus trällernden Vogelrufen. 

 

Neji lächelte schief. „Ignorier es einfach.“

 

„…Willst du mich verarschen?“

 

„Du kannst während eines Höllensturms schlafen, aber Vogelgesang stört dich?“

 

„Ich habe kein Ohr für Musik…“, murrte Shikamaru trocken und ein weiteres Knurren entwich seiner Kehle, als ein leises Zwitschern durch das Fenster klang. 

 

Seufzend stellte der Hyūga seine Tasse beiseite und spähte durch das Gästezimmer. 

 

Der Schattenninja lag auf dem Bett und ein langes Bein hing von der Kante der Matratze, während er das andere darauf aufgestellt hatte. Direkt hinter seinem Knie konnte man einen Ellbogen des Nara sehen und Neji ging davon aus, dass Shikamaru mit der Hand seine Stirn umklammerte. 

 

Nejis Miene ernüchterte. 

 

Er hätte inzwischen wirklich einschlafen sollen…Vogelgezwitscher oder nicht…

 

Langsam ausatmend kam Neji auf die Beine und schritt zum Fenster hinüber. Mit einer scharfen Bewegung zog er die Vorhänge vor die Öffnung und scheuchte damit die Vögel auf, während er gleichzeitig das grelle Licht im Raum verdunkelte. 

 

Er drehte sich auf dem Absatz um und sah zu Shikamaru hinüber. „Besser?“

 

„Eine Gehirnerschütterung würde vielleicht helfen.“, erwiderte der Nara gedehnt und verzog leicht die Lippen, wobei seine Augen von seiner Hand abgeschirmt wurden.

 

Neji hob eine Braue, als er die weiß hervortretenden Knöchel an Shikamarus Fingern bemerkte und wie sich der Daumen des Chūnin mit hartem Druck in die Schläfe presste. Die heftige Spannung in Shikamarus Hand zerstörte sofort den Eindruck, den der Rest seines vollkommen entspannt wirkenden Körpers vermittelte.

 

Hmm…

 

„Hast du Kopfschmerzen?“, fragte Neji leise und besorgte Falten gruben sich in seine Stirn. 

 

„Versuchst du, witzig zu sein, Hyūga?“

 

„Nein.“

 

Abweisend fuchtelte Shikamaru mit seiner freien Hand. 

 

Doch Neji kaufte ihm das nicht für eine Sekunde ab. 

 

Kopfschüttelnd umrundete der Hyūga das Bett und trat näher zu dem anderen Ninja. „Setz dich mal kurz hin.“

 

„Hmn?“ Shikamaru rührte sich nicht. 

 

„Setz dich hin.“

 

Shikamaru drehte sein Handgelenk weit genug, um unter seinen Fingern hervorspähen zu können; die dunklen Augen halb geschlossen und schläfrig. „Was?“

 

Neji senkte ein wenig die Stimme. „Setz dich hin.“

 

„Warum?“ Shikamarus Augen verengten sich. 

 

Warum…

 

Neji zögerte. 

 

Die sicherste und schnellste Erklärung wäre einfach die, dass Shikamaru einen unausgesprochenen Vorsprung hatte und Neji diesen verringern wollte. Nur der Gedanke an seine Atemstillstände sorgte dafür, dass sich Nejis Kiefer verkrampfte. Und auch, wenn Shikamaru nie ein Wort über diese Momente der Schwäche verloren hatte, machte es das nicht leichter, die Tatsache zu verdauen, dass der Schattenninja davon wusste und sie miterlebt hatte. Shikamaru jetzt bei seinen Kopfschmerzen zu helfen würde vermutlich auch dafür sorgen, den Punktestand zwischen ihnen ein bisschen auszugleichen. 

 

Zumindest war es das, was Neji sich einredete. 

 

Tz. Als würde es irgendeine Rolle spielen…er muss schlafen…wir müssen eine Strategie ausarbeiten…

 

Neji entschied sich für einen flachen Blick als Antwort. „Du hast ganz offensichtlich Kopfschmerzen und da dein Kopf in den nächsten Stunden gebraucht wird, wäre es sehr hilfreich, wenn er dir keine Probleme mehr bereitet – und jetzt setz dich hin.“

 

„Du bittest mich, dir meinen Kopf anzuvertrauen? Nach der Misshandlung, die du ihm verpasst hast?“

 

Für einen kurzen Moment zögerte Neji, da er sich nicht sicher war, ob Shikamaru nun sarkastisch war oder metaphorisch. Er vermutete allerdings Ersteres, gemessen an dem trägen Grinsen, das der Ninja ihm zuwarf und rollte als Antwort mit den Augen.

 

„Idiot. Jetzt setz dich schon hin.“

 

Shikamaru seufzte und senkte die Hand, um sich auf einen Ellbogen aufzurichten. „Es geht mir gut, okay? Ich bin einfach nur müde.“

 

Neji legte den Kopf schief. „Ja, das kann ich sehen.“

 

Sehr zur Überraschung des Hyūga wandte Shikamaru den Blick ab. 

 

Irgendetwas stimmte nicht. 

 

Und es verärgerte Neji, dass er es nicht benennen konnte. Er war gut darin, Menschen zu lesen, Shikamaru hatte jedoch eine Art hieroglyphischer Persönlichkeit angenommen, die er nicht dechiffrieren konnte oder hoffen durfte, sie mit seinen üblichen Überlegungen interpretieren zu können. Doch statt der Frustration zu gestatten, ihn zu irritieren, schob Neji Shikamarus aufgestelltes Bein vom Bett und zwang den Nara so, sich aufzusetzen. 

 

„Hey, pass auf…“, grummelte Shikamaru, doch es klang mehr müde als wütend. 

 

„Sei still.“, sagte Neji sanft und ging in die Hocke, während Shikamaru etwas nach vorn rutschte und seine Ellbogen auf den Knien aufstellte. 

 

Energisch ignorierte Neji jede Art von Unbehaglichkeit, die in diesen Moment zu sickern drohte und fokussierte sich auf seine Aufgabe.

 

Lindere seine Kopfschmerzen.

 

„Sieh nach oben.“, instruierte er leise. 

 

Shikamaru hob eher die Augen als sein Haupt und warf ihm einen verärgerten Blick zu. Neji erwiderte ihn, wenn auch mit etwas mehr Gelassenheit. Eine flüchtige stumme Willensschlacht wurde ausgetragen, bei der Neji als Erster auf die ziellose Sackgasse reagierte. 

 

„Shikamaru…“

 

Der Nara rollte mit den Augen und wollte sich schon wieder nach hinten fallen lassen, doch Neji fing ihn im Nacken auf. Seine andere Hand schnellte nach oben, um leicht den Kiefer des Chūnin zu packen und ihn so zum Schließen zu zwingen, bevor der Nara irgendetwas sagen konnte. 

 

„Sei leise und halt still.“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er schlug nach Nejis Hand. „Lass das.“

 

„Um Kamis Willen“, schnaubte Neji und bewegte seine Handflächen, um das Gesicht des Schattenninjas zu ummanteln; aus irgendeinem Grund sorgte das dafür, dass Shikamaru sehr ruhig wurde. „Beweg dich nicht. Das schließt auch deinen Mund ein.“

 

Shikamaru rollte unter dem schweren Verschluss seiner Wimpern mit den Augen, wollte aber noch immer nicht Nejis Blick begegnen. Und wäre das nicht schon seltsam genug, schien sich die Spannung, die sich eben noch auf Shikamarus Hand und Kopf beschränkt hatte, in eine heftige Verkrampfung seiner Schultern auszubreiten. 

 

Neji runzelte die Stirn. „Ich hatte gehofft, niemals diese irritierenden Worte von dir nutzen zu müssen…aber ‚entspann dich‘…“

 

Shikamaru schnaubte leise und sein Halbmast Blick begann zu flattern, doch zu Nejis Überraschung, wartete der Schattenninja nicht mit einer altklugen Erwiderung auf; was nur ein weiteres großes Fragezeichen in Nejis Geist hervorrief. 

 

Na super…

 

Langsam atmete Neji ein und ließ seine Handflächen an beide Seiten von Shikamarus Kopf gleiten, seine Fingerspitzen drückten sich in die angespannte Kopfhaut, während sich seine Daumen sanft an die Schläfen des Chūnins legten. 

 

„Ist er scharf oder eher dumpf?“

 

„Mein Kopf?“ Shikamarus Lippen kräuselten sich, während er murmelte. „Offensichtlich scharf.“

 

„Der Schmerz, du Idiot.“

 

„Das war ein Scherz, Neji…“

 

Kopfschüttelnd zog der Hyūga knapp die Luft durch die Nase ein. „Ich habe deinen Sarkasmus sehr gut erkannt, aber im Moment wäre mir deine Kooperation lieber.“

 

„Gehirnerschütterung, erinnerst du dich? Mach nur.“

 

Neji musste die Lippen aufeinanderpressen, um sein Lächeln zu verbergen. „Vielleicht mache ich das.“

 

Er faltete ein Bein unter sich, um sich zwischen die Beine des Chūnins knien zu können und begann, langsam mit den Daumen über Shikamarus Schläfen zu streichen; leichte Bewegungen, die er in kleine Kreise verwandelte. 

 

„Sag mir, falls es weh tut.“

 

„Was auch immer.“ Shikamarus Lider schlossen sich und sein Atem entwich ihm langsam und mit einem sanften Zittern. 

 

Neji legte die Stirn in Falten, konzentrierte sich aber weiterhin auf die zaghafte Massage und legte leichten Druck in das Reiben an Shikamarus Schläfen. Die ganze Zeit über musterte er aufmerksam das Gesicht des Schattenninjas und suchte darin nach Anzeichen für Schmerzen. 

 

Ein weiteres spielerisches Vogelgezwitscher wurde von draußen herein getragen, doch diesmal reagierte Shikamaru nicht. 

 

Neji lächelte leicht und war sich seines eigenen Gesichtsausdruckes nicht bewusst, als er fortwährend den von Shikamaru beobachtete. Seine Berührung glitt hinauf zur Stirn des Nara und er nutzte die Ballen seiner Daumen, um mit leichtem Druck über das Stirnbein zu fahren und dem Schwung der oft in so sardonischer Weise gehobenen Brauen zu folgen, bevor er die orbitalen Bereiche umkreiste. 

 

Er war sich nicht sicher, wie lange er dort gekniet hatte und kleine Zirkel um die geschlossenen Augen des Nara gezogen hatte, bevor er die Daumen zurück zu den Schläfen des anderen Ninja gleiten ließ und seine Handballen über die Wangenknochen des Nara strichen. Was für eine Anspannung auch immer von Shikamarus Schultern Besitz ergriffen hatte, sie war nun fort und die verkrampften Knoten in seiner Stirn hatten sich unter dem Druck von Nejis Daumen gelöst. 

 

Shikamarus sanft einlullender Atem zog seinen eigenen in einen beständigeren und friedvollen Rhythmus; vollkommen ruhig – vollkommen synchron. 

 

Neji blinzelte langsam und realisierte, wie entspannt er selbst auf einmal war. 

 

Das hatte er nicht beabsichtigt. 

 

Shikamaru jedoch sah beinahe so aus, als wäre er eingeschlafen, wofür Neji ihn auch definitiv für fähig hielt, selbst in dieser aufrecht sitzenden Position. 

 

Wäre ja nicht das erste Mal…nach seiner eigenen Aussage…

 

Kopfschüttelnd lächelte der Hyūga. Doch dann glättete sich sein Lächeln und ließ ein Gefühl völliger Ruhe zurück – die Art Ruhe, die er schon sehr sehr lange nicht mehr verspürt hatte. 

 

Schon bald wanderten pastellfarbene Augen weniger konzentriert über Shikamarus Gesicht, suchten nicht länger nach Zeichen von Spannung…betrachteten nur.

 

Und dann veränderte sich etwas in seiner Berührung.

 

Der Druck seiner Daumen wurde weicher, sie schwangen mit federleichten Strichen über die Haut, nicht länger nach Druckpunkten suchend…nur nach Kontakt. 

 

Kami…was mache ich hier?

 

Neji schluckte schwer und seine Stirn legte sich in Falten. 

 

Beinahe wäre er aufgesprungen, als sich Shikamarus Hände zu seinen Armen hoben und ihnen weiter hinauf folgten, bis sich die langen Finger des Nara locker um seine Handgelenke legten. 

 

„Hör auf…“, wisperte Shikamaru.

 

Die Bewegung von Nejis Daumen stoppte und sie legten sich erneut an die Schläfen des Nara.

 

Langsam atmete Shikamaru aus. „Hör auf…“

 

„Das habe ich…“

 

Die Augen des Schatteninja öffneten sich ein wenig und Halbmonde aus tiefem Braun wurden gerade so unter dem dunklen Schwung seiner Wimpern sichtbar. Ihre Blicke trafen sich, doch Shikamaru hielt ihn nicht, obwohl er damit normalerweise keinerlei Probleme hatte. Sanft krümmte Neji die Finger und beobachtete, wie die Bewegung dafür sorgte, dass Shikamarus Lider zu flattern begannen. 

 

Doch der Nara sah nicht auf. 

 

Es war keine Unterwürfigkeit, das wusste Neji, doch etwas unleugbares wogte durch seine Venen; eine sanft schwelende Hitze. Energisch versuchte er, sie zurückzudrängen, scheiterte aber in seinem Vorhaben, als Shikamaru zitternd ausatmete. 

 

Die Wärme davon zog den Hyūga nach vorn. 

 

Er drehte seine Hände frei aus Shikamarus Griff und schloss seine eigenen Finger um die Handgelenke des Schattenninjas. Noch bevor Shikamaru reagieren konnte, erhob sich der Jōnin langsam und schob ein Knie auf das Bett und zwischen Shikamarus Beine, während er vorwärts drückte und den anderen Ninja so dazu zwang, sich nach hinten zu lehnen. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Neji…“

 

Neji beugte sich nach unten und seine Lippen strichen zaghaft über die, die sich um seinen Namen herum geöffnet hatten; das heisere Timbre von Shikamarus Stimme zerrte noch mehr von dieser Hitze in sein Blut. Deutlich spürte er, wie der Schattenninja vollkommen still wurde und nutzte die Gelegenheit, um sich weiter nach vorn zu bewegen und Shikamaru zurück in die Laken zu drücken. Er fixierte den Chūnin an den Handgelenken auf der Matratze und ergriff Besitz von den Lippen, die sich unter seinen eigenen bewegten. 

 

Ihre Zungen strichen in sanften Stößen aneinander. 

 

Das war alles, was nötig war. 

 

Noch in derselben Sekunde, in der Neji einen Geschmack von Shikamaru erhaschte, erwachte etwas in ihm.

 

Hunger.

 

Stark und augenblicklich. Es fraß sich seinen Weg hinauf aus den Tiefen seines Inneren; ein ausgehungertes, eingesperrtes Bedürfnis. Fanatisch mit dem Verlangen danach, zu verschlingen…beinahe animalisch…beinahe unmöglich zu kontrollieren. 

 

Kontrolle.

 

Neji verstärkte den Griff um Shikamarus Handgelenke. 

 

Er grub sein Knie in die Matratze, den anderen Fuß noch immer auf dem Boden aufgestellt – sein letzter Anker zur Vernunft. Doch er spürte, wie er zu ertrinken drohte, als er den Kopf leicht drehte, um den Kuss zu vertiefen und noch weiter in die feuchte Höhle von Shikamarus Mund einzutauchen, die diesen einzigartigen Geschmack in sich trug; rauchig und verboten, was seinen Hunger nur noch mehr befeuerte. 

 

Gierig trank er das nachhallende Stöhnen hinunter, das sich tief aus Shikamarus Kehle löste und erst, als er spürte, wie Shikamaru scharf seine Handgelenke drehte, um sie aus der eisernen Umklammerung zu befreien, merkte Neji, dass es sich um einen protestierenden Laut handelte. 

 

Der Nara riss mit einem atemlosen Keuchen seinen Kopf von dem elektrifizierenden Kuss zurück. 

 

Scheiße…Geh runter von mir, Neji…“

 

Knurrend hob Neji den Kopf und starrte mit wilden Opalaugen nach unten. „Du besitzt die Frechheit, zu mir zu kommen und wagst es dann auch noch, wütend zu werden, wenn ich zu dir komme?“

 

„Das ist es nicht…“, stieß Shikamaru zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und befreite mit einem Rucken eines seiner Handgelenke. „Geh runter.“

 

Sofort schnappte Neji erneut nach Shikamarus Arm und presste ihn nach unten. „Angst, dass ich dich zu weit dränge, Nara?“

 

Zorn peitschte wie ein Stromschlag durch ihn. Zorn darüber, dass schon wieder Shikamaru derjenige war, der über die Kontrolle verfügte, die er selbst so dringend brauchte. Zorn darüber, dass er diese Kontrolle überhaupt verloren hatte.

 

Verdammt sei er…und das, was er mit mir macht…

 

Neji ließ der Wut in sich freien Lauf und hoffte, sie würde die Lava aus tiefem Verlangen, die zwischen ihnen ausgebrochen war, zu Stein erstarren lassen. Doch in den dunklen Augen des Nara fand er eine andere Hitze, die sich ihm entgegenstellte – ein ähnlicher Zorn, aber von anderer Ursache. 

 

Shikamarus Körper spannte sich wie eine Feder an und jede Müdigkeit verflüchtigte sich in der aggressiven Hitze, die urplötzlich zwischen ihnen aufflammte.

 

„Geh runter von mir, jetzt!“

 

Neji starrte wütend zurück und Erregung verkrampfte sich zu einem ziehenden Knoten aus Frustration tief in seiner Lendengegend. 

 

Und dann realisierte er, was er gerade tat. 

 

Götter…was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

 

Sofort ließ Neji Shikamarus Handgelenke los, richtete sich auf seinem Knie auf und schloss die Augen mit einem bebenden Keuchen. Der Hunger wogte noch immer in ihm und brachte sein Blut in Wallung. Energisch versuchte er, ihn mit einem Anschein von Vernunft zu zügeln und würgte den Drang hinunter, diesen Hunger zu verfluchen, sich selbst und alles andere sonst. 

 

Er spürte Bewegungen, als sich Shikamarus Bein anspannte und sich der Schattenninja aufsetzte. 

 

„Das ist es nicht…“, wiederholte Shikamaru und seine Worte strichen sanft gegen Nejis Kiefer. „Ich habe keine Angst vor dir, Neji. Das solltest du inzwischen wissen.“

 

Die Erinnerung an seine Hand, die sich um Shikamarus Kehle legte blitzte vor seinem inneren Auge auf, als wäre sie auf ein Stichwort heraufbeschworen worden. 

 

Und du solltest es besser wissen, als mir zu vertrauen…

 

Neji schnaubte und errichtete eine Verteidigung aus Arroganz auf seinem Gesicht, bevor er die Lider hob. Doch dieser Blick zerfiel augenblicklich, als er den erschöpften und unsicheren Ausdruck auf Shikamarus Zügen bemerkte. 

 

Nicht zum ersten Mal spürte Neji, wie sein Zorn von einer Welle aus etwas fortgewaschen wurde, das er nicht benennen konnte. Sein Frust wurde rasch und wie von unsichtbaren Fingern auseinander gerissen und ließ ihn verzweifelt suchend zurück; nach einer Reaktion, einer Antwort – irgendetwas. 

 

Bevor er ihre Blicke verbinden konnte, sah Shikamaru zur Seite weg und verwirrte den Jōnin nur noch mehr. 

 

„Warum kannst du mich dann nicht ansehen, Shikamaru?“, forderte Neji ihn heraus, doch seine Stimme verließ seine Lippen deutlich sanfter, als er es beabsichtigt hatte. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Weil es dann anfangen wird…“

 

Neji legte sein Haupt etwas schräg. „Was wird anfangen?“

 

„Was ich nicht aufhalten kann…“

 

Nejis Lippen öffneten sich, doch kein Ton kam heraus. 

 

Shikamarus Worte machten ihn sprachlos. 

 

Aufmerksam starrte er auf die ihm abgewandten Augen und zum ersten Mal, seit dieses wahnsinnige Chaos begonnen hatte, wollte er, dass Shikamaru ihn ansah. 

 

Doch der Schattenninja tat es nicht; würde es nicht. 

 

Ein seltsames Gefühl zog sich durch Nejis Brust; es war kein wirklicher Schmerz, aber dennoch qualvoll. Eine andere Art Schmerz; eine, an die er genauso wenig denken wollte, wie an die noch schärferen und grausameren Stiche, die begonnen hatten, noch schlimmer zu werden. 

 

„Sieh mich an, Nara.“

 

Der Schattenninja antwortete nicht. 

 

Schweigend betrachtete Neji Shikamaru und neigte den Kopf, bevor er eine Hand hob und mit den Fingern über den Kiefer des Nara strich, um Shikamarus Gesicht in seine Richtung zu locken. 

 

„Sieh mich an…“

 

Shikamaru streckte den Nacken, um der Berührung zu entgehen, legte dabei aber unweigerlich seine Kehle frei. 

 

Und Neji reagierte, noch bevor sein Hirn die Bewegung verarbeiten konnte. Er beugte sich nach vorn und legte seine Lippen federleicht an den Pulspunkt direkt unter Shikamarus Kiefer, während er eine Hand hob, um sie an den Hinterkopf des Schatteninja zu legen und ihn so ruhig zu halten. 

 

Es lag keine Forderung in dem Kontakt; keine Aggression, keine Hitze und kein Stoß zu etwas, das mehr war, als es war – was vielleicht eine Entschuldigung sein sollte. 

 

Denn Neji würde sie niemals laut aussprechen. 

 

Für einige Herzschläge hielt er die zärtliche Verbindung aufrecht, spürte das sanfte Pochen von Shikamarus Puls unter seinen Lippen. Er hinterfragte erst, was zur Hölle er hier gerade machte, als er den Kuss an der anderen Seite von Shikamarus Hals wiederholte und mit den Lippen sanft über die sensible Haut strich.

 

Stop…

 

Langsam zog er sich zurück und ließ seine Hand an Shikamarus Nacken ruhen, als er seine Stirn mit einem Seufzen gegen die des Schattenninjas legte; seine Lider schlossen sich. Sie verharrten lange genug auf diese Weise, bis Neji schließlich bemerkte, dass sie erneut im Gleichklang atmeten. 

 

Warm konnte er Shikamarus Seufzen gegen seine Lippen spüren. „Wie lästig…“

 

Neji lächelte leicht; traurig. „Ich weiß.“

 
 

oOo
 

 
 

Als Shikamaru erwachte, war es nicht länger zu Vogelgezwitscher…sondern zu lautem Bellen…

 

Was…zur Hölle…?

 

Der Schattenninja öffnete mit einem finsteren Blick die Augen, seine Sicht vor Müdigkeit getrübt, als er seinen Geist aus dem dichten, erschöpften Nebel eines traumlosen Schlafes zurückholte. Für einen kurzen Moment fragte er sich, ob sein Verstand ihn im Stich gelassen hatte und ihn müßig zwischen Schlaf und Bewusstsein schweben ließ. 

 

Ein weiteres lautes Kläffen explodierte hinter der Tür, gefolgt von Kibas Stimme. 

 

„Shikamaru!“

 

Geh weg…

 

Shikamaru blinzelte und spähte durch den dämmrig beleuchteten Raum. Die Vorhänge waren noch immer geschlossen und das Aroma von etwas, das wie Sandelholz roch, waberte in der kalten Luft. 

 

„He! Shikamaru!“

 

Die Miene des Nara verdüsterte sich noch mehr und seine schweren Augen glitten hinunter zu dem Spalt unterhalb der Tür, wo das einfallende Licht von Bewegungen auf der anderen Seite unterbrochen wurde. Er beobachtete die Veränderungen von Schatten und hörte das leichte Kratzen von Akamarus Pfoten, bevor der Hund scharf bellte. 

 

„Hey, Shikamaru!“, rief Kiba. „Steh schon auf!“

 

Auf keinen Fall. 

 

Shikamaru schnaubte, rollte sich auf die Seite und landete auf dem Boden – hart. 

 

Fuck…

 

Der ungraziöse Aufprall sorgte dafür, dass Akamaru aufhörte zu kläffen und stattdessen Shikamaru knurrte, als er mit dem Ellbogen die Laken von seinem Gesicht schob. Er starrte das Bett finster an, als hätte es sich irgendwie bewegt und ihn aktiv von sich gekippt. 

 

„Hey!“, schrie Kiba durch die Tür. „Ist bei dir alles okay?“

 

Mit einem Seufzen fuhr sich Shikamaru mit der Hand über das Gesicht und ließ sich auf den Rücken fallen, während er an die Zimmerdecke stierte. Zum ersten Mal bemerkte er, dass es sich dabei um ein engmaschiges Netz aus verknoteten Ranken handelte, das mit irgendeinem Öl bestrichen war, um Fäulnis zu verhindern.

 

Gästezimmer…Hanegakure…Strategie…Neji…

 

Shikamaru drehte den Kopf und runzelte die Stirn, bevor er durch das Zimmer zu dem benachbarten Bett spähte. Auch wenn er wusste, was er vorfinden würde, stemmte er sich auf die Ellbogen hoch und hob den Kopf, um die leere Matratze sehen zu können. Die Laken waren unberührt.

 

Dachte ich mir, dass er schon weg ist…Warum hat er mich nicht geweckt?

 

„Shikamaru!“, rief Kiba noch einmal und klang dabei leicht besorgt. 

 

Der Nara seufzte und seine Schultern sackten nach unten, als er zurück auf das Bett krabbelte, sich auf die andere Seite rollte und wieder auf die Füße kam. Mit ein paar schläfrigen Schritten überbrückte er die kurze Distanz zu der Tür. Er drehte den Knauf und öffnete sie einen Spalt breit, während er gleichzeitig einen Fuß davor schob, um Akamaru daran zu hindern, in das Zimmer zu schlüpfen.

 

Kiba warf ihm ein wildes Grinsen zu. „Na sieh mal einer an, du siehst aus wie Scheiße.“

 

„Danke.“ Shikamaru hob eine Braue und machte keine Anstalten, die Tür weiter zu öffnen. „Was gibt’s denn?“

 

Kiba legte den Kopf synchron mit seinem Köter schief. „Was meinst du mit ‚Was gibt’s denn‘? Zeit aufzustehen und zu gehen.“

 

„Wohin?“ Shikamaru blinzelte träge und überlegte sich, ob er die Tür einfach schließen und zurück ins Bett krabbeln sollte. Der Gedanke verging jedoch in dem Moment, als Naruto seinen Kopf grinsend über Kibas Schulter reckte. 

 

„Zum Aviarium, dem großen Vogelhaus!“, informierte der Uzumaki – laut. 

 

„Wir sind in einem gottverdammten Vogelhaus.“, knurrte Shikamaru und seine Aufmerksamkeit wurde von dem Gezwitscher angezogen, das er bisher erfolgreich ignoriert hatte.

 

„Warte, bis du es siehst.“, grinste Kiba. 

 

Interessiert mich einen Dreck…

 

Shikamaru gestatte dem Gedanken, sich deutlich auf seinem Gesicht abzuzeichnen. Doch ganz offensichtlich hatte es nicht den erwünschten Effekt auf Narutos Enthusiasmus oder Kibas Beharrlichkeit. Und so trat er mit einem langgezogenen Seufzen einen Schritt zurück; es war eine unausgesprochene Einladung, während er durch das Zimmer trottete, um seine Sandalen und Flakweste aufzusammeln. 

 

„Warum zur Hölle gehen wir zu diesem Aviarium?“

 

„Sakura ist dort.“, erklärte Naruto und marschierte in den Raum, die Hände an seinem Hinterkopf gefaltet. „Sie meinte es wäre eine Besichtigung wert, während Neji zusammen mit Kitori ein paar Führer für uns sucht.“

 

„Führer?“, fragte Shikamaru und spähte über die Schulter, als er sich seine Sandalen anzog. 

 

„Jo, die uns alles zeigen werden.“ Kiba nickte und lehnte sich mit einer Schulter gegen den Türrahmen. „So wie es aussieht, nimmt dieser Ozuku an irgendeiner Zeremonie in ihrem Tempel teil, also hat Neji einen Termin für morgen vereinbart, bei dem wir ihn treffen werden.“

 

Schon wieder einen Schritt voraus…

 

Shikamaru hob eine Braue. „Zeremonie?“

 

„Hat irgendwas mit Vögeln zu tun.“ Naruto zuckte mit den Achseln. „Ist doch ganz gut. Gibt uns etwas Zeit, uns zu entspannen, bevor es ernst wird.“

 

Shikamaru schlüpfte mit düsterer Miene in seine Flakweste. „Also hätte ich im Moment eigentlich immer noch schlafen können?“

 

„Huh?“ Naruto blinzelte und schielte auf das Bett. „Du hast für…sechs Stunden geschlafen, glaube ich.“

 

„Du sagst das, als wäre das alles, was ich brauche.“, murrte Shikamaru und folgte dem Uzumaki aus dem Gästezimmer, um hinter Kiba und Akamaru her zu trotten. 

 

Wehe, dieses Aviarium ist nicht gut…

 
 

oOo
 

 
 

Er war genauso bemerkenswert wie der Rest von Hanegakures Konstruktion. 

 

Neji starrte hinauf in die Herbstverfärbten Baumkronen und seine Augen wanderten über die hoch aufragende grüne Kuppel des Tempels, die beinahe die raschelnden Blätter berührte. Auf der Spitze der massiven Sphäre und geschnitzt aus einem riesigen Bernsteinblock, saß die beeindruckende Skulptur eines Vogels, der gerade dabei war, sich in die Lüfte zu erheben. Es war ein Testament für die Affinität, die die Tsubasa zu ihren geflügelten Begleitern zu haben schienen; besonders zum Herren der Himmel der Feuernation. 

 

Der Adler. 

 

„Kin-Washi.“, erklärte Kitori und folgte Nejis Blick hinauf zu der riesigen Statue. „Der Steinadler. Der Stolz unseres ganzen Clans.“

 

Neji summte leise und seine blassen Byakugan Augen zeichneten die komplizierten Schnitzereien der Flügel nach und musterten die beeindruckende Form des Schnabels und die Details der Federn. 

 

Ein Meisterwerk, ohne Zweifel. 

 

„Ihr habt sehr talentierte Leute in eurem Clan“, bemerkte Neji und ließ seinen Blick von dem Adler hinunter zur Basis der Tempelkuppel gleiten. 

 

Die Steintüren, die in das Heiligtum führten, waren geschlossen und zwei Shinobi waren davor stationiert; auf ihren Schultern saßen große Vögel. Aus dem Inneren konnte Neji nichts als Stille ausmachen und er deaktivierte sein Dōjutsu, denn er wollte nicht in die Zeremonie hinter den Türen eindringen. 

 

Kitori trat an seine Seite, ihr langes rotbraunes Haar war zu einem dicken Zopf gebunden und schwang in der Brise mit. „Genau wie ihr, Hyūga.“

 

„Was beinhaltet die Zeremonie?“ Nejji änderte absichtlich das Thema, denn er wollte nicht, dass sein Clan Gegenstand ihrer Unterhaltung wurde. 

 

„Hauptsächlich Gebete.“ Kitori zuckte mit den Achseln und ihre grauen Augen wanderten über die Kuppel. „Unsere Priesterinnen singen…manchmal kann man sie morgens hören. Meine Tochter hatte eine wunderschöne Stimme.“

 

Neji versteifte sich sichtbar, bevor er sie ansah. „Wenn ich es gewusst hätte…“

 

„Aber das hast du nicht.“ Kitori schüttelte den Kopf. „Du hast es nicht gewusst. Es ist nicht deine Schuld. Selbst ich weiß das…“

 

Neji konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob Kitori davon wusste, dass ihre Tochter schwanger gewesen war; der Gedanke verursachte einen Riss in seiner Maske und trieb eine Falte zwischen seine Brauen. Er wandte sich ihr voll zu. 

 

„Wir werden diese Rebellen aufhalten, Kitori. Ich kann dir deine Tochter nicht zurückbringen, aber ich werde tun, was auch immer nötig ist, um deinen Sohn aufzuhalten und seine Rebellion zu beenden.“

 

„Wir wissen das zu schätzen.“, erwiderte Kitori nickend, die Augen noch immer auf den Tempel gerichtet. „Ich werde für dich beten.“

 

Neji hob eine Braue. „Für mich beten?“

 

Kitori lächelte schwach und warf ihm einen Blick zu. „Warum, dachtest du, ich würde dich stattdessen verfluchen?“

 

Energisch schob Neji den unmittelbaren Gedanken an das Fluchsiegel beiseite, das in seine Stirn gebrannt war. 

 

Was bedeutet da schon ein weiterer Fluch?

 

Aufmerksam beobachtete er, wie sich Kitoris Finger um den geflügelten Anhänger legten, der an ihrem Hals hing; er war denen sehr ähnlich, die Neji an den meisten Tsubasa Shinobi gesehen hatte – das Emblem ihres Clans. 

 

„Wir sind, was wir sind. Das ändert sich nicht, Hyūga.“, sagte sie leise. „Der Pfad meiner Tochter war bereits zu ihren Füßen gelegt. Alles, was ich tun kann, ist, Kin-Washi meine Gebete tragen zu lassen und zu hoffen, dass sie im Tod ihre Freiheit findet.“

 

Diese Worte trafen Neji wie ein Grabgesang und zerrten an Saiten tief in seiner Brust. Er ignorierte die sofortige Wirkung und schüttelte heftig die Geister ab, die sie aufgewirbelt hatten. 

 

Nicht jetzt…

 

„Freiheit?“, presste Neji hervor. 

 

Kitoris Lippen kräuselten sich; es war ein bitteres Heben der Mundwinkel, das ihr Gesicht altern ließ. „Für was sonst sollten Vögel in einem Käfig beten?“

 

Nejis Augen verengten sich, während er ihr Profil musterte, verwirrt von der Inkongruenz dieser Frau. Sie sprach mit religiös anmutendem Vokabular von Gebeten und vorbestimmten Schicksalen, doch dann schien sie genau das mit dünn verschleierter Bitterkeit zu verspotten. Doch was ihn am meisten verstörte, war die Tatsache, dass er diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht wiedererkannte, ebenso wie die Galle in ihren Worten; als spiegelten sie etwas zurück zu ihm, nach dem er keinerlei Verlangen hegte, sich daran zu erinnern. 

 

Leise kichernd strich Kitori mit dem Daumen über den geflügelten Anhänger. „Ich schätze, ich bin eine sehr schlechte Gastgeberin. Komm, ich bring dich zurück.“

 

Sie beugte respektvoll den Kopf in Richtung des Tempels und machte dann scharf auf dem Absatz kehrt, um dem Weg zu folgen, den sie gekommen waren. Neji richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf die riesigen Tore, die in den Schrein führten und ignorierte die starrenden Blicke der Wachen, die direkt auf seinen Stirnschutz gerichtet waren. 

 

Der Hyūga ließ seine Augen noch einmal zu dem gigantischen Adler wandern, es war ein scheidender Blick, der plötzlich gefror. Er legte den Kopf schief und sein Fokus richtete sich auf die Obsidianplakette, die direkt unterhalb des Monuments angebracht war. 

 

Was ist das?

 

Neji legte den Kopf in den Nacken und die Adern an seinen Schläfen zuckten, bevor sein Byakugan zum Leben erwachte und er seine Sicht ausstreckte, um den Text lesen zu können, der in die Tafel geritzt war. 

 

Seine Augen weiteten sich.

 

Er kannte diese Worte.

 
 

oOo
 

 
 

„Woah!“, plärrte Naruto und hüpfte durch den Raum wie ein wahnsinniges Kind in einem Süßwarenladen. „Das ist unglaublich!“

 

„Das ist ein Vogel.“

 

„Er ist verfickt nochmal großartig!“

 

„Es ist ein großer, pinker Vogel.“

 

„Mensch, Shikamaru, du könntest zumindest ein bisschen mehr Interesse zeigen.“, sagte Sakura schnippisch von der anderen Seite des Veterinärraumes. 
 

Shikamaru bedachte die Kunoichi mit einem äußerst gelangweilten Blick. „Es ist ein massiver, magentafarbener Raptor?“

 

Sakura rollte mit den Augen und strich mit den Knöcheln über die Federn des exotisch aussehenden Vogels, um das Gefieder glatt zu streichen, das sich vor Verärgerung aufzuplustern schien, wann immer Shikamaru die Kreatur ansah. 

 

Jo, das ist korrekt…ich mag dich auch nicht…

 

Die Erinnerung daran, wie er Vogelfetzen von seiner Kleidung hatte kratzen müssen, wurde von dem farbenfrohen Gefieder nicht gerade abgemildert. Keine noch so große Menge extravaganter Federn würde in der Lage sein, dieseErinnerung in nächster Zeit auszulöschen. 

 

Shikamaru knickte die Hüfte ein und lehnte sich damit gegen eine Kiste, während er die Arme locker vor der Brust verschränkte. Er fragte sich, warum zur Hölle es nötig war, dass er sich hier in diesem Veterinärzimmer aufhielt, wenn er eigentlich im Bett sein könnte. 

 

Ugh…das ist so ein verdammtes Drama…

 

Ihr Weg zu der Voliere war rasch unterbrochen worden, als ein Tsubasa sie darüber informiert hatte, dass das Areal abgesperrt worden war; irgendetwas von wegen aufgeregter Vögel oder so. Shikamaru hatte dem Mann diese Geschichte zwar nicht abgekauft, doch im Grunde interessierte es ihn auch nicht, was der Ursache war, denn er war zu erleichtert gewesen, dass er stattdessen ein Schläfchen machen könnte.

 

Was aber auch nicht passiert war. 

 

Der Führer hatte sie hinüber zu dem medizinischen Komplex gebracht, der sich nur einen kurzen Fußweg von dem Aviarium entfernt befand und Sakura hatte sich bereit erklärt, bei der Untersuchung einiger kranker Vögel zu helfen. Die Kunoichi schien vollkommen in ihrem Element zu sein und hatte sich rasch mit einer der Tierärztinnen angefreundet, einer hageren, aquilinisch aussehenden Frau, die gerade ein Klemmbrett in der einen und einen Fütterungsstab in der anderen Hand hielt. Mit dem Stock schob sie die Medizin durch die Stäbe der riesigen Vogelkäfige, die in dem Raum aufgestellt waren. 

 

Shikamaru gähnte. 

 

Es ist wirklich nicht nötig, dass ich hier bin…

 

Ein lautes Quäken erklang und zog Shikamarus Aufmerksamkeit auf die Ursache des Lärms.

 

Naruto.

 

Der Uzumaki hüpfte auf der Stelle und stierte finster auf einen weißen Vogel, der auf seinem Kopf saß, an seinem Haar pickte und scharf an den sonnengelben Spitzen zerrte. 

 

„Na, hast du einen Freund gefunden?“ Kiba grinste vom Boden zu Naruto hinauf, während er Eier in einen kleinen Brutkasten sortierte. 

 

„Nimm ihn weg!“, schrie Naruto.

 

„Hör auf zu plärren.“, grummelte Shikamaru. 

 

„Ich habe versucht, ihm zu helfen und er hat mich einfach angegriffen!“

 

„Sie tun oft so, als hätten sie verletzte Flügel, um Räuber von ihrem Nest wegzulocken.“, erklärte die Tierärztin, Isuka und wandte sich Naruto zu, um dem Vogel vorsichtig ihre Finger als Sitzstange anzubieten. „Er wird dich nicht verletzen. Vielleicht pickt er dich aber kahl.“

 

Narutos Miene verdüsterte sich und er wich ein paar Schritte zurück, während er sich mit den Fingern durch sein Haar fuhr. „Gruselig.“

 

Warum. Bin. Ich. Hier…

 

Shikamaru seufzte und war gerade dabei, die Augen zu schließen, als Akamarus Rute gegen sein Bein peitschte und ihn dazu zwang, erneut die Lider zu heben. Träge beobachtete er, wie der Hund an ihm vorbei lief und auf einen der Käfige zutapste, während er winselte und schnüffelte. 

 

Was ist sein Problem?

 

Als er sich aus seiner lümmelnden Haltung aufrichtete, hob Shikamaru eine Braue und schritt hinüber zu einem der großen Käfige; seine Aufmerksamkeit wurde von zwei krankhaft aussehenden Vögeln angezogen. Shikamarus Augen weiteten sich. Der Großteil ihrer Federn war ausgerupft und hässliche Wunden übersäten ihre kahle Haut.

 

„Was zur Hölle?“, murmelte er.

 

„Vögel, die in Käfigen leben greifen sich manchmal auf solche Weisen selbst an.“, sagte Isuka und kam zu ihm herüber, um mit dem Klemmbrett leicht gegen die Stäbe zu klopfen. „Tatsächlich scheinen die meisten Käfigvögel dazu zu neigen, sich selbst die Federn auszupicken.“

 

Naruto kam ebenfalls zu ihnen herüber und linste über Shikamarus Schulter. „Warum?“

 

„Schwer zu sagen.“ Isuka seufzte. „Diese Art von autodestruktiver Störung gilt als eine der schwierigsten und herausforderndsten Zustände, die in unserer Praxis zu diagnostizieren und zu behandeln sind.“

 

„Nun, ständig eingesperrt zu sein muss ja auch irgendetwas mit deinem Kopf anstellen, oder nicht?“, murmelte Naruto und überraschte mit der möglichen Genauigkeit seiner Aussage. 

 

„Das ist ziemlich treffend.“, bestätigte Isuka und erhaschte damit noch etwas mehr von Shikamarus widerwilliger Aufmerksamkeit. „Die populärste Theorie ist, dass die Wurzel dieses Übels für gewöhnlich Stress ist, in Verbindung mit Gefangenschaft.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „In einem Käfig gefangen zu sein…“

 

Unbequeme Parallelen begannen sich in Shikamarus Geist zu bilden, als er die eingesperrten Tiere beobachtete, seine Augen starr auf die selbst zugefügten Verletzungen fixiert. 

 

Super, jetzt sehe ich dich schon in Vögeln, Hyūga…Fuck, ich habe echt den Verstand verloren…

 

„Ja.“ Isuka nickte. „Der Frust darüber, nicht frei zu sein, äußert sich in dieser Verhaltensweise.“

 

„Also warum verdammt nochmal behaltet ihr sie weiterhin in diesen Käfigen?“, fragte Naruto.

 

„Unglücklicherweise ist es angesichts dessen, was wir mit dieser Rasse erreichen wollen, unabdingbar, sie in einem kontrollierten Umfeld zu halten. Es ist notwendig.“

 

„Notwendig, huh?“, murmelte Shikamaru und die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. 

 

„Natürlich.“ Isuka sah ihn an. „Ansonsten würden wir das nicht tun. Schließlich sind Vögel nicht dafür geschaffen, in einem Käfig zu sein.“

 

Shikamarus Augen wurden etwas weicher, den Blick noch immer auf die Vögel gerichtet, doch sein Verstand verweilte anderswo. „Nein…das sind sie nicht.“

 

„Isuka-san?“, rief Sakura und durchbrach damit Shikamarus Starren. „Mit dem hier stimmt irgendetwas nicht, ich glaube, das Problem liegt möglicherweise im Brustkorb.“

 

Isuka lächelte freundlich und schritt zu der Kunoichi hinüber. „Lass mich mal sehen.“

 

Shikamaru nutzte die Gelegenheit und entfernte sich von dem Vogelkäfig und den miserabel aussehenden Kreaturen, die an diese Gefangenschaft gefesselt waren. Energisch versuchte er, seinen Fokus fort von dem verwirrenden Wirbel zu ziehen, der sich in seinem Kopf bewegte; besonders von der Erinnerung an die Hämatome auf Nejis Brust. 

 

Verdammt…

 

Er klammerte sich an was auch immer, um sich auf etwas anderes konzentrieren zu können und senkte den Blick zu dem Vogel, den Sakura vorsichtig auf dem Untersuchungstisch hielt. Isuka klopfte dem Tier in einem methodischen Muster auf die Brust, bei dessen Anblick sich die Brauen des Nara hoben. 

 

„Was machst du da?“

 

„EFT.“, erklärte Sakura und hielt den Vogel ruhig. 

 

Naruto quäkte los, bevor Shikamaru fragen konnte. „Was zum Teufel soll das sein?“

 

„Emotionale Freiheitstechnik.“, klarifizierte Isuka und spähte zu Sakura. „Du kennst es?“

 

„Ich weiß zumindest etwas darüber.“, berichtigte Sakura. „Ich weiß nicht, wie man es durchführt.“

 

„Eh…also was ist das denn jetzt?“ Naruto umrundete den Tisch und stierte auf den Vogel. 

 

Shikamaru runzelte schon wieder die Stirn. „EFT…warum klingt das so vertraut?“

 

Ich habe das schon einmal gehört…Mist…wann war das…

 

„Nun, ich bin überrascht, dass Ino es dir gegenüber nicht erwähnt hat.“, schnaubte Sakura und rollte mit den Augen. „Sie hat Neji ja förmlich gelöchert, es ihr für ihr Medizin Training beizubringen, bevor Tsunade es mich lehren konnte.“

 

Scharf zuckten Shikamarus Augen nach oben. „Neji?“

 

„Ja, die Hyūga sind diejenigen, die diese Technik entwickelt haben.“, informierte Sakura ihn weiter und strich über einen Flügel. „Während dein Clan die meisten medizinischen Inhaltsstoffe und Heilmittel bereitstellt, tragen die Hyūga nicht selten zur Linderung der Dinge bei, die wir nicht sehen können.“

 

Shikamaru spähte kurz auf den Vogel und dann wieder nach oben. „Würdest du mir das etwas näher erläutern?“

 

„Tsunade-sama sagt, dass EFT emotionale Ursachen und Energiestörungen im Körper anspricht.“ Sakura zuckte mit den Achseln. „Traditionelle Medizin konzentriert sich kaum auf solche Aspekte, weswegen der Einblick der Hyūgas in solchen Fällen sehr hilfreich ist.“

 

Shikamarus Augen verengten sich nachdenklich und aufmerksam beobachtete er das stetige Klopfen von Isukas Fingerspitzen gegen das Sternum des Vogels. Etwas seltsames begann sich in ihm zu regen; eine unbehagliche Ahnung.

 

Ich brauche mehr als das…

 

Es kam nicht oft vor, dass er es zuließ, dass sein Instinkt seine Logik außer Kraft setzte, doch jetzt im Moment war es anders. Da war etwas an dieser Technik, die Isuka nutzte, das ihm sofort das Bild dieser Male auf Nejis Brust in Erinnerung rief. 

 

Interpretiere ich zu viel hinein?

 

„Also nutzt ihr diese Technik, um emotionalen Problemen entgegenzuwirken?“, fragte er und klang dabei ein wenig skeptisch. 

 

„Ja.“ Isuka nickte. „Genau wie Menschen, können auch Tiere emotionale Probleme haben, die sich in gestörten Verhaltensweisen oder Gesundheitsprobleme bemerkbar machen; besonders die, die durch traumatische Erlebnisse ausgelöst wurden.“

 

Traumatische Erlebnisse…

 

Die Falten in Shikamarus Stirn vertieften sich und er wurde sehr still, was es Kiba erlaubte, von der anderen Seite des Raumes an dem Gespräch teilzuhaben.

 

„Das stimmt.“, sagte der Inuzuka und kraulte Akamarus Kopf. „Ich habe schon ziemlich üble Dinge bei unseren Clanhunden gesehen. Ihr akupunktiert die Vögel also deswegen?“

 

Isuka lachte auf. „Das ist wirklich ein ziemlich treffender Vergleich. Ich denke, man könnte das, auf was ich hier klopfe durchaus ‚Akupressur Punkte‘ nennen, durch die bestimmte Bereiche im Körper stimuliert werden.“

 

Sofort spürte Shikamaru einen furchtbaren, eisigen Knoten in seiner Magengegend, der es ihm für einen Moment sehr schwer machte, klar zu denken. „Ich schätze mal, man könnte sie genauso gut Tenketsu oder Chakrapunkte nennen, oder?“

 

Sakura sah auf, die Stirn gerunzelt. 

 

Doch Shikamaru wich ihrem Blick aus.

 

„Chakrapunkte? Absolut!“ Isuka nickte. „Ich verstehe sehr gut, warum die Hyūga so gut in dieser Technik sind. Indem sie die Sanfte Faust und das Byakugan nutzen, können sie die Chakrapunkte mit Leichtigkeit lokalisieren und mit den Fingern darauf klopfen, um emotionale oder psychische Spannungen zu lösen.“

 

„Und könnte es auch genutzt werden, um Emotionen aufzuhalten oder komplett zu unterdrücken?“, fragte Shikamaru.

 

Isuka bedachte ihn mit einem seltsamen Blick, als hätte er soeben etwas bemerkenswert Dummes gesagt – oder Gefährliches.

 

„Nun…in der Theorie…ja, wenn man so weit geht, diese Punkte zu verschließen.“ Die Frau pausierte und runzelte die Stirn. „Aber das wäre sehr schädlich. Die Technik ist dazu gedacht, Druck oder Schmerz zu lokalisieren, um ihn zu lösen, ihn loszulassen, anstatt ihn zu blockieren.“

 

„Und wenn man es nun wirklich tut? Was, wenn man diese Punkte versiegelt?“, drängte Shikamaru weiter und fühlte, wie sich der eisige Knoten in ihm noch weiter verkrampfte. 

 

„Das würde eine ganze Reihe weiterer Gesundheitsschäden nach sich ziehen.“

 

„Wie Blutgerinnsel.“, murmelte Shikamaru, ohne sich bewusst zu sein, dass er es laut ausgesprochen hatte. Doch er erholte sich rasch mit einem trägen Heben seiner Augenbrauen, als er aufsah. „In der Theorie…“

 

„Ja.“ Isuka nickte. „In extremen Fällen.“

 

„Extrem?“, echote Sakura und spähte zu Shikamaru.

 

„Nun, das äußerste Ende wäre der Tod.“ Isuka zuckte mit den Achseln und fuhr weiter fort, über die Chakrapunkte des Vogels zu klopfen, vollkommen unwissend von Shikamarus glasigem Blick. „Aber das würde niemals passieren. Niemand, der bei gesundem Verstand ist, würde willentlich diese Tenketsu blockieren.“

 

Shikamaru senkte den Blick zu dem Vogel und stierte einen Moment vor sich hin, bevor er sich räusperte. „Richtig.“

 

„Shikamaru…“, begann Sakura sanft und in ihrer Stimme schwangen Fragen mit, die sie nicht vor Kiba und Naruto stellen konnte. 

 

Shikamaru sah kurz zu ihr hinüber und schüttelte auf subtile Weise den Kopf. Doch sie zog sich nicht zurück, sondern starrte nur dickköpfig zurück. Shikamarus Augen verengten sich mit einer Warnung, die immer deutlicher wurde mit jeder Sekunde, die verstrich. 

 

Verdammt, mach das nicht noch schwerer für mich…

 

Doch bevor die Spannung für irgendjemanden sonst bemerkbar werden konnte, fügte sich Sakura und sah mit einem Nicken wieder hinunter zu dem gefiederten Tier. Diese Auseinandersetzung war jedoch noch nicht entschieden und Shikamaru konnte es ihr nicht verübeln. Allerdings würde er ebenso wenig nachgeben; nicht dass er das vermutlich tun müsste. Sie wusste bereits viel zu viel. 

 

Scheiße…

 

Shikamaru wandte den Blick ab, schob seine Hände in die Taschen seiner Hose und machte mit einem trägen Schwung kehrt, um in Richtung der Tür zu trotten. „Ich geh mal spazieren.“

 

Naruto blinzelte. „He! Aber…“

 

„Lass es gut sein, Naruto.“, sagte Sakura leise, aber ernst. 

 

Shikamaru wartete nicht darauf, was die Antwort des Uzumaki darauf war. 

 

Mit einem leisen Klacken ließ er die Tür hinter sich ins Schloss fallen. 

 
 

xXx
 

 
 

Er hatte keine Ahnung, wie lange er auf den miteinander verbotenen Holzpfaden unterwegs war.

 

Es konnten Stunden gewesen sein. 

 

Mit einem ziellosen Trotten folgte er den sich kreuzenden Brücken ausgehöhlter Äste; für jeden Außenstehenden musste es aussehen, als wäre es ein entspannter und gemächlicher Gang. 

 

Doch in seinem Inneren fühlte er sich, als würde er rennen, rasen…doch er konnte nicht weit genug davor weg laufen. 

 

Shikamaru seufzte und hielt an, als seine Füße auf eine vertraute Schwelle trafen. Langsam hob er den Blick und musterte das eingerissene Schild, das an dem Gästehaus hing. 

 

DAS KRÄHENNEST

 

Aus irgendeinem Grund hatte ihn ein unterbewusster Kompass hierher zurück geführt. 

 

Super…

 

Seine Füße hatten ihn genau an den Ort getragen, den er hatte vermeiden wollen. 

 

Da er wusste, dass es unumgänglich war, unterdrückte der Nara den Drang, sich umzudrehen und in die entgegengesetzte Richtung zu marschieren und schlüpfte stattdessen in das Gebäude. Langsam durchquerte er das große Atrium des Gästehauses; es war ein großes Foyer, das von einem großen Baum dominiert wurde, der durch den Boden wuchs und oben durch die Decke brach. Kleine Kerzen standen in kleinen Höhlen, die in den Stamm geschlagen worden waren und erschufen eine friedliche Atmosphäre, die es jedoch nicht schaffte, Shikamarus Anspannung zu lösen, als er die spiralförmige Treppe erklomm. 

 

Er hielt die Augen stur auf den Boden gerichtet, während er die Zimmerreihe entlang schritt, bis er zu dem kam, das er sich mit Neji teilte. Ohne sich die Mühe zu machen, seine Anwesenheit bemerkbar zu machen, drehte er den Knauf und schob die Tür mit der Schulter auf; noch bevor er den Raum vollständig betreten hatte, erstarrte er. 

 

Blasse Iriden zuckten durch das Zimmer und trafen auf seine weiten und dunklen Augen. 

 

Shikamaru schwebte in einem albernen Halbschritt, den Blick starr auf Neji fixiert. 

 

„Neji…was zur Hölle machst du da?“

 

Der Hyūga stand auf der Kante eines Schreibtisches, balancierte auf dem Ballen seines rechten Fußes und hatte das linke Bein weit von sich gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten – das sich gerade prekär zugunsten des Bodens neigte. Am Ende seines langen Beines saß ein großer Vogel, die Klauen hart um Nejis Knöchel gekrallt. 

 

„Er ist einfach hier rein geflogen…“, erklärte Neji, die Stimme angespannt vor empörter Verlegenheit. 

 

Shikamaru spürte, wie sich ein flatterndes Gefühl in seiner Brust ausbreitete und seine Gesichtszüge begannen zu zucken, als er sich bemühte, ein Lachen zu unterdrücken. „Klar.“

 

„Ich habe versucht, ihn wieder nach draußen zu bringen…“

 

„Klar.“

 

Neji stierte auf sein Bein. „Ich kriege ihn nicht runter.“

 

„Dann schüttle doch einfach dein Bein.“

 

„Ich kann nicht.“

 

„Weil du dann auf deinem Hintern landen würdest.“ Shikamaru feixte und schloss vorsichtig die Tür hinter sich, um nicht den Vogel zu stören, der an Nejis Sandale herum pickte. 

 

Obwohl Shikamaru wusste, dass Neji das Gegenteil behaupten würde, war sich Shikamaru sicher, dass es weniger etwas damit zu tun hatte, die Balance zu verlieren, sondern viel mehr damit, dass der Hyūga das Tier nicht verschrecken wollte. 

 

Eine Schwäche für Vögel…Verstehe…

 

„Du wurdest von einem Vogel besiegt…das ist ziemlich tragisch, Hyūga.“

 

Neji warf ihm einen finsteren Blick zu. „Halt die Klappe. Da ist noch ein anderer.“

 

Shikamaru hielt inne und hob eine Braue. „Wo?“

 

Wie auf ein Stichwort ertönte ein Kreischen hinter Nejis Kopf. Shikamaru trat einen Schritt nach rechts und erhaschte einen Blick auf lange Schwanzfedern, die kurz wie eine Krone über Nejis Kopf auftauchten. 

 

Auf keinen Fall…

 

„Er ist in deinen Haaren…“

 

„Sehr gut beobachtet, Nara.“, knurrte der Hyūga. „Nimm. Ihn. Weg.“

 

Shikamaru legte sich einen Arm über die Brust und lehnte sich lässig gegen die Wand, während er sich eine Faust gegen den Mund drückte. 

 

Neji bedachte ihn mit einem mörderischen Blick. „Das ist nicht witzig.“

 

„Ich lache doch gar nicht.“
 

„Du bist ein lügender Bastard, Shikamaru.“

 

Hart presste Shikamaru die Lippen aufeinander und schlug leicht mit der Faust dagegen, bevor er sich von der Wand abstieß und zu Neji hinüber trottete. „Ich will das nicht wirklich zu meinem Problem machen.“

 

„Mir egal, schmeiß sie einfach nur raus.“

 

„Im Ernst Hyūga, dann schüttle sie doch einfach ab.“

 

„Ich kann nicht.“

 

Beim Schreibtisch angekommen hielt Shikamaru inne und sah zu Neji hinauf. „Was zur Hölle meinst du damit, du kannst es nicht?“

 

Nejis Augen blitzten auf. „Was zur Hölle glaubst du eigentlich, wie sie sich an mir festhalten? Mit Klebeband, oder was?“

 

Shikamaru gab sich alle Mühe, nicht zu schmunzeln, seine Stimme war träge wie immer. „Haben sie dich zum Bluten gebracht?“

 

„Ich bring gleich dich zum Bluten!“

 

„Beruhig dich.“ Shikamaru grinste und stellte sich auf den Stuhl neben dem Schreibtisch.

 

Neji schwankte erneut und sein Blick verfinsterte sich noch mehr. Langsam lehnte sich Shikamaru nach vorn und lokalisierte den Vogel, der es irgendwie geschafft hatte, sich tief in der dunklen Haarmähne des Hyūga zu vergraben. Und seltsamerweise ignorierte das Tier den Nara komplett. 

 

Komisch…

 

Zaghaft fuhr Shikamaru mit seinen langen Finger zwischen die Mokkasträhnen und schob die dichte Haarmasse beiseite; seine Augen weiteten sich leicht. 

 

„Scheiße.“

 

„Exakt.“, fauchte Neji. „Nimm ihn weg.“

 

„Halt still.“ Stirnrunzelnd fiel jedwede Belustigung von Shikamaru ab, als er den Verschluss der Klauen an Nejis Nacken bemerkte, die ungewöhnlich langen Krallen gruben sich tief in die Haut. 

 

Was zur Hölle?

 

„Heute noch wäre nett, Shikamaru.“

 

„Halt für eine Minute den Mund, ja?“, grollte der Schattenninja und streckte eine Hand nach dem Vogel aus. 

 

Da er instinktiv den Käfig aus Fingern wahrnahm, begann das Tief heftig mit den Flügeln zu schlagen, ließ aber nicht von Neji ab und seine Klauen sanken sogar noch ein wenig tiefer. Als dann auch noch dünne Rinnsale aus Blut begannen, über den Nacken des Hyūga zu laufen, schloss Shikamaru rasch seinen Griff um die flatternden Schwingen, was den Vogel dazu brachte, sich zu drehen und hart in den Daumen des Nara zu picken. 

 

Scheiße, er lässt einfach nicht los…!

 

Zischend warf Neji seine Sorge um den Vogel, der auf seinem Bein saß, über Bord, um auf den zu reagieren, der sich in seinen Nacken krallte. Der Hyūga stellte seinen Fuß auf dem Schreibtisch ab; das gefiederte Tier an seinem Knöchel flog mit einem aufgeschreckten Kreischen auf. Und in dem Augenblick, in dem er das tat, löste der Vogel an seinem Nacken die Krallen aus seinem Fleisch und kämpfte heftig gegen Shikamarus Hände an, bis der Nara ihn frei ließ. 

 

„Was zur Hölle!“, knurrte Shikamaru und beobachtete die beiden Vögel dabei, wie sie wilde Kreise in dem Zimmer zogen, bevor sie mit koordinierten Flügelschlägeln auf das Fenster zusteuerten und mit schrillen Schreien ins Freie schossen. 

 

Was war das gerade, verdammt nochmal?

 

Shikamarus Blick zuckte zurück zu Neji, als der Hyūga gerade von dem Tisch sprang und mit den Fingern über seinen Nacken strich. „Das war unangenehm.“

 

„Unangenehm? Eher unnatürlich.“

 

Shikamaru trat von dem Stuhl hinunter und legte eine Hand auf Nejis Schulter, um erneut das dunkle Haar beiseite zu schieben. Seine Augen studierten beunruhigt die frischen Wunden an Nejis Genick. 

 

„Was zur Hölle hat es hier nur mit diesen Vögeln auf sich?“ Der Nara legte die Stirn in Falten und wischte das Blut mit einem Daumen fort; viel zu besorgt, um zu bemerken, dass Neji ihn gar nicht von sich schob, wie es der Hyūga normalerweise getan hätte. 

 

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich es wissen will.“, murmelte Neji kopfschüttelnd, bevor er sich umdrehte und Shikamaru so dazu zwang einen Schritt zurück zu treten und ihn loszulassen. „Du solltest doch eigentlich schlafen.“

 

Shikamaru hob eine Braue, unsicher, wie er darauf reagieren sollte, dass sich die Aufmerksamkeit so plötzlich von Neji auf ihn selbst richtete. „Ja also, wie es scheint ist es harte Arbeit, ein Nickerchen zu machen.“

 

„Dann musst du wohl noch härter arbeiten.“ Neji schmunzelte leicht, der Ausdruck erschien so fremd auf seinem Gesicht, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass er den Hyūga vermutlich gerade anstarrte. „Du musst dich ausruhen, Nara.“

 

Shikamaru wandte den Blick ab und ließ ihn durch den Raum schweifen. „Genau wie du. Wann war das letzte Mal, dass du geschlafen hast?“

 

„Ich musste ein paar Vorbereitungen treffen.“

 

„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“, erwiderte Shikamaru und richtete seine dunklen Augen erneut auf den Jōnin. 

 

Neji zuckte mit den Achseln. „Ich werde schlafen, wenn ich tot bin.“

 

Shikamarus Gesichtszüge verwandelten sich in Stein, als er diese Worte hörte; schon wieder krallte sich diese Kälte in sein Inneres. 

 

Neji legte den Kopf schief, seine Lippen immer noch leicht gebogen. „Das sollte ein Scherz sein.“

 

„Ich weiß.“

 

„Ah und genau deswegen mache ich nie Witze.“

 

Shikamaru blinzelte langsam und schüttelte den Kopf. „Nein…das ist es nicht…“

 

Das kaum sichtbare Schmunzeln fiel von Nejis Gesicht. „Was ist los?“

 

„Nichts. Ich bin nur…“

 

„Müde.“

 

Shikamaru schluckte schwer. „Ja…“

 

Er beobachtete, wie Neji sein Gesicht musterte; diese blassen Augen suchten aufmerksam nach Rissen in seiner Miene. Inständig hoffte Shikamaru, sich noch rechtzeitig gefangen zu haben und nur um wirklich sicher zu gehen, schloss er die Lider erneut zu einem trägen Halbmast Blick. 

 

„Bist du dann fertig damit, mich zu begutachten, Hyūga?“

 

Neji legte den Kopf auf die andere Seite und tat etwas, das Shikamaru härter traf und mehr Schaden verursachte, als es jede bissige Erwiderung oder finstere Blick jemals könnte…er lächelte. 

 

Der verkrampfte Knoten in Shikamarus Innerem wurde noch kälter…

 

 

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Ui ein Kapitel voller Allegorie, ich muss ja sagen, ich liebe sowas :D Wie geht es euch dabei? 

Ich hoffe sehr, dass euch das neue Kapitel gefallen hat, über ein paar Worte würde ich mich wieder sehr sehr freuen! <3

Danke wie immer an meine treuen Reviewerinnen :) 

Can't save someone who doesn't want to be helped

Der frühe Abend stahl das Feuer aus den Blättern der Bäume und verwandelte die herbstlichen Farbtöne des Dorfes in ein weiches milchiges Blau. Und gemeinsam mit dem sich verändernden Licht, wandelte sich auch Hanegakures Lied. Vögel ließen sich in den Baumkronen nieder und ihre Melodien entschwanden, um dem Wispern des Blätterdaches zu weichen; es war ein endloses Rascheln. 

 

Neji schloss die Lider und spürte das kühle Streichen einer Brise gegen sein Gesicht, die seine dunklen Strähnen zum Schwingen brachte. Er stand auf dem kleinen Balkon, der sich an das Gästezimmer anschloss; seine Handflächen ruhten auf der niedrigen Balustrade, die aus einem gebogenen Ast geformt war. 

 

Atme…

 

Er nahm einen langsamen und beständigen Atemzug durch die Nase und hielt ihn, bis er bis fünf gezählt hatte, bevor er ihn entließ und die verbrauchte Luft davon schweben ließ. Der Schmerz in seiner Brust ließ ein wenig nach. 

 

Das wird vorbei gehen.

 

Ein sanftes Kitzeln strich über seine Wange und brachte ihn dazu, die Augen zu öffnen. 

 

Sein Blick richtete sich auf das luftig leichte Driften von Federn, es war ein sanfter Tanz von Daunen, die sich in einer unsichtbaren Strömung drehten und schwankten. Neji beobachtete das Wirbeln einer weißen Feder und folgte ihrem langsamen Abstieg, bis sie sich schaukelnd auf den Rand des Balkons herab senkte.

 

Für einen Moment starrte er sie an…

 

Dann streckte er seine Hand danach aus…

 

Bevor er sie erreichen konnte, schwebte sie davon – getragen von einer sanften Brise.

 

Stirnrunzelnd sah Neji zu, wie sie fort segelte. 

 

„Gott verdammt…“ Shikamarus mürrisches Grummeln erscholl aus dem Zimmer. 

 

Neji blinzelte und stierte auf seine Finger, während er seine Stimme hob, um sie zurück in den Raum tragen zu lassen. „Was ist denn los?“

 

„Eier…“

 

Noch einmal blinzelte Neji, bevor er über die Schulter spähte. „Was?“

 

„Sie sind gekocht…das ist noch ätzender…“

 

„Wovon redest du?“

 

Neji schlüpfte zurück in das Gästezimmer und sah durch den kerzenbeleuchteten Raum dorthin, wo Shikamaru auf dem Boden vor dem niedrigen Tisch saß. Vollkommen unbeeindruckt stierte der Nara auf das Essen, das ihm gebracht worden war. 

 

„Eier.“, wiederholte Shikamaru mit flacher Stimme. 

 

Neji wusste es besser, als seiner Belustigung freien Lauf zu lassen und schritt stattdessen zu dem Tisch. Anmutig faltete er die Beine und ließ sich dem Schattenninja gegenüber auf den Knien nieder. 

 

„Und sehr seltsam, dass sie das überhaupt anbieten.“, sagte der Hyūga. „Wenn man ihre Affinität zu Vögeln bedenkt…“

 

„Scheiß auf die Vögel…habe ich erwähnt, dass ich Eier hasse?“

 

„Als ob du das müsstest.“

 

Verständnislos starrte Shikamaru auf die gekochten Eier, stupste eines davon mit seinen Essstäbchen an und sah zu, wie es über den emaillierten Teller rollte. „Ugh…“

 

Neji schüttelte den Kopf und schmunzelte leicht. „Naja, das ist nicht alles, was es zu essen gibt.“

 

Shikamaru hob den Blick und hielt seine flache Miene bei, als er mit den Essstäbchen in eine körnig aussehenden Substanz stocherte. „Und was zur Hölle soll das sein? Vogelfutter?“

 

„Also entweder hast du irgendjemanden beleidigt, oder das ist einfach ihre Ernährung.“

 

„Kein Wunder, dass alle Frauen hier so aussehen, als müssten sie dringend mal was essen.“, bemerkte Shikamaru gedehnt und legte seine Stäbchen beiseite. „Ino würde es hier lieben. Ich will gar nicht wissen, wie Chōji das aushält.“

 

Nejis Lippen kräuselten sich, als er nach einer der Teetassen griff. „Wir haben alle schon vorher gegessen, als du geschlafen hast. Es war ein Fünf-Gänge-Menü; wirklich eine Schande, dass du es verpasst hast.“

 

Sofort hörte Shikamaru auf, die Körner finster anzustarren und eine Augenbraue schnellte nach oben. „Was?“

 

„Ich habe versucht, dich zu wecken.“ Neji nippte an seinem Tee und musterte Shikamaru durch den Dampf. „Nach dem dritten Versuch habe ich aufgegeben.“

 

„Du machst Witze…“

 

„Diesmal nicht.“

 

Schmunzelnd beobachtete er, wie Shikamaru die Stäbchen zurück in das Müsli rammte. „Denkst du, sie bemerken es, wenn einer ihrer Vögel verschwindet?“

 

Ein atemloses leises Lachen fiel von Nejis Lippen, das Geräusch entwich ihm, bevor er es aufhalten konnte. „Ich würde es nicht riskieren.“

 

„Hatte ich eigentlich auch nicht vor, war nur ein Gedanke.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und sah ihn durch halb geschlossene Augen an. „Am Ende würde ich mir noch Salmonellen einfangen.“

 

„Gibt es eigentlich irgendwelche Tierarten, von denen du dich nicht gestört fühlst?“

 

„Die, die mich nicht angreifen, auf mich kacken oder mich wecken.“

 

„Wie zum Beispiel?“

 

„Hirsche.“

 

Neji grinste. „Natürlich.“

 

Das Essen gekonnt ignorierend, griff Shikamaru nach einer Teetasse und goss sich etwas von dem dampfenden Gebräu ein. Als der heiße Nebel wirbelnd aufstieg, nahm sich Neji einen Moment Zeit, den Nara bei Kerzenlicht zu mustern, eingehüllt in die Schatten, in denen sich der Chūnin so wohl fühlte. 

 

Die Schatten hingen an ihm, als hätten sie ihren Meister auf Anhieb erkannt; schwollen an und schrumpften zusammen mit jedem Flackern der Flammen und kreierten auf diese Art scharfe Kanten auf dem Kiefer des Nara und den Konturen seines Gesichtes. Das schwächste Aufblitzen von Licht zog Nejis Blick nach oben zu dem scharfen Pferdeschwanz, in dem immer noch kleine Tropfen hingen, weil der Schattenninja vorhin geduscht hatte. 

 

„Was?“, fragte Shikamaru plötzlich und sofort zuckten Nejis Augen wieder nach unten. 

 

Der Nara observierte ihn mit täuschend trägem Blick über den Rand seiner Tasse hinweg, die er sich an die Lippen hielt. Das Spiel des Dampfes wirbelte auf wie Rauch – und brachte Neji augenblicklich den Geschmack in den Sinn, den er an diesem Morgen von Shikamaru gestohlen hatte. 

 

Hör auf…

 

In dem Versuch, seine Verärgerung darüber zu kaschieren, dass er beim Starren erwischt worden war, schüttelte Neji den Kopf und wandte den Blick ab. 

 

„Nichts, ich habe nur über das Treffen morgen nachgedacht.“, log Neji, wohl wissend, dass Shikamaru ihn durchschaute; doch ebenso wusste er, dass der Schattenninja ihn nicht darauf ansprechen würde. 

 

„Jo…das nervt.“

 

„Wie enthusiastisch von dir.“, schnaubte Neji und strich, nach Ablenkung suchend, mit dem Daumen über die heiße Keramik.

 

Achselzuckend stierte Shikamaru in seinen Tee. „Ich will einfach nur, dass das alles erledigt ist…je schneller wir deren Chaos aufräumen, desto schneller können wir wieder nach Hause.“

 

Neji legte den Kopf schräg; diese Worte schienen von etwas anderem in der Stimme des Nara beschattet zu werden, es war kaum wahrnehmbar. Wie der geringste Ausschlag auf einer Richterskala, bevor sie sich wieder in ihren gleichmäßigen Rhythmus einfand. 

 

„Begierig auf die nächste Mission, Nara?“, neckte Neji ihn und setzte seine Tasse mit einem leisen Klacken ab. 

 

„Sicher…“, schnaubte Shikamaru und legte einen Arm auf seinem aufgestellten Knie ab. „Ist ja schließlich nicht so, dass sie mir eine gottverdammte Pause gönnen würde, oder?“

 

„Tsunade-sama?“

 

„Such es dir aus. Sie, Mum, Ino. Ständig hab ich irgendwelche Frauen im Nacken sitzen, die mir – Fuck…“ Shikamarus Stimme brach ab und seine Augen weiteten sich, bevor er sich nach vorn beugte und stöhnend sein Gesicht in der Handfläche vergrub.

 

„Was ist los?“ Neji war sich gerade nicht sicher, ob er amüsiert oder besorgt sein sollte. 

 

„Ino…“

 

„Ino?“

 

„Ihr Geburtstag…Scheiße…“

 

Neji starrte ihn ausdruckslos an. „Was ist damit?“

 

„Der ist bald.“, erklärte Shikamaru und atmete mit einem belästigten Geräusch aus, das zwischen seinen Fingern hindurch pfiff. „Und sie wird irgendein Geschenk wollen.“

 

„Warum sollte sie etwas von dir geschenkt bekommen wollen?“

 

Shikamaru hielt inne und spreizte die Finger weit genug, um durch sie hindurch spähen zu können; er hob eine Braue. „Willst du mich verarschen?“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Ich wusste nicht, dass das etwas Obligatorisches ist.“

 

„Du kaufst nicht irgendeinen Mist für Tenten?“

 

„Nein, Lee besorgt irgendetwas Erfreuliches und ich unterschreibe auf einer Karte.“

 

„Wirklich nett, Hyūga.“

 

„Und natürlich leiste ich auch meinen finanziellen Beitrag zu allem, was er kauft.“, fügte Neji mit einem Lächeln hinzu, während er den Kopf schüttelte. „Ich bin kein Idiot. Aber ich hätte auch keine Ahnung, wo ich bei so einer Geschenksuche anfangen sollte.“

 

„Ja also, ich habe so eine Art Rückendeckung leider nicht. Chōji wird vermutlich einfach nur ein Essen vorschlagen…und Ino ist dann doch etwas materialistischer als das.“

 

„Ich verstehe…“ Neji gab sich Mühe, nicht den Humor in Shikamarus Dilemma zu sehen. „Blumen sind dann wohl auch keine Option…“

 

„Sie arbeitet in einem verdammten Blumenladen, Hyūga.“ Shikamaru rieb sich über sein Nasenbein. „Ugh…wahrscheinlich hat sie das alles schon komplett durchgeplant…sie wird mich wieder zu irgendeinem lästigen Gemeinschaftsding zwingen…ich bin geliefert…“

 

„Lästiges Gemeinschaftsding?“, echote Neji und bemerkte instinktiv, wie seltsam diese Worte aus seinem Mund klangen. Sie schienen den Schattenninja jedoch zu amüsieren, zumindest nach dem schwachen Kichern des Nara zu urteilen.

 

„Jo…“ Shikamaru hielt seinen Zeigefinger in einer Art ironischer Resignation nach oben. „Ein Tag Unterschied ist ein himmelweiter Unterschied.“

 

Was?

 

„Shikamaru…“ Blinzelnd neigte Neji den Kopf zur Seite. „Ich habe absolut keine Ahnung, wovon du gerade redest…“

 

„Ist wahrscheinlich auch das Beste.“ Shikamaru grinste schief. „Ich gebe selber nicht viel auf so einen Mist wie Geburtstage.“

 

Neji runzelte die Stirn, vollkommen verloren in dem Moment, bevor sich all die Teile an ihren Platz begaben. 

 

Gemeinschaftsding…ein Tag Unterschied…

 

Die Augen des Hyūgas begannen vor Erkenntnis zu leuchten. „Dein Geburtstag…?“

 

Shikamaru klatschte sarkastisch in die Hände und Neji rollte angesichts des spöttischen Applauses die Augen. „Sehr gut gemacht, Hyūga. Das war schnell.“

 

Den Schimmer von Schalk in Shikamarus Augen ignorierend – was auch einfach nur eine Reflexion des Kerzenlichtes sein könnte – verlagerte Neji sein Gewicht und setzte sich auf eine weniger formelle Weise hin; er würde es sich selbst jedoch nicht gestatten, seine neue Haltung als ‚entspannt‘ zu betrachten. 

 

„Also, wäre es denn eine so schlimme Sache, ihr in dieser Angelegenheit nachzugeben?“, fragte Neji. 

 

Shikamaru warf ihm einen müden Blick zu. „Du warst das letzte Mal nicht dabei.“

 

„Nein. Was ist passiert?“

 

„Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe das meiste verschlafen.“

 

Neji lächelte und fand sich nicht in der Lage, ein leises Lachen zu unterdrücken. „Wie vorhersehbar.“

 

„Ja, das sind solche Situationen auch meistens…deswegen verabschiede ich mich ziemlich schnell…oh und übrigens…“ Shikamaru griff nach seiner Teetasse und ließ sie träge von seinen Fingern hängen, als er sie auf eine Weise hob, die aussah, als würde der Nara ihm zuprosten. „Alles Gute nachträglich zu deinem Geburtstag.“

 

Das Lächeln fiel von Nejis Gesicht. 

 

Woher weiß er das?

 

Sofort legte sich eine neutrale Maske über die Züge des Hyūga. 

 

Fragend brummte Shikamaru und spähte über seine erhobene Hand. „Vor zwei Monaten, oder?“

 

Schweigend starrte Neji ihn für einen Moment an, bevor er eine Hand zu seiner eigenen Tasse wandern ließ; seine Stimme hielt er so ruhig wie möglich. „Woher weißt du es?“

 

„Hör auf, so paranoid zu sein.“ Shikamaru rollte mit den Augen. „Entspann dich und stoß endlich an.“

 

„Ich bin nicht paranoid. Es ist nur eine Information, die nicht allgemein bekannt ist.“

 

Erst, als Shikamaru eine Braue hob, realisierte Neji, wie lächerlich er sich gerade angehört haben musste. Der Hyūga wusste, dass es der üblichen sozialen Norm entsprach, dass man unter Freunden und Kameraden die Geburtstage der jeweils anderen kannte, sie im Kalender markierte und sich gratulierte; er wusste auch, dass diese Anlässe für gewöhnlich von Feiern und Schenken geprägt waren. Doch Nejis Vorstellung von markierten Geburtstagen trug stets eine wortwörtliche Bedeutung mit sich, die einen bitteren Nachgeschmack hinterließ, den keine noch so große Menge Kuchen oder guter Wünsche würde kurieren können.

 

Denk jetzt nicht daran…

 

Neji schloss die Augen und schüttelte seine düsteren Gedanken mit einem schwachen Lächeln ab, das Shikamaru von der Spannung in seiner Stimme ablenken sollte. „Ich bin gerührt.“

 

Angestrengt versuchte er, den verschleierten Blick zu ignorieren, mit dem Shikamaru ihn bedachte – der durch das Spiel der Schatten in diesen dunklen Augen umso intensiver wurde. Und gerade als er dachte, der Nara würde ihn dazu zwingen, eine erneute Verteidigung aufzurichten, grinste Shikamaru und löste die Intensität aus seinem Blick. 

 

„Das sollte eigentlich Sake sein.“ Der Schattenninja zuckte mit den Achseln und lehnte sich nach vorn, um sein Handgelenk zu drehen. „Wie gut für dich, dass es das nicht ist.“

 

„Oh?“ Eine von Nejis fein geschwungenen Augenbrauen wanderte nach oben und er hob seine Tasse in ähnlicher Manier, um ihre Getränke aneinander zu stoßen. Deutlich spürte er, wie sich ihre Finger versehentlich dabei berührten – energisch ignorierte er das nachhallende Gefühl.

 

„Wir wissen beide, wie gut du Alkohol verträgst, Hyūga.“, grinste Shikamaru und toastete zusätzlich noch der Luft zu. „Also; auf dein madiges Toleranzlevel – möge es sich verbessern.“

 

Neji rollte mit den Augen. „Klar, weil sich das in Zukunft auch mit Sicherheit als nützlich erweisen wird.“

 

„Auf jeden Fall. Ich bin das nächste Mal vielleicht nicht da, wenn du eine gerade Linie laufen musst.“

 

„Ich bin sehr gut darin, eine Linie zu gehen, Shikamaru.“, erwiderte Neji ruhig. „Ich bewege mich jeden Tag auf schmalen Graten.“

 

Fuck…

 

Die Worte hatten seinen Mund verlassen, bevor er sie aufhalten konnte. 

 

Shikamaru hielt inne, sein Getränk auf halbem Weg zu seinem Mund und hob den Blick. 

 

Sofort nippte Neji an seinem Tee und schluckte das siedende Gebräu, als könnte es den Geschmack dieser Worte in seinem Mund ausbrennen und er hoffte, Shikamaru würde den gefährlichen Kommentar einfach auf sich beruhen lassen. Doch der Ausdruck in den Augen des Schattenninjas war so potent wie ein grelles Scheinwerferlicht und gab Neji das Gefühl, doppelt bloßgelegt zu sein. 

 

„Hast du irgendeinen Grund, aus dem du dich weiterhin auf diesen schmalen Graten bewegst?“, fragte Shikamaru; die Stimme vollkommen entspannt und unberührt. 

 

Neji spürte, wie sich seine Verteidigungen aufrichteten; er war extrem angespannt und viel zu berührt.

 

Mit einem eisigen Blick stählte der Hyūga sein Gesicht. „Ich schätze, ich könnte auch deinem Beispiel folgen und die Grenzen stattdessen übertreten.“

 

Shikamarus Augen verengten sich und sein Kopf zuckte sofort angesichts des Bisses in diesen Worten zurück; als wären sie ihm an die Kehle gegangen. 

 

Gut. Zieh dich zurück.

 

Neji hielt Shikamarus halb geschlossenen Blick und forderte den Nara damit unmissverständlich heraus, ihn zu schubsen. 

 

Er spürte, wie sich dieser vertraute feindselige Boden, auf dem sie sich so oft bewegten, zurückzog und wartete darauf, dass Shikamaru ihn mit einem ätzenden Konter wieder unter sie zerrte.

 

Doch der Schattenninja tat stattdessen etwas vollkommen Unerwartetes. 

 

Gelassen setzte Shikamaru seine Tasse ab und richtete sich langsam auf den Knien auf, um sich nach vorn und über den Tisch zu lehnen; die Wand aus Spannung vollkommen ignorierend, die Neji zwischen ihnen zu errichten versuchte. Tatsächlich drang dieser Bastard einfach durch sie hindurch und brachte ihre Gesichter so nah, dass Neji sich physisch und mit jedem Muskel gegen den Instinkt stellen musste, sich zurückzuziehen. 

 

Da seine Intimsphäre vollkommen invadiert worden war, blitzten Nejis Augen mit einer unmissverständlichen Warnung auf…die aber überhaupt keine Auswirkung auf Shikamaru zu haben schien. Wenn überhaupt brachte es den Nara nur dazu, sich noch weiter nach vorn zu beugen, bis sich ihre Nasen beinahe berührten. 

 

Neji saß stocksteif da und stierte den Nara vernichtend an. 

 

Doch Shikamaru blinzelte nur träge und erschien viel zu entspannt für jemanden, der gerade in den persönlichen Bereich eines Ninjas eingedrungen war, der diese Intimsphäre mit Zähnen und Klauen verteidigen würde. Doch außer in extrem kritischer Nähe zu verharren, machte der Chūnin keinen weiteren Zug. 

 

Sekunden verstrichen. 

 

Verwirrung ersetzte rasch Nejis Verärgerung und leicht legte er die Stirn in Falten. 

 

Und das musste das Stichwort gewesen sein, auf das der Nara gewartet hatte. 

 

„Da ich jetzt deine Aufmerksamkeit habe…“ Shikamarus Atem brachte Nejis Haar zum Schwingen und die leichte Stimme rollte schwer wie Rauch durch die Stille, die Worte ebenso schleierhaft in ihrer Bedeutung. „Ich versuche nicht, dich anzugreifen, Neji.“

 

Nejis Verstand stoppte, gefangen im Kreuzfeuer aller möglichen Reaktionen auf diese Aussage, nicht wissend, ob er sich auf einen Treffer vorbereiten sollte, oder bereits einen eingesteckt hatte. 

 

Schon wieder fühlte er sich roh; bloßgelegt.

 

„Mach nur und versuche es.“, schnappte Neji schließlich. „Mach es leichter für uns beide.“

 

„Leichter?“ Einer von Shikamarus Mundwinkeln zuckte. „Man sollte meinen, ich würde das tun. Normalerweise renn ich ja vor lästigem Mist weg…zum Beispiel vor Körperverletzungen.“

 

Neji hob ein wenig das Kinn und der trotzige Winkel gestattete es ihm, hinunter in diese dunklen Augen zu sehen. 

 

„Wenn es dein Ziel ist, Körperverletzungen zu vermeiden, hast du einen üblen taktischen Fehler begangen, indem du mir so nah gekommen bist.“

 

„Hör schon auf, so ein Ärgernis zu sein, Hyūga, denn du bist tatsächlich die Anstrengung wert, wenn du dich nicht so verdammt defensiv verhältst.“

 

Neji öffnete den Mund, schloss ihn und verarbeitete noch einmal das eben Gesagte – dann runzelte er die Stirn; für einen Augenblick völlig überrascht. 

 

„Was?“

 

„Du willst, dass ich das intellektuelle Niveau runterschraube? Schön.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und legte die Handflächen auf den Tisch, zog sich nicht zurück, aber lehnte sich auch nicht weiter nach vorn. „Ich versuche nicht, dich anzugreifen. Deine Gesellschaft ist erstrebenswert, wenn du nicht so verdammt verklemmt bist, also entspann dich. Das ist so ‚dämlich simpel‘, wie ich es für dich machen kann.“

 

Dämlich simpel?

 

Neji hob eine Braue. „Ich habe das Gefühl, dass du jetzt meine Intelligenz attackierst.“

 

Shikamaru grinste. „Ich würde dich jedes einzelne Mal besiegen, wenn ich das täte.“

 

Neji musste feststellen, dass sich seine Mundwinkel gegen seinen Willen hoben; als hätte ein anderer Teil seiner Psyche die Kontrolle über sein Gesicht übernommen. „Und du nennst mich arrogant?“

 

„Es ist offensichtlich nicht arrogant, wenn ich es beweisen und dadurch absichern kann.“

 

„Ich denke, du solltest lieber dich absichern.“, murmelte Neji mit nun deutlich sanfterer Stimme, beinahe widerwillig amüsiert – sein Zorn war vollkommen vergessen. 

 

Wie zur Hölle macht er das?

 

Shikamaru legte den Kopf schräg und fixierte Neji mit diesem undecheffrierbaren Blick, bevor er sich ganz langsam wieder nach hinten lehnte. Ruhig wartete Neji, bis sich der Schattenninja komplett aus seinem persönlichen Bereich zurück gezogen hatte, bevor er ein wenig in seiner Wachsamkeit nachließ. 

 

Es war beinahe lächerlich, wie schnell sich die Wogen aus Anspannung glätteten und eine Art elektrisches Summen zurückließen, das eher aufwühlend als unangenehm war.

 

Diese Anziehungskraft…ist vollkommen unlogisch…und gefährlich…

 

Doch er konnte sie nicht leugnen.

 

Er sah zu, wie Shikamaru eine lümmelnde Pose gegen Tisch einnahm und die Ellbogen aufstellte. Während der Nara an seinem erkalteten Tee nippte, beobachtete er Neji durch dichte Wimpern; musterte ihn mit täuschender Lethargie. 

 

Doch Neji wusste es besser, als ihn zu unterschätzen. 

 

Normalerweise hätte es ihn mehr als nur verärgert, der Empfänger von Shikamarus Starren zu sein, doch inzwischen schafften es die Blicke, ihn zu faszinierend. 

 

„Warum machst du dir überhaupt die Mühe, Shikamaru?“

 

„Gute Frage.“ Nachdenklich neigte Shikamaru den Kopf zur Seite. „Ich führe nicht mit vielen Leuten Wortgefechte aus. Das nervt.“

 

„Also warum machst tust du es dann?“, wiederholte er und fiel nicht auf diese evasive Taktik herein. 

 

„Vielleicht, weil du mich im Gegensatz zu allen anderen nicht langweilst.“ Der Nara zuckte mit den Achseln. „Du bist zwar ein Ärgernis, aber definitiv nicht hirnlos.“

 

Kopfschüttelnd gestattete Neji einem Schmunzeln, sich auf sein Gesicht zu stehlen. „Schon wieder eins deiner versteckten Komplimente, Nara?“

 

Shikamaru schnaubte trocken. „Du willst Schmeicheleien? Dann geh und sprich mit deinen Fangirls in dem Shogi Spielhaus – Scheiße, der Großteil der ganzen Einwohnerschaft von Konoha, wäre mehr als glücklich, dir diesen Wunsch zu erfüllen. Aber von mir wirst du das sicher nicht bekommen.“

 

Mit einem Lächeln senkte Neji den Blick; er hatte nicht erwartet, dass sich ein starkes Empfinden von Respekt an seiner Verteidigung vorbei schlängelte und sich in seine Worte verwob. 

 

„Ich wäre enttäuscht, wenn es anders wäre, Shikamaru.“, gestand der Hyūga. 

 

Neji sah von seiner Teetasse auf und genoss augenblicklich das seltene und tiefgehende Gefühl, das ihn immer dann erfüllte, wenn er es schaffte, den anderen Ninja zu überraschen. Shikamaru starrte ihn mit offenem Erstaunen an. 

 

Neji lachte leise. „Hast du gedacht, ich wäre ein Sklave meines Egos? Jetzt bin ich enttäuscht.“

 

„Nein, ich hätte nur nicht erwartet, dass du so etwas laut zugeben würdest.“ Sofort erholte sich Shikamarus Grinsen. „Du reißt Witze und verzichtest auf Bullshit…was zur Hölle ist passiert, Hyūga?“

 

Ich weiß es nicht…

 

Neji rollte mit den Augen und versteckte sein Lächeln hinter der Keramik seiner Tasse, als er einen kleinen Schluck nahm. 

 

„Du weißt doch, wie ich zu Fortschritten stehe.“

 

„Ah und der Bullshit ist schon wieder zurück.“, lachte Shikamaru auf und zog damit unmittelbar Nejis gesamte Aufmerksamkeit auf die leichte Resonanz dieses Klanges. 

 

Der Hyūga musste feststellen, dass er sich ein bisschen mehr entspannte, doch vollkommen unwissend über die physische Übereinstimmung, als er Shikamarus geneigte Haltung annahm; angezogen von dem spielerischen Geplänkel, das zwischen ihnen hin und her sprang. 

 

„Wäre es dir lieber, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht weiß.“, fragte Neji mit vorgetäuschter Verbitterung. 

 

„Das wäre ein riskanter Zug.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und drehte die Teetasse prekär zwischen seinen Fingerspitzen. „Frag lieber vorher dein Ego um Erlaubnis.“

 

Neji grinste. „Ich kann auch arrogant sein, wenn dir das lieber ist.“

 

„Nein, besten Dank. Das habe ich endgültig satt, nachdem ich diesen Bullshit bei Sasuke beobachten musste.“

 

Nejis Neugierde war geweckt. „Mal abgesehen von dem Offensichtlichen – was hast du für ein Problem mit dem Uchiha, Shikamaru?“

 

„Problem?“, wiederholte Shikamaru gedehnt, doch eine seltsame Schärfe fraß sich in seine Stimme. „Du meinst, ich muss mich für eins entscheiden?“

 

Neji setzte seine Tasse in genau demselben Moment wie Shikamaru ab, die Augen starr auf den Schattenninja fixiert. Angestrengt versuchte er, etwas auf seinem Gesicht lesen zu können, das nicht in dem Spiel der Kerzenflammen verloren ging. 

 

„Es kann nicht einfach nur der Verrat an Konoha sein.“

 

Shikamarus Lächeln war etwas zu stechend, um belustigt zu sein. „Man sollte meinen, das wäre genug, nicht wahr?“

 

„Also was ist es?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Er ist ein Arschloch. Mein Hirn ist für sowas nicht ausgelegt.“

 

„Und dennoch kann ich mich daran erinnern, dass du gesagt hast, er hätte einen berechtigten Grund, sich wie ein ‚Arschloch‘ aufzuführen.“

 

„Das weißt du noch?“ Der Nara legte den Kopf schief und klang beinahe beeindruckt. 

 

Neji schnaubte. „Vermutlich deswegen, weil du mich in dem Moment mit ihm verglichen hast.“

 

„Du bist kein Arschloch.“ Kopfschüttelnd grinste Shikamaru. „Du benimmst dich nur manchmal wie eins.“

 

Nejis Lächeln schwand. „Oh, wie taktvoll, Nara. Und ich schätze mal, meine Gründe sind in deinem Bingo Buch der Bastarde ebenso gerechtfertigt wie die des Uchihas.“

 

„Sind sie das?“, fragte Shikamaru und fuhr mit dem Daumen langsame Kreise auf dem Rand seiner Teetasse.

 

„Was?“

 

„Gerechtfertigt?“

 

Neji zögerte und suchte nach einem sicheren Weg, um darauf zu antworten. „Ich tue, was nötig ist, gemessen an dem, was ich erreichen will, Shikamaru.“

 

„Achja? Und was genau wäre das?“

 

Neji wandte den Blick ab und seine Kehle zog sich um ein bitteres Lachen herum zusammen. „Das letzte Mal, als ich dich gefragt habe, was du willst, hast du dich nicht dazu herabgelassen, mich mit einer Antwort zu beehren. Den Gefallen werde ich jetzt erwidern.“

 

In spöttischer Kapitulation hob Shikamaru eine Hand und gab damit Nejis Standpunkt recht. „Na schön, aber ich habe deine andere Frage beantwortet, also beantworte du mir auch eine…hast du ernst gemeint, was du darüber gesagt hast, dass Sasuke schwach ist?“

 

Aufgeschreckt von dieser Frage zuckte Nejis Blick zurück. „Was?“

 

Shikamaru beobachtete ihn mit unbeirrter Ruhe; die einzige Bewegung des Nara war das gelassene Gleiten seines Daumens gegen die Keramiktasse. 

 

„Du sagtest, dass er schwach sei, weil er seine Emotionen nicht kontrollieren könne.“

 

Neji legte die Stirn in Falten und versuchte, die Worte in seiner wohlsortierten geistigen Bibliothek aus ‚Momente, die ich gerne ungeschehen machen würde‘ zu finden. Doch leider hatte jede Sekunde, die er sich darin aufhielt, ihren Preis. Rasch umging er das unbequeme Regal, in dem er die Erinnerung an diese regnerische Nacht mit Shikamaru verstaut hatte; beinahe in der Lage, die Bitterkeit der Worte zu schmecken, die er ausgestoßen hatte, als er damals die Kontrolle verloren hatte. 

 

Verlorene Kontrolle…Das wird nicht noch einmal passieren…

 

„Ich erinnere mich nicht daran, das gesagt zu haben.“, log er kopfschüttelnd, während er die Finger nach der Teekanne ausstreckte und so tat, als würde er testen wollen, wie warm das Getränk noch war. 

 

„Du warst damals ziemlich aufgewühlt.“

 

„Ich habe es bereits gesagt.“ Neji zog seine Hand von der Kanne fort und zwang seine Stimme zur Ruhe. „Ich erinnere mich nicht, das gesagt zu haben.“

 

„Schätze mal, das bedeutet dann auch, dass du dich nicht daran erinnerst, dass du der Meinung warst, er hätte sich von seinen Emotionen so aufzehren lassen, dass sie ihn korrumpiert haben.“

 

Neji richtete seine Aufmerksamkeit zurück auf den Nara und kollidierte mit der Schwere von Shikamarus Blick. 

 

Der Schattenninja zuckte mit keiner Wimper, doch sein Daumen hörte auf, die Teetasse zu umkreisen.

 

Langsam und bedächtig atmete Neji ein. „Ich hätte nicht falsch gelegen, wenn es das war, was ich gesagt habe.“

 

„Also denkst du, dass er schwach ist, weil er nach dem handelt, was er fühlt?“

 

Neji lehnte sich ein wenig zurück. 

 

Was für ein Spiel spielst du hier, Nara?

 

Ihm war klar, dass Sasuke immer weniger mit ihrer Unterhaltung zu tun hatte – der Uchiha war nichts weiter als ein Werkzeug, das Shikamaru ausnutzte, um die Richtung des Gespräches zu bestimmen. Doch Neji hatte nicht die Absicht, sich davon mitziehen zu lassen. Er wusste genau, wohin diese Straße führen würde. 

 

Nein. Weiter wird er nicht gehen.

 

Auf der Suche nach dem schnellsten Weg, um Shikamaru von seinem Kurs abzubringen, entschied sich Neji für eine weniger defensive Taktik. Er hoffte, es würde den Nara genug überraschen, um die Unterhaltung fort von diesem desaströsen Gebiet zu ziehen. 

 

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass du ihn verteidigst, Shikamaru.“ Neji grinste und neigte den Kopf. 

 

„Nicht wirklich.“, erwiderte der Nara, sein Blick starr fixiert und unerschütterlich. 

 

Neji ergriff die Gelegenheit, um den Dialog noch weiter aus der Bahn zu lenken. „Und dennoch hast du das Team geleitet, das ihn zurückholen sollte, als er vor Jahren übergelaufen ist.“

 

„Anweisungen der Hokage.“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Du hast auch Naruto nie davon abgeraten, ihn nach Hause holen zu wollen und das trotz der Tatsache, dass es sich um vergebene Liebesmüh zu handeln scheint. Du kannst niemanden retten, der sich nicht helfen lassen will.“

 

Er hatte einen sofortigen Konter erwartet – der niemals kam. 

 

Zur Überraschung des Hyūgas, schien Shikamaru urplötzlich die Jagd aufzugeben. Genauso schnell, wie er vorwärts gedrängt hatte, wich der Nara nun zurück. Und das nicht in seiner blasierten, gelassenen Art, die Neji gewohnt war, sondern in einem klaren, scharfen Rückzug.

 

Seltsam.

 

Neji beobachtete, wie Shikamaru in eine Ecke des Raumes spähte und bemerkte sofort, dass die pulsierende Spannung erneut zugenommen hatte. 

 

Warum?

 

Beinahe wäre er zusammengezuckt, als Shikamaru schließlich sprach. „Naruto tut, was er tun muss…“

 

„Tun muss?“

 

„Ja, denn er denkt, dass es das Richtige ist und deshalb tut er es. Deswegen werde ich ihm keine Steine in den Weg legen. Warum sollte ich?“

 

„Weil dein Urteilsvermögen nicht vernebelt ist und du es besser weißt?“

 

Shikamaru zögerte; dann zuckte er mit den Achseln und ließ sich nicht zu einer Antwort herab – oder dazu, Nejis Blick zu erwidern…was den Hyūga noch mehr verwirrte als die ausbleibende Antwort. Leicht legte Neji die Stirn in Falten und ließ im Geiste seine Worte Revue passieren, um nach etwas zu suchen, das er eventuell gesagt hatte, das diese unvorhersehbare Reaktion provoziert hatte. Oder eher diese ausbleibende Reaktion.

 

„Geht es dir gut?“

 

Shikamaru lächelte schwach, die Augen immer noch auf das andere Ende des Raumes gerichtet, um dort die Schatten in der entferntesten Ecke zu beobachten, obwohl er selbst in sie eingehüllt war. „Du bist paranoid.“

 

Neji schluckte den Köder nicht. „Du bist nicht der Einzige, der Bullshit durchschauen kann, Nara.“

 

„Schätze nicht.“ Shikamaru schloss die Augen und sein Lächeln verkrampfte sich. „Punkt für dich, Hyūga.“

 

Neji brummte sanft. „Sind wir wieder dabei, Spielchen zu spielen?“

 

„Ist wahrscheinlich einfacher, oder?“ Shikamarus Lider glitten auf, doch er weigerte sich noch immer, Neji anzusehen. 

 

Auch wenn Shikamaru seine Anspannung nie so deutlich werden ließ wie andere, wusste Neji inzwischen, nach welchen Anzeichen er suchen musste. Seine blassen Augen wanderten über Shikamarus Schläfen und Gesicht, entdeckten die Verkrampfung, die unter der Oberfläche lauerte. 

 

Was verbirgst du?

 

Endlich sah Shikamaru wieder zu Neji, auch wenn es eher nur ein seitliches Spähen aus den Augenwinkeln war als ein direkter Blick. 

 

Ruhig starrte Neji zurück.

 

„Begutachtest du mich schon wieder?“ Shikamarus amüsierte Worte spiegelten seinen Gesichtsausdruck wider, der zu seinem gelassenen Grinsen zurückzukehren schien, bevor Neji einschätzen konnte, was diese seltsame Veränderung verursacht hatte.

 

Verdammt seist du, Nara…du bist, als würde man Schatten in der Dunkelheit jagen…

 

Er schaffte es einfach nicht, Shikamaru zu fassen zu bekommen.

 

Der Nara entschlüpfte immer wieder; genau wie die Feder vorhin. 

 

Shikamaru war absolut sicher hinter seinen eigenen Verteidigungen, die sich unablässig veränderten und bewegten, sich flexibel an jedwede Umstände anpassten und es dem Schattenninja erlaubten, stets außerhalb jeder Reichweite zu bleiben. Was in Situationen wie diesen weitaus effizienter war, als die starren Defensivmechanismen, die Neji nutzte. 

 

Seltsamerweise waren ihre Defensiven wie Spiegelbilder ihrer Jutsus. Die von Neji als Nahkampf, der großen Schaden verursachte. Die von Shikamaru auf weiter Distanz bleibend und subtil evasiv. Wie gemacht für einen überaus interessanten Kampf…doch ausnahmsweise wollte Neji nicht kämpfen…

 

Ich sollte es aber wollen…

 

Immerhin war es das, worin er gut war.

 

Ich weiß, wie man kämpft…ich weiß aber nicht…wie ich ‚das‘ handhaben soll…warum will es überhaupt wissen?

 

Genauso abrupt, wie er Shikamarus Augen gesucht hatte, unterbrach er ihren verschmolzenen Blick. Scharf kam er auf die Füße, wobei er sich Mühe gab, nicht so desorientiert auszusehen, wie er sich fühlte. 

 

Stirnrunzelnd beobachtete Shikamaru ihn vom Boden aus. 

 

„Neji…“, begann der Schattenninja vorsichtig.

 

Doch der Hyūga ignorierte ihn und wandte sich ab, um sich dem Einfluss dieser dunklen Augen zu entziehen, die so verdammt viel sahen, ohne selbst auch nur halb so viel preiszugeben. Rasch entschied er sich für den schnellsten Ausweg, schritt hinaus auf den Balkon und schnappte mit einem frustrierten Knurren nach der kalten klaren Luft. 

 

Lächerlich…das ist absolut absurd…

 

Und ermüdend…kraftraubend auf eine Art, die diese ganze Situation paradox machte. Er fühlte sich aufgewühlt und gestählt, zornig und gelassen, angezogen und abgestoßen, aufgedreht und niedergeschossen; und das alles zur selben Zeit…

 

Stop…

 

Scharf schüttelte Neji den Kopf; seine Finger gruben sich wie Klauen in die Balustrade des Balkons und verkrampften sich so sehr, dass die Haut über seinen Knöcheln so aussah, als würde sie jeden Moment reißen. 

 

Was zur Hölle stimmt nicht mit mir?

 

„Neji…“

 

Er hörte Shikamaru kaum, bis sich die Stimme des Schattenninjas praktisch direkt neben seinem Ohr befand; die Wärme seines Atems löste ein Prickeln in Nejis Nacken aus. 

 

„Warum?“, stieß Neji zwischen zusammengebissenen Zähnen aus und schüttete erneut den Kopf. „Es macht keinen Sinn.“

 

„Ich weiß…“

 

Neji schnaubte bitter. „Nein, du weißt es nicht.

 

„Nun, das ist ja das Problem. Denn genauso wenig weißt es du.“

 

Heftig presste Neji die Lider aufeinander und Anspannung zog sich schmerzhaft durch seine Brust. „Bitte hör auf zu reden, Shikamaru.“

 

Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, nur durchbrochen durch das Rascheln der Blätter und dem heiseren Klang seines eigenen Atems. Neji hielt ihn in sich, um gegen die scharfen Stiche in seiner Brust anzukämpfen und krallte seine Finger noch härter in das gefirnisste Holz des Geländers. 

 

Nicht jetzt…

 

Er bemerkte die Bewegung neben sich nicht und hielt die Augen geschlossen, bis er den Hauch einer Berührung spürte, die über seine Schulter glitt, sich unter den schweren Wasserfall seines Haares und bis hinauf zu seinem Nacken schob. Seine Lider glitten auf und starrten hinunter auf seine weiß hervortretenden Knöchel, während Shikamarus Daumen über sein Genick strich. 

 

Nicht ein einziges Wort wurde zwischen ihnen ausgetauscht, als der Finger des Schattenninja leicht gegen seine Haut zu klopfen begann; vollkommen synchron mit einem ungehörten Pochen. Die rhythmische Berührung lockte Neji zaghaft dazu, seinen Griff an dem Geländer zu lockern – und den verkrampften Atem zu lösen, den er angehalten hatte. 

 

In dem Moment, in dem er ausatmete, hörte Shikamaru mit dem Klopfen auf und sein Daumen begann federleicht über Nejis Nacken zu streichen. 

 

Atme…

 

Neji linste durch seine dichten Strähnen; doch Shikamaru sah ihn nicht an. Der Schattenninja lehnte mit der Hüfte an dem aus Ästen gefertigten Geländer, den Blick auf das milchige Licht gerichtet, das durch das Blätterdach fiel. 

 

Unbehaglich spannte er sich an, als Shikamarus Daumen über eine der Wunden an seinem Nacken fuhr, was seine Aufmerksamkeit sofort auf die juckende Verletzung zog. Er hatte es beinahe vergessen. 

 

„Hast du es mit irgendetwas behandelt?“, wollte Shikamaru so beiläufig wissen, als würde er gerade nicht die Ursache seiner Frage berühren.

 

Neji schüttelte den Kopf. „Noch nicht.“

 

„Du bist lästig, Hyūga.“

 

„Hn, immerhin enttäusche ich nicht, oder?“, murmelte Neji zurück und war sich dabei nicht sicher, ob er damit einen Scherz machen oder doch lieber verbittert klingen wollte.

 

Niemals zuvor war er so verwirrt gewesen. 

 

Shikamaru summte leise und ließ seine Hand sinken, als er sich zurück in das Gästezimmer begab. Langsam drehte sich Neji um und blieb an der Türschwelle stehen, während er sich mit der Schulter gegen den Rahmen der Shojitür lehnte, ohne den Raum zu betreten. Es war wie eine Art Mittelpunkt, den der Hyūga im Moment nicht überschreiten wollte. 

 

Schweigend beobachtete er Shikamaru dabei, wie er neben seiner Ausrüstung in die Hocke ging, die er in eine Ecke des Raumes geschoben hatte. Der Nara überprüfte eine Tasche seiner Flakjacke und zog eine kleine Dose daraus hervor. 

 

Neji legte den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. „Was ist das?“

 

„Salbe.“, erklärte Shikamaru, während er sich erhob und zu Neji hinüber schritt. „Nicht wie die von Hinata, aber sie wird reichen.“

 

Neji hob eine Braue und seine eleganten Züge nahmen einen spöttisch-argwöhnischen Ausdruck an. „Also kein Waffenfett?“

 

Shikamaru schmunzelte. „Diesmal hat sie es sogar etikettiert.“

 

„Sie?“ Neji senkte den Augen hinunter auf das Döschen, mit dem Shikamaru herumfuchtelte und erhaschte einen Blick auf das Etikett, das auf den Deckel geklebt war. „Du solltest etwas mehr Respekt zeigen, findest du nicht?“

 

„Mein persönlicher Tyrann.“, klarifizierte Shikamaru. 

 

„Du hast es von deiner eigenen Mutter gestohlen…“, sagte Neji leise und brachte ein müdes Lächeln zustande. „Wie kläglich.“

 

Shikamarus Brauen schossen nach oben. „Willst du mich verarschen? Sie hat es mir direkt in die Flakweste geschoben. Ich finde manchmal Sachen darin, die da gar nicht sein sollten.“

 

„Du meinst, sie findet darin Sachen, die da eigentlich gar nicht sein sollten.“, schmunzelte Neji und entfaltete seine Arme, um nach der Salbe zu greifen. 

 

Shikamaru schnaubte. „Mach dich darüber lustig so viel du willst, aber das hat mir schon eine Menge Ärger eingebracht.“

 

„Zumindest kümmert es sie.“

 

Shikamaru wandte sich um und murmelte etwas, das wie ‚lästige Frau‘ klang, doch eine widerwillige Wärme schwang darin mit. Neji lächelte sanft und trat ebenfalls wieder in das Gästezimmer, um zu dem Bett hinüberzulaufen, dessen Laken nicht zerknüllt waren. Er setzte sich auf die Kante der Matratze und drehte den Deckel der Salbe auf. 

 

Schmerz begann in seiner Brust zu pulsieren. 

 

Er tat so, als würde er sich die Haare über die Schulter streichen, während er beobachtete, wie Shikamaru gähnend in das Badezimmer trottete. Erst, als der Nara die Tür hinter sich mit der Ferse zugeschoben hatte, erhob sich Neji, legte die Salbe beiseite und trat ein paar Schritte von dem Bett fort, den Rücken dem Badezimmer zugewandt. Langsam griff er nach dem Saum seiner Robe und zog die Falten des weißen Stoffes von seiner Brust. Das Spiel der Kerzenflammen flackerte hinter ihm, doch er brauchte kein Licht, um die Male lokalisieren zu können, die sich auf den sehnigen Konturen seiner Brust verteilten. 

 

Konzentrier dich…

 

Bedächtig strich er mit den Fingerspitzen über die verletzte Haut und drückte hart auf die tiefen, zornigen Flecken aus Purpur. Schmerz durchbohrte ihn und sorgte dafür, dass seine Zähne heftig und hörbar aufeinanderprallten, während er ein gepeinigtes Zischen ausstieß. Er schloss die Augen. 

 

Verdammt…

 

Er hörte nicht, wie sich die Badezimmertür öffnete. 

 

Bemerkte nicht das Zögern der Schritte des sich nähernden Schattens.

 

Seine volle Aufmerksamkeit war einzig und allein darauf gerichtet, den Schmerz zu kontrollieren und ihn nach unten zu zwingen, als er nach oben drängte. 

 

Erst das sanfte Ausatmen hinter ihm ließ seine Augen aufschnellen und die Welt kam zurück und brach über ihm herein. 

 

Neji erstarrte, die Fingerspitzen noch immer gegen seine Brust gepresst. 

 

Bewegungslos stierte er nach vorn. 

 

Shikamarus Schatten verschmolz an der Wand mit seinem eigenen; es war eine Reihe flackender Silhouetten, heraufbeschworen durch zitterndes Kerzenlicht. Sie standen im vollkommenen Gegensatz dazu, wie steif Neji dastand.

 

Er wagte es nicht, über die Schulter zu blicken, denn er wollte nicht sehen, was in den Augen des Naras geschrieben stehen würde. 

 

Das ertrage ich jetzt nicht…

 

Also hielt er seine Augen auf Shikamarus Schatten fixiert, als könnte er ihn niederstarren. 

 

Angespannt wartete er auf eine Frage…einen Kommentar…den Stoß…den Moment, der sie in eine weitere Auseinandersetzung zwingen würde. 

 

Doch nichts davon kam. 

 

Sekunden verwandelten sich in eine kleine Ewigkeit von Momenten…seine heiseren Atemzüge verkrampften sich immer mehr, je mehr Augenblicke vorüber zogen. 

 

Und dann bewegte sich Shikamarus Schatten; glitt hinunter von der Wand, als würde er schmelzen. 

 

Neji hielt den Atem tief und angespannt in der Kehle und stierte auf die einsame Gestalt seines Schattens, während der von Shikamaru verschwand. 

 

Und dann spürte er es. 

 

Dunkle Ranken schlängelten sich über Nejis Beine wie Kobras aus Schatten, folgten den Falten seiner Kleidung und glitten immer höher, bis sie sich langsam in zaghaften phantomhaften Liebkosungen über seine Arme bewegten. 

 

Neji verharrte wie paralysiert, als wäre er in einem Jutsu gefangen; was er aber nicht war. 

 

Er spürte, wie sich die undurchsichtigen Ranken von Shikamarus Schatten zärtlich um seine Handgelenke schlangen und seine Hände sehr langsam von seiner Brust fort zogen…fort von den Malen…fort von dem Schmerz…

 

Ein weiterer Schatten streichelte über die scharfe Linie seines Schlüsselbeins, schob seine Robe beiseite und der Stoff fiel wie eine kollabierende Verteidigung nach unten und in sich zusammen. Der Schatten dehnte sich aus und nahm die Form einer dunklen Hand an, die ihre geisterhaften Finger über seinen Hals wandern ließ, bevor sie zu seinem Nacken glitten, um sanft die Haut zu massieren. 

 

Ein einzelnes Beben ergriff Neji und zittrig fiel sein angehaltener Atem von seinen Lippen. 

 

Er spürte, wie die Schatten über die Konturen seiner Brust mäanderten und wie schwarze Flüsse den verkrampften Ebenen folgten; suchend danach, die Spannung in seinen Muskeln zu lösen. Die Kontrolle. 

 

Stop…

 

Der Hyūga versteifte sich und versuchte verzweifelt zusammenzuhalten, was Shikamarus Schatten auseinanderzureißen drohten. Er spürte, wie sich die schwarzen Ranken langsam von seinen Handgelenken zurückzogen, sich über seinen Unterarm schlängelten und immer höher glitten, um über seine Schultern zu fließen und vorsichtig seine Schulterblätter zu streicheln, bevor sie über seine Wirbelsäule weiter nach unten wanderten…

 

Es war ungeniert sinnlich…und dennoch beruhigend…lockte ihn zu etwas…sprach geräuschlos Shikamarus Worte…

 

Lass los…

 

Neji schluckte schwer und schaffte es, ein einziges abgehacktes Wort zu sprechen. „Nein…“

 

Die schlängelnden Ranken hielten inne. 

 

Für einen Augenblick verharrten sie, bevor sie ihren Pfad veränderten, sich um seine Hüften wanden. Sie verschmolzen zu einem einzigen breiteren Schattenarm, der sich etwas höher um Nejis Taille legte und ihn zurück und gegen den Körper zog, der im selben Moment nach vorn trat. 

 

Er spürte Shikamarus Brust an seinem Rücken…die unerwartete Wärme des Hautkontaktes und das unleugbare Brennen, das sich unter dessen Oberfläche ausbreitete. 

 

Shikamarus Atem strich sanft über seine Schulter. 

 

Langsam zogen sich die Schatten zurück und streichelten beruhigend über Nejis Oberkörper, bevor sie vollständig verschwanden; sie ließen nur den geringsten Druck von Shikamarus Händen an seinen Hüften zurück, die ihn festhielten. Neji brauchte einen Moment, um seine Sinne aus der Trance zu ziehen, in die sie abgedriftet waren und war sich vage bewusst, dass Shikamarus Daumen leicht gegen seine Beckenknochen klopften. 

 

Neji blinzelte langsam, sein schwerer Blick glitt zurück zu der Wand…zurück zu Shikamarus Schatten und sprach eher ihn an, anstatt den Kopf zu drehen und direkt mit dem Chūnin zu reden, der ihm so nahe war, dass ihre Haut bereits bei der geringsten Bewegung übereinander strich. 

 

„Wie es aussieht, kannst du es durchaus aufhalten…was du anfängst…“, sagte er so leise, dass er sich fragte, ob es die Worte überhaupt aus seiner Kehle geschafft hatten, die sich seltsam ausgetrocknet anfühlte. 

 

„Wer sagt, dass ich es angefangen habe?“, murmelte Shikamaru als Antwort und seine Stimme wurde von Nejis Haar gedämpft; die Lippen des Nara strichen zärtlich über die mokkafarbenen Strähnen. „Ich berühre dich kaum.“

 

Und dennoch ist es genug, um das mit mir zu tun…

 

Seuzend schüttelte Neji den Kopf. „Manchmal bin ich nah dran, dich zu hassen.“

 

Shikamaru hörte auf, mit den Daumen zu klopfen, doch er zog seine Hände nicht zurück. 

 

Leise brummte der Nara: „Es wäre einfacher, wenn du es tätest…“

 

Stirnzrunzelnd drehte Neji den Kopf gerade so weit, um aus dem Augenwinkel zu Shikamaru spähen zu können, dessen Kinn fast auf seiner Schulter auflag; aber nicht ganz. Er spürte, wie die Lippen des Chūnin über die Kante seines Kiefers glitten. 

 

„Frag mich nicht nach irgendwelchen lästigen Dingen.“, seufzte Shikamaru, bevor der Hyūga den Mund aufmachen konnte und die Stimme des Schattenninja nahm ein seltsames Timbre an, das Neji beinahe nicht bemerkt hätte. 

 

Und es war das und das allein, was den augenblicklichen Zorn des Hyūga aufhielt, der als Reaktion auf solch eine arrogante Bitte aufgeflammt war – gemessen daran, dass es Shikamaru gewesen war, der da alles initiiert hatte. Er hätte sich umgedreht, doch das wäre aus mehr Gründen gefährlich, als sein Verstand verarbeiten konnte, wenn er sich in dieser unglaublichen Nähe zu dem Schattenninja befand.

 

Verdammt sei er… 

 

Shikamaru hatte wahnsinnige Dinge getan, um Nejis Logik, seine Verteidigungen, seine Kontrolle und seine Beständigkeit außer Gefecht zu setzen. 

 

Ein triftiger Grund, ihn zu hassen, jetzt und hier…

 

Neji schüttelte den Kopf und hob die Arme, um seine Finger um Shikamarus Handgelenke zu legen. Hart packte er zu, fest entschlossen, die Hände des Nara von sich zu reißen. Doch noch bevor er dazu ansetzen konnte, hielt er inne; seine Finger waren so fest um Shikamarus Handgelenke geschlungen, dass er den Puls des Schattenninjas spüren konnte. 

 

Es war ein lebensbejahender Schlag unter seinen Fingerspitzen. 

 

Glitt nicht davon oder entschwand; es war stark und beständig. 

 

Lebendig.

 

Neji löste seine Umklammerung. 

 

Er lehnte sich genau in dem Moment zurück, in dem sich Shikamaru nach vorn bewegte und seinen Kopf neigte, um die Stirn mit einem bebenden Seufzen an Nejs Schulter zu legen. Und kaum drückte sich ihre Haut aufeinander, flammte dieses bekannte Knistern zwischen ihnen auf, bevor es sich in ein stetiges und mit Wärme aufgeladenes Summen verwandelte. 

 

Das vertraute Paradoxon darüber, wie Shikamaru es schaffte, ihn in seinem Innersten gleichzeitig aufzuwühlen und zu beruhigen, hatte sich noch nie so kompliziert angefühlt…oder so simpel…

 

„Ich werde dich morgen hassen, Nara.“, wisperte Neji mit weicher Stimme, seine Finger strichen zaghaft über die Venen in Shikamarus Handgelenken. „Ich bin gerade zu müde dafür.“

 

Die Erwiderung des Nara blieb unausgesprochen…doch Neji konnte sie in dem nachhallenden Streicheln von Shikamarus Daumen gegen seine Hüften spüren…bevor der Schattenninja erneut mit seinem Klopfen begann…

 

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Ich glaube, ihr merkt schon...mehr ShikaNeji Action ist auf dem Weg ;) Zwar noch nicht direkt anschließend, aber es kommt immer näher. Wieder ein Kapitel, dass sich voll und ganz auf die beiden verkopften Ninjas konzentriert und bei dem man teilweise schon sehr zwischen den Zeilen lesen muss. ;) Ich hoffe sehr, dass ich die Chemie zwischen den beiden gut in Worte fassen konnte, jetzt brauch ich auf jeden Fall erstmal ein Stück Schokolade :D 

Würde mich wieder sehr über Anregungen, Meinungen oder auch Fragen freuen, lasst mir gerne ein paar Worte da!! <3
 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen...BtB marschiert nur dank euch mit diesen großen Schritten vorwärts, Danke!! <3

 

 

Watch me

Neji.

 

Auf ironische Weise vorhersehbar wie ein Uhrwerk erwachte Shikamaru nur wenige Augenblicke, bevor es losging; aus dem Schlaf gezogen von einem heftigen und unterbewussten Ruck. 

 

Vier Uhr morgens…

 

Seine Augen glitten auf, Sekunden bevor er hören konnte, wie Nejis Atmung zu beben begann; und er erreichte den Jōnin Sekunden bevor er zu rasseln anfing. In dem Moment, in dem das passierte, wurde Nejis Oberkörper von einem heftigen Ruck so abrupt in die Aufrichtung gerissen, dass das schmale Bett gefährlich knackte.

 

Scheiße!

 

Beinahe wurde Shikamaru von seinem Platz auf dem Bett geschubst, doch er schaffte es, sich mit einem sanften Griff an Nejis Schulter festzuhalten. „Ganz ruhig…“

 

Die Lider des Hyūga flatterten und er wand sich wie eine Viper, eine Hand schnellte brutal nach vorn. 

 

Shikamaru riss gerade noch rechtzeitig den Kopf zurück, bevor sich die schlanken Finger des Jōnin um seine Kehle legen konnten und packte das Handgelenk des Hyūga. „Neji!“

 

Ein zerfetztes Husten brach aus der Lunge des Hyūga und ließ die wie auch immer intendierte Attacke kollabieren, als sich der Kampf des Jōnin in sein Inneres verlagerte. Sofort nutzte Shikamaru die Gelegenheit und schob ein Bein um Neji, um sich hinter ihn zu setzen. Rasch legte er einen Arm um den Oberkörper des Hyūga und griff nach einer bebenden Schulter, um den Jōnin zurück und gegen die feste Stütze seiner Brust zu ziehen. 

 

Ganz ruhig…“, wisperte er. „Atme…“

 

Gegen die Wärme seiner eigenen Haut fühlte sich Neji kühl und feucht an; kalter Schweiß war auf der blassen Oberfläche ausgebrochen. 

 

Scheiße…

 

Neji zuckte heftig in seinem Griff. „Lass los!“

 

Ich bin es, verdammt…komm schon…“, sagte Shikamaru sanft und ignorierte den quetschenden Griff von Nejis Fingern an seinem Unterarm. „Atme…komm schon…“

 

Zischend wand sich Neji in Shikamarus Arm. „…Lass…mich los…“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und diese Worte lösten einen unerklärlichen Stich in seiner eigenen Brust aus. Und trotz des zornigen Fauchens bemerkte er deutlich die vergrabene Verzweiflung darunter.

 

Gott…was ist dir nur zugestoßen, Neji?

 

Vorsichtig neigte er den Kopf und beobachtete die dunklen Strähnen, die Nejis Gesicht einrahmten; das schokoladenfarbene Haar erzitterte mit jedem rasselnden Atemzug. 

 

Hey…“, wisperte er, schob seine Handfläche zu Nejis Brust und rieb mit dem Daumen über die kalte Haut, während er seine Lippen an Nejis Ohr führte. „Ich versuche nicht, dich anzugreifen, erinnerst du dich?“

 

Er hörte, wie sich Nejis Atmung veränderte und spürte, wie Spannung durch den Körper des Hyūga wogte und die Muskeln in seinem Abdomen verkrampfte. Leise summte Shikamaru und schob seine andere Hand um Nejis Schultern, um mit dem Daumen über die Rippen zu streichen, die sich mit jedem zerfetzten Atemzug hoben und senkten. 

 

„So verdammt stur…“, murmelte er. „Ganz ruhig…du kannst das…komm schon…“

 

Neji versuchte, sich aus der lockeren Umarmung zu befreien; seine Schulterblätter zogen sich gegen Shikamarus Brust zusammen. Doch der Nara ignorierte es und justierte seinen Griff, um sich dem Jōnin anzupassen, wobei er seinen Griff leicht hielt – er bot eine ruhige Unterstützung an, um das Risiko zu vermeiden, dass sich Neji erstickt oder eingesperrt fühlte. 

 

Kontrolliert.

 

Mit einer unglaublichen Geduld, von der er nicht einmal wusste, dass er sie besaß, hielt Shikamaru dem Sturm von Nejis Versuchen, ihn abzuschütteln, stand. Jedem krampfhaften Beben begegnete er mit einem Schwung seiner Lippen gegen Nejis Schläfen und jede quetschende Umklammerung dieser blassen Finger an seinem Arm beantwortete er mit einem sanften Klopfen seines Daumens. Und schlussendlich gewann die Erschöpfung und zähmte die Frustration des Hyūgas zu einem Ringen nach Luft, bis sich die Atmung langsam stabilisierte.

 

Sehr gut, wir sind außerhalb der roten Zone…

 

Neji schluckte schwer und hörbar, als er nach hinten sackte und ein Seufzen seinen Lippen entwich. Mit voller Wucht spürte Shikamaru Erleichterung durch sich jagen und er lockerte ein wenig seinen Griff. Seine Hand fiel von Nejis Rippen und legte sich stattdessen direkt über dem Nabel auf den Bauch des Jōnin. 

 

Für einen Moment verharrten sie in dieser erschöpften Stille, die es Shikamaru gestattete, die flachen Atemzüge des Hyūga zu überwachen, während Neji mit dem Handrücken über seine Lippen fuhr, um das Blut fortzuwischen, das ihm aus einem Mundwinkel rann.

 

Shikamaru musste nicht den Blick zu den Laken senken, um zu wissen, dass sie rot gesprenkelt waren. Ebenso wenig war es nötig, das Offensichtliche auszusprechen und so biss er sich auf die Zunge. Leicht drehte er seinen Kiefer zur Seite, als Neji den Kopf zurücklegte, um ihn gegen Shikamarus Schulter zu lehnen. Aufmerksam musterte der Schattenninja Neji aus den Augenwinkeln. 

 

Nejis Wimpern hingen tief und verdeckten beinahe vollständig seine Augen. Sie ließen nur schmale milchige Halbmonde zurück, die blicklos durch den Raum stierten; benommen, ausgelaugt. 

 

Alle Defensiven außer Kraft gesetzt…

 

Vorsichtig wog Shikamaru seine Optionen ab, die ihm genauso mager erschienen wie Nejis Atmung. Doch bevor er die Gelegenheit ungenutzt verstreichen lassen konnte, zwang Shikamaru seinen Blick hinunter zu dem Blut, das sich hart von der blassen Haut von Nejis Handrücken abhob. 

 

Uns rennt die Zeit davon…

 

Mit zitternden Lidern schloss Shikamaru die Augen und zog langsam die Luft ein, bevor er leise und zaghaft seine Worte über die Lippen fließen ließ, als er sich vorsichtig auf dieses gefährliche Gebiet begab.

 

„Was ist zu dieser Zeit passiert, Neji?“

 

Nejis Wimpern flatterten schwach. „…Hmn?“

 

Mit ruhiger Bewegung legte Shikamaru seine Lippen nahe an das Ohr des Hyūga. „Vier Uhr morgens…“

 

„Was meinst du?“, krächzte Neji und drehte langsam den Kopf. 

 

„…zu dieser Zeit ist es immer schlimmer als sonst…“

 

Shikamaru wurde mit einer angespannten Pause konfrontiert, bevor Nejis Finger in einer Liebkosung über seinen Arm strichen, die sich seltsam anfühlte; beinahe wie eine Warnung. 

 

„Es passiert, wenn ich mich anstrenge, Shikamaru.“, seufzte Neji. „Mein Chakra ist noch immer auf sehr niedrigem Level…lass es einfach gut sein.“

 

Ja…ich wünschte, ich könnte das…

 

Unglücklicherweise konnte er sich den Luxus nicht leisten, sich nur um seinen eigenen Kram zu kümmern. Er schüttelte den Kopf und war sich deutlich bewusst, dass er Krusten würde aufreißen müssen, um die Wunde erreichen zu können. 

 

Scheiße.

 

„Es ist nicht Anstrengung, die das alles zu dieser verrückten Zeit auslöst, Neji. Es ist etwas anderes.“ Er warf dem Hyūga einen Seitenblick zu und hielt seine Stimme weich. „Und es ist immer um vier Uhr morgens…“

 

Schnaubend schloss Neji die Lider. „Als ob du immer die Stunde im Auge behalten würdest, Nara. Wie schaffst du es überhaupt, zu dieser Uhrzeit zu funktionieren?“

 

Shikamaru lächelte schwach, erstaunt darüber, auf welch unglaublich grausame Weise Fortschritte manchmal getimt waren; allein die Tatsache, dass Neji ausgerechnet jetzt mit einem Sinn für Humor aufwartete – zu einer Zeit, in der es Shikamaru unmöglich war, ihm mit demselben Witz zu begegnen. Sollte Schicksal einen Sinn für Ironie, geschweige denn Humor haben, dann war er ziemlich verdreht. Shikamaru gönnte sich einen kurzen Moment, um diese Situation abgrundtief zu hassen, bevor er sie wieder direkt konfrontierte. 

 

„Was ist um vier Uhr morgens passiert, Neji?“

 

Nejis Augen glitten auf und er sah zu dem Nara auf. „Du machst dich lächerlich.“

 

„Was ist passiert?“, drängte Shikamaru weiter, seine Stimme leise, aber unnachgiebig, ohne sie dabei zu heben oder zu senken.

 

Neji runzelte die Stirn und der Ausdruck von Erschöpfung auf dem Gesicht des Hyūgas trieb ein unbehagliches Empfinden tief in Shikamarus Magengegend. Energisch schob er seine Schuldgefühle beiseite, indem er die Frage wiederholte. 

 

„Was ist passiert?“

 

„Offensichtlich etwas, das ich wissen sollte.“, erwiderte der Hyūga argwöhnisch. 

 

„Gib mir einfach eine klare Antwort.“, forderte Shikamaru und spürte sofort, wie sich Neji anspannte, die Schulterblätter des Jōnins schlugen wie Hacken aneinander. 

 

„Ich weiß es nicht. Es gibt keine klare Antwort.“

 

Shikamaru hob eine Braue, seine flache Miene schwang in seiner Stimme mit. „Bist du dir sicher, dass du schon wieder versuchen willst, die Bullshit-Karte bei mir auszuspielen?“

 

Sofort begann die Veränderung der Atmosphäre in Neji zu sickern und die blassen, wolkenähnlichen Iriden begannen sich zu verdüstern, als sie zu ihm aufsahen. „Ich spiele keine Spielchen.“

 

Shikamaru ignorierte den Ausdruck in diesen Augen und konzentrierte sich stattdessen darauf, unter der Oberfläche zu lesen. Seine Daumen hörten auf, gegen die eben noch kalte Haut zu klopfen, die sich unter seiner Berührung erwärmt hatte, ohne dass es einer von ihnen bemerkt hatte.

 

„Irgendetwas triggert dich dazu, immer wieder zu dieser Zeit aufzuwachen.“

 

„Ich hatte schon immer einen leichten Schlaf, nicht so wie du.“

 

„Warum kannst du dich dieser Sache nicht stellen?“

 

Nejis Augen blitzten gefährlich auf; scharf zog er sich zurück und durchbrach dabei den leichten Halt von Shikamarus Armen. „Lass es gut sein, Nara.“

 

Ruhig legte Shikamaru seine Handflächen auf die Laken und beobachtete Neji aus scharfen Augen. Die dunklen Seen verengten sich kalkulierend, während er angestrengt versuchte, die Teile aneinander zu setzen. 

 

„Ist irgendetwas mit deinem Clan passiert?“

 

„Lass es gut sein, Shikamaru!“

 

„Ich kann nicht…“

 

Neji drehte den Kopf und warf einen wilden Blick über die Schulter. „Du hast gesagt, du würdest das hier nicht gegen mich verwenden, also mach das auch nicht.“

 

Das war, bevor ich wusste, dass es dich umbringt…

 

Die Worte lagen ihm auf der Zunge, doch er schluckte sie hinunter und entschied sich stattdessen für einen vielsagenden Blick auf die Laken. Neji folgte ihm mit den Augen zu den Blutspritzern auf dem Stoff. Es war die hässliche, tiefrote Wahrheit. 

 

„Darum kann ich es nicht…“, sagte Shikamaru leise und hob seinen Blick. „Du hast deine verdammten Chakrapunkte blockiert und deine Lungen ruiniert.“

 

Neji hielt seine Augen starr auf die Laken fixiert. „Hn. Wie scharfsinnig von dir.“

 

„Warum hast du es getan, Neji?“

 

Neji sah auf und ein Sturm aus Grau tobte in den milchigen Seen seiner Augen, bevor er sich abwandte und begann, die Laken von seiner Hüfte zu ziehen. Aufmerksam folgte Shikamaru seinen Bewegungen, ohne dabei Anstalten zu machen, ihn aufzuhalten. 

 

„Warum tust du es immer noch?“ Der Nara legte die Stirn in Falten. 

 

„Shikamaru…“ Neji drehte sich auf der Kante des Bettes und setzte die Füße auf dem Boden ab, während er seufzend die Finger in seine Schenkel krallte. „Du musst aufhören, mich diese Dinge zu fragen.“

 

„Was auch immer es ist…du musst das nicht tun.“, sagte Shikamaru leise und neigte den Kopf in Richtung des Blutes auf den Decken. 

 

„Nein…ich muss nicht…“ Neji sah ihn an. „Aber ich kann.

 

Was?

 

Shikamarus Gesicht verzog sich verwirrt, seine scharfen Augen verengten sich noch weiter, als er den Kopf schüttelte. „Also geht es hierbei nur darum, irgend etwas Dämliches zu beweisen?

 

„Natürlich nicht.“, schnappte Neji und riss den Rest des Stoffes beiseite, während er sich erhob und sich von dem Bett fortbewegte. „Wäre das der Fall, hätte ich es schon vor Jahren getan.“

 

„Warum hast du es dann nicht schon vor Jahren getan?“

 

Neji zögerte, bevor er noch einen weiteren Schritt von dem Bett wegtrat und sich über die Brust rieb. Shikamarus Augen wanderten über das elegant geschwungene Tal von Nejis Wirbelsäule, als der Hyūga die Schultern zurückschob und gegen die Spannung darin anrollte. Das Spiel der Muskeln unter der blassen Oberfläche war hypnotisierend. Energisch zog der Nara seinen Blick von den Enden des dichten Haares des Jōnins fort und wollte seine Frage wiederholen. 

 

Doch das musste er gar nicht. 

 

„Weil mir jemand gesagt hat, dass ich leben muss…“, murmelte Neji, die Augen auf das Fenster gerichtet. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Dieser jemand wird ziemlich enttäuscht sein, wenn du mit dieser Scheiße weiter machst.“

 

Neji schnaubte. „Sei nicht so dramatisch, Nara. Das passt nicht zu dir.“

 

„Sei kein Schwachkopf, Neji. Du bist nicht so dumm.“

 

„Genug!“ Neji wirbelte so plötzlich herum, dass jeder andere verstört zusammengezuckt wäre. 

 

Doch Shikamaru lehnte sich nur auf seinen Handflächen zurück und ließ dabei ein Bein von der Kante der Matratze baumeln; er stand in völligem physischem Kontrast zu Nejis Aggression. „Was ist vor zwei Monaten mit deinem Clan passiert?“

 

„Nichts.“, knurrte der Hyūga. 

 

„Bullshit. Vor zwei Monaten hat das alles angefangen.“

 

„Führst du jetzt schon eine Chronologie über meine Angelegenheiten?“

 

„Hat es irgendetwas damit zu tun, dass die ANBU dich rekrutiert haben?“

 

Hör auf, Shikamaru!“

 

Der Nara schürzte die Lippen, eine dunkle Braue blieb weiterhin in dieser zweifelnden Manier erhoben, von der er genau wusste, dass sie Neji unendlich anpissen würde. Den Hyūga jedoch noch länger vor sich hinbrodeln zu lassen, könnte letztendlich gegen ihn arbeiten. Und so atmete er langsam ein und bereitete sich darauf vor, seine vorherige Frage neu zu formulieren. 

 

Scheiße.

 

„Schön.“, seufzte Shikamaru und hielt kurz inne, bevor er die Frage abfeuerte wie eine Blitzbombe. „Dann sag mir, was zur Hölle um vier Uhr morgens passiert ist, als du ein Kind warst?“

 

Nejis Gesicht verwandelte sich zu Stein. „…Was?“

 

„Du wachst schon immer zu dieser verrückten Zeit auf, stimmt’s?“ Shikamaru neigte den Kopf zur Seite, beobachtend, suchend. „Schon lange bevor du mit diesem Mist angefangen hast…du bist auch schon als Kind zu dieser Uhrzeit aufgewacht.“

 

Neji wandte den Blick ab, seine Augen suchten etwas in der Dunkelheit.

 

Und dann peitschte ein Aufflackern zorniger Erkenntnis über sein Gesicht. 

 

Seine Lippen verzogen sich zu einem Knurren. „…Hinata.“

 

Fuck.

 

Shikamaru hob eine Hand und lehnte sich ein wenig nach vorn, um Nejis Blick begegnen zu können. „Ich habe sie danach gefragt, okay? Ich musste sie extrem löchern und völlig egal, wie oft sie es mir erzählt, ich weiß, dass du zu dieser Zeit nicht meditierst oder trainierst. Meine Vermutung? Dir ist etwas Schlimmes passiert, als du ein Kind warst.“

 

Nejis Kiefer zuckte und seine blassen Augen verengten sich. 

 

Den Hyūga unbeirrt fixierend, stieß sich Shikamaru von der anderen Hand ab und setzte sich an den Rand des Bettes. 

 

„Schlimm genug, dass dich das Trauma davon oder die Erinnerung daran immer wieder dazu bringt, um diese Zeit aufzuwachen.“, fügte er sanft hinzu. 

 

Neji schloss die Lider. 

 

Und für einen Moment konnte Shikamaru ihn nicht mehr lesen, konnte nicht einschätzen, was zur Hölle sich hinter der Maske des Hyūga abspielte, die er schon wieder über sein Gesicht gezogen hatte. Also ließ er stattdessen seinen Blick über den Rest des Jōnins gleiten und versuchte, etwas aus dessen Körper zu lesen. Doch er stand einfach nur steif und unbeweglich da. Shikamaru musterte die mit Hämatomen übersäte Brust, die Venen in Nejis entspannten Händen und sogar die weiß gekleideten Beine. 

 

Nichts. 

 

Verdammt.

 

Und dann begann Neji zu sprechen. 

 

„Sieh es ein, Shikamaru.“, begann der Hyūga mit verstörender Gelassenheit und hob langsam die Wimpern, während er zurück zum Bett schritt; seine Knie strichen gegen die Matratze, als er hinunter in die dunklen Augen des Nara starrte. „Egal, welche Linien auch immer zwischen uns verwischt wurden …diese Grenze darfst du niemals bei mir überschreiten…“

 

Der Nara legte den Kopf in den Nacken, um direkt zurück in diese blassen Iriden zu stieren, die versuchten, ihn erschauern zu lassen und ihn zu warnen. Shikamarus Antwort darauf war ein trauriges Lächeln. 

 

„Dann stoß mich zurück; so wie du gesagt hast, dass du es tun musst.“, sagte er kopfschüttelnd. „Denn was du tust ist wahnsinnig.“

 

Nejis Stimme wurde tief. „…Ich weiß, was ich tue.“

 

Zum ersten Mal spürte Shikamaru, wie die zornige Besorgnis in seinem Inneren drohte, zu stark in seine Stimme zu sickern. Kurz zögerte, bevor er sprach, um sicher zu gehen, dass sein Tonfall ruhig und gelassen blieb. 

 

„Nein, das weißt du nicht.“ Seine Augen wanderten über Nejis Brust. „Du verlierst das hier, Neji.“

 

„Ich werde nicht verlieren!“

 

Erneut schüttelte Shikamaru den Kopf und Sorge verkrampfte sich noch heftiger in ihm, während er lieber die Blutergüsse anstarrte als hinauf in diese Augen zu sehen. 

 

„Was auch immer du zu blockieren versuchst, wird nicht einfach so verschwinden.“

 

„Du liegst falsch.“

 

„Was auch immer es ist…du musst es rauslassen…“

 

Neji drehte sich auf dem Absatz um, um davonzulaufen. „Hör auf, das zu sagen…“

 

Doch Shikamaru griff rasch nach seinem Ellbogen, ohne den Blick zu heben. „Du kannst es nicht unter Kontrolle halten.“

 

Sieh mir zu, wie ich es tue!“, spie Neji aus. 

 

Shikamarus Augen zuckten bei diesen Worten nach oben und blickten hart in diese opalhaften Iriden, die auf ihn fixiert waren. Sie sahen sich an, gefangen in dieser gedehnten, komplizierten Spannung, die unmittelbar dafür sorgte, dass sich Shikamarus Magen vor Übelkeit zu drehen schien. Neji stand bewegungslos da, wie eine Vision, herausgeschnitten aus Mondlicht und Schatten, bestehend aus scharfen Kanten und weichen Ebenen.

 

Und dennoch so unerreichbar wie ein Geist…

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten und seine dunklen Augen glitten tiefer, um langsam über die Male auf Nejis Brust zu wandern. Langsam schüttelte er den Kopf, seine Stimme leise und rau. 

 

„Ich kann nicht dabei zusehen, wie du das tust.“

 

Neji atmete bedächtig ein. 

 

Und dann hob der Hyūga völlig unerwartet die Hand. 

 

Shikamaru blinzelte, als er die Spitzen von Nejis Fingern über seine Stirn streichen spürte, bis sie zärtlich weiter hinunter glitten, um über seine Wimpern zu geistern und ihn so zu zwingen, die Augen zu schließen. 

 

„Dann tu es nicht.“, wisperte Neji.

 
 

xXx
 

 
 

Die Konoha Ninjas wurden am Mittag in die große Halle von Hanegakure gerufen. Der massive Versammlungsraum war in den höheren Lagen der Baumkronen errichtet worden und aus dicken, stabilen Hölzern gefertigt, die sich zu einer kuppelgleichen Struktur formten. Die Halle bot eine beeindruckende Akustik, die dazu gedacht war, die Stimme des Mannes, der zentral an dem riesigen runden Tisch saß, durch den Saal zu tragen.

 

Ozuku Tsubasa.

 

„Mann, der Typ sieht aus, als hätte er eine mit dem Hässlichkeitsstock übergebraten bekommen.“, giggelte Naruto leise. 

 

„Stock? Wohl eher mit dem ganzen Baum, huh?“, murmelte Kiba und stupste Shikamaru mit dem Ellbogen in die Rippen. 

 

Der Nara zuckte mit den Achseln und rutschte von dem Inuzuka fort. „Was auch immer.“

 

„Seid still.“, mahnte Neji ernst, die Augen nach vorn gerichtet. 

 

Shikamaru hob eine Braue und ließ seinen schläfrigen Blick quer über den Tisch und hinüber zu dem Tsubasa Oberhaupt wandern. Mit träger Observierung musterte er Ozukus abnorme Habichtartigen Züge.

 

Kein Zweifel; dieser Mann war Fukurōs Bruder. 

 

Die Tsubasa Geschwister teilten sich dasselbe rostfarbene Haar und die Adlernase, ihrer beider Kiefer waren hart und stark geformt. Ozuku schmückte sich jedoch offensichtlich mit einer Reihe von Tätowierungen, die über sein gesamtes Gesicht verteilt waren, was seine Konturen seltsam verzerrt wirken ließ. Außerdem war er trotz seiner voluminösen Roben von kleinerer Statur als Fukurō es gewesen war. Alles in allem sah er mehr wie ein Priester als ein Krieger aus; doch trotz seiner zeremoniell wirkenden Kleidung schien er vom Gemüt her deutlich zurückhaltender zu sein als sein Bruder es einst war. 

 

Er ist ruhiger…wahrscheinlich auch deutlich klüger…

 

Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sich der Tsubasa Anführer leise mit Kitori unterhielt und zu den Informationen nickte, die sie ihm weitergab. Während die beiden miteinander sprachen, nutzte der Nara die Gelegenheit, um die restlichen Anwesenden in dem Raum zu studieren. Insgesamt waren zehn Tsubasa Wachen in der Halle stationiert, während eine Gruppe Berater an Ozukus Seite stand. 

 

Die Konoha Shinobi hingegen waren um Neji und Shikamaru versammelt, die im Zentrum der anderen Tischseite saßen. Ansonsten war die Halle leer und das kuppelförmige Dach trug keine Geräusche in sich außer dem Gezwitscher von Vögeln – und Narutos sporadischem Gemecker. 

 

„Wann fangen wir denn endlich an – AU!“

 

„Sei still!“, zischte Sakura. 

 

Doch bevor der Uzumaki einen weiteren unangemessenen Kommentar abgeben konnte, zog eine Bewegung Shikamarus Aufmerksamkeit zurück zu dem Tsubasa Oberhaupt. Kitori trat zur Seite, als sich Ozuku etwas drehte und kurz seine Handflächen auf den Tisch legte, bevor er in einer Geste des Willkommens seine Arme ausbreitete. 

 

„Shinobi aus Konoha.“, begann Ozuku und seine tiefe Stimme erfüllte die Halle. „Während es eine Freude ist, sich nach so langer Zeit endlich wieder in der Gesellschaft alter Verbündeter zu befinden, ist es umso bedauerlicher, dass wir uns nur aufgrund solch schlimmer Umstände zusammenschließen.“

 

Neji neigte respektvoll den Kopf. „Ozuku-sama.“

 

„Kitori hat mich darüber informiert, dass ihr eure Unterstützung in Bezug auf unser Rebellenproblem angeboten habt.“ Ozuku lächelte schwach, die tätowierten Federn um seine Augen zogen Shikamarus Fokus auf diese dunklen ruhigen Seen. 

 

„Das ist korrekt.“, sagte Neji. „Im Gegenzug für ein offizielles Friedensbündnis zwischen unseren Dörfern.“

 

„Ich verstehe. Ich kann mich nur für den Ärger entschuldigen, den mein Bruder und seine Rebellenarmee in Konoha verursacht haben.“ Mit einer reuevollen Miene zogen sich Ozukus Mundwinkel nach unten. „Ich hatte gehofft, dieser Bürgerkrieg würde sich nicht über die Grenzen unseres Landes ausbreiten.“

 

Kurz ließ Shikamaru seinen Blick zwischen Kitori und dem Clanoberhaupt hin und er wandern. „Wenn Sie wussten, dass dennoch ein Risiko dafür bestand, warum haben Sie die benachbarten Dörfer nicht unterrichtet?“

 

Kopfschüttelnd seufzte Ozuku. „Um ganz ehrlich zu sein, habe ich mich zu sehr geschämt, um Konoha um Hilfe zu bitten. Wenn man bedenkt, dass es mein eigener Bruder war, der Hanegakure betrogen hat. Außerdem wollte ich eine friedliche Lösung finden. Es gab eine Zeit, in der Fukurō und ich unseren Clan gemeinsam geführt haben; in Frieden.“

 

„Also was hat sich verändert?“, fragte Shikamaru.

 

„Ich bin mir sicher, dass Kitori euch bereits erzählt hat, dass ihm die Macht zu Kopf gestiegen ist.“

 

Neji nickte langsam. „Er wollte Dōjutsus sammeln.“

 

„Nicht einfach nur Dōjutsus, sondern jede Form von Kekkei Genkai.“ Ozukus Blick richtete sich direkt auf Neji, wie um seine Worte zu unterstreichen. „Und wie es der Zufall will, gibt es in Konoha überaus mächtige Dōjutsus, wie zum Beispiel das Sharingan oder das Byakugan…was mich daran erinnert; ich war sehr betrübt, von der Uchiha Tragödie hören zu müssen. Wir haben für sie gebetet.“

 

Shikamaru spähte zu Naruto hinüber. Die Augen des Uzumaki schimmerten mit ungebremsten Emotionen; ein Flackern von Schmerz und eine brennende Entschlossenheit. Träge blinzelte der Nara, bevor er zurück zu Ozuku sah. 

 

„Religion scheint hier ja eine große Sache zu sein, huh?“, fragte er. 

 

Glaube ist es.“, korrigierte Ozuku. „Und jetzt im Moment möchte ich meinen Glauben und mein Vertrauen in eure Shinobi setzen. Fukurō hat den Großteil unserer militärischen Stärke mit sich genommen, als er verbannt wurde.“

 

„Und jetzt führt Hibari sie an.“, ergänzte Kitori leise. 

 

„Ja.“ Ozuku warf der Kunoichi einen mitfühlenden Blick zu. „Und er ist im Besitz unserer geheimen Clanschriftrollen. Sie müssen zurückgebracht und dem Tempel wiedergegeben werden. Das Jutsu, das in diesen Rollen enthalten ist, ist verboten und muss versiegelt werden.“

 

„Also werden wir sie aufspüren und ausschalten.“ Naruto grinste. 

 

„Um es sehr einfach auszudrücken.“, sagte Neji flach und hob eine Hand, um mit den Fingern auf subtile Weise auf seine Brust zu drücken. 

 

Shikamaru entging diese Bewegung nicht und er spähte zu dem Hyūga hinüber. Neji ignorierte ihn. 

 

„Hey.“, funkte Kiba dazwischen. „Lasst uns nicht vergessen, dass sich diese Rebellen im gottverdammten Boden befinden.“

 

„Ja, wir hatten bereits vermutet, dass sie sich in den Untergrund zurückziehen würden.“ Ozuku nickte. „Kitori und ihre Fährtenleser werden euch dabei unterstützen, sie zu lokalisieren.“

 

„Wir können ihre Spur von dort aus aufnehmen, wo sie uns angegriffen haben.“, sagte Neji und ließ seine Hand sinken. 

 

„Bevor wir das tun, müssen wir wissen, womit wir es zu tun haben; vor allem, was dieses verbotene Jutsu betrifft.“, warf Shikamaru ein, die Augen noch für einen weiteren Moment auf Neji gerichtet, bevor er sie auf Ozuku fixierte. „Wir wurden damit angegriffen und auf eine weitere Vorführung kann ich dankend verzichten.“

 

Ozukus Berater versteiften sich neben ihm und schienen sich gegen diese Worte zu sträuben, als hätten sie ihre Federn zerzaust. Der Tsubasa Anführer brummte und schüttelte den Kopf mit bedauernder Miene.

 

„Ihr müsst bitte die Notwendigkeit der Vertraulichkeit dieser Information verstehen.“, sagte Ozuku. 

 

Shikamarus Augen verengten sich. „Was ich verstehe, ist, dass wir hier sind, um euer Problem zu lösen, weil ihr es zu unserem Problem gemacht habt.“

 

Neji warf ihm einen scharfen warnenden Blick zu, doch Shikamaru ignorierte ihn geflissentlich und hielt die Augen starr auf Ozuku fixiert. Das Tsubasa Oberhaupt lehnte sich in seinem gepolsterten Stuhl zurück und sein tätowiertes Gesicht verzog sich leicht vor Überraschung darüber, dass er so offen herausgefordert wurde. Oder beleidigt; auch gemessen daran, dass Shikamaru ihn nicht länger mit Höflichkeitsformen ansprach.

 

Als würde mich das auch nur einen Dreck interessieren.

 

Für einen Moment legte sich unangenehme Stille über sie. 

 

Ein Moment, in dem Ozuku Shikamarus unerschütterliches Starren erwiderte und dessen Sackgasse auch nicht von den raschelnden Roben der unruhigen Berater durchbrochen werden konnte. Der Nara hob eine Braue und erntete als Antwort ein leichtes Stirnrunzeln. 

 

„Während wir sehr gut verstehen, in welcher Lage Sie sich derzeit befinden, Ozuku-sama“, begann Neji schließlich, um die Spannungen zu lösen, „müssen Sie auch die unsere verstehen. Wir können nicht blind kämpfen.“

 

Ozukus Augen zuckten zu dem Hyūga und er brummte leise, bevor er langsam blinzelte. „Ich verstehe…“

 

„Ozuku-sama.“, protestierte einer seiner Berater, doch ein kurzes Rucken von Ozukus Handgelenk brachte ihn zum Schweigen. 

 

„Hier geht es darum, die Nutzer dieses Jutsus aufzuhalten und es außer Kraft zu setzen.“, sagte Ozuku. „Es ist sehr schwer dieses Jutsu zu kontern, gerade, weil sich die bewirkenden Ninjas außerhalb der Reichweite aufhalten.“

 

„Wie weit außerhalb der Reichweite?“, fragte Shikamaru.

 

„Weit genug, dass sie mit einem schützenden Barrierejutsu niemals gefunden werden können.“ Ozuku schüttelte den Kopf. „Außerdem können sie es über einen beträchtlich langen Zeitraum aufrecht erhalten, wenn sie genug Chakra haben.“

 

„Aber wer hat so ein immenses Chakralevel?“, ergriff nun auch Lee das Wort, seine buschigen Brauen zogen sich zusammen.

 

„Jemand, der seine Reserven jederzeit regenerieren kann.“, beantwortete Shikamaru die Frage und spähte zu Neji hinüber. „Richtig?“

 

Neji summte. „Fukurō und seine Rebellen haben Chakrapillen eingenommen, als wir gegen sie gekämpft haben.“

 

„Ja.“ Ozuku nickte. „Aus diesem Grund hat Fukurō mit den Experimenten zur Chakra-Verdichtung begonnen. Er wollte die Chakrareserven deutlich erhöhen, damit die Shinobi, das Jutsu wirken und über lange Zeiträume aufrechterhalten können.“

 

Super…und dafür hat er seine eigene Tochter als Laborratte benutzt…

 

Shikamaru seufzte. „Und dein Neffe, Hibari, hat einen ganzen Vorrat dieser Pillen, habe ich das richtig verstanden?“

 

„Das dürfte korrekt sein.“, sagte Ozuku und störte sich offenbar nicht länger an den fehlenden Höflichkeitsfloskeln. „Im Endeffekt ist das Jutsu einem Schwarmjutsu sehr ähnlich.“

 

Naruto schnaubte. „Davon abgesehen, dass die Vögel nicht einfach verpuffen.“

 

„Sie bilden eine gewaltige Kraft, wenn sie als Einheit arbeiten.“, erklärte Kitori weiter, die Arme locker vor der Brust verschränkt. „Sie sind darauf trainiert, Genick, Augen und andere lebenswichtige Körperbereiche zu attackieren.“

 

„Das ist ein ziemlich abgefucktes Jutsu.“ Der Uzumaki erschauerte und kratzte sich am Hinterkopf. 

 

Ach sag bloß.

 

Shikamaru teilte das Unbehagen des Blondschopfes, zeigte es aber nicht; seine Aufmerksamkeit war gerade darauf gerichtet, all die neu gewonnenen Informationen zu katalogisieren. Sein Verstand war bereits dabei, all die Teile zu einer losen Strategie zusammenzusetzen, während er sämtliche Möglichkeiten durchging und dabei auch jedwede nötigen Vorsichtsmaßnahmen bedachte. Sein Fokus veränderte sich erst, als Neji zu sprechen begann. 

 

„Auf jeden Fall“, begann der Hyūga und hielt kurz inne, um mit der Hand erneut seine Brust zu berühren, „werden wir einen der Rebellen isolieren müssen, um ihn verhören zu können. Oder wir müssen alternativ ihre Reihen infiltrieren, um die Shinobi ausfindig zu machen, die das Jutsu wirken. Shikamaru?“

 

„Ja, dem stimme ich zu.“ Shikamaru nickte, seine Aufmerksamkeit auf Nejis Hand gerichtet. 

 

„Sehr gut. Kitori ist mit all unseren militärischen Angelegenheiten betraut. Also was auch immer ihr in dieser Hinsicht benötigt, ihr müsst sie nur danach fragen.“, erklärte Ozuku und strich mit den Handflächen über die Tischplatte, als würde er diese Sache damit abschließen wollen. „Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muss zum Tempel.“

 

„Tempel?“, fragte Sakura, während sich das Clanoberhaupt aus seinem Stuhl erhob. 

 

„Ja. Wir sind Leute des Glaubens.“ Ozuku lächelte und sprach mit leiser Ehrfurcht. „Es ist alles, was die Tsubasa im Moment noch haben. Also werden wir beten, bis wir wieder Frieden haben. Der Tempel ist unser Bollwerk.“

 

Shikamaru wandte den Kopf und beobachtete, wie die Berater sich dem Ausgang der Halle zubewegten, ohne Zweifel auf dem Weg zu besagtem Tempel. Kurz darauf zuckte sein Blick zurück zu Neji, als sich der Hyūga erhob und Ozuku zunickte. 

 

„Wir werden unser Ziel umreißen und mit Ihren Shinobis abstimmen.“, sagte Neji; seine Stimme wurde zum Ende hin sehr schwach und dünn, als würde er ein Husten in sich halten wollen. 

 

Sofort spürte Shikamaru, wie sich wieder dieser kalte ziehende Knoten in seiner Magengegend verkrampfte und er versuchte angestrengt, ihn zu ignorieren, während er träge seinen Stuhl nach hinten schob und gemeinsam mit den anderen aufstand. Doch bevor sich das Konoha Team umdrehen und gehen konnte, berührte Ozuku mit einer Hand seine Brust direkt oberhalb des Herzens und seine tiefe Stimme trug einen Segen mit sich, von dem Shikamaru hoffte, dass sie ihn nicht brauchen würden.

 

„Ich werde für euch beten.“

 
 

xXx
 

 
 

„Für uns beten?“, murrte Naruto und trottete mit einem Stirnrunzeln neben Shikamaru her. „Was sollte das denn?“

 

Shikamaru hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet, die Hände tief in seinen Taschen begraben, während er lief. Als Antwort auf die Frage des Uzumakis zuckte er nur mit den Achseln. 

 

„Was auch immer.“, sagte er gedehnt. „Lass sie beten, während wie ihren Kampf für sie austragen.“

 

Deutlich konnte er Kitoris vernichtenden Blick auf sich spüren, bevor er ihre bissigen Worte hörte. 

 

„Ozuku-sama ist kein Soldat.“, verteidigte die Kunoichi ihr Oberhaupt. „Fukurō war einer.“

 

„Ja.“ Der Nara hob eine Braue. „Und du bist der Ersatz, richtig?“

 

„Shikamaru!“, warnte Neji über die Schulter hinweg, als er der Gruppe voraus lief. 

 

„Ich habe euch bereits gesagt, dass ich die Stellung meines Mannes kannte.“, sagte Kitori. „Was bedeutet, dass ich mich bestens mit der Verfahrensweise und Verantwortlichkeit auskenne, die mit der Führung eines militärischen Verbandes einher gehen.“

 

„Klar.“ Shikamaru gähnte und zog eine Hand aus der Tasche, um sich die Augen zu reiben.

 

Kitori schnaubte verächtlich und trat an Nejis Seite. „Lass mich wissen, was ihr braucht, wenn du deine Strategie ausgearbeitet hast, Hyūga. Ich werde ein Team zusammenstellen, dass dich unterstützen wird.“

 

„Du überlässt alle Angelegenheiten auf einmal uns?“ Kiba grinste und ritt träge auf Akamarus Rücken, während sich die Gruppe dem ‚Krähennest‘ näherte. „Du hast deine Meinung ja schnell geändert. Ich dachte, wir würden euch nur im Weg umgehen?“

 

„Ozuku-sama glaubt an euch.“ Kitori nickte energisch. „Ich glaube an ihn.“

 

Neji blieb vor dem Gästehaus stehen und drehte sich Kitori zu, während sich der Rest des Teams nach drinnen begab. „Wir werden tun, was nötig ist, um dieses Problem zu lösen.“

 

„Danke.“ Kitori lächelte schwach und nickte, bevor sie den Weg zurückging, den sie gekommen waren und Shikamaru mit einem vernichtenden Blick bedachte. 

 

Doch Shikamaru sah sie nur gelangweilt an, vollkommen unbeeindruckt davon, dass sie so irritiert über ihn war. Er drehte sich erst um, als Neji auf ihn zuschritt und er die Verbitterung des Hyūgas spürte. 

 

„Bist du dann fertig damit, sie zu verärgern?“, fragte Neji, die Augen auf die sich entfernende Kunoichi gerichtet. 

 

„Vielleicht gefällt es mir auch nur, den Ausdruck auf deinem Gesicht zu sehen, Hyūga.“, neckte Shikamaru ihn und schob sich wie eine träge Brise an ihm vorbei in das Gästehaus. Er spürte, wie Neji zu ihm aufholte, als er die Treppe hinaufstieg. 

 

Oben angekommen traf er auf Chōji. „Shikamaru, was willst du, das wir jetzt machen?“

 

Der Nara lächelte ehrlich, wie immer dankbar darüber, auf welch unkomplizierte Weise Chōji ihn verstand; was es ihm ersparte, seinen Atem und seine Energie zu verschwenden. „Überprüft, was wir noch alles an Ausrüstung haben und ob alles in Ordnung ist. Es würde auch sehr helfen, wenn du und Sakura mit Kitori über die Waffen sprechen würdet, mit denen die Rebellen ausgestattet sind. Lass es mich wissen, wenn ihr alle Informationen habt und ich werde das dann in die Strategie einarbeiten.“

 

Lächelnd nickte Chōji. „Überlass das nur mir.“

 

Shikamaru klopft ihm dankend auf die Schulter. „Wenn dieser Mist vorbei ist und keiner von uns dabei draufgeht, werde ich deine Hilfe bei Inos Geschenk brauchen.“

 

Chōji lachte. „Was ist mit deinem Geburtstag?“

 

„Ach, bei mir ist das doch kein Problem. Ino dagegen ist eine gottverdammte Mission, die gut geplant sein will.“ Shikamaru seufzte. „Also falls du irgendwas Glitzerndes und Mädchenhaftes siehst, während wir hier sind, sag mir Bescheid. Wie auch immer; Neji und ich müssen eine Strategie ausarbeiten. Bis später, Leute.“

 

Ihre Wege trennten sich mit einem weiteren Nicken und Shikamaru drehte sich, um mit Neji auf den Fersen in die entgegengesetzte Richtung zu laufen. Doch sie wurden von einer sanften Stimme aufgehalten. 

 

„Neji-niisan…“

 

Verdammt, sie ist wirklich hinterhältig., dachte Shikamaru und schritt weiter zu ihrem Zimmer, während sich Neji zu der Kunoichi umwandte. Der Schattenninja tat so, als würde er sich voll und ganz darauf konzentrieren, die Tür zu öffnen und war nicht in der Lage, einen Blick auf das zu erhaschen, was Hinate ihrem Cousin zu geben versuchte. 

 

„Ich verstehe nicht.“, sagte Neji; doch seine Stimme wurde augenblicklich flach genug, um Shikamaru deutlich zu vermitteln, dass er sehr wohl verstand. Er wollte nur nicht darüber diskutieren – was auch immer es war. 

 

„I-ich glaube es wird dir helfen mit-…“

 

„Ich brauche das nicht!“, schnitt Neji ihr scharf das Wort ab.

 

Langsam drehte Shikamaru den Türknauf und linste zu den beiden Hyūgas hinüber; gerade so konnte er Hinatas bestürzten Gesichtsausdruck erkennen, konnte ihn aber deutlich in ihrer Stimme hören, als sie weiter stammelte. 

 

„Aber i-ich, es ist-…“

 

„Hinata, ich brauche das nicht.“

 

Mit der Schulter drückte Shikamaru die Tür auf und neigte sich weit genug, um Hinatas Blick über Nejis Schulter hinweg einfangen zu können. Er schüttelte den Kopf; eine stumme Aufforderung, auf die sie dankbarerweise reagierte. Die Kunoichi zog sich zurück und sah ihren Cousin ein letztes Mal an, bevor sie zögerlich den Gang zurück lief. 

 

Gerade als Neji sich umdrehte, schlüpfte Shikamaru vollständig in das Zimmer; er schaffte es jedoch kaum bis in die Mitte des Raumes, bevor die Tür mit einem lauten Knallen zugeworfen wurde und er innerlich zusammenzuckte.

 

Fuck…

 

„Was hast du ihr erzählt?“, forderte Neji mit anklagender Stimme zu wissen. 

 

„Nichts, was sie nicht ohnehin schon wusste.“, erwiderte Shikamaru ruhig und trottete hinüber zu einem der Betten. „Sie ist sehr scharfsinnig. Ziemlich lästig für dich, oder?“

 

Neji schnaubte. „Du bist deutlich ‚lästiger‘ als sie, Nara.“

 

„Jo, dann stell dir mal vor, zu was das einen sturen Bastard wie dich macht.“

 

Das ließ Neji verstummen und veranlasste Shikamaru dazu, zu dem Hyūga hinüber zu spähen, während er sich auf dem Rand des Bettes niederließ. Er reagierte nicht auf den finsteren Blick, der auf ihn gerichtet war und hob stattdessen nur eine Augenbraue; forderte den Hyūga damit unmissverständlich dazu heraus, über diese Sache ein Wortgefecht zu beginnen. 

 

Doch das tat er nicht. 

 

Neji schloss nur die Augen und seufzte, während er sich über den Nasenrücken rieb.

 

Er sah vollkommen erschöpft aus. 

 

Das ist er auch…

 

Angestrengt widerstand Shikamaru dem Drang, aufzustehen und zu dem Jōnin hinüber zu gehen; er entschied sich für eine sicherere und vernünftigere Wahl – Distanz. Aufmerksam hielt er seinen Blick auf Neji gerichtet, die Unterarme über die Knie gelegt und den Hyūga schweigend musternd. 

 

Neji musste seinen Blick gespürt haben, denn seine blassen Augen öffneten sich zitternd und starrten ihn müde an. „Sieh mich nicht so an.“

 

Shikamaru zwang sich zu einem schwachen Lächeln, obwohl sich die tiefe Besorgnis in ihm mit aller Macht auf seine Züge stehlen wollte. Doch trotz all seiner Mühen sie zu verbergen, musste Neji sie auf seinem Gesicht bemerkt haben, denn der Hyūga schüttelte den Kopf, trat nach vorn und strich mit den Fingerspitzen zärtlich über Shikamarus Lider, um die dunklen Augen noch einmal dazu zu zwingen, sich zu schließen. 

 

„Nicht.“, wisperte der Hyūga leise. 

 

Shikamaru griff nach oben, um Nejis Handgelenk zu packen und dessen Hand von seinem Gesicht fortzuziehen, sodass er ihre Blicke verbinden konnte. „Viel zu spät, findest du nicht?“

 

Neji lächelte leicht, seine müden Augen umrahmt von Schatten. „Jetzt wäre eigentlich der Moment, in dem ich mir gestatte, dich zu hassen.“

 

„Klingt nach einer guten Idee.“, stimmte Shikamaru ihm sanft zu und entließ Nejis Handgelenk; doch aus irgendeinem Grund, senkte Neji seine Hand nicht. 

 

Beinahe wäre Shikamaru zusammengezuckt, als Nejis Finger über die schräge Kante seines Kiefers strichen. Der Schattenninja legte leicht die Stirn in Falten, bevor er ein unsicheres Lächeln anbot, um das Chaos aus Reaktionen zu kaschieren, das plötzlich in ihm ausgebrochen war. 

 

„Ist das deine Vorstellung davon, mich zu hassen, Hyūga?“, murmelte Shikamaru und versuchte mit aller Macht, Belustigung in seine Stimme zu zwingen. „Ziemlich kontraintuitiv.“

 

„Hmn.“ Neji schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was das hier ist…“

 

Der Zwiespalt in Nejis Stimme, gepaart mit der Erschöpfung in den Augen des Hyūgas, zog einen scharfen schmerzhaften Stich durch Shikamarus Brust. Mit einem weiteren trägen Grinsen versuchte er ihn zu ignorieren. 

 

„Wie wäre es mit ‚lästig‘?“, schlug Shikamaru vor, wehrte sich nicht gegen Nejis Berührung und versuchte sein Äußerstes, ebenso wenig darauf zu reagieren. 

 

„Sehr.“, stimmte Neji zu und runzelte die Stirn, als er einen Fingerknöchel zurück über Shikamarus Kiefer gleiten ließ. 

 

Shikamaru blinzelte langsam bei dieser Berührung. „Du siehst aus wie Scheiße, Neji.“

 

Der Hyūga lächelte trocken. „Danke.“

 

„Du musst wirklich schlafen.“

 

„Wir müssen wirklich eine Strategie ausarbeiten.“

 

Ruhig richtete sich Shikamaru auf seinen Füßen auf, was dazu führte, dass sie sich prekär nahe waren, da Neji auch keinerlei Anstalten machte, zurückzuweichen, während sich der Nara erhob. „Ich habe bereits eine gute Strategie im Sinn, willst du sie hören?“

 

Kopfschüttelnd ließ Neji die Hand sinken. „Ich glaube nicht.“

 

Ohne nachzudenken legte Shikamaru seine Stirn an Nejis und hob eine Hand, um mit einem Finger an eine Schläfe des Jōnins zu tippen. „Erfordert keinerlei Nachdenken von deiner Seite.“

 

„Beleidigst du schon wieder meine Intelligenz?“, murmelte Neji mit weicher Stimme und sein Atem spielte um Shikamarus Lippen. 

 

Shikamaru musste all seine Willenskraft aufbringen, um nicht mit einem leichten Beben die Augen zu schließen, und so ließ er stattdessen seine Lider ein wenig fallen und beobachtete Neji weiter durch dichte Wimpern. „Vorzuschlagen, dass du ein verdammtes Nickerchen machen solltest, ist keine Beleidigung.“

 

„Warum gibst du mir überhaupt die Wahl? Vor zwei Monaten hast du mich einfach ausgeknockt.“, erwiderte Neji und gab sich Mühe, nicht zu lächeln. 
 

„Fängst du schon wieder mit diesem Mist an?“ Shikamaru zog den Kopf zurück und sah den Jōnin nun mit offener Belustigung an. „Das wirst du niemals gut sein lassen, oder?“

 

Neji hob eine Braue. „Auf keinen Fall.“

 

„Du hast mir beinahe den Schädel gespalten – zweimal.“

 

„Aber bisher habe ich dich noch nicht bewusstlos geschlagen.“, bemerkte der Hyūga und hielt in gespielter Nachdenklichkeit inne. „Nicht, dass ich das müsste, gemessen daran wie viel zu schläfst.“

 

Shikamaru lachte und genoss das leichtere Gefühl in seiner Brust. Er ernüchterte jedoch rasch wieder, als er verspätet bemerkte, dass sich seine Finger zu Nejis Nacken geschoben hatten und diese vertraute zärtliche Massage begonnen hatten, um die Knoten aus Anspannung zu lösen, die sie dort vorfanden. Und noch überraschender war die Tatsache, dass Neji die Berührung ohne auch nur die geringste Form von Missbilligung zuließ. 

 

Was zur Hölle mach ich hier…schon wieder…

 

Shikamaru hielt in seinem sanften Kneten inne und lächelte schwach, als er versuchte, sie beide von dem abzulenken, was er tat. In vorgetäuschter Drohung packte er härter Nejis Nacken und wies mit seinen nächsten Worten auf subtile Weise auf den Druckpunkt im Genick des Jōnins hin. 

 

„Ich könnte es jederzeit wieder tun.“

 

Lächelnd rollte Neji mit den Augen. „Wahrscheinlich würdest du uns beiden damit einen Gefallen tun.“

 

„Vorsicht, Hyūga. Das klingt wie eine Erlaubnis.“

 

„Vielleicht ist es auch einfach nur eine Bitte.“, scherzte Neji schwach und schüttelte einen Augenblick später den Kopf gegen diese Worte an. 

 

Stirnrunzelnd ließ Shikamaru seinen Blick über Nejis Gesicht wandern, bis er sich auf die dunklen Ringe unter den Augen des Jōnin richtete. „Es ist vollkommen in Ordnung, sich eine Atempause zu gönnen, weißt du.“

 

Neji schnaubte mit dem schwächsten Heben seiner Mundwinkel. „Sehr geistreich, Nara.“

 

Ich meine es ernst…

 

Shikamarus Augen senkten sich zum Mund des Hyūgas und er erinnerte sich an das Blut, das zwischen diesen schwach geschwungenen Lippen hervor gequollen und über die blasse Haut geronnen war. Langsam wanderte seine Hand wieder nach vorn und ummantelte Nejis Kiefer, sein Daumen strich federleicht über den Mundwinkel des Jōnins und folgte der imaginären Spur aus Blut.

 

Vollkommen ruhig beobachtete Neji ihn, doch in seinen blassen Augen flackerte Verwirrung auf. 

 

Energisch mied Shikamaru diese wolkengleichen Seen und strich kopfschüttelnd mit dem Daumen langsam über Nejis Mund. „Du bist ein schmerzhaftes Ärgernis, Hyūga…“

 

Er realisierte gar nicht, wie wörtlich seine Aussage war, bis er spürte, wie Besorgnis schon wieder schwer auf ihm lastete. Wie ein dumpfer Schmerz, der einfach nicht vergehen wollte. 

 

Es ist unerlässlich für mich, dass er vergeht…

 

Doch Neji zerstörte seine Gedankengänge bereits eine Sekunde später, als er warm lächelte und Shikamaru die Bewegung des Mundes unter seinen Fingern spürte. Es brachte ihn dazu, dem Bogen von Nejis Lippen mit einem Streicheln seines Daumens zu folgen, bevor er seine Hand zur Schulter des Hyūga senkte. 

 

Scheiße…Scheiße…Scheiße…

 

„Wäre besser, wenn wir mal die Köpfe zusammenstecken und eine Strategie ausarbeiten, oder?“ Shikamaru runzelte die Stirn und stierte auf seine Hand, um nicht in Nejis Augen zu sehen. „Fangen wir am besten damit an, uns die Karten anzusehen…“

 

„Shikamaru…“

 

„Lass uns einfach diesen lästigen Mist hinter uns bringen…“, sagte der Nara heiser und wagte es nicht, ihre Blicke zu verschmelzen. 

 

Gott verdammt…ich kann nicht zulassen, dass es erneut anfängt…wieder und wieder…

 

Es wurde immer schwerer, es aufzuhalten.

 

Und diesmal, als Nejis Fingerspitzen über seine Wimpern strichen, hatte er die Augen bereits geschlossen.

 

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Time flies...Ich kann es nicht fassen...mit diesem Kapitel ist Break to Breathe bereits zur Hälfte abgeschlossen und obwohl noch so viel mehr kommt, fühle ich mich schon fast ein bisschen wehmütig, es wird mir schwer fallen, die beiden irgendwann gehen lassen zu müssen...

 

Aber genug der Sentimentalitäten, ich möchte diesen Mittelpunkt für ein paar Anmerkungen nutzen :) 
 

1. A./N.: Vielen Dank an erster Stelle natürlich an alle Reviewer/innen und Leserinnen!! Es ist so toll für mich zu sehen, wie gut BtB bei deutschen Lesern ankommt! Ich hatte tatsächlich die Sorge, dass der Stil von BtB eher nicht so gut aufgenommen wird, da sich die Geschichte doch sehr langsam entwickelt, der Leser wird nur häppchenweise mit Informationen gefüttert (was natürlich an den Nerven zerrt, aber das ist ehrlich gesagt beabsichtigt) und man muss viel zwischen den Zeilen lesen. Ich hatte Angst, das viele das Interesse an dieser Geschichte verlieren werden und umso begeisterter bin ich, dass sich meine Befürchtungen nicht bewahrheitet haben; im Gegenteil! Danke dafür!!! Es würde mich wirklich sehr interessieren, wie euch das neue Kapitel und die Geschichte im Allgemeinen gefällt, also wie immer freue ich mich über Meinungen, Anregungen, Verbesserungsvorschläge, etc!!! :D 
 

2. A./N.: Durch ein paar Nachrichten von ganz lieben Leserinnen habe ich doch gemerkt, dass es durchaus die ein oder andere Frage in Bezug auf diese FF gibt, weswegen ich hier nochmal deutlich machen will: BITTE, sollte euch irgendeine Frage auf der Seele brennen, völlig egal, ob es um einen Charakter, eine inhaltliche Unklarheit, Fragen zu den kommenden Teilen der Serie, oder was auch immer geht - scheut euch nicht, mir einfach zu schreiben, ich nehme mir gerne die Zeit und beantworte alle eure Fragen, denn ich will euch ja nicht mit noch mehr Fragezeichen zurücklassen, als es die FF bisher sowieso tut! ;) Und es hilft dann vielleicht auch, ein bisschen besser nachvollziehen zu können, warum sich das Verhältnis zwischen Neji und Shikamaru so langsam entwickelt ;) 
 

3. A./N.: Da ich diese "Frage" nun schon in mehreren Kommentaren habe durchschimmern sehen, werde ich sie hier mal beantworten: Nein, Neji will NICHT sterben!!
 

4. A./N.: Ich weiß, dass viele von euch darauf warten und deswegen hier nochmal die Versicherung: More ShikaNeji action is on its way!!! ;) 
 

Habe ich irgendwas vergessen? Keine Ahnung, vielleicht, mir egal :D Ich hoffe auf jeden Fall sehr, dass euch das neue Kapitel gefallen hat! :)

 

 

 

Doesn't that tell you something?

Die nächsten paar Stunden bestanden aus einem Strom endloser Aufgaben, einem mäandernden Fluss aus Zielen, die Neji akribisch zwischen den Konoha Shinobis aufgeteilt hatte. Führer wurden ausgesucht, Ausrüstungen überprüft, das Netzwerk des Dorfes umrissen und Teams aufgestellt und ausgesandt, um die Waffen zu holen, die von den Tsubasa Rebellen benutzt worden waren. 

 

Sehr gut…jetzt fehlen nur noch die letzten Schritte…

 

Als Neji die aus mächtigen Zweigen geformte Brücke überquerte, ging die Sonne bereits unter und die jahreszeitlich verfärbten Blätter hüllten ihn in eine Welt aus herbstlich erfülltem Feuer. Doch die Kälte schlich sich mit einer leichten Brise heran. Neji atmete langsam aus und ignorierte die schmerzenden Stiche in seiner Brust, während er sich dem ‚Krähennest‘ mit sicheren und raschen Schritten näherte. Er war überzeugt davon, dass wenn er jetzt langsamer werden würde, er dann gegen seinen abgekämpften Körper verlieren würde. 

 

Das darf nicht passieren.

 

Effizienz war im Moment sein Verbündeter und Erschöpfung sein größter Feind.

 

Beweg dich einfach weiter vorwärts.

 

Der Hyūga schlüpfte in das Gästehaus, lief schnell die Treppe hinauf und den Gang aus Räumen entlang bis zu dem Zimmer, in dem sich Shikamaru versteckt hatte und über seiner Strategie brütete. Ohne in seiner Geschwindigkeit nachzulassen, drehte Neji scharf den Türknauf und schob im selben Augenblick an der Tür, als sie von der anderen Seite aufgezogen wurde. 

 

Nicht schon wieder!

 

Nejis Augen flogen weit auf. 

 

Sofort erstarrte der Hyūga und kam abrupt zum Stehen, ohne die Tür loszulassen. Unglücklicherweise tat Shikamaru genau dasselbe, was dazu führte, dass die Tür heftig in eine Richtung und dann schlagartig in die andere ruckte. 

 

Einem lauten hässlichen Knacken folgte ein dumpfes Klacken gegen Nejis Stirnband. 

 

Dann Stille. 

 

Für einen unangenehmen Moment verharrte die Tür halb offen zwischen ihnen. 

 

Keiner machte irgendein Geräusch. 

 

Neji stierte auf die Maserung des Holzes, als würde er versuchen, Shikamaru durch die Tür hindurch zu sehen. 

 

Weitere Stille…
 

„Lass uns einfach so tun…“, sagte Neji letztendlich „…als wäre das gerade nicht passiert.“

 

Eine weitere peinliche Pause entstand, bevor Shikamarus Stimme um das Holz herum schwebte. 

 

„Hast du das Knacken gehört? Ja? Das war mein verfickter Kopf!“

 

Neji verspürte einen urplötzlichen Lachanfall in seiner Kehle aufflackern, begierig danach, aufzusteigen und mit vollen Tönen von seinen Lippen zu stolpern. Energisch schluckte er ihn hinunter, indem er sich räusperte. 

 

„Wenn es irgendwie dafür sorgt, dass du dich besser fühlst; ich habe den Rückschlag abbekommen.“

 

„Ja, auf dein gottverdammtes Stirnband.“

 

Neji biss sich auf die Zunge, um nicht zu kichern. „Ich habe dich deswegen gewarnt.“

 

„Ich glaube, es wäre besser für dich, auf deiner Seite der Tür zu bleiben, Hyūga.“

 

Neji schmunzelte, verharrte aber bewegungslos – doch er konnte der Gelegenheit nicht widerstehen, seine nächsten Worte fallen zu lassen. „Wurdest du gerade von einer Tür besiegt, Shikamaru? Hat sie dein Blut vergossen?“

 

Sehr langsam schoben sich Shikamarus Finger um den Spalt in der Tür und zogen sie zurück, um den äußerst flachen Gesichtsausdruck des Nara zu offenbaren; seine Augen träge zusammengezogen, während er sich mit der anderen Hand über die Stirn rieb.

 

„Du planst diese Scheiße, oder etwa nicht?“, fragte er.

 

Neji hielt seine täuschend ruhige Miene bei, doch in seinen Augen tanzte das Lachen, das er kaum in sich halten konnte. „Wenn du dich dadurch besser fühlst.“

 

Für einen Moment starrte Shikamaru ihn an, doch dann verzogen sich die Lippen des Nara zu diesem durchtriebenen Grinsen, das mehr als nur ein bisschen nervenaufreibend war, wenn man die Ränke dahinter lesen konnte. Neji hob eine Braue, unsicher, wie er darauf reagieren sollte, aber auf alles vorbereitet. 

 

„Du siehst nervös aus.“, kicherte Shikamaru leise und ließ seine Hand sinken, als er nach vorn trat und Neji dazu zwang, einen Schritt in den Korridor zurückzuweichen. 

 

„All diese Schläge auf deinen Kopf müssen dein Hirn wirklich beschädigt haben, wenn du wirklich glaubst, dass das der Fall ist.“, erwiderte Neji und ehrliche Belustigung ruinierte jeden Versuch, arrogant zu sein.

 

Ein tiefes kehliges Lachen fiel von Shikamarus Lippen, es klang beinahe wie ein Schnurren. Und Neji musste feststellen, dass er augenblicklich von diesem seltsam verführerischen Klang abgelenkt wurde. Es hätte sich nicht so anhören sollen.

 

Hat er schon immer so gelacht?

 

Seine Aufmerksamkeit wurde jedoch von diesem Lachen fort und auf ein leises Klicken gezogen, als der Schattenninja die Tür hinter sich zuzog. Die Belustigung verschwand von Nejis Zügen und wurde von einem fragenden Blick auf die Tür ersetzt. 

 

„Bist du schon fertig?“, fragte der Hyūga.

 

„Jo.“ Shikamaru nickte und lehnte sich mit einem Seufzen gegen das Holz. „Muss nur noch den ein oder anderen Mist mit dir und Kitori besprechen…dann kann ich die anderen darüber informieren.“

 

„Sie haben auch schon die Waffen besorgt.“ Neji nickte und sein Blick wanderte von der Tür zurück zu Shikamaru. „Hoffentlich geben sie uns Aufschluss darüber, gegen was wir antreten müssen.“

 

„Kann nicht schlimmer sein als ein Haufen Vögel, die über mir explodieren, oder? Ich werde mir die Waffen mal ansehen, auch wenn ich schon den Großteil dessen in der Strategie vorweg genommen habe; um alles andere habe ich mich also schon gekümmert. Die Informationen zu den Waffen müssen nur noch hinzugefügt werden.“

 

Neji lächelte schwach. Es überraschte ihn doch immer wieder, wie Shikamaru mit einem fast schon irritierenden Mangel an Interesse durch Karten und Informationen blättern konnte, dann seine Finger in dieser typischen Manier aneinanderlegte, sich zurücklehnte und diese Art von kriegerischen Meisterwerken heraufbeschwören konnte, die ranghohe und altgediente Militärkommandanten vor Neid erblassen ließen – und das in einer so kurzen Zeitspanne. 

 

„Also, wirst du Mediator spielen?“ Shikamaru neigte den Kopf in Richtung der Treppe.

 

„Mediator?“, echote Neji und drehte sich wie von selbst, um neben dem Schattenninja herzulaufen, während sie den Gang entlang schritten.

 

„Jo. Ich schätze mal, dass du nicht willst, dass ich sie schon wieder ‚verärgere‘, oder?“

 

Neji spähte zu dem Nara hinüber. „Ich verstehe nicht, was für ein Problem du mit ihr hast.“

 

Shikamaru zuckte nur mit den Achseln und bot sonst keine Reaktion an, als er die ersten Stufen der Treppe hinunterstieg und bevor Neji noch einmal fragen konnte. Der Hyūga ließ das Thema fallen und folgte zwei Schritte hinter Shikamaru, während er seine Gedanken auf andere Angelegenheiten richtete. Akribisch schätzte er die Zeit ein, die nötig war, um das Team und die Tsubasa Shinobi, die Kitori zu ihrer Unterstützung ausgewählt hatte, über alles zu informieren. 

 

Es sollte uns danach auf jeden Fall noch genug Zeit bleiben, um -!

 

Ein brutaler Schmerz stach sich wie eine Lanze in seine Brust und schoss bis zu seiner Schulter hinauf. 

 

Neji keuchte scharf auf und eine seiner Hände schnellte zur Seite, um sich am Geländer der Treppe festzuhalten.

 

Er wäre nach vorn gefallen, wenn Shikamaru sich nicht sofort in einer fließenden subtilen Bewegung umgedreht und zwei Stufen nach oben geschritten wäre, was dazu führte, dass ihre Schultern aneinanderstießen; es diente als Krücke, ohne dabei als solche offensichtlich zu sein. Die Treppe war eng genug, dass es für jeden anderen einfach nur so aussehen würde, als wären ihre Schultern versehentlich aneinandergestoßen, als sich ihre Wege gekreuzt hatten. 

 

Kami…nicht jetzt…

 

Neji konnte nicht einmal die leisen Gespräche unter sich hören, sein Fokus war vollkommen darauf konzentriert, durch den stechenden Schmerz zu atmen. Es fühlte sich an, als wäre er mit einem glühenden Schürhaken direkt durch die Rippen aufgespießt worden. Angestrengt versuchte er, Luft gegen diese scharfen Stiche in seine Lungen zu ziehen.

 

Ich…kann nicht atmen…

 

„Ganz ruhig…“, murmelte Shikamaru beruhigend gegen Nejis Ohr. „Geh ein paar Stufen zurück.“

 

„Es geht mir gut…“, zischte Neji und seine Finger verkrampften sich um das Geländer; eine tiefe gedemütigte Wut kroch in ihm hoch.

 

„Wenn du dich nicht dem verdammten zwanzig Fragen Spiel von Naruto stellen willst, dann gehst du zurück, jetzt!“Shikamarus Hand wanderte zu seiner Hüfte und packte sie fest. „Ich hab dich, beweg dich einfach.“

 

Neji schloss die Augen, er war sich nicht sicher, was schlimmer war; der Kontrollverlust über seinen Körper, oder der Schmerz, den er spürte. Sich weiterhin auf dem Geländer abstützend tat er wie ihm geheißen; schon allein, um wirklich eine Einmischung des Uzumaki zu vermeiden. Er wich ein paar Stufen zurück und bemerkte, wie Shikamaru sich im Gleichschritt mit ihm bewegte. In dem Augenblick, in dem sie den oberen Treppenabsatz erreicht hatten, spürte er, wie Shikamaru vorwärts drückte und sie beide fort von der Treppe schob. Die magere Privatsphäre des Ganges war im Moment ihre einzige Option.

 

Stop…

 

Er lehnte sich gegen die Wand und atmete rasselnd und flach, während er sich an die Brust griff; doch Shikamaru packte sein Handgelenk. 

 

„Nicht.“ Der Nara hatte die Stirn in Falten gelegt.

 

Nejis Miene verdüsterte sich und er hob seine freie Hand, um Shikamaru von sich zu schieben. Der entstandene Freiraum gab ihm die Möglichkeit, sich mit einem zerfetzten Keuchen nach vorn zu krümmen und bebend seinen Hustenreiz zu unterdrücken. 

 

Stop. Stop. Stop…

 

Er spürte, wie Hände seine Arme hinauf und bis zu seinen Schultern glitten; sie richteten ihn auf und drückten ihn zurück gegen die Wand. 

 

„Ganz ruhig, mach langsam…“ Shikamarus Handflächen lagen an der Wand zu seinen Seiten und die Arme des Nara hielten aufrecht gegen die Stütze der Wand. 

 

Schwach…ich bin nicht schwach…

 

Neji wollte die Worte herausbrüllen, doch sie wurden ihm von der Anstrengung entrissen, einfach nur zu atmen. Die scharfen Stiche ebbten viel zu langsam zu einem dumpfen Schmerz ab und die geringste Spur eines schwindelerregenden Bannes entschwand, bevor sie ihn packen konnte. 

 

„Neji…“ Shikamarus Stimme brachte ihn dazu, die Augen zu öffnen. 

 

Er begegnete dem steten Blick des Schattenninjas mit einem Stirnrunzeln, bevor er wieder nach unten sah und eine Hand zwischen ihre Körper nach oben und zu seiner Brust schob. Als Shikamaru Anstalten machte, ihn erneut aufzuhalten, fand er endlich seine Stimme wieder. 

 

„Nicht…misch dich nicht ein, Nara.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. „Das ist nichts weiter als ein zeitweise Aufschub.“

 

„Das…ist alles…was ich…gerade brauche…“, keuchte Neji abgehackt. „Misch…dich nicht ein…“

 

„Neji…“

 

„Ich weiß, was ich tue…“

 

Shikamaru schüttelte energisch den Kopf und ein Muskel in seinem Kiefer zuckte stur. 

 

Tu das nicht…nicht jetzt…

 

Neji ließ die Frustration, die er gerade spürte, in den Ausdruck seiner Augen bluten und durchbohrte den Schatteninja mit einem schmerzerfüllten Blick. Sie hatten keine Zeit für ihre übliche starrende Auseinandersetzung, das wussten sie beide. Ein weiterer Muskel zuckte in Shikamarus Kiefer, bevor sich seine dunklen Augen schlossen. Es war ein Anblick, den Neji noch niemals zuvor gesehen hatte – einer, der sehr deutlich private und emotionale Qualen widerspiegelte – und er schaffte es noch schneller, ihm den Atem zu stehlen, als die Stiche in seiner Brust.

 

Warum...?

 

Er schüttelte den Kopf. „Shikamaru…“

 

Die Finger des Schattenninja krallten sich hart in die Wand, bevor sich der Chūnin energisch fortschob. 

 

Er sagte nichts.
 

Das musste er aber auch nicht. 

 

Stattdessen drehte Shikamaru ihm einfach nur den Rücken zu und lehnte sich mit einer Schulter gegen die Wand, um so als eine Art Blickschutz zwischen Neji und dem Treppenaufgang zu fungieren. 

 

Es war die Beseitigung des Risikos, dass irgendjemand mitbekam, was als nächstes passierte. 

 

Neji lokalisierte die verletzten Stellen auf seiner Brust…lud die Spitzen seiner Finger mit einer gefährlichen Chakrawelle auf…lehnte den Kopf zurück an die Wand…schloss die Augen…und dankte allen existierenden Gottheiten für seine hohe Schmerztoleranz…

 
 

xXx
 

 
 

„Mann, das muss echt weh tun, wenn dich so ein Ding trifft.“, murrte Naruto kopfschüttelnd.

 

„Vermutlich bist du tot, bevor es überhaupt die Gelegenheit bekommt, wirklich weh zu tun.“, erwiderte Sakura und starrte auf die Waffen, die vor ihnen ausgebreitet lagen. 

 

Sie waren dazu gedacht, mithilfe von schneller und stiller Zerstückelung zu zerstören, sich wie bewegliche Krallen zu krümmen und zu durchschneiden und dabei alle Ebenen und Winkel abzudecken; es war eine beeindruckende, wenn nicht sogar makabre Ansammlung von Waffen.  

 

Hergestellt für einen beinahe unausweichlichen Tod.

 

Nejis müde Augen wanderten über das klauenförmige Design und er rief sich die Attacke dieser sensenartigen Klingen in Erinnerung, die durch die Luft auf ihn zugesirrt waren. Koordiniert für einen allesumfassenden Angriff, beinahe schon wie ein ganzer Schwarm aus Klingen; die Ironie darin entging dem Hyūga nicht, doch es machte die Situation keineswegs weniger morbide. 

 

Langsam blinzelte Neji und nahm einen leisen Atemzug, den er langsam und weich durch seine Lippen fließen ließ. Er spürte, wie sich Shikamarus Augen für einen kurzen Moment auf ihn richteten, doch er erwiderte den Blick nicht. Er fühlte sich auch so schon offengelegt genug, ohne dass diese scharfen Augen mehr sahen, als er im Moment die Kraft hatte preiszugeben. 

 

Gott, sieh mich nicht so an.

 

Besonders, wenn auch noch die anderen anwesend waren; sie alle saßen auf dem Boden und umringten den niedrigen Tisch, auf dem die Tsubasa Waffen ausgebreitet lagen. Aufmerksam musterte Neji jeden Einzelnen der Gruppe, während sich alle Augen auf Shikamaru richteten – mit Ausnahme von Akamaru – aus irgendeinem seltsamen Grund starrte der Hund den Hyūga an. 

 

„Also werden wir ihre Spur von dort aus aufnehmen, wo sie aus dem Boden gebrochen sind?“, fragte Naruto und schielte noch einmal kurz zu den Waffen. 

 

„Nein.“, antwortete Shikamaru. „Ein direktes Aufspüren und Eliminieren wird bei diesen Typen nicht funktionieren.“

 

„Warum nicht?“ Kiba legte die Stirn in Falten und deutete mit dem Daumen zu Akamaru, während der Hund unverwandt und stumm Neji anstarrte. „Akamaru kann ihre Fährte ohne Probleme aufnehmen.“

 

Shikamaru spähte zu dem Inuzuka hinüber, ohne auch nur einen einzigen anderen Muskel in seinem Körper zu bewegen. „Benutz einmal deinen Kopf. Sie verfügen über den klaren Vorteil von Heimlichkeit, überlegenes Wissen über die Umgebung und ein kompliziert angelegtes Untergrundsystem aus Tunneln.“

 

„Ein System, das vermutlich sehr gut verteidigt wird und hervorragend verborgen ist.“, fügte Neji hinzu, den Blick wieder auf die Klingen gerichtet. 

 

„Sie werden uns einfach im Kreis rennen lassen; bildlich gesprochen.“, schloss Shikamaru. 

 

„Okay.“ Kiba seufzte und nahm ein federförmiges Kunai auf, um es aufmerksam zu examinieren. „Also wie schlimm sind wir eigentlich gefickt?“

 

Shikamaru verlagerte das Gewicht und stellte ein Knie auf, um einen Arm darauf abzulegen. „Trotz ihrer Vorteile haben ihr Untergrundnetzwerk und die Art und Weise, wie sie operieren, auch ihre Fehler.“

 

Naruto stupste eine der sichelförmigen Waffen an. „Mann, bitte sag mir, dass du hinter diese Nachteile gekommen bist.“

 

„Was zur Hölle glaubst du eigentlich, was ich die letzten drei Stunden gemacht habe?“

 

Naruto grinste. „He…okay, also wenn wir nicht einfach ‚direkt‘ aufspüren und eliminieren können, oder was auch immer, was zur Hölle sollen wir denn dann machen?“

 

„Wir machen ihre Versorgungsroute ausfindig.“, erklärte Shikamaru. „Auf keinen Fall können sie das Leben in ihrem Untergrundsystem ohne die Hilfe von oben aufrecht erhalten. Sie brauchen irgendeine Quelle für Essen und Munition.“

 

Sakuras Augen leuchteten auf. „Ah, du meinst aktive Unterstützer?“

 

Neji nickte und sah endlich von den Klingen auf und zu der Kunoichi hinüber. „Während es durchaus vorstellbar ist, dass sie es inzwischen irgendwie geschafft haben, Lebensmittel unter Tage anzubauen, können sie auf gar keinen Fall Waffen aus dem Boden wachsen lassen.“

 

„Vor allem, wenn es um so ausgefallene Sensen geht.“ Shikamaru schwang eine Hand träge über den Tisch, um auf die Waffen anzuspielen. „Diese klauenförmigen Shuriken sind nicht billig. Und laut Kitori gibt es in ganz Hanegakure nur einen einzigen großen Lieferanten dafür.“

 

Neji hörte, wie Sakura brummte, was seine Aufmerksamkeit zu der pinkhaarigen Kunoichi und fort von Akamaru zog, der ihn immer noch anstierte. Er wollte gar nicht wissen, warum das Tier sich so verhielt – und das schon seit dem Moment, in dem sie sich hier um den Tisch eingefunden hatten.

 

„Ich finde es schwer vorstellbar, dass Kitori und Ozuku-sama diesen Lieferanten noch nicht befragt haben.“, sagte Sakura und schlug tadelnd auf Narutos Hand, als sie sich nach einer der Klingen ausstreckte. 

 

„Das haben sie.“, erwiderte Neji. „Er steht unter ständiger Beobachtung, genauso wie sein Laden. Aber es gibt keinerlei Beweise dafür, dass er wirklich in irgendeine Form von Waffenschmuggel involviert ist.“

 

„Aber wenn doch“ Shikamaru hob den Blick, „dann macht er es auf eine sehr subtile und hinterlistige Weise.“

 

„Also was bedeutet das dann alles für uns?“, fragte Chōji.

 

Shikamaru schnaubte. „Es bedeutet, dass wir den ganzen Ermittlungsmist für sie erledigen müssen. Denn auf die eine oder andere Weise verlassen durchaus Waren diesen Laden. Der Typ, der die Waffen herstellt, wird ständig beobachtet, also lässt das eigentlich nur den logischen Schluss zu, dass die Rebellen Verbündete im Dorf haben, die regelmäßig in dem Laden einkaufen.“

 

„Aber würde das nicht in ihren Verkaufszahlen ersichtlich werden?“, schaltete sich Lee ein. „Mit Sicherheit würden sie bei der Überwachung doch mitbekommen, wenn jemand so eine abartige Menge an Waffen kauft.“

 

„Nicht, wenn die Rebellen mehrere verschiedene Leute haben, die als Schmuggler fungieren; und das zu unterschiedlichen Intervallen. Aber, was sowohl nervt, als auch ein Vorteil ist, ist, dass diese Waffen nur in größeren Bündeln verkauft werden.“

 

„Achja?“ Kiba legte die Stirn in Falten und beobachtete, wie Akamaru zu Neji hinüber rutschte. „Also, was bedeutet das nochmal alles für uns?“

 

„Wir werden sie verwanzen.“, sagte Neji und linste zu Akamaru hinunter, als sich der Hund direkt neben ihn legte. 

 

„Kikaichū Käfer.“, klarifizierte Shikamaru und grinste aufgrund von Narutos Gesichtsausdruck. „Shino hat Neji ein paar gegeben. Wir werden sie auf den Waffenbündeln platzieren und wer auch immer unser Kurier sein wird, er wird uns direkt auf die Versorgungsroute führen oder zumindest zu einem der Verstecke der Rebellen.“

 

Naruto blinzelte. „Verstecke?“

 

„Ugh…“ Shikamaru schlug sich eine Hand vors Gesicht. „Und das war schon dämlich simpel…“

 

Die Worte sorgten dafür, dass sich Nejis Mundwinkel hoben. 

 

„He!“ Narutos Miene verdüsterte sich. 

 

Kopfschüttelnd sah Neji nach unten, als sich Akamarus Kinn in die Beuge seines Ellbogens kuschelte; gelassen ruhte die große weiße Schnauze auf seinem Arm.

 

Komisch…

 

Um sich selbst von dem seltsamen Verhalten des Hundes abzulenken, suchte Neji Narutos Blick, um das finstere Starren des Uzumaki von Shikamaru fortzuziehen.

 

„Pass auf, die Rebellen müssen an bestimmten Stellen Verstecke eingerichtet haben, die über ihr gesamtes Einsatzgebiet verteilt sind. Es ist die einzige Möglichkeit, wie sie ihre Angriffe koordinieren können, ohne dabei ihr Hauptquartier zu gefährden.“ Neji hielt inne und sah zu, wie Naruto langsam nickte. „So funktioniert nunmal die Kriegsführung von Guerillas. Sie können es nicht riskieren, all ihre Vorräte an einem einzigen Ort aufzubewahren.“

 

„Und das bedeutet, dass wir eins dieser Verstecke ausfindig machen müssen.“, nahm Shikamaru das Gespräch auf und zuckte mit den Achseln, als wäre das alles das Offensichtlichste auf der Welt. „Das wird uns den Zugang gewähren, den wir brauchen, um ihr Netzwerk zu infiltrieren oder einen von ihren Leuten zu isolieren. Im Moment ist das alles, was wir benötigen.“

 

Naruto grinste. „Gute Arbeit, Shikamaru.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Es nervt, aber es ist der am wenigsten lästige Weg, in dieser Sache vorzugehen. Das schlimmste vorstellbare Szenario führt zu einer ganzen Menge Explosionsmist, den ich lieber vermeiden möchte.“

 

„Wie zum Beispiel?“

 

„Wie zum Beispiel eine ganze Menge Explosionsmist, den ich lieber vermeiden möchte.“

 

Noch bevor Naruto auf diese flache Antwort mit den Augen rollen konnte, ergriff Neji das Wort. „Zum Beispiel, ihr Tunnelsystem in eine massive Rohrbombe zu verwandeln.“

 

„Whoa.“ Naruto blinzelte.

 

„Das klingt besser.“, grinste Kiba. 

 

„Jo und schneller.“, giggelte Naruto.

 

Shikamaru starrte sie träge an. „Was für ein Glück für euch, dass ich es mag, die Dinge langsam anzugehen und während des Prozesses nicht draufzugehen.“

 

„Shikamaru.“ Sakura runzelte die Stirn. „Ich will nicht pessimistisch klingen, aber was ist, wenn der Plan mit der Versorgungsroute nicht funktioniert?“

 

„Ist alles schon bedacht. Ich habe drei weitere Taktiken in der Hinterhand, die darauf abzielen, ihre Luftzufuhr und Wasserquellen zu lokalisieren. Lass uns aber einfach erstmal mit der ersten Strategie arbeiten, okay?“

 

Naruto pfiff anerkennend durch die Zähne. „Wow, schon vier Strategien?“

 

„Den Plan nicht mitgerechnet, einfach alles in die Luft zu jagen.“, grinste Kiba. 

 

„Nicht schlecht Shikamaru, wie lange hast du nochmal dafür gebraucht?“

 

„Nicht so lange wie ich dafür brauchen werde, in mein Bett zu krabbeln. Ich bin durch.“

 

Das war vermutlich eine Untertreibung, gemessen an der Spannung, die Neji deutlich um die Augen des Nara herum erkennen konnte. Bei all den Zeiten, in denen er immer wieder Shikamarus Schlafversuche gestört hatte, war es jetzt eine weitere unvorhergesehene Ironie, dass er nun den mächtigen Drang verspürte, dafür zu sorgen, dass sich der Schattenninja ausruhte.

 

Als hätte er seinen subtilen Blick bemerkt, sah Shikamaru zu ihm hinüber. 

 

Ihre Augen trafen sich und sofort veränderte sich etwas in den Tiefen von Shikamarus schläfrigen Iriden. Sie nahmen eine merkwürdige Intensität an, als würden sie zu einer Schärfe geschliffen, die zu tief zu bohren drohte. 

 

Es war nur ein flüchtiger Blick. 

 

Er hielt nicht länger als wenige Sekunden. 

 

Doch selbst als Shikamaru blinzelte und augenblicklich den vertrauten, halbherzigen Ausdruck von Langeweile aufsetzte, blieb Neji mit dem Gefühl zurück, als hätte der Nara soeben an der Oberfläche einer alten Wunde gekratzt. 

 

Lächerlich…

 

Das Stupsen von Akamarus Schnauze gegen seine Seite zog seinen Fokus hinunter zu dem Hund. Zaghaft berührte er mit den Fingerspitzen die Nase des Hundes und schob sie mit einem Brummen von seinen Rippen fort, bevor er zu Kiba und Hinata aufsah. 

 

„Hinata, Kiba, ich vertraue darauf, dass ihr beide wisst, wie man mit Shinos Insekten umgeht.“

 

Hinatas Augen zuckten von Akamaru zurück nach oben und sie nickte abgehackt. „Ja.“

 

„Gut zu wissen.“ Shikamaru presste eine Handfläche gegen den Tisch und erhob sich in einer lustlosen Bewegung. „Wir sind hier fertig, ruht euch aus. Wird ein weiterer ätzender früher Start morgen.“

 

Neji ließ seinen Blick ein letztes Mal über den Kreis der Shinobi wandern und suchte nach Verwirrung oder unausgesprochenen Fragen, bevor er sich von seinen Knien aufrichtete. Einer nach dem anderen begann das Team, den Raum durch die Tür zu verlassen. Neji wandte sich um, um ihnen zu folgen und legte die Stirn in Falten, als seine Bewegung von Akamaru unterbrochen wurde, der seinen Arm anstupste und mit einem Winseln enge Kreise um ihn zog. 

 

Was um alles in der Welt machst du da?

 

Neji spähte zu dem Hund hinunter, unsicher, was er anderes tun sollte, als in verwirrter Anerkennung mit den Fingern über den Kopf des Vierbeiners zu streicheln, bevor er versuchte, weiter zu laufen. Mit einem Knurren packte Akamaru ihn am Ärmel und zog energisch daran; wollte ihn nicht loslassen. 

 

Nicht jetzt…

 

„Kiba.“, rief Neji angespannt und sah zu dem Inuzuka auf. 

 

Kiba legte die Waffe beiseite, die er sich gerade angesehen hatte und stemmte die Hände in die Hüften, während er seinen tierischen Gefährten mit hochgezogener Braue musterte. „Akamaru, was ist los, Kumpel?“

 

Der Hund neigte den Kopf zu Neji hinauf, ohne den Ärmel des Hyūga loszulassen. Der Jōnin runzelte leicht die Stirn; auf einmal fühlte er sich weniger verwirrt als viel mehr unwohl unter dieser präkognitiven Einsicht in Akamarus Blick. Das sanfte Winseln brachte ihn dazu, Kiba scharf anzusehen; seine Stimme senkte sich.

 

Kiba!“

 

„Hey, gib mir nicht die Schuld – er ist nicht mein Haustier, weißt du.“, sagte Kiba leicht beleidigt, auch wenn er genauso verwirrt aussah wie Neji vor wenigen Augenblicken.

 

„Es interessiert mich nicht, welche Position du ihm einräumst. Pfeif ihn zurück.“, erwiderte Neji kühl; auf keinen Fall wollte er dem Inuzuka die Gelegenheit geben zu begreifen, was Akamaru möglicherweise bemerkt hatte. „Jetzt!

 

„Meine Güte, reg dich ab.“ Kiba kam zu ihnen herüber geschritten, die Augen auf Akamaru gerichtet. „Du solltest echt an deiner Attitüde arbeiten, Hyūga.“

 

„Und du solltest an deiner Fähigkeit im Umgang mit Hunden arbeiten, Inuzuka, oder eher dem Mangel daran.“

 

„Was ist dein verficktes Problem?“, knurrte Kiba und seine Augen blitzten auf, als sie zu dem Hyūga schnellten. 

 

Als Antwort darauf verhärtete sich Nejis Blick. „Deine Unfähigkeit, deinen Hund unter Kontrolle zu halten ist momentan mein Problem.“

 

„Hättest du gerne ein noch größeres Problem in deinem Gesicht, Hyūga?“, fauchte Kiba und nahm eine wilde Haltung ein, als er sich nach vorn beugte. 

 

„Hey, hey.“ Chōji runzelte die Stirn und schritt durch das Zimmer, um die Wogen aus Aggression zu glätten. „Kein Grund, sich zu prügeln.“

 

„Sag das Mr. Stock-im-Arsch.“, knurrte Kiba.

 

Mit trockener Miene hob Neji eine Braue. „Wenn besagter Stock eine Referenz darüber ist, sich unter Kontrolle zu haben, dann gehe ich einfach mal davon aus, dass deiner der Stecken ist, mit dem man Apportieren spielt?“

 

Kibas Lippen zogen sich drohend zurück und er stürzte nach vorn; oder zumindest versuchte er es, musste aber feststellen, dass er nicht dazu in der Lage war. Nejis Blick senkte sich zu dem verlängerten Schatten des Inuzukas, folgte dem langgezogenen Schwarz durch den Raum und dorthin, wo sich Shikamaru gegen den Türrahmen lümmelte; sein Jutsu hielt er mit einem gelangweilten, aber auch irgendwie verärgerten Gesichtsausdruck. 

 

Und Neji konnte noch etwas anderes in diesen dunklen Augen lesen – ein Glühen direkt unter der Oberfläche. 

 

„Ihr haltet jetzt beide die Klappe und beruhigt euch.“, sagte der Nara, sein Blick wanderte zwischen den Streithähnen hin und her. „Wir haben keine Zeit für so einen lächerlichen Kindergartenmist.“

 

Neji biss die Zähne zusammen und sein Zorn über diese Anschuldigung jagte eine neue Welle aus Spannung in den Raum; nur richtete er sie diesmal gegen Shikamaru, indem er den Schattenninja wutentbrannt anstarrte. 

 

Der Bastard zuckte mit keiner Wimper. 

 

Shikamaru ließ die Spannung einfach an sich abprallen wie Wasser und blieb davon vollkommen unbeeindruckt. 

 

Tz.

 

Schnaubend wich Neji einen Schritt von Kiba zurück, als Akamaru ihn losließ und mit einem Winseln zu seinem Herren lief. Geflissentlich ignorierte Neji das finstere Starren, mit dem Kiba ihn bedachte und wandte sich der Tür zu; ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen, marschierte er an Shikamaru vorbei und aus dem Zimmer, um seine Schritte zurück zum ‚Krähennest‘ zu lenken. Er war wütend darüber, dass er seine Beherrschung verlor und sie mit jedem Schritt einer lähmenden Erschöpfung wich. 

 

Ich werde nicht verlieren.

 
 

xXx
 

 
 

Die Nachtluft traf scharf und kalt auf Nejis Gesicht und gefror vor seinen Augen, als er zischend ausatmete. 

 

Ich bin nicht schwach.

 

Neji schnitt wie ein eisiger Luftzug durch das ‚Krähennest‘ und nahm einen kurzen und zornigen Weg direkt zu seinem Gästezimmer. Mit einem brutalen Stoß warf er die Tür auf und hörte, wie sie in ihren Scharnieren zurückschwang, ohne zuzuschlagen.

 

Mit einem dumpfen Klatschen traf sie auf etwas.

 

Neji drehte sich um. Er beobachtete, wie Shikamaru ruhig seine Handfläche von dem Holz löste, ruhig in das Zimmer trat und ruhig die Tür hinter sich schloss. 

 

Ruhig. Gefasst. Kontrolliert.

 

Alles, was der Hyūga brauchte, ihm aber immer wieder entrissen wurde. 

 

Nein…

 

Sofort griff Neji nach seinem Zorn…

 

Suchte sofort nach etwas, um Shikamaru zurückzutreiben…

 

Machte sich sofort daran, eine rabiate Verteidigung zu errichten…

 

In der Sekunde, in der er das tat, verband der Nara ihre Blicke. 

 

Und genau wie ein Kunai schnitt Shikamaru direkt durch die Spannung, direkt durch den Bullshit, direkt durch die Defensive, die Neji aufzubauen versuchte…und durchbohrte den Hyūga mit einem Blick gnadenloser Intelligenz und zorniger Besorgnis, der Neji dazu brachte, scharf einzuatmen, als wäre er gerade erstochen worden. Der Ausdruck in diesen dunklen Augen fegte seine Verteidigung beiseite, als wäre es nichts weiter als eine zweite Haut und ließ ihn roh und bloßgelegt zurück.

 

Der Hyūga wandte sich ab, seine Stimme ebenso rau wie er sich fühlte. „Ich habe dir gesagt, dass du mich nicht so ansehen sollst.“

 

Langsam schloss Shikamaru die Distanz zwischen ihnen; wie ein Schatten, der sich durch den dunklen Raum schlich. Die einzige Beleuchtung waren die weichen Strahlen aus Mondlicht, die durch die Fenster und den Balkon schimmerten. Sie fielen wie silberne Stäbe in das Zimmer. 

 

Wie Käfigstäbe. 

 

Hör auf.

 

Für jeden Schritt, den sich der Nara nach vorn bewegte, wich Neji einen zurück, solange, bis sie sich umkreisten; beinahe wie Raubtiere bei einer Konfrontation. Und die ganze Zeit über spürte Neji diese verdammten Augen auf sich gerichtet, die ihn wortlos dazu aufforderten, den Schattenninja anzusehen, sich auf das Gebiet zu begeben, wo Linien und Grenzen nicht existierten, nur die Illusion von Kontrolle. 

 

„Hör auf.“, knurrte Neji. 

 

„Ich versuche nicht, dich anzugreifen.“, erwiderte Shikamaru ruhig, ohne in seinen Bewegungen innezuhalten. Er zog den Kreis immer enger, den sie erschaffen hatten, während sie durch den Raum schlichen. „Hör auf, vor mir wegzurennen.“

 

Neji blieb abrupt stehen, die Füße wie angewurzelt, als sein Stolz Feuer in seine Augen peitschte. 

 

Auch Shikamaru hielt im selben Moment und in kurzer Distanz inne. 

 

Nah genug, dass er nach ihm greifen konnte. 

 

Nicht.

 

„Du kannst nicht damit weitermachen, Neji. Kiba hat es nicht durchschauen können, aber Akamaru schon. Noch ein paar Minuten länger in diesem Zimmer hätten gereicht und auch Kiba hätte es begriffen. Du kannst es nicht länger in dir halten.“

 

Nejis Miene verfinsterte sich und bittere Verleugnung wandelte seine Worte zu einem Wispern. „Bitte mich nicht darum, es rauszulassen…“

 

„Warum?“

 

„Weil das letzte Mal, als ich etwas derartiges rausgelassen habe…wäre beinahe jemand deswegen gestorben…“

 

Shikamaru hielt inne und summte wissend. „Hinata…“

 

Neji wich ein Stück zurück und zerrte sie damit wieder zurück in diese raubtierhafte Umlaufbahn, als sie sich erneut in Bewegung setzten und mit jedem Wort und Schritt ein unbeständiges Terrain heraufbeschworen. 

 

„Wie menschlich war ich damals, Nara?“, presste Neji zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich hätte sie umgebracht, wenn sie mich nicht aufgehalten hätten…“

 

„Das war vor drei Jahren…außer, du hast diesen Zorn in dieser Zeit niemals gehen lassen.“

 

Neji zögerte, sein Blut schien zu gerinnen. „Völlig egal, was ich fühle oder denke…es betrifft nicht sie…“

 

„Also wen betrifft es dann? Den Rest deines Clans?“

 

Nejis Schritte gerieten ins Wanken, was eine Öffnung für Shikamaru schuf, die Schlinge enger zu ziehen; doch Neji entschlüpfte ihr wie ein Geist, der zwischen Welten gefangen war. Er glitt hinein und hinaus aus dieser Arena, die ihre Kreise erschaffen hatten. 

 

„Bring mich nicht dazu, es bis auf dich auszuweiten, Shikamaru.“

 

Er beobachtete, wie sich ein schwaches Lächeln auf die Lippen des Nara stahl. „Ich habe dir bereits die Gelegenheit geboten, das zu tun; mehr als einmal…und obwohl ich dir so nahe gekommen bin, hast du mich bisher noch nicht erwürgt.“
 

„Ist es das, was du wirklich willst?“

 

„Willst?“, wiederholte Shikamaru. 

 

Neji schnaubte bitter. „Du willst, dass ich Leute verletze, die es nicht verdient haben…weil ich mich selbst nicht kontrollieren kann…“

 

„Das ist, worum es hier geht, huh? Kontrolle?“ Shikamaru blieb kurz stehen und drehte sich, um ihre Bewegungen in die andere Richtung zu zwingen. 

 

„Ich habe es unter Kontrolle.“, knurrte Neji, die Stimme so hart wie die scharfen Kanten seiner Gesichtszüge.

 

„Du kontrollierst was?“

 

„…was ich muss…“

 

Was ich überwinden muss.

 

„Deine Emotionen.“

 

Neji hörte auf zu laufen; vollkommen still stand er da.

 

Sein Innehalten ließ ihn halb im Schatten und halb in das unheimlich milchige Licht des Mondes getaucht zurück. Wie ein Phantom, das von den Schatten, in denen es sich selbst verloren hatte, aus der Dunkelheit gezogen worden war. Es war so paradox und ironisch wie auch alles andere sonst, das zwischen ihm und dem Schattenninja existierte, der ihm jetzt direkt gegenüberstand. 

 

„Wage es nicht zu versuchen, mich wie ein billiges Brettspiel zu analysieren, Shikamaru.“

 

„Das kann man nicht vergleichen, Hyūga. Shogi macht mir Spaß. Es macht mir aber überhaupt keinen Spaß, das hier zu tun.“

 

„Dann hör auf damit.“

 

„Ich kann nicht aufhören.“ Der Nara legte den Kopf schief und trat einen einzigen Schritt nach vorn. „Ich lag falsch, als ich gesagt habe, dass du dich einst hinter dem nachvollziehbaren Zorn über die Spaltung deines Clans versteckt hast…die Wahrheit ist…du hast mit der Wut niemals das Kriegsbeil begraben, oder?“

 

Neji wich zurück und entzog sich damit der abklingenden Umarmung aus Licht. 

 

Hör auf…

 

Shikamaru hielt noch einen weiteren kurzen Moment inne, bevor er einen Fuß vor den anderen setzte und so ihre zirkelnden Bewegungen wieder aufnahm, während sie wechselnd in Licht und Schatten eintauchten. Die Strahlen aus milchigem Licht fühlten sich mehr und mehr wie Käfigstäbe in dem von Schatten übersäten Raum an. 

 

„Vor zwei Monaten ist etwas passiert.“, begann Shikamaru sanft. „Hatte es etwas mit Hyūga Hiashi zu tun?“

 

„Was zur Hölle könntest du schon über meine Motive in Bezug auf irgendetwas wissen…?“

 

„Dann sag mir, dass ich falsch liege…“

 

Neji bewegte sich weiterhin mit jedem einzelnen Schritt des Schattenninjas nach hinten. Dann begriff er, dass er sich zurückzog und zornig wandte er sich mit einem Schwung seiner Hüften um, um aus ihrem zirkelnden Pfad auszubrechen. Doch Shikamaru schnitt ihm mit einer Bewegung den Weg ab, die ebenso fließend war wie seine Schatten. 

 

„Sag mir, dass ich falsch liege, Neji.“, drängte er, seine Stimme etwas härter als vorher. „Aber sag mir verfickt nochmal irgendetwas!

 

Der verbale Schubs ließ Neji knurren und er reagierte, indem er die Lippen drohend zurückzog und einen gefährlichen Schritt nach vorn trat. „Versuche nicht, in meinem Kopf zu gelangen, Shikamaru!“

 

Shikamarus Stimme hob sich zu einem Schreien. „Dann sag mir, dass ich falsch liege, verdammt!“

 

„Fick dich!“, schnappte Neji und drängte vorwärts, um Shikamaru einen Schritt zurückzutreiben. „Du hast keine Ahnung!“

 

„Ach sag bloß; aber ich versuche es!“

 

Warum!?

 

„Du kannst es niemals verstehen!“

 

„Dann sorg dafür, dass ich es verstehe!“

 

Sie standen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, krachten beinahe ineinander; sie verharrten nah genug, um Schläge austeilen zu können, doch keiner bewegte sich, um sich über Worte hinaus anzugreifen. 

 

„Gottverdammt seist du, Nara!“

 

Sag es einfach, Neji!“

 

„Warum!?“ Neji fühlte einen kalten, elenden Zorn, der an den Sehnen in seiner Kehle zerrte. „Ich will nicht, dass du es verdammt nochmal verstehst!“

 

Shikamarus Augen blitzten auf. „Vielleicht muss ich es ja auch gar nicht verstehen! Vielleicht muss ich es einfach nur wissen!“

 

Was wissen?“, brüllte Neji ihm direkt ins Gesicht. „Dass ich jeden Tag mit Hiashi trainiere und dabei meinen Vatersehe, der mich anstarrt!?“

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Neji erstarrte und stierte blicklos ins Nichts. 

 

Und als Reaktion auf diese ausgerutschten Worte kristallisierte sich sein gesamter Körper zu einem steifen Verschluss, aus dessen Starre ihn nicht einmal Shikamarus Blick rütteln konnte. 

 

„Neji…“

 

Neji verkrampfte sich noch mehr, als würde Eis sein Blut einfrieren. „Jeden Tag…er hört niemals auf, mich zu verfolgen…“

 

„Neji…“

 

Er spürte den zärtlichen Schwung von Fingern an seinem Kiefer und zornig ruckte er mit dem Kopf fort von der Berührung. „Wage es nicht…ich will dein erbärmliches Mitleid nicht!“

 

„Also was willst du dann?“

 

Neji schüttelte den Kopf und versuchte mit aller Macht, die Kälte abzuschütteln, die von ihm Besitz ergriffen hatte. „Als würde es irgendeine Rolle spielen. Ich kann nur mit dem arbeiten, was ich habe, nicht mit dem, was ich will. Das akzeptiere ich.“

 

Er hörte, wie Shikamaru schnaubte. „Was für ein Haufen Scheiße. Falls du es wirklich akzeptiert hättest, würdest du dir das nicht antun!“

 

„Schön.“, zischte Neji, während sein Blick langsam wieder zurück zu den Augen des Nara wanderte. „Dann beiße ich halt meine Zähne zusammen und ertrage es. Was für einen Unterschied macht das schon?“

 

„Es macht einfach jeden Unterschied!“, knurrte Shikamaru. „Außer dein Ziel ist es, zu sterben!

 

„Ich habe nicht vor, zu sterben, Nara.“

 

„Ach, wirklich?“, forderte Shikamaru ihn heraus und eine Braue wanderte in dieser Manier nach oben, die Neji zur Weißglut trieb. „Ich werde dich das nächste Mal daran erinnern, wenn du Blut hustest!“

 

„Fahr zur Hölle, Shikamaru!“, fauchte Neji und gab sich Mühe, seine Worte mit Gift zu tränken, doch sie fielen im eher bitter als giftig von seinen Lippen. „Ich habe dich niemals um dein aufdringliches Intervenieren gebeten.“

 

„Ja, aber du musstest mich auch nicht darum bitten.“ Shikamaru begegnete seinem Blick ruhig, doch seine Stimme wurde leiser, beschattet von etwas Undechiffrierbarem. „Sagt dir das nicht irgendetwas?“

 

Gott…hör auf…

 

„Doch.“ Neji lehnte sich nach vorn. „Es sagt mir, dass du ein aufdringlicher Bastard bist, der sich überall einmischt.“

 

Shikamaru reagierte, als hätte Neji ihn verletzt. „Und du bist ein verficktes Ärgernis!“

 

„Dann zieh dich zurück!“, knurrte Neji und suchte nach dem schnellsten Weg, den Schattenninja mit seinen Worten zurückzudrängen. „Normalerweise nimmst du für dich in Anspruch, ein fauler Feigling zu sein. Also tu, worin du gut bist und halte deine Nase raus aus meinen Angelegenheiten, bevor ich dich dazu bringe, zu bereuen, dass du dich jemals eingemischt hast!“

 

Beinahe wäre Neji fassungslos zusammengezuckt, als sich Shikamaru nach vorn neigte und sich selbst so in die tödliche Reichweite eines schwer angepissten Aggressors begab, der sich kaum unter Kontrolle hatte. Der Schattenninja stellte sich direkt in die Schusslinie des Feuers, das Neji mühsam zurückzuhalten versuchte. Die Züge des Hyūga schimmerten vor Verwirrung; wie ein Trugbild, das zwischen der Reflexion seines Schmerzes und Zorns gefangen war. 

 

„Was zur Hölle machst du da?“, fauchte er. 

 

„Mach nur und bring mich dazu, es zu bereuen.“, erwiderte Shikamaru leise, seine Stimme rau, aber nicht länger zornig. 

 

Neji starrte ihn entsetzt an. 

 

Shikamaru sah zurück. „Tu es!“

 

Neji schluckte, wie von den Füßen gerissen von der Verwirrung über dieses schreckliche Vertrauensbekenntnis. 

 

„Mach nur.“, wiederholte Shikamaru, seine Stimme noch sanfter als vorher. „Ich werde dich nicht aufhalten.“

 

„Götter, du Narr…glaubst du wirklich, du könntest mich aufhalten?“

 

„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich keine Angst vor dir habe, Neji.“

 

Neji wich zurück und seine Kehle arbeitete schwer gegen die Verkrampfung an, die von ihr Besitz ergriff. „Lauf einfach davon und gib mir keinen Grund, meine Meinung zu ändern.“

 

Shikamarus Lippen verzogen sich schwach, doch es lag kein Spott darin; nicht die geringste Spur von etwas Herablassendem. Niemals zuvor in seinem Leben hatte sich Neji so sehr gewünscht, angegriffen zu werden…denn er wusste nicht, wie er sich gegen das wehren sollte…

 

Er nahm einen schmerzhaften Atemzug und entließ seine Worte mit einem heiseren Wispern. „Gott, geh einfach…“

 

Shikamaru ging nicht.

 

Er trat einen Schritt näher und zwang Neji dadurch, den Schattenninja mit Blicken aufzuspießen. 

 

Es war ein Blick, der keinen anderen Effekt erzielte, als dass Shikamarus Augen weich wurden und einen Ausdruck annahmen, der Neji mehr bedrohte als es jedes todbringende Starren jemals könnte. 

 

„Nicht.“, wisperte Neji und verkrampfte jeden Muskel in seinem Körper zu steifer Anspannung, um sich gegen den Blick aus diesen Augen zu wehren. „Verdammt seist du, sieh mich nicht so an! Geh einfach.“

 

„Ja…“ Shikamaru schloss die restliche Distanz zwischen ihnen; der gezwungene Hauch eines Lächelns konnte jedoch nicht von dem Zwiespalt in seinen Augen ablenken. „Das sollte ich wirklich.“

 

Neji spürte, wie diese schmerzende Wunde tief in seinem Inneren an den ausgefransten Nähten etwas weiter aufriss. 

 

„Du Bastard…“ Nejis Stimme senkte sich zu derselben ausgelaugten Kapitulation wie sein Gesicht; des Zornes und allem anderen müde. „Warum zur Hölle willst du einfach nicht gehen?“

 

Er bemerkte, wie sich Shikamarus Hand bewegte; dann spürte er das langsame Gleiten der Fingerspitzen des Nara über seine Schulter und hinauf bis zu seinem Nacken. Diese leichte, vertraute Liebkosung, die schon so natürlich für sie geworden war. Shikamaru zog Nejis Kopf sanft nach vorn, um ihre Stirnen aneinander zu legen; Nejis Augen schlossen sich.

 

„Was glaubst du, warum ich es nicht will?“ Er spürte Shikamarus Atem gegen seine Lippen, der die Worte in einem Raunen mit sich trug. „Weil ich dein Freund bin.“

 

Neji spürte einen bitteren dumpfen Schmerz in seiner Kehle. „Ich brauche dich nicht als meinen Freund, Shikamaru.“

 

„Dann sag mir, was zur Hölle du brauchst.“

 

Neji beging den fatalen Fehler, seine Augen zu öffnen, bevor er eine Hand heben und die von Shikamaru schließen konnte. Ihre Blicke trafen sich und die rohe Verbindung, die sie miteinander verschmolz, sog ihm die Luft aus den Lungen; entriss sie ihm mit einer Schärfe, die von einer anderen Art Schmerz herrührte – und einer Art von Bedürfnis…einer, die sich tief in ihm verknotete…gefangen unter der Last endloser Ketten, die um Teile seines Selbst geschlossen waren, denen Shikamaru immer näher kam…

 

„Lass mich ein…“

 

Neji zog ein wenig den Kopf zurück.

 

Das Mondlicht schimmerte auf seinem Stirnband. 

 

Das sanfte Aufblitzen reflektierte in den Tiefen von Shikamarus Augen und schnitt einen dünnen Silberstreif durch diese dunklen Seen. Wie eine warnende Linie…eine letzte Grenze…ein Punkt ohne Wiederkehr…

 

Sie überschritten ihn im selben Augenblick.

 

Ihre Münder strichen mit dem Wispern bebender Atemzüge übereinander…Lippen rieben und streichelten…pressten sich aufeinander und öffneten sich endlich unter der feuchten Berührung von Zungen…die sich in einem langsamen und sinnlichen Rollen liebkosten, das ihre Herzschläge in Donner verwandelte.

 

Und im Kern dieses aufwühlenden Verlangens, spürte Neji das Aufziehen eines Sturmes…
 

_____________________

Ich denke, ihr wisst alle, was als nächstes kommt ;) Sorry für den Cut :D

Hoffentlich hat euch das neue Kapitel gefallen!! Vielleicht liefert es dem ein oder anderen wieder ein neues Puzzleteilchen für das Rätsel um Neji ;) Über Meinungen und Anregungen würde ich mich wieder sehr sehr freuen!!

Vielen vielen Dank wie immer an alles lieben Reviewer/innen für die unglaublich motivierenden Worte!! <3

Stop fighting

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

It's not personal

Verdammt, es ist kalt…

 

Shikamaru runzelte die Stirn und spannte sich gegen die Kälte an, die sich immer unbarmherziger um den beinahe schon luftdichten Kokon aus Laken drängte. Draußen konnte er das gedämpfte Rascheln der Blätter hören, das von den gelegentlichen Rufen einer Eule begleitet wurde. 

 

Doch nichts davon hatte ihn geweckt. 

 

Vier Uhr morgens.

 

Die Wimpern des Schattenninjas flatterten auf und er blinzelte gegen die Dunkelheit an, während er versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen. Diesmal konnte er sich gerade noch rechtzeitig davon abhalten, aus dem Bett zu fallen und seine Finger klammerten sich um die Kante der Matratze, während er seine Ellbogen unter sich schob, um sich ein wenig aufzurichten und durch das Zimmer hinüber zu dem anderen Bett zu spähen.

 

Es war leer. 

 

Die Decken waren zur Seite gezogen und in der Mitte der Matratze zusammengeknüllt. Ein dünner Streifen aus Licht zog Shikamarus Aufmerksamkeit auf den Spalt unter der Badezimmertür. Gelegentlich wurde die helle Linie von Schatten durchbrochen, die auf Bewegungen auf der anderen Seite schließen ließen. 

 

Verdammt…

 

Shikamaru setzte sich auf und rollte die Schultern gegen den schwachen Schmerz in seiner Halsbeuge an. Er befreite einen Arm aus den Laken und rieb mit den Fingern fest über das Mal; es war nicht das einzige, das Nejis Mund auf ihm hinterlassen hatte. Die Erinnerung daran, was sich noch vor wenigen Stunden zwischen ihnen abgespielt hatte, sandte ein augenblickliches Signal in die Regionen weit südlich seines Hirns. 

 

Ah fuck…

 

Scharf schüttelte Shikamaru den Kopf. 

 

Denk an was anderes.

 

Ein ersticktes Husten erscholl durch die Badezimmertür. 

 

Sofort ließ Shikamaru die Hand von seiner Schulter fallen. Offenbar war Neji aus welchem Grund auch immer nicht in Panik aufgewacht; was Shikamaru angesichts der Düsternis, in die sich die ganze Situation um Nejis Gesundheit entwickelte, als schwachen Silberstreifen wertete.

 

Aufmerksam überwachte der Schattenninja weiterhin den schmalen Lichtstreifen unter der Tür und nutzte die Kälte als Ausrede dafür, fest in seinen verknoteten Laken verwurzelt zu bleiben, statt aufzustehen und nach dem Jōnin zu sehen. Es bedurfte keineswegs einer Zehn-Schritte-im-Voraus Vorhersage oder eine Vorstellung von zweihundert verschiedenen Möglichkeiten, wie er auf dem Hintern landen würde, um zu wissen, dass Neji ihn schneller von den Füßen fegen würde, als er überhaupt Anstalten machen konnte, den Hyūga in seinem Tun aufzuhalten. Und dazu kam auch noch, dass er im Moment nur so viel tun konnte, wie zumindest die Grenzen zu respektieren, die gar nicht mehr so klar definiert waren.

 

Scheiße…

 

Shikamaru rutschte etwas zurück, um sich gegen das Kopfteil seines Bettes zu lehnen, halb eingewickelt in die Laken und ansonsten in dunkle Schatten getaucht. Unverwandt starrte er auf den dünnen Streifen Licht…und je länger er dorthin sah, desto deutlicher wurde ihm, wie scharf umrissen diese Linie war. So definiert, dass es schon beinahe das verspottete, was mittlerweile zwischen ihm und Neji existierte; oder was nicht existierte.

 

Das war nicht Teil des Plans gewesen. 

 

Shikamaru verzog das Gesicht und schloss die Augen, als er hörte, wie sich Nejis zerfetztes Husten in einem Fluchen verlor. Deutlich hörte er Wasser, das den Abfluss hinunterrann. 

 

All das…wegen dem, wie er sich aufgrund der Ähnlichkeit von Hiashi zu seinem Vater fühlt?

 

Er rieb sich über die geschlossenen Augen. 

 

Nein. Es fehlen immer noch Teile des Ganzen…was zur Hölle haben die ANBU damit zu tun?

 

Er hörte, wie der Wasserfluss stoppte. 

 

Und was zur Hölle ist ihm vor Jahren zu dieser seltsamen Uhrzeit passiert?

 

Shikamaru hielt die Lider weiterhin geschlossen, während sich sein Verstand durch das Chaos an gesammelten Informationen wühlte und durch die Züge, die er bis zu diesem Moment gemacht hatte – und dann durch die Dinge, die am wichtigsten waren und die letzte Nacht vollkommen auseinandergerissen worden waren. 

 

Seine Beweggründe. 

 

Tsunade hatte ihn das von Anfang an gefragt, doch inzwischen war die Antwort darauf längst nicht mehr so simpel. 

 

Shikamaru fühlte, wie seine Gedanken zurückwanderten; zurück zu der Unterhaltung, die er mit der Hokage geführt hatte. Zurück zu dem Moment, in der er jedwede Chance, nicht in diese Sache verwickelt zu werden, aus dem Fenster getreten hatte. 

 

Der Morgen, an dem er die Abmachung getroffen hatte.

 

Der Morgen, an dem seine Beweggründe nicht von solcher Bedeutung gewesen waren wie jetzt. 

 
 

~ Flashback ~
 

 
 

Fuck. Ich habe das jetzt offiziell zu meinem Problem gemacht.

 

Energisch widerstand Shikamaru dem Drang, sich unruhig auf der Stelle zu bewegen. Entweder würde Tsunade jeden Moment ihre Faust durch ihren Schreibtisch rammen oder aber durch seinen Kopf. Eigentlich würde er ihr durchaus zutrauen, beides zu tun, gemessen an der Intensität in ihrem Blick.

 

Krankenhausaufenthalt oder zumindest Kopfschmerzen von einer Standpauke.

 

Shikamaru war sich nicht sicher, was schlimmer war. 

 

Tsunades Bernsteinaugen blieben starr auf ihn fixiert und bohrten ein mentales Loch in seine Stirn. Aber – zu seiner Anerkennung, verschleierte er sein Unbehagen über ihr Schweigen gut, indem er gelassen und mit den Händen in seinen Taschen vergraben dastand. Er hatte das Gefühl, dass sie gnadenlos seine Entschlossenheit belagerte und darauf wartete, dass er unter dem Druck endlich nachgab und noch mehr von der Wahrheit herausrückte, als er ohnehin schon preisgegeben hatte. 

 

Das wird auf keinen Fall passieren!

 

Das Schweigen der Godaime presste sich gegen seine Trommelfelle und ließ das leiseste Geräusch beleidigend laut erscheinen. Wie zum Beispiel Tonton. Das Schwein schien eine leise Auseinandersetzung mit Shizune zu führen; es waren Intervalle von missbilligenden Oinks, die Shizune dadurch beantwortete, indem sie das Schwein wie ein Baby auf dem Arm wiegte. 

 

Ja, vielen Dank auch für die Unterstützung.

 

Und gerade, als Shikamaru dachte, er würde ein ernstes Schädelhirntrauma riskieren, wenn er den Mund öffnete, löste Tsunade die Verschränkung ihrer Arme mit einem schweren Seufzen und schritt um ihren Schreibtisch, um sich langsam auf dem Stuhl niederzulassen. 

 

„Na schön.“, sagte sie. 

 

„Na schön?“ Shikamaru blinzelte und Argwohn schlich sich auf sein Gesicht. „Du stimmst zu?“

 

Für einen furchtbaren Augenblick schwieg Tsunade erneut und stellte ihre Ellbogen auf der Tischplatte ab, bevor sie eine Hand über die andere legte. Vollkommen ruhig und gefasst. Viel zu gefasst, gemessen an der Bombe, die Shikamaru gerade auf sie geworfen hatte. Jeden Moment erwartete er die Explosion und das daraus resultierende Flakfeuer. 

 

Hn. Warte einfach noch ein bisschen…

 

Die Zeit zog sich noch etwas länger hin, bevor die Hokage ihr Kinn auf einem Handgelenk ablegte und ihn mit intriganter Stille anstarrte. Shikamaru konnte den Ausdruck in ihren Augen lesen und ruinierte damit ihren Versuch eines Pokerface. Sie beide waren damit vertraut zu spielen und auch wenn Shikamaru darauf setzte, dass sein Glück sowohl im besten als auch im schlimmsten Fall um einiges besser war als das von Tsunade, er hatte das Übelkeit erregende Gefühl, dass er gerade dabei war, deutlich mehr zu verlieren, als er zu gewinnen hoffte. 

 

„Ich werde zustimmen.“, erwiderte Tsunade schließlich. „Doch das wird sicher kein Akt der Barmherzigkeit meinerseits sein, Nara. Wenn du als Kamerad deinem Gewissen gemäß handeln willst und kannst, dann wirst du verdammt nochmal auch deiner Pflicht als Shinobi gemäß handeln.“

 

Keine zornige Explosion, doch er entspannte sich nicht für eine Sekunde. 

 

Und hier kommen die Flakgeschütze.

 

Shikamaru blinzelte langsam. „Du willst etwas im Gegenzug.“

 

„Gottverdammt ja, das will ich.“ Tsunade hob eine Braue. „Ich werde dieses Risiko nicht umsonst für dich eingehen.“

 

Shikamaru schürzte die Lippen; nichts anderes hatte er erwartet. Sie war durch und durch eine Spielerin. Zugegebenermaßen eine gescheiterte, doch auf keinen Fall würde er die mächtigen Trümpfe unterschätzen, die sie auf der Hand hielt. Und er hatte das dumpfe Gefühl, dass ihm im Gegenzug nur richtig ätzende Karten zugespielt werden würden. Doch dankbarerweise war er bereits darauf vorbereitet. 

 

„Na gut, was ist die Währung, um die es hierbei geht?“, fragte er geradeheraus. 

 

Vermutlich mein Blut, Schweiß und meine Tränen.

 

„Zeig mir, wie ernst du es meinst.“, forderte sie ihn heraus. 

 

„Wie?“

 

„Du bittest mich, ein massives Risiko einzugehen, indem ich Neji in deinen Händen lasse.“

 

„Ja, das weiß ich.“

 

„Nein, Nara, das weißt du wirklich nicht!“ Tsunades Augen wurden hart und ihre Finger krümmten sich zu Fäusten, als sie die Hände auf den Schreibtisch sinken ließ. „Ich riskiere, einen der mächtigsten Clans in ganz Konoha zu verärgern. Hiashi Hyūga ist kein Mann, den ich im Dunkeln lassen möchte. Also, wenn ich das hier gestatte, dann wirst du mir etwas Gleichwertiges im Gegenzug geben.“ 

 

Tonton unterstützte ihre Meisterin mit einem lauten Oink, was Shikamaru dazu brachte, dem Tier einen flachen Blick zuzuwerfen. In den flüchtigen Sekunden, die es brauchte, bis er seine Augen wieder auf Tsunade richtete, zog er ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche seiner Flakweste und legte es auf den Tisch. 

 

„Ich biete dir das an, Tsunade-sama.“, sagte Shikamaru ruhig und schob ihr das Blatt mit zwei Fingern entgegen. „Es ist bereits alles geplant und bedarf nur noch deiner Zustimmung.“

 

„Hanegakure?“, fragte Tsunade und ihre Augen weiteten sich. 

 

„Ich werde zwei Teams anführen, um die Situation mit dem Tsubasa Clan sowohl zu identifizieren, als auch zu lösen.“, klarifizierte Shikamaru. „Ich habe bereits die Aufklärungs- und auch die Unterstützungsmission geplant. Hier ist die Liste der Teams und unserer Ziele.“

 

Aufmerksam sah er zu, wie sich Tsunade in ihrem Stuhl zurücklehnte und das Dokument durchlas. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Shizune, zu ihr zu kommen. Die medizinische Jōnin trat hinter die Godaime und beide Frauen examinierten das Papier schweigend. 

 

Während sie sich durch die Details lasen, begutachtete Shikamaru die Maserung des Schreibtisches der Hokage und sein Blick wanderte über die Flecken aus Kaffeeresten und Gerbstoffen, bevor Tsunades Summen seine Aufmerksamkeit auf sich zog. 

 

„Auch wenn ich beeindruckt bin.“, begann sie und reichte das Papier Shizune, „Das ist bei weitem nicht genug Blut von deiner Seite, Nara.“

 

Du willst mich doch verarschen…

 

Shikamaru blinzelte. Mit offener Fassungslosigkeit starrte er Tsunade an, für einen Augenblick völlig sprachlos. Ungläubig beobachtete, wie sie schmal lächelte, als wäre sie über seine Reaktion amüsiert; doch es machte ihre nächsten Worte nicht weniger makaber. 

 

„Hanegakure ist unvermeidlich Shikamaru, wir müssten uns also so oder so irgendwann darum kümmern.“

 

„Ich biete dir hier an, das schnell zu erledigen, bevor es noch schlimmer wird.“, argumentierte er. 

 

„Vielleicht und ich bin mir sicher, dass du uns eine Menge Ärger erspart hast, indem du bereits alle Ziele umrissen und eine Missionsstrategie ausgearbeitet hast.“ Tsunade hielt inne und tauschte einen kurzen Blick mit Shizune aus, der Shikamaru überhaupt nicht schmeichelte; trotz ihrer beeindruckten Blicke auf sein Dokument. „Du hast deine Hausaufgaben wirklich gut gemacht, Shikamaru. Willst du wissen, was mir das sagt?“

 

„Dass ich gefickt bin…“, murmelte er. 

 

Tsunade kicherte angesichts der absolut informellen Wortwahl; jedes bisschen die durchtriebene Füchsin. „Es sagt mir, dass du vollkommen fähig bist, mir deutlich mehr als deine übliche widerstrebende Folgschaft zu geben.“

 

„Ah, fuck.“, murrte Shikamaru und rollte unbehaglich mit den Schultern, während er sich dem Gewicht ihres Blickes und Grinsens nicht entziehen konnte. 

 

Und das alles für diesen lästigen Bastard…

 

„Du hast so viel Potential, Nara, aber du willst es einfach nicht nutzen.“, seufzte Tsunade und ihr Feixen wich einem Stirnrunzeln. „Du bewirbst dich immer nur dann, wenn dir zufällig gerade danach ist. Wie zum Beispiel, wenn es um Naruto oder deine Freunde geht. Du bist immer bemüht, deine Kameraden zu beschützen, aber versuchst dafür, dich anderen Dingen zu entziehen. Ich erwarte mehr als das von dir.“

 

Shikamaru wich ihrem Blick aus und knickte in der Hüfte ein, um lässiger zu wirken, als er sich fühlte, während sein Verstand fiebrig nach etwas suchte, das sie möglicherweise von ihm wollen könnte. 

 

„Du willst, dass dich das Angebot des Feudalherren annehme?“, vermutete er, seine Stimme noch weniger enthusiastisch als seine Miene. 

 

„Nein. Das ist vollkommen deine Entscheidung. Es würde dir zwar eine Position in einer ehrenvollen Division einbringen, aber ich will dich hier in Konoha.“

 

„Also willst du, dass ich hier öfter ‚die Initiative ergreife‘.“

 

Tsunade schnaubte. „Nein. Asuma will, dass du mehr die Initiative ergreifst. Ich will die vollständige Gewissheit, dass du dich einbringen wirst; du sollst nicht mehr Aufgaben übernehmen, sondern ein dauerhaftes Pensum erfüllen und das von dir aus. Ohne dass man dich ewig darum bitten oder dazu treten muss.“

 

Shikamaru blinzelte langsam und knirschte krampfhaft mit den Zähnen. 

 

Ich bring Neji um…

 

Tsunade lehnte sich erneut nach vorn, als wollte sie die Bedeutung ihrer Worte unterstreichen. „Du wirst dieses Potential nicht einfach nur nutzen, sondern du wirst es vollkommen erreichen und übertreffen.“

 

Ich bring Neji sehr langsam um…

 

Shikamaru ließ seinen Blick von der einen Seite von Tsunades Tisch zum anderen wandern, bevor er die Hokage ansah. „Und wie willst du, dass ich das tue?“

 

„Ich bin mir sicher, dass du in der Lage bist, eine intelligente Vermutung anzustellen.“, erwiderte Tsunade. „Du warst bei der letzten Besprechung über die Defensiven des Dorfes dabei.“

 

Ah fuck…

 

Shikamarus Augen weiteten sich und seine lümmelnde Haltung richtetet sich sofort auf. „Du willst, dass ich mich für die Nijū Shōtai melde.“

 

„Korrekt.“

 

„Als Subkommandant.“, fügte Shizune hinzu. 

 

„Subkommandant?“, wiederholte Shikamaru und sein Blick zuckte zwischen den beiden Frauen hin und her, die ganz offensichtlich schon seit einer Weile gegen ihn intrigierten. „Ihr hattet bereits geplant, mir das zuzuschieben, stimmt’s?“

 

„Nein.“ Tsunade schüttelte den Kopf. „Denn hierfür bedarf es mehr als nur einen nervigen Befehl an dich und deine übliche halbherzige Attitüde.“

 

„Also von was für einer Art Involvierung sprechen wir hier?“

 

Vollständiges Engagement für die ‚20 Truppen‘. Kein Ausweichen. Kein Rumalbern. Keine Ausreden.“ Tsunade drehte sich leicht in dem Stuhl und öffnete eine Schublade, aus der sie einen Schlüssel zog, den sie Shizune reichte. 

 

Shikamaru beobachtete, wie die Medic-Jōnin Tonton absetzte und durch den Raum schritt, um etwas aus einem verschlossenen Regal zu holen. Deutlich konnte er Tsunades Blick auf sich spüren; sie testete ihn, forderte ihn dazu heraus, auszusteigen. Träge ließ er seinen Fokus zu ihr zurück wandern und unterdrückte den Drang, eine finstere Miene aufzusetzen. Energisch hielt er ihren Blick, während Shizune etwas auf den Tisch legte. Er besah es sich erst, als Tsunade danach griff. 

 

Ein schmales weißes Buch. 

 

„Du wirst auf Jōnin Level operieren, Shikamaru und ich erwarte absoluten Einsatz und Effizienz von dir. Nicht nur hinsichtlich deiner Fähigkeit zu strategisieren und zu planen, sondern auch hinsichtlich deiner Fähigkeit als Teil einer Elite zu funktionieren.“ Mit dem Daumen blätterte sie durch das Heft, bevor sie es wieder auf den Tisch knallte und scharf drehte, sodass es zu dem Nara zeigte. „Es wird damit anfangen.“

 

Shikamaru machte keinerlei Anstalten, das Buch zu nehmen. 

 

Er legte einfach nur den Kopf schief und starrte darauf hinunter; seine Augen flogen über den Titel. 

 

„Aufzeichnungen vergangener Kämpfe?“, fragte er stirnrunzelnd. 

 

„Sag Hallo zu deinem Rehabilitierungsprogramm.“, verkündete Tsunade, als würde sie ihm gerade einen neuen Teamkameraden vorstellen. „Faulheit hat sich hiermit ausgecheckt, Nara. Das hier wird dich nicht verlassen, bevor du es in- und auswendig und von vorn und rückwärts kennst. Und das schließt auch ein, was das Buch nicht enthält.“

 

Nicht enthält?

 

Die letzten Worte brachten Shikamaru nun doch dazu, nach dem Buch zu greifen und durch seinen Inhalt zu blättern. Die Gesichter der Akatsuki Mitglieder flatterten an ihm vorbei, während er Seite um Seite über seinen Daumen kratzen ließ. Es enthielt einen skelettartigen Umriss lauter S-klassifizierter krimineller Aktivitäten und Profilierungen, wies aber gleichzeitig einen enormen Mangel an Fleisch auf, das aus den lebenswichtigen Informationen bestand, die nötig waren, um diese Leute auszuschalten. 

 

Auf keinen Fall.

 

Er schüttelte energisch den Kopf gegen das an, zu was sie ihn hier aufforderte; ein fassungsloser finsterer Blick begleitete die Bewegung. 

 

„Du erwartest von mir, dass ich S-klassifizierten Feinden zuvorkomme, mit denen wir es noch nicht einmal zu tun bekommen haben?“ Shikamaru legte das Buch nieder und wich einen Schritt von dem Tisch zurück – und von dieser gottverdammten Abmachung. „Ich bin vielleicht klug, aber ich bin nicht allwissend.“

 

Tsunade lächelte grimmig. „Ein zu unverschämter Deal für deinen Geschmack, Nara?“

 

„Unverschämt?“ Shikamarus Braue wanderte angesichts dieser Untertreibung nach oben. „Die Standards, die du hier setzt, sind absolut an den Haaren herbei gezogen und unverhältnsimäßig.“

 

„Aber nur deswegen, weil ich weiß, dass du es kannst.“

 

Shikamaru sah zur Seite weg. Nicht zum ersten Mal wünschte er sich, Asuma hätte ihn nie dazu gebracht, sich diesem verdammten IQ Test zu unterziehen; der seinen Kindheitstraum, untätig durch das Ninja Leben zu schweben, zu nichts weiter als reinem Wunschdenken hatte verkommen lassen. 

 

„Du hättest auch einfach nach meinem Kopf auf einem Silbertablett fragen können.“, schnaubte er bitter und stierte finster das Buch und die Schwere an, die es enthielt. 

 

„Es ist nunmal dein Kopf, der dein entscheidender Beitrag ist, Shikamaru.“, sagte Tsunade halb lobend halb mahnend. „Aber ich will, dass er ständig einsatzbereit ist.“

 

Shikamaru knirschte erneut mit den Zähnen und seine Miene verdüsterte sich noch mehr. „Das ist lästig.“

 

„Das ist das Angebot.“, erwiderte Tsunade und ein Hauch von Endgültigkeit und Ungeduld schlich sich in ihre Stimme. „Ich werde dir kein anderes unterbreiten. Wenn du es annimmst, dann gebe ich dir die Chance, die Sache mit Neji Hyūga wieder ins Lot zu bringen, bevor ich gezwungen bin einzuschreiten. Lehne es ab und ich werde ihn jetzt und hier deiner Obhut entziehen.“

 

Nein.

 

Shikamarus Augen zuckten scharf nach oben. „Das wird es nur schlimmer machen.“

 

„Gemessen an dem, wie du seinen Zustand beschrieben hast, werde ich keine andere Wahl haben.“ Tsunade lehnte sich zurück und legte die Hände auf ihre Stuhllehnen, während sie ihn mit dünner werdender Geduld musterte. „Ich werde einschreiten müssen.

 

„Du wirst seinen Clan mit ins Spiel bringen.“, vermutete Shikamaru laut und suchte in ihrem Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen von Milde oder einem Bluff. Er fand nichts. 

 

„Ich werde keine Wahl haben. Du schon.“ Sie gestikulierte zu dem Buch. „Als entscheide dich.“

 

„Das ist nicht wirklich eine Wahl.“

 

„Das ist alles was du kriegst.“

 

Shikamarus Blick senkte sich auf die kahlweiße Abmachung, die auf dem Tisch lag; die scharfen Ecken des Buches genauso klar umrissen wie der Deal. Seine Augen wanderten über das kantige Cover des Heftes. Er hatte erwartet, dass sie die Nijū Shōtai Karte früher oder später ausspielen würde. Im Grunde war er also nicht überrascht, dass sie sie jetzt zu ihren Gunsten einsetzte. Doch er hatte nicht erwartet, dass sie sein Gewissen gegen seinen Charakter ausspielen würde. 

 

Verdammt.

 

Während sein Intellekt einen stummen Kampf mit einer seltsamen Art von Impuls ausfocht, fand er sich selbst in einer unentrinnbaren Schleife gefangen; einer Schleife, die immer wieder Hinatas Worte, Nejis Gesicht und seiner Loyalität, einem Kameraden zu helfen, abspulte…auch wenn der Hyūga einer der Konoha Elf war, zu dem er eigentlich nie eine enge Kameradschaft empfunden hatte.

 

Aber er hat sein Leben für mich und die anderen riskiert…Ich schätze, das ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich zu revanchieren…außerdem helfe ich dann auch gegen die Akatsuki Bedrohung…eine Win-Win Situation für Konoha, auch wenn es für mich ein Drama ist…

 

Das hier war die sicherste und vernünftigste Schlussfolgerung.

 

Es ist nichts Persönliches.

 

Die Geschwindigkeit, in der er all das verarbeitet hatte, musste deutlich kürzer gewesen sein, als es ihm vorkam, denn Tsunade sah überrascht aus, als er den Blick hob und nickte. 

 

„Ich bin dabei.“, sagte er. 

 

Für einen Moment musterte Tsunade ihn schweigend, bevor sie lächelte. „Sehr schön, dann haben wir einen Deal. Ich werde Shizune beauftragen, dir alle nötigen medizinischen Details für Neji zur Verfügung zu stellen. Am besten stellst du sicher, dass sich Sakura und Hinata in deinem Team befinden.“

 

„Das habe ich bereits bedacht.“ Shikamaru nickte. „Ich brauche nur noch dein Einverständnis.“

 

Er griff nach dem kleinen Buch, als Tsunade es ihm entgegenstreckte, runzelte aber die Stirn, als sie keine Anstalten machte, es loszulassen; er begegnete ihrem Blick. Der Ernst in ihren Augen fühlte sich wie ein bleiernes Gewicht an, das auf seine Schultern krachte. 

 

„Sorg dafür, dass es klappt, Nara.“, warnte sie. „Denn mit der Zeit werde ich gezwungen sein einzuschreiten. Wenn du es nicht schaffst, dieses Problem zu beheben, bleibt mir keine andere Wahl, als einen Hyūga ins Spiel zu bringen, der es kann.“

 

„Ich habe verstanden, Tsunade-sama.“ Shikamaru seufzte und entriss das Buch ihrem Griff, als er von dem Tisch zurücktrat. „Aber ich bitte darum, eine Bedingung stellen zu dürfen.“

 

 „Bedingung?“, Tsunade zog die Brauen zusammen.

 

„Ja.“

 

Ganz die Gegenspielerin in seiner Situation quiekte Tonton laut und sprang kopfschüttelnd auf Tsunades Schoß. Shikamaru reagierte nicht und beobachtete stattdessen, wie ihn die Hokage mit demselben argwöhnischen Blick bedachte wie ihr Schwein; sie legte den Kopf schief. 

 

„Und was für eine Bedingung wäre das?“

 

Shikamaru brummte und klemmte sich das Buch unter den Arm. „Niemand wird herausfinden, warum ich das hier getan habe.“

 

Tsunade runzelte die Stirn. „Aus welchem Grund du dich für die Nijū Shōtai gemeldet hast?“

 

Shikamaru nickte und seine Stimme wurde leise. „Nicht Asuma, nicht Neji. Niemand!“

 

„Warum?“

 

Er wollte nicht einmal in Betracht ziehen, diese Frage zu beantworten. Stattdessen zuckte er mit den Achseln und spielte seine Bitte hinunter, ohne die Bedeutung für sich selbst zu verringern. 

 

„Das ist alles, worum ich dich bitte.“

 

Tsunade schlang einen Arm um Tonton und das Stirnrunzeln verschwand von ihrem Gesicht. „Asuma wird wissen wollen, warum du es getan hat.“

 

Sag ihm, dass ich den Verstand verloren habe.

 

„Sag ihm, dass ich mich selbst dafür gemeldet habe.“

 

„Es ist nicht so, als würdest du dich jemals willentlich für irgendetwas melden, geschweige denn für etwas von solcher Tragweite.“

 

Shikamaru seufzte und versuchte, gegen den Frust anzukämpfen, der an seinen Nerven zu zerren begann; gerade noch so schaffte er es, ihn mit einem überzeugenden Mangel an Besorgnis abzuschütteln. 

 

„Sag ihm, dass ich das ständige Nörgeln leid geworden bin und dem Erwartungsdruck nachgegeben habe. Sag, dass du es angeordnet hast oder das irgendjemand seinen Rang ausgespielt hat; sag, was auch immer du sagen musst. Es ist eine Mission, oder? Du hast es angeordnet.“

 

„Na schön. Wenn du wirklich so spielen willst.“ Tsunades Stimme wurde weicher, was den Nara sehr überraschte. „Wie es aussieht, ist deine Motivation wirklich auf deine Freunde zurückzuführen.“

 

„Tja, eins der wenigen Dinge, für das ich kein Blut schwitzen muss.“ Shikamaru brachte ein schwaches Grinsen zustande. 

 

„Sarkastische Besserwisserei beiseite, Nara.“ Tsunade hielt inne und spähte auf das Buch unter seinem Arm. „Ich werde die Teams bestätigen und meinen Teil erfüllen. Aber als Hokage würde ich gerne wissen, was deine Beweggründe in Bezug auf Neji sind.“

 

Shikamaru hätte beinahe gezögert, doch sein Verstand rettete ihn und übernahm das Ruder, als er ihm die Worte in den Mund legte, die er sich bereits vor Stunden eingehämmert hatte. 

 

„Er ist mein Kamerad, Tsunade-sama. Das ist Grund genug.“

 

Es ist nichts Persönliches.

 
 

~  ~
 

 
 

Also was zur Hölle ist es dann?

 

Shikamaru blinzelte langsam und zog seinen Verstand von der Erinnerung an diesen Morgen fort. Seine glasigen Augen fokussierten sich wieder auf den dünnen Lichtstreifen unter der Badezimmertür. 

 

Es ist nichts Persönliches…

 

Das war die Regel gewesen. Die ‚Nicht überschreiten‘-Linie, die inzwischen nicht einmal mehr existierte. Und er hatte keine Ahnung, wie er diese Grenze jetzt wieder ziehen sollte; oder ob er es überhaupt könnte. 

 

Shikamaru schluckte und seine Zunge glitt über seine Zähne. 

 

Er konnte Neji noch immer schmecken. 

 

Es war wahnsinnig. Doch trotz seiner Verwirrung und trotz seines Zwiespalts – er konnte einfach kein Gefühl des Bedauerns und der Reue finden oder erzwingen. Und je mehr er versuchte, sich zu einem Schuldgefühl zu zwingen, desto mehr schien sein Geist davon abzuweichen. 

 

Oder davor wegzurennen. 

 

Was vermutlich näher an der Wahrheit war. 

 

Shikamaru schloss die Augen und schlug seinen Kopf zurück gegen das Kopfbrett des Bettes. Sein Pferdeschwanz fing den Aufprall etwas ab und brachte ihn dazu, die Hand zu heben und mit den Fingern durch die scharf abstehenden Strähnen zu streichen; zusammengebunden mit Nejis Haarband. Er hatte keine Ahnung, wohin sein eigenes verschwunden war. 

 

Vermutlich dahin, wohin auch immer sich mein Verstand verabschiedet hat…

 

Das leichte Knarzen der Badezimmertür erklang. Langsam hob Shikamaru die Lider und blickte durch den dunklen Raum. Neji hielt mitten in der Bewegung inne, als er gerade dabei war, die Tür hinter sich zu schließen; seine Mondsteinaugen starrten zu Shikamaru. 

 

Ihre Blicke hielten sich so beständig wie die Stille. 

 

Shikamaru wusste, dass der Jōnin darauf wartete, dass er irgendetwas sagte. Er schätzte, das Neji ebenso bereit dazu war, ihn mit einer kalten knappen Antwort darüber abwehren würde, dass er sich nicht einmischen sollte. Doch Shikamaru war der Meinung, dass es im Zimmer bereits kalt genug war, ohne dem Ganzen die Kühle einer Konfrontation hinzuzufügen, die sie beide im Grunde nicht wollten. Also blinzelte er nur träge und lehnte den Kopf gegen das Holz ohne ein Wort zu sagen. Wie erwartet entspannte sich Neji sichtbar und spähte hinüber zu den Strahlen aus Mondlicht, die in das Zimmer fielen, bevor er durch sie hindurch und zu dem anderen Bett schritt. 

 

Shikamaru beobachtete ihn durch halb geschlossene Lider und sein Fokus glitt zu den Hämatomen des Hyūgas, bevor er den Blick hob, als der langhaarige Jōnin auf einmal von seinem Weg abwich. Statt zu dem Bett zu gehen, ließ sich Neji auf dem Boden nieder und presste den Rücken gegen die Wand. 

 

Diese blassen Augen schlossen sich langsam. 

 

Shikamaru hob eine Braue und beobachtete schweigend den stillen Hyūga. 

 

„Du solltest schlafen, solange du kannst.“, sagte Neji leise, den Blick des Nara entweder vermutend oder spürend. „Wir müssen in zwei Stunden aufstehen.“

 

„Langsam glaube ich, dass eine Menge Explosionsmist vielleicht einfacher wäre.“, krächzte Shikamaru, seine Stimme immer noch schläfrig heiser. 

 

Neji summte und öffnete die Augen. „Geh schlafen, Shikamaru.“

 

Ja, ich wünschte, ich könnte.

 

Der Nara seufzte und befreite sich aus den verhedderten Laken, bevor er die Beine über die Kante der Matratze schwang und bei Berührung mit den kalten Tatami Matten das Gesicht verzog. Er konnte sich nur vorstellen, wie kalt es hier wohl im Winter sein würde. Er streckte sich über das Bett und griff nach seinen schwarzen Chūnin Hosen. Kurz schüttelte er sie aus, bevor er langsam hinein schlüpfte. Sein Verstand ging bereits in den taktierenden Modus über und bewegte sich deutlich schneller als sein Körper überhaupt die Energie hatte, um mitzuhalten. 

 

Mann, das nervt…

 

Seufzend erhob er sich von dem knarzenden Bett. Kurz fragte er sich, ob es nicht eher seine eigenen Glieder waren, die knarzten und stöhnten; nach den Gott weiß wie vielen Stunden, die er in einer Position der Folter hatte verbringen müssen, aus der Neji ihn einfach nicht hatte befreien wollen. 

 

Sadist…

 

Shikamaru machte sich eine mentale Notiz, sich über die ‚Pass-auf-was-du-sagst-bevor-du-einen-langsamen-Tod-durch-langgezogenes-Vergnügen-stirbst‘-Strategie Gedanken zu machen. Der Hyūga hatte etwas zu wörtlich auf den Kommentar über ‚tantrische Kontrolle‘ reagiert und Shikamaru so lange am Rand seiner Erlösung gehalten, dass es wie ein markerschütternder Schock gewesen war, als sein Orgasmus ihn endlich getroffen hatte. 

 

Scheiße, pass auf, dass dein Blut im Hirn bleibt.

 

Energisch schüttelte er die Gedanken ab, die sein Blut aufzuwühlen drohten und streckte sich träge; ließ schlanke Muskeln mit einem Seufzen spielen, bevor er sich an den flachen Konturen seines Bauches kratzte. 

 

Gerade wollte er sich auf dem Absatz umdrehen, als er innehielt. 

 

Neji beobachtete ihn mit unlesbarer Miene. 

 

Shikamaru sah zu dem Hyūga hinunter und hob eine Braue. „Was?“

 

Neji schüttelte den Kopf und zog Shikamarus Aufmerksamkeit damit auf das omnipräsente Stirnband, das im Mondlicht aufblitzte. 

 

„Nimmst du es eigentlich jemals ab?“ Shikamaru nickte mit dem Kinn in Richtung des Hitai-ate. 

 

„Ja. Wenn ich allein bin.“, antwortete Neji, seine Stimme klang seltsam gestelzt.

 

„Klar.“, erwiderte der Nara und versuchte, seine Verwirrung über den unnatürlichen Tonfall des Hyūgas zu verbergen. 

 

Neji hob eine Braue. „Außer natürlich ein dreister Narr nimmt es mir weg, wenn ich bewusstlos bin.“

 

„War der Narr denn höflich genug, eine Nachricht zu hinterlassen?“, fragte Shikamaru gedehnt und suchte nach einer Veränderung in Nejis Augen. Er war erleichtert, als er das schwache Glitzern von Belustigung in den blassen Seen erkennen konnte. 

 

„Ja.“ Neji schnaubte. „Wie rücksichtsvoll von ihm.“

 

Schmunzelnd wandte sich Shikamaru um und schritt durch das Zimmer. Nejis Lippen hoben sich leicht, während er den Nara beobachtete, wie er auf ihn zukam; die kleine bestätigende Antwort reichte vollkommen aus. Shikamaru ging in die Hocke und brachte ihre Blicke auf Augenhöhe, bis Neji die Lider schloss. 

 

Und schon wieder versteckt er sich…

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen und er senkte den Blick zu der Brust des Hyūga, bevor er wieder nach oben und zu dem Stirnband glitt; vorsichtig strich er mit dem Daumen über den kalten Stahl, bevor er mit dem Finger dagegen tippte. Seine nächsten Worte stolperten von seinen Lippen, bevor er sie aufhalten konnte; vollkommen unbeabsichtigt. 

 

„Sie haben das Siegel bei dir benutzt.“

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich, doch er hielt die Augen geschlossen. „Das habe ich nie gesagt.“

 

„Du sagtest, dass es nur schmerzt, wenn sie es benutzen…“, erklärte Shikamaru und klopfte noch einmal, bevor er seine Hand senkte. „Du hast gesagt, dass du es hasst.“

 

„Das habe ich nie gesagt, Shikamaru.“

 

Shikamaru legte den Kopf schief und atmete langsam aus. „Doch, das hast du.“

 

„Lass mich raten…“ Nejis Lider glitten ein Stück auf. „Ich war betrunken.“

 

„Auf-dem-Boden-betrunken.“ Shikamaru schmunzelte schwach. „Heißt aber nicht, dass es nicht die Wahrheit war.“

 

Neji sah ihn schweigend an und dieser heimgesuchte Ausdruck huschte über sein Gesicht. Es war keine Verteidigung; es war etwas deutlich Dunkleres als das. Und es traf Shikamaru härter als jeder kalte oder zornige Blick. 

 

„Es muss nicht an der Kette gezogen werden, um deutlich zu machen, dass sie da ist.“, sagte Neji leise und winkelte ein Bein zwischen ihnen an. 

 

Shikamaru ignorierte diese defensive Bewegung, die Augen starr auf Nejis Gesicht fixiert.

 

„Nur wette ich, dass jemand nicht einfach nur an deiner Kette ‚gezogen‘ hat, nicht wahr?“

 

„Was willst du, Shikamaru?“, fragte Neji, seine Stimme flach und apathisch. „Eine rührselige Geschichte?“

 

Shikamarus Züge spannten sich angesichts dieses Vorwurfes an. „War es Hiashi Hyūga?“

 

Nejis Augen wurden hart; dann schlossen sie sich. „Nein.“

 

„Aber er ist auch nicht eingeschritten, um es zu aufzuhalten. Oder?“

 

Aus irgendeinem verstörenden Grund bogen sich Nejis Lippen leicht nach oben. „Nein.“

 

„Er ist das verdammte Oberhaupt eurer Familie.“ Shikamarus Brauen zogen sich scharf zusammen. „Und er hat es nicht verhindert?“

 

„Und was glaubst du eigentlich, würden die Ältesten tun?“, raunte Neji eisig aber ruhig, als würde er mit einem ignoranten Kind sprechen. „Sich schweigend und höflich vor der nächsten Generation verneigen?“

 

Shikamaru hätte auf diesen herablassenden Tonfall reagiert, doch er war zu getroffen von der Tatsache, dass Hiashi sich offenbar einfach abgewandt hatte. „Die Hyūga Ältesten haben es gegen dich verwendet?“

 

„Wie ich es bereits Naruto gesagt habe.“ Neji ließ seine Lider sehr langsam aufgleiten, die opalhaften Seen wie Stein. „Es ist nicht zur Dekoration gedacht…“

 

Shikamaru zog ein wenig den Kopf nach hinten, doch er wich nicht zurück. „Ist es das, was vor zwei Monaten passiert ist?“

 

„Nein.“

 

„Aber es ist passiert.“

 

Genauso schnell, wie sich Nejis Augen in dieses bedrohliche Eis verwandelt hatten, tauten sie wieder zu einem bewölkten Grau auf, das beschattet und unleserlich war. Als er sprach, war seine Stimme müde und spiegelte das erschöpfte Neigen seines Körpers gegen die Wand wider. 

 

„Du weißt doch bereits, dass sie es getan haben. Also hör auf, Fragen zu stellen, auf die du bereits die Antwort kennst.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und hielt unbeirrt den Blick des Jōnin. „Wann zur Hölle ist es passiert, Neji?“

 

Nejis Miene verdüsterte sich. „Was versuchst du zu tun, Shikamaru?“

 

„Ich bin doch wohl nicht der Erste, den es kümmert, oder doch?“, konterte Shikamaru und mied die Frage des Hyūga. 

 

„Nicht jeder ist so irritierend intelligent wie du.“

 

„Ich kann gar nicht so clever sein, wenn ich immer noch so gottverdammt ahnungslos bin.“

 

„Du und ich wissen, dass das eine Lüge ist.“

 

Darauf würde ich nicht wetten.

 

Shikamaru seufzte und wandte für einen Moment den Blick ab. „Wie ich es bereits gesagt habe, ich bin nicht allwissend.“

 

„Das hast du noch nie gesagt.“

 

Scheiße.

 

„Ja also…“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und kaschierte seinen Ausrutscher mit einem trägen Lächeln. „Heißt nicht, dass es nicht wahr ist.“

 

Eine schwere Stille schlich sich zwischen sie. 

 

Shikamaru wusste, dass es jetzt an der Zeit war, seine Befragung einzustellen, auch wenn die Fragen nicht die emotionalen Reaktionen hervorzurufen schienen, die er erwartet hatte.

 

Seltsam.

 

Da sich das Schweigen noch länger hinstreckte, erwartete er nicht, dass es ausgerechnet von der subtilsten Bewegung von Nejis Fuß gegen den Boden unterbrochen werden würde. Die Ferse des Jōnin schob sich vorwärts, als er sein Bein ausstreckte und sein Knie senkte, bis Shikamaru spüren konnte, wie es gegen die Außenseite seines Schenkels strich; schwarzer und weißer Stoff raschelte leise.

 

Der Kontakt war klein, aber es war immerhin etwas. 

 

Shikamaru hob den Blick zurück zu Neji, nur um zu sehen, wie der Hyūga über seine Schulter starrte; die mondgleichen Augen seltsam abwesend. 

 

„Hör auf, so viel nachzudenken, Nara.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und beobachtete, wie eine seltsamer Schatten Nejis Miene verdunkelte. Der distanzierte Blick des Hyūga war aussagekräftiger als all seine Worte. 

 

„Du stiehlst meine Sprüche, Hyūga.“, murmelte Shikamaru leise. 

 

Neji summte, starrte aber noch immer unbewegt durch den Raum. „Dann stehle meine.“

 

Shikamaru musterte ihn für einen langen Moment, bevor er die Lippen öffnete. „Ich werde nicht verlieren.“

 

Die Worte ließen Neji schwach lächeln; es zeigte Shikamaru, dass der Hyūga ihn gehört hatte. Doch der weit entfernte Ausdruck verschwand nicht aus seinen Augen…Augen, die an Shikamaru vorbei starrten, als wäre er gar nicht da.

 
 

oOo
 

 
 

„Warum geht er nicht einfach weg?“, maulte Naruto. 

 

Warum bist du nicht einfach still?

 

Neji versuchte energisch, den Gedanken nicht auszusprechen und hielt seinen Fokus von dem Grund von Narutos Notlage abgewandt. Er war klein und er war orange. Neji hatte eigentlich gedacht, dass ihm die Farbe ein paar Pluspunkte einbringen würde, doch ganz offensichtlich war der Uzumaki nicht beeindruckt – und er machte sich auch keine Mühe, seine Empörung zu verschleiern. 

 

„Am besten hörst du auf, das zu tun.“, giggelte Kiba. „Du wirst ihn nur noch mehr anpissen.“

 

„Warum zur Hölle ist er nur hinter mir her?!“, quäkte Naruto und fuchtelte hektisch mit den Händen über seinem Kopf herum, um seinen orangenen Angreifer abzuwehren. 

 

Neji seufzte. 

 

Vielleicht deswegen, weil du einfach unablässig laut bist…

 

Angestrengt kämpfte Neji den Drang nieder, sich das Nasenbein zu reiben und spähte über seine Schulter, während er einfach nur den Kopf schüttelte. Ein kleiner harmloser Vogel schwirrte wie ein Mosquito um das Haar des Uzumaki und flatterte spielerisch in die blonden Spitzen und wieder hinaus. 

 

Er hatte in der Sekunde angefangen, Naruto zu bombardieren, als er die Brücke betreten hatte. 

 

„Ein Spatzenhirn erkennt wohl das andere?“, lachte Kiba und kraulte Akamarus Ohr, während das Team, das die Käfer platzieren sollte, über die hölzernen Bürgersteige und tiefer in das Dorf spazierte. 

 

Neji lenkte sich selbst von dem beleidigenden Wortgefecht ab, das zwischen Kiba und Naruto ausgetragen wurde, indem er seine Aufmerksamkeit auf Shikamaru richtete. Der Nara schlenderte vor ihnen entlang und sprach mit Kitori. Die beiden liefen gerade so nah beieinander, wie es nötig war, um sich über Narutos Plärren hinweg unterhalten zu können. Der Abstand zwischen ihnen war groß genug, dass man meinen könnte, die beiden würden überhaupt nicht miteinander sprechen, wenn sie sich nicht hin und wieder um Bestätigung suchend einen Blick zuwerfen würden. 

 

Warum um alles in der Welt hat er so ein Problem mit ihr?

 

Doch Neji blieb keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Er drehte gerade den Kopf, als Naruto zu ihm hinüber sprang, Kreise rannte und sich wild duckte, während der kleine Vogel seinen Bewegungen mit Lichtgeschwindigkeit folgte.

 

„Er ist wie besessen.“, keifte Naruto.

 

„Jetzt halt endlich die Klappe.“, seufzte Shikamaru genervt über die Schulter, während er mit Kitori Schritt hielt.

 

„Versuch du mal, ihn in deinen Haaren zu haben!“

 

„Könnte schlimmer sein.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und Neji konnte sich deutlich das Grinsen des Schattenninjas vorstellen, als er seine nächsten Worte sprach. „Er hat nämlich auf Kiba gekackt.“

 

„Halt’s Maul!“, knurrte Kiba. 

 

„Das soll Glück bringen.“, sagte Chōji. 

 

„Was für ein Bullshit.“, schnaubte Kiba. 

 

„Wohl eher Vogelscheiße.“, feixte Naruto, bevor er krampfhaft herumwirbelte, als der Vogel versuchte, in seinem Haar zu nisten. „Verdammt!“

 

„Naruto.“, warnte Neji kopfschüttelnd. 

 

„Ha! Der Vogel ist wohl gerade am zielen.“ Kiba grinste mit wilder Belustigung. „Du bist gleich der nächste, der Glück abbekommt, Naruto.“

 

„Glücklich werden? Mit einem verdammten Vogel?

 

Neji schloss die Augen gegen das mentale Bild, das er wirklich nicht brauchte. 

 

Um Kamis Willen…

 

„Naruto, du Freak!“, lachte Kiba. „Das ist einfach so falsch. Und so habe ich das gar nicht gemeint.“

 

„Gib die Schuld dem kauzigen Bergeremiten! Grah!“, jammerte Naruto. „Hey, Shikamaru!“

 

„Auf keinen Fall.“, grollte der Schattenninja und machte sich nicht einmal die Mühe, zurückzublicken. „Ich werde ganz sicher nicht zwischen dich und diesen Vogel kommen.“

 

Kiba bellte ein raues Lachen. „Mann, Shikamaru! Das klingt noch viel schlimmer!“

 

„Ja, danke dafür, dass du es auf sich belassen hast.“, erwiderte Shikamaru trocken. 

 

Neji versuchte, den unreifen verbalen Schlagabtausch zu ignorieren, der ebenso idiotisch zwischen ihnen flatterte wie dieser orangene Vogel um Narutos Kopf; doch er beäugte das kleine Tier mit einem Stirnrunzeln. 

 

„Er wird dich nicht verletzen.“, versicherte Kitori und sah zu Naruto. 

 

Nicht, bis er seine Klauen in deinen Nacken gräbt…

 

Neji seufzte und drehte sich letztendlich zu Naruto um. „Halt einfach still.“

 

Doch bevor der Hyūga seine Schritte verlängern konnte, um zu Naruto hinüber zu laufen, trat Chōji näher. Zärtlich schloss der Akimichi seine großen Hände um den zwitschernden Vogel, während Naruto in die Hocke ging und versuchte, eine schützende Haltung einzunehmen, indem er die Hände über dem Kopf faltete. 

 

„Nett.“ Kiba lachte schon wieder. „Schade, dass die Mädels und Lee das verpassen.“

 

Neji ignorierte Narutos Grollen und hielt seine Augen auf den Käfig aus den Fingern des Akimichi gerichtet, der sich vorsichtig öffnete wie die Flügel eines riesigen Schmetterlings und es dem Vogel gestatteten, hinauf in die Freiheit der Baumkronen zu schwirren. Er starrte der kleinen Kreatur hinterher und runzelte leicht die Stirn. 

 

„Gruseliger kleiner Vogel.“, grummelte Naruto und kam mit einem finsteren Gesichtsausdruck wieder auf die Füße, der sich in ein Grinsen verwandelte, als er sich Chōji zuwandte. „Hey, danke!“

 

„Würdest du dann jetzt etwas leiser sein?“ Shikamaru drehte sich leicht. „Wir sind gleich da.“

 

Neji nutzte die Gelegenheit, um die Umgebung zu studieren. Sie waren auf ein Level abgestiegen, das sich direkt unter dem des Gasthauses befand. Hier gab es ein breiteres Netzwerk aus sich überschneidenden Ästen und konstruierten Plattformen, die das Errichten einer ganzen Reihe von Läden und Geschäften gestattete.

 

Während sie weiter über die hölzernen Bürgersteige liefen, wurde das Summen von Aktivitäten um sie herum lauter; es kam vor allem von den vielen Vögeln. Die Dorfbewohner bewegten sich auf eine durchweg organisierte Weise, alle dunkel und schlicht gekleidet, als sie über die Holzpfade schritten und die Käfiglifte nutzten, um die Ebenen zu wechseln. Hin und wieder erhaschte Neji einen Blick auf Kinder, doch sie schienen stets in der Nähe ihrer Eltern zu bleiben und sich nie weit von ihren begleitenden Erwachsenen zu entfernen. Generell schienen sich alle Menschen mit einem bestimmten Ziel zu bewegen, als wäre ein simpler Spaziergang etwas vollkommen Ungewöhnliches. 

 

Sie sind genossenschaftlich diszipliniert, selbst die Kinder.

 

Shikamaru schien dieselben Gedanken zu haben, denn der Nara spähte zu ihm und hob in stummer Frage eine Braue. Neji legte summend den Kopf schief. 

 

„Da.“ Kitori unterbrach ihre wortlose Kommunikation und deutete auf einen Laden, der auf zwei dicken Stämmen errichtet war, die als eine Art Stelzen dienten. „Das ist das Geschäft des Lieferanten.“
 

Neji hob den Blick und aktivierte sein Byakugan, um das baumelnde Schild des Waffenladens lesen zu können. 

 

KLAUENHANDEL

 

Wie passend. 

 

Er bemerkte, wie sich Shikamaru bewegte, bevor er die Stimme des Nara an seiner Schulter hören konnte. „Kannst du von hier aus lokalisieren, wo die Waffen in dem Laden gelagert werden?“

 

Neji scannte aufmerksam das Geschäft und brummte leise. „Ja.“

 

„Gut. Fertig für den Schlachtplan?“

 

Verdammt, er ist schnell.

 

Neji blinzelte und deaktivierte sein Dōjutsu, bevor er zu dem Nara hinüber linste. „Schlachtplan?“

 

„Jo.“ Shikamaru legte den Kopf leicht in den Nacken und sah mit einem schwachen Grinsen hinauf zu dem Laden, bevor er sich dem restlichen Team zuwandte. „Naruto wird ihn lieben.“

 

Die Augen des Uzumaki weiteten sich. „Eh?“

 
 

xXx
 

 
 

Der Laden war mehr ein Handelsposten als ein gewöhnlicher Waffenladen. Nachdem Neji den Grundriss mit seinem Byakugan vorab kartiert hatte, vermutete er, dass die Überwachung im Grunde in beide Richtungen funktionierte. Es gab drei Leute, die den Laden betrieben; den Besitzer und laut Kitori seine beiden Söhne. Hoffentlich würde sich die Strategie als effektiv erweisen.

 

„Verdammt Shikamaru, du bist so ein Arsch.“, grummelte Naruto.

 

„Ich gebe mir Mühe.“, erwiderte der Nara gedehnt und nahm einen kleinen Behälter von Kiba entgegen. „Sieh es positiv, du darfst dich vollkommen austoben.“

 

Narutos Miene verdüsterte sich und kratzte sich am Hinterkopf. „Ja schon, aber sollten wir uns nicht eigentlich heimlich bewegen?“

 

„Das wird in diesem Fall nicht funktionieren; sie sind an heimlich und subtil gewöhnt.“ Shikamaru grinste. „Folglich kommst du ins Spiel.“

 

„Wirklich witzig.“, murrte Naruto.

 

„Find dich damit ab!“ Kiba feixte und sprang auf Akamarus Rücken. „Turteltaube.“

 

„Halt die Klappe Scheiße-Magnet!“

 

Neji seufzte. „Beeilt euch einfach, ihr beiden.“

 

„Jaja, was auch immer.“, maulte Naruto. 

 

Während Naruto und Kiba in die eine Richtung und den hölzernen Weg zurück liefen, schritten Neji, Chōji und Shikamaru zu dem Eingang des ‚Klauenhandels‘. Der Besitzer des Ladens war ein großer, wettergegerbter Mann, dessen Haut vom Alter gezeichnet war und leicht pockennarbig war. Doch seine eisblauen Augen waren scharf und gerissen; sie wanderten sofort prüfend über die drei fremden Shinobi, als sie eintraten. 

 

Neji wandte sich dem Mann zu und neigte respektvoll den Kopf. „Guten Morgen.“

 

„Guten Morgen.“, erwiderte der Besitzer zivilisiert und hob eine Pfeife an seine dünnen Lippen. 

 

Neji bemerkte, dass der Blick des Mannes zu seinem Stirnband glitt.

 

„Ihr seid aus Konoha.“

 

„Das ist richtig.“, antwortete Shikamaru und bot ein höfliches Nicken an.

 

„Sucht ihr nach etwas Bestimmten?“

 

„Waffen Verbesserungen.“, sagte Neji. 

 

„Ja.“ Shikamaru spähte durch den Raum. „Uns wurde gesagt, das wäre der richtige Ort dafür.“

 

„Ach wirklich?“ Der Ladenbesitzer schnaubte Ströme aus Rauch aus, während er seinen Tisch umrundete; eine dunstige Wolke waberte hinter ihm her. „Das hat euch wohl ein kleines Vögelchen gezwitschert, huh?“

 

Neji tauschte einen raschen Blick mit Shikamaru aus und folgte den Augen des Nara hinüber zu dem Lagerraum, der an das Ende des Ladens angrenzte, verdeckt von zahlreichen Regalen und Schränken. Er nickte subtil, während Shikamaru wahllos zu einem Regal schlenderte, die Hüfte einknickte und so tat, als würde er die Klingen begutachten. Einer der Söhne des Ladenbesitzers, der gerade einen Schrank befüllte, beobachtete den Schattenninja bereits aufmerksam und der andere Teenager, der den Boden an der Rückseite des Ladens wischte, hielt seinen Blick starr auf Chōji gerichtet. 

 

Neji nutzte die Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu ziehen. 

 

„Vielleicht könnten Sie uns etwas empfehlen, das für Luftkämpfe geeignet ist?“, fragte der Hyūga. 

 

„Luftkämpfe, eh?“, echote der Ladenbesitzer, eine Hand an den unteren Rücken gelegt, wie um sich zu stützen, die andere um seine Pfeife geschlossen, während er über den knarzenden Dielenboden schritt. „Für sowas habe ich alles Mögliche. Ich hoffe aber wirklich, dass ihr Konoha Shinobi nicht vorhabt, Zielübungen durchzuführen, solange ihr hier seid.“

 

„Zielübungen?“

 

„Wir sind nicht gerade nett zu Leuten, die unseren Vögeln etwas zuleide tun.“, erwiderte der Mann und tippte mit seiner Pfeife gegen eine Glasvitrine, in der verschiedene Arten von Shuriken und federförmigen Kunai auf lilalenem Samt ausgebreitet lagen. 

 

Sofort sah Neji die Öffnung, auf die sie gewartet hatten und spähte in der Reflexion des Glases zu Shikamaru. Der Nara begegnete seinem Blick, nickte und linste dann laut schnaubend zu Chōji. 

 

„Ich hab euch gesagt, dass wir keinen verdammten Ornithophoben hätten mitnehmen sollen.“, murmelte Shikamaru. 

 

„Es ist nicht seine Schuld.“, argumentierte Chōji. „Letztendlich wird er sich beruhigen.“

 

„Was soll das heißen?“ Der alte Mann runzelte die Stirn und sah Neji auffordernd an.

 

Köder geschluckt.

 

Neji täuschte einen tadelnden Blick in Shikamarus Richtung an, bevor er zurück zu dem Mann sah. „Sie übertreiben.“

 

„Habt ihr ein Problem mit Vögeln?“, fragte der Ladenbesitzer und musterte Neji eindringlich. 

 

„Nein, aber ein Kamerad. Und es ist kein Problem. Er fühlt sich in der Nähe von Vögeln nur nicht besonders wohl.“

 

Shikamaru schnaubte und führte ihr kleines Drama weiter aus. „Ja klar, warte einfach nur auf das Kreischen.“

 

Die Miene des Ladenbesitzers verdüsterte sich und seine scharfen Augen zuckten zur Tür und zurück. 

 

Sehr gut. Der Samen ist gesät.

 

Neji lächelte schwach und schüttelte den Kopf. „Zurück zum Wesentlichen; die Tsubasa Shinobi haben Ihre aerodynamischen Sensen empfohlen.“

 

„Die verkaufen wir nur in Bünden und nicht an Ninjas außerhalb von Hanegakure.“, erwiderte der Mann und gestikulierte zu einer Reihe von Waffen an den Wänden. „Probiert stattdessen die aus.“

 

Kaum hatte Neji den Blick auf die angedeuteten Waffen gerichtet, als draußen ein lautes Brüllen explodierte, das sich rasch zu einem Kreischen verwandelte. Der Ladenbesitzer wirbelte zu der Tür herum und seine Söhne erstarrten mitten in ihren Bewegungen. 

 

„Was bei allen Göttern war das?“

 

„Hab ich doch gesagt.“, murmelte Shikamaru kopfschüttelnd. 

 

„Nicht schon wieder.“ Neji verzog das Gesicht und spähte zu Chōji. „Bitte, bring ihn zum Schweigen, bevor er noch irgendjemanden verärgert.“

 

Chōji wandte sich der Tür zu. Doch er hatte kaum einen einzigen Schritt genommen, bevor die Tür mit solcher Wucht aufflog, dass es die kleine Glocke über dem Rahmen aus ihrer Halterung riss und sie klingelnd über den Dielenboden schleuderte. Eine sehr kurze Stille trat ein, bevor alle Augen von dem Messinggegenstand zu dem aufgeschreckten Uzumaki wanderten, der sich hektisch auf den Zehen drehte. 

 

„Naruto…“, begann Neji. 

 

Ein Vogel zwitscherte und streckte den Kopf aus Narutos Haar. 

 

Der Uzumaki flippte aus. 

 

„NEHMT IHN WEG!“, kreischte Naruto und wirbelte in den Laden wie ein Hurrikan – mit einem vertraut aussehenden orangenen Vogel auf den Fersen; mehrere andere Vögel folgten flatternd. 

 

„Naruto!“, bellte Neji und täuschte absolute Entrüstung vor. „Was zur Hölle machst du da?“

 

„Sie versuchen mich umzubringen!“

 

„Beruhig dich, dämlicher Bengel!“, keifte der Ladenbesitzer und fuchtelte finster dreinblickend mit seiner Pfeife, bevor er sich wieder Neji zuwandte. „Bringt euren verdammten Shinobi unter Kontrolle!“

 

Neji warf dem Mann einen verärgerten Blick zu. „Leichter gesagt als getan.“

 

„Er ist total in Panik geraten.“, fügte Chōji wenig hilfreich hinzu und frustrierte den alten Mann dadurch nur noch mehr. 

 

Sehr gut.

 

Naruto hoppelte von einem Ende des Ladens zum anderen und warf dabei ein paar Tische und Regale um. Neji unternahm einen gestellten Versuch, ihn aufzuhalten, bevor der Uzumaki außer Reichweite und auf die Theke sprang; er kreuzte die Finger in einem vertrauten Handzeichen. 

 

„Jutsu der tausend Schattendoppelgänger!“

 

Shikamaru verzog aus Effektgründen das Gesicht. „Ah fuck!“

 

Dem Ladenbesitzer blieb keine Zeit, sich näher zu erkundigen, bevor Blitze aus Orange und Chakrawolken in dem Geschäft ausbrachen. Klone erschienen, rannten sofort zügellos durch die Gegend und fuchtelten sich gegenseitig über den Köpfen herum, während sie versuchten, die Vögel einzufangen. 

 

„Ich krieg sie schon!“, schrien die Schattendoppelgänger im Chor. 

 

Chaos brach aus und zwang den alten Mann und seine Söhne unweigerlich dazu, einzuschreiten. Es war eine mehr als adäquate Ablenkung und erlaubte es Shikamaru, unbemerkt in den Lagerraum zu schlüpfen, während Neji weiterhin in der List mitspielte. 

 

„Naruto! Beruhige dich!“

 

„Auf keinen Fall! Sie werden mich tot picken!“
 

„Du Vollidiot!“, brüllte der Ladenbesitzer. „Sie sind vollkommen harmlos! Verschwinde!“

 

Es folgte ein verzweifelter Versuch, die Vögel und den hüpfenden Uzumaki zu fangen. Neji duckte sich unter dem Besen weg, den einer der Söhne des Mannes in Narutos Richtung schwang; der Schlag ging komplett daneben, als der Uzumaki nach unten sprang und sich selbst in der Masse seiner Klone verlor, um die Jagd in die Länge zu ziehen. Neji drehte sich inmitten des Chaos um die eigene Achse und spähte über das Meer wogender Körper und Aufregung zu dem Lagerraum.

 

Beeil dich, Nara.

 

Doch er musste nicht lange warten. 

 

Gerade, als der Ladenbesitzer einen melierten Farbton von überschäumenden Rot annahm, duckte sich Shikamaru unter dem Arm eines Klons hindurch und legte eine beruhigende Hand auf die Schulter des Mannes. Neji entging die subtile Bewegung von Shikamarus Fingern unter dem Hemdkragen des Mannes nicht, auch wenn er das Insekt nicht sehen konnte, das der Schattenninja dort platzierte. 

 

„Wir bringen ihn raus.“, sagte Shikamaru gelassen.

 

„Das macht ihr am besten jetzt sofort!“, fauchte der Mann und schüttelte Shikamarus Hand mit einem zornigen Blick ab. 

 

Neji nutzte die Gelegenheit, um sich auf den Ausgang des Ladens zuzubewegen. Und in dem Augenblick, in dem er das tat, barst Naruto aus dem Gewirr seiner Klone, die Arme nach vorn gestreckt wie ein blinder Mann, der durch die Dunkelheit stolperte und plärrte. 

 

„Nehmt sie weg!“

 

Er raste direkt an Neji vorbei und aus dem Laden und die Reihe zwitschernder Vögel flatterte hinter ihm her wie der Schwanz eines Flugdrachen. Die Klone trampelten hinterher und einige verpufften, als sie gegen den Türrahmen knallten. 

 

Nachdem das Geräusch donnernder Füße verklangen war, musterte Neji den angerichteten Schaden. Völlig geschockt starrte der Ladenbesitzer über das Chaos, bevor er zu dem Hyūga herumwirbelte. Neji wich einen Schritt zur Seite und bot einen entschuldigenden Blick an, während Chōji und Shikamaru versuchten, ein paar der zusammengebrochenen Regale wieder aufzurichten. 

 

Neji trat ein Stück nach vorn. „Ich möchte mich entschul-…“

 

Raus!“, knurrte der Mann und stach seine Pfeife scharf in Richtung Tür. „Ihr alle!“

 

Shikamaru legte das Regalbrett beiseite, das er in der Hand hielt und hob seine Hände in einer friedvollen Geste, bevor er sich mit Chōji zum Ausgang begab. 

 

Neji sah den Ladenbesitzer noch einmal entschuldigend an. „Wir werden für alle Schäden aufko-…“

 

„RAUS!“, schnappte der Mann.

 

Und Neji tat genau das; trat hinter Shikamaru durch die Tür und schloss sie hinter sich. Er zuckte zusammen und verzog das Gesicht, als er aus dem Inneren des Ladens hören konnte, wie ein weiteres Regal kollabierte; eine Reihe wilder Flüche folgte. 

 

„Ich glaube, er hat ein bisschen übertrieben.“, sagte Neji und runzelte die Stirn. 

 

„Was auch immer funktioniert, oder?“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und schob den kleinen Behälter, den Kiba ihm gegeben hatte, zurück in seine Flakweste. 

 

„Ich glaube ehrlich gesagt, dass er gar nicht geschauspielert hat.“, kicherte Chōji und deutete dorthin, wo Naruto wie ein Wahnsinniger auf der Brücke auf und ab sprang.

 

Ein paar Tsubasa Shinobi waren stehen geblieben, um das Spektakel zu beobachten. Sogar die zurückhaltenden Kinder waren hinüber gelaufen, um über diese Idiotie zu giggeln, bevor sie von ihren perplexen Eltern weiter gezogen wurden. Neji runzelte die Stirn und suchte nach Kiba – den er am Ende der Brücke ausfindig machte, auf dem Boden liegend und sich selbst in einen Anfall lachend. 

 

Neji seufzte. „Idiot.“

 

Er hörte Shikamaru leise lachen; es war der raue, kehlige Klang, gegen den sich Neji sofort anspannen musste, um die Wärme niederzukämpfen, die er ihn ihm auslöste. Er lenkte sich selbst von dem Schattenninja ab, indem er sich auf Kiba konzentrierte, während sie sich näherten. 

 

„Steh auf, Inuzuka.“

 

Kiba hatte einen Arm um seinen Hund geschlungen und nutzte Akamaru als Stütze, während er sich den Bauch hielt und so stark lachte, dass er weinte. 

 

„Es…tut weh…“, krächzte Kiba zwischen Schnappen nach Luft und hysterisch giggelndem Zischen hervor. 

 

Neji schüttelte den Kopf und sah nach Unterstützung suchend zu Shikamaru. Doch der Nara zuckte nur mit den Achseln, lehnte sich mit er Hüfte gegen die Brücke und hob eine Hand an den Mund, um sein Schmunzeln mit den Fingern fortzuwischen. Neji musterte ihn für einen langen Moment; unfähig, sich über ihn zu ärgern, bevor er dem Blick des Schattenninjas zu Chōji folgte. 

 

Der Akimichi stand mit schwingenden Armen da und versuchte Naruto davon abzuhalten, eine tiefe Rille in den Gehweg zu schneiden, gemessen an der Geschwindigkeit, in der der Uzumaki auf und ab raste; seine orange gefiederten Belästiger hielten allerdings ohne Probleme mit ihm mit. 

 

„Wir sollten vielleicht auch den Vögeln für ihren Verdienst danken.“, sagte Shikamaru und legte den Kopf schief. 

 

„Fang das bloß nicht an.“, warnte Neji, doch seine Lippen drohten sich leicht nach oben zu biegen. 

 

Kiba zog sich mühsam auf die Füße und schnappte nach Luft. „Arrgh.“

 

„Geht’s dir besser?“, fragte Shikamaru flach und zog den Behälter aus seiner Flakweste, um ihn dem Inuzuka zurückzugeben.

 

„Oh Mann.“ Kiba wischte sich die Tränen aus den Augen und griff nach der Dose. „Das war verfickt nochmal unbezahlbar. Die Vogelbasierte Ablenkung - bester Schlachtplan überhaupt.“

 

„Hat dazu geführt, dass wir den Job erledigt haben, oder?“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Schätze, wir warten einfach darauf, dass die Schmuggler die Fracht abholen. Dann lassen wir die anderen Käfer frei und sehen weiter.“

 

„Wie vereinbart.“, erwiderte Neji.

 

„Verstanden.“ Kiba grinste und beobachtete Narutos lächerliche Gestikulierungen, während der Uzumaki den schwarmführenden Vogel beschimpfte, der in Chōjis Händen gefangen war. 

 

Schon wieder begann der Inuzuka zu lachen und schlenderte hinüber, um eine weitere Runde verbaler Misshandlungen zu beginnen. Akamaru blieb bei Shikamaru und setzte sich still auf die Hinterpfoten, den Kopf zur Seite gelegt und auf Neji gerichtet. Dem Hyūga entging das Starren des Hundes und er konzentrierte sich stattdessen auf die rüden Beleidigungen, die zwischen den beiden energiegeladenen Shinobi hin und her flogen; sie lösten gedämpftes Giggeln bei den Tsubasa Kindern und ernste Blicke von unbeeindruckten Eltern aus.

 

Und hier verabschiedet sich Konohas Respektabilität…

 

„Schätze mal, dass wir auf jeden Fall einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“, sagte Shikamaru gedehnt, als hätte er seine Gedanken gelesen.

 

Neji schüttelte den Kopf und bereitete sich schon darauf vor, den Lärm ein für allemal zu unterbinden, als ein feuchtes Stupsen gegen seine Hand seine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Hmn?“

 

Akamaru stierte zu ihm hinauf und winselte laut. 

 

Nejis Miene verdüsterte sich und er wollte einen Schritt zurückweichen. Doch in dem Moment, in dem er es tat, verklangen alle Geräusche, als wären sie auf einen Schlag hinter Watte gepackt worden und das Gesicht des Hundes verzerrte sich zu einem verschwommenen weißen Fleck. Neji fühlte, wie sich ein Übelkeit erregendes Drehen durch sein Inneres zog. Er wäre nach vorn gefallen, wenn Shikamarus Hand ihn nicht an der Schulter gepackt hätte. 

 

„Neji…“

 

Der Hyūga hörte deutlich die schwere Besorgnis in dieser Stimme und spürte, wie sie sich auch in dem Griff bemerkbar machte, der ihn vor einem peinlichen Kollaps bewahrte. Energisch verlagerte er ein wenig das Gewicht und testete vorsichtig seine Balance. Eine Welle aus Schwindel durchfuhr ihn und ihm wurde speiübel. Akamaru kam an seine Seite und lehnte sich als große weiße Stütze an ihn, die er zwar nicht wollte, aber ganz offensichtlich brauchte, als die Welt vor seinen Augen verschwamm und verwischte wie ein Aquarell. 

 

„Es geht mir gut.“, sagte er automatisch. 

 

Sein Fokus wechselte immer schneller zwischen klar und vernebelt und gestattete ihm gerade genug scharfe Wahrnehmung, um zu realisieren, dass sich Shikamaru bewegt hatte und jetzt direkt vor ihm stand. 
 

„Scheiße.“, wisperte Shikamaru bestürzt. 

 

„Was?“ Neji blinzelte und legte widerwillig eine Hand auf Akamarus Kopf, um sein räumliches Bewusstsein zu stabilisieren. 

 

„Du bist blau.“, sagte der Nara leise und packte erneut seine Schultern. 

 

Was?

 

„Blau?“ Neji blinzelte und begriff nicht den Sinn in diesen Worten, als sich seine Sicht endlich klärte und der Schwindel verging. „Ich bin nicht betrunken und Depression ist mit Sicherheit das letzte meiner Irritationen.“

 

„Nein.“ Shikamaru schüttelte den Kopf. „Deine Haut, Neji.“

 

Der Jōnin blinzelte und dann bemerkte er, dass die Augen des Naras starr auf seine Lippen fixiert waren. Eine scharfe Falte stanzte sich zwischen Nejis Augenbrauen, als er sie zusammenzog und er hob eine Hand zu seinen Lippen; stoppte aber mitten in der Bewegung, als sich sein Blick auf seine Fingerspitzen richtete. Sie waren dunkel verfärbt; alle Farbe seiner Haut war einem gräulichen Blau gewichen. 

 

Verdammt.

 

Akamaru winselte erneut.

 

Dann spürte er, wie Shikamarus Daumen zaghaft über sein Schlüsselbein strich. „Sprich mit mir, Neji.“

 

Er muss gehen…jetzt…

 

Energisch zerrte Neji eine Maske über sein Gesicht, so hart wie seine Stimme. „Lass mich los und lenke die anderen ab.“

 

„Auf keinen Fall.“

 

„Ich treff dich später im Krähennest. Dreh dich um und fang einfach an zu laufen.“, sagte Neji sehr ruhig, auch wenn sich sein Inneres genauso kalt anfühlte wie seine Finger. „Mach es jetzt!“

 

„Verdammt Neji.“, grollte Shikamaru und Neji spürte, wie sich diese schlanken Finger schon beinahe schmerzhaft hart in seine Schulter krallten. „Dein Stolz wird dich noch umbringen.“

 

„Er wird dich zuerst umbringen, wenn du jetzt nicht anfängst zu laufen.“ Neji wartete gar nicht erst darauf, die Wirkung dieser kalten Worte zu beobachten und entriss seine Schulter Shikamarus Umklammerung. „Geh!“

 

Der Schattenninja bewegte sich nicht. 

 

Mit einem vernichtenden Ausdruck zuckten Nejis Augen nach oben und er beging den vertrauten Fehler, dem Blick des Nara zu begegnen. Ebenso scharf wie eine Rasierklinge drohten diese dunklen Augen die Stränge der Entschlossenheit zu zerschneiden, die seine Maske fest an ihrem Platz hielt. Doch was Neji noch viel mehr traf, war das seltsame Stirnrunzeln; viel zu weich, um zornig zu sein. 

 

Gott, geh…

 

„Dreh dich um und lauf los.“, sagte er noch einmal, doch sanfter diesmal, trotz seines wachsenden Gefühls von Dringlichkeit. „Geh!“

 

Der besorgte Ausdruck verschwand, bevor Shikamaru sich bewegte; er fiel vom Gesicht des Schattenninjas und ließ es leer und unleserlich zurück. Ein Anblick, den Neji nicht hoffen konnte zu dechiffrieren. Doch bevor er es auch nur versuchen konnte, drehte Shikamaru ihm den Rücken zu. 

 

„Bring mich nicht dazu, dir nachzujagen, Hyūga.“, sagte er leise und die Worte schwebten über seine Schulter. „Das nervt.“

 

Neji fühlte, wie seine Maske verrutschte und seine Stimme drohte aufzutauen und zu zittern. „Das wirst du nicht müssen. Und jetzt geh.“

 

Bitte geh…

 

Shikamaru drehte leicht den Kopf, ohne vollständig über die Schulter zu sehen. 

 

Er verharrte lange genug auf diese Weise, dass Neji schon befürchtete, der Schattenninja würde nicht das tun, was er als nächstes tat.

 

Er lief davon.

 

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Uiii, mal wieder ein Kapitel, in dem doch relativ viel passiert und offen gelegt wird, wie ich finde, oder wie seht ihr das? ;) Auf jeden Fall sind noch mehr "Aha-Momente" auf dem Weg (Hoffe ich zumindest, dass es auch so rüberkommen wird :D) Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat, über ein paar Meinungen würde ich mich wieder sehr freuen! <3
 

Vielen Dank wieder für die schönen Reviews!! <3

Almost

Das Kratzen von Krallen ätzte sich langsam und unentwegt in die Stille. Jedes Geräusch der Klauen fühlte sich wie eine rostige Klinge auf Shikamarus Nerven an. Bereits seit den letzten paar Minuten versuchte er angestrengt, es zu ignorieren und hoffte, dass der Vogel einfach irgendwann aufgeben würde. 

 

Doch das tat er nicht. 

 

Das metallische Zischen und Kratzen hielt an. 

 

Shikamaru spähte durch den Raum. 

 

Deprimiert klammerte sich der Vogel an den Stangen fest, während er seine gekrümmten Krallen an den Käfigstäben entlang zerrte. Sein Schnabel war von dem unaufhörlichen Picken an seinem Gefängnis und sich selbst schon ganz eingerissen und vernarbt. Die hässlichen Wunden auf seinem Körper waren wie tropfende Mäuler, roh und rot vor Entzündungen.

 

Der Schattenninja schloss die Augen. 

 

Langsam atmete er durch die Nase ein und entließ die Luft nach und nach, während er sich bemühte, dem Vogel – und anderen, die wie das Tier waren – nicht seine Aufmerksamkeit zu schenken. Er stand auf der anderen Seite des Raumes, den großen Käfigen gegenüber, die Arme lose vor der Brust verschränkt und den Körper gegen eine mit Plakaten bepflasterte Wand des Verterinärgebäudes gelehnt. 

 

Der Raum war klein, stickig und stank nach Vogelmist, Körnerfutter und einer Mischung verschiedenster klinischer Substanzen, die eher toxisch als kurativ rochen. Doch nichts davon konnte den unterschwelligen Geruch von Verwesung überdecken. Es brachte ihm sofort die Erinnerung an Vogelfetzen zurück, die über und über auf ihm verteilt waren. 

 

Das sanfte Knarzen der Tür brachte ihn dazu, die Lider zu heben. 

 

Sakura betrat den Raum, ein Klemmbrett in einer Hand und einen Stift hinter ihr Ohr geklemmt. Sie trug einen Mediziner Kittel und ihr Haar war am Hinterkopf mit ihrem Stirnband zusammengebunden, um es aus ihrem Gesicht zu halten. Sie begegnete seinem Blick mit einer grimmigen Miene, die sein Hirn sofort zum Rasen brachte, obwohl er nach außen hin einen bemerkenswerten Mangel an Reaktion aufwies.

 

„Ich musste es doppelt überprüfen, nur um sicher zu gehen.“, sagte Sakura und kickte die Tür hinter sich mit der Hüfte zu. „Aber es ist, was ich befürchtet habe.“

 

„Und das wäre?“, wollte Shikamaru wissen, während er sie aufmerksam durch dichte Wimpern beobachtete. 

 

„Es war ein Anoxie-Anfall.“ Sakura klopfte mit den Fingern auf ihr Klemmbrett und schritt hinüber zu dem Untersuchungstisch. „Oder eher Hypoxie.“

 

Shikamaru hob eine Braue „Hypoxie?“

 

„Im Grunde ein Sauerstoffmangel im Blut bestimmter Körperbereiche.“, erklärte Sakura und ihre Brauen zogen sich aufgrund der Diagnose zusammen. 

 

„Seine Lungen.“, murmelte Shikamaru und stierte auf alte Blutflecken auf dem Boden. 

 

„Ja, von diesen arteriellen Blutgerinnseln.“, erwiderte sie sanft. „Und diese Verfärbung, die du erwähnt hast; es war…“

 

„Zyanose.“, sagte er leise und verzog das Gesicht. „Ich weiß.“

 

„Woher weißt - ?“

 

„Mein Jutsu.“, unterbrach Shikamaru sie und hob mit einem schwachen Zucken der Mundwinkel den Blick. „Menschen das Leben auswürgen und sie dabei beobachten, wie sie blau anlaufen? Ja…ich weiß, wie sich ein Mangel an Sauerstoff zeigt, wenn ich ihn sehe.“

 

„Oh, klar.“ Sakuras Miene verdüsterte sich und sah angesichts seiner Unverblümtheit etwas verstört aus. „Also warum hast du mich dann überhaupt gebeten, es zu überprüfen, wenn du es bereits wusstest?“

 

„Weil das eins der Dinge ist, die du wissen musst.“, erklärte er und fügte seiner Stimme am Ende der Aussage eine klare Kante hinzu. „Und ich muss das wissen: kann er es selbst kurieren?“

 

Sakura seufzte und legte das Klemmbrett auf dem Tisch ab. Aufmerksam beobachtete Shikamaru, wie sie für einen Moment auf ihre Notizen stierte, bevor sie aufsah, um seinem Blick zu begegnen. Ihre grünen Augen wurden weich mit etwas, das er nicht benennen konnte; was aber nur dazu führte, dass sich seine Iriden mit Argwohn verschärften. 

 

„Shikamaru…“ Sakura zögerte und zog den Stift hinter ihrem Ohr hervor, um ihn auf ihren Dokumenten abzulegen. „Wie lange macht er das jetzt schon?“

 

„Zwei Monate. Seit Juli.“ Er ignorierte, wie sie das Gesicht verzog. „Kann er es selbst kurieren? Die Zyanose.“

 

„Vielleicht zeitweise. Aber es wird nicht lange halten.“

 

„Klar…“, raunte Shikamaru und lehnte den Kopf gegen die Wand. 

 

Er wird nicht mehr lange durchhalten

 

Der Gedanke ließ seine Augen zucken und so schloss er sie; ließ es dabei so erscheinen, als wäre es nichts weiter als ein müdes Fallenlassen der Lider. 

 

Sakura beobachtete ihn, wartete. 

 

Doch er sagte nichts. 

 

Ein lautes Kratzen zerriss die Spannung in der Luft und zog seinen Blick durch den Raum und auf den gebrochenen Vogel, der immer noch an den Stäben seines Käfigs hing und mit seinem eingerissenen Schnabel in den Stahl pickte. Ein entsetzlicher Schmerz durchzuckte Shikamaru, während er das Tier beobachtete, doch nicht der Hauch einer Emotion berührte sein Gesicht. 

 

Der Vogel hat keine Chance…

 

Er starrte auf das elende Tier und lauschte dem Kreischen der Krallen gegen Stahl und dem nagenden Schnabel. 

 

Warum versucht er es überhaupt?

 

Er schluckte gegen die Spannung an, die seine Kehle zuschnürte. 

 

Reiß dich zusammen. Es ist nur ein Vogel.

 

„Shikamaru.“, wisperte Sakura. 

 

Das Zögern in ihrer Stimme in Kombination mit Besorgnis sorgte sofort dafür, dass sich alles in ihm verkrampfte. Er stieß sich von der Wand ab und trottete zu den Käfigen hinüber, um durch die Gitter zu spähen. Sein Blick fiel auf den Boden des Pferches, glitt über zerfetzte Federn und ein paar tote Vögel, die in eine Ecke geschoben worden waren. 

 

Er konnte spüren, dass Sakura ihn musterte. Beinahe konnte er das Gewicht ihrer Verwirrung auf sich fühlen; es saß bleiern auf seinen Schultern, genau wie sein Gewissen und sein Zwiespalt. 

 

In diesem Zustand kann ich unmöglich klar denken. 

 

Verzweifelt nach Ablenkung suchend nickte Shikamaru mit dem Kinn zu den toten Vögeln und schob mit den Zehen eine Feder zurück.

 

„Was ist mit diesen Vögeln passiert?“, fragte er mit heiserer Stimme, bevor er sich räusperte. 

 

Ihr Schweigen hielt unangenehm an. 

 

„Sie vergiften die Tiere, um sie zu töten, bevor sich die Krankheit ausbreitet.“, sagte sie letztendlich; ihre Stimme war leise. „Oder bevor sie sich selbst zerfetzen.“

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander; er war dankbar dafür, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Angespannt und verzerrt von einem Zwiespalt, den er nicht spüren wollte. Er hörte, wie sich Sakura bewegte und stählte sofort seine Züge. Sie trat an seine Seite und strich mit den Knöcheln über einen der Käfigstäbe; traurig lächelte sie die Vögel an. 

 

„Es mag grausam erscheinen, aber…was mach ich eigentlich? Es ist nicht so, als könnte ich irgendetwas dazu sagen.“

 

„Ich schätze, sie tun, was sie tun müssen.“, sagte er achselzuckend. 

 

Sakura summte leise und observierte ihn aus den Augenwinkeln. Shikamaru ignorierte sie, indem er seinen gesamten Fokus auf den verstümmelten Vogel richtete, der immer noch einen aussichtslosen Kampf um seine Freiheit führte. Seine Augen wanderten über die wenigen verbliebenen Federn, die noch nicht ausgerissen worden waren. Sie hatten die Farbe eines weichen Mokkabrauns, durchzogen mit Weiß. Er hielt die Aufmerksamkeit weiter auf die elende Kreatur, durchbrach die Stille aber, indem er ihre Unterhaltung wieder auf Kurs brachte. 

 

„Bist du bereit für den Eingriff?“

 

„So bereit wie ich es sein kann, gemessen an den flüchtigen Informationen, die ich habe.“ Sakura nickte und neigte den Kopf, um seinen Blick zu suchen. „Du solltest versuchen, mit Neji darüber zu sprechen. Damit er uns helfen lässt, anstatt dass wir es ohne sein Einverständnis tun.“

 

Shikamaru grinste freudlos. „Das wird nicht funktionieren. Er wird niemals sein Einverständnis geben.“

 

„Woher willst du das wissen?“

 

„Die Tatsache, dass er da draußen ist und an sich selbst Doktor spielt sollte Antwort genug für dich sein, oder nicht?“

 

Sakura schüttelte den Kopf; es war eine scharfe Bewegung, die endlich seinen Blick auf sich zog. „Aber wir sind seine Freunde.“

 

Es hätte nicht so sein sollen, doch ihre Worte machten ihn zornig; hauptsächlich deswegen, weil er diesen Begriff stets ebenso leichtfertig benutzt hatte – bis letzte Nacht. Dieses klar umrissene Wort, das etwas komplizierter war, als ‚Kamerad‘ und doch gleichzeitig so viel weniger verwirrend als das, was auch immer Neji jetzt für ihn war. 

 

Verdammt, konzentrier dich.

 

„Du erwartest von ihm, dass er Freundschaft zu einem ausschlaggebenden Faktor macht?“ Der Nara seufzte und sein flacher Blick trieb eine tiefe Furche in Sakuras Stirn. „Sei nicht so naiv.“

 

„Seit wann ist es naiv zu hoffen, dass deine Freunde dir vertrauen?“, grollte Sakura und ihre Finger schlangen sich in einer wütenden Umklammerung um einen der Käfigstäbe. 

 

Shikamaru entging die Anschuldigung in ihrer Stimme und ihren Augen nicht; ihre grünen Iriden verdunkelten sich frustriert. Kühl erwiderte er ihren Blick für einen langen Moment, bevor er sich wortlos wieder dem Vogel zuwandte. Sakuras Finger verkrampften sich noch mehr um die Stange und drohten, sie durch ihre Kraft zu verbiegen. 

 

„Warum sollte Neji uns nicht genug vertrauen, um zu wissen, dass wir ihm nur helfen wollen?“

 

Shikamaru spürte, wie ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. „Würdest du für den Anfang vielleicht mal einen Blick auf sein Familienportrait werfen? Er wurde nicht unbedingt in eine Umgebung des Vertrauens hinein geboren.“

 

Sakura räumte dieses Argument mit einem Seufzen ein. „Aber du kannst nicht wissen, dass er nicht seine Meinung ändern würde, wenn du ihn damit konfrontierst.“
 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass er das nicht tun würde.“

 

„Shikama-..“

 

„Tz.“ Shikamaru schnitt ihr harsch das Wort ab, indem er sich abrupt von dem Käfig abwandte; die Muskeln auf seinem hageren Gesicht so angespannt wie seine Stimme. „Denkst du wirklich, dass ich es auf diese Weise machen will?

 

Sein plötzlicher Gemütswandel erkaufte ihm ein paar Augenblicke und er nutzte die Chance, um seine Gesichtszüge dazu zu zwingen, sich zu entspannen. Energisch versuchte er, nicht auf die Turbulenzen zu reagieren, die in mächtigen Wellen direkt unter der Oberfläche durch ihn wogten. 

 

Er hörte Sakura leise seufzen. 

 

„Ich weiß es nicht, Shikamaru. Du willst mir ja nicht sagen, was genau du eigentlich tust.“

 

Der Nara schürzte die Lippen und kopfschüttelnd schritt er zu dem Untersuchungstisch hinüber; er legte die Handflächen auf dem kalten sterilen Metall ab. 

 

„Ich kann nur versuchen, so viele Ärsche wie möglich zu retten, weißt du.“, sagte er müde und überflog die Notizen auf dem Klemmbrett. 

 

„Du musst mich nicht beschützen.“

 

„Jo.“ Shikamaru hob eines der Papiere und las die Informationen auf dem Blatt darunter durch. „Erinnere mich daran, dass du das gesagt hast, wenn du ein paarmal von der Sanften Faust getroffen wurdest.“

 

„Das würde Neji nicht tun.“, erwiderte die Kunoichi mit viel zu viel Überzeugung. 

 

Shikamaru sah auf, ohne den Kopf zu heben und eine dunkle Braue wanderte nach oben. „Nicht, wenn er bei klarem Verstand ist, nein. Aber er wird in diesem Moment nicht klar denken. Also geh‘ nicht einfach so von irgendetwas aus, von dem du keine Ahnung hast. Er hat es bereits vor drei Jahren mit Hinata getan.“

 

„Das war etwas vollkommen anderes. Er war vollkommen anders.“

 

„Ich werde das Risiko nicht eingehen, auch wenn die Dinge diesmal wirklich vollkommen anders sind.“ Shikamaru ließ das Papier fallen. „Er wird zu diesem Zeitpunkt jeden als Bedrohung ansehen.“

 

„Nun, er wird wissen, dass du es geplant hast.“

 

Ein kalter Schmerz bohrte sich tief in ihn, doch er zeigte sich nicht ein einziges Mal auf seinem Gesicht, während er achselzuckend brummte. „Ja, wahrscheinlich.“

 

Sakura starrte ihn fassungslos an, als hätte er nicht einfach nur die Ernsthaftigkeit in ihren Worten verpasst, sondert auch den ganzen Sinn ihrer Unterhaltung, die sie bis jetzt geführt hatten. Kopfschüttelnd ließ sie das Käfiggitter los und schritt zu ihm hinüber. Sie legte beide Hände auf dem Tisch ab, bevor sie ihn mit einer Miene bedachte, die dem matriarchalischen Blick von Tsunade viel zu ähnlich war. Shikamaru hätte angesichts der Ironie beinahe geschmunzelt, entschied sich aber für einen sichereren Ausdruck; er hob eine Braue. 

 

„Shikamaru.“ Sakuras Züge verfinsterten sich. „Zu diesem Zeitpunkt wirst du derjenige sein, der Schutz brauchen wird, wenn er wirklich so labil ist, wie du es gerade erscheinen lässt.“

 

„Ich werde schon klarkommen. Ich bin gut darin, wegzurennen.“

 

Sakuras Miene wurde noch düsterer. „Shikamaru, ich meine es ernst.“

 

„Ugh, gönn mir `ne Pause.“ Der Nara hob in träger Kapitulation die Hände und schlüpfte rasch in die vertraute Haut aus Apathie, um die Situation hinunterzuspielen. „Mach jetzt nicht eine auf Ino. Es geht mir gut. Mein Hintern ist auch gesichert.“

 

„Wie denn?“

 

„Strategisch.“, sagte er nur flach, griff nach dem Stift auf dem Klemmbrett und drehte ihn in seinen schlanken Fingern. „Mach dir deswegen keine Sorgen.“

 

Sakura stemmte eine Hand in die Hüfte, die andere presste sich hart gegen den Tisch, während sie ihn finster anstierte. Dann verengten sich ihre Augen.
 

„Ich verstehe dich nicht, Shikamaru.“

 

Sein Verstand konfrontierte ihn so schnell mit zweihundert verschiedenen Gründen, warum diese Aussage so viel explosiver war als Krötenöl, dass Shikamaru innerlich zusammenzuckte. Sein Schweigen sorgte aber nur dafür, dass Sakuras Handfläche das Metall des Tisches eindellte. 

 

„Warum drückst du dich Hinata und mir gegenüber so vage aus?“, drängte sie weiter und runzelte in der Anstrengung die Stirn, ihn zu verstehen. 

 

Shikamaru hörte auf, den Stift über seine Finger tanzen zu lassen. „Das habe ich dir schon gesagt – mehrmals.“

 

„Und ich glaube deinen Gründen nicht. Das macht einfach keinen Sinn, Shikamaru.“

 

„Es muss auch keinen Sinn machen. Es muss einfach nur funktionieren, okay?“

 

„Nein. Es ist nicht okay. Hinata ist krank vor Sorge!“ Zornig schnappte sie sich das Klemmbrett und fuchtelte vielsagend damit herum. „Ich bin ständig damit beschäftigt, mir medizinische Details durchzulesen, ohne die Auswirkungen oder Gründe dafür zu kennen!“

 

„Die Auswirkungen und Gründe sind nicht dein Problem.“, erwiderte Shikamaru flach und kompromisslos. „Das ist nicht Teil deiner Rolle in der ganzen Sache, Sakura.“

 

Er drehte sich genau zur rechten Zeit zur Seite. 

 

Das Klemmbrett traf in einem brutalen Krachen auf die Wand hinter ihm.

 

Die Vögel flogen alarmiert auf und brachen in eine Kakophonie eingesperrten Chaos aus; sie kreischten, kratzten und flatterten. 

 

Shikamaru bewegte sich keinen Millimeter. 

 

Er hob lediglich den Blick von dem Klemmbrett, dass nahe an seinen Füßen lag und richtete ihn auf Sakuras Gesicht. Als Antwort auf ihr bösartiges Starren hielt er seine Augen gelassen und seine Miene nervenaufreibend leer von Emotionen. In dieser Situation war das seine beste Verteidigung, trotz der schweren Anstrengung, nicht zu reagieren.

 

„Nicht. Meine. Rolle?“, presste Sakura hervor und sprach dabei jedes Wort mit einer Oktave höher aus, bevor ihre Stimme sehr tief wurde. „Das ist kein Spiel, Shikamaru.“

 

Ein chakrageladener Schlag hätte weniger geschmerzt als das.

 

Die Worte ließen ihn verkrampft und still zurück; sie trafen ihn an einer Stelle, die viel zu tief lag, um einen Blick darauf wagen zu dürfen. Irgendein Hauch von Zorn musste sich in seine Augen geschlichen haben, doch bevor er antworten konnte, öffnete sich eine der Hintertüren, die in einen Brutraum führten. 

 

Shikamaru erstarrte, seine dunklen Augen zuckten über Sakuras Schulter. 

 

Sein Blick traf auf ein Paar himmelblauer Iriden. Wild und fixiert – direkt auf ihn. 

 

Scheiße.

 

„Naruto!“ Sakura zuckte zusammen und drehte sich leicht. 

 

Doch Shikamaru hatte keine Zeit, den zwiegespaltenen Ausdruck aus seinem Blick zu verbannen, bevor Naruto ihn bemerkte. Der Uzumaki hielt im Türrahmen inne; das leichte Stirnrunzeln fiel von seinem Gesicht und ließ es seltsam ruhig zurück. Beinahe zu ruhig. 

 

Nicht gut.

 

Eine entsetzliche Stille breitete sich zwischen den dreien aus. 

 

Die Spannung begann praktisch schon zu summen. 

 

Die Vögel beruhigten sich langsam wieder; und dann trat Naruto nach vorn. Der übliche Schwung in seinen Schritten war fort und seine Augen wiesen nicht länger diesen temperamentvollen Glanz auf, der sie so oft genauso hell erstrahlen ließ wie sein Haar. Er sah alarmierend ernst aus. Shikamaru spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte, doch bevor er Sakura einen zornigen Blick zuwerfen konnte, realisierte er, dass sie ebenso überrascht war wie er. 

 

Überhaupt nicht gut. 

 

Sakura öffnete die Lippen, um zu sprechen, doch Naruto schüttelte den Kopf, die Augen noch immer starr auf Shikamaru fokussiert. Der Nara starrte zurück und wartete auf die unausweichliche Aufforderung des Uzumaki, zu erfahren, was zur Hölle hier los war. Es spielte sich jedoch ein Ereignis ab, an das er niemals auch nur gedacht hätte – geschweige denn in Betracht gezogen. 

 

Naruto reagierte nicht. 

 

Das hätte er aber sollen. Nach allen Gesetzen, nach denen der Uzumaki lebte, wäre es seine verdammte Pflicht gewesen, zu reagieren. Und Shikamaru glaubte nicht, dass er im Moment irgendetwas außerhalb des ‚Vorhersehbaren‘ ertragen könnte. Auf seiner Zunge lag eine ganze Reihe an Lügen und er war bereit dazu, so dick aufzutragen, wie es nötig sein sollte und sich mit jedem nötigen Bullshit hier heraus zu lavieren. 

 

Zumindest hatte er das geplant; bis Naruto mit dem Kopf zur Tür nickte. 

 

„Sakura.“ Narutos Stimme wurde leise, ein heiseres Kratzen in seiner Kehle. „Shikamaru und ich gehen spazieren.“

 
 

xXx
 

 
 

Es fühlte sich eher an, als würde er über eine Planke balancieren, als über eine Brücke laufen. 

 

Zielort: Konfrontation. 

 

Shikamaru war auf das Schlimmste vorbereitet; jedem Schritt, den er tat, gingen bereits zehn mentale voraus – sein Verstand raste voran. Er hielt seinen Blick starr geradeaus gerichtet, während Naruto neben ihm lief, so viel stiller, als Shikamaru ihn jemals für fähig gehalten hätte. 

 

Nicht gut.

 

Gesprenkelte Flecken aus Sonnenlicht schimmerten auf dem Gehweg und tanzten mit jeder Bewegung der Blätter. Doch trotz des sanften Raschelns der Baumkronen und der Litanei der Vogelgesänge; diese zaghaften Geräusche schafften es nicht im Geringsten, die Stille zu durchdringen, die sich zwischen Shikamaru und dem Uzumaki ausgebreitet hatte. 

 

Narutos Schweigen war mehr als nur ein bisschen beunruhigend. 

 

Und Shikamaru konnte nicht anders, als die grimmige Ironie in dieser Situation zu sehen; gemessen daran, dass er Naruto die meiste Zeit während ihrer Mission dazu aufgefordert hatte, die Klappe zu halten. 

 

Tja, sei lieber vorsichtig, was du dir so leichtfertig wünschst.

 

Plötzlich verlangsamte sich ihre Geschwindigkeit und Shikamaru fiel einen Schritt zurück. Naruto drehte sich daraufhin und begab sich zu der hölzernen Brüstung der Brücke, um darauf seine Arme abzulegen; einen Fuß stellte er in eine Aushöhlung des Geländers. Shikamaru lehnte sich mit der Seite gegen das Holz und folgte Narutos Blick durch das herbstverfärbte Dorf. 

 

„Ziemlich beeindruckend, huh?“, sagte Naruto und nickte mit dem Kopf auf die ineinander verwobene Lebensgemeinschaft. 

 

Gott, knock mich einfach aus. 

 

Shikamaru hätte dem Uzumaki vermutlich sogar gedankt, wenn er wieder aufwachte. Als er bemerkte, dass er noch gar nicht geantwortet hatte, neigte er leicht den Kopf, sein Fokus auf die Peripherie seines Sichtfeldes gerichtet, während er Naruto beobachtete; angespannt wie eine Sprungfeder. 

 

Naruto schien dagegen überhaupt nicht verkrampft zu sein. „Wir haben es ziemlich weit gebracht, oder?“

 

Shikamarus Augen verengten sich angesichts der Mehrdeutigkeit dieser Worte. In den Tiefen seiner Kehle machte er ein unverbindliches Geräusch; es war genug, um Naruto dazu zu bringen, fortzufahren.

 

„Erinnerst du dich an diese erste Chūnin Mission?“, fragte der Uzumaki.

 

Als könnte er das jemals vergessen. Er zwang sich selbst dazu, mit den Achseln zu zucken und versuchte zu erfassen, was zur Hölle Narutos Worte mit dem zu tun hatten, was der Uzumaki höchstwahrscheinlich gerade mit angehört hatte. 

 

„Schwer zu vergessen.“, erwiderte Shikamaru neutral. „Was ist damit?“

 

„Du warst der erste von uns allen, der es bis zum Chūnin geschafft hat…“, murmelte Naruto. „Der erste, der eine Mission anführen durfte.“

 

Die gescheitert ist…

 

Shikamaru wandte den Blick ab und beobachtete, wie sich Tsubasa Shinobi wie schwarze Ameisen über die tieferen Ebenen des Dorfes bewegten. Er hätte im Moment nichts dagegen, sich unter einem Stein zu verkriechen.

 

„Ja.“, sagte er tonlos; er wusste einfach nicht, was Naruto von ihm als Antwort erwartete. 

 

„Du musstest dich mit einer ganzen Menge Dinge herum schlagen.“, fuhr Naruto fort und sah hinauf zu dem Sonnenlicht, das durch das Blätterdach schimmerte. „Der Rest von uns wusste, dass wir kämpfen müssten, aber wir mussten dich mit dem härtesten Teil allein lassen.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. „Mach dir nichts vor. Wir alle mussten gegen mehr antreten, als wir verkraften konnten. Ich hatte es deutlich einfacher als du und die anderen.“

 

„Denkst du das?“

 

Shikamaru konnte sich gerade noch fangen, bevor er die Stirn runzeln konnte. 

 

„Ich war der einzige Shinobi, der sich nicht in kritischer Verfassung befand; drei von euch wären beinahe gestorben. Wenn Temari und ihre Brüder nicht gekommen wären, dann wären also mindestens drei von uns tot gewesen.“, erklärte er unverblümt. „Also ja, das denke ich.“

 

Naruto lächelte, doch seine Augen zuckten besorgt, während er den Kopf schüttelte. „Wir alle wussten, dass wir es nicht leicht haben würden, Shikamaru.“

 

„Untertreibung.“

 

„Vielleicht, aber du musstest das Kommando übernehmen und in kürzester Zeit einen Plan ausarbeiten. Du musstest dich mit einem ganzen Haufen Scheiße rumschlagen. Und allein wie du darin warst, hast du die volle Verantwortung übernommen.“

 

Und habe versagt…

 

Shikamaru seufzte und verschränkte die Arme; er erkannte einfach nicht, warum es jetzt notwendig sein sollte, lauter Mist wieder aufzuwühlen, über den er nicht nachdenken wollte. Außerdem bedeutete das bedingungslose Verständnis von Naruto, dass der Schattenninja vermutlich wirklich etwas tiefer graben und darüber nachdenken müsste, wie er sich wegen all dem fühlte; was im Moment aber definitiv keine Option war – oder, soweit es ihn betraf, zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in naher Zukunft. 

 

Shikamarus Miene verfinsterte sich. „Wird das jetzt zu einem Aufreißen alter Schuldgefühle?“

 

„Was?“ Naruto runzelte die Stirn, lächelte kurz darauf aber leicht. „Nein.“

 

„Aus welchem Grund hast du dann überhaupt mit dieser ganzen Sache angefangen?“, erwiderte Shikamaru knapp und wollte endlich auf den Punkt kommen, sodass diese Konfrontation endlich beendet werden konnte, statt noch mehr in die Länge gezogen zu werden – auf schmerzhafte Weise. 

 

„Mein Grund, huh?“ Naruto wandte sich ihm zu, einen Arm noch immer über die Brüstung gelegt. Er starrte Shikamaru intensiv an, doch seine blauen Augen erwärmten sich mit der Macht seiner nächsten Worte. 

 

„Diesmal bist du nicht allein, Shikamaru.“

 

Shikamaru schloss die Augen gegen diese Aussage, als würde sie ihm Schmerzen bereiten. Energisch versuchte er, eine erschöpfte Miene aufzusetzen, um seinen Ausrutscher zu kaschieren, bevor er die Lider hob und durch das Dorf stierte, statt Narutos Blick zu begegnen. Ihm war bewusst, dass die tiefe Überzeugung dieser Worte die Augen des Uzumakis mit einem unbezwingbaren Licht erfüllt hatten. Das Licht, das so viele Menschen von den Abgründen ihrer eigenen Finsternis fortgezogen hatte, dass Shikamaru sich absolut lächerlich vorkam, überhaupt darüber nachzudenken, dass er es schaffen könnte, dasselbe bei Neji zu erreichen. 

 

Ich mache nicht auf Held. Ich mache einen auf Kumpel am Spielfeldrand. 

 

Nicht, dass es hierbei jemals um Heldentum gegangen war. Dieses Wort stand so weit unten auf der Liste der Dinge, die Shikamaru als seine Stärken erachtete, dass es nicht einmal irgendeiner Art von Bestätigung wert war. Er wusste ja nicht einmal mehr, ob es seine Stärke war, die ihn jetzt noch antrieb…oder seine Schwäche. 

 

Nichts davon spielt eine Rolle. Ich muss einfach nur dafür sorgen, dass es funktioniert.

 

„Shikamaru?“

 

Der Schattenninja drehte den Kopf und begegnete nun doch Narutos Blick, seine Augen blieben dabei von seinen halb geschlossenen Lidern geschützt. „Ich höre dich.“

 

„Gut.“ Naruto lächelte. „Ich habe keine Ahnung, was hier abgeht mit Neji, aber was auch immer es ist…ich stehe hinter die Shikamaru.“

 

Diesmal konnte Shikamaru seine Reaktion darauf nicht unter Kontrolle halten. Seine Augen weiteten sich und sein Gesicht verzog sich überrascht. 

 

„Weißt du“, lachte Naruto, „dich so geschockt zu sehen, lässt mich richtig intelligent erscheinen.“

 

Shikamaru blinzelte kopfschüttelnd. „Ich hätte nicht wirklich gedacht, dass ich deine Unterstützung bekommen würde. Eher deine Faust ins Gesicht oder sowas.“

 

Die Miene des Uzumaki ernüchterte etwas und sein Lachen beruhigte sich zu einem schwachen Lächeln. Doch das Licht in Narutos Augen verwandelte sich erneut in etwas Ernsthaftes.

 

„Ich bin nicht vollkommen ahnungslos, weißt du. Auch wenn ich darauf wetten würde, dass du das denkst, richtig?“

 

Shikamaru hob eine Braue, widerstand aber dem Drang, sarkastisch zu sein. „Nein. Nicht immer.“

 

Narutos Grinsen kehrte kurz zurück. „Idiot, lüg mich nicht an. Aber wie auch immer, ich halte dir den Rücken frei.“

 

Shikamaru musterte den anderen Ninja aufmerksam und sein scharfer Blick verengte sich, während er zu verstehen versuchte, warum er gerade nicht in einem temperamentvollen Wirbelsturm aus Fragen gefangen war.

 

„Warum?“, fragte Shikamaru letztendlich.

 

Naruto sah gekränkt aus. „Du bist mein Freund.“

 

„Stimmt, aber das ist nicht dein einziger Grund. Du weißt, dass etwas im Argen liegt und dennoch löcherst du mich nicht deswegen. Warum?“

 

Shikamaru hatte die Pause, die darauf folgte, erwartet und als Naruto den Kopf abwandte, versuchte er, sich die Antwort auf seine eigene Frage selbst zusammenzusetzen. Doch der Uzumaki kam ihm zuvor – was gut war, denn die folgenden Worte entsprachen überhaupt nicht dem, an was Shikamaru gedacht hatte. 

 

„Ich schätze, ich war nicht einmal überrascht.“, sagte Naruto achselzuckend. „Ich meine, ich wusste schon vorher, dass irgendetwas nicht stimmt.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Achja?“

 

„Ja…seit dem Abend, an dem du dich so seltsam aufgeführt hast.“

 

„Der Abend, an dem ich mich so seltsam aufgeführt habe…“, echote Shikamaru mit flacher Stimme, die langsam immer leiser wurde; was darauf hindeutete, dass er keine Ahnung hatte, wovon zur Hölle Naruto gerade sprach. 

 

„Ja, weißt du nicht mehr? Nach dieser Mission?“ Narutos Stirn legte sich angesichts des ausdruckslosen Blickes, mit dem Shikamaru ihn bedachte, in Falten. „Als Hinata verletzt wurde und Neji sich geweigert hat, ins Krankenhaus zu gehen. Du warst total komisch und hast mir gesagt, ich solle ‚mich fern halten‘.“

 

Wie ein Blitz projizierte Shikamarus Hirn die Erinnerung an diesen Abend vor seinem inneren Auge. 

 

Sie kam mit einem allumfassenden Klang, einem Heranzoomen, einer ‚Ich-wünschte-ich-könnte-das-rückgängig-machen‘ Klarheit zurück, die ihn innerlich zusammenzucken ließ. Er erinnerte sich auf einmal viel zu deutlich daran. Und er erinnerte sich auch an den darauffolgenden Ausdruck des Schocks, der Naruto sofort zum Schweigen gebracht hatte. 

 

Er hatte nicht damit gerechnet, dass diese Worte eine solch enorme Auswirkung haben würden.  

 

Scheiße.

 

„Was hat das mit irgendetwas zu tun?“, fragte Shikamaru so beiläufig wie möglich und versuchte, eine gelangweilte Miene aufzusetzen. 

 

Naruto legte den Kopf schräg. „Es war das erste Mal, dass du denselben wahnsinnigen Beschützerinstinkt an den Tag gelegt hast, wie ich ihn oft gegenüber bestimmten Leuten zeige. Ich meine, du hast ihn wirklich nach außen gezeigt. Es hat so gar nicht zu deinem üblichen Verhalten gepasst.“

 

Shikamaru schnaubte. „Wahnsinniger Beschützerinstinkt? Das ist schon ziemlich viel Mist, den du da nur aufgrund dessen vermutest, was ich gesagt habe.“

 

„Es geht nicht nur darum, was du gesagt hast. Sondern, wie du es gesagt hast.“

 

Sofort begannen Alarmglocken in sämtlichen Winkeln von Shikamarus Verstand zu schrillen. 

 

Eine wilde Panik stoppte abrupt sein Hirn und machte es ihm unglaublich schwer, den besten Weg zu finden, wie er darauf reagieren sollte. Rasch griff er nach der einfachsten und natürlichsten Reaktion.

 

Verleugnung.

 

„Ich denke, du interpretierst da viel zu viel rein.“, wehrte Shikamaru ab und schüttelte den Kopf. „Es war eine ätzende Mission. Ich war müde genug, dass mich alles auf die Palme bringen konnte.“

 

Naruto schnaubte und ein Anflug von Zorn durchzuckte seine Augen. „Ich hasse Leute, die sich selbst belügen und mir dann auch noch direkt ins Gesicht.“

 

Mist.

 

„Na schön, was auch immer.“, seufzte Shikamaru schulterrollend. „Ich habe einem Freund geholfen, das ist keine Lüge.“

 

Naruto nickte voller Überzeugung.

 

„Und das verstehe ich; was mich zu dem anderen Grund bringt, aus dem ich mich dir in dieser Sache nicht in den Weg stellen werde. Du hast mir immer den Rücken freigehalten, wenn es um Sasuke ging. Also wenn du versuchst…“ Naruto ließ den Satz auslaufen. Seine Hand auf der Brüstung der Brücke ballte sich zur Faust und schlug gegen das Holz, während er seine Gedanken sammelte. 

 

Shikamaru blieb stumm; er wollte Naruto keinen Grund geben, seine Meinung zu ändern und Fragen zu stellen, die der Schattenninja wie einen Schauer aus Kunai hätte abwehren müssen. 

 

Jetzt wäre der Zeitpunkt, an dem ich verschwinden sollte.

 

Während ihn zwar die Vorstellung einer Flucht enorm ansprach, widerstrebte ihm die Idee sehr, einfach zu gehen, ohne mit Sicherheit zu wissen, dass Naruto ihm die Dinge nicht noch schwerer machen würde. Und so ertrug er das Schweigen des Uzumaki. Irgendwann hörte Naruto auf, mit seiner Faust auf das Holz zu hämmern; mit düsterer Miene sah er auf, offensichtlich kämpfte er mit geteilten Loyalitäten. 

 

„Ich habe keine Ahnung, was zur Hölle mit Neji los ist, Shikamaru…Ich mag es zwar nicht…aber wenn du dich so seltsam benimmst und uns anlügst, um ihn zu beschützen…?“ Naruto hielt inne und wartete auf eine Bestätigung. 

 

Shikamaru sagte nichts, neigte aber ein wenig den Kopf. 

 

Offensichtlich war das genug für Naruto. 

 

„Wenn das die Wahrheit ist, dann werde ich mich fernhalten, genau wie du es von mir wolltest…“ Naruto pausierte noch einmal, bevor sich eine gewisse Drohung in seine leise Stimme schlich. „Aber erwarte nicht von mir, es einfach auszusitzen, wenn jemand verletzt wird. Denn das werde ich nicht. In diesem Fall werde ich mich immer gegen dich stellen.“

 

Shikamaru hob eine Braue; es war der einzige Riss in seiner Miene. „Verstanden.“

 

„Verlass dich drauf!“ Narutos Augen blitzten. „Ich werde nicht zulassen, dass Sakura oder irgendjemand sonst verletzt wird.“

 

„Entspann dich, ich hab‘ dich gehört.“, wehrte Shikamaru ihn ab. „Wenn sich alle an den Plan halten, wird niemand verletzt.“

 

Die Worte fühlten sich an wie ein Nagel, der in seinen sprichwörtlichen Sarg getrieben wurde. Doch der bittere Humor verwandelte sich rasch zu Säure in seinem Inneren, als der Gedanke an Särge seinen Verstand zu Neji wandern ließ. 

 

Nein. Das ist keine Option. 

 

„Gut.“, sagte Naruto enthusiastisch und Shikamaru fragte sich, ob er seinen Gedanken gerade laut ausgesprochen hatte. 

 

„Huh?“ Shikamaru blinzelte.

 

Naruto ließ sein strahlendes Grinsen so schnell wieder aufleben, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass der Uzumaki eine Hand ausgestreckt hatte. Ein ‚Daumen hoch‘ Zeichen stand wie ein Ausrufezeichen zu Narutos nächsten Worten.

 

„Ich zähle auf dich, Shikamaru!“

 

Super. Du auch noch, huh?

 

Shikamaru seufzte und wandte den Blick ab; er war sich nicht sicher, ob er für den Mangel an Konfrontation dankbar sein sollte oder beunruhigt über den Überfluss an Vertrauen, den schon wieder eine Person mehr in ihn setzte. 

 

Er zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Das nervt.“

 
 

oOo
 

 
 

Die Blätter lagen eingerollt wie Zikadenschalen auf dem Boden und knirschten hörbar unter Nejis Sandalen, als er endlich auf den Balkon sprang. Während er sich aufrichtete, stoppte er den Chakrafluss in seine Füße und warf einen Blick über die Schulter zu dem Baum, den er hinauf geklettert war, um Zugang zu seinem Gästezimmer zu erhalten. 

 

Kindisch, aber notwendig.

 

Entweder das, oder er hätte sich noch mehr Auseinandersetzungen mit Akamarus Nase stellen müssen, die ihn in die Ribben stupste. Neji hatte überhaupt kein Verlangen danach, eine Unterhaltung für den sechsten Sinn des Hundes zu sein. Alles, was er wollte, war ein Moment Ruhe. 

 

Sei nicht so schwach. Konzentrier dich.

 

Der Hyūga atmete langsam ein und hielt die verbrauchte Luft, bis es schmerzhaft wurde. Dann entließ er ein leises Seufzen in die kalte Brise und spürte, wie der Wind an seinen Strähnen und seiner Robe zupfte. Er beobachtete, wie verstreute Federn durch die Luft schwebten; sie waren wie allgegenwärtiges Konfetti in Hanegakure. Der Gedanke daran, sich auf einer der Federn in der Strömung zu verlieren, war verlockend. 

 

Wie töricht.

 

Neji schüttelte den Kopf und hob den Blick. 

 

Die Sonne stand im Zenit und durchbohrte Hanegakure mit Lanzen aus Licht. Doch der Wind war kalt und die Luft schneidend. Neji sehnte sich nach einem wärmeren Rückzugsort und so wandte er sich der Tür zu, die in das Gästezimmer führte; leise schob er sie zurück, bevor er hinein schlüpfte. 

 

Im Raum war es überraschend dämmrig, aber nicht vollkommen dunkel. Die Vorhänge waren zugezogen, doch das Licht schimmerte leicht durch den Stoff. Neji streifte sich automatisch die Sandalen von den Füßen, es war eine lange eingeflößte Gewohnheit. Sein Blick wanderte von den Fenstern hinüber zu den Betten.

 

Kurz weiteten sich seine Augen, bevor sie weich wurden.

 

Das hätte ich mir denken können.

 

Er lächelte leicht. 

 

Shikamaru lag auf einer der Matratzen, doch die Beine hingen von der Kante des Bettes, was Neji vermuten ließ, dass der Chūnin ursprünglich nicht vorgehabt hatte, einzuschlafen. Die Erschöpfung des Nara störte ihn jedoch weit weniger als die Erkenntnis, dass er selbst vermutlich der Grund dafür gewesen war. 

 

Nejis Lächeln erstarb. 

 

Langsam bewegte er sich durch das Zimmer und trat leise über Shikamarus Flakjacke, als er sich näherte. Er konnte über die unbequeme Position, in der der Schattenninja eingedöst war, nur den Kopf schütteln. Am Fußende des Bettes hielt er inne und sah hinunter auf die schlafende Gestalt. 

 

Ein zwiegespaltener Ausdruck huschte über Nejis Gesicht, als er das von Shikamaru musterte. 

 

Die Konturen des Schattenninjas waren scharf umrissen, genau wie das Haar des Nara – und etwas an diesen festgelegten Konturen seines Gesichtes machte ihn für Neji nur noch paradoxer. Die meiste Zeit schien sich Shikamaru hinter einem faulen Mangel an Definition zu verbergen, doch da war nichts Unbestimmtes an seinen Zügen. Selbst seine Augen, die üblicherweise von einem Halbmast Blick geschützt waren, trugen einen rasiermesserscharfen Glanz seiner Intelligenz in sich, der nur aufgrund seines mangelnden Engagements im Leben abgestumpft wurde.

 

Seine Maske ist nicht so stark wie er denkt. 

 

Neji hatte bereits einen Blick darunter erhascht. Flüchtig, aber unleugbar. Er hatte einen Eindruck, einen Geschmack, einen Hauch von dem bekommen, was tief in Shikamaru schlummerte; das Feuer, das die Schatten warf, in die er sich hüllte…die meiste Zeit über als ‚Schatten‘ dessen existierend, wer er wirklich sein konnte.

 

Warum? Was willst du, Nara?

 

Shikamaru hatte ihm diese Frage nie beantwortet, völlig egal wie subtil oder direkt er sie phrasiert hatte. 

 

Jedes Mal entglitt er Nejis Griff. 

 

Der Gedanke brachte ihn dazu, den Blick auf seine eigenen Hände zu senken. Dieser alarmierende Blauton war von seinen Fingerspitzen verschwunden, als hätte er ihn einfach abgewaschen. Wenn es nur so einfach gewesen wäre. Doch er entschied sich dafür, den Gedanken an das zu ignorieren, womit er sich die vergangenen zwei Stunden herumgeschlagen hatte und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen zurück auf Shikamaru. 

 

Augenblicklich wurde er von dem Anblick angezogen. 

 

Und der Bastard machte nicht einmal irgendetwas. 

 

Gottverdammt seist du, Nara. 

 

Neji schüttelte den Kopf und schloss die Distanz, indem er ein Knie auf das Bett stützte und vorsichtig die Bewegung der Matratze testete. Langsam verlagerte er das Gewicht und lauschte aufmerksam nach einem Knarzen des Bettes. Doch das Polster gab lautlos unter ihm nach und gestattete ihm, sich an die Bettkante zu setzen und Shikamaru wie ein verwirrtes Kind anzustarren. 

 

Warum hast du diese Wirkung auf mich?

 

Als könnte er in der Haut nach einer Antwort suchen, hob sich eine Hand des Hyūgas und bewegte sich wie von selbst, um dicht über dem Gesicht des Schattenninjas zu schweben; er spürte warmen Atem über seine Fingerspitzen geistern. Und dann, ganz langsam, wie ein Pinsel auf einer Leinwand, begann Neji, Shikamarus Züge nachzuzeichnen, ohne ihn dabei zu berühren – es war eine meditative, beständige Bewegung, die jeder Linie und Neigung folgte. 

 

Götter…warum du…von all den Leuten…nur um meinen Verstand in Rage zu bringen…dass du dir überhaupt die Mühe machst, es zu versuchen…und es dann auch noch tust, ohne es letztendlich wirklich versuchen zu müssen…

 

Der Hyūga runzelte angesichts dieser verwirrenden Gedanken die Stirn und sah verloren aus, obwohl er auf der Suche war. 

 

Doch während seine Finger nur einen Zentimeter von Shikamarus Haut entfernt der Luft folgten, wurde ihm bewusst, dass die Antwort darauf unter dem Fleisch des Schattenninjas lag. 

 

Was ist es?

 

Letzte Nacht hatte er beinahe Shikamarus Blut in der Anstrengung vergossen, es zu finden; er hatte hart genug in die Haut des Naras gebissen, um sie auf dieselbe Art zu verletzen und zu zeichnen, wie Shikamaru ihn verletzt und gezeichnet hatte. 

 

Nur betraf es bei ihm sein Inneres. 

 

Wie? Was hast du nur mit mir gemacht?

 

Neji schluckte schwer. 

 

Wie hast du es überhaupt geschafft, das zu tun?

 

Letzte Nacht hatten diese Fragen so sehr an ihm gezerrt, dass er so hart zugegriffen, geküsst und zugebissen hatte, dass er beinahe sein Versprechen, Shikamaru auseinanderzureißen, wahr gemacht hatte. Und irgendwann hatte er sich dazu entschlossen, den Schattenninja unendlich lange an dem tiefen Abgrund seiner Erlösung zu halten und auf eine Unterwerfung zu warten, der sich Shikamarus Willen niemals ergeben hatte – sein Körper dagegen schon. Die Erinnerung daran schlug Funken in seinem Blut. 

 

Wie kannst du mich so zeichnen, ohne mich überhaupt zu berühren?

 

Nejis Fingerspitzen hielten über der Stirn des Nara inne. Er sah hinunter auf Shikamarus Halsbeuge und realisierte, dass Shikamaru nicht zornig auf ihn gewesen war und das trotz der Male, die er auf dem Körper des Chūnin hinterlassen hatte. Shikamaru hatte es auf eine Weise mit einem Achselzucken abgetan, die Neji nicht verstehen konnte; gemessen daran, wie er reagiert hätte, wenn irgendjemand es gewagt hätte, in auf solche Weise zu brandmarken. 

 

„Wirst du mich jetzt ersticken, Hyūga?“

 

Neji zuckte so heftig zusammen, dass er beinahe den Halt auf dem Bett verloren hätte. In seinem ruckenden Versuch, das Gleichgewicht zu halten, schlug seine Handfläche aus Versehen in Shikamarus Gesicht; der Schattenninja rümpfte die Nase. 

 

„Ach jetzt sind es schon Ohrfeigen?“, fragte Shikamaru gedehnt. „Nicht ganz so schlimm wie eine Kopfnuss, aber doch ziemlich mädchenhaft.“

 

Neji schnaubte und ließ seine Hand an seine Seite sinken, während er versuchte, sich von seiner Verlegenheit zu erholen. „Wenn du das vorziehst, komme ich der Kopfnuss gerne nach.“

 

Shikamaru neigte den Kopf gegen die Matratze und hob eine Braue. „Wird sich auf jeden Fall in deiner Erfolgsbilanz bemerkbar machen, Hyūga.“

 

Neji schmunzelte leicht und schürzte gleich darauf die Lippen, um das Lächeln zu unterbinden. Doch er scheiterte, als Shikamaru grinste und konnte nicht anders, als leise zu lachen. 

 

„Du hast gar nicht wirklich geschlafen, oder?“

 

Neji erhielt jedoch keine Antwort; nur ein Fallen von Shikamarus Blick, als er sich auf seine Lippen richtete. Und dann, ohne Vorwarnung, schoben sich Shikamarus Finger nach vorn und legten sich um sein Handgelenk, um seine Hand ein Stück nach oben zu ziehen. Neji ließ es zu. Ruhig beobachtete er, wie Shikamaru prüfend seine Finger examinierte. 

 

„Es geht mir gut.“, sagte er leise. 

 

Stirnrunzelnd sah Shikamaru auf. Die Intensität in den Augen des Naras bohrte sich direkt durch ihn hindurch. Bestimmt drehte Neji sein Handgelenk frei und ließ seine Finger nach unten wandern, um sie in Shikamarus Armbeuge abzulegen und mit dem Daumen über den dunklen Stoff zu streichen, der dort Falten warf. Für eine kleine Weile verharrten sie so, bis Shikamaru versuchte, sich zu bewegen; er zog die Ellbogen nach hinten, um sich selbst hochzustemmen. Neji sah zu, wie er auf halbem Weg innehielt und zusammenzuckte. 

 

„Ugh, wie lästig…“

 

Der Hyūga schüttelte den Kopf. „Das nächste Mal, wenn du dich dazu entschließt, ein Nickerchen zu machen, dann mach es nicht, wenn du halb über der Kante deines Bettes hängst.“

 

Shikamaru schnaubte und rutschte auf der Matratze zurück. „Daran ist nur der Sadist schuld, der mich die ganze verdammte Nacht an ‚der Kante hat hängen lassen‘.“

 

Ein atemloses Lachen rollte von Nejis Lippen. „Du hast mich provoziert.“

 

„Und du bist trotzdem ein Sadist.“ Shikamaru lehnte sich gegen das Kopfteil und zauberte ein auffallend erregendes Schmunzeln auf seine Lippen; nur mit dem subtilen Heben eines einzigen Mundwinkels.

 

Bastard.

 

Neji musste den Blick abwenden; doch er lächelte. „Das würde dich dann konsequenterweise zu einem Masochisten machen.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln, die Lippen noch immer gebogen. „Hey, ich renne vor Körperverletzungen grundsätzlich davon, erinnerst du dich?“

 

„Ganz offensichtlich kommt das auf den Kontext an.“

 

„Schätze mal, dass ich mich nicht wirklich in der Position befunden habe, um mich großartig bewegen zu können – geschweige denn rennen.“

 

Neji lächelte schief. „Wie rücksichtslos von mir.“

 

„Wie gut, dass es den Ausdruck auf deinem Gesicht wert war, Hyūga.“

 

„Du hättest deinen sehen sollen.“, erwiderte Neji elegant, angezogen von diesem süchtig machenden Geplänkel.

 

„Du musst es wissen, wenn man bedenkt, was du gerade gemacht hast.“

 

Nejis Zunge presste sich angesichts dieser Worte gegen seinen Gaumen.

 

Er fand sich nicht in der Lage, zu dem Nara hinüber zu sehen oder eine clevere Antwort darauf zu geben.

 

Wie bei den meisten verbalen Wettkämpfen, die sich zwischen ihnen abspielten, genügte ein subtiler Zug von Shikamaru, um die Situation vollkommen auf den Kopf zu stellen und Neji in eine Position zu zwingen, in der er beinahe immer in die Defensive ging. Was wiederrum die Frage aufwarf, warum in aller Welt er es diesmal nicht wie von selbst tat?

 

Er hätte etwas zu seiner Verteidigung sagen sollen und wenn nur, um seinen Stolz zu schützen. 

 

‚Dein Stolz wird dich noch umbringen.‘

 

Nejis Miene verdüsterte sich und seine opalhaften Augen folgten den Linien in den Tatami Matten. Er spürte, wie die Matratze nachgab und sich bewegte; er spannte sich an, um das Gleichgewicht zu halten. Und dann fühlte er diese vertraute Berührung an seinem Nacken. Sein finsterer Gesichtsausdruck verschwand, er zerfiel zu einem müden Senken seiner Wimpern, als Shikamarus Finger sanft über seine Haut rieben. 

 

Neji beugte ein wenig den Kopf und summte, während er seinen Verstand wieder auf die Mission ausrichtete. „Wann brechen wir auf?“

 

„So gegen fünf.“ Shikamarus Stimme schwebte ruhig und leise über seine Schulter. „Kitori meinte, dass die Bündel dann losgesandt werden.“

 

„Gut.“ Neji drehte leicht den Kopf. „Ich habe Sakura nicht im Gebäude gesehen. Wo ist sie?“

 

„Sie spielt Tierarzt.“

 

Neji hob eine Braue, die Augen noch immer geschlossen. „Mit diesen sterbenden Vögeln?“

 

Die Bewegung von Shikamarus Fingern geriet ins Stocken und legten sich schließlich direkt an die Basis seines Schädels. Nejis Lider glitten auf und er wartete auf eine Antwort, die nicht kommen wollte. Stattdessen spürte er einen sanften Druck an seinem rechten Schulterblatt. Eine Sekunde später wurde ihm klar, dass es sich dabei um Shikamarus Stirn handelte, die er an seinen Rücken gelegt hatte. 

 

„Schlaf ja nicht an mir ein, Nara.“, warnte er milde und lächelte, während er versuchte, über seine Schulter zu spähen. 

 

Die Bewegung brachte Shikamaru dazu, seinen Kopf zu heben; genau in dem Moment, in dem Neji sich drehte. Ihre Stirnen strichen leicht übereinander und lösten ein schwaches Lächeln bei beiden Ninjas aus. 

 

„Beinahe.“, neckte Neji. 

 

„Nah genug.“, murmelte Shikamaru und wandte den Blick ab. „Und ich glaube immer noch, dass du diesen Mist planst.“

 

Neji lachte leise und tief in seiner Kehle, bevor er sich nach vorn lehnte, um spöttisch ihre Köpfe aneinander zu stupsen. Shikamarus Lächeln wurde weich und es löste etwas in Nejis Brust aus; genau wie zu dem Moment, in dem dieser Mund über die Male auf seinem Brustkorb gestrichen waren. Es war ein seltsames Gefühl. Es tat nicht wirklich weh, doch da war ein unleugbarer Stich von etwas Rohem. 

 

Wie ein dumpfer Schmerz.

 

Wie eine Schwermut. 

 

Stop.  

 

Shikamaru musste irgendetwas bemerkt haben, denn die Finger des Nara waren sofort wieder an seinem Nacken und massierten zaghaft. Die Berührung lockerte ihn ein wenig und löste diese Wärme aus, die sowohl beruhigte, als auch erregte. Dann hielten die Finger inne, drückten leicht und glitten unter den Saum seiner Robe, um über die nackte Haut seiner Schulter zu streichen; sie pressten sich fest gegen die starke Kurve. 

 

„Du bist kalt.“, murmelte Shikamaru. 

 

„Hmn?“ Neji sah auf und wurde mit der tiefen Falte zwischen Shikamarus Brauen konfrontiert. 

 

„Du bist kalt.“, wiederholte der Nara und dann spürte Neji, wie sich diese Finger tiefer gruben, als wollten sie Hitze in seine Haut zwingen. 

 

Neji hob ein wenig die Schulter, nicht sicher, ob er die Berührung von sich stoßen, oder sich ihr entgegen drücken wollte. Er entschied sich für ein leises Brummen, um eine direkte Antwort zu vermeiden und legte den kalten Stahl seines Stirnbandes mit einem Seufzen an Shikamarus Schulter. Hätte er lange genug inne gehalten, um darüber nachzudenken, was er da eigentlich tat, dann wäre es ihm vermutlich in den Sinn gekommen, dass er sich niemals zuvor auf solche Weise an irgendjemanden gelehnt hatte. 

 

Warum sollte ich? Ich habe das noch nie gebraucht…und ich brauche es immer noch nicht…

 

Was aber nicht erklärte, warum er sich nicht zurückzog.

 

Er spürte, wie Shikamarus Hände seine Arme hinunter wanderten, lange Finger kneteten durch den weißen Stoff, drückten sich durch die Anspannung und zogen Wärme aus den Tiefen von Orten, die er in Kälte gehüllt hatte. 

 

Wie?

 

Während Neji nach einer Antwort suchte, wurde ihm bewusst, dass der Kontakt zwischen ihnen mehr als nur Wärme herauf beschwor. Er zerrte die Qual aus seinen Knochen…die Müdigkeit…den Schmerz…

 

Stop…

 

„Atme.“ Shikamarus Wispern strich gegen sein Ohr. 

 

Neji zog scharf die Luft durch die Nase ein, atmete aber leise gegen Shikamarus Schulter aus. Er spürte, wie die Handflächen des Schattenninjas über seine Schulterblätter geisterten; leichte, beruhigende Schwünge, gelegentlich unterbrochen von dem sanften Druck seiner Fingerspitzen. 

 

„Atme…“

 

Die Qual verklang ein wenig und der Schmerz wurde dumpfer, als sein Körper begann, sich zu entspannen. Er fühlte, wie die Welt an den Rändern seiner Sinne dämmrig wurde; die Ruhe von Schlaf zog ihn in sich. 

 

Bleib wach.

 

Neji seufzte und seine Stimme wurde von Shikamarus Schulter gedämpft. „Lass nicht zu, dass ich so einschlafe.“

 

Shikamaru summte leicht; der Klang vibrierte tief in seiner Kehle. „Ich werde dir dabei vermutlich zuvorkommen.“

 

Neji lachte leise und ohne nachzudenken drehte er den Kopf, um einen Kuss direkt unterhalb von Shikamarus Kiefer zu platzieren. Die Hände, die über seinen Rücken strichen, hielten kurz inne, bevor sie wieder mit ihren leichten Schwüngen fortfuhren. 

 

„Entspann dich…“ Shikamarus Atem erwärmte seine Schläfe.

 

Neji hob den Kopf. Und in dem Augenblick, in dem er das tat, glitten die Finger des Naras nach vorn, um seiner Kieferlinie zu folgen; ein Daumen rollte über das Gelenk und zeichnete kleine Kreise. 

 

„Entspann dich.“, murmelte Shikamaru noch einmal. 

 

Neji hob eine Braue und stieß leicht mit der Kante seines Kiefers gegen Shikamarus Hand. „Du bist im Moment angespannter als ich, Nara.“

 

Shikamaru neigte fragend den Kopf zur Seite. „Achja?“

 

Neji lächelte schwach und hob eine blasse Hand. Zaghaft tippte er mit den Fingern an Shikamarus Schläfe, bevor sein Daumen zu der empfindlichen Stelle wanderte und gleichzeitig mit der Berührung des Schattenninjas an seinem Kiefer kleine Zirkel beschrieb.

 

„Ja.“, sagte Neji leise. „Hast du Schmerzen?“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er griff nach oben, um sein Handgelenk zu packen und Nejis Hand fort zu ziehen. 

 

Die Bewegung war scharf und plötzlich. 

 

Sie überraschte Neji. Und so legte er seine Hand stattdessen auf Shikamarus Schulter und drückte sanft. In Bestätigung seiner Worte, konnte er deutlich die Verkrampfung fühlen, die sich dort verknotete und folgte ihr mit den Spitzen seiner Finger. 

 

„Zwei Stunden.“, wisperte Shikamaru leise und seine Hand fiel von Nejis Kiefer. „Weißt du, wie viel Scheiße in zwei Stunden passieren kann?“

 

Neji runzelte die Stirn. „Shikamaru…“

 

Der Blick des Nara fiel auf seine Brust. 

 

Neji legte einen Fingerknöchel um den verschlossenen Kiefer des Schattenninjas und hob den Kopf des Nara an, um seine Aufmerksamkeit von dieser gefährlichen Zone abzulenken. 

 

Ihre Münder strichen übereinander.

 

Atemzüge verwoben sich. 

 

Und dann veränderte sich etwas. 

 

Shikamaru drückte nach vorn und zwang Neji dazu, das Knie tief in die Matratze zu graben, um nicht nach hinten zu fallen. Er schaffte es kaum, die Balance zu halten, bevor der Nara sie ihm entriss; er zerrte Neji an sich und rollte sie gemeinsam mit einer scharfen Bewegung herum. 

 

Shikamaru kam über ihn, die Augen deutlich dunkler, als sie noch vor wenigen Sekunden gewesen waren. Der Hyūga schaffte es gerade mal, einen Ellbogen nach hinten zu ziehen, bevor die Gewalt von Shikamarus Mund, der auf seinen eigenen krachte, sein räumliches Bewusstsein kentern ließ und seinen Fokus nur auf das Aufeinandertreffen von Zähnen und den Kampf von Zungen zusammenzog.

 

Wild und frustriert. 

 

Zornig.

 

Neji konnte es in dem Kuss schmecken, konnte es in den Händen fühlen, die seine Schultern packen; Finger krallten sich hart genug fest, um Quetschungen zu verursachen. Der Jōnin drehte scharf sein Becken und wollte Shikamaru seitwärts von sich werfen. Doch es führte nur dazu, dass ihre Hüften heftig aufeinander trafen, da der Nara die Bewegung erwartet hatte und ihr mit einem entgegensetzen Rucken begegnete. 

 

Es erschütterte das Bett. 

 

Das Kopfteil knallte laut gegen die Wand. 

 

Zähne kratzten an Nejis Kehle und zogen sich daran entlang, bis sich Shikamarus Mund in die Kurve seiner Schulter legte. Feuchte Hitze schlug gegen seine Haut, als die Finger des Nara mit einem heftigen Rucken den Kragen seiner Robe beiseite rissen. Neji versteifte sich und seine Augen blitzten auf, als er sich darauf vorbereitete, Shikamaru mit der flachen Hand quer durch den Raum zu katapultieren. 

 

Doch das musste er nicht. 

 

Die Zähne bewegten sich nicht, um ihn zu zeichnen. 

 

Kein Biss kam, um ihn zu brandmarken. 

 

Nur das zaghafte Pressen von Lippen; eine plötzliche, streichende Berührung, so flüchtig und sanft, als hätte der Nara einfach nur gegen seine Haut geatmet. 

 

Neji wurde sehr still. 

 

Er spürte, wie sich das Streichen von Shikamarus Lippen zu einem nachklingenden Druck beruhigte. Und dann fiel die Stirn des Schattenninjas auf seine Schulter; ließ sie beide angespannt und schweigend zurück. 

 

Ein Vogel zwitscherte von irgendwo außerhalb des Gebäudes. 

 

Blätter raschelten gegen das Fenster.

 

Neji runzelte die Stirn und starrte an die Decke; paralysiert und keuchend, während er versuchte zu verstehen, was zur Hölle gerade passiert war. Es dauerte einen langen Moment aussichtsloser Suche, bevor er ruhig eine Hand hob, sie über Shikamarus Rücken schweben und dann höher wandern ließ. Seine Finger legten sich an Shikamarus Nacken und rieben die Basis seines Kopfes. Kaum hatte er damit begonnen, als sich der Griff an seinen Schultern lockerte und eine Hand glitt höher, um in antwortender Weise sein eigenes Genick zu massieren – ein Daumen klopfte zaghaft. 

 

Ihre Atmung beruhigte sich zu einem steten Rhythmus; ebenso synchron wie ihre Berührungen. 

 

Und Entschuldigungen wurden gesprochen, ohne ein Wort zu sagen. 

 
 

xXx
 

 
 

Das Kratzen von Blättern über den Balkon weckte ihn; es wühlte seinen Verstand aus dem dichten Nebel, in den er abgedriftet war. Schlaf. Er war eingeschlafen. Das hätte nicht passieren sollen. 

 

Neji runzelte die Stirn, die Augen noch immer geschlossen. 

 

Finger strichen über seinen Nasenrücken. 

 

Die Lider des Hyūga flatterten auf und seine Wimpern kitzelten über Shikamarus Fingerkuppen, als sie leicht auf die Falte zwischen seinen Brauen klopften. Doch die Bewegung erstarb, als er seinen Blick zum Profil des Schattenninjas wandern ließ. Zu irgendeinem Zeitpunkt hatte sich Neji auf die Seite und Shikamaru auf den Rücken gedreht. Der Schattenninja lag flach da und starrte durch verschleierte Augen an die Zimmerdecke. Sein Arm war unbeholfen über Nejis Kopf gebogen, sodass der Ballen seiner Hand auf dem Hitai-ate lag und seine schlanken Finger am Nasenrücken des Hyūga ruhten. 

 

Doch Neji spürte noch etwas anderes in der Berührung. 

 

Das Zögern in ihr. 

 

Die Fragen. 

 

Und gerade, als er Shikamarus Gesicht musterte, um nach Antworten zu suchen, bemerkte er, dass der Nara dasselbe tat. Und seine Vermutung wurde bestätigt, als Shikamarus Finger von seinen Brauen verschwanden und über den Stahl seines Stirnbandes glitten; der Daumen klopfte leicht. 

 

„Es ist um vier Uhr morgens passiert, oder?“, murmelte Shikamaru, seine Stimme klang ein wenig rau, doch Neji konnte nicht sagen, ob es an Müdigkeit oder Zurückhaltung lag. 

 

Der Hyūga schloss die Augen; Erschöpfung riss an seinen Defensiven, während er verzweifelt versuchte, sie aufrecht zu halten. Doch seine Antwort fiel von seinen Lippen, bevor er sich fangen konnten. 

 

„Ja.“

 

Shikamarus Finger fuhren zaghaft durch sein Haar. „Warum haben sie es benutzt?“

 

Neji hielt die Lider geschlossen; die Schwärze machte es ihm leichter zu glauben, dass das hier nur ein Traum war. Dass er nicht aufgewacht war. Dass die Worte, die wie Galle in seiner Kehle brannten, nicht wie Blut zwischen seinen Lippen hindurchrinnen würden. 

 

„Weil ich sie bekämpft habe…als sie seinetwegen gekommen sind…“

 

Die Finger in seinem Haar hielten inne, veränderten ihren Weg und streichelten stattdessen seinen Kopf. „Seinetwegen?“

 

„Wegen seines Körpers.“

 

Shikamarus Berührung hielt auf seinem Scheitel inne. „Dein Vater…“

 

Nejis Kehle schnürte sich zu. Der Schmerz wäre gekommen, wenn er es zugelassen hätte. Er konnte deutlich dessen Geist tief in seiner Brust spüren; eine bodenlose Qual über alles, was er unterdrückt hatte - sie bedrohte die Blockaden, die sie eindämmten und festhielten. 

 

„Scheiße.“, hauchte Shikamaru. „Du warst nur ein Kind.“

 

Neji lächelte bitter. „Ein naives erbärmliches Kind. Ja.“

 

Shikamaru zog scharf die Luft durch die Nase ein. „Sag das nicht!“

 

Die Blindheit von Nejis geschlossenen Augen war nicht genug, um sich gegen diesen Tonfall schützen zu können. Langsam hob er seine Lider und starrte kühl nach oben auf Shikamarus Kiefer, an dem ein Muskel zuckte. 

 

„Warum?“, schnaubte er. „Es ist wahr…“

 

Shikamaru drehte den Kopf und seine Züge verfinsterten sich, die dunklen Augen von derselben Bestürzung zerrissen wie seine Stimme. „Wie zur Hölle kannst du das auch nur denken?“

 

Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben und seine nächsten Worte fielen ohne die geringste Emotion von seinen Lippen. „Wie sonst würdest du einen törichten Jungen nennen, der eine Leiche beschützt?“

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Der tief erschütterte und entsetzte Bick war genug, um die Apathie einzudellen, die Nejis Brust wie eine Rüstung umgab. Er spürte, wie seine Miene anfing zu zerbrechen, doch er zog sie sofort wieder stramm, als er sich von Shikamaru abwandte und sich bewegte, um die Beine über den Rand der Matratze zu schwingen. Energisch drehte er seinen Rücken der plötzlich aufgetretenen Bedrohung zu, zu der die Augen des Schattenninjas geworden waren. 

 

„Ich habe es nicht nötig, dass du mich so ansiehst.“, sagte Neji leise, sein blickloses Starren durchschnitt das Zimmer und stierte durch die Wand, durch den Moment, durch Zeit und Raum und zerbrochene Erinnerungen. „Es ist nicht länger von Bedeutung, Shikamaru.“

 

Er spürte, wie sich die Matratze hinter ihm senkte. 

 

„Doch obwohl Jahre vergangen sind…hat es dich niemals losgelassen.“

 

„Wie es scheint, löscht Zeit die Dinge in ihrer eigenen Geschwindigkeit aus.“

 

„Wach auf, Neji.“ Shikamarus Stimme trug ein angespanntes Grollen mit sich. „Es beeinflusst dich noch immer unterbewusst und es passiert immer zu dieser Stunde. Wie zur Hölle kannst du da noch behaupten, dass es nicht von Bedeutung ist?“

 

Weil es nicht von Bedeutung sein darf…

 

Neji fühlte, wie sich die Sehnen in seinem Hals straff zogen. 

 

Angestrengt fand er seine Stimme wieder und ebnete seinen Tonfall zu demselben kalten Ausdruck wie sein Gesicht. „Also habe ich wiederkehrende Erinnerungen an eine schlechte Erfahrung. Wer hat das nicht?“

 

Schlechte Erfahrung?“

 

Das fassungslose Krächzen von Shikamarus Worten brachte Neji dazu, über die Schulter zu spähen. „Warum stört es dich überhaupt so sehr, Nara?“

 

Shikamaru starrte ihn entsetzt an; und dann mit einem sehr sehr rohen Zorn. „Diese Bastarde haben das Fluchsiegel an einem traumatisierten vierjährigen Kind eingesetzt.“

 

Neji bemerkte, wie sich Taubheit auszubreiten begann; wie eine kühle Brise, die er nicht fühlen konnte. 

 

Er wandte den Blick ab. 

 

Sein Mangel an Reaktion provozierte eine andere. 

 

Shikamarus nächste Worte schnitten sich in die Stille und tief in seine Brust. Hätten sie nicht dort getroffen, wo er bereits zu gefühllos war, um den Schmerz zu spüren, wäre er zusammengezuckt.

 

„Das hätte dich verfickt nochmal umbringen können, Neji.“

 

„Beinahe…“

 

Was?“

 

„Ich bin stur.“, summte Neji, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass sich Frost über seine Augen gelegt hatte. „Das hast du selbst gesagt. Zumindest daran hat sich nicht wirklich etwas geändert; in all den Jahren.“

 

Shikamarus Schweigen war lang und schwer. 

 

Neji hörte, wie er schluckte. 

 

„Gott verdammt, Neji…“ Das brüchige Wispern hätte ebenso gut ein Schrei sein können; und die Auswirkungen waren doppelt so verheerend. 

 

Neji schloss die Augen und stählte sich selbst gegen diese Stimme. 

 

Stop…

 

Ein scharfes Donnern an der Tür zerriss die Spannung, bevor sie sich vollständig über sie legen konnte. 

 

Keiner von ihnen bewegte sich. 

 

„He, Shikamaru, beweg deinen faulen Arsch!“, klang Kibas gedämpfte Stimme durch das Holz. 

 

„Lasst uns endlich gehen!“ Naruto.

 

Ein weiteres Klopfen, zaghafter diesmal. „Shikamaru?“

 

Chōji. Es war einzig und allein die Stimme des Akimichi, die Shikamaru dazu brachte, sich zu bewegen. Neji nahm wahr, wie sich die Matratze bewegte und die Laken raschelten, als der Nara die Beine aus dem Bett schwang und leise seufzte, während er durch den Raum schritt. 

 

Beweg dich…

 

Neji nutzte die Gelegenheit, um in die andere Richtung zu laufen und schlüpfte rasch hinaus auf den Balkon; er zog die Shoji Tür hinter sich zu. Kalte Luft schlug ihm ins Gesicht und zerrte an seinen dunklen Strähnen. Die Sonne war fort, verloren hinter Wolken, die grau und schwer über die Baumkronen rollten. Selbst die Vögel hatten sich versteckt und die omnipräsente Melodie von Hanegakures Lied war zu einem gelegentlichen Zwitschern oder Krächzen verstummt. 

 

Hinter ihm glitt die Tür auf; dann schloss sie sich. 

 

Neji drehte sich nicht um, seine blassen Augen waren auf das Blätterdach gerichtet. 

 

Die Minuten zogen so langsam vorbei, dass er beinahe bezweifelte, die Präsenz in seinem Rücken wäre wirklich anwesend. Nichts weiter als ein weiterer Geist. Doch dann hörte er das Knacken von Blättern unter Füßen, gefolgt von einem sanften Streichen an seinem Arm, als sich Shikamaru an seine Seite stellte. 

 

Der Wind spielte weicher als die Stille zwischen ihnen. 

 

Als Neji hinüber sah, waren die dunklen Augen des Nara auf den Himmel gerichtet. 

 

„Wir sollten besser aufbrechen.“, sagte Shikamaru leise und studierte die düsteren Wolken. 

 

Neji musste nicht fragen, um es zu wissen. 

 

Ein Sturm zog auf. 

 

_________________

Und da ist sie...die Antwort auf eine der brennendsten Fragen: What the fuck happened to Neji at 4 AM? Und was sagt ihr dazu? Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefallen hat, es ist zwar wieder etwas ruhiger, aber ich liebe es, diese stillen Momente zwischen Neji und Shikamaru zu schreiben, ich hoffe, dass es ein paar von euch auch so geht!! :) 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben und treuen Reviewer/innen und Leser/innen! <3
 

Ich habe auf ff.de ein paar Fragen in Bezug auf die kommenden drei Teile der Serie bekommen. Eigentlich wollte ich erst am Ende von BtB etwas näher darauf eingehen, aber da jetzt eben schon die ein oder andere grundlegende Frage kam, werde ich hier schon mal ein paar Anmerkungen machen, da sie denke ich für alle Leser/innen wichtig sind. 
 

1. A./N.: Wie schon mal gesagt, KANN man 'Break to Breathe' als eigenständige Geschichte lesen! Es bleiben zwar ein paar offene Fragezeichen, die aber eher zwischen den Zeilen auftauchen und eventuell gar nicht bemerkt werden. Die wichtigsten Handlungsstränge - also die Mission um Hanegakure und das Problem mit Nejis Gesundheit - wird in BtB abgeschlossen! Um 'On the Cusp' (Teil 2) verstehen zu können, muss man 'Break to Breathe' definitiv gelesen haben! "Nur" BtB und OtC zu lesen, macht keinen Sinn!!! Wenn man anfängt, 'On the Cusp' zu lesen, muss man auch 'Requiem' (Teil 3) und 'Under these Scars' (Teil 4) lesen, um begreifen zu können, wie alle Geschehnisse ineinander greifen und aufgelöst werden. 
 

2.  A./N.: 'On the Cusp' spielt ca. zwei Wochen nach den Ereignissen von BtB und ist definitiv der leichteste und humorvollste Teil der ganzen Serie. Er dreht sich hauptsächlich um Shikamarus Geburtstag und es werden die Handlungsstränge begonnen, die für die anschließenden zwei Teile wichtig sind. BtB wird ausschließlich aus der Sicht von Shikamaru und Neji geschildert. Ab OtC ändert sich das. Wichtige Protagonisten, die hinzu kommen: Hatake Kakashi, Yamanaka Ino, Sarutobi Asuma und Shiranui Genma; zum Teil auch Nara Shikaku.
 

3.  A./N.: 'Requiem' macht einen Zeitsprung - die Ereignisse spielen nach Asumas Tod und dem Rachefeldzug von Team 10 gegen Kakuzo und Hidan. Es geht viel um die Aufarbeitung von Asumas Tod, ABER es wird tiefer in die Vergangenheit einiger Personen geblickt. So zum Beispiel Nara Shikaku, Yamanaka Ino, Yamanaka Inoichi und - ganz wichtig - Shiranui Genma und...Nara Shikamaru! Keine Sorge, Neji ist natürlich neben Shikamaru der wichtigste Charakter in allen Teilen, aber ich kann nicht wirklich was zu ihm schreiben, ohne Ereignisse aus BtB vorweg zu nehmen. 
 

4.  A./N.: 'Under these Scars'...puh...zu diesem Teil kam die Frage einer Freundin von mir "Was genau meinst du mit 'Angst', was erwartet mich da?"...ich denke, von euch weiß jeder, welche Genreart damit beschrieben wird. Ich will nicht zu viel spoilern, aber da es keinen Sinn macht, OtC und Requiem ohne UtS zu lesen, werde ich hier doch etwas dazu sagen. Was erwartet euch in UtS? Naja...kurz gesagt...eine MENGE Mindfuck! Es wird tief...sehr sehr tief in Shikamarus Verstand und seine dunklen Abgründe eingetaucht, ebenso wie in die von Genma Shiranui. Es geht um Psychosen, PTSD, Dissoziative Persönlichkeitsstörung, Gewalt, Traumata, ein jahrealtes Geflecht aus Lügen, das sich durch Konoha zieht...lasst mich sagen, wenn ihr BtB als nervenzerrend empfindet...UtS spielt da in einer ganz anderen Liga. Es kommen auch wieder mehr wichtige Charaktere hinzu. Es geht viel um den Zusammenhang der Schicksale von Nara Shikaku, Yamanaka Inoichi, Nara Shikamaru, Shiranui Genma, Hatake Kakashi, Hiashi, Hizashi und Neji Hyūga und ein paar OC.  Weitere wichtige Charaktere sind Morino Ibiki, Inuzuka Kiba, Yamanaka Ino, außerdem kommen Konoha Älteste und Shimura Danzō ins Spiel.
 

5.  A./N.: Natürlich will ich niemanden davon abschrecken, die weiteren Teile zu lesen, im Gegenteil! Meiner Meinung nach lohnt es sich extrem!! Für mich hatten alle Geschichten absoluten Suchtfaktor. Aber ich will allen Leser/innen gegenüber fair sein, denn ich verstehe, wenn einem das Genre 'Angst' nicht zusagt und es wäre unfair gegenüber jedem Leser, der OtC und Requiem liest und dann bei UtS merkt "Das taugt mir jetzt doch nicht so", denn dann bleiben diejenigen völlig ahnungslos zurück und das will ich vermeiden, ich hoffe, ihr versteht das und warum ich diese Anmerkungen gemacht habe! Ich weiß nicht, ob ich jetzt alles gesagt habe, was ich sagen wollte, aber wenn sich weitere Fragen auftun, wisst ihr ja, wie ihr mich erreichten könnt! <3 Ich hoffe auf jeden Fall immer noch sehr, dass mich einige von euch auf dem weiteren Weg von Shikamaru und Neji begleiten werden! <3

Three steps

Gottverdammter Regen.

 

Dieser Gedanke durchzuckte Shikamaru für eine kurze eine Sekunde, bevor ihn ein Ast nahezu quer über die Stirn traf. Während er sich von dem Beinahe-Schlag erholte, bog mit dem Rest des Teams nach links ab und erinnerte sich aufs Neue daran, warum er es hasste, Bäume entlang hasten zu müssen, wenn es regnete. 

 

„Das habe ich gesehen.“, kicherte Naruto hinter ihm.

 

Shikamaru schnaubte. „Willst du die Führung übernehmen?“

 

„Nah, ich bin zufrieden!“

 

Der Nara grinste und seine Sandalen drehten sich scharf auf der nassen Rinde, als er sich davon abstieß, um zu dem nächsten Baum zu springen. Der Sturm hatte Hanegakure in ein tückisch glitschiges Klettergerüst verwandelt. Wasser stürzte in dichten Bahnen herab und perlte an den khakifarbenen Mänteln ab, die Kitori dem Team gegeben hatte. Ironischerweise war er dennoch vollkommen durchnässt. 

 

Super…

 

Shikamarus Blick zuckte zwischen seinen Füßen und der Person, der er folgte hin und her. Im Moment handelte es sich dabei um Kiba, der wiederum Akamaru folgte, der ihrem Schwarm von Insektenbarometern hinterher jagte. Ohne Shino war es beinahe unmöglich, dem Flug der Kikaichū Insekten zu folgen, vor allem nicht in diesem gottverdammten Regen. Deshalb hatte Shikamaru eine Möglichkeit gefunden, durch die Akamaru und Kiba mithilfe von Geruch die Fährte der Käfer aufnehmen konnten. Mit Sakuras Hilfe und nachdem er in dem ganzen Prozess ein zwei Insekten verloren hatte, hatte er jeden Käfer mit zähflüssigem Nektar bestrichen, was es Akamaru und dem Inuzka gestattete, dem klebrigen und zuckerhaltigen Aroma zu folgen. 

 

„Na dann hoffen wir mal, dass der Regen hierbei nicht gegen uns arbeitet, Nara.“, sagte Neji von irgendwo weiter oben; seine Stimme kratzte durch Shikamarus Funkgerät.

 

„Das wird er nicht.“, antwortete Shikamaru. „Wir haben es getestet.“

 

„Jo, wir haben Käferbonbons gemacht.“, fügte Kiba hinzu. „Diese Dinger stinken regelrecht danach.“ 

 

„Der Nektar kristallisiert irgendwann.“, erklärte Shikamaru. „Auf die Art sollte er trotz des Regens haften bleiben.“

 

„Oh Junge.“, Kibas Kichern filterte durch die Leitung. „Du kommst direkt in die Hölle, Shikamaru.“

 

„Danke.“

 

„Kiba.“, tadelte Hinata leise, ihre Stimme verlor sich beinahe in dem prasselnden Regen.

 

„Hey, er hat Shinos kleine Kumpel in Bonbons für Vögel verwandelt.“

 

„Was für ein süßer Weg, um zu gehen.“, sagte der Nara flach. 

 

„Du hast keine Gnade zu erwarten.“

 

„Aber immerhin stecken die Käfer für das ganze Team ein! Es ist also für eine gute Sache.“, kicherte Naruto.

 

Keine Gnade!“, beharrte Kiba gedehnt und kicherte schon wieder. 

 

„Was zur Hölle erwartet ihr von mir, dass ich tue? Soll ich ihnen eine Herzrhythmusmassage geben?“, murrte Shikamaru und blinzelte gegen das irritierende Flattern seiner Kapuze an, als der Mantel um ihn herum wehte. 

 

„Sterben sie nicht so oder so, wenn sie zu lange von ihrem Wirt entfernt sind?“, fragte Sakura.

 

„Ja, ganz genau.“

 

Kiba giggelte. „Mann, musstest du jetzt meinen Angst-vor-Shino Moment ruinieren?“

 

„Naja Angst-vor-Ino trifft da doch eher ins Schwarze, oder?“, lachte Naruto.

 

„Sakura schlägt dich öfter als Ino Shikamaru.“, verteidigte Chōji seinen Freund. 

 

„Danke dafür!“ Shikamaru grinste. 

 

„Wie wäre es, wenn wir alle versuchen, konzentriert zu bleiben?“ Nejis Stimme glitt über das freundschaftliche Geplänkel und brachte das allgemeine Kichern augenblicklich zum Schweigen, während sie sich vorwärts bewegten. 

 

Zwar hatte der Humor ein wenig die schwere Atmosphäre zwischen ihnen aufgelockert, doch Shikamaru musste feststellen, dass das Trommeln des Regens nichts war im Vergleich zu dem Pulsieren an seinen Schläfen, das es ihm sehr schwer machte, klar zu denken. 

 

Reiß dich zusammen.

 

„Bleibt zusammen.“ Nejis Stimme knackte durch den Transmitter. „Der Pfad vor uns ist ziemlich verworren.“

 

Ganz in Bestätigung von Nejis Warnung, wurde es mit einem Mal schwer, die richtige Richtung auszumachen. Das Team blieb dicht beieinander, während Neji und Hinata sie durch das Labyrinth führten und jeden wieder auf Kurs brachten, der zu weit vom Weg abkam. Es war verdammt schwer zu navigieren, besonders in dem dämmrigen Licht und dem schweren Regen, doch Kiba und Akamaru schnitten mühelos durch ihn hindurch; sie mussten nicht durch die dichten Wasserbahnen sehen können, um zu genau zu wissen, wohin sich der Käferschwarm bewegte. 

 

Bleib in Bewegung.

 

Shikamaru hatte sich gerade unter einem Zweig hinweg geduckt, als Kibas Stimme ihn auf dem nächsten Ast innehalten ließ. 

 

„Scheiße!“, grollte der Inuzuka.

 

„Anhalten!“, befahl Neji.

 

Das Team kam wie eine Einheit zum Stillstand; sie alle ließen Chakra in ihre Füße fließen, als sie auf einer Brücke aus Zweigen zum Stehen kamen oder in die Hocke gingen. Shikamaru strich sich Wasser von den Augen und setzte eine düstere Miene auf, als sein Pferdeschwanz die Kapuze von seinem Kopf schubste. Der Regen war wie Eis. 

 

„Kiba?“, drängte Shikamaru.

 

„Die Käfer sind weg!“, erwiderte der Inuzuka und schnupperte in die Luft. „Der Geruch ist nur noch sehr schwach. Sie sind nach unten geflogen und waren auf einen Schlag außerhalb unseres Radars.“

 

Shikamaru seufzte. „Dann nutzen wir jetzt eben einen anderen. Neji, Hinata?“

 

„Sind schon dabei.“, antwortete Neji. 

 

Shikamaru blinzelte sich noch mehr Regen von den Wimpern und lehnte einen Arm gegen die Rinde des Baumes, während er auf Informationen von dem Byakugan Duo wartete.

 

„Neji-niisan…“

 

Neji brummte. „Ja, ich sehe es auch. Die Insekten sind in etwas verschwunden, das wie ein Ventilationsschacht aussieht.“

 

Shikamarus Brauen hoben sich und blinzelnd blickte er in die grobe Richtung, in der er Neji vermutete; hoch oben in den Baumkronen. „Ventilationsschacht, huh? Schätze mal, das bedeutet, dass wir ein Versteck gefunden haben.“

 

„Sieht so aus.“, antwortete der Hyūga und sprang in einem Wirbel aus Mantel und weißen Roben an seine Seite. „Wir tippen auf ein Munitionslager.“

 

Shikamaru wandte den Kopf, als sich Neji neben ihm aufrichtete und ließ seine Augen über die tropfenden Strähnen des Hyūgas wandern. „Ein Lüftungsschacht lässt darauf schließen, dass sich Leute darin befinden, die das Versteck bewachen. Irgendwelche Fallen?“

 

Neji legte den Kopf schief, sein Byakugan scannte die Umgebung. „Ja. Fallgruben mit Pfählen an beiden Seiten des Versteckpunktes. Der Ventilationstunnel führt weiter nach unten zu einem Wachposten, der ist aber unbesetzt.“

 

Wo zur Hölle sind ihre Wachen? Nicht gut.

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Hinata, kannst du irgendetwas weiter unten erkennen?“

 

„Nein.“, antwortete die Kunoichi. „Da ist es nur schwarz.“

 

„Sie müssen ein Barrierejutsu angewandt haben.“, erklärte Neji und blinzelte langsam. „Aber offensichtlich können sie damit nicht alles verbergen. Wir können ihre Versteckplätze sehen, mehr aber auch nicht.“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich, während er rasch nachdachte. „Na schön, wir ziehen uns besser zurück.“

 

„Huh?“ Kiba drehte sich am anderen Ende des Astes um. „Was zur Hölle? Das war’s? Wir sind doch gerade erst hier angekommen.“

 

„Wir haben eins ihrer Verstecke lokalisiert. Das ist es, was wir wollten.“ Shikamaru stieß sich von dem Baumstamm ab und rieb sich die Schläfe. 

 

„Aber warum machen wir dann nicht weiter, Shikamaru-kun?“, fragte Lee. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Wenn sie ein Barrierejutsu aufrecht erhalten, dann werden wir sicher nicht hier bleiben und blind kämpfen, vor allem nicht in einem verdammten Sturm. Wir werden die Stelle markieren, zurückkommen, wenn es hell ist, eigene Fallen aufstellen und von da an werden wir-!“, mit einem Keuchen brach er ab, als er hart zur Seite gestoßen wurde. 

 

Neji krachte in ihn und presste ihn flach gegen den Baumstamm, als eine sensenartige Klinge durch das herabstürzende Wasser gesegelt kam. Es schnitt so knapp neben ihnen durch die Luft, dass das Wasser, das von den sich drehenden Enden flog, über die Schulter des Hyūga spritzte und wie eiskalte Nadeln auf Shikamarus Gesicht traf. 

 

Scheiße!

 

„Scheiße!“, plärrte Naruto und hopste gerade noch rechtzeitig aus der Flugbahn einer zweiten Sense. 

 

„Bleibt in den Bäumen!“, schrie Neji über die Schulter; seine Arme hielten Shikamaru gegen die raue Rinde gedrückt, als er den Nara mit seinem Körper schützte. 

 

Der prasselnde Regen machte es unmöglich, den Angriff vorher zu hören, doch das Funkeln von Shuriken explodierte wie eine Blitzbombe unter ihnen und schleuderte rotierende Klingen in alle Richtungen. Shikamaru griff nach seinem Tantō und versuchte, Neji mit seinem anderen Arm von sich zu schieben. Der Hyūga rührte sich nicht.

 

„Neji! Beweg dich!“

 

Doch bevor die Salve an Projektilen den Jōnin treffen konnte, schob sich Chōjis vielfach vergrößerte Hand durch den tödlichen Schauer und schlug die tödlichen sirrenden Sterne beiseite. Ein paar prallten von der Rüstung des Akimichi ab und gruben sich mit dumpfem Aufprall in das Holz über Shikamarus Kopf. Er spürte, wie Neji leicht zusammenzuckte und senkte sofort den Blick. Die Byakugan Augen starrten direkt durch ihn hindurch und ließen darauf schließen, dass sich das Sichtfeld des Hyūga gerade über dir Reichweite des Teams ausdehnte. 

 

„Fünf.“, sagte Neji leise.

 

„Wo?“

 

„Sie kommen aus dem Schwarz. Sie kommen von hinter dem Barrierejutsu.“

 

Scheiße. Ich hätte nicht gedacht, dass sie gleich fünf Shinobi an ein gottverdammtes mickriges Lagerversteck verschwenden würden.

 

„Verdammt.“, grollte Shikamaru. „Plan B.“

 

Neji lächelte grimmig. „Bereit?“

 

„Wenn du es bist.“

 

„Jetzt.“

 

Neji zog sich in einer scharfen Bewegung zurück und wirbelte herum, was es Shikamaru erlaubte, sich hart abzustoßen und über den Ast zu sprinten, während er darauf vertraute, dass Neji ihm den richtigen Weg weisen würde. 

 

Und es geht los.

 

Shikamaru hob eine Hand an sein Mikrofon. „Plan B! Naruto, Kiba, macht euch bereit! Der Rest von euch, errichtet die Todeszone! Hinata, es liegt in deiner Verantwortung, sie zu führen!“
 

„Das werde ich!“, antwortete die Kunoichi. 

 

„Bleibt auf höheren Ebenen!“, wies Neji an.

 

Shikamaru schlitterte über einen Ast und duckte sich tief in Synchronisation mit Neji. Aufmerksam las er jede Bewegung des Hyūgas und nutzte sie als seine Augen und gegenwärtig auch als seine einzige Defensive. Kunai flogen über ihre Köpfe hinweg, schlugen in Holz, oder verloren sich wispernd zwischen den Baumkronen. 

 

„Naruto! Kiba!“

 

„Verstanden!“, schrie Kiba zurück. „Los geht’s, Akamaru!“

 

Das laute Bellen des Hundes donnerte durch den Transmitter, gefolgt von Narutos Brüllen, als der Uzumaki seine Schattendoppelgänger herauf beschwor. Shikamaru hielt sich einen Schritt hinter Neji und ließ eine Hand in seiner Ninja Tasche verschwinden, um ein rotes Papiersiegel daraus hervorzuziehen. Im vollkommenen Einklang mit den Bewegungen des Hyūga duckte er sich, als Neji herumwirbelte und erlaubte es dem Jōnin so, mit einem Rundum-Kick eine Sense aus ihrer Flugbahn zu befördern, bevor sie ihn treffen konnte. 
 

„Danke!“ Shikamaru spähte über die Schulter, als drei von Narutos Klonen hinter ihm auf dem Ast erschienen. „Neji, bist du soweit?“

 

„Vertrau mir, Nara.“ Neji nickte und drehte dabei ein mit einem Fähnchen präpariertes Kunai über den Knöcheln. „Du hast dreißig Sekunden, nachdem ich den Punkt markiert habe. Tritt auf keinen Fall nach recht oder links, sonst fällst du in die Pfahlgruben.“

 

Shikamaru hielt für einen Moment Nejis Blick. Dann sprang er zurück und wurde sofort von Narutos Schattendoppelgängern umringt. In der Sekunde, in der er sich in den Kreis aus Klonen drückte, spürte er, wie sich deren Arme um ihn schlossen.

 

Und dann fiel er. 

 

Wie erwartet kamen Kunai aus allen Richtungen auf ihn zu geflogen, gruben sich in die Klone und verwandelten sie in regelrechte Nadelkissen, bis sie auf dem Boden aufschlugen. Shikamaru landete in einer geduckten Haltung und rollte sich ab, während die Klone, die ihn geschützt hatten, durch Aufprall und Treffer verpufften. Fließend kam er wieder auf die Füße und sprintete sofort in die Richtung, in die Nejis Kunai flog; mit dem flatternden Konohasymbol am Griff befestigt. 

 

Shikamaru hielt sich in der exakten Linie der Flugbahn des Messers. 

 

Dann traf es auf dem Boden auf. 

 

Bingo.

 

Der Schattenninja ging in die Hocke, riss das Kunai frei und klatschte das rote Siegel direkt über den markierten Punkt. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und schleuderte im Laufen Nejis Kunai mit der Briefbombe nach hinten. So schnell er konnte sprintete er außer Reichweite, bevor sie nur wenige Sekunden später detonierte und eine Schockwelle aus Licht vor sich her jagte. 

 

Es erhellte den Wald genug, dass er Bewegungen auf dem verhangenen Gebiet erkennen konnte. 

 

Eine rennende Silhouette blitzte vor seinen Augen und nur wenige Schritte entfernt auf. 

 

Doch der Angreifer erreichte ihn nie. 

 

Neji kam in einem Wirbel aus weißem und dunklem Stoff zwischen sie. 

 

Der Hyūga rammte den Ballen seiner Handfläche in das Kinn des rennenden Rebellen und der Kopf des Feindes wurde von dem Aufschlag zurück gerissen, während ihn seine Beine noch einen Schritt weiter nach vorn trugen, bevor er nach hinten kippte und hart auf dem Rücken landete. 

 

Neji fegte einen weiteren Shinobi mit einem niedrigen Schwung seines Beines von den Füßen, was es Shikamaru gestattete, einen Käferbehälter aus seiner Flakweste zu zerren und den Deckel mit dem Daumen aufschnappen zu lassen. Hastig platzierte er einen Kikaichū Käfer unter dem Kiefer des Mannes und vertraute darauf, dass sich das Tier schon dort in die Haut graben würde, wo auch immer es nötig wäre. Doch ihm blieb keine Zeit, einen weiteren auf den anderen Mann zu setzen, bevor sich Neji abrupt und scharf aufrichtete. 

 

Shikamaru fühlte es, bevor er fragen konnte. 

 

Ein gefährliches Pulsieren von Chakra.

 

Es schnitt wie eine von Temaris Windattacken durch den Wald und baute sich auf wie ein Tsunami. Neji wirbelte im selben Augenblick zu ihm herum, als er sich in Bewegung setzte, um den Hyūga zu verteidigen. 

 

Keiner von ihnen schaffte es rechtzeitig. 

 

Die massive Schockwelle trieb sie auseinander und schleuderte sie entgegengesetzte Richtungen. 

 

Der brutale Aufschlag von Shikamarus Rücken gegen einen Baum sandte eine Welle des Schmerzes von seinem Schädel bis hinunter zu seinem Steißbein. Mit einem abgehackten Keuchen sackte er zu Boden und stierte finster gegen den Schwindel an, während der Schmerz langsam von dem aufbauenden Adrenalin erstickt wurde. 

 

„Shikamaru!“

 

Neji.

 

Shikamaru erholte sich gerade rechtzeitig, um zu realisieren, dass sich etwas auf ihn zu bewegte. Und nur eine Sekunde später registrierte er, dass es sich um eine rennende Person handelte und gleich darauf um ein monströses Schwert, das, sich vertikal drehend, auf ihn zu sirrte. 

 

Aus reinem Reflex rollte er zur Seite weg. 

 

Der Boden unter ihm gab nach und öffnete sich über der versteckten Fallgrube. 

 

„Scheiße!“

 

Während sich die Falle nach innen und unten bog, zerrte er sein Tantō aus der Schwertscheide und schwang seinen Arm, um das kleine Katana in den abfallenden Rand der Grube zu jagen, bevor er über die Kante rutschen konnte. Die Klinge verhakte sich und ein heftiger Ruck durchfuhr seinen Arm, als er sich krampfhaft daran festhielt; er schwankte am Rand eines mit spitzen Pfählen versehenen Grabens. 

 

Scheiße!

 

Der Regen stürzte unbarmherzig herab, durchnässte seine Kleidung und schwächte die Erde, in der er seine Klinge vergraben hatte. Er spürte bereits, wie sie nachgab und wie der durchweichte Boden begann, sich weiter zu neigen und abzurutschen. Shikamaru versuchte, sich nach oben zu ziehen und suchte mit den Beinen Halt, doch seine Füße fanden nichts außer nachgebender Erde. Jeder Versuch führte nur dazu, dass noch mehr Erdreich verklumpte und unter ihm bröckelte. 

 

Zornig versuchte er, mit seiner freien Hand seine Ninjatasche zu erreichen, während die Tantō Klinge begann, zusammen mit dem Matsch abzusacken. Mit bebenden Fingern zerrte er ein mit einem Drahtseil versehenes Kunai heraus, erstarrte aber, als der Regen über ihm mit einem Schlag aufhörte. Blinzelnd blickte er nach oben – direkt in das Gesicht eines feixenden rothaarigen Ninjas; mit Augen so grau wie die von Kitori. 

 

„Glück gehabt.“, knurrte der junge Mann und setzte mit einem spöttischen Schnauben einen Fuß auf den Griff von Shikamarus Tantō. „Leider war’s das für dich.“

 

Der Rebell drehte seine Sandale in einer langsamen drückenden Bewegung gegen die Finger des Schattenninjas und trieb die Klinge dadurch noch weiter dem Rand entgegen. Shikamaru biss die Zähne zusammen und ließ mit der freien Hand das Kunai an dem Drahtseil schwingen. Doch er musste es nicht fliegen lassen. 

 

„Acht Trigramme! Lufthandfläche!“

 

„Fuck!“, grollte der Rotschopf und sprang rückwärts, um Nejis Chakrawellen zu entgehen. 

 

Unglücklicherweise nutzte der Bastard Shikamarus Hand und den Griff des Tantōs, um sich für seinen Rückzug abzustoßen. Der Druck des Fußes befreite die Klinge aus der Erde. Shikamarus Herz sprang ihm bis zur Kehle, als er nach hinten kippte. 

 

Doch er fiel nicht. 

 

Ein scharfes Rucken an seiner Flakweste ließ ihn in der Luft baumeln. 

 

Scharf drehte er den Kopf und erhaschte das Aufblitzen opalhafter Iriden. 

 

„Gutes Timing.“, hustete Shikamaru und versuchte, sich nicht am Regenwasser zu verschlucken. 

 

Nejis Miene verdüsterte sich, seine Augen waren wild und angespannt. Shikamaru spürte, wie dieser gefährlich flüchtige Blick rasch prüfte, ob er verletzt war. Und dann zog Neji. Ehe er sich versah, spürte Shikamaru wieder Boden unter den Füßen, doch er gönnte sich kaum einen Moment, bevor er sein präpariertes Kunai durch die Luft segeln ließ; zischend und wispernd lösten sich die Drähte. 

 

Doch die Klinge des Tsubasa Rebellen durchschnitt sie mit Leichtigkeit. 

 

„So eine Scheiße!“, grollte der Nara und sprang einen Schritt nach hinten. „Zeit, dass wir uns zurückziehen.“

 

Der Ausdruck auf Nejis Zügen wurde noch finsterer, als er herum wirbelte und seinen Blick auf den Rotschopf richtete; seine Augen gefroren zu Eis. „Ich bin hier noch nicht fertig.“

 

„Doch das bist du.“ Eine scharfe Falte stanzte sich zwischen Shikamarus Brauen. „Neji, wir werden uns jetztzurückfallen lassen. Was du hier machst, gehört nicht zur Strategie.“

 

Du rennst davon, Nara, das ist es, worin du gut bist.“, erwiderte Neji kalt, sein Fokus wich dabei nicht einmal einen Millimeter von dem Rotschopf ab, der dabei war, seine verstreuten Kameraden um sich zu scharen. 

 

Shikamaru stählte sich gegen den dämlichen Stich, den ihm diese Worte in einem lästigen, alarmierenden, ‚nicht-klar-denkenden‘ Teil von ihm versetzten. 

 

Nimm dich zusammen!

 

Er bewegte sich, um Neji aufzuhalten, nur um gleich darauf zurückzuzucken, als Akamaru und Kiba in einer Helix durch die Luft gewirbelt kamen. Das Duo zerriss den Boden mit ihrem Tunnel Jutsu und warf den Feind lange genug außer Reichweite, dass Shikamaru zwei Rauchbomben hinterher werfen konnte. 

 

Die Detonation zwang ihn und Neji dazu, sich hinauf in die Bäume zu begeben. Sie sprangen hoch und landeten in einem Wehen khakifarbener Mäntel auf einem Ast. Sofort bemerkte Shikamaru, wie sich Neji abrupt und mit einem zornigen Ruck aufrichtete; und er bemerkte, dass der linke Arm des Hyūgas zitterte und ruckte, als würde Strom durch ihn fließen. 

 

Die Handflächenrotation…verdammt…

 

Neji scannte die Szene und fluchte leise. „Bastarde.“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich; Zorn und Verwirrung hämmerten sich in die angespannten Falten auf seiner Stirn. Er kam in einer scharfen Bewegung auf die Füße und packte Neji bei den Schultern, seine Finger gruben sich hart in Stoff und Haut, als er den Jōnin heftig zu sich herum drehte. 

 

„Reiß dich verdammt nochmal zusammen! Wir ziehen uns zurück, jetzt!“

 

Neji riss abrupt seine Handkante nach oben und schlug damit Shikamarus Griff beiseite. „Fass mich nicht an!“

 

„Du kannst in diesem Zustand nicht kämpfen!“ Shikamarus Augen zuckten zu Nejis Arm.

 

Nejis zitternde Finger schlossen sich zu einer Faust. „Sieh mir dabei zu, wie ich es mache!“

 

Shikamaru blinzelte zweimal, bevor er den Kopf schüttelte. „Das ist nicht der Plan! Wir eruieren die Lage und ziehen uns dann zurück, verdammt!“

 

Nejis Nasenflügel bebten und sein abgehackter Atem verwandelte sich in silbrigen Nebel. Byakugan Augen flammten auf wie die Blitze, die über ihnen den Himmel und den Bauch aus Wolken zerrissen, um ihn mit frischen Wassermassen auszuweiden, die hart wie Hagel auf sie nieder prasselten. 

 

Shikamaru schirmte seine Augen gegen Regen an. „Was zur Hölle ist nur los mit dir?“

 

„Nichts!“, schnappte Neji zurück und wirbelte zornig herum, bevor er mit dem Kinn nach vorn ruckte. „Lass uns gehen, ich geh voran und zeig dir den Weg.“

 

Shikamaru blieb nicht einmal Zeit, um zu reagieren oder zu antworten. 

 

Narutos Stimme platzte durch den Transmitter. „Shikamaru! Wo zur Hölle bist du? Wo ist Neji?“

 

Der Hyūga kam Shikamaru zuvor. „Es geht uns gut.“

 

„Ja, wir sind direkt hinter euch.“, fügte der Nara noch hinzu und starrte stirnrunzelnd zu Neji. 

 

Der Hyūga gab mit einem finsteren Blick nach und stieß sich vom Ast ab. Shikamaru sprang ihm hinterher und stierte weiterhin verwirrt auf Nejis Rücken, bevor er erneut mit zwei Fingern sein Mikrofon berührte. 

 

„Kiba? Bist du okay? Hat Akamaru irgendjemanden von den Kerlen getroffen?“

 

„Oh yeah!“, bestätigte der Inuzuka. „Er hat zwei markiert! Auch den Typ mit dem Schwert!“

 

„Nicht schlecht, Scheißemagnet!“

 

„Halt die Klappe, Turteltaube!“
 

„Shikamaru!“ Chōjis Stimme dröhnte durch die Leitung. „Uns geht es auch gut!“

 

„Alle zurück zum Stützpunkt.“, orderte Shikamaru mit tiefer Stimme. Er wollte die Unterhaltung so kurz wie möglich halten, während seine Augen noch immer auf die durchnässte Gestalt vor ihm fixiert waren. „Neji? Siehst du alle anderen?“

 

„Es geht ihnen gut.“, rief der Hyūga mit flachem Tonfall zurück. „Sie sind uns ein Stück voraus, also am besten bewegen wir uns etwas schneller.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und ließ Chakra in seine Füße fließen, um nicht auf den nassen Ästen auszurutschen. „Sag mir, dass wir die Rebellen abgeschüttelt haben.“

 

„Sie folgen uns nicht.“

 

Shikamaru fragte sich beinahe, ob der Hyūga darüber enttäuscht war. 

 

Was zur Hölle ist nur los mit dir?

 

Der Nara erhöhte sein Tempo und bewegte sich flink hinter Nejis flatternden Roben, Adrenalin rauschte durch ihn und er nutzte das Aufblitzen von Weiß, um sich sicher durch den Regen zu navigieren. Während er sich bewegte, kalkulierte er unterbrochen; sein Verstand rannte schneller als seine Füße und er verarbeitete genauestens, was sich gerade abgespielt hatte. 

 

Er ist durchgedreht.

 

Der Versuch, sich darüber klar zu werden, was zur Hölle sich Neji wohl vorhin gedacht hatte, war ein Kopfschmerz, den er am besten im Trockenen und nicht im strömenden Regen durchlitt – und so richtete er seine Aufmerksamkeit rasch auf den Kampf. 

 

Was bewachen sie dort hinten?

 

„Ganz offensichtlich beschützen sie mehr als nur ihre Sensen.“ Nejis Stimme erscholl durch den Transmitter; ruhiger diesmal und als hätte er Shikamarus Gedanken gelesen. 

 

Der Nara schnaubte und justierte sein Funkgerät. „Ja. Aber was auch immer es ist, sie werden nicht ran kommen, solange unser Siegel an seinem Platz ist. Und wir haben sie markiert. Wir werden uns also neu formieren und sie dann zurückverfolgen; ihren Geruch kann das Barrierejutsu nicht verschleiern.“

 

„Ich verstehe.“

 

Vor einer gottverdammten Sekunde hast du es scheinbar nicht begriffen. 

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. „Was zur Hölle war das gerade eben, Hyūga?“

 

„Hibari Tsubasa.“, antwortete der Jōnin flach. „Kitoris Sohn.“

 

Shikamarus Gesichtsausdruck wurde düster und er spürte, wie der Regen wie Eis durch die Falte zwischen seinen Brauen rann. „Ich habe nicht gefragt, wer, sondern was. Was zur Hölle hast du dir dabei gedacht, aus der Formation zu brechen?“

 

„Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass es Teil des Plans gewesen ist, über einer Fallgrube zu hängen.“

 

Abrupt kam Shikamaru auf einem breiten Ast zum Stehen. 

 

Neji stoppte automatisch auf dem nächsten Baum.

 

Wie eine Wand fiel der Regen in dichten Bahnen zwischen ihnen zu Boden; trommelte laut auf Holz und riss Blätter von Zweigen. 

 

Sie verharrten lange genug in dieser indirekten Pattsituation, dass sich Shikamaru von dem prasselnden Regen bereits ganz taub vorkam. Unbeirrt starrte er auf Nejis Rücken, doch der Hyūga drehte sich nicht um. Er stand steif wie ein Fels inmitten der Elemente da. 

 

Nicht bereit, auch nur für einen einzigen Augenblick nachzugeben, oder einzuknicken. 

 

Doch als Shikamarus Augen langsam von den verkrampften Schultern des Jōnins nach unten wanderten, wurde sein Zorn wie weggefegt. Nejis Finger blieben ebenso angespannt und kontrolliert wie der Rest von ihm…und für einen verdammten Moment hätte Shikamaru vielleicht so tun können, als würde er die Lüge glauben…wenn Nejis Arm nicht immer noch zittern würde. 

 
 

xXx
 

 
 

Der Sturm verwandelte Hanegakure in einen Amboss und schlug wie ein Hammer elementarer Wut nieder. Regen stürzte wie Glas nieder und zerbrach mit einem niemals enden wollenden Splittern an dem Dorf.

 

Es war höllisch und zeigte nicht die geringsten Anzeichen dafür, in nächster Zeit nachzulassen. 

 

Das Krähennest war gegen die Naturgewalten verstärkt worden. Man hatte Türen vernagelt und Fensterläden verriegelt. Und im Anbetracht der strengen Regel, das Gästehaus nicht zu verlassen, da man befürchten musste, draußen davon gespült zu werden, hatte der Gastwirt darauf bestanden, dass sich das Konoha Team im Onsen der Pension entspannen sollte. Die Bäder waren eingelassen worden und der alte Mann hatte sogar sichergestellt, dass Sakura und Hinata ihre eigenen Räumlichkeiten erhielten; sehr zum Verdruss von Naruto und Kiba.

 

Neji hatte dieses Angebot ablehnen können, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen; ganz anders als Shikamaru, der es viel schwerer hatte, die Frau des alten Mannes nicht zu beleidigen, die darauf bestand, dass die mineralische Zusammensetzung des Wassers Wunder für seine Muskeln bewirken würde. 

 

Shikamaru war versucht, sie zu fragen, ob sie denn irgendetwas gegen den verkrampften Muskel in seinem Kiefer hätte, der gefühlt dreihundert Mal gezuckt hatte, bis er es endlich schaffte, sich ihrer Beharrlichkeit zu entziehen. 

 

Lästige Frau.

 

Er hatte in Narutos und Chōjis Zimmer geduscht und Neji dadurch etwas Freiraum gewährt, bevor er zu seinem eigenen Gästezimmer zurückgekehrt war. Eigentlich hatte er erwartet, dass der Hyūga inzwischen schon fertig sein würde, als er in den Raum schlüpfte, doch die Tür zum Badezimmer war immer noch geschlossen. Trotz der Verlockung, einfach ins Bett krabbeln zu können, weigerte sich Shikamarus Verstand vehement, der Müdigkeit des Körpers nachzugeben. Und so richtete er sein Hirn wieder auf die Arbeit aus; unablässig wälzte er Strategien in seinem Kopf umher, bis sich langsam Besorgnis in seinen Fokus fraß. 

 

Der Nara hob den Blick von der Karte, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, während Kerzenlicht über sein Gesicht spielte. Prüfend streckte er seine verletzten Finger aus, die von Hibari als Sprungbrett missbraucht worden waren und stierte auf die Tür zum Badezimmer. Weitere Sekunden zogen vorbei, bevor er sich letztendlich erhob und den Obi seines geliehenen Yukata fester zog, bevor er zu der Tür hinüber schritt. Der Klang fließenden Wassers und Bewegungen löste sein Unbehagen. 

 

Zumindest ein bisschen.

 

Die Fenster klapperten laut und zogen sowohl seinen Blick, als auch seine Schritte hinüber zu dem Glas. Der Sturm hatte die Fensterläden aufgerissen und so schlug nun der Regen in endlosen Wogen gegen die Scheiben; in Bahnen und Bächen rann das Wasser das Glas hinunter. 

 

Es war seltsam hypnotisch. 

 

Shikamaru lehnte seine Stirn gegen das kalte Fenster und schloss die Augen, während er spürte, wie sein Atem an den kühlen Scheiben kondensierte. Er verlor sich selbst so sehr im Geräusch des Regens, dass er nicht hörte, wie sich die Badezimmertür öffnete. 

 

Erst, als er einige Momente später die Lider hob, bemerkte er Nejis Reflexion im Glas. Der Hyūga stand ein paar Schritte hinter ihm; die geisterhaften Augen blickten mit diesem unheimlichen und weit entfernten Starren über die Schulter des Nara.

 

Shikamaru wandte sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen. Schweigend musterte er Neji und legte den Kopf schief, um einen Blick auszulösen, ein Wort…

 

Irgendetwas…

 

Neji blinzelte sehr langsam, rührte sich ansonsten aber nicht. 

 

Shikamaru seufzte leise durch die Nase und ließ seine dunklen Augen über den Jōnin wandern. Neji trug den gleichen grauen Yukata, doch der Stoff war dunkel und faltig von der Feuchtigkeit seines Haares, das von seiner üblichen Bindung befreit war. Blitze flammten draußen auf und warfen ein scharfes Funkeln auf das omnipräsente Stirnband des Hyūga. 

 

Als wüsste er, dass Shikamarus Blick dorthin gleiten würde, schüttelte Neji ein einziges Mal den Kopf und lenkte so die Augen des Schattenninjas um. Die Rinnsale des Regens an den Fenstern spiegelten sich auf der hohen Neigung von Nejis Wangen und liefen die stolzen Ebenen in einer grausamen Parodie von Tränen hinab. Tränen, von denen sich Shikamaru sicher war, dass Neji sich niemals gestattete, sie zu vergießen. 

 

„Neji…“

 

„Nicht.“ Nejis Stimme war über das Rütteln des Glases kaum zu hören und klang in seinem Wispern doppelt so brüchig. „Ich brauche es nicht, dass du mich daran erinnerst…an das, was ich zu vergessen versuche.“

 

„Verdammt, Neji…“, murmelte Shikamaru und schüttelte traurig den Kopf. Seine Mahagoni Augen waren so viel weicher als der harte Knoten aus Emotionen tief in seiner Brust, der schmerzhaft gegen seine Rippen zu drücken schien. „Du musst das bei mir nicht tun…“

 

„Die Mission…“, wisperte Neji, als würde er gar nicht zuhören. „Die Mission ist es, was ich immer brauchen werde. Ich brauche sonst nichts.“

 

Shikamarus Kehle schnürte sich zu. „Neji.“

 

Die mondsteingleichen Augen verhärteten sich ein wenig an den Winkeln, doch Neji stierte weiterhin an ihm vorbei. Blicklos starrte er auf das Fenster, vielleicht auch auf die Geister, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelten, vielleicht auch an ihnen vorbei und zu Erinnerungen, die ihn heimsuchten, obwohl er sie nie erlebt, aber nach denen er sich stets gesehnt hatte.

 

„Sonst nichts…“, raunte der Hyūga.

 

Shikamaru verharrte so still wie die Luft zwischen ihnen, vollkommen gebannt, als er beobachtete, wie der Schatten von Regentropfen über Nejis Gesicht rann und über seine Kehle tropfte. Es war ein endloser Strom geisterhafter Tränen. Und er wusste nicht, was ihn mehr zerfetzte; die grausame Parodie eines weinenden Körpers, oder die Erkenntnis, dass Neji eher zerbrechen würde, als diese Tränen wirklich zuzulassen.

 

Lauf davon…sei klug und lauf davon, bevor es dich auch noch zerbricht…

 

Shikamaru blinzelte, atmete tief ein…und lief drei Schritte.

 

Drei Schritte waren alles, was es brauchte. 

 

Drei Schritte für seinen Verstand, in die eine Richtung zu laufen und für seinen Körper, sich in eine andere zu bewegen. 

 

Drei fatale Schritte für ihn, um das zu berühren, wovor er verdammt nochmal hätte wegrennen sollen. 

 

Der Schattenninja hob eine Hand zu Nejis Gesicht und folgte mit den Fingern den Pfaden der geisterhaften Tränen, bis er schließlich einen Knöchel unter Nejis Kinn legte. Die blassen Seen bewegten sich nicht vom Fenster fort, doch die dunklen Wimpern erzitterten. 

 

Shikamaru lächelte traurig. „Bring mich nicht dazu, dir nachzujagen.“

 

Neji schluckte schwer und der hörbare Klang trieb schmerzhaft einen Widerhaken in Shikamarus Brust. „Ich brauche es nicht, dass du das tust.“

 

„Dann sieh mich an und beweise mir, dass du diesmal nicht davon rennst.“, murmelte Shikamaru und neigte den Kopf zur Seite. 

 

Nejis Augen schlossen sich bebend und Schwermut zog seine Stirn zusammen. „Stop.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und fuhr zaghaft mit seinem Knöchel den Kiefer des Hyūgas entlang, bevor er seine Finger in den dichten feuchten Mokkasträhnen vergrub; er fühlte, wie sie durch seine Finger glitten wie seine zerfetzte Vernunft. Er krallte sich fest in die dichte Mähne, bevor sie vollkommen seinem Griff entschwinden konnte. 

 

„Ich habe den Willen, das hier zu aufzuhalten, vor drei Schritten verloren…“, erwiderte Shikamaru mit rauer Stimme. „Also entweder stoß mich weg, oder lass mich dich zurück ziehen…denn diesmal werde ich nicht davon laufen.“

 

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Mal wieder ein etwas kürzeres Kapitel, aber dafür werden die restlichen der Geschichte wieder deutlich länger! ;) 

Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat und würde mich wieder wahnsinnig über ein paar Kommentare freuen! <3 Vielen Dank wie immer an alle meinen lieben Reviewer/innen und Leser/innen für eure unglaubliche Unterstützung! <3

 

 

 

 

 

Where are you?

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Justice

Hoffentlich klart es noch auf, bis wir aufbrechen müssen…

 

Es war nicht der Donner gewesen, der Shikamaru geweckt hatte, doch er rollte laut genug, um seinen Blick auf das Fenster zu ziehen. Die Scheiben bebten und frische Bahnen aus Regen schlugen heftig gegen das Glas. 

 

Der Schattenninja lehnte sich zurück gegen das Kopfstück des Bettes. 

 

Ein weiterer Knall ertönte vor den Fenstern und lief zu einem Grollen aus. 

 

Blitze tauchten den Raum in flackerndes Licht.

 

Neji bewegte sich leicht. 

 

Shikamaru senkte den Blick auf den Ninja, der neben ihm lag, das Gesicht von ihm abgewandt. Ein Tumult verstörender Gefühle verwickelte sich im Inneren des Schattenninjas und bildete einen Knoten, den er mit Logik nicht zu lösen vermochte. 

 

Ich glaube, ich verliere mich selbst in dem Versuch, dich zu finden…

 

Die schwache Bewegung von Nejis Schulterblatt spannte die Muskeln im Rücken des Hyūga an. Langsam hob Shikamaru die Hand und strich mit den Fingern über die Wirbelsäule des Jōnins und summte leise, während er sanft mit seinem Daumen klopfte. 

 

Neji wurde wieder ruhig. 

 

Stirnrunzelnd ließ Shikamaru seine Berührung höher wandern, um den Hinterkopf des Hyūgas zu streicheln; er sah seinen Fingerspitzen dabei zu, wie sie in den dichten mokkafarbenen Strähnen verschwanden und leicht Nejis Kopfhaut massierten. Sie hatten die ‚Vier Uhr morgens‘ Grenze vor zwanzig Minuten überschritten, sollte die innere Uhr des Nara ein ernstzunehmendes Maß sein. Neji war nicht aufgewacht. Tatsächlich, war seine Atmung die ganze Zeit über ruhig und beständig geblieben, während Shikamaru schweigend über ihn gewacht hatte. 

 

Das bedeutet aber nicht, dass wir uns außerhalb der Gefahrenzone befinden…

 

Er hatte ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung, was es bedeutete; er wusste nur, dass es nicht nur gefährlich, sondern auch dumm wäre, sich von einem falschen Sinn von Sicherheit einlullen zu lassen. Aber auf der anderen Seite wusste er auch nicht, ob irgendetwas von dem, was er in den letzten Stunden getan hatte als sicher oder klug erachtet werden konnte. 

 

Doch es tat ihm nicht leid. 

 

Noch nicht.

 

Schon wieder legte sich seine Stirn in Falten und seine Hand auf Nejis Kopf hielt inne. Der Hyūga summte leise. Shikamaru sagte nichts, beobachtete einfach nur, wie Neji ein wenig mit der linken Schulter rollte. 

 

„Du solltest schlafen…“, murmelte der Hyūga, seine Stimme war tief und schläfrig. 

 

Shikamaru antwortete, indem er mit den Fingern erneut träge über Nejis Kopf streichelte. Es war der einzige Kontaktpunkt, abgesehen von der Wärme ihrer Körper, die den winzigen Raum zwischen ihnen füllte. Das Bett war so schmal, dass es unmöglich war, sich noch weiter auseinander zu bewegen. Shikamaru war sich aber auch nicht sicher, ob sie es überhaupt getan hätten, wenn sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten; auch wenn er eigentlich erwartet hatte, dass Neji sich während der Nacht in sein eigenes Bett legen würde. 

 

Die Tatsache, dass er es nicht getan hatte, sprach Bände.

 

Shikamaru hoffte nur, dass sie sich auf derselben Seite befanden.

 

Sein Schweigen brachte Neji dazu, sich leicht zu drehen und über die Schulter zu spähen. Die Bewegung lehnte seinen Kopf etwas weiter in die Berührung von Shikamarus Hand und die Finger des Nara hielten inne; seine halb geschlossenen Augen senkten sich zu den blasssilbernen Iriden, die ihn musterten. 

 

Bitte sag mir, dass ich dich erreicht habe, Hyūga…

 

Neji wandte sich ihm zu, die dichte Mähne seines Haares floss über die Laken, als er sich auf einem Ellbogen abstützte; abrupt hielt er inne, bevor er sich etwas langsamer und vorsichtiger aufrichtete. Shikamaru entging das kurze Aufflackern von Schmerz in Nejis Augen nicht und er zog seine Hand zurück.

 

Definitiv nicht außerhalb der Gefahrenzone…

 

„Bist du okay?“, fragte Shikamaru vorsichtig, fast schon ein wenig wachsam.

 

Neji fuhr sich mit den Fingern durch sein Haar und schob es so aus seinem Gesicht, bevor er prüfte, dass sich sein Stirnband immer noch sicher an seinem Platz befand. Shikamaru beobachtete ihn schweigend. 

 

Und er trägt immer noch dieses verdammte Ding…

 

Als hätte er seine Gedanken gelesen, spähte Neji erneut über die Schulter. Doch was für ein unangenehmer Augenblick sich auch immer hätte ergeben sollen, kam nicht. Und Shikamaru hätte auf keinen Fall erwartet, dass sich der Jōnin elegant drehte, eine Hand an das Kopfbrett des Bettes legte und mit einem fast schon raubtierhaften Lächeln seinen Blick suchte, bevor er sich nach vorn lehnte und ihre Lippen übereinander strich.

 

Die Augen des Nara weiteten sich ein wenig. 

 

Überraschung machte ihn vollkommen sprachlos. 

 

Doch dann entspannte er sich und sah zu, wie Neji sich erneut nach vorn neigte. 

 

Das Bett knackte laut. 

 

Shikamaru schmunzelte und murmelte gegen Nejis Mund: „Wie lästig.“

 

Neji lächelte und nickte langsam. „Sehr.“

 

Der verführerische tiefe Ton von Nejis Stimme veranlasste Shikamaru dazu, den unmöglichen Versuch zu unternehmen, den Fluss seines Blutes wieder zu seinem Hirn umzuleiten. Er schluckte schwer, um den Knoten in seiner Kehle zu lösen und klopfte sanft mit dem Daumen gegen Nejis Hüfte.

 

„Geht es dir gut?“

 

Neji zögerte und zog sich weit genug zurück, dass sich ihre Augen begegnen konnten. 

 

Shikamaru erwiderte den Blick mit einer erhobenen Braue. 

 

Er wurde mit einem seltsamen Ausdruck festgepinnt, bevor der Hyūga zärtlich ihre Münder aneinander stieß und sich anschließend von seiner Handfläche abdrückte, wodurch das Kopfbrett leicht gegen die Wand schlug, als er aus dem Bett glitt. 

 

„Da war wir beide wach sind, wäre es eine gute Idee, wenn wir unsere nächste Strategie besprechen würden.“

 

Du willst mich doch verarschen…

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Klar.“

 

Das langsame Rollen der Schulter des Hyūga entging ihm nicht. Neji wiederholte es ein paar Mal, bevor er in das Badezimmer und außer Sicht verschwand; die Tür zog er hinter sich zu, 

 

Scheiße…

 

Shikamaru schloss die Augen und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht, während er den Kopf schüttelte, als wolle er seine Gedanken wieder in Einklang bringen. 

 

Konzentrier dich…

 

Ein heftiger Schlag gegen das Fenster schreckte ihn auf. 

 

Scharf drehte er den Kopf. 

 

Rote Spritzer verteilten sich über das Glas, bevor sie von dem Regen fortgewaschen wurden. 

 

Was zur Hölle?

 

Shikamarus Finger krallten sich in die Laken und hielten sie an seiner Hüfte, als er die Beine aus dem Bett schwang und sich erhob. Rasch schloss er die Distanz zum Fenster in wenigen langen Schritten und wischte mit seiner freien Hand die Kondensation von der Scheibe. 

 

Das Glas war nicht gesprungen und jeder Hauch von Rot war verschwunden. 

 

Der Schattenninja legte die Stirn in Falten und blinzelte, als er versuchte, etwas hinter den dichten Bahnen aus Regen erkennen zu können. Nichts. Nur undurchdringliche Dunkelheit, die nur hin und wieder von einem Blitz zerrissen wurde. Ein paar Blätter kratzten gegen das Glas und brachten ihn dazu, den Kopf zurückzuziehen. 

 

Seltsam.

 

Beinahe wäre er zusammengezuckt, als Nejis Reflexion auf einmal im Glas auftauchte; Blitze ließen sein Hitai-ate auf eine beinahe bedrohliche Art aufleuchten. 

 

„Was ist los?“, fragte Neji. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ein Vogel ist gerade gegen das Fenster geflogen.“

 

„Ein Vogel? Es dämmert noch nicht einmal.“

 

Shikamaru zuckte mit den Schultern und suchte das Glas weiter nach Blutspuren ab, von denen er eigentlich wusste, dass sie nicht da sein würden. Doch er hatte es sich nicht eingebildet; so viel war sicher. Als er seinen prüfenden Blick beendet hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf Nejis Reflexion und beobachtete, wie der Hyūga zum Bett schritt; seine Finger wanderten über seine Brust. 

 

Verdammt…

 

Shikamaru seufzte und sei Atem ließ das Glas beschlagen. 

 

Wenn ich ihn vor unserem nächsten Kampf nicht überzeugen kann…

 

Er schloss die Augen und versuchte energisch, seinen Kopf so weit zu klären, dass er rational denken konnte. Schon wieder wäre er beinahe zusammengezuckt, als sich eine kühle Handfläche an seinen unteren Rücken legte und anschließend hinauf zu seinem Nacken wanderte. Er schaffte es gerade so, nicht darauf zu reagieren. 

 

„Hinterhältig.“, murmelte er.

 

„Du hast lauter blaue Flecken.“, sagte Neji leise; sein Atem spielte über Shikamarus Schulter. 

 

„Du packst hart zu.“, erwiderte der Nara achselzuckend. 

 

„Es scheint dich nicht zu stören.“

 

„Tut es auch nicht.“

 

Er spürte, wie Nejis Hand zu der Bissspur an seiner Schulter glitt und die Finger die Ränder der Verletzung entlang strichen. 

 

Shikamaru summte und drehte sich langsam, um sich gegen den Fensterrahmen zu lehnen. „Es ist nur dann lästig, wenn die Leute Fragen stellen.“

 

Neji sah an ihm vorbei und hinaus in den Regen. „Deswegen hast du auch den Onsen gemieden.“

 

„Das sagt der richtige.“ Shikamarus Augen wanderten über das Gesicht des Hyūga, dann richtete er seinen Fokus hinunter zu den Hämatomen auf Nejis Brust; seine Stimme blieb ruhig. „Du weißt, dass du in diesem Zustand nicht kämpfen kannst.“

 

Neji ließ sich nicht das Geringste anmerken. „Ich kann mich meinen Schwächen anpassen, Shikamaru. Solange ich bestimme Chakralevel meide, ist alles in Ordnung.“

 

Schwachsinn.

 

„So einfach ist das nicht Neji. Was du getan hast, wird sich nicht einfach von selbst lösen.“

 

„Vergiss nicht, warum wir hier sind.“, antwortete der Hyūga und begegnete endlich seinem Blick. 

 

Shikamaru widerstand dem Drang, eine finstere Miene zu ziehen. „Du bist ein Dōjutsu-Ziel für diese Bastarde. Sollten wir kämpfen müssen, dann werden sie direkt auf dich losgehen.“

 

Nejis Züge blieben frustrierend gleichmütig. „Hinata wird ebenfalls gefährdet sein.“

 

„Hinata ist nicht dahin gehend gefährdet, dass sie nicht in der Lage ist zu kämpfen.“, schnappte Shikamaru und verlor seine Gelassenheit immer mehr an seine wachsende Besorgnis; die Worte flossen ihm über die Lippen, bevor er sie aufhalten könnte. „Oder dahin gehend, auf einen Schlag wegen einer Embolie bedingten Herzinsuffizienz tot umzufallen.“

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich. 

 

Fuck.

 

Shikamaru schluckte, doch er konnte es nicht zurücknehmen. 

 

Die Worte waren ausgesprochen. 

 

Kalt und klinisch. 

 

Doch was immer er daraufhin erwartet hatte, es war sicher nicht Nejis ruhiger, beständiger Blick, der ihn musterte, als würden sie etwas Belangloses besprechen, das den Hyūga überhaupt nicht betraf. 

 

„Ich habe nicht die Absicht, auf irgendeiner Ebene zu versagen.“, sagte der Jōnin schließlich. „Diese Mission ist unerlässlich. Und ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas interferiert.“

 

Shikamaru entging der subtile Hauch einer Warnung keineswegs, die in diesem tiefen, steten Tonfall mitschwang. Seine Augen fielen zu Nejis Brust. 

 

„Irgendetwas?“, murmelte er, bevor er den Blick hob. „Oder irgendjemand?“

 

Neji schürzte die Lippen. „Ich kann meine eigenen Fehlfunktionen selbst korrigieren, Nara.“
 

„Fehlfunktionen?“, echote Shikamaru und eine Braue hob sich bis zu seinem Haaransatz. „Du bist kein gottverdammter Roboter.“

 

Die Augen des Hyūga wurden hart. „Behalt deinen Kopf bei der Mission. Das ist es, was gerade zählt, Shikamaru. Das ist unsere Priorität und wird es immer sein.“

 

Die Worte trafen ihn wie ein Schlag in die Magengegend. 

 

Shikamaru starrte für einen Moment geschockt vor sich hin; eine nagende Traurigkeit fraß sich hinter seinen Rippen durch ihn. 

 

Aufmerksam suchte er Nejis Gesicht ab, doch er fand nichts als harte, kontrollierte Züge. 

 

Langsam schüttelte er den Kopf. „Du hast nicht eine verfickte Sache von dem gehört, was ich letzte Nacht gesagt habe, oder?“

 

Nejis Augen wurden weich. „Doch, das habe ich.“

 

Die leise Antwort ließ eine schwere Stille zwischen sie fallen. 

 

Shikamaru hätte diese simple Antwort auf unzählige verschiedene Weisen interpretieren können. Doch in dem Moment, in dem er seinen Verstand jeder einzelnen Möglichkeit zuwandte, musste er feststellen, dass er jedes Mal mit demselben Ergebnis konfrontiert wurde.

 

Du hast mich gehört…doch es ist nicht genug, um dich zu überzeugen…weil ich immer noch etwas übersehe…

 

Der Schattenninja runzelte angesichts dieser Erkenntnis scharf die Stirn.

 

Scheiße.

 

Neji legte den Kopf schief. „Shikamaru?“

 

Shikamaru schloss die Augen und seine Finger krallten sich in die rissige Fensterbank, bis er spürte, wie sich Spreißel in seine Haut gruben. 

 

Was zur Hölle sehe ich nicht?

 

Er hörte nicht, wie Neji nach vorn trat, sein Verstand war viel zu sehr von seinem inneren Dialog eingenommen. 

 

Man sollte meinen…dass nach allem, was du gesagt hast…nach allem, was du getan hast…ich inzwischen in der Lage sein sollte, zu wissen, was zur Hölle es ist…

 

Die Arme des Jōnins hielten ihn gegen das Fenster. 

 

Und ich kann dich nicht noch länger schonen, bis ich es gefunden habe…

 

„Shikamaru…“

 

Fuck…lass es mich endlich finden…

 

Er spürte das sanfte Streichen von Nejis Lippen warm gegen seine Stirn…Sekunden, bevor sich der kühle Stahl des Stirnbandes des Hyūgas dorthin legte. 

 

Die Kälte fuhr ihm bis in die Knochen. 

 
 

xXx
 

 
 

„Es ist höllenkalt.“, grollte Kiba. 

 

„Das macht nicht den geringsten Sinn, ist dir das klar?“, erwiderte Naruto und schritt einen glitschigen Balken der Brücke entlang. 

 

„Dann ist es eben so kalt, als wäre die Hölle eingefroren.“, grummelte Kiba und wuschelte mit einer Hand durch Akamarus Fell, als sich der Hund gegen ihn lehnte, um etwas Wärme zu teilen. „Neji und Lee sollten sich lieber mal beeilen.“

 

„Wenigstens hat es aufgehört zu regnen.“, erwiderte Chōji und sah zu Shikamaru hinüber. 

 

Der Nara zuckte nur mit den Achseln und ließ den Blick über das Dorf schweifen. Es funkelte und tropfte noch immer von den Folgen des Sturmes. Im Grunde sah es so aus, als würde es noch immer regnen, gemessen daran, wie viel Wasser sich in den Baumkronen gesammelt hatte. Der Himmel blieb dunkel und bewölkt, doch der Sturm war nach Norden weiter gezogen und ließ Hanegakure grau und düster zurück.

 

Die Luft war schwer zu atmen, feucht und stickig. 

 

Beschissen…

 

„Shikamaru?“ Narutos heisere Stimme erscholl über ihm. 

 

Der Schattenninja hob den Blick; seine Arme hielt er locker vor der Brust verschränkt, während er sich gegen den Brückenbalken lehnte, den der Uzumaki wie ein Vogel auf einem Drahtseil auf und ab torkelte. 

 

„Hast du diese Vögel heute morgen gesehen?“, fragte Naruto. 

 

„War schwer, sie zu übersehen.“, seufzte Shikamaru kopfschüttelnd. 

 

„Gruselig, huh?“

 

„Laut.“, grummelte der Nara. 

 

Unnatürlich.

 

Die Vögel waren eine vollkommen andere Art des Donners gewesen. 

 

Es war kurz nach der Dämmerung passiert. Shikamaru und Neji waren gerade fertig geworden, einen Plan auszuarbeiten, als sich der Sturm gelegt hatte; nur damit sich gleich darauf der Himmel verdunkelte und sich mit hunderten von krächzenden Vögeln füllte. Shikamaru hatte vermutet, dass es sich um einen Angriff handelte, dann aber festgestellt, dass die Schwärme aus allen Winkeln des Waldes geflogen kamen, angeleitet von den Tsubasa Shinobi und ihren geflügelten Gefährten. 

 

Trainierte Vögel hatten wilde Vögel zusammengetrieben. 

 

Es war ebenso verstörend wie unheimlich gewesen; und es hatte ihn an das Schwarmjutsu erinnert, mit dem sie nahe der Grenze konfrontiert worden waren. Neji und Lee befanden sich gerade bei Kitori, um ein paar Antworten zu diesem Phänomen zu erhalten, was den Rest des Teams wartend zurückließ; und dabei waren die einen geduldiger als andere. 

 

Shikamaru hatte sich dem Geplänkel seiner Kameraden nicht angeschlossen, viel zu versunken in den Katakomben seines Geistes und nach den fehlenden Teilen für beide Missionen suchend. Obwohl er bereits aufgegeben hatte zu glauben, er könne sich selbst wirklich davon überzeugen, Neji einfach nur als eine Mission zu betrachten.

 

Ich habe es bereits vermasselt, hier und jetzt.

 

Und was noch viel katastrophaler für sein klar umrissenes Denken war, war, dass er immer mehr Vertrauen in Hoffnung statt in Logik legte. 

 

Ich kann nicht alles, was ich habe, darauf setzen, dass er eine Epiphanie hat…aber ich…

 

Er schüttelte den Kopf, glasige Augen stierten unbewegt nach vorn. Er verlor seine Objektivität viel zu schnell, um sie in diesem Zustand wiederherstellen zu können; was den Teilen in ihm überhaupt nicht passte, die immer noch darum kämpften, sich an einem Sinn für Distanzierung festzuhalten. 

 

Das einzige Problem dabei war, dass er wusste, dass er sich selbst etwas vormachte.

 

Diese Linie existierte nicht länger. 

 

„Was machen sie denn eigentlich überhaupt mit den Vögeln?“, fragte Kiba und durchbrach damit Shikamarus Gedankengänge. 

 

Sakura rettete ihm die Mühe, über diese Frage nachdenken oder eine Antwort darauf finden zu müssen. 

 

„Hinata meinte, dass es danach aussieht, als würden sie die Tiere in Richtung des Aviariums treiben.“, informierte Sakura und gestikulierte zu der dunkelhaarigen Kunoichi, die etwas weiter entfernt auf der Brücke stand; ihre Byakugan Augen scannten aufmerksam den Himmel. 

 

„Das muss ja ein ziemlich großes Aviarium sein.“, murmelte Shikamaru und neigte sich zur Seite, sodass Naruto an ihm vorbei wanken und weiter über die Brüstung stiefeln konnte. 

 

„Es ist größer als das ganze Dorf.“ Sakura nickte und schritt zu ihm hinüber. „Eine Schande, dass ihr es nicht sehen konntet.“

 

Shikamaru warf ihr einen kurzen Seitenblick zu. „Sie haben es doch abgeriegelt.“

 

„Für Besucher, aber nicht für Mediziner.“, erwiderte Sakura. „Die Tierärzte sagen, dass man es nur gemacht hat, weil so viele der Vögel krank sind.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Die Krankheit breitet sich wohl aus, huh?“

 

„Nicht wirklich. Naja, so seltsam es erscheinen mag, aber einige der Veterinäre sagen, dass es rein psychologisch ist.“

 

„Psychologisch?“, echote der Nara und dachte darüber nach. 

 

„Ich sag‘ euch, deren Vögel sind komisch.“, sagte Naruto und trat erneut mit einem Schwanken über Shikamaru hinweg, bevor er unbeirrt den Balken entlang balancierte. „Und zwar die gruselige, gestörte und besessene Art von komisch.“

 

Kiba giggelte. „Ich glaube ja, du vermisst deinen kleinen orangenen Kumpel.“

 

Naruto schnaubte und sprang neben Kiba von der Brüstung. „Zumindest hat er nicht auf mich geschissen.“

 

„Hey, das war nur einmal!“

 

„Ja klar, und das war eine ganze Menge Scheiße für einen Vogel.“

 

„Der Vogel war riesig!“

 

„Lasst es gut sein.“, schnitt Shikamaru dazwischen und zog eine finstere Miene, als er die neue Information in seinem Verstand hin und her rollte; vage war er sich dabei bewusst, dass Sakura ihn beobachtete. 

 

Naruto hat nicht unrecht…was Vögel im Allgemeinen angeht, benehmen sich diese hier ziemlich abnormal…aber eine psychologische Störung, die sich ausbreitet…wie zur Hölle soll das denn funktionieren? Es muss irgendwie mit diesem verbotenen Jutsu zusammenhängen. 

 

„Shikamaru.“, Chōji stieß ihn leicht mit dem Ellbogen an. „Neji und Lee sind wieder da.“

 

Shikamaru wandte sich zusammen mit dem Rest des Teams um und schritt voran, als sie sich auf halbem Weg mit der herannahenden Gruppe trafen. Kitori lief neben Neji, ihr Gesichtsausdruck war ernst, die Lippen zu einer dünnen, unnachgiebigen Linie zusammengepresst. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru spähte zu dem Hyūga und suchte stumm nach Antworten. Neji erwiderte den Blick, neigte seinen Kopf jedoch nur leicht in Kitoris Richtung und zwang den Nara so, sich an die Kunoichi zu wenden. Sie sah ihn ohnehin schon an. 

 

Shikamaru entschied sich für die offensichtlichste Frage. „Was ist los?“

 

„Informationen sprechen dafür, dass sich Rebellen nahe unseres Aviariums befinden.“ Kitori verzog das Gesicht. „Was bedeutet, dass ich meinen Unterstützungstrupp von eurer Operation abziehen muss, um unsere Umgebung zu sichern.“

 

Auf keinen Fall.

 

Shikamaru hob eine Braue, äußerlich vollkommen unbeeindruckt von der Veränderung und der Scheiße, in die er möglicherweise soeben geraten war. „Auf wessen Informationen stützt du dich denn dabei?“

 

„Meine.“, ergriff Neji das Wort. 

 

Shikamaru blinzelte. „Bitte was?“

 

„Ich habe es selbst überprüft Shikamaru. Da sind ein paar Barrierejutsus direkt unterhalb der Oberfläche des Aviariums, die eventuell darauf schließen lassen, dass sich Feinde dort aufhalten.“

 

„Die eventuell darauf schließen lassen…“, echote Shikamaru. „Wie viele Barrieren?“

 

„Vier. Jede deckt eine Himmelsrichtung ab.“

 

„Eine klare Formation.“, schloss Kitori. 

 

Shikamaru neigte den Kopf zur Seite. „Oder eine List, um unsere Anzahl zu schwächen. Sie wissen, dass wir Byakugan Anwender in unseren Reihen haben. Ein paar Barrierejutsus zu errichten, um uns von unserem Ziel abzubringen ist die perfekte ‚Teile und beherrsche‘-Taktik.“

 

Die Kunoichi schüttelte den Kopf. „Und selbst wenn, wir können es uns nicht leisten, irgendein Risiko einzugehen.“

 

Genauso wenig wie ich…

 

„Wir brauchen unsere Rückendeckung.“, argumentierte Shikamaru. „Wenn du zulässt, dass sie unsere Reihen zu sehr ausdünnen, dann spielen wir ihnen nur in die Hände.“

 

„Besonders wenn man bedenkt, dass die Rebellen euch den Großteil eurer militärischen Stärke genommen haben.“, fügte Sakura hinzu und verlieh Shikamarus Worten damit noch mehr Gewicht.

 

„Als Fukurō sie noch angeführt hat, stimmte das. Aber seit unseren wiederholten Konflikten mit ihnen, hat sich ihre Anzahl gesenkt.“ Kitoris Miene wurde finster. „Der beste Weg für sie, uns einen heftigen Schlag zu verpassen, ist, indem sie unser Aviarium angreifen.“

 

„Was sie vermutlich auch tun werden, wenn man bedenkt, wir nahe wir bereits dran sind, sie aufzuspüren.“, führte Neji weiter aus und zog damit Shikamarus Blick auf sich. „Mir gefällt das genauso wenig wie dir, Shikamaru, aber zum jetzigen Zeitpunkt, können wir die Möglichkeit nicht ausschließen, dass sie das Aviarium mit aller Gewalt attackieren werden.“

 

Shikamaru spürte, wie ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. „Die einzige Möglichkeit, die ich im Moment ausschließe, ist die, in der wir alle draufgehen.

 

Sakura zuckte neben ihm zusammen. 

 

Neji pinnte ihn mit einem viel zu ruhigen Starren fest. 

 

Und Shikamaru erwiderte es, ohne auch nur ein einziges Mal zu blinzeln. 

 

Doch Kitori unterbrach ihre sture Auseinandersetzung. „Pass auf, das hier ist keine Debatte. Das ist die Situation.“

 

„Und das ist die Realität.“, erwiderte Shikamaru kühl und riss seine Augen von Neji los. „Wir brauchen Verstärkung. Unser letzter Kampf hat uns gezeigt, dass die Todeszone nur um diesen einen Versteckplatz schon deutlich größer war, als wir erwartet hatten.“

 

„Und dennoch habt ihr überlebt und euer gestecktes Ziel erreicht.“, bemerkte Kitori. 

 

Shikamaru musste mit aller Macht die schmerzhafte Erkenntnis zertrümmern, dass sich sein ‚gestecktes Ziel‘, oder zumindest der Weg, wie er es erreichen wollte, in der Spanne von ein paar gestohlenen Stunden radikal geändert hatte…

 

Stunden, die immer noch in seinem Blut und seinem Verstand brannten. 

 

Er widerstand dem Drang, Neji anzusehen und erholte sich rasch mit einem trägen Heben seiner Augenbraue, als ob seine nächsten Worte für Kitori offensichtlich sein sollten, obwohl er von einem Moment zum nächsten denken musste und verzweifelt einen Weg suchte, all die Steine bei sich zu behalten, die sie umher schob. 

 

Ich brauche diese Verstärkung.

 

„Wir haben noch einiges mehr zu tun.“, argumentierte Shikamaru. „Und unser Team wurde zu einer Größe zusammengestutzt, die vermutlich nicht stark genug sein wird.“

 

„Ich habe gesagt, dass die Rebellen stark sind, nicht dass sie stärker sind.“ Unerbittlich schüttelte Kitori den Kopf. „In jedem Fall müssen wir die Vögel schützen. Wir haben sie präzise zusammengetrieben, damit die Rebellen sie nicht für das verbotene Jutsu verwenden können. Zumindest dieser Schutz ist damit gewährleistet.“

 

Das war tatsächlich ein Vorteil. Doch Shikamaru war sich nicht sicher, ob es auch wirklich das Kräfteverhältnis ausbalancierte. 

 

Die Augen des Nara verengten sich und der Ausdruck in den dunklen Seen intensivierte sich mit seiner Frustration. „Also willst du mir gerade ernsthaft erzählen, dass ich von zwanzig auf acht Shinobi gesunken bin?“

 

„Zehn.“, korrigierte Kitori. „Ich werde euch begleiten und mit mir einer meiner besten Ninjas.“

 

Shikamaru schaffte es gerade noch, ihr nicht einen flachen Blick zuzuwerfen und atmete stattdessen langsam durch die Nase aus. Das wiederkehrende Thema, dass all seine Pläne vollkommen auf den Kopf gestellt wurden, begann unglaublich an seinen Nerven zu zerren. Klar, er konnte seine Strategie rechtzeitig überarbeiten, doch der Risikofaktor für die Nahkämpfer war gerade enorm gestiegen. 

 

Er spähte zu Neji. 

 

Verdammt.

 

Ohne Vorwarnung klopfte ihm Naruto auf den Rücken und ließ ein Grinsen aufblitzen – eines, das vor unerschütterlichem Selbstvertrauen nur so strahlte. „Wir packen das schon, Shikamaru!“

 

Shikamaru hatte nicht einmal die Zeit, dem zu widersprechen, bevor sich Lee einschaltete. 

 

„Wir werden diesen Rebellen schon beweisen, dass wir aus Konoha keine Schwächlinge sind!“, erklärte der Ninja mit den buschigen Augenbrauen und schob ein ‚Daumen hoch‘ über Shikamarus Schulter. „Wir werden mit der Flamme der Jugend brennen!“

 

Oder in der Hölle…verdammt, kann mich nicht irgendjemand unterstützen…

 

Er wandte seinen Blick Sakura zu, 

 

Die Kunoichi legte nachdenklich den Kopf schief. „Wenn man es so sieht Shikamaru, kann Naruto die fehlenden Shinobis nicht mit Schattendoppelgängern ausgleichen?“

 

Shikamaru starrte sie für einen Moment fassungslos an, hatte er doch gehofft, dass sie auf seiner Seite des verfickten Zaunes bleiben würde. Rasch nach Unterstützung suchend sah er zu Hinata, die aber ganz offensichtlich nicht bereit war, irgendeine Partei zu ergreifen. 

 

Super. 

 

Er blickte zu Chōji und hob eine Braue. 

 

Hilf mir, Kumpel.

 

Doch Chōji sprang auf Narutos Zug auf. „Wir schaffen das, Shikamaru!“

 

Oh, komm schon…

 

Shikamarus Züge wurden mörderisch und er machte sich nicht einmal die Mühe, in Kibas Richtung zu sehen; obwohl der Inuzuka seine überflüssige Meinung mit einem Grinsen und zusammen mit seinem Köter kundtat.
 

„Lassen wir’s krachen!“, brüllte der Hundeninja.

 

Akamaru kläffte seine Unterstützung. 

 

Ugh. Das nervt. 

 

Shikamaru seufzte noch einmal und spürte, wie sich alle Augen auf ihn richteten und auf das Urteil warteten, das sie eigentlich schon entschieden hatten. Er schob seine Hände tief in die Taschen seiner Hose und wandte seinen Blick erneut Neji zu; er setzte seine flache Miene auf, die von dem Hyūga nur als ‚Du-bist-ein-einziges-Ärgernis-genau-wie-diese-Mission-und-vielleicht-hasse-ich-dich-gerade-ein-bisschen‘ interpretiert werden konnte. 

 

Neji lächelte. 

 

Shikamaru schnaubte ohne irgendeine Form von Drohung. 

 

Lästiger Bastard.

 
 

oOo
 

 
 

Das Siegel war noch immer an seinem Platz.

 

Das Versteck unberührt. 

 

Keine Zeichen von Störungen außer dem Sturm.

 

Schweigend machte sich Neji seine mentalen Notizen. Er scannte den Himmel, die Baumkronen und das Dickicht, ließ seine Sicht mit jeder Bewegung seiner Byakugan Augen ausdehnen oder schrumpfen. Die Gegend um das Team schien verlassen und still zu sein, abgesehen von dem leisen Klopfen der Regentropfen auf den Blättern, als sich der Wald nach und nach trocken tropfte. Neji neigte den Kopf und wich damit einem Tropfen aus, der nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt nach unten fiel. 

 

„Neji, überprüfe die linke Seite.“ Shikamarus Stimme filterte durch seinen Transmitter. 

 

„Sauber.“, bestätigte Neji. „Keine Barrieren. Die Katakomben auf dieser Seite sind verlassen.“

 

„Hinata, überprüfe die rechte Seite.“

 

„Sauber.“, erwiderte die Kunoichi. „Verlassen.“

 

„Kiba?“

 

„Nah, sie sind schon lange weg. Die Käferbonbons sind allerdings bereit.“

 

„Das Wichtigste zuerst, Inuzuka.“, sagte Neji. „Lasst uns vorsichtig absteigen. Bleibt wachsam.“

 

Neji blinzelte langsam und hielt sein Dōjutsu aktiviert, als er noch einmal die Gegend überprüfte. Seine Augen glitten kurz zu der Fallgrube, in die Shikamaru beinahe gefallen wäre. Sie war durch den Sturm bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt; schwarz und schlammig. Ein sumpfiges Grab.

 

Das seines hätte sein können…

 

Eine instinktive, beschützende Aggression wühlte bei diesem Gedanken das Innere des Hyūga auf. 

 

„Neji?“, ertönte Shikamarus Stimme in seinem Ohr und kratzte durch die Leitung. „Ich warte auf dich, Hyūga.“

 

„Einen Moment noch.“, erwiderte Neji und sammelte mit einem langsamen Atemzug wieder seine Konzentration zusammen, bevor er sich anmutig neben Shikamaru fallen ließ. 

 

Der Nara spähte zu ihm hinüber. „Bereit?“

 

Neji studierte ein letztes Mal das Versteck. „Es befinden sich keine Briefbomben oder Siegel in der Nähe außer unsere eigenen. Wir sind sauber.“

 

Shikamaru nickte seufzend. „Dann mal los.“

 

Neji folgte einen Schritt hinter dem Schattenninja, der sich dem Siegel näherte und die nötigen Handzeichen formte, um das Jutsu zu lösen. 

 

„Wenn du uns in die Luft jagst, Shikamaru…“, sagte Kiba halb scherzend, halb warnend. 

 

Der Nara schnaubte und ging in die Hocke, um das wirkungslose Siegel in seiner Tasche zu verstauen und suchte nach der Klappe, die in das Versteck führte. „Schätze, das würde uns den Ärger ersparen, später in die Luft gejagt zu werden.“

 

Neji hörte Kitori verächtlich schnauben. 

 

„Du solltest deine Shinobi motivieren, keine billigen Witze über ernste Szenarien reißen.“, tadelte Kitori. Sie stand Shikamaru gegenüber, mit einem großen Shinobi an ihrer Seite, der honigfarbene Haut hatte und ein Bandana trug. 

 

„Shikamaru? Motivieren?“ Naruto kicherte. „Na klar.“

 

„Siehst du.“, sagte Kitori und nickte mit dem Kopf in Richtung des Uzumaki. „Du hast ja nicht einmal ihren Respekt.“

 

Shikamaru warf ihr einen gelangweilten Blick zu, der den Tsubasa Mann an ihrer Seite dazu brachte, sich wie ein Wachhund aufzuplustern. 

 

Zum Glück war Neji nicht gezwungen einzuschreiten. 

 

Shikamaru fand die Luke und schob Grassoden und Unterholz beiseite. Er ließ sich auf ein Knie sinken, packte feste das gewölbte Rad, stemmte einen Fuß in den Boden und drehte seinen Körper scharf, als er daran zog.

 

Ein paar Sekunden verstrichen. 

 

Dann ein paar mehr…

 

Das Konoha Team tauschte Blicke aus. 

 

„Uh, Shikamaru?“, fragte Naruto.

 

Shikamaru blinzelte und erstarrte mitten in der Drehung. „Jo…ich glaube, es klemmt.“
 

Neji runzelte die Stirn. „Zieh fester daran.“

 

„Sag bloß, Hyūga.“, murrte Shikamaru. 

 

„Ich glaube, er hat sich eher einen Muskel gezerrt.“, grinste Kiba. 

 

„Eh?“ Naruto lehnte sich nach vorn, um besser sehen zu können. „Mann, Shikamaru, jetzt zieh schon richtig doll.“

 

„Was zur Hölle glaubst du eigentlich, was ich hier mache?“, fauchte der Nara. 

 

„Nicht viel.“, lachte Kiba. 

 

„Bitte, nach dir.“, grollte Shikamaru, richtete sich auf und strich sich die Erde von den Händen.

 

Lee, Naruto und Kiba stürzten sich gleichzeitig auf das Rad und kletterten übereinander, um es als Erster zu öffnen. Neji kam anmutig zu Shikamaru hinüber geschritten und lächelte leicht angesichts der verärgerten Miene des Schattenninjas. Er konnte einfach nicht anders, als sich mit einem Feixen etwas näher zu lehnen.

 

„Schon wieder von einer Tür besiegt, Nara?“, murmelte der Hyūga leise genug, dass ihn die anderen nicht hören konnten. „Das ist ja langsam schon mehr als nur tragisch.“

 

Shikamarus Braue wanderte nach oben. „Achja? Vielleicht öffnet sich die Luke ja, wenn du deine Ninja Kunst ‚Hyūga Kopfnuss‘ anwendest.“

 

Das funkelnde Amüsement in den Augen des Nara ließ Neji schmunzeln, doch er unterbrach ihren Blickkontakt und ihr spielerisches Wortgefecht, bevor sie die Aufmerksamkeit der anderen auf sich zogen. Aus den Augenwinkeln spähte er zu Sakura hinüber, die das Gehabe der drei energiegeladenen Ninjas mit durch und durch unbeeindruckter Miene beobachtete. 

 

Neji schüttelte den Kopf. „Sakura, denkst du, du kannst es aushöhlen?“

 

Die Kunoichi rollte mit den Augen. „Wenn ich nah genug ran komme.“

 

Wie aufs Stichwort, schubste Naruto Lee aus dem Weg, während zwei seiner Klone bereits an dem widerspenstigen Rad zerrten und drehten. Ohne Erfolg. Neji sah wieder zu Shikamaru, der ihn mit einem ‚Ich-habe-es-dir-gesagt-also-gönn-mir-`ne-Pause‘ Ausdruck bedachte. 

 

Doch Kitori unterbrach sie. 

 

„Vermutlich ist es durch eins ihrer Siegel geschützt. Gestattet meinem Shinobi, es zu lösen.“ Die Kunoichi vollführte eine scharfe Handbewegung und sprach ein einziges Wort, von dem Neji ausging, dass es sich um den Namen ‚ihres Shinobis‘ handelte. „Hato!“

 

Der Bandana tragende Mann trat nach vorn, sein großer drahtiger Körper ernst und gehorsam. Neji konnte sich nicht davon abhalten, einen kurzen Blick mit Shikamaru auszutauschen, bevor sie gemeinsam zur Seite wichen. 

 

„Naruto, mach mal Platz.“, wies Neji den Uzumaki an.

 

„Was? Braucht man ein Zauberwort oder sowas?“ Naruto runzelte die Stirn und sprang zurück, während seine Klone verpufften. 

 

Hato wandte sich der Klappe zu und kniete sich hin, bevor er eine Hand ausstreckte, sie kurz über der Luke schweben ließ und dann ein paar rasche Handzeichen formte, während er leise vor sich hin murmelte. Die Klappe gab ein seltsames Knarzen von sich, als würde Metall reißen. Kurz darauf stand Hato auf, rieb sich mit einem Grunzen die Stirn und bedeutete Naruto, weiter zu machen. Nachdem Hinata überprüft hatte, dass während des Lösens des Siegels keine Fallen aktiviert worden waren, packte Naruto zu und zog. 

 

Das Rad gab mit einem Drehen nach, sodass man die Klappe öffnen konnte. 

 

„Yeah!“ Naruto grinste. 

 

Folgsam kehrte der Tsubasa Ninja zu Kitori zurück, als sie ruckartig mit der Hand gestikulierte. 

 

Neji neigte den Kopf. „Danke.“

 

Hato sah aufgrund der Dankbarkeit perplex aus und schritt wortlos an ihm vorbei. 

 

Shikamaru schnaubte. „Vielleicht versteht er, was du meinst, wenn du ihm einen Keks gibst.“

 

„Um Kamis willen Nara.“, seufzte Neji. „Was ist das nur mit dir und den Leuten hier?“

 

„Was auch immer, lass uns diesen Mist endlich hinter uns bringen.“, antwortete Shikamaru leise und schritt zu der Luke hinüber.

 

Neji sah dem Schattenninja nach und ein Flackern von Verwirrung huschte über seine sonst so gelassenen Züge. Es passte nicht zu Shikamaru, dass er sich unnötig streitlustig oder beständig höhnisch gegenüber Leuten benahm, die nicht wirklich etwas getan hatten, um ihn zu provozieren. Normalerweise benahm er sich während Missionen und gegenüber Menschen stets besonnen, selbst wenn sie ein Ärgernis oder eine Bedrohung waren. Doch aus irgendeinem Grund fand er an diesen Leuten irgendetwas irritierend und schnappte immer wieder hinter einer Fassade aus trägem Sarkasmus nach Kitori. Doch Neji bemerkte den Biss in seinen Worten und Augen. 

 

Er schlägt um sich…auf seine eigene Weise…

 

Und es brauchte nicht viel, um zu vermuten, warum er das tat. Nejis Gesichtszüge wurde etwas weicher und gaben einen Hauch dessen preis, was unter der Oberfläche der Maske lag, die er wieder vor sein Gesicht zog. 

 

Ich kann nicht auf deine Besorgnis eingehen, Nara…ich werde diese Mission beenden…und du wirst mich nicht aufhalten.

 

Nichts würde ihn aufhalten, schwor er sich stumm. Nicht Shikamaru und auch nicht die Komplikationen mit seiner Gesundheit, die er beheben würde, sobald sie wieder zuhause wären. Er hatte bereits zuvor mit Kidōmaru am Abgrund des Todes gekämpft – und er hatte gewonnen. Er brauchte diese Mission. Aus mehr Gründen, als er zugeben wollte. Und so ließ er sich zurück auf den unkompliziertesten Beweggrund fallen. 

 

Anweisungen der Hokage.

 

„Chakra Pillen.“, sagte Shikamaru. 

 

Neji blinzelte und spähte zu dem Nara hinüber. „Was?“
 

Shikamaru warf einen Beutel in die Luft und fing ihn mit derselben Hand wieder auf, bevor er ihn zur Verdeutlichung hin und her schwang. „Sie haben ihre Chakra Pillen beschützt.“

 

„Sogar mit Gewalt.“, bemerkte Neji und sein Verstand glitt zurück zu distanzierter Analyse. „Sie scheinen langsam zu verzweifeln.“

 

„Es war nur eine Frage der Zeit, bevor ihre Reserven erschöpft sein würden.“, ergriff Kitori das Wort und strich mit einem Finger über den Flügel eines kleinen Vogels, der auf ihrer Schulter saß. 

 

Naruto verzog das Gesicht, als Kiba ihn giggelnd mit dem Ellbogen anstieß. Sofort brachte Sakura die beiden mit einem finsteren Blick zum Schweigen, bevor Neji dazu kam; anschließend wanderten ihre grünen Augen zuerst zu Kitori und dann zu Shikamaru. 

 

„Also, wenn sie diese Pillen nicht einnehmen, dann werden sie auch nicht in der Lage sein, diese Barrieren lange aufrecht zu erhalten, oder das verbotene Jutsu anzuwenden, oder?“, fragte Sakura. 

 

„Es wird sie mit Sicherheit unter Druck setzen.“ Kitori nickte. 

 

„Wenn wir Glück haben.“, erwiderte Shikamaru und reichte den Beutel an Chōji weiter, der ihn verstaute. „Wir wissen nicht, wie viele von diesen Lagerplätzen sie haben.“

 

„Wenn Hibari diesen Ort selbst bewacht hat, dann lässt das auf Dringlichkeit schließen.“ Kitoris Miene verfinsterte sich. „Wenn sie sich bereits mobilisieren, dann werden sie entweder unser Aviarium angreifen oder sie versuchen, aus Hanegakure zu entkommen.“

 

„Hibari erscheint mir nicht als jemand, der einfach so klein bei gibt.“ Shikamaru legte die Stirn in Falten. 

 

Kitori sah schmerzhaft berührt aus, doch sie nickte. „Stimmt. Aber an diesem Punkt und ohne ihre Chakra Pillen werden sie verzweifelt sein.“

 

„Also läuft es entweder auf Kampf oder Flucht hinaus.“, schnaubte Kiba. 

 

Neji brummte und dachte rasch nach, während er unbewusst mit der linken Schulter rollte, um den irritierenden dumpfen Schmerz zu bekämpfen, der sich auf dieser Seite seiner Brust ausbreitete. „Ich schlage vor, dass wir ihnen in dieser Sache gar nicht erst ein Mitspracherecht einräumen. Es wird Zeit, dass wir den Kampf zu ihnen bringen.“

 

„Daher auch die Notwendigkeit einer Verstärkung.“ Shikamarus Züge wurden düster und Neji spürte, wie die Augen des Schattenninjas zu seiner linken Schulter wanderten. 

 

Sofort wandte sich der Hyūga ab, um davon zu laufen. „Wir arbeiten mit dem, was wir haben, Nara. Kiba, mach diese Insekten bereit. Lasst uns aufbrechen.“

 
 

oOo
 

 
 

Eine Stunde, nachdem sie ihre Suche begonnen hatten, klarte der Himmel auf und Sonnenlicht nahm der Kälte den Biss. 

 

Zwei Stunden, nachdem sie ihre Suche begonnen hatten, teilte sich der Pfad; abrupt und ohne jede Vorwarnung. 

 

Sie waren beiden Wegen in einer raschen Suche gefolgt und zuerst nach Norden gegangen, bevor sie sich der östlichen Richtung des Waldes zugewandt hatten; ihre Byakugan Radare prüften ununterbrochen die Umgebung. Sie hatten sich als Einheit und vollkommen in der Formation bewegt, die Shikamaru von ihnen erwartet hatte. Ausgenommen von Kitori und Hato, die ein paar Schritte hinter ihnen blieben und schweigend folgten, außer um zu klarifizieren, wie weit sie von den Grenzsteinen entfernt waren. 

 

Kiba hatte das Team nahe eines Flusses anhalten lassen, der während des Sturms auf die doppelte Breite angeschwollen war und in einem Rauschen dahin gurgelte, das Blätter und Matsch an die Oberfläche wirbelte. 

 

„Welchen Weg?“, fragte Kiba und blickte in die eine Richtung, während Akamaru in die andere stierte; beide nahmen unterschiedliche Gerüche auf. „Der Schwert Typ ist nach rechts gegangen und wen auch immer Shikamaru mit den Käfern präpariert hat, ist nach links und stromabwärts verschwunden.“

 

Nejis Augen verengten sich leicht. Eine Aufteilung des Teams war zu diesem Punkt unvermeidlich – und es war nicht ohne Vorteil. 

 

Vielleicht.

 

Kitori trat an seine Seite. „Wenn Hibari nach rechts gegangen ist, dann ist er auf dem Weg zurück zum Dorf.“

 

Neji sah sie an, dann spähte er zu Shikamaru hinüber. Der Nara unterhielt sich mit Sakura. Ein Zögern hielt Neji nur für wenige Sekunden auf. Er trat ein paar Schritte von dem Team weg und bedeutete Kitori, ihm zu folgen. Die Frau begleitete ihn ein Stück den Fluss hinab. 

 

„Was gibt es, Hyūga?“

 

„Kann Hibari abgefangen werden, bevor er das Dorf erreicht?“, fragte Neji und warf einen kurzen Blick zu Shikamaru, um sicher zu gehen, dass der Schattenninja sie nicht beobachtete. 

 

Kitori nickte. „Ja.“

 

„Wie lange wird es dauern, um ihm den Weg abzuschneiden?“

 

Kitori zog das Kinn zurück und musterte ihn mit offensichtlichem Argwohn, doch sie antwortete trotzdem. „Wenn wir innerhalb der nächsten fünf Minuten einen diagonalen Weg einschlagen, dann schneiden wir seinen Pfad in etwa dreißig Minuten, vorausgesetzt, er bleibt über der Oberfläche; was er aber tun muss, wenn er sich so schnell bewegt.“

 

Dreißig Minuten.

 

Neji wandte den Blick ab und suchte das Wasser ab, das ebenso schnell an ihm vorbei strömte, wie sich seine Gedanken bewegten; und ebenso vernebelt wie der schlammige Fluss. Er schüttelte den Kopf und blinzelte gegen die Vision von dunklen Augen an, die sich direkt durch seinen Verstand schnitten und ihn dazu zwangen, sich dem zu stellen, an was er nicht denken wollte. 

 

‚Lass es los.‘

 

Nein.

 

Und so zwang er sich dazu, Kitori anzusehen, in Augen zu blicken, die nicht braun und brennend und voll von etwas waren, das ihn bis in seine Knochen erschütterte. 

 

Diese Augen waren grau und kühl und bitter…erschöpft und des Lebens müde.

 

Heimgesucht. 

 

Etwas zog sich schmerzhaft durch seine Brust. 

 

Ich werde die Dinge richtig stellen.

 

Nejis Lippen bogen sich leicht. „Es ist Zeit, dass ich mein Versprechen an dich einlöse, Kitori.“

 

Die Tsubasa Frau blinzelte langsam und schüttelte den Kopf. „Du schuldest mir nichts. Ich bin es leid, zornig über etwas zu sein, das keiner von uns hätte kontrollieren oder verhindern können.“

 

„Ich werde mein Wort dennoch halten.“

 

Kitori lächelte schwach und spähte in die Richtung, die Hibari eingeschlagen hatte. „Ich frage mich, ob ich ihn hätte ändern können. Vermutlich nicht. Wer hätte gedacht, dass das Schicksal derart grausam ist?“

 

Neji schüttelte den Kopf; ein Verständnis besitzend, von dem er sich wünschte, dass er es nicht hätte. „Ich werde ihn aufhalten. Und ich werde dich wissen lassen, wenn es getan ist.“

 

Kitori schloss die Augen und umklammerte den geflügelten Anhänger um ihren Hals, als sie nickte; sie presste fest die Lippen aufeinander. Eine einzelne Träne entkam dem Gitter ihrer Wimpern, aber sie wischte sie hastig beiseite. 

 

„Danke.“, sagte sie gepresst, als wäre ihr dieses Wort fremd. 

 

Neji konnte es ihr nicht wirklich verübeln, gemessen daran, was sie hatte werden müssen, um zu überleben. Er konnte es auf einer fundamentalen Ebene nachvollziehen; eine, die es ihm erlaubte, sich selbst davon abzuhalten, in diesem Moment zu Shikamaru hinüber zu sehen…nur für den Fall, dass das Bedürfnis danach, zu überleben, dem Bedürfnis nach etwas anderem Platz machte. 

 

„Unsere Wege trennen sich hier, Kitori.“, informierte Neji sie. „Ich bitte dich nur, mit Shikamaru zu kooperieren.“

 

Die Kunoichi sah ihn an und ihr Ton war leicht. „Oh, ich bin mir sicher, dass er mich tolerieren wird…zumindest für dich.“

 

Neji blinzelte. „Wie bitte?“

 

Die Tsubasa Frau schmunzelte schwach; ein kleines, wissendes Lächeln, das Neji nervös machte. 

 

„Ich mag ja vielleicht kein Dōjutsu besitzen, Hyūga.“, sagte sie leichthin, beinahe amüsiert. „Aber manche Dinge erscheinen mir kristallklar, wenn ich sie sehe.“

 

Nejis Schultern versteiften sich ein wenig defensiv, auch wenn er seine Stimme ebenso neutral hielt wie sein Gesicht. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, auf was du anspielst.“

 

„Oh, ich glaube, du verstehst mich ganz hervorragend.“, konterte Kitori und lächelte etwas breiter.

 

Neji musterte sie schweigend; nicht sicher, ob er einen widerwilligen Respekt für ihre Scharfsinnigkeit verspürte, oder aber eine wachsende Angst wegen seiner Transparenz – und was sie bedeutete. 

 

„Ich glaube, du missverstehst da etwas.“, war seine letztendliche Antwort, denn ansonsten würde nichts Sinn machen, außer davon zu laufen – sehr schnell. 

 

Kitoris Lippen verzogen sich erneut und ein seltener Hauch von Licht schlich sich in ihre grauen Augen, bevor sie mit den Schultern zuckte und ihre vorherige ausdruckslose Miene aufsetzte. Neji war noch nie zuvor so dankbar dafür, dass ein Thema so schnell fallen gelassen wurde. 

 

„Hato wird dir die schnellste Route zeigen.“, sagte Kitori und gestikulierte zu ihrem stillen und stoischen Shinobi hinüber. „Er wird tun, was du sagst. Sag ihm einfach, wen er beschützen soll.“

 

Neji nickte und spähte zu Hato. Und auf einmal konnte er den grimmigen Sinn in Shikamarus Analogie mit dem Wachhund erkennen. Aber auf der anderen Seite war es auch nicht so, dass er es nicht verstand, immerhin wurde er selbst auch als solches definiert; als Beschützer der Hauptfamilie…Gefangener…

 

Konzentrier dich…

 

Neji blinzelte und lenkte seine Aufmerksamkeit um.

 

Und dabei präsentierte sich ein weiteres Problem. 

 

Zeit, dass sich die Wege trennen…

 

Er linste über Kitoris Schulter und zu Shikamaru. Aufmerksam sah er zu, wie der Schattenninja am Ufer des Flusses hockte, die Hände in seiner typischen nachdenklichen Pose aneinander gelegt und mit geschlossenen Augen. 

 

Shikamaru befand sich bereits in seinem strategischen Modus. 

 

Neji verzog innerlich das Gesicht. 

 

Den Nara in dieser Sache zu manipulieren, würde nicht einfach werden. 
 

Und ihm blieben weniger als fünf Minuten, um das zu bewerkstelligen.

 
 

xXx
 

 
 

Zwei Minuten später verkrampfte sich Nejis Kiefer angesichts des langsamen, minimalen Hebens von Shikamarus Augenbraue. 

 

Es war kein Ausdruck, den man unterschätzen sollte; besonders, wenn sich diese Augen um die Winkel herum noch mehr verschärft hatten. Die tief braunen Iriden brannten wie Zunder. Für das untrainierte Auge wirkte es, als wäre Shikamaru ein wenig angespannt.

 

Doch Neji konnte ihn deutlicher lesen. 

 

Er war mehr als nur ein bisschen angepisst. 

 

Die Braue des Nara blieb erhoben und sein Kiefer zuckte. 

 

Der Rest des Konoha Teams verharrte in der Nähe und schenkte ihnen nicht annähernd so viel Aufmerksamkeit wie Kitori, die sie über die Kampftechniken der Rebellen informierte. Nur Akamaru schien nervös zu sein, seinen Kopf hatte er auf eine Seite gelegt, während er winselte und die Spannung zwischen den beiden Co-Anführern der Konoha Shinobis bemerkte.

 

Neji blieb unbeirrt. 

 

Jede Hoffnung, Shikamaru zu manipulieren war der Entscheidung gewichen, statt des Verstandes den Charakter des Schattenninjas gegen ihn zu verwenden. Und offensichtlich funktionierte es. Neji bezweifelte jedoch, dass es geklappt hätte, wenn sie mehr Zeit gehabt hätten. Doch Shikamarus Besorgnis über seine Gesundheit schien auch mit der Entscheidung des Schattenninjas einherzugehen, niemand anderen von Nejis Zustand wissen zu lassen. 

 

Wenn du meine Würde verteidigen willst, dann werde ich dich das tun lassen. 

 

Immerhin war Shikamaru bisher jedes Mal eingeschritten, um die Ausrutscher des Hyūga zu verschleiern. Aber diesmal sah Neji diese Tatsache nicht als demütigend oder interferierend an, sondern als den schnellsten Weg, das zu erreichen, was nötig war.

 

Lass mich gehen.

 

Shikamarus Miene war inzwischen sehr finster und er rang eindeutig mit dem Risiko, die Situation nach außen dringen und das Team infizieren zu lassen; wofür dem Schattenninja nur noch circa fünf Sekunden blieben, bevor Kiba involviert werden würde. Akamaru winselte. 

 

„Du wirst sie mit dir nehmen.“, sagte Shikamaru. 

 

Neji hob das Kinn, hielt die Erleichterung aber aus seinem Gesicht fern. „Wen?“

 

Shikamaru blinzelte nicht. „Du wirst Sakura, Naruto und Hinata mit dir nehmen.“

 

Neji spähte zu den erwähnten Shinobi hinüber und begegnete dann Shikamarus Rasiermesser scharfen Blick. „Hinata sollte bei dir bleiben.“

 

Shikamaru ließ sich nicht einmal zu einer Antwort herab, sondern starrte ihn nur unnachgiebig an und fuhr ihm mit der harten Kante seines Blickes in die Parade. Es war geradezu lächerlich, was diese Augen zu tun vermochten; was umso ironischer war, wenn man bedachte, wie viel Aufmerksamkeit seinem eigenen Byakugan geschenkt wurde. 

 

Neji starrte zurück, das Gesicht ruhig und gefasst. „Dann wäre das geklärt, du kannst mich über den Transmitter erreichen.“

 

„Dich erreichen?“, echote Shikamaru und seine gesamten Gesichtszüge glätteten sich. „Bist du dir sicher, dass du mich hören wirst?“

 

Die Bedeutung dieser Worte entging Neji nicht, genauso wenig wie der Tonfall, in dem sie gesprochen wurden. Er atmete langsam aus und versuchte, die Spannung zwischen ihnen zu lösen. 

 

„Die Mission, Nara.“, war alles, was er als Antwort anbot. 

 

Shikamaru blinzelte langsam und wandte den Blick ab. „Du wirst sie mit dir nehmen.“

 

Nejis Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. Es war wohl der einzige Kompromiss, den er bekommen würde. Was im Moment aber deutlich mehr war, als er erwartet hatte; er hätte es auf keinen Fall zugelassen, dass Shikamaru ihn aufhielt, aber er würde die Gelegenheit zu verhandeln immer einem Streit vorziehen. 

 

Es wird ausreichen müssen. Ich werde diese Gelegenheit sicher nicht verstreichen lassen, auch nicht mit diesen Interferenzen.

 

Neji hatte zwar was er wollte, doch auf Umwegen hatte Shikamaru wieder einmal gewonnen. 

 

Naruto, Hinata und Sakura.

 

Der Hyūga wusste sehr gut, dass er auf beschützende Weise eingeklemmt wurde und zwar von einer hyperaktiven, aber durchaus machtvollen Waffe, einer Medizinerin in ständiger Bereitschaft und einem zusätzlichen Chakraradar und Nahkämpfer. 

 

Wenn du so spielen willst.

 

„Na schön.“

 

„Ich meine es ernst.“

 

„Ich habe dich gehört.“ Neji legte den Kopf schief; wollte auf einmal den Blick aus diesen dunklen Augen einfangen.

 

Doch Shikamaru wich ihm aus, braune Augen zur Seite gewandt. Diese Weigerung, ihn anzusehen, hätte ihm in keiner Weise einen Stich versetzen sollen, doch Neji hatte aufgegeben, die Logik in dem suchen zu wollen, was auch immer er von Shikamaru wollte, bevor sich ihre Wege trennen mussten.

 

„Ich höre dich immer noch, Shikamaru.“

 

„Nein, das tust du nicht.“, murmelte der Schattenninja und seine Augen verengten sich, als er endlich aufblickte. „Noch nicht.“

 

Neji war überrascht, als er feststellte, dass diese dunklen Iriden nicht länger zornig waren. Doch er hatte keine Zeit, um zu versuchen herauszufinden, was in ihnen geschrieben stand, als sie ihn ansahen, denn das Team begann sich bereits zu mobilisieren. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass Shikamaru den anderen ohne ein Wort bedeutet hatte, sich in Bewegung zu setzen. Der Hyūga war viel zu sehr auf die stumme Kommunikation zwischen ihnen fokussiert. Er löste etwas von dem Stahl, der sein Gesicht verhärtet hatte und seine Augen wurden weich, ohne dass es ihm bewusst war. 

 

Doch Shikamaru musste es bemerkt haben, denn der Schattenninja schluckte, wandte den Blick ab und schüttelte den Kopf. „Bring mich nicht dazu, dir nachzujagen.“

 

Die vertrauten Worte waren kein Segen, doch es lag Verständnis in ihrer Wiederholung. 

 

Das wirst du nicht müssen.

 

Und diesmal war es Neji, der davon lief. 

 

Ich werde nicht verlieren.

 
 

oOo
 

 
 

Das Wasser raste in dunklen, schlammigen Strömen vorbei und sprudelte über Zweige und Steine, die der Sturm hinein geschleudert hatte. Was einst ein Bach gewesen war, hatte sich in einen reißenden Fluss verwandelt und das Team folgte ihm, als wäre es ebenfalls von der Strömung erfasst worden.

 

Wir sind schon viel zu lange unterwegs.

 

Shikamaru seufzte und warf keinen Blick zur Seite auf Kitori, als sie ihm fragend den Kopf zudrehte. Sie hielt sich hartnäckig an seiner Seite, ihr kupferrotes Haar peitschte hinter ihr her, während sie rannten. Er fragte sich, ob sie nicht versuchte, ihm damit ein Auge auszuschlagen, doch durch seine Erfahrungen mit Ino waren seine Reflexe erstklassig. 

 

„Was?“, fragte er letztendlich, da er spürte, wie ihre grauen Augen in musterten. 

 

„Du denkst, dass ich euren Hyūga dazu gedrängt habe, meinen Sohn zu verfolgen.“

 

Nein. Neji hat sich selbst dazu getrieben…weil ihn deine beschissenen Angelegenheiten mehr kümmert als mich…

 

Shikamaru grinste bitter und vielleicht hätte er sogar geschnaubt, wenn er nicht so müde gewesen wäre. „Sagst du mir das, oder fragst du mich?“

 

„Er hat es auf eigenen Wunsch getan.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und bedachte sie mit einem undeutbaren Blick. „Es ist unsere Mission.“

 

„Und es war auch die meine.“, erwiderte Kitori und ihre Brauen zogen sich zusammen, bevor sie den Kopf abwandte. „Aber manche Dinge werden immer etwas Persönliches bleiben.“

 

Das brachte Shikamaru zum Zögern, doch Kiba ersparte ihm die Peinlichkeit, an diesen Worten ohne eine Antwort hängen zu bleiben. 

 

„Hey Shikamaru! Ich frage mich irgendwie, ob diese Kerle kein Floß oder sowas benutzen!“, rief Kiba über die Schulter und schnupperte in die Luft. „Die Käfer scheinen nur dem Wasser zu folgen! Oder Kumpel?“

 

Akamaru bellte. 

 

Shikamarus schaltete mentale Gänge in andere Richtungen und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Akamaru, während der Hund bellend an dem gurgelnden Ufer entlang sprang. 

 

Auf keinen Fall haben sie ein Floß benutzt. Würde sie viel zu offen für Angriffe lassen. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und beobachtete den Ninken.

 

Der Bach ihm Wald hat ursprünglich ihre Spuren verwischt…dementsprechend macht es durchaus Sinn, dass sie ihn benutzt haben…aber warum sollten sie weiterhin das Wasser nutzen, wenn es sich in einen gottverdammten Fluss verwandelt hat? Es lässt sie einfach viel zu offen zurück…
 

„Shikamaru?“, fragte Chōji und rannte ein paar Schritte hinter ihm neben Lee her. 

 

Doch Shikamaru hörte ihm nicht zu, seine Augen zuckten von dem Hund zum Fluss und folgte der Strömung. Und je länger er das schlammige Wirbeln des Wassers beobachtete, desto mehr Möglichkeiten begann sein Verstand auszuspucken, zu sortieren und auszusuchen. 

 

Die Käfer verfolgen die Spur immer noch…was bedeutet, dass sie sich noch immer auf dem Fluss befinden…

 

Shikamarus Augen scannten die mäandernde und wogende Strömung. 

 

Sie benutzen kein Floß…

 

Das Wasser wurde aufgewühlt und gurgelte, Wellen bogen sich über und um Holztrümmer. 

 

Und bei diesem Chaos waten sie auch nicht durch das Wasser…sie hätten es nie so schnell so weit geschafft, wenn sie das machen würden…also wie haben sie…?

 

Ein riesiger Holzklotz schwamm vorbei, voran gezogen durch die Kraft der Strömung.

 

Fuck…

 

Shikamaru blieb so abrupt stehen, dass Lee beinahe in ihn gekracht wäre. 

 

„Scheiße…“, hauchte er und seine Augen weiteten sich, während sein Herzschlag zu rasen begann.

 

Der Rest des Teams hielt wie auf Kommando an. 

 

Er spürte Chōjis Hand auf der Schulter. „Shikamaru?“

 

Doch dem Akimichi blieb keine Zeit zu fragen, was los war, bevor Shikamaru auf dem Absatz herum wirbelte und zurück in die Richtung spurtete, aus der sie gekommen waren. Seine Fingerspitzen flogen zu seinem Transmitter, damit er nicht über die Schulter brüllen musste. 

 

„Kiba! Nimm Nejis Fährte auf! Jetzt sofort!“

 

Der Nara musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Kitori schon wieder neben ihm her rannte und Lee und Chōji seiner Führung folgten. 

 

Scheiße. Scheiße. Scheiße.

 

„Was ist los?“, rief Kitori.

 

„Wir gehen zurück.“, sagte Chōji und stellte Shikamarus Entscheidung nicht für eine einzige Sekunde infrage. 

 

Der Nara wäre dankbar dafür gewesen, wenn er in seinem Kopf nicht bereits Kilometer voraus rannte; seine Füßen waren kaum in der Lage, dabei mitzuhalten. 

 

Scheiße. So dumm…wie konnte ich es übersehen…

 

„Ich habe keine Zeit, zurück zu gehen!“ Die Miene der Kunoichi verfinsterte sich. „Ich habe Befehle, Hato nach Abschluss dieser Phase am Aviarium zu treffen; mit einem Beweis, dass die Rebellen eliminiert wurden!“

 

„Beweis?“, fragte Lee und sprang hinter ihnen her. 

 

„Tot oder lebendig.“, klarifizierte Kitori. „Vorzugsweise Ersteres.“

 

„Dann folge weiter dem gottverdammten Fluss!“, schnappte Shikamaru ungehalten; Adrenalin jagte in Wellen durch ihn. „Denn für die letzten dreißig Minuten, sind wir ihren Leichen hinterher gerannt.“

 
 

oOo
 

 
 

Der Schmerz zog sich in Wellen durch ihn. Dumpfe, irritierende Wellen, die Nejis Arm hinauf und hinunter wogten und gelegentlich stark genug pulsierten, dass er seine Finger dagegen krümmte und ausstreckte. Neuerliche Stiche zogen seine Brust zusammen. 

 

Konzentrier dich.

 

Er nahm beständige Atemzüge und fokussierte sich darauf, mit Hato und dem Rest der Gruppe Schritt zu halten. Vorausgesetzt, dass er kein Chakra jenseits der Sanften Faust einsetzen würde, wäre alles in Ordnung. 

 

Gut. Es geht mir gut.

 

Mit dieser Bestimmtheit in seinem Hirn verankert, wandte sich Neji wieder seiner Aufgabe zu. 

 

Und gerade scannte er den Untergrund, als es passierte. 

 

Ein Zweig zerbrach über ihm und ein paar Schritte vor Sakura. 

 

„Sakura!“, rief der Hyūga.

 

Doch bevor sie sich umdrehen konnte, stürzte Hato in einem Schauer aus Blättern und gesplittertem Holz nach unten. Der Tsubasa Shinobi hätte sie beinahe mit sich gerissen, als er zusammenbrach, doch innerhalb einer Sekunde schlang sich Nejis Arm um ihre Taille und zerrte sie von dem erschlafften Körper zurück, als er vorbei rauschte und mit einem hässlichen Knacken auf dem Boden aufschlug. 

 

„Hato!“, brüllte Naruto und riss seine blauen Augen weit auf, als er nach unten und dem Mann hinterher sprang.

 

„Naruto, warte!“, befahl Neji; jedoch ohne Erfolg. „Verdammt!“

 

Rasch überprüfte er die Umgebung und vertraute den Rest Hinata an, während er sich zusammen mit Sakura auf Bodenlevel begab; mit einem Wirbel aus weißem und schwarzem Stoff landete er neben Hato. Seine blassen Augen wanderten über den schlaffen Körper. Es war nichts weiter als ein zerknitterter Haufen. Naruto rollte den Mann auf den Rücken und versuchte, ihn wachzurütteln. 

 

Zu spät.

 

„Naruto.“, sagte Neji leise und trat einen Schritt näher, um in die Hocke zu gehen und das Chakranetzwerk des Mannes zu prüfen. 

 

Tot.

 

Die Stirn des Hyūga zog sich zusammen und ein Schatten von Bedauern huschte durch seine Augen, als sie verwirrt über den toten Mann glitten. Er war einfach so aus der Luft gefallen. 

 

„Sakura!“, schrie Naruto und sah mit wildem Blick auf. „Kannst du…?“

 

Die Kunoichi schüttelte traurig den Kopf. 

 

„Er ist fort, Naruto.“, murmelte Neji und strich mit den Fingern über Hatos leblose Augen, um sie zu schließen. „Es hat keinen Sinn.“

 

Er hörte Naruto brüllen. 

 

Nejis Hand schnellte nach oben. 

 

Seine Finger legten sich eisern um das Handgelenk des Uzumaki, als der Blondschopf Anstalten machte, ihn zu packen.

 

Warnend drückte er ein einziges Mal zu. 

 

„Tz!“ Narutos Miene war mörderisch, bevor er seine Hand zurückriss und sie an seiner Seite zu einer verkrampften Faust ballte. Seine Stimme war ein tiefes Grollen. „Was zur Hölle ist passiert, Neji?“

 

Bereits nach Antworten suchend, scannte Neji den Mann noch einmal, ehe er seinen Blick auf das Bandana richtete, das um Hatos Kopf gewickelt war. Aus irgendeiner seltsamen Ahnung heraus, erinnerte er sich daran, dass der Tsubasa sich vorhin bei der Luke den Kopf gerieben hatte. Stirnrunzelnd streckte Neji eine Hand aus, um den grauen Stoff beiseite zu ziehen. 

 

An der rechten Seite der Stirn des Mannes war ein Siegel angebracht. Roh und rot. 

 

Frisch.

 

Ein zeitgesteuertes Siegel mit Rückzündung; etwas, das er schon einmal gesehen hatte. Etwas, von dem er gehofft hatte, es nie wieder sehen zu müssen, aufgrund der Tatsache, dass dieses Ding vollkommen ohne Vorwarnung losging. 

 

„W-was ist das?“, fragte Hinata leise und trat hinter Naruto. 

 

„Es wird aktiviert, wenn ein Shinobi ein Verschlusssiegel löst.“, erklärte Neji und fuhr die Markierung mit seinen Fingern nach, ohne die Haut zu berühren, auch wenn Hato den Schmerz nicht mehr fühlen konnte. „Es wird nur sehr selten benutzt.“

 

„Verschlusssiegel? Wie das Schloss vorhin an der Klappe?“ Narutos Augen weiteten sich und seine heisere Stimme wurden zu einem Knurren. „Warum?“

 

Neji seufzte. „Verschlusssiegel haben manchmal einen Defensivmechanismus. Wenn es also von jemandem gebrochen wird, der nicht derjenige war, der es angebracht hat, dann tötet die Rückzündung den Dieb oder Eindringling. Hier war die Rückzündung ein zeitgesteuertes Siegel, das zu irgendeinem willkürlichen Moment ausgelöst wird.“

 

„Nie im Leben…“, krächzte Naruto mit zerfetzter Stimme. „Das…hätte jedem von uns passieren können.“

 

Neji blinzelte und konzentrierte seine Byakugan Augen auf Hatos Kopf. Innerlich verzog er das Gesicht. Das Hirn des Mannes sah wie ein unförmiger Brei in seinem Schädel aus. 

 

Sakuras Stimme wurde sanft an sein Ohr getragen. „Hato hat sein Leben dafür gegeben.“

 

„Verdammt!“, fauchte Naruto und hämmerte seine Faust gegen den Boden. „Warum zur Hölle hat Kitori nichts davon gesagt?!“

 

„Vielleicht wusste sie es gar nicht…“, vermutete Sakura.

 

Oder vielleicht war sie auch einfach nur der Meinung, dass Hato seine Pflicht tut…

 

Nejis Miene verdüsterte sich, doch er erhob sich in einer scharfen Bewegung. „Wir können hier nicht bleiben.“

 

„Ich werde ihn ganz sicher nicht hier liegen lassen, um zu verrotten!“, grollte Naruto und seine blauen Augen blitzten auf. 

 

Neji wandte sich um; seine blassen Iriden nahmen eine Kälte an, die auch in seiner Stimme mitschwang. „Wir können nichts mehr für ihn tun. Und jetzt steh auf, Naruto!“

 

Und Naruto stand auf – in einer Bewegung die so wild und heftig war wie sein wogendes Chakra. Doch Neji war schneller und wirbelte mit einer anmutigen Drehung zur Seite, als Naruto auf ihn losging. Das Chakra des Uzumaki knisterte und versengte die Luft; Ranken davon schlugen um sich, als sich Neji zwischen den zornigen jungen Ninja und den leblosen Körper schob.

 

„Naruto-kun!“, wisperte Hinata mit weiten Augen und flehend. 

 

Naruto knurrte. „Dieser Mann hat sein Leben für uns gegeben und du willst seinen Körper einfach so hier liegen lassen wie ein Stück wertlosen Müll!“

 

Nejis Augen zuckten, die Venen an seinen Schläfen pochten. 

 

„Wenn du nicht mit jeder Sekunde, die wir hier verschwenden, noch mehr Leichen ansammeln willst, dann tust du genau das, was ich dir sage!“, erwiderte Neji. „Wir haben keine Zeit daf-!“ Mit einem Zucken brach er ab. 

 

Oh nein…

 

Naruto marschierte vorwärts, bewaffnet mit einer Beleidigung, die ihm mit einem Schwall Luft entrissen wurde, als Neji in ihn krachte und ihn zur Seite schubste. Um Haaresbreite entgingen sie der tödlichen Reichweite, als sich die riesige Klinge von Hibaris Schwert wie eine Haifischflosse durch den Boden grub und hinter ihnen das Erdreich aufriss. 

 

Die Chakra geladene Seite der Klinge traf Nejis Bein und erschütterte ihn. 

 

Sein Knie hätte nachgegeben, wenn Naruto ihn nicht abgefangen hätte. „Neji!“

 

„CHAAA!“ Sakuras Brüllen zerriss die Luft und es war die einzige Warnung, die sie ihnen gab, bevor ihre Faust donnernd auf dem Boden auftraf.

 

Der Schlag erschütterte die Erde in einem Beben, bevor sie aufbrach und explodierend Staub und Steine in alle Richtungen schleuderte. Neji und Naruto sprangen auseinander und wichen dem Schauer aus Dreck aus, indem sie sich in die Bäume retteten. Neji war kaum auf den Füßen gelandet, als er schon wieder gezwungen war, weiter zu springen, als eine Reihe von Kunai hinter ihm her gesirrt kam. 

 

Rasch wehrte er sie ab und die harte Kante seiner Hand schlug die Klingen in schnellen Bewegungen aus der Flugbahn. Er hörte Narutos Klone unter sich über den Waldboden trampeln, während er immer höher stieg und durch den Staub stierte. Seine begehrten Augen retteten ihn und gaben ihm genug Zeit, den Bewegungen der Shuriken zu folgen, als sie an ihm vorbei rasten und sich in das Holz des Baumes gruben, von dem er sich gerade abgestoßen hatte. 

 

Es war die nächste Salve, die ihn fluchen ließ. 

 

Tsubasa Sensen. 

 

Der Luftangriff schnitt mit einem Sirren durch den Dunst und gewährte ihm keinerlei Raum, um auszuweichen. 

 

Der Drang, sich in sein Defensivjutsu zu drehen war beinahe zu instinktiv, um ihn niederkämpfen zu können. 

 

Nein…

 

Neji wirbelte ein Kunai über die Knöchel und folgte dem Aufblitzen der Sensen. 

 

Denk nach!

 

Naruo stürzte sich zwischen ihn und die Waffen. „Neji!“

 

Sie schnitten sich direkt in den Uzumaki. 

 

Der Schattendoppelgänger zerplatzte mit einem lauten Poff.

 

Die Sekunden, die ihm dieses Manöver erkaufte, erlaubten es Neji, den Ast über sich zu packen und sich selbst in einem schwungvollen Bogen nach oben zu ziehen. Er landete in einer geduckten Haltung auf dem Ast, als sich die Klingen in den Stamm unter ihm sägten und ihn zerrissen. Neji fühlte, wie sein Magen eine Drehung zu vollführen schien, als der zersplitterte Baum ächzte und sich neigte, bevor er immer schneller zur Seite kippte. Rasch rannte er die Wand aus Holz entlang, während sie fiel und nutzte den nachhallenden Aufprall, um sich selbst noch höher abzustoßen. 

 

Verdammt!

 

Neji hob eine Hand an seinen Transmitter, hatte aber keine Zeit, seinen Befehl, sich neu zu sammeln, an das Team durchzugeben. Ein vertrauter Chakrapuls explodierte. Die Schockwelle donnerte durch den Staub, der immer noch in der Luft hing und nahm die Illusion eines wolkenhaften Tsunami an, der direkt auf ihn zurollte. 

 

Nejis Augen verengten sich; eine tödliche Ruhe packte seine Instinkte. 

 

Hab ich dich.

 

Er drehte sich mitten in der Luft und rammte sein Kunai in den Baum, stieß sich mit dem Fuß von dessen Griff ab und bog seinen Körper im Flug zu einem langgezogenen Rückwärtssalto. Er flog über die Chakrawelle hinweg, als sie mit einer Wucht in den Baum krachte, die Rinde und Zweige zerschmetterte. Er ließ seine Füße dem Schwung seines Rückwärtssprunges folgen und schwang seine Beine herum, bis er sich wieder in der Aufrechten befand und direkt hinter seinem Angreifer landete. 

 

„Hibari.“

 

Der rothaarige Mann hatte nicht einmal die Zeit, sich umzudrehen, bevor Nejis Fuß hart in seinem unteren Rücken aufschlug und ihn hinunter in die Ruinen des kollabierten Baumes katapultierte. Krachend traf er auf dem Boden auf und eine Woge aus Holzsplittern und Blättern explodierte durch den Aufprall. 

 

Neji landete in einer anmutigen Hocke und ein paar Meter entfernt, bevor er auf die Füße sprang und ohne inne zu halten hinüber schritt; trotz des schwachen Schmerzes in seiner Brust. Er ließ das Adrenalin das Ruder übernehmen und bewegte sich unbeirrt vorwärts – doch dann blieb er stehen, als er das gezackte Glimmen von Hibaris Schwert unter den Trümmern bemerkte. Er hechtete nach links, als die Klinge durch das Holz schnitt und das Wrack des Baumes aus dem Weg räumte. 

 

„Tz!“, zischte Hibari und tauchte schwankend aus dem Chaos auf; ein Schauer aus Staub und Splittern regnete auf ihn herab, als er sich umdrehte und erneut seine Klinge schwang. „Du gehörst mir, Hyūga!“

 

Neji sprang über den horizontalen Schnitt des Schwertes und rammte sein Knie in den Kiefer des Rotschopfs. Hibari wirbelte mit dem Momentum herum und stürzte zur Seite, um mit der Klinge nach oben zu schlitzen und Neji dazu zu zwingen, sich zurückzuziehen. 

 

Ein paar Schritte voneinander entfernt kamen sie zum Stillstand. 

 

Neji schob seine Handfläche nach oben und außen und nahm damit automatisch seine Kampfstellung ein. 

 

Hibari fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, spuckte Blut zur Seite weg und hustete rau, um seine Lungen von Staub zu befreien. 

 

Während sie sich entgegenstellten, hörte Neji den Kampflärm jenseits des Dunstes; das Geräusch wispernder und heulender Shuriken und das Dröhnen von Narutos Stimme. Das blendende Aufflammen des Rasengan erhellte den Wald. Neji ließ sich einen Moment Zeit, um in die Umlaufbahn seiner Byakugan Sicht einzutauchen. Ein kurzer prüfender Blick versicherte ihm, dass seine Teamkameraden trotz des Kampfes halbwegs sicher zu sein schienen. 

 

„Du denkst, du kannst mit diesen Augen alles sehen.“, sagte Hibari, seine Stimme leise und mit demselben Gift getränkt wie seine grauen Iriden. „Und dennoch bist du genau wie der Rest von ihnen. Blind!“

 

Neji zog seinen Daumen an den Zeigefinger, der Ballen seiner Handfläche drückte sich nach außen, als er sich noch weiter in seine Kampfhaltung schob. „Deine Ambition danach, Dōjutsus zu sammeln wird ebenso enden wie die deines Vaters.“

 

Hibaris Gesicht wurde eiskalt, fror für einen kurzen Moment ein, bevor es mit einem Ausbruch unkontrollierten Zornes explodierte. 

 

Das Beben, das den Arm des Mannes hinunter jagte, war die einzige Warnung. 

 

Die Wucht von Hibaris Schrei war so viel brutaler als seine Klinge, als er sie schwang. „Wage es nicht, mich mit diesem Bastard zu vergleichen!“

 

Als die Waffe wie ein Boomerang auf ihn zu sirrte, bereitete sich Neji darauf vor, herum zu schnellen und den Griff des Schwertes zu packen. Doch ein Regen aus Chakranadeln flog über seine Schulter hinweg, schlug gegen die Klinge und warf das Schwert aus seiner Flugbahn. 

 

Hinata.

 

„Neji-niisan!“, rief die Kunoichi und sprang hinter Hibari.

 

Bruder?“, knurrte Hibari und wich ihr anmutig aus, als sie einen Schlag gegen seine Schläfe ausführte. „Ist das deine Schwester, Hyūga?“

 

Der Tsubasa vollführte ein rasches Handzeichen und murmelte leise vor sich hin, bevor er mit dem Arm in Hinatas Richtung ruckte. Ein Schauer aus Federn flog von seinen Fingerspitzen und verhärtete sich zu Kunais, denen Hinata mit Leichtigkeit auswich – aber sie zog sich dadurch auf unsicheren Boden zurück und verlor beinahe die Balance. 

 

Es war ein fataler Fehler. 

 

Hibari grinste. 

 

Nejis Augen weiteten sich. „Hinata!“

 

Doch die Attacke kam nicht. 

 

Hibari ignorierte sie vollkommen und ließ die Gelegenheit verstreichen, sie unschädlich zu machen, als er brüllend zu Neji herum schnellte. „Antworte mir, Hyūga! Ist sie deine Schwester?!“

 

Das Schwanken in Hibaris Stimme war noch verstörender als die Art und Weise, mit der er auf Neji losging; blindwütig und wild, mit einem animalischen Hass in seinen Augen, als er in eine Offensive sprang, der seine vorherige Anmut vollkommen fehlte. Neji parierte jede Bewegung und seine Geschwindigkeit wog Hibaris ungeheure Kraft mit Leichtigkeit auf. Doch Neiji konnte aus den Tenketsu des Tsubasa lesen, dass es kein gesteigertes Chakra war, das dem Mann seine Kraft verlieh.

 

Es waren Emotionen.

 

Unkontrollierte und überwältigende Emotionen. 

 

Warum?

 

Neji duckte sich um einen Armschwung hindurch und ließ seinen Fuß in Hibaris Rippen krachen, um den Mann zur Seite zur treten, nur um gleich darauf vor dem erwidernden Kick des Tsubasa zurück zu springen. Er erwischte den Knöchel des Rotschopfes mit der Schlinge seiner Hand und riss scharf daran, um Hibari auf den Boden zu befördern. 

 

Irgendwas stimmt hier nicht…

 

Er entschied sich für den schnellstmöglichen Weg, Antworten zu provozieren; Arroganz. 

 

„Du hast nicht die Augen, um meine Bewegungen voraussehen zu können.“, höhnte Neji und stand in voller Größe über dem Mann, während er spöttisch auf ihn hinunter starrte. „Und du wirst sie auch niemals besitzen!“

 

Hibara schäumte vor Wut und seine Lippen zogen sich in einem Knurren zurück, als er mit seinem freien Bein austrat und Neji dazu zwang, zurück zu springen. „Ich bin an deinem verfickten Dōjutsu nicht interessiert!“

 

Neji drehte seinen Körper seitwärts, den Arm nach außen gestreckt und eine Handfläche erhoben. „Was zur Hölle willst du dann?“

 

„Gerechtigkeit!“, zischte Hibari und rollte sich herum, um zu seinem Schwert zu gelangen. Er stützte sich auf ein Handgelenk, um das Gewicht auszugleichen, während er die Spitze der Klinge in den Boden rammte und sie als Anker nutzte, um sich auf die Füße zu ziehen. „Und deinen Kopf.“

 

Nejis Augen verengten sich, aber nicht wegen der Drohung. Es war der Beweggrund, der ihn verwirrte.

 

Gerechtigkeit?

 

„Neji!“, schrie Hinata und nahm hinter Hibari dieselbe Haltung wie ihr Cousin ein; die Hyūga nahmen den Mann in die Zange. 

 

„Oder vielleicht sollte ich mir ihren Kopf holen.“, schnaubte der Tsubasa und ruckte mit dem Kinn in Hinatas Richtung, ohne seine Augen von Neji abzuwenden. „Das wäre Gerechtigkeit, oder nicht?“

 

Jede Form von Verwirrung fiel von Nejis Gesichtszügen und verwandelte sich zu Eis. „Du wirst sie nicht anrühren.“

 

„Dann halte ich mich eben an dich!“, spie Hibari aus, seine Finger verkrampften sich um den Griff seines Schwertes und sein Arm spannte sich an, als er sich daran machte, seine Waffe aus dem Boden zu reißen. 

 

Doch er tat es nicht. Neji runzelte die Stirn und sah zu, wie sich Hibaris graue Augen weiteten und er seine Zähne mit einem Zischen zusammenbiss, als er versuchte, sich zu bewegen. Doch das konnte er nicht. 

 

„Wie wäre es, wenn du dich stattdessen mal beruhigst?“

 

Shikamaru…

 

Die träge Stimme des Schattenninjas zog Nejis Blick nach oben in die Bäume. Shikamaru lehnte mit der Hüfte gegen einen Stamm, während er halb in Licht und halb in Schatten getaucht war. 

 

„Ich bin es wirklich leid, dir nachzujagen.“ Shikamaru schmunzelte. „Diesmal habe ich mir dabei fast ein Bein gebrochen.“

 

Neji fühlte ein Aufflackern von Erleichterung in seiner Brust. „Was machst du hier, Nara?“

 

Hibari knurrte, die Augen noch immer auf Neji fixiert. „Du bist ein toter Mann.“

 

Von oben hörte man Shikamarus Schnauben. „Du befindest dich wirklich nicht in der Position, Drohungen auszusprechen.“

 

Hibari ignorierte ihn geflissentlich, alle Wucht seiner Aufmerksamkeit bohrte sich in Neji. „Das verspreche ich dir!“

 

Neji betrachtete den Rotschopf gelassen und wollte gerade antworten, als Naruto mit einem Brüllen an ihm vorbei stürzte und seine Faust direkt in Hibaris Kiefer hämmerte. 

 

Das laute Knacken echote scharf durch den Wald. 

 

Eine Sekunde später fiel Hibari in sich zusammen. 

 

„Richtig.“ Shikamaru löste sein Jutsu. „Danke dafür.“

 

Naruto keuchte und würgte Luft hinunter, während er sich aufrichtete und vor Adrenalin zitterte. „Mann, der hat vielleicht Nerven.“

 

Und jetzt ist er bewusstlos…phantastisch…

 

„Naruto.“ Nejis Miene war düster, als er hinüber schritt und Hibaris Schwert zur Seite trat; seine blassen Augen zuckten verärgert. „Götter, denkst du eigentlich auch nur ein einziges Mal nach, bevor du etwas machst?“

 

Naruto runzelte die Stirn und drehte sich ihm zu. „Glaubst du im Ernst, dass ich einfach nur rumstehe, während er so einen Mist darüber labert, dir die Lichter auszuknipsen?“

 

Neji widerstand dem Drang, sich die Hand vors Gesicht zu schlagen. 

 

Es war klar, dass Naruto nicht in der Lage sein würde, sein Herz aus einem Kampf herauszuhalten. Es stürzte sich einfach so mit jedem anderen Teil von ihm mit ins Getümmel und das übersprudelnd vor Überzeugung, Beschützerinstinkt und einem Tumult irrationaler Gefühle, das Neji stets daran erinnerte, warum es einfach unerlässlich war, einen besonnenen Kopf zu behalten. Doch als er jetzt so auf den bewusstlosen Hibari hinunter blickte, wurde er auch daran erinnert, welche Stärke solche Emotionen einem Krieger verleihen konnten. 

 

Narutos Emotionen waren seine Stärke.

 

Aber die meinen sind meine Schwäche…

 

Nejis Verärgerung verschwand und die Spannung auf seinem Gesicht löste sich. „Sind die anderen in Ordnung?“

 

„Geht so.“ Naruto rieb sich über eine Platzwunde an seinem Kiefer, die bereits verheilte. „Wären die anderen nicht aufgetaucht, dann wären wir ziemlich geliefert gewesen.“

 

Neji atmete langsam durch die Nase ein und entließ die Luft ruhig, als er eine Hand an seinen Transmitter hob. „Sammelt euch. Hinata, kannst du ihnen den Weg zeigen?“

 

„Ja.“, bestätigte die Kunoichi und verschwand mit einem Wirbel ihres mitternachtsschwarzen Haares in den Dunst. 

 

Neji seufzte leise und deaktivierte sein Dōjutsu. Er musste gar nicht erst nach Shikamaru suchen; der Nara befand sich bereits auf Bodenlevel und schlenderte mit deutlich mehr Leichtigkeit zu ihm herüber, als Neji in seinen Augen erkennen konnte. Die dunklen Iriden waren starr auf ihn gerichtet. 

 

„Wo ist Kitori? Und was machst du hier?“, fragte Neji erneut und diesmal trug seine Stimme eine leichte Kante in sich.

 

Sollte Shikamaru sein Missfallen bemerkt haben, ignorierte er es gekonnt. „Kitori hatte ihre eigenen Befehle, zu dem Aviarium zurückzukehren. Das Team, dem wir gefolgt sind, war nichts weiter als ein paar Leichen im Wasser. Teile und herrsche? Nach all dem erscheint das gar nicht so unwahrscheinlich.“

 

Neji verzog innerlich das Gesicht und sah erneut zu Hibari hinunter. 

 

Wie dem auch sei, das hier war mein Kampf.

 

Doch die Dinge waren gar nicht mehr so simpel, gemessen an dem, was soeben passiert war. 

 

Das Schlurfen von Füßen und das leise Murmeln von Stimmen kündigte die Präsenz des restlichen Teams an. Neji sah nicht auf, seine Aufmerksamkeit blieb starr auf Hibari zentriert.

 

„Bringen wir den Kerl zurück zu Kitori und Ozuku?“, grollte Naruto und stierte auf den Rotschopf. 

 

Neji krümmte die Finger und rollte mit der Schulter, während er den Kopf schüttelte. „Nein.“

 

„Was?“, schnappte Kiba. „Warum?“

 

„Ich will ihn befragen.“, erwiderte Neji und ging in die Hocke, um Hibari auf den Rücken zu rollen. 

 

Shikamaru verlagerte neben ihm das Gewicht. „Würdest du mich erleuchten, Hyūga?“

 

„Ich glaube nicht, dass die Beweggründe dieses Mannes so klar umrissen sind, wie Kitori es behauptet hat.“, erklärte Neji und suchte Hibari nach dem Tsubasa Anhänger ab, den er um Kitoris Hals gesehen hatte. 

 

Er fand ihn unter dem Netzshirt des Mannes – zusammen mit einem zweiten. 

 

Warum sollte er sie immer noch tragen?

 

„Hey, der Typ wollte dich und Hinata umbringen.“, knurrte Naruto und deutete mit dem Finger in Richtung der Kunoichi, die feuerrot anlief. „Noch klarer umrissen brauche ich nicht.“

 

„Benutz deinen Kopf, Naruto.“ Nejis Gesicht verdunkelte sich und er strich mit dem Daumen über Hibaris Anhänger, bevor er sie fallen ließ. „Dieser Mann hat sich vollkommen waghalsig und unbedacht gefährdend verhalten – man macht das nicht, außer man ist emotional, oder ein Idiot. Und die Tatsache, dass er in der Lage ist, eine Untergrund Rebellenfraktion zu koordinieren lässt darauf schließen, dass er ganz bestimmt kein Idiot ist.“
 

Sakura sah verwirrt aus, während sie ihre heilenden Hände über die Wunde in ihrem Schenkel hielt. „Was willst du damit sagen?“

 

Neji erhob sich und musste kurz innehalten, als ihn ein Hauch von Schwindel erfasste. „Er ist aus Rache für seine Schwester auf mich losgegangen, nicht wegen des Byakugans. Er hat gesagt, er wolle Gerechtigkeit.“

 

„Ich werde ihm schon ein wenig Gerechtigkeit geben.“, fauchte Naruto. 

 

„Kitori hat doch gesagt, dass Hibari seine Schwester tot sehen wollte.“, fügte Kiba noch hinzu; seine wilden Augen flackerten vor Abneigung. „Und dass er und sein Vater Experimente an ihr durchgeführt haben. Dieser Freak könnte lügen.“

 

Shikamaru ergriff das Wort, bevor Neji die Gelegenheit bekam. „Oder Kitori lügt.“

 

Neji spürte, wie die Worte schwer bis in seine Magengegend sanken und seinen Argwohn noch unbehaglicher und enger verknoteten. 

 

„Was?“, schnaubte Sakura, als wäre das vollkommen lachhaft. „Aber Neji…schon als uns Hibaris Truppe das erste Mal angegriffen hat…in dem Augenblick, in dem einer der Ninjas deutlich gemacht hat, dass du ein Hyūga bist, haben sich auf einmal alle dir zugewandt. Sie müssen hinter deinem Dōjutsu her gewesen sein.“

 

„Ja, davon bin ich auch ausgegangen.“, antwortete Neji und gestikulierte zu Hibari hinüber. „Aber sieh dir an, was gerade passiert ist. Er hat Hinata komplett ignoriert, obwohl er die Chance hatte, sie auszuschalten. Er war einzig und allein an der Tatsache interessiert, dass wir möglicherweise Geschwister sein könnten. Er war auf Rache aus.“

 

„Aber Dōjutsus und Kekei Genkai sind doch das, was diese Rebellen wollen.“, betonte Lee und seine dichten Brauen zogen sich zu einem scharfen V zusammen. „Macht ist ihr Motiv.“

 

„Nach Aussage von Ozuku und Kitori.“, murmelte Neji und wurde zunehmend unruhiger, auch wenn man ihm das niemals ansehen würde. 

 

„Aber Fukurō hat es doch auch selbst gesagt.“, argumentierte Sakura. „Und er war der Anführer der Rebellen.“

 

„Nach Aussage von Ozuku und Kitori.“, wiederholte Shikamaru Nejis Worte. 

 

Neji begegnete dem Blick des Schattenninjas. „Shikamaru.“

 

„Ach Mist.“, seufzte der Nara.

 

„Ganz genau.“

 

Scheiße!“

 

„Ich weiß.“

 

„Was wisst ihr?“, Naruto blinzelte perplex und sah ruckartig zwischen den beiden hin und her. „Ist sonst noch jemand verwirrt?“

 

Kiba verschränkte mit finsterer Miene die Arme vor der Brust. „Nur ein ganz kleines bisschen.“

 

Auch Chōji schaltete sich auf Seiten der verwirrten Partei ein. „Uh, Shikamaru?“

 

„So wie es aussieht, haben uns Kitori und Ozuku einen ganzen Haufen Bullshit über ihren Sohn und diese Rebellen aufgetischt…und wir haben es ihnen abgekauft.“ Shikamaru seufzte erneut und rieb sich den Knoten auf seiner Stirn. 

 

Neji spürte, wie sich seine Eingeweide angesichts der Konsequenzen, die sich daraus ergeben würden, verkrampften. Er spannte den Kiefer an, bis seine Gelenke zu schmerzen begannen. 

 

Götter…sagt mir nicht, dass die ganze Zeit über…

 

Er hörte, wie Sakura leise nach Luft schnappte, als wäre ihre Ablehnung dieser Möglichkeit einer furchtbaren Wahrheit gewichen.

 

„Aber warum?“, wisperte sie. „Warum sollte Kitori ihrem Sohn so etwas antun? Ihn für uns zu einem Feind zu machen…“

 

„Aus demselben Grund, aus dem Fukurō es bei seiner Tochter getan hat.“, spie Neji aus und schüttelte den Kopf gegen die Worte an, auch wenn er sie bereits ausgesprochen hatte. 

 

Und Shikamaru, ganz getreu seinem vorausschauenden Denken, fasste es zu einem bitteren Abschluss zusammen. „Um die Aufmerksamkeit von sich selbst und wahrscheinlich auch von Ozuku abzulenken.“

 

Naruto runzelte die Stirn, doch seine Augen funkelten vor kaum zurückgehaltenen Emotionen. „Willst du mir gerade erzählen, dass Kitori und Fukurō ihre eigenen Kinder dafür benutzt haben, sich selbst zu schützen?“

 

Neji neigte den Kopf. „Und um Ozuku zu schützen.“

 

Kiba pfiff leise durch die Zähne. „Mann, das ist echt krank.“

 

„Sollte das wahr sein“, murmelte Lee traurig, „dann sind wir zweimal auf denselben Trick reingefallen.“

 

Sollte das wahr sein…

 

Nejis Gesichtszüge spannten sich an und der Anflug von Düsternis beschattete für einen Moment sein Gesicht, bevor er sich wieder unter Kontrolle brachte. „Ich werde diesen Mann nicht ausliefern, bis ich ein paar Antworten von ihm bekommen habe. Es war mir nicht möglich, seiner Schwester dieselbe Chance zu gewähren…“

 

Narutos Schultern sackten nach unten und sah dabei genauso verwirrt und erschöpft aus, wie sich Neji auf einen Schlag fühlte. „Ich bin von dem ganzen Mist immer noch verwirrt.“

 

Sakura lächelte schwach, doch ihre Augen waren grimmig. „Und im Grunde – wieder einmal – wissen wir schon wieder nicht, wer unser Feind ist.“

 

Kiba schnaubte. „Sie meint, dass wir im Grunde – wieder einmal – einen Scheiß wissen.“

 

Diese unverblümte, aber vollkommen akkurate Schlussfolgerung war wie ein Schlag ins Gesicht. 

 

Verdammt!

 

Neji streckte die Wirbelsäule durch und jeder einzelne Muskel unter seiner Haut spannte sich an. Er presste seinen Kiefer so fest zusammen, dass er beinahe einen Backenzahn zerbrach – Schmerz flammte in seiner Brust auf, doch er spürte ihn weniger als den Zorn, der durch ihn brannte. 

 

Ich bin fertig damit, Spielchen zu spielen.

 

Er bemerkte, wie sich Shikamaru neben ihm bewegte; die subtilste Bewegung, als der Nara die Hüfte einknickte, um sich so ein wenig näher zu ihm zu lehnen. Es war nur ein kleines Schließen der Distanz, das es aber schaffte, den weiten Weg zu Nejis Anspannung zu überbrücken und sie zu lösen, ohne dass es der Hyūga überhaupt bemerkte. 

 

„Wenn Hibari aufwacht“, sagte Neji letztendlich und seine Stimme wurde so leise und ruhig, dass sie das leichteste Zittern seines Armes überdeckte, „werden wir sichergehen, dass wir ein für allemal herausfinden, wer unser Feind ist.“

 

 _______________

Uiuiui Plottwist ;) Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat! Es ist wieder um ein ganzes Eck länger geworden als das letzte :D 

Über ein paar Kapitel würde ich mich natürlich wieder sehr freuen! <3

Vielen vielen Dank an alle meine lieben Reviewer/innen! <3

Tsubasa Hibari

Ein geteiltes Gefühl von Frust und Verwirrung hing über dem gesamten Konoha Team, während sie sich einen Weg durch das dichte Unterholz des Waldes bahnten. Neji entwarf die eingeschlagene Route schnell in seinem Kopf und führte die Gruppe weiter von dem Dorf fort und weiter nach Süden in Richtung des felsigeren Gebietes der Grenzen. Eine gute Deckung zu suchen war unerlässlich. Sie brauchten Distanz und Zeit, um Hibari ordentlich befragen zu können. 

 

Vorausgesetzt, wir werden nicht vorher entdeckt.

 

Nejis Miene verdüsterte sich und er sprang ein Level höher in die Bäume; aufmerksam scannte er die Umgebung und stellte sicher, dass sie nicht verfolgt wurden, bevor er sich wieder ihrem Pfad zuwandte. 

 

Nur noch ein bisschen weiter.

 

Mit einer scharfen Bewegung seiner Hand gab er Hinata ein Zeichen. Die Kunoichi nickte und übernahm die Führung. Neji beobachtete sie für einen kurzen Moment, während sein Verstand über Hibaris Worte nachdachte, bevor ein Grummeln von unten seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er senkte die Augen auf das Team, als sie unter ihm vorbei marschierten und Hinata folgten. 

 

„Warum trage ich eigentlich diesen Kerl?“, murrte Naruto und wuchtete den bewusstlosen Hibari herum, der über seiner Schulter hing. 

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und nahm einen langen Zug aus seiner Wasserflasche. „Könnte daran liegen, dass du sein Gesicht Bekanntschaft mit deiner Faust hast machen lassen.“

 

„Yep.“ Kiba giggelte. „Du hast vorher nichtmal deinen Fuß seinem Hintern vorgestellt.“

 

„Ich glaube, das hat Neji bereits für ihn übernommen.“, lachte Chōji. 

 

„Dachte ich mir. Hyūga hat eben bessere Manieren als du, Turteltaube.“

 

„Mann, halt’s Maul.“, grollte Naruto und verlagerte erneut Hibaris Gewicht.

 

Neji hob eine Braue und folgte dem Geplänkel schweigend. Es stellte eine willkommene Ablenkung von ihrer düsteren Stimmung dar. Nachdem Naruto vehement darauf bestanden hatte, Hato zumindest ein bescheidenes Grab zukommen zu lassen, hatte das Team ein ernstes Schweigen angenommen und nur gesprochen, um Richtung und Ziel zu bestätigen. 

 

Doch Neji hatte auch jetzt kein Problem damit, die Unterhaltung zu meiden und so blieb er in den Bäumen und hielt auf höherem Level mit den anderen Schritt. Außerdem gewährte ihm das die Möglichkeit, leise Shikamaru zu beobachten. 

 

Der Nara lief an Chōjis Seite, die Brauen kalkulierend zusammengezogen. Neji sah zu, wie er sich Lee zuwandte, der Hibaris Schwert trug. Shikamaru nahm ihm die Waffe ab und wechselte hin und wieder die Schwerthand, um das Gewicht zu prüfen, bevor er es zurückgab und als Antwort auf was auch immer Lee sagte, nur die Achseln zuckte. 

 

Einen Moment später, kratzte die Stimme des Schattenninjas durch den Transmitter an das Ohr des Jōnin. „Neji, müssen wir noch weit laufen?“

 

„Nein, nur noch ein kleines Stück. Vor uns ist eine verlassene Abbaugrube. Die Minen werden uns den Schutz bieten, den wir brauchen. Bis dahin sind wir nur den Elementen ausgesetzt.“

 

„Verstanden.“, erwiderte Shikamaru und sah mit einer scharfen Bewegung zu ihm auf. Das hatte Neji nicht erwartet. 

 

Ihre Blicke trafen und hielten sich für einen Herzschlag. Und ein Herzschlag war alles, was es brauchte, um Nejis Schritt ins Stocken zu bringen, um einen Hauch von Wärme die Kühle auf seinem Gesicht verjagen zu lassen. Trotz dieses Schwankens erholten sich seine Bewegungen rasch und er unterbrach die Verschmelzung ihrer Augen, um weiter nach vorn zu schreiten. Er sprang hinüber zu dem nächsten Baum und bekämpfte energisch das Gefühl, wie von Schattenhänden zurück gezogen zu werden. 
 

Bleib konzentriert.

 
 

oOo
 

 
 

Die Tunnel der Minen fraßen sich tief in den Fels; es waren große Durchgänge mit Gleisen und verlassenen Loren. Spinnweben hingen wie hauchdünne Vorhänge in jeder Ecke und Spinnen krabbelten über Bretter und Trümmer hin und her. Trotz des irreparablen Zustandes der Mine hingen noch immer alte Laternen von den Wänden; gesprungen und rostig, doch sie gewährten zumindest ein mageres Licht. 

 

Das Team schlug das Lager in der größten der Höhlen auf und folgte Nejis Anweisungen, der alle Pflichten an die Teammitglieder delegiert hatte. Hinata, Chōji und Lee übernahmen die Wache außerhalb des Schachtes und ließen einen bewusstlosen Hibari in Sakuras, Narutos und Kibas Verantwortung. 

 

Unter dem Vorwand, eine Strategie auszuarbeiten, hatten sich Shikamaru und Neji in eins der Arbeiterzimmer zurückgezogen, das grob in einen der Tunnel gegraben worden, aber groß genug war, um nicht halb so klaustrophobisch zu wirken wie der Rest des Ortes. 

 

„Besser als nichts.“, murmelte Shikamaru und beobachtete, wie eine der Lampen flackernd zum Leben erwachte und dämmrig pulsierte. 

 

Er schnippte das Streichholz in einen der verlassenen Karren und trat zu Neji hinüber. Der Hyūga hatte sich auf einem Stapel Sandsäcke niedergelassen. Ein Bein hatte er angewinkelt, während er sich nach hinten lehnte und durch den Raum auf die Lampe stierte; einen vertrauten, weit entfernten Ausdruck auf dem Gesicht. Es war der absolut letzte Anblick, den der Nara im Moment sehen wollte. 

 

Shikamaru schnippte mit den Fingern vor Nejis Gesicht. 

 

Mit einem Grollen schnappte Neji sein Handgelenk. „Nicht.“

 

„Dann hör auf, ins Irgendwo zu starren. Ich brauche dich hier.

 

Angesichts des Tonfalls wanderte eine von Nejis Brauen nach oben und er hob den Blick. 

 

Die Schatten waberten um sie herum; tanzten und flackerten ununterbrochen. Es machte es nur noch schwerer, Nejis Gesichtszüge lesen zu können, die in das Spiel aus Licht und Schatten ein- und wieder auftauchten. In diesem Zustand waren sie in etwa so klar umrissen wie auch alles andere zwischen ihnen. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru seufzte und wollte einen Schritt zurücktreten, doch ein festes Rucken an seinem Handgelenk hielt ihn an Ort und Stelle. Stirnrunzelnd sah er nach unten. Nejis Augen hatten sich wieder auf die Laterne gerichtet, doch der Hyūga zog erneut leicht an seinem Handgelenk und führte die stumme Einladung weiter aus, als er den Kopf zur Seite neigte. Auch wenn er überrascht war, nahm Shikamaru sie umgehend an und drehte seinen Körper mit einem trägen Schwung, als er sich neben Neji niederließ und seinen Rücken gegen die Kurve der Wand lehnte. 

 

Stille breitete sich über ihnen aus. 

 

Glücklicherweise war es keine, die von Spannung erfüllt war.

 

Shikamaru spürte, wie Nejis Schulter gegen seine eigene strich, als sich der Hyūga ebenfalls zurücklehnte und sich seine steife Haltung gegen die Wand ein wenig entspannte. Sie saßen in angenehmen Schweigen da und fühlten, wie sich der Staub des Chaos‘ der vergangenen Stunden langsam um sie herum legte. Es verschaffte dem Nara einen Moment der distanzierten Analyse. Einen Moment, in dem ein Gedanke alle anderen dominierte.

 

Wie viel beschissener kann diese Mission eigentlich noch werden?

 

Shikamaru konnte spüren, wie ein vollkommen unangebrachtes Aufblubbern von Amüsement das schwere Gefühl in seinem Inneren erleichterte. Er konnte sich nur vorstellen, dass es eine unterbewusste Defensivtaktik war, die ihn davon abhielt, seinen Kopf heftig gegen die Wand zu hämmern. Das Lachen viel in einem schwachen und müden Kichern von seinen Lippen. 

 

Neji wandte ihm fragend den Kopf zu. 

 

Doch Shikamaru lehnte den seinen nur zurück gegen den rauen Stein und schüttelte ihn ein einziges Mal, während er hinauf zu den Schatten an der Decke der Höhle starrte. „Was für ein gottverdammtes Drama…“

 

Nejis Schnauben lief zu einem leisen Lachen aus. 

 

Sie teilten sich ein Lächeln und bedachten sich gegenseitig mit einem Blick aus den Augenwinkeln. 

 

„Hast du dir wirklich fast ein Bein gebrochen?“, fragte Neji.

 

Shikamaru schürzte als Antwort nur die Lippen. 

 

Kopfschüttelnd schmunzelte Neji und streckte eine Hand aus; seine Finger tippten zaghaft gegen Shikamarus Schläfe. „Rennst du immer noch eine Meile in der Minute, Nara?“

 

„Ja und es ist immer noch nicht schnell genug.“, schnaubte Shikamaru und lehnte sich mit einem leichten Schubs in die Berührung, um Nejis Hand beiseite zu schieben. 

 

Doch stattdessen stieß er ihre Schultern aneinander. Und statt sich davor zurückzuziehen, neigte sich Neji ihm entgegen, um sie auszubalancieren. Es geschah auf so natürliche Weise, das Shikamaru ohne nachzudenken ein Knie nach oben zog und Nejis Haltung spiegelte, als sich ihre Schenkel berührten; sie drückten sich ebenso dicht aneinander wie ihre Schultern. Sie lehnten sich aneinander und teilten sich die Last ihrer gemeinsamen Erschöpfung, auch wenn die Ursachen ihres Stresses vollkommen unterschiedlich waren. 

 

„Kannst du dir vorstellen, was der Missionsbericht beinhalten wird, wenn wir wieder zurück sind?“, murmelte Neji leise. 

 

Der schwache Versuch von Humor ließ Shikamaru schmunzeln und er erwiderte ihn mit einem trägen Stupsen seines Knies gegen Nejis. „Ich kann mir ein paar Möglichkeiten vorstellen.“

 

Er sah zu, wie Neji seinen Kopf zurück gegen die Wand schlug. „So blind zu sein…“

 

Shikamaru summte achselzuckend. „Wir wissen es nicht mit Sicherheit, bis Hibari aufwacht.“

 

Doch Neji schüttelte den Kopf und das fahle Licht schimmerte von seinem Stirnband. „Ich hätte es viel früher bemerken müssen. Ich hätte wissen müssen, dass etwas nicht stimmte.“

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben und sein Blick wurde auf das Hitai-ate gezogen. „Um fair zu bleiben, in Hanegakure läuft im Allgemeinen viel zu viel falsch, um es an den normalen Standards, was ‚richtig‘ ist, messen zu können. Also mach dich nicht selbst fertig.“

 

„So simpel ist das nicht.“

 

„Es ist dämlich simpel, Neji.“

 

Shikamaru erhaschte das leichteste Heben von Nejis Lippen. Es war ein flüchtiges Lächeln, das sich rasch zu einer ernsten Linie glättete, als der Hyūga erneut den Kopf schüttelte. „Ich hätte es wissen müssen.“

 

So stur.

 

Langsam hob Shikamaru eine Hand und schaffte es, seine Finger unter den Fall von Nejis Haar zu schieben, um zaghaft den Nacken des Hyūga zu massieren. Neji beugte den Kopf und lehnte sich ein winziges Stück nach vorn. Er akzeptierte die Berührung ohne das geringste Zögern oder Ablehnung. 

 

Mit vollkommenem Vertrauen. 

 

Eine bittere Anspannung verkrampfte sich in Shikamarus Innerem. Und er war dankbar für die Schatten; sie waren im Moment die beste Maske gegen den vertrauten Zwiespalt, der sich auf sein Gesicht stehlen wollte. 

 

„Auf jeden Fall“, sagte Neji leise, „werden wir diese Situation wieder ins Lot bringen.“

 

Es ist nicht diese Situation, die ich wieder ins Lot bringen will…

 

Shikamarus Finger hielten inne. 

 

Seine Anspannung spürend, wandte Neji den Kopf und die scharfe Kante seiner fallenden Strähnen schwang in der Bewegung mit. Automatisch schob Shikamaru sie beiseite und streichelte den Kopf des Hyūgas, wie er es bereits an diesem Morgen getan hatte. Hätte er lange genug inne gehalten, um darüber nachzudenken, wie natürlich diese Handlungen geworden waren, wäre es ihm vermutlich in den Sinn gekommen, wie zunehmend gefahrvoll sie waren, gemessen an der kalkulierten Maßnahme, zu der er möglicherweise zu späterem Zeitpunkt gezwungen sein würde.

 

Bring mich nicht dazu, dir das antun zu müssen…

 

Und plötzlich erkannte Neji mehr als nur seine Anspannung; der Hyūga runzelte die Stirn und griff nach oben, um die Finger leicht um das Handgelenk des Nara zu legen. „Shikamaru…“

 

Der Schattenninja machte keinerlei Anstalten, sich gegen diesen Tonfall zu wehren; es war weniger eine Warnung als viel mehr eine Frage. Vorsichtig drehte er sein Handgelenk frei und wandte den Blick ab, während er die Augen schloss. 

 

Was zur Hölle sollte er darauf nur antworten?

 

Trotz all der trüben Wasser zwischen ihnen, war eine Sache mehr als deutlich geworden. Die Mission war Nejis oberste Priorität. Und die fehlenden Teile des Rätsels waren die seine. Sie waren gefangen in einer Partie, die sich in ein Glücksspiel verwandelt hatte; einer Mission, die nicht länger von denselben Beweggründen angetrieben wurde…und einer unentrinnbaren Anziehung zueinander, die mit jedem Mal schmerzhafter wurde, wenn sie sich wieder voneinander lösten.

 

Shikamaru runzelte die Stirn. 

 

Das hätte ich niemals kommen sehen…nicht so…

 

Energisch wappnete er sich gegen ein Trommelfeuer selbst verspottender Gedanken; unzählige Wege und Schritte, die er hätte nehmen können, um das hier zu vermeiden. Doch diese Chancen hatte er letzte Nacht verstreichen lassen. Mit drei einfachen Schritten…hatte sich alles geändert. 

 

Sein Verstand konfrontierte ihn mit einem Grund nach dem anderen dafür, wie desaströs seine Handlungen gewesen waren. Doch auch diesmal schaffte es keiner dieser Gedanken, genug Reue in ihn zu hämmern. Keiner von ihnen traf ihn hart genug, um das Schuldgefühl oder den Wunsch danach auszulösen, alles, was passiert war, ungeschehen zu machen. 

 

Noch nicht…verdammt…lass mich einfach nur finden, was mir bisher entgangen ist, sodass ich dich finden kann…

 

„Shikamaru?“

 

Lass es mich rechtzeitig verstehen…

 

Er hörte, wie sich Neji bewegte, registrierte das Kratzen von Sand, als sich die Segeltuchsäcke unter ihm bewegten. Und dann spürte er die Finger des Hyūga an seinen Schläfen, wie sie beruhigend über seine Haut strichen, während Daumen den Schwung seiner Brauen nachzeichneten und Lippen seinem Haaransatz folgten. 

 

„Es wird alles gut.“, sagte Neji leise. 

 

Shikamaru spannte sich an. 

 

Wenn ich dich nicht rechtzeitig erreichen kann…dann wird es alles sein, nur nicht ‚gut‘…

 

Warmer Atem fächerte gegen seine zusammen gezogenen Brauen und ließ sein Stirnrunzeln dahin schmelzen. Shikamaru öffnete langsam die Augen und fing die Schlitze aus Opal auf, die ihn unter dem Schwung von Nejis Wimpern musterten. Der Magnetismus folgte ohne Umschweife. Er zog ihn näher; diese Augen wie der Mond für die hoffnungslosen Gezeiten seines Blutes zerrten ihn nach oben, als sich Neji nach unten lehnte. 

 

Ihre Münder trafen sich langsam; Lippen rieben und strichen übereinander, bis Nejis Zunge über die glatte Barriere von Shikamarus Zähnen wanderte. Doch der Nara verwehrte den Zugang und hielt die Zähne fest aufeinander gebissen. Vermutlich wertete Neji das als eine Herausforderung, denn er reagierte wie ein Raubtier und setzte sich rittlings auf ihn, um ihn mit seinem Körper gegen die Wand zu drücken. Zähne zwickten scharf an seiner Unterlippe; eine klare Aufforderung. 

 

Shikamaru hielt seinen Kiefer verschlossen und öffnete ihn nicht für die Zunge, die an dem Siegel seiner Lippen neckte. Es war nicht der Kuss, dem er sich verweigerte, sondern das, was es mit dem machen würde, was von seinen Sinnen übrig geblieben war. 

 

Neji schmunzelte leicht gegen seinen Mund. „Hmn. Na wer ist jetzt stur?“

 

Shikamaru hätte darauf etwas erwidern sollen, doch das hätte ihn dazu gezwungen, die Lippen zu öffnen. Und stattdessen antwortete er mit Berührung; er ließ seine Hände zu Nejis Nacken wandern und drückte sanft, während er den Kopf neigte und mit offenem Mund einen Kuss direkt unter Nejis Kiefer zu platzieren. 

 

Offensichtlich war das für den Hyūga nicht genug. 

 

Er spürte, wie sich Nejis Puls ebenso rapide veränderte, wie sich die Hand des Jōnins bewegte; sie krallte sich in seinen Pferdeschwanz und zog seinen Kopf nach hinten. Doch im vollkommenen Kontrast zu dem scharfen Ruck, legte sich Nejis Mund sanft über seinen und schwebte in einer kaum spürbaren Berührung über ihm. 

 

Die Luft um sie herum schien zu vibrieren. 

 

Shikamaru legte die Stirn in Falten und sah auf; wollte diese blassen Augen studieren. Wollte wissen, dass er nicht der Einzige war, der von dem zerrissen wurde, was sich zur selben Zeit tief in sie schnitt, während es sie noch enger miteinander verwob. 

 

Er versuchte, den Blick des Hyūgas einzufangen. 

 

Doch stattdessen packte Neji seinen Kiefer und die Finger gruben sich leicht in die Haut. 

 

Kontrolle. Frust. 

 

Shikamaru hob eine Braue, ebenso wenig bereit, Neji seinen Willen zu lassen. Sein eigenes Ringen darum, einen kühlen Kopf zu bewahren, war in etwa alles, was er im Moment verkraften konnte. Und gerade als er dachte, er müsse anfangen zu kämpfen, ergab sich Neji und löste seinen Griff, um mit einem Knöchel über Shikamarus Kiefer zu streichen, bis er ihn unter sein Kinn legte, um den Kopf des Nara noch ein Stück weiter nach hinten zu dirigieren. Die Handfläche des Hyūga presste sich gegen die Wand neben seinem Kopf.

 

„Shikamaru…“ Neji wisperte seinen Namen gegen seinen Mund und das in einem Tonfall, der extra für mentale Folter gedacht sein musste, denn er brachte Shikamarus Entschlossenheit augenblicklich zum Einsturz. 

 

Es war das schwere und resonante Fallen von vier einfachen Silben, das seinen Namen in einen Klang verwandelte, den er noch nie vernommen hatte. Ein Klang, von dem er hören wollte, wie Neji ihn wieder und wieder sprach, bis er jede Chance verlor, diese wahnsinnige Sprache zu verstehen, in der ihre Körper kommunizierten, wenn sie beieinander waren. 

 

Lass das hier die eine gottverdammte Sache sein, von der ich nicht herausfinden muss, was es ist…nur dieses eine Mal…

 

Langsam gaben Shikamarus Lippen unter denen von Neji nach und der harte Verschluss seines Kiefers löste sich nach und nach, als sich diese glatte Zunge nach innen schob, gefolgt von einem leisen Seufzen, das er hinuntertrank und erwiderte. Er hob die Hände, um seine Finger in den weichen Strähnen zu vergraben, die Nejis Gesicht einrahmten. 

 

Nur dieses eine Mal…bevor ich gezwungen bi-

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er unterbrach kopfschüttelnd den Kuss. Neji legte zaghaft eine Hand an seinen Kiefer und zog ihn zurück; sanft und weich, zog Seide und Verführung über Shikamarus Verstand und legte einen Schleier über all die Warnungen.

 

Der Kuss war langsam, suchend – und er erschütterte ihn. 

 

Mit jedem Neigen ihrer Köpfe, atmeten sie zitternd aus, bebend vor Zurückhaltung. Und sich zurückzuhalten war noch nie zuvor so verdammt qualvoll gewesen. Shikamarus Finger krallten sich in die Mokkasträhnen, als sich Nejis Finger gegen die Höhlenwand neben seinem Kopf krümmten. Ihre freien Hände suchten Anker und packten sich gegenseitig hart genug, um Quetschungen zu verursachen, nur um gleich darauf zaghaft den Schmerz fort zu streicheln. 

 

Es war wahnsinnig, wie ein Gift und eine Heilung; alles gemeinsam in einen Kuss eingehüllt.

 

Shikamaru verlor den Sinn für Raum und Zeit, kannte einzig und allein den spärlichen Abstand, der jedes Mal zwischen ihren Lippen existierte, wenn sie ihre Köpfe in die andere Richtung neigten und sich ihre Münder erneut trafen. Wieder und wieder, bis die Küsse an andere Orte wanderten und Lippen über die Linien hoher Wangenknochen und scharfer Kieferlinien strichen; den Schatten nachjagend, die über das Gesicht des jeweils anderen huschten. 

 

Nur dieses eine Mal…

 

Doch der kalte Stahl von Nejis Stirnband biss sich gnadenlos in den Moment.

 

In dem Augenblick, in dem das Hitai-ate seine Stirn berührte, kam die Realität mit einem harten Schlag zurück zu Shikamaru und seine Augen flatterten auf. 

 

Er sah, dass die von Neji geschlossen waren. 

 

Ein schmerzerfüllter Ausdruck hatte sich zwischen die Brauen des Hyūgas gegraben. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und Besorgnis verdunkelte sein Gesicht. Vorsichtig strich er mit einem Daumen über Nejis Kiefer. „Neji.“

 

„Du hast einmal gesagt, dass Gefühle das, was wir tagtäglich tun, erträglich machen.“, wisperte Neji gepresst, sein Kiefer spannte sich an, auch wenn er sich nicht gegen die Berührung wehrte. „Gott, aber du liegst so falsch…“

 

„Neji…“

 

„Sie machen es unausstehlich.“

 

Shikamaru blinzelte langsam, legte seine Hand in Nejis Halsbeuge und drückte leicht. „Also willst du sie lieber vollkommen unterdrücken?“

 

Auf die Gefahr hin, dein verdammtes Leben zu verlieren…

 

Nejis Lider glitten auf und er starrte hart gegen Shikamarus Kehle, um die Augen des Nara zu meiden. 

 

„Sie mögen vielleicht dich und die anderen stark machen…aber mich machen sie schwach.“ Neji schluckte und schüttelte den Kopf, seine Stimme ein bitteres Wispern. „Und so bin ich niemandem von Nutzen.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich scharf zusammen und zaghaft massierte er Nejis Schulter. „Von Nutzen? Glaubst du wirklich, dass mich das interessiert?“

 

„Es ist irrelevant.“ Neji schloss wieder die Augen. „Es kümmert mich nicht, was dich interessiert.“

 

Die Worte trafen einen rohen Punkt in ihm, von dem sich Shikamaru gar nicht bewusst gewesen war, dass er ihn verteidigen sollte.

 

Seine Hand an der Schulter des Hyūga erstarrte, bevor sie sich wieder anspannte; er konnte den Drang, den Jōnin heftig zu schütteln, kaum unterdrücken. „Aber es kümmert dich, was mich nicht interessiert, oder?“

 

„Was?“, murmelte Neji und hätte sich vermutlich genervt angehört, wenn er nicht einfach nur vollkommen erschöpft klingen würde, als er den Kopf schüttelte. „Hör auf, Nonsens zu reden.“

 

Shikamaru packte sein Kinn und ruckte hart genug daran, um diese blassen Augen dazu zu zwingen, aufzufliegen und seinem Blick zu begegnen. 

 

„Die Dinge, von denen du denkst, dass sie mich interessieren sollten, wie vorwärts zu kommen, es zum Jōnin zu schaffen, sich weiter zu entwickeln, ANBU. Das ist sicherer Boden für dich, oder nicht?“ Auch Shikamaru schüttelte den Kopf. „Du bist an solchem Mist interessiert. Ich nicht.“

 

Neji biss die Zähne zusammen, doch der Zorn erreichte seine Augen nicht. „Worauf willst du hinaus?“

 

Scheiße…

 

Shikamaru hatte darauf keine Antwort, die die Dinge nicht noch komplizierter machen würde und so entschied er sich für eine ungeplante Erwiderung; er presste sie hervor, bevor er sich auf die Zunge beißen konnte. 

 

„Vermutlich, dass ich aus keinem anderen Grund ein Teil hiervon bin, als einfach nur ein Teil davon sein zu können.“, murmelte er stirnrunzelnd. 

 

„Was zur Hölle soll das denn jetzt wieder bedeuten?“

 

Ich weiß es nicht…ich will es nicht wissen…ich kann nicht…

 

„Gute Frage. Wenn du es herausgefunden hast, dann lass es mich wissen.“, seufzte Shikamaru und ließ seine Hand von Nejis Kinn fallen. „Der Versuch, zu dir durchzudringen, verschafft mir eine gottverdammte Migräne.“

 

Neji schnaubte und stieß sich von seiner Handfläche ab, um sich zurückzuziehen. „Das beruht vollkommen auf Gegenseitigkeit.“

 

Die abrupte Distanz, die sich zwischen ihnen auf tat, fühlte sich kalt an. 

 

„Gegenseitigkeit?“, echote Shikamaru mit brüchiger und trockener Stimme. „Na sieh mal einer an, wir machen eine Entwicklung…“
 

Sofort war Neji wieder zurück. Seine Hand donnerte in den Fels neben Shikamarus Kopf und klatschte laut genug dagegen, um ein Echo zu erzeugen. Shikamaru zuckte mit keiner Wimper. 

 

„Hör auf, Witze zu machen!“, zischte der Hyūga.

 

„Diese ganze Sache ist ein verfickter Witz.“, fauchte Shikamaru zurück, sein Gesicht nur wenig kontrollierter als seine Stimme. „Das hätte nicht passieren sollen.“

 

„Zumindest dabei sind wir einer Meinung.“, knurrte Neji und stieß sich brutal genug ab, dass er gestolpert wäre, wenn er sich nicht so gottverdammt schnell und anmutig bewegen könnte. 

 

Der Jōnin verschwand außer Reichweite und bewegte sich weit genug fort, um Shikamaru spüren zu lassen, dass sich mehr als nur Kälte zwischen sie schob. So schnell, wie die Flut sie zueinander gezerrt hatten, verwandelte sie sich in eine Ebbe, riss sie auseinander und trieb sie voneinander fort. 

 

Verdammt…

 

Shikamaru seufzte und lehnte sich nach vorn, um seine Ellbogen auf den Knien abzustellen und sich mit den Händen durchs Gesicht zu fahren, bevor er seinen Kopf so hart umklammerte, dass seine Knöchel weiß hervor traten. 

 

Fuck.

 

Er hörte, wie Neji auf und ab schritt, wie etwas Eingesperrtes. Zornig, verwirrt, vermutlich ebenso verknotet in seinem Inneren wie sich Shikamaru fühlte. Der Chūnin wollte entschwinden wie ein Schatten; außer Sicht gleiten und sich in Schwarz fallen lassen. Unkompliziertes, simples Schwarz. Nicht dieser graue Bereich, den sie erschaffen haben. Er wollte einfach nur Reißaus nehmen. Und er sollte eigentlich gut darin sein. 

 

Neji fuhr fort, weiter auf und ab zu tigern, seine Schritte zogen sich zornig immer weiter zurück.

 

Gut. Diesmal wirst verfickt nochmal du davon laufen…

 

Er hörte, wie sich Nejis Geschwindigkeit verlangsamte, als sich die Schritte des Hyūga änderten – zusammen mit seiner Richtung. 

 

Doch es war nicht zur Tür. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru musste nicht den Blick heben, um zu wissen, dass Neji ihn beobachtete. Und nur das Wissen darüber war genug, dass sich seine Brust zusammenzog. Er hatte gedacht, dass der Stolz des Hyūgas zu diesem Zeitpunkt das Ruder übernehmen und den Jōnin fort treiben würde. Shikamaru hatte darauf gezählt; denn es war die eine Sache, zu der er sich selbst nicht bringen konnte und das trotz all der Schwierigkeiten, die es ihm einbrachte. 

 

Verdammt…lauf davon…

 

Doch Neji ging nicht. 

 

Tatsächlich hätte der Hyūga vermutlich einen Schritt vorwärts getan, doch es war unmöglich, sich dessen sicher zu sein, denn das Schlurfen sich nähernder Füße erklang hinter der Tür. Neji erstarrte. Und ein paar Sekunden später hörte Shikamaru das schwere Holz mit einem leichten Schauer aus Sand und Staub ächzen.

 

Er ließ die Hände sinken und hob den Blick, als Sakura den Kopf herein steckte. 

 

„Hibari ist wach.“

 
 

xXx
 

 
 

Der Rotschopf bewegte schweigend seinen Kiefer und betastete vorsichtig das Gelenk, in dem Narutos Faust eingeschlagen war. Die Verfärbung hatte bereits eingesetzt und die verletzte Haut sah mehr als nur ein bisschen schmerzhaft aus. 

 

Shikamaru hätte es nicht weniger kümmern können.

 

Der Schattenninja stand dem Tsubasa gegenüber und lümmelte sich träge gegen eine der Loren, die Arme locker vor der Brust verschränkt und mit einem Ausdruck auf den Zügen, der dem kalten Fels um ihn herum Konkurrenz machte; sein Gesicht verblieb hart und unlesbar. Hibari jedoch hätte vermutlich Schaum vor dem Mund und tollwütig um sich geschlagen, wenn er den Freiraum dazu gehabt hätte. Shikamaru beobachtete, wie der Rotschopf die Fesseln testete, die seine Handgelenke und Füße zusammenhielten; seine Miene wurde mörderisch. 

 

„Jo, die kommen so schnell auch nicht weg.“, warnte Shikamaru mit flacher Stimme. 

 

Hibari spie aus und seine Augen verengten sich zu grauen Schlitzen. „Fahr zur Hölle.“

 

Ich werde dir sogar einen Platz freihalten…

 

Shikamaru hob eine Braue. 

 

Hibari gab es auf, nach Schwachstellen in seinen Fesseln zu suchen. Er schnitt sich nur ins eigene Fleisch, indem er sich um eine Flucht bemühte, von der Shikamaru sogar versucht war, sie ihm zu gewähren; und wenn nur, um zu sehen, wie Naruto den Kerl wieder ausknockte. Geduldig wartete er darauf, dass der Rotschopf wieder zu ihm aufsah. Und als der Mann das tat, wanderten Hibaris Augen über ihn und begutachteten ihn, bevor der Tsubasa schnaubte. 
 

„Du solltest eigentlich aufgespießt sein.“, murmelte Hibari und schwang mit einem Rucken des Kopfes sein langes Haar aus dem Gesicht. 

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Glücksrettung, oder?“

 

„Tz. Scheinbar.“

 

„Du hast da ein ziemlich beeindruckendes Netzwerk, das für dich arbeitet.“

 

„Beeindruckend genug, dass sie euch gebraucht haben, um uns zu finden.“

 

„Wie viele sind ‚uns‘?“, fragte Shikamaru und seine Augen verengten sich. 

 

Hibari ließ ein spottendes Geräusch hören und seine grauen Augen zuckten über Shikamarus Schultern zu den Schatten an der Rückwand der Höhle. „Hn. Als würde ich euch irgendetwas erzählen.“

 

Mann, das nervt…

 

Shikamaru rollte seufzend mit den Schultern und bereitete sich auf das unausweichliche Spiel vor, in das er gezwungen wurde. Er schüttelte den Kopf, schloss die Lider und begann.

 

„Wie es scheint hast du ja einen guten Teil ihrer Militärfraktionen mit dir genommen, als du übergelaufen bist.“

 

„Ist es das, was sie euch erzählt haben?“, fragte Hibari beinahe herablassend. 

 

„Ja. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich ihnen diese Geschichte wirklich abkaufe.“ Shikamarus Augen glitten auf und richteten sich auf Hibaris gezacktes Schwert auf der anderen Seite der Höhle. „Wenn eure militärische Stärke so groß wäre, dann wärt ihr niemals das Risiko eingegangen, dass sie sich Verstärkung holen. Ich hättet etwas unternommen, bevor Konoha Shinobi kommen und euch aufspüren.“

 

„Was ihr ein bisschen zu gut angestellt habt.“, knurrte der Rotschopf und folgte Shikamarus Blick zu dem Schwert. 

 

„Gut genug.“, erwiderte Shikamaru und sah den Mann an. „Nach den Berichten und vergangenen Bemühungen zu schließen, sind deine Rebellen nicht leicht festzunageln oder hervor zu locken.“

 

Hibari musterte ihn für einen Moment. „Ich bin überrascht, dass ihr nicht versucht habt, unsere Tunnel zu fluten oder zu vergasen, so wie sie es getan haben.“

 

Shikamaru zuckte erneut mit den Achseln. „Warum euch mit etwas konfrontieren, auf das ihr bereits vorbereitet seid? Ich dachte mir, dass wenn ihr klug genug wart, ihnen so lange zu entgehen, ihr auch klug genug sein würdet, um für diese gravierenden Schwachstellen in eurem Netzwerk gewappnet zu sein. Und dann wäre da auch noch die Tatsache, dass ihre Barrierejutsus errichtet habt; vermutlich um Veränderungen in eurem System vorzunehmen, nachdem ihr ja in der Lage wart, eure Bewegungen zu verschleiern.“

 

Shikamaru machte eine Pause und ließ seine Worte sacken, während Hibari ihn mit kaltem und hartem Argwohn beäugte; sein verletzter Kiefer verkrampfte sich. Ganz offensichtlich war er am Kalkulieren. Doch angesichts von Hibaris Mangel an Optionen und seiner derzeitigen Position, machte sich Shikamaru nicht die zusätzliche Mühe, irgendetwas mehr aus den Zügen des Mannes herauszulesen. Er wusste, dass Neji sie aus den Schatten heraus beobachtete und jede Nuance von Hibaris Miene oder seinen Bewegungen studierte. 

 

„Lass mich raten.“, fuhr Shikamaru fort. „Ihr habt Schilde, die euch vor Explosionen schützen und Massen Drainagen? Ich wäre auch nicht überrascht, wenn ihr die verschiedenen Gesteinsablagerungen ebenfalls zu eurem Vorteil nutzen würdet. Dann wäre da ein Reserve Ventilationssystem und eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Fluchtweg, der euch aus Hanegakure heraus führt.“ Shikamaru seufzte und klang dabei gelangweilt. „Ja also, ich könnte noch weiter machen, aber das weißt du ja alles schon, also lass uns doch einfach zum Punkt kommen.“

 

Hibari grinste; ein widerwilliges Aufflackern von etwas, das Respekt sein könnte, berührte seine Augen, als er sich zurück lehnte. „Exzellent deduziert, ich bin wirklich beeindruckt. Das macht dich wohl zum Hirn dieser ganzen Operation, hmn?“

 

Shikamaru ließ sich zu keiner anderen Antwort auf dieses Lob herab, als die Worte direkt zurückzugeben. „Ich wollte dich dasselbe fragen. Gemessen an dem, was ich gerade gesagt habe, bist du nicht dumm. Aber wenn man bedenkt, dass du vorhin einen draufgängerischen Angriff gestartet hast, ohne auch nur einen Gedanken an eine Strategie zu verschwenden, beginne ich zu glauben, dass du wohl doch nicht so clever bist, wie ich es dir zugetraut hatte.“

 

Sehr zu Shikamarus Interesse, reagierte der Mann keineswegs explosiv. Tatsächlich beäugte ihn der Tsubasa mit wachsender Ruhe. 

 

„Und dennoch bin ich immer noch am Leben, was bedeutet, dass ihr Antworten braucht.“, erwiderte Hibari; seine Stimme war nun beständiger und brachte sie auf das gleiche Level. „Du bist schlau, aber du bist nicht so gut informiert, oder?“

 

„Ich bin im Moment trotzdem lieber ich als du.“ Shikamaru grinste und tastete sich vorsichtig voran. 

 

Hibari sah beinahe amüsiert aus. „Dann bist du wohl in jeder Hinsicht ein Glückspilz, oder?“

 

Okay, auf dieser Ebene kann ich gut mit ihm reden.

 

„Muss wohl so sein.“ Shikamaru nickte. „Wie ich bereits gesagt habe, dein Untergrundnetzwerk ist ziemlich beeindruckend.“

 

„Verzweiflung lässt uns kreativ werden.“

 

„Verzweiflung, huh?“

 

Hibari ließ den Blick vielsagend durch die Höhle wandern. „Wir sind gezwungen, unter der Erde herum zu kriechen wie Würmer; wenn das nicht verzweifelt ist, was denn bitte dann? Denkst du ernsthaft, dass wir so leben wollen?“

 

„Als würde uns das interessieren.“, murrte Kiba aus den Schatten.

 

Shikamaru sträubte sich innerlich gegen diesen dämlichen Kommentar. Er wollte den Tsubasa jetzt nicht schon wieder anpissen; gerade als er es geschafft hatte, ihn zu beruhigen. Hibari gab jedoch gerade mal ein halbherziges Schnauben von sich und richtete seinen grauäugigen Blick in die grobe Richtung, aus der Kibas Stimme gekommen war. 

 

„Hn. Ja, ich dachte mir, dass euch Konoha Ninjas das einen Scheiß interessiert.“, raunte der Tsubasa.

 

Shikamaru blieb keine Zeit, Hibaris Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. 

 

„Wir wären nicht hier, wenn wir diese Situation nicht lösen wollen würden.“, sagte Neji und trat einen Schritt nach vorn, bis das Licht des Feuers über eine Hälfte seines Körpers spielte und den Rest davon in Schwarz tauchte. 

 

Die unheimliche Vision war genug, um eine abrupte Veränderung auf Hibars Gesicht auszulösen. „Du!“

 

Shikamaru runzelte die Stirn. 

 

Kiba schnaubte. „Whoa, Hyūga, dieser Kerl mag dich wirklich überhaupt nicht.“

 

„Habe ich bemerkt, danke.“

 

„Nein, ich meine, er mag dich wirklich so gar nicht.

 

Shikamaru warf Kiba einen subtil drohenden Blick zu, den Akamaru zuerst auffing. Der Hund winselte leise und Kiba wurde still. Wie gut, dass Hinata nicht hier war, denn ansonsten hätte der Alpha-Modus des Inuzukas vermutlich viel üblere Kopfschmerzen ausgelöst, als Shikamaru tolerieren wollte. Der Nara richtete seinen Fokus zurück auf den Gefangenen. 

 

Doch Hibari hielt den Blick starr auf Neji gerichtet und Funken seines vorherigen Zorn flammten in seinen Augen auf. „Ihr wollt diese Situation wegen eures eigenen Vorteils lösen.“
 

„Frieden ist zu jedermanns Vorteil.“, argumentierte Neji.

 

„Ich wette, dass sie euch in dem Glauben gelassen haben, dass es genau das ist, was sie auch wollen, oder?“, schnaubte Hibari mit deutlich ätzender Stimme. „Meine Mutter ist sehr gut im Manipulieren. Natürlich habt ihr ihr geglaubt.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Soll das heißen, dass ihr Rebellen für Frieden kämpft? Außer natürlich du bist wirklich der machthungrige Verräter, von dem Kitori sagte, du wärst es.“

 

Hibari riss seine Augen lange genug von Neji los, um Shikamaru einen vernichtenden Blick zuzuwerfen, der absolut keinen Effekt auf den Nara hatte. 

 

Dann wandte Hibari den Kopf ab. „Ich bin mir sicher, dass ihr das geglaubt habt.“

 

„Du tust dir selbst nicht gerade einen Gefallen, indem du nicht das Gegenteil beweist.“

 

Hibari ruckte mit dem Kinn zu den Fesseln an seinen Händen und Füßen „Ihr haltet mich gefangen und erwartet von mir, auf zivilisiertem Boden zu bleiben? Glaubst du im Ernst, dass ich mit euch verhandeln werde?“

 

„Verhandeln?“ Shikamarus Lippen hoben sich leicht, doch seine Augen waren tot für den Humor. „Nein, ich denke, dass du unsere Fragen beantworten wirst, wenn dein Leben dir mehr bedeutet als deiner Mutter.“

 

Das ließ Hibari bitter grinsen. „Wie wahr.“

 

„Was wollen du und deine Rebellen, Tsubasa?“, fragte Neji und bewegte sich mehr ins Licht. 

 

Shikamaru beobachtete die erneute abrupte Veränderung des Rotschopfes.

 

„Für den Anfang deinen Kopf.“, zischte Hibari.
 

„Das war’s!“, schnappte Naruto zornig und marschierte mit knackenden Knöcheln aus der Dunkelheit auf den Tsubasa zu. 

 

Shikamaru drehte sich nicht einmal um. „Naruto, bleib wo du bist.“

 

„Auf keinen Fall.“, grollte der Uzumaki, blieb aber neben Shikamaru stehen. „Ich werde nicht einfach zuhören, wie dieser Trottel schon wieder einen von uns bedroht, wenn er derjenige ist, den wir fertig machen sollten.“

 

Shikamaru blendete das zornige Gezeter vollkommen aus, sein Blick blieb stur auf Hibari gerichtet, als der Tsubasa hart Neji anstierte und jede Unze Gift in seine nächsten Worte legte. 

 

„Auge um Auge, Hyūga. Und Ich rede nicht von deinem Dōjutsu.“

 

Nejis Antwort war sehr leise. „Deine Schwester…“

 

„Du hast sie ermordet.“

 

„Und du hast an ihr herum experimentiert!“, bellte Naruto laut und stach mit einem Finger heftig in Hibaris Richtung. 

 

Die Augen des Tsubasa weiteten sich und zuckten herum, während sie angesichts dieser Anschuldigung Feuer fingen. „Was?“

 

„Kitori sagte, dass du und dein Vater sie für die Prozeduren zur Chakraverdichtung missbraucht haben.“, sagte Sakura ernst; ihre Stimme erscholl von irgendwo links aus der Höhle. 

 

„Und ihr habt ihr geglaubt.“, fauchte Hibari den Schatten entgegen. 

 

Shikamaru rollte mit den Augen. „Statt dich wie ein kaputter Plattenspieler zu benehmen und dauernd nur diesen ‚und ihr habt ihr geglaubt‘ Mist von dir zu geben, warum erklärst du dich nicht einfach? Hast du irgendwelche Beweise, aus denen wir ihr nicht glauben sollten?“

 

„Meine Schwester war dieser Beweis.“ Hibaris Stimme wurde leiser und seine Augen zuckten zu Neji. „Toki war auf dem Weg zu euch, um Hilfe zu suchen und du hast sie umgebracht.“

 

Shikamaru legte den Kopf schief. „Und weißt du was das Komische ist? Angeblich kam sie zu uns, um dichaufzuhalten.“

 

Die Transformation in Hibari wäre apoplektisch gewesen, wenn der Rotschopf nicht gefesselt wäre. „Nein! Das ist es, was sie euch glauben lassen wollen! Meine Schwester und ich waren Teil der Rebellion gegen unsere Eltern und Ozuku!“

 

Sakura trat ein paar Schritte nach vorn. „Aber Kitori ist deine Mut-…“

 

„Meine Mutter kam, um mich zu jagen und zu töten.“, fauchte Hibari mit gebleckten Zähnen. „Meine Mutter hat es zugelassen, dass mein Vater meine Schwester Ozuku für diese kranken Experimente übergeben hat.“

 

„Für die Chakraverdichtungen, nicht wahr?“, klarifizierte Sakura. „Um diese Pillen zu entwickeln?“

 

Hibaris Lider pressten sich fest aufeinander. „Ja. Toki, wenn auch nur auf Genin Level, verfügte über herausragende Chakrakontrolle.“

 

Die Seite von Narutos Faust hämmerte gegen die Höhlenwand. „Und das ließ sie denken, es wäre in Ordnung, Experimente an ihr durchzuführen?!“

 

Hibaris Augen glitten auf und sein Zorn erstarb unter seinem Kummer. „Es war ihnen egal – sie mussten diese Chakrapillen entwickeln.“

 

Shikamaru warf Neji einen Seitenblick zu. Die Miene des Hyūgas war finster und seine blassen Augen suchten Hibaris Gesicht aufmerksam nach einer Täuschung ab. Shikamaru wandte sich wieder seiner Aufgabe zu. 

 

„Sie brauchten diese Chakrapillen für das verbotene Clanjutsu, stimmt’s?“

 

„Ja.“, krächzte Hibari und schluckte, während er den nassen Glanz aus seinen Augen blinzelte. „Ich schätze mal, dass Ozuku euch zumindest so viel erzählt hat. Aber ich wette, er hat euch nicht erzählt, dass er derjenige ist, der dieses Jutsu wirkt, nicht wir.“

 

„Und Kitori?“, presste Neji weiter.

 

„Sie unterstützt ihn dabei.“

 

„Warum?“ Naruto schüttelte den Kopf. „Warum sollte sie solche Widerlinge unterstützen?“

 

Die Frage diente ihrer Sache und so überließ Shikamaru Naruto die sprichwörtliche Bühne. Die ganze Zeit über musterte der Nara Hibaris Gesicht und registrierte die Bitterkeit und den Schmerz, die in jeder Neigung seiner Züge Wurzeln schlugen. 

 

„Weil es ihre Pflicht ist, gehorsam zu sein und sich dementsprechend zu verhalten.“, murmelte der Rotschopf kopfschüttelnd. „Das ist es, was Tsubasa Shinobi tun. Wir verhalten uns wie ein Schwarm und fügen uns ohne Fragen zu stellen in die Formation ein – es ist der Weg, der uns zu Füßen gelegt wurde.“

 

„Euch zu Füßen gelegt wurde?“, fragte Shikamaru. 

 

Hibari nickte. „Ja. Von eurem ersten Hokage.“

 

„WAS?“

 

Shikamaru riss die Schulter hinauf zu seinem Ohr, als Narutos Stimme wie Kanonenfeuer losging, von den Wänden der Mine widerhallte und sich mit einem Echo in den Tunneln verlor. Er hob eine Hand, um die Schulter des Uzumaki zu packen und ihn einen Schritt nach hinten zu ziehen, um ihn zu beruhigen. 

 

„Naruto, ganz ruhig.“

 

„Warum zur Hölle bist du so überrascht?“ Die dramatische Reaktion ließ Hibari die Stirn runzeln. „Es ist in unseren Tempel eingraviert. Die Worte eures ersten Hokage.“

 

Shikamaru erhielt nicht die Gelegenheit, nachzufragen. Neji kam ihm zuvor und sprach die Worte leise. 

 

„‘Diejenigen, die vom Pfad der Gerechtigkeit abweichen, sind ohne Mut, aber unter der Fittiche eines starken Anführers kann Feigheit nicht überleben.‘ Es steht auf der Plakette unter dem Monument von Kin-Washi.“, sagte Neji und spähte zu Shikamaru hinüber, bevor er fortfuhr. „Der Goldene Adler. Kitori hat mir den Tempel gezeigt. Ich wusste, dass ich diese Worte schon einmal gehört habe.“

 

„Ja, ich glaube sofort, dass sie dich auf einen verkürzten Dorfrundgang mitgenommen hat.“, knurrte Hibari mit finsterer Miene, bevor er sich wieder unter Kontrolle brachte. „Wie auch immer, diese Worte sind das fundamentale Prinzip unseres Clannamens und -weges. Flügel, Stärke und Macht.“

 

Shikamaru spürte, wie Naruto genug empörte ‚Macht‘ verströmte, um die Grundfesten dieser Höhle zu erschüttern. Prüfend sah er aus den Augenwinkeln zu dem Uzumaki hinüber; bereit, jederzeit einzuschreiten.

 

Narutos düsterer Blick übertraf den von Hibari. „Aber Hanegakure hat die Bedeutung der Worte unseres Hokage völlig verdreht!“

 

„Völlig und durch und durch verdreht.“, stimmte Hibari zu. „Über Generationen hinweg, haben die Anführer aus diesen Worten herausgelesen, was sie wollten und vergaßen dabei vollkommen Gerechtigkeit…was letztendlich darauf hinauslief, dass man einen Anführer hat, der keinerlei Form von Feigheit toleriert.“

 

„Tyrannei.“, fasste Sakura zusammen und trat an Nejis Seite. 

 

Hibari nickte. „Und der einzige Weg, diese Regel aufrecht zu erhalten, ist, indem man noch stärker wird.“

 

„Aus diesem Grund waren dein Onkel und Vater hinter den Kekei Genkai von Konoha her.“, schloss Neji. 

 

„Ja. Deshalb haben meine Schwester und ich die Widerstandsgruppe tief im Untergrund formiert.“ Hibari hielt inne und atmete langsam ein, bevor er weiter sprach. „Unsere Tsubasa Rebellen versuchen, Hanegakure Frieden und Freiheit zurück zu geben, nicht, es zu zerstören.“

 

Scheiße…

 

Shikamaru seufzte und legte seine Handflächen auf dem Rand der Lore ab. Die Informationen nahm rasch ihren Platz in seinem Verstand ein, doch es war noch immer nicht genug. Er spähte durch die Höhle. Nejis Miene ließ darauf schließen, dass er in dieselbe Richtung dachte, oder zumindest glaubte Shikamaru das, bis er im Licht der Laterne einen besseren Blick auf das Gesicht des Hyūgas erhaschen konnte. 

 

Hätte er nicht inzwischen gelernt, die subtilen Veränderungen in Nejis Zügen lesen zu können, wäre es ihm entgangen. Doch es war unverkennbar, dass sich der Hauch von Schmerz um seine Augen und die Andeutung verletzter Verwirrung durch die kalte Maske des Jōnins drängten. 

 

Es überraschte Shikamaru; auf eine ausgesprochen törichte und seltsam beschützen wollende Weise. 

 

Neji blinzelte und schüttelte den Kopf. „Aber Kitori…“

 

Mit einem Schnauben schnitt Hibari dem Hyūga das Wort ab. „Kitori hat uns einfach nur ausgeliefert. Also haben sie sich meine Schwester geschnappt, als ich nicht da war, um sie zu beschützen und haben an ihr herum experimentiert.“

 

Neji schüttelte erneut den Kopf, sah nicht länger Hibari an; er sah niemanden mehr an. „Aber sie war schwanger…“

 

Was?

 

Shikamaru riss die Augen weit auf und die Luft verließ ihn so heftig, als hätte er einen Schlag auf das Brustbein bekommen. Energisch ignorierte er die anderen scharf eingezogenen Atemzüge, die in der Höhle erschollen und starrte zu Neji; versuchte angestrengt, diese blassen Augen zu sich zu ziehen. Sein Hirn raste bereits die Reihe aus Ereignissen entlang, blätterte eine Erinnerung nach der anderen um. Und dann erschien ihm die Erinnerung an einen sehr betrunkenen Neji, ausgestreckt auf feuchtem Gras, der in den Nachthimmel stierte und dessen Lippen sich in einem Bogen bewegten, um die Worte zu formen…

 

‚Sie war schwanger…und es ist gestorben…“

 

Shikamarus Augen wurden noch größer. 

 

Er hatte sich nichts weiter bei diesen Worten gedacht, als Neji sie ausgesprochen hatte. Er wusste, dass sein Verstand sie katalogisiert hatte, doch er hatte keinen Sinn darin gesehen, etwas weiter zu examinieren, das zu diesem Zeitpunkt in keinerlei Kontext stand und nicht sein Problem war. Doch jetzt traf ihn Verständnis eher wie ein elektrischer Schock als eine Glühbirne über seinem Kopf. Es ließ Shikamaru innerlich zusammenzucken. Die Erkenntnis darüber, warum sich Neji nach dieser Mission in so einem seltsamen Zustand befunden hatte. 

 

Scheiße…verdammt, Neji…es war nicht deine Schuld.

 

Hibari ergriff erneut das Wort und zwang Shikamaru dazu, seinen Blick von dem Hyūga fort zu reißen.
 

„Ich habe es nie geschafft, mich bis zu meiner Schwester durchschlagen zu können, sie war zu gut bewacht. Die einzige Möglichkeit, den Experimenten zu entgehen, war, schwanger zu werden.“

 

„Natürlich.“, sagte Sakura traurig. „Föten interferieren mit den Chakraleveln.“

 

„Ganz genau. Aber bevor sie das Kind abtreiben konnten, hat sie die verbotenen Schriftrollen unseres Clans gestohlen und ist geflohen.“

 

Neji stierte auf die Schatten an der Wand. „Und Kitori wusste, dass ihre Tochter schwanger war…“

 

„Ja, meine Mutter hat nicht nur ihre Kinder betrogen.“, zischte Hibari. 

 

„Aber…“, begann Sakura, hielt dann aber inne und schüttelte den Kopf, während sie zu Shikamaru sah. 

 

Der Nara traf ihren Blick und zuckte mit den Achseln; er wusste nicht, was sie von ihm erwartete, das er zu Kitoris Verteidigung sagen sollte. Er hegte keinerlei Absichten, auch nur einen Dreck auf die Entschuldigungen oder Beweggründe dieser Frau zu geben – auf dieser Ebene, waren sie ohnehin vollkommen irrelevant. 

 

Sakura runzelte die Stirn und spähte wieder zu Hibari. „Aber als Kitori über diese Sache gesprochen hat, über dich und ihre Tochter, war sie ganz eindeutig aufgebracht und emotional betroffen.“
 

Hibaris Braue wanderte nach oben. „Na und? Sie hat ein paar Krokodilstränen vergossen. Als würde das irgendeinen Unterschied machen. Sie hat ihr Nest und ihre Brut verlassen, oder was auch immer.“

 

„Das ist Schwachsinn.“, fauchte Kiba und Akamaru unterstützte ihn mit einem Knurren. „Nicht einmal Tiere lassen ihren Nachwuchs auf so eine Weise einfach zurück.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Manche schon.“

 

„Zu wahr.“ Hibaris Miene wurde düster. „Immerhin ist das Hanegakures Nindo.“

 

„Seine eigenen Kinder im Stich zu lassen?“, würgte Naruto heiser hervor. 

 

„Den Schwarm – nicht die Nestlinge – vor alles andere zu stellen.“

 

„Das ist doch ein Haufen Scheiße!“ Naruto explodierte – und zwar direkt in Shikamarus Ohr. „Was für ein gottverdammt abgefucktes Dorf ist das denn?“

 

„Warum glaubst du eigentlich, dass wir eine Rebellion formiert haben?“, seufzte Hibari. „Ich war zu spät, um meine Schwester retten zu können, aber ich werde nicht zulassen, dass sonst noch jemand in unserem Dorf leidet.“

 

Shikamaru rieb sich über die Schläfe und fragte sich, ob sein Trommelfell wohl perforiert war, bevor auch er seufzte und sein dunkler Blick scharf wurde. „Warum hat deine Schwester diese Schriftrollen nach Konoha gebracht? Warum die Dinger nicht einfach zerstören, wenn sie sie schon bei sich hatte?“

 

„Weil wir einen Beweis für das verbotene Jutsu unseres Clans brauchten, um eure Unterstützung zu gewinnen. Wir hatten vor, direkt zu eurer Hokage zu gehen und sie um Hilfe zu bitten. Und wir wollten euch vor den Intentionen meines Vaters und Onkels warnen, dass sie Kekkei Genkai aus Konoha sammeln wollten und dafür geplant hatten, das verbotene Jutsu anzuwenden.“

 

Shikamaru brummte. „Aber dein alter Herr war schneller.“

 

Hibari nickte. „Indem wir die Schriftrollen gestohlen haben, gaben wir Fukurō die Gelegenheit, sich ebenfalls an euch zu wenden.“
 

„Und er war bei uns, bevor deine Schwester es schaffen konnte.“, sagte Neji leise. 

 

„Und brachte uns dazu, zu glauben, dass ihr der Feind seid.“, fügte Shikamaru hinzu und neigte den Kopf Hibari entgegen. „Super.“

 

Hibaris Kiefer zuckte, seine Augen brannten vor kontrolliertem Zorn. „Er hat euch angeheuert, uns auszulöschen, bevor wir euch die Wahrheit erzählen konnten. Und bis Toki euch erreicht hatte, wart ihr bereits unser Feind. Alles was sie noch versuchen konnte, war, diese Schriftrollen zu beschützen.“

 

Shikamarus Blick wanderte zu Neji, als der Hyūga den Kopf schüttelte. 

 

„Sie hatte nicht die geringste Chance…“, murmelte Neji.

 

„Nein, dank dir hatte sie das nicht.“, schnappte Hibari.

 

Shikamarus Kopf zuckte angesichts dieser Worte scharf herum, doch Narutos Stimme donnerte über alles, was er möglicherweise darauf gesagt hätte. 

 

„Hey!“, knurrte Naruto und marschierte vorwärts, um Hibari an seinem Netzhemd zu packen und ihn nach oben zu zerren, bis sich ihre Nasen beinahe berührten. „Sag das noch mal und ich pulverisiere dich.“

 

Neji blinzelte langsam, seine Stimme war distanziert; weit entfernt. „Naruto…“

 

„Nein! Es ist nicht deine Schuld, dass sie uns nicht als Erstes erreicht hat!“ Naruto beugte sich weiter nach vorn und seine blauen Augen blitzten auf. „Es ist mir völlig gleich, ob wir jetzt möglicherweise auf derselben Seite stehen; wenn du noch einmal deinen Mund für solche Worte aufmachst, dann werde ich dir den Kiefer das nächste Mal brechen.“

 

Hibari legte den Kopf schief und ernüchterte ein wenig. „Hn. Loyalität. Das zumindest kann ich respektieren.“

 

Shikamaru machte diesmal keinerlei Anstalten einzuschreiten, sein Blick war wieder auf Neji gerichtet. Der distanzierte Ausdruck in den Augen des Jōnin war für ihn so viel verstörender als Narutos Zorn. 

 

Naruto schnaubte und schubste Hibari von sich, als er sich zurückzog. „Ich meine es ernst.“

 

„Hibari.“, ergriff Shikamaru das Wort und zog seine Aufmerksamkeit widerwillig wieder zu dem Tsubasa. „Wenn das, was du sagst, wahr ist, warum zur Hölle hat Fukurō dann zwei Monate später unser Dorf angegriffen? Wenn er und Ozuku uns in dem Glauben lassen wollten, dass sie die Guten sind, dann hat das seine Täuschung ziemlich auffliegen lassen, oder nicht?“

 

Hibari kicherte trocken. „Ich habe nie gesagt, dass mein alter Herr clever war. Ozuku ist das Hirn, mein Vater war die Muskeln. Fukurō wollte nichts weiter als Macht. Und ganz offensichtlich hat euer Hyūga hier,“ Er ruckte mit dem Kopf zu Neji hinüber, „ihn ziemlich beleidigt, weswegen er ihn als Opfer ausgewählt hat. Wollte das Dōjutsu wohl selbst einsammeln.“

 

„Und hat ordentlich den Hintern versohlt bekommen.“, lachte Naruto.

 

Hibari grinste leicht. „Sehr gut.“

 

„Also haben Ozuku und Kitori Fukurōs Ausrutscher verschleiert, indem sie ihn uns als Rebellen präsentiert haben.“, überlegte Shikamaru laut, seine Augen wanderten umher. „Um sich selbst immer noch als die unschuldige Partei darzustellen, huh?

 

„Ganz genau.“ Hibaris Miene verfinsterte sich erneut. „Und außerdem brauchten sie schon wieder eure Hilfe, um uns zu eliminieren. Also haben sie euch dieselbe Geschichte aufgetischt, wie es bereits Fukurō getan hatte und ließen es so aussehen, als wären wir der Feind.“

 

Kiba seufzte in den Schatten. „Und wir haben es ihnen abgekauft.“

 

Hibari sah nicht einmal in seine Richtung. „Ja, das habt ihr. Wirklich clever.“

 

Akamaru knurrte laut und seine wilden Augen blitzten auf, als Kiba nach vorn schritt. „Fick dich.“
 

„Hn. Du musst gerade reden, Hibari.“, sagte Shikamaru gedehnt und entspannte sich gegen die Lore, als er eine Hand in seine Flakweste schob, um die zwei geflügelten Anhänger herauszuziehen, die er dem Tsubasa vorhin abgenommen hatte. 

 

„Was?“ Der Rotschopf runzelte die Stirn und seine Augen zuckten nach oben. Sofort weiteten sie sich, als sein Blick auf die funkelnden Amulette fiel. „Warum zur Hölle hast du die?“

 

Shikamaru grinste und wickelte sich die Ketten mit einem Schwingen der Glieder um sein Handgelenk. Träge drehte er einen der Anhänger in den Fingern wie ein Magier, der sich darauf vorbereitete, einen Trick zu vollführen. 

 

Hibari beobachtete ihn gebannt und zornig. 

 

Es brauchte nicht viel, um zu vermuten, dass einer der Anhänger der Schwester des Tsubasa gehört hatte. 

 

„Wir waren nicht die Einzigen, die ihnen in die Hände gespielt haben.“, sagte Shikamaru. „Genau wie sie uns ausgespielt haben, haben sie es auch mit dir gemacht. Indem sie Konoha Shinobis deine Schwester töten ließen…“ Er streckte eins der geflügelten Amulette bedeutungsschwer in Luft. „Es hat dir genug Hass uns gegenüber verliehen, dass es so aussah, als wärst du wirklich unser Feind, als du einen auf Rächer gemacht und uns direkt attackiert hast.“

 

„Ja.“, schnappte Kiba. „Einfach so aus dem Boden zu platzen? Das war auch nicht besonders clever.“

 

Hibari hielt die Augen stur auf die Anhänger gerichtet. „Schön. Dann habe ich eben heißblütig gehandelt und ich hege im Moment auch keinerlei warmherzige Gefühle gegenüber eurem Hyūga…“ Er warf Neji einen vernichtenden Blick zu. „Aber das bedeutet nicht, dass ich diese ganze Situation nicht beenden will.“

 

Shikamaru schürzte die Lippen und bewegte seine Hüften in einem trägen Schwung, der ihn von dem Karren abstieß. Er schritt zu Hibari hinüber und ließ die Kette von seinem Handgelenk gleiten, als er die Amulette in die gefesselten Hände des Tsubasa legte. 

 

„Dann haben wir dasselbe Ziel.“, sagte er leise. „Wir wollen auch, dass das hier vorbei ist.“

 

Sakura ergriff das Wort und schlang sich stirnrunzelnd die Arme um den Leib. „Ich kann es einfach nicht fassen, dass Kitori das nicht ebenfalls stoppen will.“

 

„Innerhalb des Tsubasa Clans stellt man Traditionen nicht in Frage.“, erklärte Hibari. Sein Gesicht war nun deutlich ruhiger, als er seine Finger um die Anhänger schloss. „Und man stellt auch nicht in Frage, was sie in dem Tempel tun.“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und erhob sich. „Und was wäre das?“

 

„Mit Sicherheit nicht Beten, das ist mal klar.“, murrte Kiba.

 

Hibari nickte brummend. „Weit davon entfernt. Sie machen dort drin all die schmutzige Arbeit. Experimente, Jutsu Entwicklung und sie haben eine Kammer für unser Clanschriftrollen.“

 

Shikamaru seufzte. „Wie die verbotenen, die deine Schwester zu uns bringen wollte.“

 

„Ja.“ Hibari atmete erschöpft aus und verkrampfte die Faust um die Kette. „Ozuku bewahrt sie im Tempel unter Kitoris stärksten Sicherheitsvorkehrungen auf.“

 

„Also ist sie ein willentlicher Teil des Ganzen.“, sagt Neji und zog damit alle Blicke der Gruppe auf sich, bevor sich alle wieder Hibari zuwandten.

 

Hibaris Brauen zogen sich zusammen und er starrte Neji verwirrt an. „Ich habe dir bereits gesagt, dass sie das ist. Sie tut, was man ihr sagt. Sie hat viel zu viel Angst davor, etwas zu verändern; trotz ihrer Bitterkeit. Lieber würde sie uns tot sehen. Dasselbe gilt für Ozuku. Er wollte meinen Tod in dem Augenblick, als ich seine Regeln in Frage gestellt habe, genau wie bei meiner Schwester.“

 

„Mann.“ Naruto seufzte und sah mitfühlend den Rotschopf an, den er vor wenigen Minuten noch beinahe verprügelt hätte. „Eure ganze Familie liefert sich einfach gegenseitig aus, huh?“

 

Hibari zuckte mit den Achseln und ein schwaches, bitteres Lachen stolperte von seinen Lippen. „Sie haben deutlich mehr als einfach nur die Familie ausgeliefert. Auch das Land an sich. Die Vögel, alles.“

 

„Die Vögel?“ Eine Falte bildete sich zwischen Narutos Brauen. „Wie das?“

 

Doch Shikamaru war bereits wieder die nötigen Schritte voraus. „Das verbotene Jutsu deines Clans, oder? Also langsam bin ich echt fertig damit, Clangeheimnisse zu respektieren. Wirst du reden?“

 

Hibari sah angesichts der Unterstellung, er würde es nicht tun, schwer beleidigt aus.

 

Shikamaru ging jedoch kein Risiko ein. „Nun?“

 

„Da ich dieses Clangeheimnis zerstören will, habe ich auch keinerlei Problem damit, die Informationen mit euch zu teilen.“, sagte der Tsubasa gedehnt. „Unser verbotenes Jutsu involviert eine Massen-Gedankenkontrolle. Wir sind in der Lage, ein Schwarmbewusstsein zu infiltrieren.“

 

Naruto blinzelte. „Also was genau könnt ihr machen?“

 

Hibari schmunzelte, doch seine Belustigung war kurzlebig, als er sich mit finsterem Blick wieder Shikamaru zuwandte. „Die Vögel von Hanegakure teilen sich ein Gruppenbewusstsein. Unser verbotenes Jutsu kann in dieses Bewusstsein eindringen und erlaubt eine massenhafte Gedankenkontrolle der vollständigen Vogelpopulation unseres Waldes.“

 

Shikamarus Brauen hoben sich bis zum Haaransatz und ein beeindruckter Laut verfing sich in seiner Kehle, während er den Kopf schüttelte. Das erklärte in der Tat einiges. 

 

Natrürlich…

 

„Whoa.“ Kiba pfiff durch die Zähne. „Das sind eine ganze Menge Vögel.“

 

Naruto erschauerte. „Ja, versuch mal, sie alle direkt über dir in die Luft zu jagen.“

 

„Uh, hast das nicht du gemacht?“
 

Warnend hob Naruto eine Faust. „Ich wusste nicht, dass sie real sind!“

 

„Haltet die Klappe.“, schnappte Shikamaru und konzentrierte sich. „Ozuku sagte, es wäre wie ein Schwarmjutsu.“

 

Hibari kicherte grimmig. „Da bin ich mir sicher. Aber es ist etwas heftiger als das. Er hat es eindeutig hinunter gespielt. Es braucht viel mehr Chakra als bei einem Schwarmjutsu, um es wirken und aufrecht erhalten zu können.“

 

„Sag bloß.“ Nachdenklich fuhr sich Shikamaru mit dem Daumen über die Kieferlinie. „Er sagte auch, dass die Nutzer des Jutsus außerhalb der Reichweite sind.“

 

„Ja, sehr weit außerhalb des Radius.“

 

„Wo?“

 

Neji antwortete. „Im Tempel…“

 

Shikamaru spähte zu ihm hinüber; doch Neji begegnete seinem Blick nicht. Mit aller Macht musste Shikamaru jeden verdammten Muskel in seinem Körper anspannen, um sich davon abzuhalten, zu Neji hinüber zu gehen. Stattdessen drückte er sich fest gegen die Kante der Lore, bis sie sich schmerzhaft in seinen unteren Rücken grub.

 

„Euer Hyūga hat recht.“, bestätigte Hibari. „Eine von den vielen schmutzigen Angelegenheiten, die dort drin vor sich gehen. Sie haben ununterbrochen Leute in einer Kammer stationiert, die das verbotene Jutsu aufrecht erhalten.“

 

Shikamaru seufzte. „Also handelt es sich um ein konstantes Gedankenübertragungsjutsu.“

 

Sakura wandte den Kopf. „Sie wie das von Ino, oder?“

 

Shikamaru rieb sich den Nacken und wünschte sich auf einmal, die blonde Yamanka wäre für genauere Einblicke in diese Thematik hier – oder einfach nur für eine Art Team Zehn Rückhalt. Dämlich, aber vielleicht hätte er irgendein seltsames Gefühl von Beruhigung aus ihrer sonst so lästigen Unterstützung ziehen können. Asumas Worte darüber, einen klaren Kopf zu behalten, kamen ihm wieder in den Sinn. 

 

Langsam atmete Shikamaru ein. 

 

Er nickte Sakura schwach zu. „Ja, genau wie das von Ino, nur in einem viel größeren Maßstab und mit Vögeln…und mit einem ganzen Haufen wirkender Shinobi, die sich außer Reichweite und in einer gut bewachten Kuppel aufhalten.“

 

„Nicht zu vergessen, dass diese Shinobi auch die Chakra Pillen einnehmen.“, fügte Hibari hinzu und hob den Blick. „Sie können es ununterbrochen aufrecht erhalten. Meine Rebellen haben nur einen sehr kleinen Vorrat dieser Pillen, um unsere schützenden Barrierejutsus im Untergrund konstant halten zu können. Es ist die einzige Möglichkeit, dass wir nicht entdeckt werden.“

 

Sakura summte und schritt mit einer Wasserflasche zu Hibari hinüber. „Deswegen habt ihr das Lagerversteck auch so vehement verteidigt.“

 

„Ja. Abgesehen von meiner Chakrageladenen Klinge“ Hibari nickte zu seiner Waffe, „sind diese Pillen die einzige Defensive, die wir im Moment haben.“

 

Als Sakura dem Tsubasa etwas Wasser anbot, schürzte Shikamaru die Lippen, während sein Verstand jeden Moment der vergangenen Minuten einrahmte und sie der wahnsinnigen Filmrolle hinzufügte, zu der sich diese Mission entwickelte.

 

„Na schön.“, seufzte er. „Also diese wirkenden Ninjas im Tempel; ich schätze mal, dass es ziemlich riskant ist, diese Art verbotenen Jutsus ununterbrochen aufrecht zu erhalten.“

 

„Ja.“ Hibari nickte und ergriff die Wasserflasche mit seinen gefesselten Händen. „Wenn die Nutzer die Chakra Überdosis und Verausgabung überstehen, dann verweilen sie so lange in dem Schwarmbewusstsein der Vögel, dass sie Schwierigkeiten haben, davon zurück zu kehren.“

 

Naruto legte den Kopf schief. „Also was zur Hölle passiert mit ihnen?“

 

Shikamaru las die schonungslose Antwort aus Hibaris Gesicht.

 

Der Nara seufzte. „Sie sterben, oder?“

 

Hibari bestätigte das mit einem Nicken. „Ja. Und ihr Verstand verbleibt in den Vögeln.“

 

„Ich schätze, das erklärt das seltsame Verhalten eurer Vögel.“

 

„Das ist richtig.“ Hibari wirkte angewidert und sichtlich verstört aufgrund der Behandlung der Tiere, die sein Clan angeblich verehrte. „Es ist der Grund, aus dem sich so viele aggressiv oder psychotisch verhalten oder krank sind.“

 

„Ich verstehe.“ Sakuras Augen wurden weich. „Deswegen werden auch so viele vergiftet und getötet.“

 

Hibaris Züge verfinsterten sich und er reichte ihr die Flasche mit einem Nicken zurück. „Ja. Zwei Seelen in einem Körper und das permanent? Eine tierisch und eine menschlich? Definitiv genug, um den Wirt in den Wahnsinn zu treiben, sowohl Vogel, als auch Mensch.“

 

„Ha!“, bellte Naruto, schnippte mit den Fingern und deutete mit dem Zeigfinger auf Kiba. „Ich habe dir doch gesagt, dass sie besessen sind!“ 

 

Jeder starrte ihn an. 

 

Shikamaru konnte angesichts dieses vollkommen unangebrachten Ausbruches nur den Kopf schütteln. Er beließ es jedoch dabei und warnte Kiba eindringlich mit einem warnenden Seitenblick, es ebenfalls auf sich beruhen zu lassen. In unschuldiger Manier hob Kiba seine Hände. 

 

Die kurze entstandene Pause wurde jedoch rasch unterbrochen, als Neji das Wort ergriff; seine blassen Augen wandten sich Hibari zu. „Also mit einem menschlichen Bewusstsein in diesen Vögeln via Gedankenübertragung ist es euch möglich, das ganze Gebiet von Hanegakure zu überwachen.“

 

Ich würde wetten, dass es noch weiter geht…

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen, als er den Worten des Hyūgas folgte. „Ich schätze, dass ihr auch über die Grenzen hinaus andere Länder überwachen könnt.“

 

Hibari lächelte düster; machte keinerlei Entschuldigungsversuche für das machtvolle Jutsu. „Das stimmt. Das war auch der ursprüngliche Sinn und Zweck unseres verbotenen Jutsus; zur Observation. Ozuku hat dafür gesorgt, dass es ständig perfektioniert und ununterbrochen gewirkt wird. Hunderte Tsubasa Shinobi sind dabei ums Leben gekommen, als sie das Jutsu gewirkt haben. Sie haben sich geopfert, um es zu perfektionieren.“

 

Neji verschränkte die Arme und rollte mit der linken Schulter. „Und in welchem Stadium der Perfektionierung befindet es sich momentan?“

 

Hibari zuckte mit den Achseln. „Es ist bereits auf dem Level, dass Ozukus wirkende Shinobis durch jeden einzelnen unserer Vögel über immer größer werdende Entfernungen hinaus alles beobachten können.“

 

„Subtile und makellose Spionage.“, klarifizierte Neji und sah endlich zu Shikamaru hinüber. „Daher wussten sie auch, dass wir ihre Grenze überschritten haben, ohne einen einzigen Mann oder eine Frau dort wirklich stationiert zu haben…und daher konnten wir auch nicht ihre Attacken kommen sehen.“

 

Shikamaru nickte. „Sie haben die Vögel die ganze Zeit über benutzt, um uns zu überwachen. Hinterhältig.“

 

„Das stimmt.“, sagte Hibari. „Sie haben ihre Augen überall. Deswegen mussten wir uns in den Untergrund zurückziehen. Über der Oberfläche schläft der Wald niemals, nicht einmal nachts.“

 

„Zwergohreulen, huh?“, murmelte Kiba und seine Augen weiteten sich. „Hey, kann dieser Gedankenübertragungs Mist auch dazu führen, dass Vögel einfach tot vom Himmel fallen?“
 

Shikamaru lächelt schwach; er wusste bereits, auf was Kiba anspielte. Und um ehrlich zu sein, hatte diese Sache seine Gedanken mehr als nur ein paar mal seit dieser Nacht beherrscht. 

 

Hibari runzelte angesichts dieser seltsamen Frage die Stirn, antwortete aber ohne Umschweife. „Wenn ein Shinobi seinen Geist zu schnell aus dem Vogel zurückzieht, dann ja. Sie machen das aber nur, wenn sie sich in der Gefahr befinden, entdeckt zu werden.“

 

Dachte ich mir.

 

„Du denkst an die tote Eule, die Akamaru gefunden hat, Kiba?“ Shikamaru sah aus den Augenwinkeln zu dem Inuzuka hinüber. 

 

Kiba nickte und kraulte Akamaru hinter dem Ohr. „Ja, er hat gespürt, dass wir beobachtet wurden. Er war überhaupt nicht in der Lage, sich zu entspannen, seit wir in Hanegakure angekommen sind.“

 

Hibari schnaubte. „Du denkst, das wäre schlimm? Hanegakure hat Konoha schon sehr lange aus der Ferne mithilfe der Vögel ausspioniert und auf eine Gelegenheit gewartet, Kekkei Genkai zu isolieren.“

 

Shikamaru bezweifelte das für keine Sekunde. Es machte vollkommen Sinn und es erklärte auch, wie es sich Ozuku hatte leisten können, die Bündnisse zwischen den Dörfern zu trennen. Er war immer einen Schritt voraus gewesen; allwissend auf eine Art, die Shikamaru niemals hätte voraussehen können, ohne das Niveau seines Jutsus zu verstehen. Und auf einen Schlag nahm das, was Tsunade von ihm in Bezug auf die Akatsuki erwartete, eine ganz neue Dimension von Wahnsinn und Unmöglichkeit an. 

 

Super…

 

Energisch schüttelte er den Gedanken ab und fokussierte sich mit einem Seufzen. „Verdammt.“

 

Hibari lächelte schwach. „Bei Ozuku geht es um Macht und Politik. Er ist nicht dumm.“

 

„Offensichtlich nicht.“, sagte Neji. „Wenn man bedenkt, dass er beinahe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat.“

 

Kiba grollte. „Ja, wir hätten uns beinahe gegenseitig ausradiert.“

 

„Also was jetzt?“, fragte Sakura und sah zwischen Neji und Shikamaru hin und her.

 

Naruto antwortet mit einem wilden Brüllen und boxte enthusiastisch in die Luft. „Ich sage, wir schlagen zurück.“

 

Shikamaru lächelte seltsam und seine dunklen Augen nahmen eine Schärfe an, die den Uzumaki schlagartig dazu brachte, sich zu beruhigen und sich den Hinterkopf zu kratzen, während er nervös grinste. Der Nara schmunzelte daraufhin nur und sein Blick glitt zu Hibari; begegnete den grauen Iriden gelassen. 

 

„Hibari? Ich denke, es ist Zeit für ein Familientreffen.“

 
 

xXx
 

 
 

Die Abstimmung wurde durchgeführt. 

 

Alles im Sinne eines geteilten Zieles: Frieden.

 

Mit diesem Ziel vor Augen verliefen die nächsten zwei Stunden reibungslos. 

 

Hibari übergab sein Schwert der Obhut des Konoha Teams; eine Geste des Vertrauens von seiner Seite, die Shikamaru nicht vollkommen überraschte. Gemessen an dem Gift, das der Tsubasa vorhin noch gegen Neji geschleudert hatte, war es nur natürlich, dass noch immer ein gewisser Argwohn zwischen ihnen herrschte. Diese Art von Friedensstiftung würde entweder später erfolgen, oder gar nicht. Doch auf keinen Fall sollte es die Mission beeinträchtigen. Dieselbe Mission, für die Hibaris Schwester gelebt hatte und gestorben war. Hibari hatte die Sinnhaftigkeit darin erkannt und Shikamaru hatte an dessen innersten Glauben an Gerechtigkeit appelliert und ihn als Mittel zur Vernunft genutzt. 

 

Es hatte den Grundstein für ein vorläufiges Verständnis gelegt – und Bündnis.

 

Rasch stellte sich heraus, dass sich Hibari in seinem Wesen recht bipolar verhielt. Wenn er zornig war, war er eine ernstzunehmende Macht, aber in ruhiger Verfassung war er so besonnenen und vernünftig wie jeder Taktiker, mit dem es der Nara jemals zu tun bekommen hatte. Konsequenterweise hatte Shikamaru Vorkehrungen getroffen, um sowohl Naruto, als auch Neji von ihm fern zu halten; nur für alle Fälle.

 

Seltsamerweise war es auch gar nicht Hibari, an dem Shikamaru zweifelte; er konnte den Mann problemlos lesen. Er hatte das Niveau eingeschätzt, auf dem der Mann operierte und konnte mit ihm arbeiten. Es war Neji, der ihm Sorgen bereitete.

 

Verdammt.

 

Shikamaru spähte zu dem Hyūga hinüber und rannte mit ein paar Schritten Abstand neben ihm her. 

 

Nejis Augen blieben starr nach vorn gerichtet, die Byakugan Venen spannten sich um seine blassen Iriden herum an, während er die Umgebung scannte. Shikamaru fragte sich, ob das Limit der Reichweite seines Byakugans auch irgendetwas mit der Grenze dessen zu tun hatte, wie weit sich Neji zurückziehen konnte, wenn er es denn wollte. 

 

Ich bezweifle es…

 

Shikamaru runzelte die Stirn und riss die Besorgnis zurück hinter seine Rippen, bevor sie in sein Blut sickern und seine Konzentration vergiften konnte. 

 

Konzentrier dich.

 

Das Konoha Team schloss sich noch enger zusammen, als Hibari sie weiter nach Norden durch eine steile Schlucht und zu einem der versteckten Eingänge zu ihrem Tunnelsystem führte. Auf halbem Weg trafen sie auf einen Habicht, der sich mit einer Vertrautheit auf Hibaris Schulter niederließ, die darauf schließen ließ, dass es sich dabei um einen Freund und nicht um einen Feind handelte. 

 

Naruto beäugte den Vogel misstrauisch. 

 

Und Kiba bereitete sich auf eine Runde verbaler Misshandlung vor. 

 

Shikamaru fuhr ihm sofort in die Parade. „Später.“

 

Sie folgten Hibari in das Tunnelsystem und traten durch einen Eingang, der flackernd zum Vorschein kam, nachdem das Barrierejutsu gelöst wurde. Shikamaru hatte nicht erwartet, dass sie von Kindern begrüßt werden würden. 

 

Energisch drehte Hibari die Kleinen wieder herum und schob sie in den Gang, aber nicht ohne Fürsorge in den Augen. „Ihr sollt doch nicht hier sein. Es ist nicht sicher.“

 

Ein kleines Mädchen sah zu Shikamaru auf und blinzelte gegen das dämmrige Licht des Tunnels an. „Dein Haar ist lustig.“

 

Shikamaru grinste achselzuckend. „Danke.“

 

Das Mädchen musterte ihn. „Ich mag es.“

 

Shikamaru blinzelte und wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. „Danke.“, wiederholte er deshalb.

 

Das Mädchen lächelte breit, betrachtete ihn noch einmal und rannte dann die Tunnel entlang den anderen lachenden Kindern hinterher.

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und sah zu Hibari hinüber. „Wo sind ihre Eltern?“

 

„Das sind die Kinder der Shinobis, die während des Wirkens des Jutsus ums Leben gekommen sind. Wir retten, wen wir können.“, erklärte Hibari, während er eins der Kinder auf seine Hüfte hob; es war nicht älter als drei und versuchte, Nejis Haar zu packen. 

 

Der Hyūga wich elegant zur Seite, bot dem Mädchen aber als Entschädigung seinen Finger an. Sie beäugte ihn kurz, verlor aber das Interesse und klammerte sich stattdessen in Hibaris rote Mähne, als der Mann das Team tiefer in den Tunnelkomplex führte. Es war mehr als beeindruckend; in bewohnbare bewohnbare Bereiche ausgehöhlt und genau mit den Maßnahmen ausgestattet, die Shikamaru bereits für Belüftung, Schutz und notwendigen Stauraum vorausgeahnt hatte. Laternen und Fackeln brannten überall. 

 

Hibari navigierte die Gruppe ohne Pause durch die Gänge. 

 

Shikamaru hielt an seiner Schulter mit ihm Schritt. „Diese Vögel, die sie im Aviarium zusammentreiben. Ich nehme an, dass sie einen massiven Schlag mit diesem verbotenen Jutsu planen, oder?“

 

„Ja. Sie werden uns ein für allemal auslöschen, wenn wir es nicht schaffen, ihnen zuvor zu kommen.“ Hibari nickte und drehte sich abrupt, um das Kind in Hinatas Arme zu schieben, damit er die Hände frei hatte, um ein paar Siegel an verschiedenen Türen zu lösen. 

 

Shikamaru grinste angesichts des geschockten Ausdrucks auf Hinatas Zügen, als sie unbehaglich das Kind in Armen hielt und auf die kleinen Finger starrte, die sich in ihr Haar gruben. Neji beobachtete das Ganze aus dem Augenwinkel und hielt sich außer Reichweite, als das Mädchen ihn über Hinatas Schulter hinweg ansah. Rasch lenkte Naruto das Kind ab, indem er ein paar Grimassen schnitt. 

 

Kiba kicherte und stieß Hinata mit dem Ellbogen an. „Ihr seid so eine süße Familie.“

 

„Kiba!“ Sie errötete heftig.

 

„Gönn ihr `ne Pause.“, sagte Shikamaru träge, nur um gleich darauf hinzuzufügen. „Hinata? Lass sie bloß nicht auf den Kopf fallen. Du siehst ja, was das in dem Alter mit Naruto gemacht hat.“

 

„He!“ Naruto versuchte, Shikamaru zu schlagen, verfehlte den Nara jedoch, als der sich duckte und hieb seine Faust stattdessen in Hibaris Gesicht. 

 

Fuck.

 

Kiba klatschte sich eine Hand vor den Mund, blies die Backen auf und riss weit die Augen auf, um sein hysterisches Lachen in sich zu halten. Shikamaru hingegen erstarrte, nicht sicher, ob er ebenfalls in lautes Lachen ausbrechen oder doch lieber Reißaus nehmen wollte. Neji schüttelte den Kopf. Der Rest des Teams starrte einfach nur geschockt. 

 

Hibari drehte sich – sehr langsam – zu dem Uzumaki um. 

 

Ah, Mist.

 

Gerade als Shikamaru über einige unangenehme Möglichkeiten nachdachte, Naruto aus dieser Scheiße herauszuholen, kam das kleine Mädchen zur Rettung des Uzumaki; sie brach in fröhliches Giggeln aus und löste damit augenblicklich die Spannung. 

 

Hibari blickte finster drein, doch es lag keine Drohung darin, als er die Arme ausstreckte, um das Mädchen wieder entgegen zu nehmen. Er schnaubte in Narutos Richtung. „Schlag mich noch einmal und wir haben ein ernsthaftes Problem.“

 

Naruto grinste entwaffnend und wartete, bis Hibari ihm den Rücken zuwandte, bevor er Shikamaru anstierte und stumm ‚Du Trottel‘ mit den Lippen formte. Der Nara hob nur trocken eine Braue. 

 

„Ja klar, das nächste Mal halte ich einfach still.“, sagte er flach und folgte Hibari in den Tunnel. 

 

Der Tsubasa führte sie in einen großen Raum, der sich zu mehreren kleineren Höhlen hin öffnete, die alle mit Futons ausgestattet waren. Kinder hatten die Wände bemalt, gemessen an der Strichmännchenkunst und der farbenfrohen Spritzern von Bildern, die in krassem Kontrast zu der grimmigen Realität standen, in der sie lebten. 

 

Hibari gestikulierte zu den verschiedenen Räumen. „Ich kann euch nur ein paar Stunden geben, bevor wir eine Strategie ausarbeiten und uns in Bewegung setzen müssen. Ich werde veranlassen, dass man euch so viel Essen bringt, wie wir entbehren können. Und ich brauche etwas Zeit, um den anderen klar zu machen, dass ihr nicht unsere Feinde seid.“

 

Shikamaru nickte und besah sich mit einem schwachen Lächeln Hibaris verfärbten Kiefer. „Das sollte dir wirklich gut dabei helfen, oder?“

 

Der Tsubasa zuckte grinsend mit den Achseln. „Ich habe schon Schlimmeres erlebt.“

 

Das bezweifelte Shikamaru nicht. Noch einmal ließ er den Blick umherschweifen, scannte die verschiedenen Räume schätzte die zeitweise Verschnaufpause ein, die sie ihnen boten. Er neigte den Kopf seinem Team zu und nickte. Auf dieses Stichwort hin, zerstreuten sich die Konoha Shinobi und begaben sich entweder zu zweit oder allein in die jeweiligen Räume. 

 

Neji blieb jedoch an Shikamarus Seite und beobachtete aus blassen Iriden das Mädchen auf Hibaris Arm, während sie ihn durch ihre Finger hindurch anstarrte. Er lächelte nicht, doch seine Augen wurden weich. 

 

Shikamaru sah ebenfalls kurz zu dem Kind, bevor er seinen Blick wieder auf Hibari richtete. „Es kann nicht gut sein, sie hier unten zu lassen.“

 

Seufzend schüttelte Hibari den Kopf. „Nein. Es macht uns verrückt, so zu leben. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir trotz unserer Rebellion nicht genug Unterstützung von oben erhalten. Wir verstecken uns nun schon so lange wegen dieser Vögel, dass die Leute denken, wir hätten sie und den Wald einfach Ozukus Herrschaft überlassen. Wir müssen wieder die Kontrolle erlangen.“

 

„Das werdet ihr.“, sagte Neji. „Wir werden dafür sorgen.“

 

Hibari musterte den Hyūga für einen Moment aufmerksam und Shikamaru beobachtete ihn dabei mit vorgetäuschtem Desinteresse. Als Hibari seine freie Hand ausstreckte, hätte sich der Nara beinahe in Bewegung gesetzt, um sich zwischen die beiden zu schieben. Es war lächerlich, wenn man bedachte, dass es eine Geste des Friedens war. 

 

Neji sah kurz auf die dargebotene Hand, bevor er sie behutsam ergriff. 

 

Hibari nickte. „Ich kann dir nicht vergeben, was du getan hast. Nicht in meinem Herzen. Aber mein Verstand ist klar, was unser gemeinsames Ziel angeht. Und Frieden ist mir im Moment wichtiger als alles andere.“

 

„Ich verstehe.“, sagte Neji. 

 

Hibari summte leise. „Wir sind nicht länger Feinde, Hyūga. Aber ich befürchte, wir können niemals Freunde werden.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich angesichts dieser Worte, doch offensichtlich erstreckte sich sein Verständnis über fehlgeleitete Schuldzuweisungen nicht einmal ansatzweise in Nejis Denken. Der Jōnin akzeptierte Hibaris Worte ohne das geringste Zögern. 

 

Neji neigte den Kopf. „Auch das verstehe ich.“

 

Hibari nickte erneut und verlagerte das Gewicht des Mädchens in seinen Armen etwas besser auf seiner Hüfte. Anschließend machte er kehrt und verschwand; mehr musste nicht gesagt werden. Shikamaru sah ihm nach und wartete, bis der Hall seiner Schritte verklungen war, auch wenn Neji sich bereits einem der Räume zugewandt hatte. 

 

Shikamaru beobachtete ihn und registrierte das unbehagliche Rollen von Nejis linker Schulter. Die grimmige Mahnung lenkte Shikamarus Schritte zu der gegenüberliegenden Höhle, in die er Hinata hatte verschwinden sehen. Es war das Nächste an einer Röntgenaufnahme, was er jemals bekommen würde. Mit den Fingerknöcheln klopfte er träge gegen die Schiebetür und wartete darauf, dass das mit Farbe besprenkelte Holz zurückgeschoben wurde. 

 

„Shikamaru-kun…“, sagte Hinata leise.

 

Shikamaru lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen, die dunklen Augen zur Seite abgewandt. „Hast du es geschafft, einen Blick zu erhaschen?“

 

Er hörte, wie die Kunoichi zitternd einatmete, bevor sie seufzte. „Ja.“

 

„Und?“

 

„Die Blockaden werden nicht halten, wenn er sein Jutsu anwendet.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen. „Du meinst die Handflächenrotation?“

 

„Nein. Ich…“ Hinata sah kurz über seine Schulter hinweg. „Alles, was Chakra benötigt.“

 

Shikamarus Blick schnellte nach oben. „Was?“

 

Hinata sah nach unten. „Er hat viel zu viel blockiert. Noch hält es. Aber das wird es nicht mehr, wenn er…“ Sie hob erneut den Blick. „Als wir gekämpft haben, hat er nur Taijutsu benutzt.“

 

Scheiße…

 

Shikamaru starrte sie für einen Moment an, während sein Verstand diese Information in die kritische Kategorie einordnete. „Also kann er nicht einmal die Sanfte Faust anwenden?“

 

Hinata schüttelte den Kopf. „Ich bezweifle es, aber ich…ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.“

 

Shikamaru schluckte unbehaglich und wandte den Blick ab. „Wie viel Zeit bleibt mir?“

 

Hinata runzelte die Stirn und er spürte ihre sanften Augen auf sich ruhen, doch auch die Schwere der Fragen in ihnen. „So lange, wie er es kontrollieren kann.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. „Wie viel Zeit, Hinata?“

 

„Shikamaru-kun…“

 

Widerwillig begegnete er ihrem Blick und fand in ihnen eine Weichheit, die es nur noch schwerer machte, so zu tun, als wäre er von all dem distanziert. „Sag mir, dass ich noch mehr Zeit habe.“

 

Verdammt…nur ein bisschen länger…

 

„Dir bleibt nicht mehr lange.“, war ihre traurige Antwort. 

 

Dann werde ich mit dem arbeiten, was auch immer ich habe…für so lange, wie ich es erübrigen kann…

 

Shikamaru nickte. „Okay.“

 

Hinata musterte ihn, doch sie drängte ihn nicht weiter. Was Shikamaru nur noch dankbarer dafür machte, das Sakura nicht anwesend war. Er war sich ziemlich sicher, dass sie ihm einen so harten Schlag verpasst hätte, der Narutos verblassen ließ. Und das schlimmste war, dass er es vermutlich zugelassen hätte. 

 

Ohne ein weiteres Wort, drehte sich Shikamaru um und schritt zu der gegenüberliegenden Höhle zurück; er hörte, wie Hinata hinter ihm das Panel zuschob. Außerhalb des Raumes, in den Neji gegangen war, hielt er inne und lehnte die Stirn gegen die geschlossene Tür, während er die Zähne zusammenbiss. Er brauchte ein paar Augenblicke, um seine Züge zu glätten. 

 

Dann schob er die Tür auf und lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen. 

 

Neji sah nicht auf. 

 

Der Hyūga blieb auf dem Futon sitzen und ließ seine Hand von seiner Brust sinken, während er tief atmete.

 

Kopfschüttelnd räusperte sich Shikamaru. „Warum ist diese Mission so verdammt wichtig für dich?“

 

Neji blinzelte langsam und legte die Handflächen auf den Schenkeln ab, während er beständig ausatmete und geradeaus starrte. „Ich werde nicht zulassen, dass diese Leute so leben müssen. In einem Käfig.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich angesichts dieser Worte zusammen. „Mach das nicht zu etwas Persönlichem.“

 

„Mach dich nicht lächerlich.“, erwiderte Neji vollkommen ruhig. „Es ist nichts Persönliches.“

 

„Ist es, weil du dich wegen Hibaris Schwester schuldig fühlst?“

 

„Nein.“ Neji schüttelte den Kopf und rollte mit der Schulter, bevor er erneut langsam einatmete. „Es sind die Anweisungen der Hokage. Den Frieden zu sichern. Endlich wissen wir, wer unser Feind ist und jetzt werden wir dem Ganzen ein Ende bereiten. Diese Mission bleibt weiterhin oberste Priorität, Shikamaru.“

 

„Und was ist mit dem Rest?“ Shikamaru versuchte angestrengt, etwas Biss in seine Worte zu zwingen, doch sie vielen stumpf von seinen Lippen. „Was ist mit all dem, was ich zu dir gesagt habe und das du nach eigener Aussage gehört hast?“

 

„Ich habe dich gehört. Du hörst mich nicht.“

 

Shikamaru schnaubte; kaufte ihm das nicht für eine einzige Sekunde ab. „Du hast recht. Ich neige dazu, Bullshit auszublenden.“

 

„Diese Mission ist alles, was zählt. Alles andere ist zu diesem Zeitpunkt belanglos.“

 

Mit einer scharfen plötzlichen Bewegung trat Shikamaru in den Raum und knallte die Tür mit einem zornigen Rucken hinter sich zu. 

 

Er versuchte, seine Stimme zu senken, doch sie entwich ihm trotzdem mit einem wütenden Zischen. „Verdammt. Du kannst nicht kämpfen. Du kannst dein Jutsu nicht benutzen und du wirst in etwas enden, aus dem du dich nicht selbst wieder herausziehen kannst.“

 

Neji blinzelte ruhig, unberührt.

 

Und Shikamaru wollte ihn am liebsten erdrosseln. 

 

„Du unterschätzt mich Shikamaru. Ich kenne meine Grenzen und ich kann mich auf alles einstellen, das nötig ist.“

 

„Ja, bis du tot bist.“

 

Er starrte Neji heftig an, auch wenn der Hyūga einfach nicht seinem Blick begegnen wollte. Neji stierte in die Ferne, in die er sich immer wieder zurückzuziehen schien; das Gesicht verschlossen und unnahbar. Es war eine ausgeprägte Art von Apathie, die den Nara fröstelnd zurückließ.

 

Shikamaru ballte seine Hände zu Fäusten und kämpfte darum, die heiße Woge aus Zorn mit kalter Logik hinunter zu drängen. 

 

Was zur Hölle ist es wert, sich dafür umzubringen? Es kann nicht einfach nur ANBU sein. All deine Emotionen zu blockieren und das nur für ein verficktes Ticket zu den Black Ops…du bist klüger als das…

 

„ANBU ist das nicht wert.“, presste Shikamaru mit fragiler Ruhe hervor. „Ebenso wenig, das zu leugnen, was auch immer du über das fühlst, was diese Ältesten Bastarde dir angetan haben. Also was zur Hölle ist es, Neji?“

 

Sag mir, was ich übersehe.

 

Neji antwortete nicht. 

 

Keine Zurückweisung, keine Antwort, keine Lösung. 

 

Nichts.

 

Und egal, wie sehr Shikamaru versuchte, das alles mit Nejis Kindheitstrauma in Verbindung zu bringen, das für sich genommen machte einfach noch keinen Sinn. Eigentlich hätte es genug sein sollen, wenn man bedachte, welch großer Schaden ihm auf psychologischer Ebene zugefügt worden war; ganz zu schweigen davon, dass ihn diese Bastarde beinahe umgebracht hätten. 

 

Der Gedanke verzerrte die scharfen Konturen von Shikamarus Gesicht zu einer Grimasse. 

 

Du warst nur ein Kind…

 

Ein Kind, das dafür bestraft wurde, etwas zu beschützen, das es gerade verloren hatte. Shikamarus Miene wurde finster. 

 

Scheiße…haben sie dir noch etwas anderes genommen? Ist es das, was ich übersehe?

 

Trotz all seiner Bemühungen spürte der Schattenninja, wie sich Schmerz erneut durch seine Rippen zog und sich in seine Augen schlich, als er seinen Blick über Nejis Gesicht wandern ließ. 

 

„Götter, hör auf, mich so anzusehen.“, wisperte Neji plötzlich mit heiserer Stimme; rau mit Emotionen, die sich einfach nicht in seine Züge drängen wollten. „Hör auf, das noch härter zu machen.“

 

Shikamaru schüttelte traurig den Kopf und sein Zorn wich einem furchtbaren Kummer. „Warum zur Hölle kannst du nicht verstehen, dass du das bei mir nicht tun musst?“

 

Neji schloss die Augen. „Warum kannst du nicht verstehen, dass es du mehr als jeder andere bist, bei dem ich es tun muss?“

 

Der Schmerz, den diese Worte nach sich zogen, fühlte sich an, als hätte Neji etwas Lebenswichtiges in seiner Brust entwurzelt und drückte unbarmherzig zu. Shikamaru wusste nicht, wie er mit diesem Gefühl umgehen sollte. Er hatte so etwas niemals zuvor verspürt. Er brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass sich seine Rippen soeben nicht nach innen gekrümmt und ihn zerquetscht hatten. 

 

Er zog angespannt die Luft gegen diese Qual an und schüttelte sie mit einer scharfen Bewegung ab. Doch was für Worte er auch immer als Antwort gesprochen hätte, steckten ihm wie Steine in der Kehle. 

 

Scheiße.

 

Der klügere Teil von ihm hätte diesen bizarren Schmerz als guten Grund dafür genommen, Reißaus zu nehmen. Um diese drei Schritte zurück zu nehmen, die er letzte Nacht übertreten hatte. Der klügere Teil von ihm hätte das getan und bat ihn, so verdammt schnell und weit weg zu rennen, dass er vergessen konnte, dass er Neji damals in dieser Nacht nachgejagt war; und all die Male danach. 

 

Doch unglücklicherweise hatte er aufgehört, auf diesen Teil von sich zu hören…was ihn mit dem Teil zurückließ, der nicht wusste, was zu tun war, außer, seinen Impuls das Ruder übernehmen zu lassen. Und so stellte er nicht zum ersten Mal seinen Körperinstinkt nicht in Frage, als er sich in Bewegung setzte. 

 

Er trat hinüber und drang in den persönlichen Bereich ein, von dem er erwartete, dass Neji ihn sofort daraus vertreiben würde. 

 

Doch das hielt ihn nicht auf. 

 

Genauso wenig wie Neji. 

 

Ohne innezuhalten, ging er direkt vor dem Hyūga in die Hocke und senkte ein Knie auf den Boden; seine dunklen Augen halb geschlossen aber nicht geschützt. Nejis Lider hoben sich aufgrund der Nähe. 

 

Shikamaru streckte einen Arm aus und erwartete, fort geschoben zu werden. Doch das wurde er nicht. 

 

Vorsichtig legte er seine Hand auf Nejis Schulter und wartete darauf, dass sie abgeschüttelt wurde. Doch das wurde sie nicht. 

 

Und so legte er seine Stirn an Nejis und ignorierte den bitteren Biss des kalten Stahls des Hitai-ates. Neji ließ den Kontakt zu, nur um ihn wenige Sekunden später abzulehnen, indem er mit dem Kopf nach vorn drückte und Shikamarus nach hinten zwang. 

 

Shikamaru wollte sich zurückziehen…hielt aber schockiert inne, als sich Neji ihm ohne ein Wort entgegen lehnte; steif und kalt…

 

Aber nicht außer Reichweite. 

 

Shikamarus Kehle schnürte sich zu. 

 

Ich kann nicht darauf warten, dass du mich dir helfen lässt…Gott…mir rennt die Zeit davon…

 

Energisch schluckte er gegen die Anspannung an, die sich um ihn schloss und Shikamaru hob seine Hand, um beruhigend den von Mokkasträhnen umrahmten Kopf zu streicheln, als sich Nejis Stirn an seine Schulter legte. Er drehte den Kopf weit genug, um mit den Lippen über Nejis Haar streichen zu können. 

 

Ich werde dich nicht sterben lassen…und selbst, wenn du mich am Ende von all dem hassen solltest…dann ist das in Ordnung. 

 

Es fühlte sich wie eine Lüge an. Aber er konnte sie dennoch glauben. 

 

Ich kann es ertragen…wenn es bedeutet, dass du lebst.

 

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Und es wird ernster und ernster bei BtB ;) Hach ja, das war wieder ein langes Kapitel mit vielen vielen Informationen und auch vielen Dingen, die zwischen den Zeilen stehen, ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat! ;) Über Kommentare würde ich mich natürlich wieder riesig freuen!! <3

Vielen Dank wie immer an alle meine treuen Reviewer/innen :)

Then you can fly too?

Kälte zog sich durch die Luft wie kleine Nadeln, kribbelte über Nejis Haut und sank in den Stoff seiner Roben. Doch dort blieb sie nicht. Er spürte, wie sich die Kälte tiefer fraß und sich ihren Weg hinunter bis zu den verkrampften verschlossenen Hohlräumen in seiner Brust grub. 

 

Ein scharfes Zucken jagte seinen linken Arm hinauf und bis zu seiner Schulter. 

 

Der Hyūga verzog das Gesicht.

 

Er hielt lange genug mit dem langsamen Streichen seiner Finger über Shikamarus Stirn inne, um die blassen Glieder zu krümmen und zu einer Faust zu ballen, bevor er sie wieder ausstreckte. Der Schmerz in seinem Arm beruhigte sich zu einem dumpfen Pochen. Während er mit der Schulter rollte, begann Neji erneut, seine Finger zaghaft über Shikamarus Stirn wandern zu lassen. 

 

Der Nara rührte sich nicht.

 

Seine Lippen blieben leicht geöffnet und sein Atem war tief und regelmäßig. 

 

Neji beobachtete den schlafenden Chūnin schweigend, ruhig und beinahe meditativ; seine halb geschlossenen Wimpern warfen Schatten unter seine blassen Augen. Shikamaru in diesen Zustand zu bekommen hatte eine gewisse Nötigung von Seiten des Hyūgas erfordert; oder genauer gesagt Druckpunkte und einen subtilen Einsatz der Sanften Faust. Wäre die Situation weniger ernst, hätte Neji vermutlich den Humor darin gesehen. Erzwungene Ruhe war nichts, von dem er jemals gedacht hätte, dass Shikamaru es brauchen würde. 

 

Du hast mir kaum eine andere Wahl gelassen, Nara.

 

Shikamaru war beinahe augenblicklich zusammengeklappt und nun saß Neji mit dem Rücken an die Wand gelehnt, während der Kopf des Nara auf dem festen Muskel seines Schenkels ruhte. Der Rest der schlanken Gestalt des Schattenninjas war auf dem Futon ausgestreckt; ein Bein leicht angewinkelt und die Ferse in seine weggeworfene Flakweste gegraben. 

 

Neji hatte vorgehabt, zu gehen. 

 

Hatte es immer noch vor. 

 

Der Befehl seines Hirns ‚bewege dich jetzt‘ wollte jedoch nicht in seinem Körper ankommen. Und so blieb er sitzen, gebadet in das dämmrige Licht der Laterne, das von den Sprüngen im Glas frakturiert war. Es tauchte Shikamarus Gesicht in scharfe Winkel, die Neji meditativ nachzeichnete und den Erhebungen und Senken folgte, während er mit dem Daumen über die Druckpunkte rollte. Energisch ignorierte er die Stiche in seinem Arm; die Strafe dafür, dass er Chakra in seinen Fingerspitzen konzentriert hatte. 

 

‚Verdammt. Du kannst nicht kämpfen. Du kannst dein Jutsu nicht benutzen und du wirst in etwas enden, aus dem du dich nicht selbst wieder herausziehen kannst.‘

 

Shikamarus Worte jagten durch die hintersten Winkel seines Verstandes und schnitten jedes Mal etwas tiefer, wenn er sich selbst gestattete, über sie nachzudenken. Seine Finger glitten hinunter zu Shikamarus Mund, strichen über die geöffneten Lippen und fühlten das sanfte Ausatmen gegen seine Fingerspitzen. Seine eigene Brust zog sich zusammen; die Luft schmerzte ihn in seinen Lungen.

 

‚ANBU ist das nicht wert…‘

 

Neji atmete langsam aus. 

 

Nein. Ist es nicht. Kein Mittel zum Zweck ist es das normalerweise…nicht, wenn der Preis so hoch ist…

 

Nicht, dass ihn der Preis aufhalten würde. Er würde nichts und niemandem gestatten, das zu sabotieren, wofür er zwei lange Monate so hart gearbeitet hatte – wofür er weiterhin arbeiten würde, trotz aller Widrigkeiten. 

 

Ich darf nicht schwach sein. Nicht jetzt.

 

Neji strich mit einem Fingerknöchel über Shikamarus Stirn, folgte der glatten Haut zwischen den Brauen des Nara, in die sich noch eine halbe Stunde zuvor eine tiefe Furche gegraben hatte. 

 

‚Warum ist diese Mission so verdammt wichtig für dich?‘

 

Neji runzelte die Stirn. Eine von endlos vielen Fragen; alle hämmerten sich in seinen Schädel und zersplitterten seine Kontrolle…trafen Nerven, die eigentlich taub hätten sein sollen. Doch Shikamarus Kunai-gleiche Schärfe verfehlte ihr Ziel nur äußerst selten und jedes Mal, wenn sie einen Treffer landete, fühlte sich Neji etwas weniger unter Kontrolle…als hätte er jedes Mal weniger das Kommando über das, was er zusammenhalten musste, damit er nicht vollkommen auseinander brach.

 

Ich kann es mir nicht leisten, zu verlieren…

 

Das Kratzen schlurfender Füße zog seine Aufmerksamkeit zu der Höhlentür und er hörte das leise Klappern eines Tabletts, das abgestellt wurde. Der Hyūga überlegte, ob er sein Byakugan aktivieren sollte, entschied sich aber dagegen. Vermutlich war es nur jemand, der etwas Essen dort abstellte. 

 

Doch dann öffnete sich die Schiebetür ein wenig. 

 

Sofort versteifte sich Neji gegen die Wand. Er stoppte die Bewegungen seiner Hand und schirmte mit den Fingern Shikamarus geschlossene Augen ab, um sie vor dem Licht zu schützen, das grell in den schummrig beleuchteten Raum fiel. 

 

Vollkommen darauf vorbereitet, die unwillkommene Person mit seinen Augen allein zu zerreißen, wandte sich sein Blick ruckartig der Öffnung zu – und verlor seinen Zorn rasch an Überraschung. Ein Kind linste durch den Spalt herein und schob die Tür ein Stückchen weiter auf, um den Kopf herein zu stecken. Ihre hellgrünen Augen leuchteten und ein Sturzbach nachlässig zusammengebundenen Haares rahmte ihr Gesicht mit blonden Locken ein. 

 

Neji starrte sie an und war sich nicht sicher, wie er reagieren sollte. Er spannte sich so stark an, dass das Straffziehen seines Oberschenkels Shikamarus Kopf ein wenig anhob; sofort richtete sich der Fokus des Kindes auf den schlafenden Ninja. Sich selbst daran erinnernd, dass es sich hier um ein Kind und wohl kaum um eine Bedrohung handelte, zwang sich Neji dazu, sich wieder zu entspannen. Das kleine Mädchen blieb neben der Schiebetür hocken und starrte Shikamaru an. 

 

„Ist er krank?“, wisperte sie.

 

Neji schüttelte den Kopf und fühlte sich viel unbehaglicher wegen der Situation als wegen der Antwort auf diese unschuldige Frage. „Nein. Er schläft nur.“

 

Das Kind wippte mit dem Kopf und rutschte auf den Knien nach vorn, als sie uneingeladen in den Raum krabbelte. Unsicher beobachtete Neji sie. Keine noch so große Menge an Ninja Instinkten oder Intelligenz bot ihm eine sofortige Vorstellung davon, wie er sich in dieser Situation verhalten sollte. Er konnte durchaus mit Kindern in dem kontrollierten Kontext einer Genin-Klasse umgehen, doch er vermied selbst zu seinen besten Zeiten solche Situationen an der Akademie.

 

Das Kind und diese Lage waren weit von allen Erfahrungen entfernt, die er jemals gemacht hatte. 

 

Sie sah nicht älter als fünf aus. 

 

Er sah ihr zu, wie sie sich auf den Knien drehte und ihr ohnehin schon mit Farbspritzern bekleckertes Kleid ruinierte, als sie das Tablett hinter sich in den Raum zog und es mit den Handballen über den Boden schob, während sie zu ihm hinüber gerobbt kam. Neji beobachtete sie schweigend, überrascht davon, dass sein unheimlicher Blick sie nicht so sehr eingeschüchtert oder erschreckt hatte, dass sie vor ihm davon rannte. Normalerweise dienten ihm seine Augen als beste Waffe und Verteidigung gegen hartnäckige Kinder. 

 

Aber diesmal ganz offensichtlich nicht. 

 

Nein, dieses Kind schob ihm einfach nur das Tablett zu und setzte sich zurück auf ihre Fersen, legte die Hände auf ihre kleinen Knie und beugte sich vor, um ihn intensiv anzustarren. 

 

Neji starrte zurück. 

 

Das Mädchen legte den Kopf schief. „Deine Augen sind komisch.“

 

Einer von Nejis Mundwinkeln zuckte. „So wurde mir gesagt, ja.“

 

„Sie sind schön.“

 

Das hatte man ihm allerdings noch nie zuvor gesagt; vor allem nicht von einem Kind. Der Hyūga zögerte für einen Augenblick und versuchte zu entscheiden, wie er darauf antworten sollte, bis ihm Shikamarus Reaktion auf eines der anderen Tsubasa Kinder in den Sinn kam.
 

„Danke….“, sagte er leise.

 

Das Mädchen grinste zähneblitzend und offenbarte dabei kleine Lücken in ihrem Lächeln. „Wie die Augen eines Engels.“

 

„Ich bin kein Engel.“, sagte Neji.

 

Weit davon entfernt.

 

„Bist du ein Shinobi?“, zwitscherte sie. 

 

„Ja.“

 

Das Mädchen schielte zu Shikamaru. „Ist er auch ein Shinobi?“

 

Neji nickte und bemerkte, wie das Kind auf seine Hand starrte. Er hatte sie nicht von seiner sanften Berührung über den geschlossenen Augen des Nara zurückgezogen. Als er es jetzt realisierte, ließ er sie abrupt von Shikamarus Kopf fallen. Das Mädchen giggelte. Verlegen spähte Neji zur Tür. 

 

Vollkommen ahnungslos von seinem Unbehagen, rutschte das Mädchen noch näher und beäugte Shikamaru argwöhnisch. „Ist er dein Freund?“

 

Neji sah sie an. „Ja.“

 

„Freunde sind kostbar.“, sagte das Mädchen und ihr Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an, der darauf schließen ließ, dass eine wichtige Person ihr das gesagt hatte. 

 

Neji lächelte leicht und entspannte sich nach und nach. „Ja, das sind sie.“

 

„Du solltest auf deine Freunde achtgeben.“, erklärte sie ihm mit unkomplizierter Unschuld. „Gibst du auf deinen Freund acht?“

 

Die Frage sank schwer in Nejis Verstand und das Gewicht davon zog seinen Blick hinunter auf Shikamaru. Seine milchigen Augen zuckten an den Winkeln. 

 

„Ich denke eher, dass er auf mich achtgibt.“, murmelte Neji. 

 

„Das ist gut.“ Das Mädchen grinste und schob das Tablett näher. „Hier ist was zu essen. Ich habe den Keks gemacht.“

 

Neji neigte den Kopf und bemerkte das kleine, mehr oder weniger herzförmige Plätzchen, das auf zwei Rationspackungen lag; denen ganz ähnlich, die sie bei Feldoperationen verwendeten. Das Mädchen griff nach dem Keks und wedelte damit in seine Richtung. 

 

„Ich habe ihn gemacht.“, wiederholte sie.

 

Vorsichtig nahm Neji ihn mit zwei langen Fingern entgegen. „Danke. Er sieht sehr lecker aus.“

 

„Du kannst ihn mit deinem Freund teilen.“, sagte das Mädchen und deutete auf Shikamaru, bevor sie sich über den schlafenden Ninja hinweg beugte; sie legte eine Hand an ihren Mund, als sie Neji zuwisperte. „Ssh! Du wirst ihn zerbrechen müssen. Das bringt Unglück. Aber du kannst sagen, dass ich es war.“

 

Sie zog sich zurück, nickte mit ernster Miene und presste sich die Finger an die Lippen, um das Geheimnis zu besiegeln. Neji nickte, amüsiert über die Keks-Verschwörungstheorie. Es erreichte beinahe den Grad einer echten Belustigung, bis sein Blick auf dem Arm des Kindes landete. Ein Siegel war in ihre blasse Haut gebrannt. 

 

Ist das…Juinjutsu?

 

Nejis runzelte die Stirn und hielt seine Stimme sanft. „Was ist mit deinem Arm passiert?“

 

Stolz streckte das Mädchen besagten Arm aus und winkte damit, um das Siegel zu präsentieren; sie wisperte aufgeregt. „Wir alle haben es. Es ist etwas Besonderes. Sie geben es uns im Tempel.“

 

Neji legte den Keks auf Shikamarus Brust ab und streckte mit der Handfläche nach oben einen Arm aus. „Darf ich es sehen?“

 

Das Mädchen nickte und rutschte zu ihm hinüber, bis ihre Knie beinahe Shikamarus Schulter anstupsten. Rasch sah Neji zu ihm hinunter. Der Schattenninja schlummerte weiter, zu tief versunken in dem Schlaf, in den Neji ihn gestoßen hatte, um so einfach daraus geweckt werden zu können. Sehr vorsichtig lehnte sich Neji nach vorn und spannte seinen Schenkel an, um ihn davon abzuhalten, sich zu sehr zu bewegen. 

 

Das Mädchen legte ihren Ellbogen in seine Handfläche. „Es ist hübsch!“, wisperte sie. 

 

Neji studierte das Mal in ihrer Armbeuge genau. Es war elegant und einfach gehalten, doch weit davon entfernt, hübsch zu sein; gemessen an seiner hässlichen Bestimmung. Die Lippen des Hyūgas pressten sich aufeinander. Er hätte sein Byakugan aktiviert, aber er wollte das Kind nicht verschrecken. 

 

Langsam drehte er sein Handgelenk und wandte den Arm des Mädchens mehr dem Licht zu, während er das Brandmal examinierte. Seine genaue Funktionsweise war offensichtlich einzigartig für das Juinjutsu der Tsubasa, aber Neji erkannte ein Fluchsiegel, wenn er eines sah. 

 

Das kleine Mädchen hüpfte aufgeregt auf den Knien und grinste stolz. „Wir bekommen es, damit wir fliegen können, wenn wir erwachsen sind.“

 

„Fliegen?“ Neji sah zu ihr auf und Verständnis berührte seine Augen. 

 

„Yup! Wie die Vöglein.“

 

Also ist es für das Gedankenübertragungsjutsu. Götter…das sind nur Kinder…

 

Er senkte den Blick wieder hinunter auf das Mal und ein unbehagliches Gefühl rollte durch ihn. Ein Aufwühlen der ruhenden Emotionen, die er verstopft und erstickt hatte. Zaghaft strich er mit dem Daumen über das Siegel und schüttelte den Kopf. 

 

Bastarde…

 

„Es tut weh, wenn sie es tun.“, sagte das Mädchen fröhlich. „Aber das ist okay.“

 

Nein. Das ist es nicht.

 

Neji ließ sie langsam los und schluckte die unausgesprochenen Worte hinunter, während er auf ihren Arm stierte und zusah, wie sie über das Mal rieb – als würde es dadurch glänzen. Die Ironie war kalt. Genauso kalt wie der glänzende Stahl, der sein eigenes Fluchsiegel verdeckte. 

 

‚Mach das nicht zu etwas Persönlichem.‘

 

Und als er auf den Arm des Kindes starrte, wusste er, dass es dafür bereits viel zu spät war. 

 

Ahnungslos von seinem Blick, begann das Mädchen mit Shikamarus Haar zu spielen und stupste ihre Handfläche leicht gegen die spitzen Enden des Pferdeschwanzes. „Es hat weh getan, aber Mama meinte, es wäre Trasision.“

 

„Tradition…“, korrigierte Neji sie sanft und stierte hinüber zu einer Seite des Raumes. 

 

„Yup! Mama sagte, es wäre Trasision.“ Sie hörte auf, mit ihrer Hand zu stupsen. „Mama ist davon geflogen.“

 

Neji schloss die Augen und sein Kiefer verkrampfte sich, bis er den Zug den ganzen Weg hinunter und die Sehnen in seinem Hals entlang spürte. Er hörte, wie sich das Mädchen bewegte und hob die Lider. Grüne Augen starrten ihn neugierig an. 

 

„Bist du traurig?“, fragte sie und schien ein wenig zu schmollen. 

 

Neji schluckte. „Nein…“

 

„Du siehst traurig aus.“

 

Er schüttelte den Kopf und zog damit ihre Aufmerksamkeit auf sein Stirnband. Sie musterte das Hitai-ate, sah dann auf Shikamarus Stirn und anschließend wieder zu ihm auf. Neji konnte ihre Frage bereits lesen.

 

„Ich habe auch so ein Mal.“, sagte er weich. 

 

Ihr Gesicht hellte sich auf. „Dann kannst du auch fliegen?“

 

Neji starrte sie an; diese unschuldigen Worte schnitten so tief, dass er einen langen Moment brauchte, um darauf antworten zu können. 
 

„Eines Tages.“, antwortete er und wandte den Blick ab. 

 

„Hibari-niisan sagte, dass du uns helfen willst, dass wir wieder fliegen können.“

 

„Das stimmt.“

 

Das Kind wackelte mit einem Finger. „Versprichst du es?“

 

Neji lächelte schwach, schaffte es kaum, das Heben seiner Mundwinkel überhaupt zustande zu bringen; doch er nickte, als er sie wieder ansah und ignorierte die Schwere seines nächsten Satzes. 

 

„Ich gebe dir mein Wort.“

 

Das Mädchen zog Zuversicht aus seinem Versprechen und kam taumelnd auf die Füße, um sich den Staub von ihrem Kleid zu klopfen. Dann grinste sie breit und stemmte die Hände in die Hüften, um eine lebensfrohe Pose einzunehmen, die Neji stark an Naruto erinnerte.

 

„Dann werde ich höher fliegen als alle anderen.“, versprach sie im Gegenzug und nickte heftig, bis ihre Locken hüpften und sie unter der Kraft ihres eigenen Enthusiasmus wankte. 

 

Neji räusperte sich und sagte mit heiserer Stimme: „Ja, das solltest du.“

 

Das Kind grinste und deutete auf den Keks, der auf Shikamarus Brust lag, bevor sie zur Tür herumwirbelte, ihre Aufmerksamkeit auf irgendeine neue Mission gerichtet. Sie sprang geradezu aus der Höhle und schob die Tür hinter sich zu. 

 

Sie ließ eine erstickende Stille zurück. 

 
 

xXx
 

 
 

Die staubigen Wände der Tunnel sahen wie eine Leinwand für Kinder aus. Lauter Wandgemälde von unzähligen ‚Und dann lebten sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage‘ Momenten, magischen Wäldern und unproportionalen Tieren; Karikaturen von Kreaturen, die sich um lächelnde Strichmännchen gruppierten, die viel zu große Hände an Körpern mit ebenso viel zu großen Köpfen hatten. Blumen, Wolken und herzförmige Bäume dominierten die Traumlandschaft.

 

Unschuldige, idealistische und imaginäre Welten.

 

Unmögliche Welten.

 

Neji runzelte die Stirn und folgte dem Pfad einem der sich windenden Durchgänge, während sein Blick und hin und wieder auch seine Finger über die Zeichnungen wanderten. 

 

Die Kinder hatten das Beste aus ihrem Gefängnis gemacht. 

 

Sie hatten ihren Käfig vergoldet. 

 

Neji hielt inne, als der Klang von Stimmen von weiter hinten aus dem Tunnel erscholl, laut und hitzig, dann ernst und leise. Er aktivierte sein Byakugan, lokalisierte die Ursache und schritt leise in die Richtung; erleichtert, dass er nicht noch länger suchen musste. Er schnappte noch das Ende der Unterhaltung auf – oder eher der Gardinenpredigt, gemessen an den Gesprächsfetzen, die er hörte.

 

„-also lasst mich euch beide nicht noch einmal dabei erwischen, wie ihr an der Oberfläche herumwandert, verstanden? Es ist nicht sicher!“ Hibaris Stimme drang an sein Ohr. „Und roll nicht so mit den Augen. Sorg dafür, dass du etwas Salbe darauf schmierst.“

 

Die Schiebetür wurde aufgezogen und Neji trat einen Schritt zur Seite, als zwei junge Buben mit schamroten Gesichtern an ihm vorbei schlurften. Einer von beiden hielt sich ein Tuch an den Nacken. Neji runzelte die Stirn, glättete seine Miene aber sofort wieder, als er zu dem Rotschopf hinüber spähte, der die beiden Kinder fort geschickt hatte. 

 

Graue Augen kollidierten mit Opal. 

 

Hibari blinzelte und schob die Tür etwas weiter auf. „Hyūga. Ich wollte in circa einer Stunde zu euch.“

 

„Ich dachte, ich erspare dir die Mühe.“ Nejis Blick senkte sich zu dem Blut, das über den Fingern des Tsubasa verschmiert war. „Was ist passiert?“

 

„Der Junge wurde verletzt.“, sagte Hibari, während er zurück in den Raum trat und sich mit einem Tuch die Hand abwischte. Das Blut löste sich leicht von der Haut. „Die Kinder wurden von einem von Ozukus Vögeln entdeckt. Einer der Jungs wurde verletzt.“

 

Neji summte und seine Brauen zogen sich zusammen. „Kitori meinte, die Vögel wären darauf trainiert, lebenswichtige Punkte zu attackieren.“

 

„Ah, eine Sache, über die sie offenbar nicht gelogen hat.“, schnaubte Hibari und schritt zu einem Waschbecken hinüber, als Neji den Raum betrat. 

 

Der Hyūga sah sich um. Die Kammer war zu einem medizinischen Bereich ausgehöhlt worden, gemessen an den in die Wand gehauenen Hohlräumen, die mit Salben, Medizinflaschen, Verbänden und anderen Vorräten vollgestopft waren. Futons lagen auf einer Seite des Raumes, alle markiert mit zerfetzten Etiketten auf denen „MED 04“ stand. 

 

„Das erinnert mich daran.“, sagte Hibari und wusch sich die Hände. „Ich glaube, einer von euren Leuten wurde markiert.“

 

„Markiert?“, echote Neji und stellte sich neben einen Tisch, auf dem sich Bandagen und Balsame verteilten.

 

„Ja, der Vogel, der die Kinder erwischt hat, war ein Aufspürer. Was bedeutet, dass er mit einem Zielobjekt verbunden ist.“ Hibari wandte sich ihm zu und graue Augen musterten ihn ruhig. „Wurde irgendeiner von euren Shinobi von Vögeln attackiert?“
 

Neji nickte. „Mehrere von uns.“

 

Hibaris Miene verdüsterte sich und er nahm eine flache Box auf, die er zu dem Tisch trug und dort abstellte, um die Balsamgläser und Verbände darin zu verstauen. „Hat es irgendeiner der Vögel geschafft, sich festzukrallen?“

 

Nejis Lippen hätten sich angesichts der Erinnerung beinahe grimmig verzogen, doch er hielt sich unter Kontrolle. „Ja.“

 

„In wen?“

 

„In mir.“

 

Hibari hörte sofort auf, die Sachen in die Box zu packen. Er bedachte Neji mit ernster Miene, bevor er die Kiste beiseite schob, den Tisch umrundete und mit dem Handgelenk ruckte. „Dreh dich um.“

 

Neji hob eine Braue und seine Muskeln zogen sich stramm. „Wie bitte?“

 

Doch Hibari schüttelte nur den Kopf und hielt ein paar Schritte entfernt inne. „An deinem Nacken richtig?“

 

Nejis Augen verengten sich leicht, doch er nicke. 

 

„Das ist die Stelle, an der sie die Markierung anbringen.“, erklärte Hibari und seufzte, als er an ihm vorbei schritt, um eine andere Box in einer Ecke des Raumes zu durchwühlen. „Du hast einen Peilsender an dir.“

 

Neji beobachtete den Tsubasa wachsam. „Wie genau sieht der aus?“

 

„Es ist ein mit Chakra versehener Käfer, fast wie ein Parasit.“, sagte Hibari und zog ein Skalpell hervor. „Sie werden mithilfe der Vogelkrallen übertragen. Ähnlich wie Bienenstiche. Also außer du willst, dass sich das Vieh bis in dein Rückenmark gräbt, lässt du es mich entfernen.“

 

Na wundervoll.

 

Neji spürte instinktiv, wie sich sein Körper in einem bestimmten Winkel drehte. Ein paar Grade mehr hätten ihn in eine Haltung fallen lassen, die an Defensive grenzte. Diese Bewegung war tief in ihm verwurzelt. Doch seine Intuition sagte ihm, dass sich weder in Hibaris Stimme, noch in seinem Gesichtsausdruck eine Bedrohung befand. 

 

Nicht, dass das irgendwie dazu beitragen würde, dass er weniger wachsam war. 

 

Der Hyūga verweilte auf der Seite der Vorsicht und sein Blick wanderte zu dem Skalpell in Hibaris Hand, als der Tsubasa zu ihm hinüber schritt. Er folgte Nejis Augen zu der dünnen Klinge. 

 

„Es wird schnell gehen, aber ich kann dir nicht versprechen, dass es schmerzlos wird.“

 

Neji grinste freudlos und machte keinerlei Anstalten, zu kooperieren. „Sei versichert, es ist nicht der Schmerz, der mir Sorgen bereitet.“

 

Hibari schmunzelte und wirbelte das Skalpell in seiner Hand herum, sodass die Klinge nicht länger auf Neji gerichtet war. Vorsichtig legte er sie auf dem Tisch ab. „Ich verstehe. Ich werde jemand anderen holen, der es macht.“

 

Neji sah zu, wie der Tsubasa zu einem angrenzenden Raum lief, die Tür beiseite schob und mit jemandem auf der anderen Seite sprach. „Bitte geh und hol Isuka.“

 

Der Name klang vertraut. Neji runzelte die Stirn und er erinnerte sich, dass Sakura den Namen ein oder zweimal gegenüber Shikamaru erwähnt hatte. Der Nara hatte darauf irgendetwas über unterernährte Frauen geantwortet, die nur Vogelfutter zum Frühstück aßen.

 

„Den Namen habe ich schon einmal gehört.“, sagte Neji, als sich Hibari ihm wieder zuwandte. 

 

„Ja? Sie ist eine von unseren Leuten innerhalb des Dorfes.“, erklärte der Rotschopf und setzte sich an den Untersuchungstisch, während er seine Füße auf einem der gegenüberstehenden Stühle ablegte. „Sie ist Veterinärin, aber mach dir keine Sorgen, sie weiß auch, wie man mit Menschen umgehen muss.“

 

Wenn das irgendwie beruhigend sein sollte; das war es nicht.

 

Neji bot keine Antwort darauf an. Er blieb einfach nur stehen und nahm sich einen Moment Zeit, um seinen Blick über die Vorräte in dem Zimmer wandern zu lassen. Er konnte spüren, wie Hibari ihn beobachtete, gestattete dem Mann aber seine Inspektion, ohne ihn herauszufordern. Er wandte ihm erst wieder der Blick zu, als Hibari erneut nach dem Skalpell griff. Doch der Tsubasa schob es nur noch weiter von ihnen beiden fort und drapierte einen Arm über die Ecke des Tisches, während er fortfuhr, Neji zu mustern. 

 

„Also hat meine Mutter ihre Klauen auch schon in dich geschlagen, Hyūga?“

 

Neji hob eine Braue und bedachte Hibari mit einem Seitenblick; eine stumme Frage nach Erklärung. 

 

Hibari ging mit einem freudlosen Lächeln und achselzuckend darauf ein. „Du wärst nicht der Erste, wenn das der Fall sein sollte.“

 

„Was lässt dich glauben, dass sie solch einen Einfluss hat?“

 

„Du schienst nur sehr ungern zu glauben, dass sie mich und meine Schwester hintergehen würde.“ Hibari legte neugierig den Kopf zur Seite. „Warum das?“

 

Trotz des defensiven Sträubens, das über Nejis Wirbelsäule rann, hielt er seine Gesichtszüge unlesbar und vollkommen stoisch. Er wollte seine Gedanken nicht auf Kitori und ihre herzlosen Beweggründe richten. Ihr Verrat war nichts Persönliches und dennoch fühlte es sich an, als hätte man ihm einen Schürhaken in den Rücken gejagt. 

 

Es erzürnte ihn auf eine alarmierende Weise.

 

Eigentlich sollte es nicht diesen Effekt auf ihn haben.

 

Aber er hatte etwas in dieser Frau gesehen, das alte Geister hatte auferstehen lassen. Alte phantomhafte Schmerzen, die immer noch in ihm nachhallten. Sie hatte ihn an zwei lange Monate bitterer Heimsuchungen erinnert, von denen er nicht geplagt werden wollte, doch denen er nicht entkommen konnte.

 

Stop. Konzentrier dich.

 

Neji atmete langsam ein, dankbar dafür, dass Hibari sein Schweigen als Gelegenheit nutzte, weiter zu sprechen; er zog damit Nejis Gedanken zurück in die Gegenwart. 

 

„Sie hat vermutlich schon für eine ganze Weile ein Auge auf dich geworfen.“, bemerkte der Tsubasa und klang dabei nachdenklich.

 

Neji sah ihn an. „Was meinst du damit?“

 

Hibari antwortete nicht sofort und schien über seine eigenen Gedanken nachzugrübeln. „Du hast gesagt, dass sie dir den Tempel gezeigt hat, oder? Ziemlich seltsam, dass sie das getan hat. Vermutlich hat Ozuku sie dafür bestraft. Ich glaube, auf ihre eigene verdrehte Weise, mag sie dich sehr.“

 

Neji wollte das nicht einmal in Betracht ziehen. Und so veränderte er schlagartig den Kurs ihrer Unterhaltung. „Hibari, kann deine Mutter dieses verbotene Gedankenübertragungsjutsu ebenfalls anwenden?“

 

„Hn. Sie nutzt es wahrscheinlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit.“, murmelte Hibari und ein bitteres Lächeln verzog seine Lippen. „Eine Sache, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern kann? Sie liebte es, die Gedankenübertragung anzuwenden. Sie hat ihre Zeit lieber damit verbracht, als ihre Kinder zu beschützen.“

 

Nejis Brauen zogen sich scharf zusammen. „Warum?“

 

„Als Ausweg vermute ich.“ Hibari seufzte und stieß seinen Stuhl zurück auf die Hinterbeine, während er an die Decke stierte. „Hoch oben im Himmel wie ein Vogel? Es war vermutlich so nah dran an Freiheit, wie es ihr jemals möglich war.“ Hibari zuckte mit den Achseln. „Muss ihren Kopf verkalkt haben…sie hat Toki jedes Mal dazu gebracht, mit ihr zu singen, wenn sie wieder in ihren Körper zurückgekehrt ist. Genau wie ein Vogel.“

 

„Mit ihr singen…?“ Neji wandte den Blick ab und stierte in eine Ecke des Raumes. Er dachte daran, dass Kitori das Gesangstalent ihrer Tochter erwähnt hatte. 

 

Die Erinnerung an die leblosen Augen des Mädchens erschien in seinem Verstand; genauso wie die Erinnerung an das schwindende pulsierende Leben, um eine Chance kämpfend, die er ihm innerhalb eines Herzschlages genommen hatte. 

 

Götter…ich hätte es wissen müssen…

 

„Jo.“, fuhr Hibari fort und tippte sich vielsagend an die Schläfe. „Aber Kitori hat auch nicht mehr alle Nadeln an der Tanne.“ Hibari hielt inne und seine Stimme ernüchterte zu etwas Sanfterem. „Zumindest ist es das, was ich mir einrede, wenn ich sie mal etwas weniger hasse. Passiert nicht allzu häufig.“

 

Neji sah dem Rotschopf dabei zu, wie er mit seinem eigenen privaten Konflikt rang und wünschte sich auf einen Schlag, er würde Hibari nicht so gut verstehen, wie er es im Moment tat. Der Tsubasa seufzte und wechselte das Thema.

 

„Der Schlaukopf von euch.“, kommentierte Hibari und hob den Blick. „Er ist außergewöhnlich intelligent für sein Alter.“

 

Neji lächelte zaghaft ohne es zu merken. „Shikamaru.“

 

Hibari nickte. „Ja, genau der.“

 

„Ja, das ist er.“

 

Hibari schürzte die Lippen und sah etwas beunruhigt aus. „Weiß Ozuku, dass er so schlau ist?“

 

Neji musterte Hibari aus dem Augenwinkel. Ein schlagartiger und todbringender Beschützerinstinkt gegenüber dem Nara schlich sich durch sein Blut. Es sank in ihn wie ein geducktes Raubtier, dessen Krallen erwartungsvoll zuckten. Er versuchte, das Gefühl zu ignorieren; mochte nicht, wie irrational und unkontrollierbar es sich anfühlte. 

 

„Ozuku hat Shikamaru und Kitori die gesamte Operation anvertraut. Daher gehe ich davon aus, dass er um Shikamarus Intelligenz weiß.“ Nejis Stimme wurde leiser. „Warum?“

 

„Dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass Shikamaru ins Visier genommen wurde.“, erklärte Hibari. „Ozuku sieht Intelligenz als größere Bedrohung an als rohe Stärke. Halte ihn lieber außerhalb der Reichweite.“

 

Gott und ich habe ihn in direkte Reichweite gebracht, als ich ihn mit Kitori weggeschickt habe…

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich und seine Finger ballten sich beinahe zur Faust; ebenso alarmierend wie dieses beschützen wollende Ding, das sich in ihn krallte. Doch dankbarerweise lenkte das Geräusch der Tür, die aufgeschoben wurde, seine Aufmerksamkeit um. Eine spindeldürre Frau schlüpfte in den Raum. Sie war in einen Mediziner Kittel gekleidet und ihr Haar war zu einem Dutt zusammengeknotet. Ihre scharfen adlerhaften Züge erweichten sich mit Sorge, als sie zu Hibari spähte. 

 

„Wurde schon wieder ein Kind markiert?“

 

Hibari schüttelte den Kopf und nickte mit dem Kinn in Nejis Richtung. „Konoha Shinobi.“

 

Isukas Augen wanderten durch den Raum und in dem Moment, in dem sich ihr Blick auf Neji richtete, öffneten sich ihre Lippen leicht vor Überraschung. Für ein paar Herzschläge starrte sie ihn an. „Du bist ein Hyūga.“

 

„Ich hoffe, das ist kein Problem.“, antwortete er und milderte seine Worte mit einem schwachen Lächeln ab. 
 

„Oh! Nein, überhaupt nicht.“ Isuka schüttelte den Kopf und schritt durch den Raum, um ein kleines Arztset hervorzuholen. „Es ist nur so, dass ich vor Kurzem mit ein paar Ninjas aus deinem Team über die Talente deines Clans gesprochen habe.“

 

Irgendetwas in dieser Aussage sorgte dafür, dass Neji die Brauen zusammenzog, doch er erholte sich rasch. Er hatte nicht einmal an seinen besten Tagen das Verlangen danach, über die Talente seines Clans zu plaudern; ganz zu schweigen, wenn er sich in Gesellschaft eines Mannes befand, der wegen eines Ergebnisses dieser ‚Talente‘ immer noch trauerte.

 

Isuka musste ihren Ausrutscher realisiert haben, denn sie warf Hibari einen entschuldigenden Blick zu. Der Rotschopf winkte es nur ab, sah aber mit beschatteter Miene zur Seite. Neji linste auf die Amulette, die an der Kette um Hibaris Hals hingen. Rasch richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die knochige Isuka und beobachtete sie dabei, wie sie ein frisches Skalpell aus dem Päckchen holte. 

 

Sie bedeutete ihm, sich hinzusetzen. „Hat Hibari dir erklärt, dass ich es rausschneiden muss?“

 

Neji ließ sich auf den Stuhl sinken und legte gelassen die Handflächen auf seinen Schenkeln ab. „Ich bin mir sicher, dass es notwendig ist.“

 

„Ich fürchte ja.“

 

Er spürte, wie sie eine Hand unter den dichten Fall seines Haares schob, das sie scheinbar für einen Moment bewunderte, bis er eine Hand hob, um es für sie von seinem Nacken fernzuhalten; er wollte nicht länger als unbedingt nötig in dieser seltsam verletzlichen Position bleiben.

 

Isuka klopfte ihm sanft auf die Schulter. „Es tut mir leid, aber es wird weh tun.“

 

„Ist okay.“ Neji blinzelte langsam und aktivierte sein Byakugan, was Hibari dazu brachte, neugierig zu ihm hinüber zu sehen; vielleicht auch ein wenig unbehaglich.

 

Doch Neji entschuldigte sich nicht und konzentrierte sich auf das, was die Frau hinter ihm machte, als sie begann, den kleinen Eingriff vorsichtig und schweigend durchzuführen. Aufmerksam sah er zu, wie sie nach einer primitiv aussehenden Gerätschaft griff, die vage an eine Pinzette erinnerte. Der kalte Stahl biss sich in die Wunde. Er spürte, wie Blut über seine Haut floss. Isuka neigte den Kopf, als wolle sie seinen Blick einfangen, ohne zu wissen, dass er sie mit seinem Dōjutsu sehr gut sehen konnte. 

 

„Es tut mir leid.“, sagte sie und verzog das Gesicht. „Sie graben sich sehr tief.“

 

„Es tut nicht weh.“, sagte Neji nur. 

 

Hibari hob eine Braue und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. „Das sollte es aber.“

 

Neji lächelte schwach und seine geisterhaften Augen glitten zu Hibari, auch wenn seine Sicht nicht auf den Mann zentriert war. „Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Ich habe eine hohe Schmerztoleranz.“

 

Hibari brummte und lachte leise. „Klar. Diese Parasiten haben übrigens auch Klauen.“

 

„Du sprichst aus Erfahrung?“, vermutete Neji und spürte den kalten Druck eines sterilen Tupfers an seinem Genick, als Isuka das Blut fortwischte.

 

Hibari nickte. „Ganz richtig. Meine Mutter hat mir ein paar hinterher geschickt. Hach ja, ist sie nicht ein Prachtweib?“

 

Nejis Wimpern flatterten, als er sein Dōjutsu deaktivierte und richtete den Blick auf Hibari, während Isuka einen dünnen Verband an seinem Nacken befestigte. „Um ehrlich zu sein, war Shikamaru von Anfang an sehr misstrauisch deiner Mutter gegenüber.“

 

„Achja?“ Hibari runzelte die Stirn. „Und du hast es nie in Betracht gezogen, seinen Argwohn ernst zu nehmen?“

 

Nejis Kiefer zuckte. „Nein.“

 

„Weil sie dich hinters Licht geführt hat.“, stellte Hibari grimmig fest. 

 

Nein. Weil ich den Ausdruck in ihren Augen verstanden habe…ihren Schmerz…ihre…Verbitterung…

 

Neji wandte den Blick ab und tat so, als würde er über die Schulter hinweg zu Isuka spähen. „Ich schätze, dass ich mehr als nur seine Abneigung gebraucht habe.“

 

„Was denn?“ Hibari schnaubte. „Musst du die hässliche Wahrheit direkt aus ihrem Mund hören?“

 

Ja…

 

Neji antwortete nicht und zwang seine Aufmerksamkeit zurück zu der Tierärztin, bei der er sich mit einem schwachen Lächeln und Nicken bedankte. Als er zurück zu Hibari sah, musterte der Rotschopf ihn bedeutungsschwer prüfend. Neji erwiderte das Starren gelassen und unbeeindruckt – zumindest äußerlich.

 

„Hn.“ Hibari legte den Kopf schief und Neugierde löste sein Misstrauen ab. „Sie hat wirklich ihre Klauen in dich geschlagen. Was hat sie getan? Hat sie die Tatsache ausgespielt, dass du meine Schwester getötet hast?“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Eben nicht.“

 

„Also hat sie dir keine Schuldgefühle eingeredet? Dabei wäre das zu ihren Gunsten gewesen.“ Hibaris runzelte die Stirn und er neigte den Kopf in die andere Richtung. „So wie es aussieht mag sie dich mehr, als ich dachte, Hyūga.“

 

Aber warum?

 

Es war ein verstörender Gedanke. Einer, den Neji als nichts anderes als reine Übertreibung von Seiten Hibaris ansehen wollte. Doch unglücklicherweise sah der Mann genauso ernst und beunruhigt aus, wie Neji sich fühlte. 

 

Völlig egal; es spielt bei dem, was jetzt notwendig ist, keine Rolle. 

 

„Wenn das wahr ist, dann kann sich das vielleicht noch als nützlich erweisen, wenn wir sie festgesetzt haben.“ Der Hyūga hielt seine Stimme flach und seine Aussage pragmatisch. 

 

Hibaris Augenbrauen schossen nach oben. „Festsetzen? Denkst du im Ernst, dass ich sie verschonen werde? Wo liegt darin die Gerechtigkeit?“

 

Neji lehnte sich zurück und wog Diplomatie gegen Unverfrorenheit ab; entschied sich dann aber für Ersteres. 

 

„Sie wird mit Sicherheit über sehr wichtige Informationen verfügen, Hibari. Besonders, wenn es darum geht, den Tempel zu infiltrieren.“, argumentierte Neji. „Vielleicht kann ich den wie auch immer gearteten Einfluss nutzen, den ich in Bezug auf ihr offensichtliches ‚gern haben‘ mir gegenüber habe. Ich könnte dadurch an relevante Informationen gelangen. Sollte das fehlschlagen, wäre eine Standardbefragung nötig, bevor blutige Rache verübt wird.“

 

„Hmn.“ Hibari rieb sich am Kinn und ließ seinen Stuhl wieder nach vorn auf alle vier Beine fallen. „Ich sehe Sinn darin, aber es wäre besser, wenn ich dabei dann nicht anwesend bin.“

 

Neji blinzelte; das hatte er nicht erwartet. Vor allem deswegen, weil es die Konoha Ninja in eine Position der Macht und des Vertrauens setzte, von der er nicht gedacht hatte, dass der Tsubasa sie ihnen gewähren würde. 

 

Hibari durchschaute ihn mit einem Schmunzeln und schüttelte den Kopf. „Als ob du nicht bemerkt hättest, dass mein Temperament nicht ansatzweise so kühl und besonnen ist wie deines, wenn ich angepisst bin.“

 

Neji gab sich alle Mühe, nicht freudlos zu lächeln. 

 

Du hast mich noch nie ‚angepisst‘ erlebt, Tsubasa…

 

Vollkommen ahnungslos fuhr Hibari fort. „Wenn ich sie auch nur sehe, wird es hässlich werden. Am besten verhörst du sie und überlässt mir hinterher den Gerechtigkeitsteil.“

 

Neji antwortete mit einem bedächtigen Schweigen und wartete darauf, dass es sich der Mann noch einmal anders überlegte. Doch das tat er nicht.

 

„Na schön.“ Neji glitt von seinem Stuhl und erhob sich zu voller Größe. „Wie schnell können wir damit beginnen?“

 

Hibari stand ebenfalls auf. „Ich wollte deinen Shinobi noch etwas mehr Zeit gönnen, aber wenn ihr jetzt schon bereit seid, euch in Bewegung zu setzen, dann können wir anfangen, an einer Strategie zu arbeiten.“

 

Neji nickte.

 

Es war an der Zeit, Shikamaru zu wecken. 

 
 

xXx
 

 
 

Der Schmerz machte ihn blind. 

 

Er traf ihn mit einer Aggression, die er bisher noch nicht besessen hatte. 

 

Und es passierte so plötzlich, dass Neji nicht einmal realisierte, wie er das Gleichgewicht verlor, bis seine Schulter hart gegen die Seite des Tunnels schlug; sein Körper zuckte bei dem Aufprall zusammen. Ein scharfes Ausatmen brach von seinen Lippen, gefolgt von einem zerfetzten Husten, das seine Rippen erschütterte. 

 

Nach Kupfer schmeckendes Blut befleckte seine Lippen. 

 

Rasch hob er eine Hand und wischte mit der Rückseite seines Handgelenks das beleidigende Rot fort, bevor er auf das schimmernde Nass blickte, das sich von seiner blassen Haut abhob. Während er starrte, spannte sich die Haut um seine Augen und Schläfen an und verzog sich zu den vertrauten Venen des Byakugan. Aufmerksam überprüfte er seinen Chakrafluss und suchte nach lockeren Blockaden in seinen Tenketsu, bevor er sie mit scharfen Stößen seiner Fingerspitzen eindämmte. 

 

Nicht jetzt. Ich habe keine Zeit dafür. 

 

Der Schmerz durchfuhr ihn bei jeder einzelnen Berührung mit der Sanften Faust und das rasche Drücken der Finger fühlte sich an wie der Stich eines stumpfen Messers, das sich in seine Brust fraß. Hastig und effizient bereinigte er das Chaos und sog kalte Luft ein, die sich in seinen Lungen verhakte, als wäre sie mit Rasierklingen versehen. 

 

Atme…

 

Es dauerte eine ganze Weile, um durch die plötzliche Panikwelle atmen zu können und noch ein paar Minuten mehr, um sich zu versichern, dass er seinen Kreislauf wieder unter Kontrolle hatte. Erschöpft sackte er gegen die Wand und ließ zu, sich gegen diese feste Stütze zu lehnen, während er still und ruhig atmete. Doch das gestatte er sich nur für einen kurzen Augenblick.

 

Beweg dich.

 

Scharf atmete er aus und richtete sich auf. 

 

Beweg dich jetzt.

 

Er gestattete dem Schmerz nicht, noch tiefer zu sinken und kämpfte sich durch ihn hindurch, als er seinen Weg durch die Tunnel fortsetzte. Rasch lief er in Richtung des großen Raumes, der zu den Höhlen führte, in denen das Konoha Team im Moment untergebracht war. Als er näher kam, begann er zu vermuten, dass es wahrscheinlich gar nicht nötig sein würde, Shikamaru zu wecken; besonders wenn man die Lautstärke der Stimmen bedachte, die in den Gang hallten.

 

Mit jedem Schritt, den Hyūga tat, wurde der Lärm etwas lauter. 

 

„Was zur Hölle soll das sein, Scheißemagnet?“

 

„Hey halt’s Maul, dein Schaf sieht aus wie eine Kuh!“

 

„Ich glaube, dass das weder ein Schaf, noch eine Kuh sein soll, Kiba.“, bemerkte Sakura. 

 

„Ja, das ist nämlich Akamaru!“, korrigierte Naruto und klang dabei viel zu stolz für jemanden, der offensichtlich auf ganzer Linie versagt hatte. 

 

Akamaru gab etwas von sich, das nur ein beleidigtes Bellen sein konnte. 

 

Naruto quiekte auf. „He!“

 

Neji seufzte schwer und schob seinen Widerwillen beiseite, bevor er die Tür aufzog und den Raum betrat. Der Hyūga hielt mitten in der Bewegung nach der Schwelle inne; seine blassen Augen wanderten zu Kiba und Naruto, die sich selbst mit Wachskreiden ausgestattet hatten und momentan ihren Mangel an künstlerischen Fähigkeiten den Gemälden der Kinder hinzufügten. 

 

Akamaru hatte seinen Kiefer harmlos um Narutos Handgelenk geschlossen und versuchte, die Bewegungen der Hand des hockenden Uzumakis zu kontrollieren, als er die Wand bemalte.

 

„Was glaubt ihr zwei eigentlich, was ihr da macht?“, tadelte Neji milde und schüttelte den Kopf. 

 

„Vandalismus.“ Auch Sakura schüttelte den Kopf und saß mit überkreuzten Beinen auf dem Boden, während sie an einer Tasse Tee nippte und die beiden beobachtete. 

 

„Wir leisten einen Beitrag!“ Naruto grinste und versuchte ungeschickt, mit seiner anderen Hand ein irgendwie debil aussehendes Strichmännchen neben den Schaf-ähnlichen Akamaru zu zeichnen. 

 

„Das soll besser nicht ich sein.“, knurrte Kiba.

 

Naruto kicherte. „Na klar und das“ Naruto malte einen geflügelten Klecks, „ist der Vogel, der auf dich kackt.“

 

„Vollpfosten. Du wirst die Kinder mit dieser Scheiße noch erschrecken.“, murrte Kiba. 

 

„Wenn deine Wortwahl sie nicht vorher korrumpiert.“, warnte Neji kopfschüttelnd.

 

Kiba warf ihm einen bissigen Blick zu, der sich sofort in ein Feixen verwandelte. Der Hundeninja griff nach einer neuen Kreide und skizzierte rasch eine Figur mit langem Haar, Roben und einem Stirnband. 

 

Neji war klar, wohin das führen würde.

 

„Inuzuka…“

 

Kiba grinste unbeeindruckt. Naruto hielt sogar inne, um ihm zuzusehen. 

 

„Hey, das ist Neji!“

 

Neji warf dem Uzumaki einen vernichtenden ‚was-du-nicht-sagst‘ Blick zu, als Kiba eine grob aussehende Linie malte und sie vielsagend einkreiste. 

 

„Und das ist der Stock in seinem Arsch!“

 

„Kiba!“, kreischte Hinata von der anderen Seite des Raumes. 

 

Naruto brach in schallendes Gelächter aus, während Sakura beinahe Tee durch ihre Nase prustete.

 

Bebend schlossen sich Nejis Lider halb; es war ein flüchtiger Versuch, sich davon abzuhalten, mit den Augen zu rollen. Er spähte zu Chōji hinüber, der das Ganze amüsiert beobachtete und dabei eine Tüte Kartoffelchips mampfte. Beinahe verschluckte er sich daran, als er Nejis Blick auf sich spürte und versuchte rasch, seine Miene zu glätten – ohne Erfolg. Lee kam angerauscht und klopfte ihm auf den Rücken, was aber nur dazu führte, dass er noch heftiger würgte. 

 

Neji schüttelte schon wieder den Kopf. „Ist Shikamaru wach?“

 

„Wenn ja, dann ist er klug wie immer und versteckt sich.“, erwiderte Sakura und warf einen Stift, der von Narutos Kopf abprallte.

 

Neji machte auf dem Absatz kehrt und verließ die absurde Szenerie, indem er zu der einzigen Höhle hinüber schritt, deren Tür geschlossen war. Vorsichtig schob er sie zurück, trat ein und zog sie hinter sich zu. Er stieß einen leisen Seufzer aus und hob den Blick, um ein Profil vorzufinden, das in wabernde Schatten getaucht war. 

 

Shikamaru machte keinerlei Anstalten, sich ihm zuzuwenden. 

 

Der Schattenninja saß mit dem Rücken an der Wand da und starrte mit schweren Lidern auf den herzförmigen Keks, den das Kind gebracht hatte. Der Nara drehte ihn immer wieder in der Hand, seine lässigen Bewegungen standen in deutlichem Kontrast zu seinem hart verkrampften Kiefer. Die Falten waren auf seine Stirn zurückgekehrt und gruben sich ebenso scharf in sein Gesicht wie die Anspannung.

 

Neji stand stocksteif da und beobachtete ihn hinter seiner Defensive aus kühlen, gefassten Augen – als würde ein langes Starren dafür sorgen, dass die Ränder um Shikamarus Gestalt verwischten und diese Schatten ihn vollständig schluckten. 

 

Verschwinde…gleite davon…bring mich nicht dazu, dich austreiben zu müssen…

 

Es sollte eigentlich so einfach sein, das zu tun. Einst wäre es vollkommen mühelos gewesen. Doch Shikamaru jetzt fort zu stoßen erforderte eine Stärke, von der er es nicht wagte, sie zu entfesseln; aus Angst, was danach folgen würde…

 

‚Wenn ich dich stoße, dann würde ich dich töten…‘

 

Seine eigenen Worte kamen als fröstelnde Mahnung zurück zu ihm, zusammen mit der Erinnerung an das Gefühl, das er bei den Chūnin Prüfungen vor drei Jahren verspürt hatte. Dieser verachtenswerte, unkontrollierbare Drang, die Ursache dessen zu verletzen, zu schlagen und zu zerbrechen, was ihm diesen unentrinnbaren Schmerz verursachte. 

 

Es wäre so leicht für ihn, Shikamaru zu dieser Ursache zu machen – zu dieser Entschuldigung, dieser unverdienten Zielscheibe.

 

Er hatte es bei Hinata getan.

 

Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass ich dir das antue. Oder sonst irgendjemandem…nie wieder.

 

Sich dessen sicher, konnte sich Neji nicht vorwärts bewegen, er konnte sich nur zurückziehen. 

 

Die Stille in dem Raum wurde schwer und unbehaglich…sie wirbelte vor verborgenen Strömungen, die es nicht schafften, irgendeine Reaktion bei dem Nara oder irgendwelche Worte bei Neji auszulösen. 

 

Draußen vor der Tür lachte Naruto über etwas, das Sakura gesagt hatte.

 

Kiba antwortete mit etwas, das von einem Aufprall gedämpft wurde.

 

Akamaru bellte laut. 

 

Shikamaru blinzelte nicht einmal. Er drehte einfach nur das Herz wieder und wieder über seine Finger. 

 

Wieder und wieder und wieder und wieder und ein scharfes Knacken ertönte, als der Keks entzwei brach. 

 

Es passierte so plötzlich, dass Neji der Atem stockte. 

 

Gespalten in der Mitte; ein sauberer, klarer Bruch.

 

Shikamaru blinzelte; ein langsames, hypnotisches Senken seiner Wimpern. Neji sah zu, wie er die zwei Hälften mit Desinteresse studierte, bevor der Chūnin mit seinem Handgelenk vage in Richtung der Tür winkte und Neji damit wortlos eine Hälfte des Kekses anbot. Neji starrte auf das zerbrochene Stück und folgte mit einem Stirnrunzeln der Kante. Trotz seines Zögerns sah Shikamaru nicht einmal auf; hielt einfach nur sein Handgelenk nach außen gestreckt, während er den Ellbogen auf seinem Knie abgestellt hatte. 

 

„Nimm ihn lieber. Ich würde nicht auch noch das Herz von dem Kind brechen wollen.“, sagte der Schattenninja gedehnt, tief und leise; es fehlte vollkommen der Humor, den diese Worte eigentlich beabsichtigt hatten.

 

Nejis Augen zuckten zum Gesicht des Nara. Doch Shikamaru rührte sich nicht, spürte allerdings den opalhaften Blick und hob als Erwiderung eine Braue. Neji fand keinerlei Beruhigung in diesem vertrauten Ausdruck und sein eigener blieb stoisch und ernst. 

 

„Hibari ist bereit, eine Strategie auszuarbeiten.“, sagte der Hyūga; die Worte umgingen alles andere, was er möglicherweise hätte sagen wollen. 

 

Shikamaru zog sein Handgelenk wieder zurück und wiegte die Keksstücke lose in den Fingern. „Gib mir eine Minute.“

 

Neji nickte und sein Hirn gab die eindeutige Instruktion an seinen Körper, den Raum zu verlassen. 

 

Doch das tat er nicht. 

 

Konnte nicht. 

 

Gegen jede Sinnhaftigkeit, blieb er wie angewurzelt in dem sprichwörtlichen ‚Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück‘ Moment stehen. Paralysiert von Ultimaten, die er nicht verstand, oder von denen er überhaupt realisiert hatte, dass er sie erschaffen hatte. Doch er fühlte sie deutlich und schwer in der Luft hängen. Vorsichtig sah er nach unten, nur um sicher zu gehen, dass er nicht in einem Jutsu gefangen war. Das war er nicht. Sein Schatten blieb von Shikamarus losgelöst; ausgestreckt in einem dunklen Wabern und frei von der Lähmung, in der sich sein Körper eingeschlossen fühlte.

 

Beweg dich 

 

Er konnte nicht. Er fühlte sich in zwei Richtungen gerissen; was bedeutete, dass die einzige Möglichkeit, ganz zu bleiben, darin bestand, sich überhaupt nicht zu bewegen. Und das ließ ihn lange genug wie festgefroren dastehen, dass sich Shikamaru endlich zu dem geringsten Drehen seines Kopfes herab ließ und seinen beschatteten Blick durch das Zimmer wandern ließ. Diese dunklen Augen verengten sich – doch keinen Moment später wurden sie um die Kanten herum weich, tauten zu dunklen Seen auf, die von dem Laternenlicht erwärmt wurden. 

 

Neji spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog. 

 

Langsam atmete er ein…fühlte den ausgefransten Schmerz, den er bereits letzte Nacht verspürt hatte…eine Empfindung von haarfeinen Rissen…brachen etwas Verkrustetes um Bereiche von ihm auf, die fest in Erstickung gehalten wurden. Bereiche von ihm, in die Shikamarus Atem gesickert war…etwas animierend, dem er nicht gestatten konnte, wiederbelebt zu werden; wegen der Risiken von all dem anderen, was es auferstehen lassen würde. 

 

Götter…ich kann nicht...

 

Er spürte, wie sich der Druck gegen diese verschlossenen Bereiche presste und drohte, etwas Taubes in etwas Infiziertes zu verwandeln, roh und verdorben von Emotionen. 

 

Ich werde nicht…

 

Neji schüttelte den Kopf, sich nicht gewahr, dass er beinahe einen Schritt zurück gewichen wäre. Er hätte es getan, wenn die Tür nicht in seinem Rücken gewesen wäre. Und wenn sein Körper ihn nicht mit dieser vollkommenen Verweigerung betrügen würde, sich gemäß den Anweisungen zu bewegen oder zu funktionieren.

 

Er rührte sich nicht. Aber Shikamaru schon. 

 

Der Nara legte ruhig die Keksstücke beiseite und erhob sich mit diesem beneidenswert leichten Schwung, richtete sich auf seinen Füßen auf und schritt mit derselben trägen Bewegung vorwärts. Neji beobachtete ihn, wollte um sich schlagen, sich ihm entgegenlehnen und davon springen; alles zur selben Zeit. Doch er tat nichts davon, sondern atmete nur langsam und kontrolliert aus, als Shikamaru direkt vor ihm zum Stehen kam; so nah, dass der Atem des Naras über seinen Mund spielte. 

 

„Du bist ein Ärgernis…“, murmelte Shikamaru; ein apathisches langgezogenes Sprechen der Worte, das beinahe überzeugend war. 

 

Neji hätte es ihm vielleicht abgekauft, wäre da nicht der schwächste Bruch in dieser Stimme gewesen; das rauchige Timbre schwankte leicht zum Ende hin. Es wäre Neji beinahe entgangen. Doch er wusste es. Er konnte den Schatten von Schmerz in diesen Worten schmecken, trotz des gelangweilten Tonfalls, der ihn verschleiern sollte. Neji konnte die Bedeutung auf einer Ebene verstehen, von der er sich wünschte, dass es anders wäre – doch selbst dieser Wunsch konnte ihn nicht davon abhalten, darauf zu reagieren, bevor er sich hätte zurückziehen und distanzieren können. 

 

Er hob seine Hand; die Finger geisterten Shikamarus Arm entlang, über die Schulter des Nara und bis hinauf zum Hinterkopf des Schattenninjas.

 

Shikamaru griff nach oben und riss seine Berührung scharf davon fort. 

 

Neji akzeptierte es mit derselben Ruhe, die er in seine Augen zwang. 

 

„Ich weiß.“, war seine leise Antwort. „Und das wird sich nicht ändern, Nara. Also sei klug.“

 

„Hn. Dumm ist der, der Dummes tut.“, murmelte Shikamaru; ließ Nejis Handgelenk nicht los.

 

„Dann ist es ja gut, dass du nicht dumm bist.“, erwiderte Neji, während er seine andere Hand hob, um sie an die Seite von Shikamarus Kopf zu legen und zaghaft darüber zu streicheln. „Völlig egal, was du tust.“

 

Shikamaru schnaubte und seine Finger glitten hinunter von Nejis Handgelenk zu seinem Ellbogen. „Das denkst du, hmn?“

 

„Nein. Du denkst.“, korrigierte Neji. „Ich handle. Ich tue, was notwendig ist.“

 

„Ja, du tust, was notwendigerweise dumm ist.“, stellte Shikamaru fest, doch seinen Worten fehlte der Biss. Er schüttelte den Kopf. „Ich schätze, wir befinden uns wieder da, wo wir angefangen haben, oder nicht?“

 

Neji zog den Kopf zurück, fand sich aber nicht in der Lage, an den Worten Anstoß zu nehmen. Vielleicht war er zu müde, oder vielleicht hätte er eher all seinen Stolz für einen kurzen Moment dieser Verbindung gegeben, die er zwar nicht wollte, aber die er genauso wenig loslassen konnte. 

 

Es ändert nichts.

 

Das sagte er sich selbst wieder und wieder, als er sich nach vorn beugte und seine Lippen in einem sanften Schwung über Shikamarus strich – die einzige Warnung, die er ihm gab, bevor er ihre Münder aufeinander krachen ließ, bis der Aufprall von Zähnen den Kiefer des Schattenninjas dazu brachte, sich zu lösen. Neji nutzte die Öffnung sofort, fuhr auf die einzige Art vorwärts, die ihm möglich war und tauchte in die heiße, feuchte Tiefe ein, um mit seiner Zunge dieses Gebiet zu markieren.

 

Du wirst mir das nicht verweigern.

 

Machtvoll, besitzergreifend, mit einem Hauch von Strafe.

 

Shikamaru bog unter dem Ansturm des Kusses den Kopf zurück, schnappte aber gleich darauf mit erwidernder Stärke nach vorn. Zungen kämpften um Dominanz, forderten Kapitulation vom jeweils anderen ein, während sie sich gegenseitig im Mund des anderen belagerten. Beide versuchten, den Atem zurückzustehlen, den sie sich teilten. 

 

Lachen drang durch die Tür herein. Leise und entspannt.

 

Shikamaru biss auf Nejis Lippe.

 

Neji biss zurück – härter. 

 

Sie zischten sich gegenseitig in die Münder und schienen den jeweils anderen mit ihren Fingern aufschlitzen zu wollen; sie zogen sich über Stoff, durch Haare und über Fleisch…beinahe unter die Haut. 

 

‚Wie verdammt tief unter deine Haut muss ich gelangen…?‘

 

Ich weiß es nicht…es ist mir egal…aber du wirst mir das nicht verweigern…

 

Der Kuss war zornig und schmerzhaft und voll von so vielen anderen elenden Emotionen, die alle durch Zungen kommuniziert wurden, ohne ein Wort zu sagen. Doch jede glatte Liebkosung und jedes Kratzen von Zähnen schrie eine unleugbare Wahrheit heraus…

 

Ich brauche das hier…

 

Nejis Augen flogen angesichts dieses heimtückischen Gedankens auf…es war ein schockierender Ausrutscher.

 

Ich brauche das hier…

 

Sofort spannte er sich in Ablehnung an. 

 

Shikamarus Hände ummantelten sein Gesicht – er spürte es nicht. 

 

Angst hatte sich wie eine Faust um ihn geschlossen und zertrümmerte seinen Atem.

 

Doch er wurde ihm zurückgegeben, wurde wie Rauch durch seine geteilten Lippen in ihn geatmet. Warme, beständige Luft; weich und leise und gesättigt mit demselben Geschmack, der sich zusammen mit Shikamarus Zunge in ihn schlich. Sie glitt über seine eigene, liebkoste ihn ebenso zaghaft wie die Hände, die plötzlich streichelnd und beruhigend über seinen Rücken wanderten. Er wollte sich weiter nach vorn lehnen. 

 

Nein.

 

Er schob die Schulterblätter gegen die Berührung zusammen. 

 

Shikamarus Hände hielten inne. 

 

Ihre Zungen strichen übereinander und zogen sich zurück, doch ihre verletzten Lippen schwebten nah übereinander. 

 

„Neji…“

 

Neji schluckte schwer und öffnete die Lippen, um zu antworten.

 

Ein leichtes Klatschen gegen die Tür ließ sie beide zusammenzucken. 

 

Akamaru winselte draußen ununterbrochen und löste ein Plärren aus, das von der Tür gedämpft wurde. 

 

„Neji! Ist Shikamaru im Schlaf gestorben, oder was?“, rief Naruto.

 

„Hau ihn einfach richtig hart, dann wird er sich schon bewegen!“, kam Kibas weiser Ratschlag. 

 

Götter…was zur Hölle machen wir hier…sie sind direkt vor der Tür.

 

Etwas anderes prallte von dem Holz ab, vermutlich eine Kreide. 

 

Shikamarus Atem fächerte sanft gegen seinen Mund. „Wie lästig.“

 

Nejis Stirnrunzeln zerbrach und der Schatten eines Lächelns berührte seine Lippen. Lippen, die er mit einer Zärtlichkeit an Shikamarus Stirn legte, die ihn mehr verletzte als Shikamarus Seufzen; aber weniger als der schmerzvolle Kuss, den sie sich stahlen, bevor der Augenblick verstrich und die Zeit – mit all ihrer bevorstehenden Dringlichkeit – zurück gerauscht kam. 

 

Die Zeit würde nicht warten. 

 

Vor allem nicht, wenn sie davon rannte….

 

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Ui, wieder mal ein Kapitel voller Allegorien, ich mag das ja ;) Es ist wieder ein ruhigeres Kapitel, bevor es ab dem nächsten dann so richtig losgeht...

Ich hoffe sehr, dass euch das Kapitel gefallen hat und dass es eine ausgewogne Mischung aus Düsternis, Drama, Humor, etc. geworden ist :) 

Vielen vielen Dank wie immer an alle Reviewer/innen und Leser/innen, eure Unterstützung ist wirklich nicht in Worte zu fassen! <3 Es ist so unfassbar toll zu sehen, wie gut BtB hier ankommt! Danke!

The missing piece...

„Ist das dein Ernst, Shikamaru?“

 

„Jo.“

 

Keiner sagte etwas. 

 

Eine lange, unangenehme Pause entstand über dem Kreis sitzender Shinobi, zugespitzt durch verschiedenes Starren und fassungslose Gesichtsausdrücke. 

 

Alle auf ihn gerichtet. 

 

Wie lästig…

 

Shikamaru sagte nichts. Er behielt seinen halb bedeckten Blick bei, die Ellbogen auf den Tisch abgestellt, während er den Kiefer auf seinem Daumen abgelegt hatte und mit zwei Fingern über seine Schläfe rieb. Nur Neji und Hibari sahen ihn ohne irgendwelche Zweifel an; Zweifel, die Naruto mit einem Schnauben ausdrückte. Seine blauen Augen zogen sich zusammen, als er in einer unsicheren Art von Amüsement sein Gesicht verzog. 

 

„Also du meinst das ernsthaft ernst?“, fragte der Uzumaki. 

 

Shikamaru warf ihm einen Seitenblick zu und rieb sich ach-so-langsam über seine Schläfe. Seine vollkommen flache Miene war seine Antwort. Doch offensichtlich war das immer noch nicht genug, um die anderen davon abzuhalten, Narutos Zweifel zu teilen und zu verstärken. 

 

Sakura sah ihn an, als hätte er gerade den Verstand verloren. 

 

Wahrscheinlich habe ich das auch.

 

„Shikamaru.“, Sakura zog seinen Namen vorsichtig in die Länge. „Also willst du, dass wir einfach nur-…“

 

„-dass wir uns einfach nur auf den Rücken rollen und nichts tun.“, beendete Kiba ihren Satz und zog gegen diese Vorstellung missbilligend die Nase kraus. 

 

Shikamaru blinzelte langsam. „Prävention schlägt Schadenskontrolle.“

 

„Ja, und nicht den Arsch versohlt zu bekommen schlägt das.“, erwiderte Kiba und schnaubte, während er seine Augen auf der Suche nach Unterstützung über den Tisch schweifen ließ. 

 

Der Hundeninja erhielt eindeutig die meisten Stimmen, alle ausgetauscht durch vorsichtige Blicke. Abgesehen von Neji, der einfach nur auf das Zentrum des Tisches stierte, die Augen ruhig, aber glasig. Shikamaru zwang sich selbst dazu, fokussiert zu bleiben. Er atmete langsam durch die Nase aus und lehnte sich weiter in den Druck seiner Finger – als könnte er seine Schläfe darauf aufspießen. 

 

„Passt auf, bewaffnet mit ihren Shinobi und dem Jutsu, stehen alle Chancen klar zu deren Gunsten.“, sagte er und musterte jedes Gesicht des Teams. „Aber sie operieren aus einer angstgeprägten Denkweise heraus.“

 

„Was ein großer Nachteil für sie ist.“, fügte Neji tonlos und leise hinzu. „Sie sind labil.“

 

Sakura runzelte die Stirn. „Aber sie scheinen als militärische Einheit sehr diszipliniert zu sein.“

 

Hibari sah zu ihr hinüber. „Sie sind sehr diszipliniert, aber diese Disziplin ist ein Resultat von Furcht, nicht von verdientem Respekt und Kameraderie. Sie tun, was ihnen gesagt wird, um die Gemeinschaft zu schützen, aber sie denken nicht für sich selbst.“

 

Shikamaru summte. „Gemessen an dem, was Hibari mir gesagt hat, werden sie anhand ihrer ‚Schwarm‘-Mentalität operieren. Dieses Jutsu ist ihr Trumpf. Also ist es das Ziel, es aufzuhalten, bevor sie es benutzen können.“

 

„Daher der ‚Prävention‘-Teil.“, betonte Hibari. 

 

„Das heißt, dass wir uns mit ihren Ninjas herumschlagen müssen.“ Shikamaru nickte Hibari zu und sah zu, wie der Tsubasa eine Karte von Hanegakure auf dem großen runden Tisch ausbreitete. „Der Schlüssel ist ‚Teilen und-‚“

 

„Herrschen!“ Naruto grinste. 

 

„Hinhalten.“, korrigierte Shikamaru. „Oder Ablenken. Es geht darum, genug Störungen zu verursachen, ohne sie direkt anzugreifen. Ihre Waffe ist absolute Gewalt. Etwas, das wir wenn möglich vermeiden wollen.“

 

„Du willst, dass wir sie schonen, obwohl wir bereits wissen, dass sie diesen Gefallen nicht erwidern werden?“ Naruto legte den Kopf schief. „Wie zur Hölle soll uns das irgendwohin führen, außer, dass wir alle draufgehen?“

 

„Das hier ist kein normaler Kampf.“ Shikamaru seufzte, als hätte er es bereits vorher erklärt. „Wir befinden uns mit diesen Leuten nicht in einer ‚gewinnen oder verlieren‘ Situation. Wir brauchen eine Win-win-Situation.“

 

„Win-win?“

 

Shikamaru nickte, während sein dunkler Blick über Hibaris Karte wanderte. „Unser Ziel ist es, Frieden zu sichern. Das sind die Anweisungen der Hokage. Wir werden aber nicht in der Lage sein, das zu tun, wenn wir einen direkten gewaltsamen Kampf zulassen. Das wird nur dafür sorgen, dass sie uns als Bedrohung ansehen.“

 

„Aber wir sind eine Bedrohung.“, sagte Sakura. „Sie wissen, dass wir der Feind sind, Shikamaru.“

 

„Das ist doch genau mein Punkt. Wir müssen dafür sorgen, dass die Dorfbewohner, nicht Ozukus Ninjas, verstehen, dass wir keine Bedrohung sind.“

 

Kiba schnaubte kopfschüttelnd. „Ja klar und wie wahrscheinlich ist das? Mit diesem Ozuku Typ an der Spitze, werden sie uns sicher nicht auf eine Tasse Tee zu einer Friedenskonferenz einladen.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Ich habe nie gesagt, dass wir nicht darauf vorbereitet sind, zu kämpfen. Das Wissen, dass wir mit der Gewalt umgehen können, gibt uns die Macht zu verhandeln.“

 

„Nicht mit diesem Ozuku Freak.“, grollte Naruto. 

 

„Nein, aber hinterher mit den Dorfbewohnern.“, erklärte Neji, bevor Shikamaru das Wort ergreifen konnte; seine Augen blieben immer noch auf die Mitte des Tisches fixiert. „Sie dürfen auf keinen Fall verletzt werden.“

 

„Das stimmt.“ Shikamaru sah zu dem Hyūga hinüber, schaffte es aber nicht, den blassen Blick zu sich zu ziehen. „Ozuku manipuliert sie mit Angst. Er ist ein Megalomane – aber ein kluger Megalomane.“

 

Neji summte und schob seine linke Hand über die Tischplatte, als würde er etwas fortwischen, das gar nicht da war. „Er nutzt seine verdrehten Vorstellungen von Glauben und Schicksal als Mittel dafür, seine Position als Repräsentationsfigur zu sichern. Selbst die Kinder glauben, dass das, was er tut, etwas Besonderes statt etwas Amoralisches ist.“

 

Hibari nickte ernst. „Das ist die unschöne Wahrheit. Ozuku hat es geschafft, die Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Opfer für die Aufrechterhaltung des Jutsus ihrem Schutz und dem größeren Wohl für alle dient.“ Er hielt inne und stieß ein leises Seufzen aus. „Ozuku lässt es so aussehen, also würden sich die, die sich gegen ihn stellen, auch gegen das Volk stellen.“

 

„Ja, aber sie realisieren nicht, dass dieses ‚größere Wohl‘ von einem Freak mit Gottkomplex diktiert wird.“, murmelte Kiba und streichelte Akamarus Kopf, als der Hund seine Schnauze auf die Tischplatte legte; die goldenen Augen auf Neji gerichtet, als sich der Hyūga ein wenig zurücklehnte und mit der linken Schulter rollte.

 

Die kleine Bewegung entging Shikamaru nicht. 

 

Neji beugte sich wieder etwas nach vorn und seine Stimme wurde leise. „Auf jeden Fall glauben sie ernsthaft, dass diesem Mann zu gehorchen der einzige Weg ist, um in Sicherheit zu sein. Sie wollen ihr Dorf und sich gegenseitig beschützen.“

 

Hibari brummte und ein trauriges Lächeln verzog seine Lippen. „Das war einst unsere größte Stärke, aber jetzt hat er es in eine Schwäche verwandelt, indem er neu definiert hat, was es bedeutet, sich gegenseitig zu beschützen.“

 

„Ja, sich gegenseitig zu opfern, um sich zu beschützen.“, bemerkte Naruto schroff; ein Knurren rollte tief in seiner Kehle. „Mann, das ist einfach so falsch. Und die Kinder auch?“ Narutos Faust fuhr mit einem dumpfen Schlag nieder. „Wie zur Hölle, können sie einfach so akzeptieren, auf diese Weise zu leben, Hibari?“

 

Shikamarus Augen verengten sich angesichts dieser gefauchten Worte zu Schlitzen. 

 

Er bereitete sich bereits auf den unvermeidbaren Gegenschlag vor, als Zorn in Hibaris grauen Iriden explodierte. Doch das war nichts im Vergleich zu dem eisigen Blick, mit dem Neji den Uzumaki bedachte. Er überzog alles mit Frost, was Hibari möglicherweise gesagt hätte und war doppelt so effektiv. 

 

Der Uzumaki runzelte die Stirn und zog sich mit einem finsteren Ausdruck auf den Zügen zurück. 

 

„Sie akzeptieren es, weil ihnen niemand eine Wahl gelassen hat, Naruto.“, verteidigte der Hyūga und seine Augen verengten sich ein wenig. „Als die Rebellen versucht haben, ihnen diese Wahl anzubieten, wurden sie als Verräter ausgeliefert. Diese Menschen glauben nicht, dass sie irgendeine andere Wahl haben, als diesem Bastard Folge zu leisten. Was für ein Glück für dich, dass in deinem Fall eine solche Freiheit zu besitzen nicht die gleiche Strafe rechtfertigt, die diese Menschen erleiden müssen, nur weil sie darüber nachdenken.“ 

 

Eine glaziale Stille brach heftig über dem Tisch herein.

 

Akamaru zog den Kopf ein und legte ihn mit einem Winseln auf Kibas Schoß ab. 

 

Super.

 

Shikamaru knirschte mit den Zähnen und suchte nach einem schnellen Weg, um die Spannung zu lösen. Ohne seine linke Hand von seinem Gesicht zu nehmen, bewegte er seine rechte in einem trägen Schwung über die Mappe und zog damit Narutos finstere Miene und das geschockte Starren aller anderen zurück zu sich und fort von Nejis dünnlippigem und vernichtendem Blick. 

 

„Und das ist nur umso mehr Grund dafür, hierbei so gewaltlos wie möglich vorzugehen.“, sagte der Nara. „Richtig?“ Er richtete die Frage an Hibari und zerrte den Tsubasa aus dem brütenden Schweigen, in das Narutos Worte ihn versetzt hatten. 

 

Stirnrunzelnd nickte Hibari. „Richtig. Die Leute werden vielleicht wie eingesperrte Tiere reagieren, denen auf einen Schlag Freiheit gewährt wird. Wenn sie aus einem Leben in Gefangenschaft herausgerissen werden, dann wissen sie oft nicht, was sie mit ihrer Freiheit anstellen oder wie sie überleben sollen; daher brauchen sie jemandem, dem sie vertrauen und der in diesem Fall eingreift.“

 

„Und dieser Jemand wärst wohl du, huh?“, fragte Kiba nur halb sarkastisch.

 

Der versteckte Haken in diesen Worten ließ Shikamarus Augen zucken. 

 

Ugh. Versuchen eigentlich alle hier absichtlich, diesen Kerl anzupissen?

 

Hibaris finstere Miene ließ darauf schließen, dass ihm Kibas Unterstellung ganz und gar nicht gefiel, doch zu Shikamarus immenser Erleichterung, ließ er es auf sich beruhen. „Dieser Jemand wird der- oder diejenige sein, den sie wählen.“, korrigierte der Tsubasa. „Ich werde ihnen die Möglichkeit bieten, eine Wahl zu treffen, um die Verantwortung des Wiederaufbaus von Hanegakure zu übernehmen – mit oder ohne meine Rebellen und mich. Es interessiert mich nicht, was mit mir passiert, ich interessiere mich für die Menschen und die Kinder. Ich weigere mich, noch mehr Kindern dabei zusehen zu müssen, wie sie aufwachsen, nur um als Kanonenfutter für dieses Jutsu zu enden. Dieses Dorf ist wertvoller vor mich als jede Machtposition in ihm oder über es.“

 

„Wertvoller für dich, huh?“, murmelte Naruto und dachte über die Worte nach. Shikamaru entging der schmerzerfüllte Ausdruck in diesen bekümmerten blauen Augen nicht. „Das ist es wert, dafür zu kämpfen.“

 

„Ja.“, sagte Hibari ruhig. „Ich will diesen Leuten die Möglichkeit geben, die Dinge anders anzugehen.“

 

„Und das wirst du.“, versicherte Neji, die Augen wieder einmal auf das Zentrum des Tisches gerichtet. „Aber haben wir ersteinmal Ozuku abgesetzt, lässt das die Menschen führungslos und verängstigt zurück. Bevor also irgendjemand einschreiten kann, um ihnen diese Wahl zu gewähren, müssen sie wissen, dass sie in Sicherheit sind.“

 

„Wie?“ Sakuras Gesichtszüge schwankten mit demselben Zweifel wie ihre Stimme. „Ich finde es schwer vorstellbar, dass sie dich einfach akzeptieren werden, Hibari.“

 

„Du wärst überrascht, was passiert, wenn du den Leuten die Angst nimmst und ihnen das Recht einräumst, für sich selbst Entscheidungen zu treffen.“ Hibari lächelte leicht und Shikamaru bemerkte die Wärme in den grauen Augen – sie schwang auch in Hibaris Stimme mit. „Ich kenne diese Leute, ich weiß, wie sie denken und ich weiß, wie sie gelitten haben. Es ist an der Zeit, dass dieses Leid endet.“

 

„Na dann lasst uns dafür sorgen, dass es auch endlich passiert!“, brüllte Naruto und diesmal donnerte seine Faust mit vollkommener Überzeugung nieder. Er schwang seinen glühenden Blick wie ein Scheinwerferlicht direkt auf Shikamaru. „Na dann lass mal hören, Shikamaru!“

 

Der Nara zögerte, als sich sämtliche Augen auf ihn richteten. Doch diesmal war es keine ungläubige Pause. Es war eine voll von Erwartung und Antizipation. Jeder reihte sich ein wie Shogi Bauern, die darauf warteten für das wahrscheinliche Endergebnis genutzt zu werden; witzig, wie Asuma diesen Vergleich vor gar nicht allzu langer Zeit gezogen hatte. Für Shikamaru war es ein beinahe automatischer Prozess, wenn er am Strategisieren war. Menschen auf Spielsteine zu reduzieren. Es störte ihn seit seiner ersten Chūnin Mission, wie schnell sich seine Gedanken in diese vollkommen distanzierte Bewertung einfügten. 

 

Es sorgt dafür, dass mein Kopf klar bleibt…

 

Shikamaru spürte einen selbstironischen Stich in den hintersten Winkeln seines Verstandes. 

 

Hn. Lasst die Spiele beginnen…Win-win…

 

Zurück ins Rampenlicht geschoben, atmete er langsam ein und blinzelte seinen beschatteten Blick fort, als würde er aus einer Trance zurück an die Oberfläche kommen. Während er den Plan beäugte, neigte er den Kopf fort von seiner Hand, legte seine Fingerspitzen auf die Karte und klopfte leise darauf. 

 

Los geht’s.

 

Seine Augen wurden scharf, als er den Atlas des Dorfes studierte. 

 

„Der erste Schritt ist, Ozuku zu entwaffnen und seine Shinobi hinzuhalten. Wie besprochen, müssen wir das bewerkstelligen, ohne die Dorfbewohner dabei zu bedrohen.“ Er hielt inne und hob den Blick. „Strategisch gesehen gibt es drei Dinge, die Ozuku und seine Unterstützer brauchen, um so erfolgreich zu sein.“

 

Er hob eine Hand und spreizte drei Finger, um jeden einzelnen Punkt zu erörtern. „Mittel. Intention. Und Gelegenheit. Das sind die drei Dinge, die sie brauchen. Das ist die Struktur ihrer Herrschaft aus Gewalt. Nimmt man ihnen eines davon, dann haben sie kein Standbein mehr, auf das sie sich stützen können.“

 

„Cool.“, sagte Naruto; ein verwirrtes Stirnrunzeln folgte direkt auf dem Fuße. „Uh, also wie stellen wir das an?“

 

Shikamaru grinste und griff nach einem Satz weggeworfener Kreiden, die an seiner Seite des Tisches lagen. Ohne mehr Energie aufzuwenden, als unbedingt nötig war, schnippte er mit einem Finger, um einen über den Tisch zu Naruto und einen weitere zu Lee rollen zu lassen, der dem Blondschopf gegenüber saß. Als Antwort auf die fragenden Blicke, sah Shikamaru vielsagend auf die wächsernen Marker. 

 

Naruto blinzelte eulenhaft, als er den Stift aufhob. „Uh, oooo-kay?“

 

Shikamaru spürte, wie Neji in seine Richtung spähte. Nach dem schwachen Heben der Augenbraue des Hyūgas zu urteilen, war er über diese Klassenzimmertaktik leicht amüsiert. Shikamaru sah zu ihm hinüber, zuckte mit den Achseln und begründete damit wortlos, dass ihm das die Mühe ersparte, selbst über den verdammten Tisch greifen zu müssen. 

 

Neji wandte den Blick ab, doch seine Lippen bogen sich leicht. 

 

Das schwache Lächeln zog Shikamarus Aufmerksamkeit sofort auf den Mund des Hyūga. 

 

Konzentrier dich.

 

„Gut.“ Shikamaru nickte zu Naruto. „Kreis den Tempel auf der Karte ein.“ Er wartete, bis Naruto das erledigt hatte. „Das ist ihr Mittel, um uns zu attackieren. Das ist ihre Waffe; die wirkenden Shinobi und die Schriftrollen.“

 

Der Nara wandte seinen Blick Lee zu. „Kreis das Aviarium ein.“ Lee tat wie ihm geheißen und es war ein riesiger Zirkel, der den Großteil der einen Seite der Karte einnahm. „Das ist ihre Gelegenheit. Sie wissen, dass wir die Voliere angreifen werden. Die Vögel sind ihre einzige Chance, uns richtig hart zu treffen.“

 

Shikamaru wirbelte einen weiteren Stift in seinen Fingern und tippte auf den Tisch, machte aber keinerlei Anstalten, sonst noch irgendetwas einzukreisen, während er die Karte beäugte. „Und als Letztes wäre da ihre Intention, oder besser gesagt, die Mentalität, die sie nutzen und über die wir bereits diskutiert haben. Angst.“

 

„Okay, also was von diesen drei Dingen werden wir außer Kraft setzen?“, fragte Naruto, während er etwas in die Ecke der Karte kritzelte, das wie ein Schaf oder eine Kuh aussah.

 

Akamaru knurrte über den Tisch hinweg und brachte Kiba augenblicklich dazu, mörderisch auf das Gekrakel zu schielen.

 

„Ihre Mentalität oder Intention zu ändern wird schwierig, solange Ozuku am Leben ist.“, argumentierte Neji. „Sie sehen uns immer noch als Bedrohung an, was bedeutet, dass wir ihnen Mittel und Gelegenheit nehmen müssen.“

 

Shikamaru nickte und gestikulierte mit einem Rucken des Kopfes zu jedem Kreis. „Damit bleiben der Tempel und das Aviarium. Das sind unsere Ziele. Die zwei lebenswichtigen Komponenten ihrer Attacke.“

 

„Also müssen wir einen ganzen Haufen Vögel los werden?“ Kiba nahm eine grimmige Pose ein, während er den Stift aus Narutos Hand pflückte, bevor der Uzumaki seinen Hund noch mehr beleidigen konnte. 

 

Hibaris Miene verdüsterte sich. „Wie müssen das Aviarium zerstören, ohne die Vögel zu verletzen. Sobald die Vögel in die Voliere gelangen, werden sie zu einem Geist, oder einem Massenbewusstsein. Wir müssen sie aus dem Aviarium holen und dann-…“

 

„Jagen wir es in die Luft?“, murmelte Naruto und stierte Kiba finster an, als der Inuzuka die Wachskreide zurück zu Shikamaru rollte.

 

„In. Die. Luft. Jagen?“, wiederholte Sakura ungläubig, bevor sie Naruto kräftig auf den Hinterkopf schlug. „Wie in aller Welt soll das denn gewaltlos sein? Das Aviarium ist größer als das ganze Dorf!“

 

„Meine Güte! Es war doch nur ein Vorschlag.“, schmollte Naruto und wich ihrem Blick aus. 

 

Shikamaru seufzte und legte sein Kinn auf seiner Handfläche ab. „Es in die Luft zu jagen steht sehr weit unten auf der Liste unserer Optionen und wir werden es mit allen Mitteln vermeiden, verstanden?“ Shikamaru sah hinunter auf den eingekreisten Tempel. „Die Idee ist, zuerst den Tempel anzugreifen und das Jutsu außer Kraft zu setzen. Nachdem wir diese Schriftrollen und die Kammer, in der es gewirkt wird, zerstört haben, wird das Gedankenübertragungsjutsu, das in dem Aviarium gehalten wird, wirkungslos. Die Vögel werden dann wieder-…“

 

„Nicht besessen sein.“, murrte Naruto, rieb sich den Hinterkopf und zuckte angesichts Sakuras warnender Miene zusammen. „Heh…“

 

„Ja.“, sagte Hibari. „Sie werden frei sein. Und vielleicht werden sie uns eines Tages genug vertrauen, dass wir mit ihnen kommunizieren können, wie wir es vor Jahren getan haben. Ein Vogel zu einem Menschen.“ Er sah zu Kiba. „Ein bisschen wie bei dir und deinem Köter.“

 

Kiba schien sich gegen diese Worte aufzuplustern und kraulte Akamaru hinter dem Ohr. „Wen zur Hölle nennst du hier Köter?“

 

Shikamar stöhnte in seine Handfläche. „Beruhig dich. Passt auf, wir müssen jetzt schnell handeln. Wir haben nicht viel Zeit. Als Erstes müssen wir den Tempel infiltrieren, damit wir das Aviarium lahmlegen können.“

 

„Ich kann euch sämtliche Informationen besorgen, die ihr über das Aviarium braucht.“, versicherte Hibari und sah zu ihm hinüber. „Als Veterinärin hat Isuka direkten und uneingeschränkten Zugang.“

 

Shikamaru nickte dankbar. „Also haben wir schon mal einen Weg hinein. Was bedeutet, dass wir nur noch mehr über den Tempel wissen müssen und wie zur Hölle wir ihn infiltrieren können.“

 

„Wir brauchen auch hier jemanden aus dem inneren Kreis.“, vermutete Lee.

 

Bevor Shikamaru dieser Aussage zustimmen konnte, schnitt Nejis Stimme über den Tisch und versetzte sie alle zurück in die fassungslose Stille, mit der sie begonnen hatten. 

 

„Wir brauchen Kitori.“

 
 

oOo
 

 
 

Unter seinen Fingerspitzen fühlte es sich wie eine Lüge an; größtenteils deswegen, weil er es nur durch Berührung nicht nachverfolgen konnte. 

 

Da war keinerlei Narbengewebe, keine Furchen, die der Gestaltung folgten und keine Veränderung in der Struktur der Haut. 

 

Unter seinen Fingern existierte das Fluchmal nicht. 

 

Doch im Spiegel und in seiner Erinnerung und in jedem wachen Moment seit zwei Monaten, war es ein Phantomschmerz, dem er nicht entkommen konnte. Für alles, was es bedeutete und alles, was es niemals hätte bedeuten können. 

 

Es hätte nie so sein müssen…

 

Es suchte ihn von unter dem Stirnband heim wie eine Wunde, die nicht in der Lage war zu verheilen und roh und offen eiterte. 

 

Ist das der Preis für den Hyūga Stolz?

 

Neji musterte das das Fluchsiegel, seine blassen Augen folgten seiner groben Reflexion in dem gesprungenen Spiegel, der an die Wand genagelt war. Das Team mobilisierte sich gerade, die Strategie war ausgearbeitet; Pläne verfestigten sich, um das zerbrochene Schicksal eines zerbrochenen Volkes zu sichern und wieder in Ordnung zu bringen.

 

Neji starrte auf die Risse in dem verschmierten Spiegel.

 

Ich werde nicht verlieren.

 

Er hob seine Hände mit dem Hitai-ate zu seiner Stirn, um das eingebrannte Mal zu bedecken.

 

Und ich werde niemals vergessen, warum…

 

Das leise Kratzen der Tür zog seinen Blick zu der linken Seite des Spiegels, die von den Rissen unberührt war. Sie reflektierte die Gestalt, die in der Tür innehielt. Shikamaru lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen.

 

Dunkle Augen trafen im Glas auf Mondsteine. 

 

Für einen Moment sahen sie sich an, während Neji das Stirnband festzog und seine Hände senkte; seine Strähnen fielen zurück an ihren Platz. Langsam drehte er sich um und bot ein schwaches Heben der Mundwinkel an, das sich so gezwungen anfühlte, dass es erbärmlich aussehen musste. 

 

Shikamaru legte den Kopf zur Seite, runzelte die Stirn und kam zu ihm herüber. 

 

Neji traf ihn auf halbem Weg. 

 

Der Nara legte ohne zu zögern eine Hand an seinen Hinterkopf, zog ihn näher und lehnte ihre Stirnen aneinander. 

 

Neji summte leise und fuhr mit den Händen Shikamarus Seiten entlang. Langsam ließ er seine Daumen über den schwarzen Stoff rollen; folgte den Konturen von Shikamarus Körper unter dem dünnen Gewebe. Er spürte das Spielen der schlanken Muskeln, die auf seine Berührung reagierten. 

 

Shikamaru seufzte. „Wir sollten gehen…“

 

Neji strich ihre Münder übereinander und senkte seine Hände zu den Hüften des Nara. „Fall nicht in eine Grube voller Pfähle.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Ich werde mir Mühe geben, nicht zu sterben.“

 

Neji entging die scharfe Kante in dieser trägen Aussage nicht. 

 

Er drückte Shikamarus Hüften; stärker als er beabsichtigt hatte. „Ich meine es ernst, Nara.“

 

„Ja, darauf würde ich wetten.“

 

Nejis Augen verengten sich. Er wollte schon mit kalten Worten zurückschnappen, doch Shikamaru zog seine Zunge in einen anderen Kampf. Der Mund des Nara schnellte hinunter auf seinen eigenen und ergriff ohne das übliche Duell, das zwischen ihnen ausgetragen wurde, die Dominanz. 

 

Es lag keinerlei Verhandlungsspielraum in dem Kuss.

 

Neji bereitete sich darauf vor, die Kontrolle zurück zu reißen. Doch dann tanzte dieser undefinierbare Hauch von Rauch über seine Zunge. Shikamarus Geschmack. Er breitete sich in seinem Blut und in seinem Atem und jeder Faser seines Selbst aus. Sein Körper erschauerte ein einziges Mal, als würde er von einer Droge getroffen, die seine Venen versengte. 

 

Begierde…

 

Unbändige, destruktive, impulsive Begierde.

 

Es hatte sich niemals zuvor so angefühlt. 

 

So…labil.

 

Nejis Atem rasselte in seiner Kehle und rollte in einem Knurren heraus, das Shikamaru hinunter trank und in einem nachhallenden Schnurren zurück in ihn atmete. Es bebte wie eine seismische Welle durch Neji und löste etwas tief in seinem innersten Kern. 

 

Vielleicht war es Schmerz, aber er konnte es nicht fühlen. 

 

Stattdessen spürte er, wie sich der Schattenninja bewegte und ihn gegen die Wand drückte, bis sich die gekrümmte Oberfläche hart und rau in seinen Rücken grub. Shikamarus Handflächen krachten zu beiden Seiten seines Kopfes gegen den Stein und sperrten ihn ein. Ihre Lippen trafen erneut heftig aufeinander, Hüften schlossen sich aneinander und Haut brach in ein Fieber aus. 

 

Neji stieß nach vorn. 

 

Shikamaru rammte ihn hart genug zurück, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen. 

 

Der Spiegel löste sich von seinem Haken, fiel und zerbrach. 

 

Das laute Krachen und Splittern von Glas schreckte sie von ihrem Kuss auf. 

 

Es ließ Neji brennend und stoßweise atmend zurück. 

 

Shikamaru bebte; ein wildes Erschauern, das seinen Körper erschütterte, bevor er ihn wieder unter Kontrolle brachte.

 

Laternenlicht glänzte von den Scherben am Boden. Sie schimmerten in Schlitzen auf den Wänden; ein reflektierendes Leuchten wie zerstreute Mosaikstücke. 

 

Es ließ den düsteren Raum so aussehen, als würde er zerbrechen.

 

Neji atmete zitternd aus und schlug seinen Kopf zurück gegen den Fels. Ein Wispern kalter Luft sickerte in den schmalen Spalt zwischen ihren Lippen, die feucht und verletzt von dem brutalen Kuss waren. 

 

Götter…was war das…?

 

Es war nicht dieselbe Art von Hitze, die sie bisher verspürt hatten. 

 

Neji fühlte, wie kühle Finger seinen Kiefer einrahmten, der scharfen Neigung bis zum Gelenk folgten, darüber strichen und dann bis hinauf zu seinem Nasenrücken wanderten. Beruhigend, langsam – versuchten, das Feuer zu zähmen. Er spürte Shikamarus Mund, der sich an seinen Hals legte und zärtlich seinen Pulspunkt küsste. Neji neigte den Kopf und atmete unregelmäßig gegen Shikamarus Scheitel.

 

Seine Brust schmerzte, als hätte er sich die Rippen gebrochen.

 

Und auf dem Boden schimmerte das zerbrochene Glas.

 
 

xXx
 

 
 

Ihre Formation hatte sich verändert.

 

Neji las sie mühelos und folgte hinter der Sicherheit des Barrierejutsus, das Hibaris Leute aufrecht erhielten, den Bewegungen von Kitoris Shinobi. Kitori hielt die Reihen weniger kompakt und weit aufgefächert, doch scharf genug, um die Art von Hinterhalt durchbrechen zu können, in den die Konoha Ninjas sie das letzte Mal getrieben hatten. 

 

Die Augen des Hyūga verengten sich, die Venen seines Byakugans spannten sich an. 

 

Neji hatte nichts weniger von Kitori erwartet, doch er hegte keinerlei Anerkennung für ihre Mühen und dafür, was sie aus der damaligen Situation gelernt hatte. Genau wie beim letzten Mal würde ihre Taktik weder sie noch ihre Shinobi retten. Es gab diesmal nur einen einzigen Unterschied zu der letzten Situation; sollte er ihr diesmal eine Klinge an die Kehle halten, dann würde es nicht das geringste Missverständnis darüber geben, dass sie Feinde waren. 

 

Und dennoch; das Bedürfnis danach, von ihr selbst von ihrem Verrat zu erfahren und ihn zu verstehen, blieb bestehen.

 

Er beobachtete, wie Kitori einen Arm ausstreckte, sodass sich ein großer grauer Vogel darauf niederlassen konnte. 

 

Du wirst mir die Wahrheit geben, Tsubasa.

 

Er spürte, wie Shikamarus Finger über seine Schulter strichen und leicht drückten. „Wie nah?“

 

„Feindkontakt innerhalb der nächsten fünf Minuten.“, murmelte Neji und sprach Shikamaru dabei nicht direkt an, lehnte sich aber ein wenig zurück. 

 

Shikamarus Daumen krümmte sich leicht, um über seinen Nacken zu streicheln und folgte dem Rand des dünnen Verbandes, der dort angebracht war. Die Bewegung war unter dem schweren Fall seines dichten Haares verborgen. Niemand bemerkte es. 

 

Neji justierte seinen Transmitter. „Hibari? Wie geht es deinen Shinobi?“

 

Hibaris Stimme kratzte durch die Leitung. „Wir können es nicht lange aufrecht erhalten.“

 

Neji summte. „Verstanden. Ich werde mich innerhalb der nächsten Minute in Bewegung setzen. Sind Kiba und Akamaru okay?“

 

„Wir würden es wissen, wenn es nicht so wäre.“, versicherte Shikamaru ihm. 

 

„Hey, vielen Dank für deine Besorgnis, Shikamaru.“, grummelte der Hundeninja durch das Funkgerät. „Ich muss mir echt neue Freunde suchen…“

 

Akamarus Bellen folgte direkt danach und so laut, dass jeder, der zugeschaltet war, zusammenzuckte. 

 

„Ganz locker, Scheißemagnet. Dein Part ist doch sowieso schon erledigt!“

 

„Erzähl das dem fetten Nasenbluten, das ich mir dabei eingefangen habe, Turteltaube.“

 

„Naruto.“ Neji erhob sich aus seiner Hocke und spürte, wie sich Shikamaru synchron mit ihm bewegte. „Bist du soweit?“

 

„Scheiße ja.“

 

„Auf Shikamarus Kommando; mach dich bereit, uns zu folgen.“

 

„Verstanden!“

 

Neji wandte sich Sakura zu. Die Kunoichi nickte, zog an dem Saum ihres Handschuhs und streckte die Finger mit einem grimmigen Lächeln aus. 

 

„Bereit.“, sagte sie. 

 

Nejis Blick wanderte zurück zur Oberfläche und scannte rasch die Umgebung. Der Vogel auf Kitoris Arm breitete die Flügel aus und sein Kopf ruckte scharf von einer Seite zur anderen. Während er das Tier beobachtete, stellte Neji den Riemen der Tragmanschette ein, die um sein Handgelenk geschlossen war; ganz ähnlich der Art, die sie bei ihren Botenvögeln verwendeten. Nur wurde diese hier von Shinobiboten genutzt, die sich zwischen Außenposten bewegten. 

 

Schließlich sah er zu dem Nara und fixierte seinen Blick auf den Schattenninja. 

 

„Lauf schnell, Hyūga.“

 

„Pass auf, dass du mithalten kannst, Nara.“

 

Shikamarus Mundwinkel hob sich in einem schwachen, sardonistischen Lächeln. „Ich bin schon daran gewöhnt, dir nachzujagen.“

 

Diese Worte ließen Neji zögern; doch nur für einen kurzen Moment.

 

Einen Herzschlag später verschwand das Barrierejutsu schimmernd und flackernd ins Nichts. 

 

Shikamaru wich zurück, glitt fort in die Schatten, als Sakuras Faust himmelwärts schnellte und die Decke des Tunnels zertrümmerte. 

 

„Los!“, brüllte sie.

 

Neji sprang und tauchte mit einem Schauer aus Erdbrocken auf. Er kam sprintend auf dem Boden auf, mit einer pinkhaarigen Kunoichi dicht auf den Fersen; gemeinsam schnitten sie in scharfen, sensenartigen Winkeln durch den Staub. 

 

Aus kurzer Distanz begann der Vogel auf Kitoris Arm zu kreischen. 

 

Nejis Augen verengten sich. 

 

Na dann lass uns mal sehen, wie schnell du fliegen kannst.

 
 

oOo
 

 
 

Schneller!

 

Shikamaru rannte in Übereinstimmung mit Nejis Weg an der Oberfläche den Tunnel entlang. Er hatte die Route bereits in seinem Verstand ausgelegt und wusste genau, wann er rechts abbiegen und einen weiteren Durchgang entlang jagen musste. 

 

Er passierte einen Punkt des Tunnels, den er vorher markiert hatte und riss das Kunai aus der Wand, während seine andere Hand zu seinem Transmitter flog. „Naruto, los!“

 

RASENGAN!“

 

Irgendwo über ihm spürte Shikamaru das Beben einer Explosion, als der Uzumaki an die Oberfläche brach, gefolgt von dem ohrenbetäubenden Trampeln seiner Klone. Shikamaru suchte aufmerksam die schwach beleuchteten Wände nach der nächsten Markierung ab. 

 

Da.

 

Er zerrte das nächste Kunai frei, rannte weiter und bog links ab. Vor ihm sah er Kiba auf dem Boden hocken, mit einem besorgten Akamaru an seiner Seite, der die Nase gegen seinen Nacken stupste. Der Inuzuka öffnete langsam die Augen, als er sein Kommen bemerkte und hob in einem erschöpften Gruß und mit blutiger Nase die Hand.

 

„Gerade rechtzeitig.“

 
 

oOo
 

 
 

Kitori flog an ihren Shinobi vorbei und sprang über sie hinweg, um die Bäume zu nutzen. Ihr Tempo war schnell und sicher, während sie dem Pfad ihres Vogels folgte und sich ihre Ninjas durch das Meer von Narutos Klonen hackten. 

 

Nejis Byakugan Augen folgten ihren Bewegungen mühelos. 

 

Sie blieb weiter stur auf dem Weg ihres Aufspürer-Vogels und vertraute darauf, dass das Tier sie explizit zu der markierten Beute führen würde. Hinter und unter ihr riss Sakuras Faust den Boden mit einem mächtigen Schlag auf. Die Erde gab unter Kitoris Shinobis nach und ließ sie in einen Sackgassentunnel fallen, der von Kibas Jutsu ausgehöhlt worden war. Narutos Klone sprangen hinter ihnen in das riesige Loch, trieben sie in dem zylindrischen Gefängnis zusammen und verstopften den Ausgang. 

 

„Sakura, jetzt!“, schrien sie im Chor. 

 

„CHAAA!“ Sakura drehte sich auf dem Absatz und wirbelte in einer Diskus-werfenden Bewegung herum, die mit dem Aufprall ihrer Faust in die Erde endete. 

 

Der Untergrund kollabierte unter dem Aufprall und blockierte den Ausgang, während Narutos Klone unter dem Schauer der Trümmer verpufften. Kitori spähte über die Schulter und verzog das Gesicht. Doch nicht für einen einzigen Augenblick wich sie von ihrem Pfad ab, sondern folgte dem Vogel – vermeintlich direkt Neji hinterher. 

 

Doch der Hyūga sah ihr nach, wie sich entfernte. 

 

Er griff in seine Ninja Tasche und zog ein Briefbomben-Kunai und eine Blitzbombe hervor. 

 

Dann folgte er ihr. 

 
 

oOo
 

 
 

„Hast du dir gar kein Bein gebrochen, Shikamaru?“

 

Der Nara hob eine Braue. „Hast du mal dein Gesicht gesehen?“
 

Kiba kicherte, zuckte dann aber zusammen. „Au…“

 

Akamaru winselte besorgt und schlabberte mit seiner Zunge durch Kibas Gesicht, sein buschiger weißer Schwanz schlug immer wieder gegen Shikamarus Beine. 

 

Der Nara legte die Stirn in Falten und trat aus dem Weg. 

 

„Beiß mich bloß nicht.“, warnte Shikamaru, während er neben Kiba in die Hocke ging. „Bist du okay?“

 

Kiba nickte und schlang einen Arm mit liebevollem Druck um seinen Hund. „Ja, ich habe nur Kopfschmerzen…das war eine ganze Menge Fels, durch den ich mich bohren musste.“

 

Shikamaru verzog grimmig die Lippen und nickte. „Kannst du laufen?“

 

Schief grinsend zog sich Kiba auf Akamarus Rücken. 

 

Shikamaru schnaubte und richtete sich mit einem belustigten Kopfschütteln auf. „Lässt dich also von dem Hund spazieren tragen? Schätze mal, das ist nur fair.“

 

Akamaru zwickte ihn in den Daumen – hart. Shikamaru schrie auf. Kiba lachte. Etwas weiter den Tunnel entlang erschütterte eine Explosion das Erdreich. Beide Ninjas sahen den Durchgang hinunter, als die Detonation mit einem Beben die Wände entlang hallte und einen dünnen Schleier aus Staub in die Luft legte. 

 

„Das ist unser Stichwort.“

 

Shikamaru wandte sich um und joggte neben Akamaru her, während sich Kiba mit geübter Leichtigkeit auf dem Hund hielt. Rasch schlossen sie die Distanz und rannten den Tunnel entlang, den der Inuzuka ausgehöhlt hatte. Er brachte sie zu dem Eingang einer Grube. Naruto hockte in der Mitte, als gerade zwei seiner Klone verpufften. Er richtete sich auf, schüttelte Dreck aus seinem Haar und klopfte sich den Staub von der Kleidung, während eine verwirrte Kitori neben ihm landete. Sie rollte sich ab, kam auf die Füße und drehte sich perplex in einem kleinen Kreis. 

 

„Du bist nicht Hyūga.“, sagte sie anklagend und starrte Naruto zornig an. „Aber wie?“

 

Der Uzumaki grinste und begleitete damit das übermütige Glitzern in seinen Augen. Er hob sein Handgelenk und präsentierte die Manschette, die Neji getragen hatte. Vielsagend tippte er auf den Trägerschlitz, in dem sich der Parasit befand, den Isuka aus Nejis Nacken entfernt hatte. 

 

Naruto wackelte mit den Augenbrauen. „Erwischt.“

 

Keine Sekunde später schlug eine Blitzbombe ein. Kitoris Ausdruck angewiderter Rage verschwand in einem blendenden Meer aus Licht, Schatten und Weiß, das in alle Richtungen geworfen wurde. 

 

Kitori keuchte, zischte und wollte nach ihren Waffen greifen. 

 

Doch ihre Glieder wollten ihr nicht mehr gehorchen.

 

„Das wird nichts, Kitori.“ Shikamarus Stimme erscholl aus dem angrenzenden Tunnel, seine Finger zu einem vertrauten Zeichen geformt. 

 

Die Frau blinzelte und ihre Augen zuckten herum; ihr Gesicht war der einzige Teil ihres Körpers, den sie bewegen konnte. Doch es waren nicht Shikamarus dunkle Seen, in die sie blickte, als sich die Sicht klärte. Das weiße Flackern der Blitzbombe verschwand und schmolz zu Augen aus glühendem Opal zusammen; so viel verschlingender in ihrer Wirkung als es das grelle Aufflammen von Licht gewesen war. 

 

„Hyūga…“

 
 

xXx
 

 
 

„Jetzt mal im Ernst; was ist das für eine schräge Obsession, die sie mit Neji hat?“

 

„Vielleicht mag sie ja sein Haar.“, neckte Kiba und drückte sich ein Tuch gegen die Nase, den Kopf in den Nacken gelegt. 

 

„Eh? Das von Hinata ist hübscher.“ sagte Naruto, während er herüber schlenderte. 

 

Hinata errötete mit einem Stottern bis zu den Spitzen ihres ‚hübscheren‘ Haares und rutschte verlegen auf ihrem Stuhl hin und her; sehr zu Kibas Belustigung. Naruto lümmelte sich in einen der klapprigen Stühle, die an einem ebenso klapprigen Tisch standen. An ihm saßen fünf der Konoha Ninjas und balancierten die schwankende Oberfläche mit ihren Ellbogen und Handflächen aus. Der Tisch dominierte den Raum, der sich der Höhle anschloss, die von den Rebellen als Verhörraum genutzt wurde. Eigentlich fühlte es sich mehr wie ein Verlies an; das Laternenlicht kämpfte energisch gegen schummriges Schwarz an. 

 

„Shikamaru, willst du dich gar nicht setzen?“

 

Ich würde viel lieber schlafen…

 

Shikamaru lehnte sich lässig gegen die Kurve der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt und die dunklen Augen auf den Boden gerichtet. Er versteckte seinen inneren Aufruhr gut und schüttelte einfach nur den Kopf. Jede vorüberziehende Minute stopfte seinen Schädel mit einer frischen Flut an Daten und Fakten voll. Prioritäten, Vorsichtsmaßnahmen und Eventualitäten. Sein Bewusstsein verarbeitete diesen Überfluss nach einem bestimmten Plan; etwas, von dem die meisten Menschen den Luxus hatten, es ihr Unterbewusstsein erledigen zulassen .

 

Doch es war auch gar nicht die mentale Überlastung, die so heftig an seinen Nerven zerrte; er war mehr als nur in der Lage, den Informationsfluss zu unterteilen und zu bewältigen. Wozu er nicht in der Lage war, war jedoch, diese vollkommen rationale Fähigkeit dafür zu nutzen, eine Heilung für die Sorge zu diagnostizieren, die sich so gnadenlos durch ihn fraß.

 

Verdammt.

 

Den Spielplan für Hanegakure konnte er mit Leichtigkeit handhaben. Dafür brauchte es nur den Einsatz seiner Logik und Intelligenz. Doch jeder Schritt zum Abschluss dieser Mission trieb sein Glück in Bezug auf Neji immer näher an einen prekären Rand. Er konnte das Gefühl einfach nicht abschütteln, dass Neji bereits taumelte – und zwar nicht nur sein Körper.

 

Ich muss dahinter kommen. Schnell. 

 

Er konnte das Loch in seinem Verständnis wie einen Abgrund in seinem Verstand fühlen; die unverzichtbaren Teile, die ihm noch immer fehlten, schwebten irgendwo außer Reichweite. Verloren in der Leere oder verschlossen hinter Wällen, durch die er sich nicht hindurch drängen konnte, ohne Neji dabei aufzuschneiden und lahmzulegen. 

 

Ich darf hier nicht verlieren…Ich darf nicht verlieren, wenn ich so verdammt nah dran bin, dich zu finden…

 

Das scharfe Kratzen der Tür zog seinen Blick nach oben. 

 

Isuka trat aus dem Verhörraum und stellte ein kleines Glas auf dem Tisch ab. 

 

„Ist das ein weiterer Marker?“, fragte Sakura die Tierärztin und beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorn, als die Frau nickte.

 

Shikamaru legte den Kopf schief und sah zu, wie der Parasit in dem Glasbehälter herum krabbelte. 

 

Also markiert Ozuku sogar seine eigenen Leute…wie nett…

 

Das leise Fallen von Schritten zog die Aufmerksamkeit des ganzen Teams auf den Eingang der Höhle. Neji betrat sie zusammen mit Hibari; beider Gesichter ernst und in harte Linien geschnitten. Shikamaru beobachtete, wie der Tsubasa als Antwort war das nickte, was auch immer der Hyūga zu ihm sagte und dann zu dem Befragungszimmer gestikulierte.

 

Neji blickte einfach nur zu Shikamaru hinüber. 

 

Na schön…los geht’s.

 

Der Nara nickte, rollte sich von der Wand ab und schenkte Chōji ein müdes Lächeln, als er sich durch die Höhle bewegte und Neji zu dem Raum folgte, in dem Kitori festgehalten wurde. Er klopfte dem Akimichi auf die Schulter, als er an ihm vorbei lief. 
 

„Halt die Stellung, ja?“

 

Chōji lachte leise und nickte. „Aber klar.“

 

„Sakura.“, sagte Shikamaru und winkte sie mit einem Nicken des Kopfes heran. Er hörte, wie ihr Stuhl zurückgeschoben wurde und sie ihm folgte. Es würde nicht schaden, eine weitere Frau anwesend zu haben. 

 

Neji schob die Tür hinter ihnen zu; ein fataler Aufschlag, der Kitoris Blick fort von der Laterne zerrte, auf die sie gestarrt hatte. Die Tsubasa Frau saß im Zentrum des kalten, feuchten Raumes; die Arme waren hinter ihrem Rücken gefesselt und die Knöchel an die Beine ihres Stuhls gebunden. Sie hielt ihre Wirbelsäule durchgedrückt und das Kinn erhoben. Trotzig und verbissen. 

 

Wie lästig.

 

Shikamaru erwiderte ihren durchstechenden Blick mit vollkommen unberührter Miene. Dasselbe konnte man allerdings nicht von Sakura behaupten, die Kitori mit einem Zucken ihrer Lippen bedachte, das darauf hindeutete, dass sie Schwierigkeiten damit hatte, zu wissen, wie sie über diese ganze Situation fühlen sollte. Neji hingegen hatte diese kalte, klar geschnittene Maske angelegt, die schon beinahe gelassen aussah; wäre da nicht diese Härte um seine Augen gewesen. 

 

Die Luft schien sich rapide abzukühlen, als der Jōnin durch sie hindurch schnitt und auf Kitori zu lief; er hielt gerade so außerhalb der Reichweite inne. Nicht, dass sie genug Freiheit hatte, sich ihm auf irgendeine Weise zu nähern. Und selbst wenn sie diesen Bewegungsraum gehabt hätte, bezweifelte er, dass sie auch nur in die Nähe gekommen wäre, bevor Neji sie zusammengefaltet hätte. 

 

Doch Kitori besaß die Unverfrorenheit, den Blick des Hyūga zu halten; das musste man ihr lassen. 

 

Shikamaru entschied sich indessen für Schatten statt Rampenlicht. Er schlich die Wand entlang und lehnte sich mit der Schulter gegen die dunkelste Ecke; zog sich selbst aus der Arena zurück, die Neji soeben errichtet hatte. Sakura verharrte auf halbem Weg, wartete schweigend und angespannt. Sie hatten sich für das Verhör auf eine bestimmte Vorgehensweise geeinigt, doch ganz offensichtlich hatte Neji irgendeine Art von Einfluss auf die Frau. Und man musste kein Genie sein, um zu wissen, dass dieser Einfluss rein gar nichts mit Nejis Haar zu tun hatte. 

 

Kitori hob das Kinn noch weiter, als Neji einen Schritt näher trat und ließ ihre Augen auf eine Weise über ihn wandern, die sofort dafür sorgte, dass sich eine von Shikamarus Brauen hob.

 

„Du musst enttäuscht sein.“, sagte Kitori mit weicher Stimme. „Ich kann es in deinen Augen sehen.“

 

Das bezweifelte Shikamaru ernsthaft. Wenn überhaupt waren Nejis Augen in etwa so transparent geworden wie der Fels unter seinen Füßen. Doch der Nara schwieg und beobachtete, wie die Frau Neji musterte. Sie konzentrierte sich einzig und allein auf den Hyūga, während sie Shikamaru und Sakura vollkommen ignorierte. 

 

Sie starrte Neji mit einer faszinierten und intimen Intensität an.

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich; er war deutlich verstörter davon als es Neji zu sein schien. 

 

„Du wolltest zwei Probleme durch simultane Vernichtung lösen.“, begann Neji; seine Stimme enthielt nichts als ruhige, kalte Fakten. „Du hattest nie die Absicht, den Frieden zu sichern und auch keinerlei Intention, uns zu gestatten, Hanegakure jemals wieder zu verlassen.“

 

„Das ist wahr.“

 

„Und nicht nur das, du hast es sogar geschafft, eine machtvolle Gelegenheit zu erlangen, die du jedoch nicht genutzt hast. Du hattest die Hälfte unseres Teams bei dir, das vollkommen ahnungslos war, was deine Intentionen anging.“

 

Kitori nickte langsam. „Ja, das hatte ich.“

 

„Was mir die Frage aufdrängt: Warum hast du Shikamaru und die anderen am Leben gelassen?“

 

Kitori neigte den Kopf in Shikamarus Richtung, ohne ihn dabei anzusehen. „Weil er dir viel bedeutet.“

 

Fuck.

 

Shikamarus Kiefer zuckte. Aus den Augenwinkeln suchte er nach Sakuras Reaktion. Doch die Kunoichi sah viel mehr verwirrt als überrascht aus und stellte nicht den Zusammenhang her, der wahrscheinlich so weit von ihrem Verstand entfernt war, wie Shikamaru es im Moment von dieser Situation sein wollte. 

 

Neji bot darauf keinerlei Reaktion an. „Warum sollte es dich kümmern, was mir etwas bedeutet?“

 

Kitori legte den Kopf auf die andere Seite, als wollte sie unter die kalte Maske schielen, die Neji über sein Gesicht gelegt hatte. Ihre Augen wurden weich. „Wirst du mich auch umbringen, Hyūga? Ich würde verstehen, wenn du das tun musst. Ich denke, du solltest es tun.“

 

Neji starrte auf sie hinab und Shikamaru beobachtete, wie in den Augen des Hyūga für einen Sekundenbruchteil Zwiespalt aufblitzte, bevor er sich wieder unter Kontrolle brachte. Es war ein Ausrutscher, der einen Exkurs auszulösen drohte, den sie sich nicht leisten konnten. Rasch nutzte Shikamaru Nejis Schweigen.

 

„Der Tempel.“, unterbrach der Schattenninja. „Du weißt, wie man hinein gelangt.“ Es war keine Frage.

 

Kitori hielt ihre Augen weiter auf Neji gerichtet und senkte den Kopf noch ein Stück weiter, um seine Aufmerksamkeit und seinen Blick auf sich zu halten, doch sie beantwortete Shikamarus Frage. „Ja. Ich weiß, wie man hinein gelangt. Aber ihr könnt das Jutsu nicht aufhalten, wenn es das ist, was ihr plant.“

 

„Warum nicht?“, forderte Shikamaru zu wissen und suchte ihr Gesicht aufmerksam nach irgendwelchen Informationen ab. 

 

Doch unglücklicherweise schien sie voll und ganz auf Neji fixiert zu sein. Verschwunden war die militante Kunoichi, mit der er noch vor einigen Stunden bissige und strategische Worte gewechselt hatte. Statt ihrer saß hier eine Frau, die kleiner wirkte, fragiler und der die herablassende Aura fehlte, die sie vorher besessen hatte. 

 

Hier saß eine Frau, die lästigerweise verrückt aussah.

 

Na super…

 

Zu seiner Überraschung, antwortete sie auf seine Frage. 

 

„Weil es unsere Berufung ist. Daher ist es unvermeidbar.“, intonierte Kitori flach und treu, aber deutlich resigniert. „Es ist unser Weg.“

 

„Ein Weg, den du hättest ändern können.“, hob Neji die Stimme und kehrte mit Kälte in den Augen aus seinem Schweigen zurück. „Du hättest es aufhalten können. Du hattest die Chance.“

 

Kitori täuschte ein bitteres Lächeln vor. „Nein. Wir haben keine Chance, Hyūga. Alles, was wir Tsubasa haben, sind Konsequenzen. Konsequenzen dafür, überhaupt auf solch eine Weise zu denken. Nicht, dass eure Shinobi das auch nur ansatzweise über unsere Leute verstehen könnten.“

 

Shikamaru widerstand dem Drang, sein Desinteresse durch ein lautes Gähnen kund zu tun. Zu diesem Zeitpunkt interessierten ihn ihre Ausreden nicht die Bohne. Doch sie schienen eine deutliche Wirkung auf Neji zu haben; denn die Rüstung, die sich so hart und feindselig um Nejis Gesicht gelegt hatte, bekam einen hässlichen Riss. 

 

Es passierte so schnell, dass es Shikamaru vollkommen überrumpelte. 

 

Nejis Stirn legte sich in Falten und seine Stimme wurde sehr leise und tief. „Doch ganz anders als die Leute dieses Dorfes, hattest du eine Wahl. Du hattest die Gelegenheit, eine Sache zu unterstützen, die größer ist als die verdrehten Vorstellungen deines Mannes und dessen Bruder. Du hattest die Chance, es richtig zu stellen.“

 

Kitori zuckte vor seinen Worten zurück; ganz so als hätte sie Unterstützung und Sympathie erwartet. Ihre Lippen pressten sich aufeinander. „Du verstehst nicht.“

 

„Ich verstehe, dass deine Kinder dir genau diese Chance gegeben haben, von der du behauptest, du hättest sie nie gehabt.“ Neji beugte sich nach vorn, seine blassen Augen flammten auf. „Ich verstehe, dass du nichts getan hast, wenn du etwas hättest tun können.“

 

„Wir haben ein System und eine Grundlage, die wir aufrecht erhalten.“, argumentierte Kitori und griff damit auf ein Vokabular zurück, das ihr vermutlich ihr ganzes Leben lang eingetrichtert worden war. „Das ist und war schon immer der Weg unseres Volkes.“

 

„Und die Kinder dieser Leute?“, fragte Sakura, als sich ihre Finger hart in das Material ihrer pinken Ellbogenschützer gruben. „Was ist mit denen?“

 

„Es ist unser Weg.“, antwortete Kitori, die Augen starr auf Neji fixiert, während sie sein Gesicht nach etwas absuchte, von dem Shikamaru wusste, dass es der Hyūga ihr nicht geben würde. 

 

Warum zur Hölle braucht sie seine Zustimmung so sehr?

 

Nejis Augen verengten sich. „Und dein Weg ist es, Kinder zu brandmarken und in Käfigen aus Ignoranz zu halten, bis sie alt genug sind, um benutzt und kontrolliert zu werden; und das alles unter dem Deckmantel, den Schwarm zu ‚beschützen‘.“, spie der Hyūga aus. 

 

Shikamarus Stirn legte sich in Falten und sein Blick zuckte zu Nejis Stirnband. 

 

Genau wie das, was Hiashi-sama und die Hyūga Ältesten dir angetan haben.

 

So viel dazu, die Dinge zu nichts Persönlichem werden zu lassen. 

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er machte eine rasche und stumme Bestandsaufnahme von all den Möglichkeiten, durch die sich diese Unterhaltung gerade in die völlig falsche Richtung zu entwickeln begann. Er hätte einschreiten sollen. Er hätte die Dinge wieder zurück auf die richtige Spur bringen sollen. Doch er musste feststellen, dass sein Kiefer verschlossen und all seine Aufmerksamkeit auf die haarfeinen Risse gerichtet war, die Nejis kontrollierte Verteidigung aufbrachen. 

 

Vielleicht, nur vielleicht, würden so ein paar der fehlenden Teile hindurch sickern. 

 

„Es ist unser Weg, Hyūga.“, wiederholte Kitori tonlos. 

 

„Was ist mit deiner Tochter? Was ist mit deinem Sohn?“

 

Kitoris Kinn begann zu zittern. Für einen Moment sah sie getroffen aus. „Sie haben sich dem Volk widersetzt.“

 

„Nein.“, sagte Neji leise. „Sie haben sich den Leuten widersetzt, die das Volk versklavt haben.“

 

Kitori presste die Lider aufeinander und ihre Finger ballten sich zu Fäusten. „Es war nicht ihr Platz.“

 

„Es muss irgendwo beginnen, Kitori.“, schaltete sich Sakura mit deutlich weicherer Stimme als Nejis ein; bot schon eher Unterstützung an als der Hyūga. 

 

Doch nach der Reaktion zu schließen, die ihre Worte provozierten, vermutete Shikamaru, dass Kitori einzig und allein Nejis Unterstützung wollte. Mit dem drohenden Fauchen einer Wildkatze wandte sich die Tsubasa Frau Sakura zu. 

 

„Wenn das wahr wäre, dann hätte es bereits vor Generationen begonnen!“, spie sie aus und durchbohrte Sakura mit einem giftgetränkten Blick. „Es kann nicht wahr sein! Es ist eine Lüge!“

 

Vollkommen unberührt von ihrem Ausbruch schüttelte Neji den Kopf und starrte durch seine Wimpern auf sie hinunter. „Also bewegst du dich weiter auf dieser schmalen Linie und lässt zu, dass der Kreis aus Zerstörung einfach fortgeführt wird?“
 

„Es ist unser Weg.“, insistierte sie und sah wieder zu Neji. „Siehst du es nicht? Es ist unser Weg.

 

„Eure Tradition.“, korrigierte Neji. 

 

Und augenblicklich veränderten sich sein Tonfall und seine Haltung. 

 

Der sichtbare Wechsel stellte sämtliche Härchen an Shikamarus Nacken auf. 

 

Der Nara bemerkte die Veränderung nicht nur deswegen, weil er wusste, wonach er rational suchen musste, sondern weil er es instinktiv spürte. Die Luft um Neji lud sich auf. Es fühlte sich viel zu explosiv an, um zulassen zu können, dass es sich weiter aufbaute. Besonders hier, vor Sakura und vor der Frau, die eine viel zu große Wirkung auf Neji hatte, um irgendetwas Gutes dadurch auslösen zu können. 

 

Das sollte ich so schnell wie möglich wieder auf die richtige Bahn bringen…

 

Shikamaru hob die Stimme. „Neji, bleib bei der abgesprochenen Vorgehensweise oder ge-…“

 

„- sie waren deine Kinder.“, übertönte Neji ihn und der Hammer seiner Anschuldigung zertrümmerter Shikamarus Stimme. 

 

„Götter, warum kannst du es nicht sehen?“, wisperte Kitori aufgebracht; ihre grauen Augen begannen, sich zu röten und nass zu werden. „Glaubst du wirklich, ich wollte sie verlassen?!“

 

Neji schnaubte herzlos, vollkommen ungerührt von ihrem Schmerz. „Was spielt es schon für eine Rolle, was du wolltest? Es geht nur darum, was du getan hast. Oder in deinem Fall, was du nicht getan hast.“

 

„Neji, warte einen Moment.“, sagte Sakura ernst und trat nach vorn. 

 

Neji schoss ihr einen mörderischen und dolchbewehrten Blick zu, der sie in der Sekunde inne halten ließ. Sofort wandte sich Neji wieder Kitori zu, völlig immun gegen das unkontrollierte Schütteln ihres Körpers. Doch Shikamaru konnte die Zeichen eines bevorstehenden Zusammenbruches deutlich erkennen. Das rapide hin und her Zucken von Kitoris Augen, die nach einem Ausweg suchten, den sie nicht hatte. Ihre flache Atmung und ihre Schläfen, die von Schweiß benetzt waren. 

 

Neji ignorierte diese Anzeichen geflissentlich. „Du bist durch diese Vögel lieber wie ein Feigling geflohen, statt zu bleiben und deine Kinder zu unterstützen; dein Volk und alles, wofür dieses Dorf einst stand.“

 

Kitoris Gesicht begann zu bröckeln, zu viele Emotionen, um sie beziffern zu können, fluteten ihre Augen und wirbelten unter ihren Wimpern. Wie manisch schüttelte sie den Kopf, flehte ihn an, brauchte sein Verständnis für ihre Handlungen auf eine Weise, die Shikamaru nicht erfassen konnte.

 

„Du verstehst nicht!“, schrie sie mit bebender Stimme. „Du verstehst nicht!“

 

Verdammt. In diesem Zustand ist sie uns überhaupt nicht von Nutzen.

 

„Neji.“, warnte Shikamaru, während er sich von der Wand abstieß. 

 

„Du kannst niemals verstehen, was es bedeutet, in Angst zu leben!“, klagte Kitori plötzlich und warf Neji ihre gesamte Verteidigung zu Füßen. „Ihr in Konoha seid frei! Aber hier waren wir schon immer Sklaven eines Schicksals, dem wir nicht entkommen können!“

 

Fuck.

 

Shikamaru erstarrte.

 

Seine Augen weiteten sich, während sich die von Neji alarmierend verengten. 

 

Oh Shit…

 

Von all den lästigen und desaströsen Dingen, die sie möglicherweise hätte sagen können…

 

Und sie hörte nicht auf. 

 

„Du kannst niemals verstehen, wie das ist!“, kreischte Kitori durch das Hemmnis bitterer Tränen und starrte in das geistweiße Funkeln von Nejis Augen. „An eine Tradition gebunden zu sein, die ein Schicksal vorherbestimmt, das du nicht ändern kannst! Und das du deswegen akzeptieren musst! Du kannst es nicht verstehen!“

 

Die Wände hallten mit dem Schreien ihrer Worte wider, wirbelten die Bitterkeit durch die Luft und warfen sie zurück, bis sich die Spannung so sehr verdichtete, dass sich Shikamaru fragte, ob die Zeit an sich nicht stehen geblieben war. 

 

Draußen vor der Tür hörte er, wie Stühle von dem Tisch zurückgeschoben wurden. 

 

Im Inneren hielt sich die Stille – qualvoll lang. 

 

Und dann erklang Nejis Stimme in einem Tonfall, der so gelassen und kontrolliert war, dass es noch viel verstörender war, als es Kitoris Schreien gewesen war. 

 

„Du liegst falsch.“, murmelte der Hyūga so leise, dass man die Worte kaum vernahm. „Und selbst wenn ich es nicht so gut verstehen würde, wie ich es tue; dann hättest du dennoch niemals Recht.“

 

„Dann töte mich…“, wisperte Kitori, schluckte ein Schluchzen hinunter und beugte sich auf ihrem Stuhl so weit vor wie es ihr möglich war, als könnte sie ihn mit ihren Worten berühren. „Töte auch mich…“

 

Neji wandte langsam den Blick ab. Etwas in seinen Augen veränderte sich. 

 

„Offenbar waren deine Tochter und ihr ungeborenes Kind nicht genug.“, erwiderte er flach und ohne irgendeine Emotion oder Flexion in der Stimme. 

 

Sakuras Augen weiteten sich angesichts dieser Herzlosigkeit. „Neji…“

 

Shikamaru musterte den Hyūga kritisch, wurde zunehmend unruhig, kämpfte das Gefühl aber nieder, als er nach mehr suchte. Irgendein Zeichen, irgendein fehlendes Teil, das an Neji vorbei schlüpfte und nur auf Kitoris Sinn für Fatalismus und Clankämpfe reagierte, den der Jōnin einst geteilt hatte. 

 

Es ist hier. Ich weiß, dass es hier ist. Was zur Hölle übersehe ich?

 

„Das Gütigste, was du für meine Tochter getan hast, war, sie zu töten.“, wisperte Kitori und sah zu Neji auf wie eine Sünderin, die die Statue eines gemeißelten Heiligen anflehte. „Du bist die Gnade, für die ich gebetet habe. Du hast sie befreit. Du bist gekommen, um uns zu befreien.

 

Nejis Kopf zuckte zurück und Shikamaru entging das Aufflackern eines ausgeweideten Schmerzes auf seinem Gesicht nicht.

 

Da.

 

Innerhalb eines Herzschlages war es wieder fort und der stolze Kiefer spannte sich an. „Der Tod ist keine Freiheit.“

 

„Aber er ist auch keine Sklaverei. Ich sehe dich, Hyūga.“

 

Neji starrte sie an. „Du bist blind. Blind und schwach.“

 

„Du wurdest zu mir gebracht.“, hauchte Kitori und die beinahe schon Singsang-artige Beschaffenheit ihrer Stimme vermittelte Shikamaru, dass sie wieder zurück in ihren Kokon aus Irrglauben geschlüpft war. „Du wurdest zu meinem Mädchen gesandt. Du wurdest vom Schicksal auserkoren, der eine zu sein, der sie beide befreit.“

 

„Also hast du wegen deines Sohnes gelogen, damit ich dieselbe ‚Freiheit‘ auch zu ihm bringe?“, raunte Neji und richtete seinen Blick direkt neben Kitori. „Hn. Was für ein einzigartiges Monster du doch bist.“

 

„Aber du bist kein Monster, oder, Hyūga?“, heulte Kitori verzweifelt. „Du hast mir dein Wort gegeben. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Und ich weiß, dass du es in meinen siehst. Sieh mich an!“

 

Nejis Wimpern schlossen sich. Kitori runzelte die Stirn, streckte so weit es ging ihren Nacken und versuchte, seinen Blick einzufangen, obwohl er die Augen und vermutlich auch seine Ohren für ihr gebrochenes Betteln versiegelt hatte. 

 

„Du weißt, was unser Ausweg ist, oder nicht, Hyūga? Sieh mich an. Sieh mir in die Augen und sag mir, dass du es nicht weißt! Öffne deine Augen und sieh mich an! Sag mir, was du siehst!“

 

Shikamaru wollte schon einschreiten, hielt aber inne, als Neji die Lider hob. 

 

Nur sah er Kitori nicht an – oder irgendjemanden sonst. 

 

Seine Augen hatten sich in dieses glasige, weit entfernte Starren verwandelt. 

 

Shikamarus Kehle schnürte sich zu. 

 

Nein…

 

„Was ich sehe.“, sagte Neji leise und gefasst, „ist eine Kreatur, die meines Mitleides nicht wert ist – und noch weniger meiner Gnade.“

 

Die Worte waren wie ein Todesstoß.

 

Shikamaru sah, wie pure Panik neue Tränen in Kitoris Augen trieb. 

 

„Nein…wage es nicht…sieh mich an!“, keuchte sie und kämpfte wild gegen ihre Fesseln an. „Ich habe dich wegen deiner Gnade auserwählt! Ich habe dich auserwählt!“

 

„Und mögest du dafür verrotten.“, raunte Neji; sein Gesicht war vollkommen gleichgültig. 

 

Sakuras Augen weiteten sich. „Neji…“

 

Doch Neji drehte sich nur langsam auf dem Absatz um. „Ich bin hier fertig.“

 

Kitori stieß einen langen, wehklagenden und markerschütternden Schrei aus. 

 

Shikamaru war taub dafür, die Augen fest auf Neji gerichtet. 

 

Draußen begann Akamaru zu bellen. 

 

Kitori schüttelte manisch den Kopf und Tränen tropften von ihrem Kinn, als sie auf ihrem Stuhl ruckte. „Lauf nicht von mir davon, Hyūga!“

 

Shikamaru sah zu, wie Neji genau das tat. Und ein schleichendes Gefühl von Angst ließ das Blut des Nara mit jedem Schritt, den der Hyūga tat, noch kälter werden. Kitori schrie und krümmte sich auf ihrem Stuhl zusammen. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru stach mit einem Finger in die Richtung der weinenden Frau. „Sakura, du bleibst bei ihr.“

 

Sakuras Augen wurden groß. „Aber-!“

 

„Tu, was ich dir sage!“ Shikamaru hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und verlängerte seine Schritte, als Neji aus dem Raum trat; ein Geist, der zwischen den Rissen entschwand. 

 

Nein. Diesmal nicht. Ich werde dich nicht verlieren.

 

Kitoris Schrei erschütterte die Tunnel. „Ich habe dich wegen deiner Gnade auserwählt!“

 
 

xXx
 

 
 

Die Tür schloss sich hinter Shikamaru mit einem Knallen. Doch es erschuf zumindest eine schwache Barriere gegen Kitoris Wehklagen. In einem entsetzlichen Kreischen drang es durch die Tür. Es zerrte wie verzweifelte Finger an Shikamarus Gewissen und füllte seine Ohren mit gequälten Schreien.

 

Verdammt!

 

Energisch schüttelte er die furchtbaren Klänge ab und wirbelte scharf herum; beinahe wäre er dabei über Akamaru gestolpert. Der Hund bellte, schnüffelte an der Tür und kratzte daran. Shikamaru stapfte an dem Ninken vorbei und beobachtete, wie Neji durch den Raum schnitt und dabei Kibas und Hinatas erschrockene Blicke vollkommen ignorierte. 

 

Shikamarus Miene wurde düster, als er ihm folgte. 

 

Er ließ den Blick rasch durch den Raum wandern und vermutete, dass Chōji, Naruto und Lee bei Hibari waren. 

 

Hinata schob ihren Stuhl zurück und spähte nervös zwischen ihnen hin und her. „Neji-niisan?“

 

Neji schenkte ihr keinerlei Beachtung, sondern griff einfach nur über Kibas hochgelegte Füße hinweg, um sich das Glas zu schnappen, das Isuka dort abgestellt hatte. Shikamaru blieb auf der anderen Seite des Tisches stehen und rammte seine Handflächen auf die instabile Oberfläche. 

 

Hinata zuckte zusammen. 

 

Kiba hörte sofort auf, mit seinem Stuhl zu wippen. 

 

Und Neji hob nicht einmal den Blick.

 

Shikamarus Augen verengten sich. „Neji, was zur Hölle sollte das? Das war keine Befragung und verfickt nochmal war es nicht der Plan!“

 

Der Hyūga überprüfte das Glas in seiner Hand und schüttelte es einmal, bis sich der Parasit darin bewegte. 

 

„Sie hat wissentlich ihre Kinder hintergangen.“, war seine abgehackte Antwort. 

 

„Hibari hat dir bereits gesagt, dass sie das getan hat.“, knurrte Shikamaru und lehnte sich auf seinen Händen nach vorn. „Was hast du verfickt nochmal erwartet? Irgendwelche edelmütigen Entschuldigungen dafür, warum sie es getan hat?“

 

Neji bedachte ihn mit einem langen und harten Blick. 

 

Shikamarus Kopf zuckte zurück und Fassungslosigkeit zog seine Brauen nach oben. 

 

Scheiße…das hast du…

 

Kiba lehnte sich auf seinem wackligen Stuhl zurück und ruckte mit dem Daumen zu der Tür. „Was zur Hölle ist denn da eigentlich los? Warum kreischt sie so?“

 

Shikamaru und Neji ignorierten ihn, vollkommen aufeinander fixiert. 

 

Neji beugte sich über die andere Seite des Tisches und funkelte ihn zornig an. „Und jetzt lässt sie zu, dass es auch noch weiter geht.“

 

„Ja.“ Shikamaru runzelte die Stirn. „Angst bringt die Leute dazu, verrückte und dumme Dinge zu tun.“

 

„Tz.“, spottete Neji und seine Augen flackerten, seine Finger zuckten; subtile Bewegungen, die gefährliche Signale aussandten. „Verrückt oder nicht, das bedeutet keine Milderung ihrer Untaten.“

 

„Naja, sie klingt auf jeden Fall wirklich verrückt!“, plärrte Naruto und platzte in den Raum, als hätte ihm jemand eine sehr schlecht getimte ‚Und jetzt du‘-Karte zugeschoben.

 

Shikamarus Fingerkuppen gruben sich in den Tisch und er warf einen vernichtenden Blick über seine Schulter. 

 

Nicht jetzt, verdammt!

 

„Warum rastet sie denn so aus?“ Naruto hielt inne und starrte besorgt und verwirrt auf die Tür. 

 

Shikamaru öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn aber wieder ruckartig, als sich die Tür hinter ihm öffnete. 

 

„Sie hat Angst.“, antwortete Sakura und schlüpfte aus dem Befragungsraum, als Shikamaru den Kopf umwandte. „Deswegen.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und riss die Hände so heftig von dem Tisch zurück, dass er gefährlich schwankte. Die plötzliche Bewegung schlug gegen Kibas Füße und beinahe wäre der Stuhl des Inuzuka nach hinten gekippt. Gerade noch rechtzeitig fing Hinata ihn auf. 

 

„Gott verdammt! Befolgt hier eigentlich irgendjemand Befehle?“, donnerte der Nara und schnellte zu Sakura herum. „Ich habe dir gesagt, dass du bei Kitori bleiben sollst.“

 

Sakuras meergrüne Augen wurden stürmisch. „Sie befindet sich in keiner Verfassung zu kooperieren, Shikamaru. Sie ist nahe an einer Panikattacke. Wahrscheinlich wird Isuka sie sedieren müssen.“

 

Fluchend fuhr sich Shikamaru mit einer Hand durchs Gesicht. Das würde sie in eine Verzögerung schleudern, die sie sich nicht leisten konnten. 

 

„Nein.“ Shikamaru schüttelte den Kopf. „Sediert sie nicht. Hinata? Geh und schau, ob du sie beruhigen kannst.“

 

Neji schnaubte und wandte sich sowohl von dem Tisch, als auch von der Unterhaltung ab. „Lass sie dafür leiden.“

 

„Neji!“ Narutos Brauen zogen sich zu einem scharfen V zusammen. „Was zur Hölle?“

 

„Sie ist immer noch ein Mensch, Neji.“, schnappte Sakura und hielt die Tür für Hinata auf, die in die Höhle verschwand. „Und jetzt im Moment hat sie panische Angst.“

 

„Erbärmlich.“, spie Neji aus. „Sie ist schwach.“

 

„Sie ist nicht bei klarem Verstand.“, erinnerte Shikamaru ihn und hasste es, dass er diese Frau verteidigen musste. Doch viel mehr hasste er die Tatsache, dass er nicht verstand, was verflucht nochmal hier vor sich ging. 

 

Neji hielt seinen hartherzigen Schild aufrecht und ließ ihn dann wieder fallen. Er wiederholte diesen Prozess so heftig und oft genug, um alles und jeden zu zertrümmern, der versuchte, an seine Vernunft zu appellieren; und was noch schlimmer war, war, dass Shikamaru auf eine Weise sehen konnte, wie es passierte, die den anderen verborgen blieb.

 

Nejis Defensive taute nicht einfach nur auf, sie korrodierte.

 

Es war nicht einfach nur Zorn, der hinter dem Eis auf seinem Gesicht brannte; es war etwas deutlich Ätzenderes, etwas deutlich Giftigeres. Es brodelte gefährlich unter der Oberfläche – nicht wirklich stark genug, um sich in seinen Augen zu zeigen, aber es fraß sich in seine Stimme.

 

Scheiße…

 

Shikamaru warf einen raschen Blick zum Ausgang. 

 

Ich muss ihn von hier weg bringen.

 

Plötzlich stand Sakura an seiner Seite, ihren missbilligenden Gesichtsausdruck direkt auf Neji gerichtet. „Diese gehirnwäscheartige Angst, mit der Fukurō und Ozuku diese Leute manipuliert haben, ist unglaublich mächtig.“

 

„Und glaubhaft stärker als alles, was diese Frau für ihre eigenen Kinder empfindet.“, biss Neji verächtlich zurück.

 

„Ja, aber sie wurde ja auch wirklich einer ziemlichen Gehirnwäsche unterzogen, oder nicht?“ Naruto runzelte die Stirn und setzte aneinander, was er durch die Unterhaltung erfahren konnte. „Im Vergleich zu ihr denkst du ja geradezu wie eine rationale Person.“

 

Neji drehte sich zu Naruto um. „Wie zur Hölle willst du denn, dass ich denke? Wie eine emotionale Person?“

 

Kiba pfiff leise durch die Zähne. „Sieht eher so aus, als würdest du das schon.“

 

„Halt’s Maul, Inuzuka.“

 

„Mann, was ist eigentlich dein Problem?“, schnappte Kiba. „Du solltest froh sein, dass wir diese Scheiße endlich aufgeklärt haben.“

 

Froh?“, echote Neji fassungslos. 

 

„Krieg dich wieder ein, Hyūga.“, knurrte Kiba. „Was ist verfickt nochmal diesmal dein Problem?“

 

Diesmal?“, legte Neji mit einem herablassenden Schnauben dar. „Deine Beschränktheit.“

 

„Bastard.“ Kiba kam abrupt auf die Beine und schleuderte seinen Stuhl dabei klappernd nach hinten. „Ich hab echt genug von deiner überheblichen Scheiße.“

 

Shikamaru riss schnell und brutal seinen Arm nach außen und rammte die Kante seiner Hand hart in Kibas Brustbein, um den Hundeninja einen Schritt zurück zu stoßen. „Bleib wo du bist Kiba. Wir haben keine Zeit für sowas.“

 

Kiba schob seinen Arm beiseite und trat einen aggressiven Schritt um den Tisch herum, während er mit dem Kinn in Nejis Richtung ruckte. „Sag das dem Mistkerl!“
 

Shikamaru verkrampfte seinen Kiefer und flehte um Ausdauer. Irgendeine Gottheit musste ihm offenbar den Rücken freihalten, denn Chōji erschien, offensichtlich alarmiert durch die hitzigen Stimmen. 

 

„Hey, hey. Kommt schon Leute, ganz ruhig.“

 

„Ich bin nicht derjenige, der sich wie das letzte Arschloch benimmt!“, brüllte Kiba, seinen wilden vernichtenden Blick auf Nejis granitene Züge gerichtet. 

 

Akamaru bellte, legte den Kopf schief und drehte einen besorgten Zirkel auf dem Boden, während er wegen der zunehmenden Aggression winselte. 

 

„Wieso bekämpfen wir uns überhaupt gegenseitig? Das hilft überhaupt nichts!“, plärrte Naruto und sah hierhin und dorthin, als wüsste er nicht, an wen er die Worte richten sollte. 

 

Doch ganz offensichtlich gingen sie bei Kiba zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. 

 

„Was hast du für eine Fehlfunktion, Hyūga?“, stachelte Kiba die Situation weiter an; ganz der Hund, der seine Zähne heiß und knirschend in seiner Beute vergrub. „Ist dir der Sprung zum Jōnin zu Kopf gestiegen, oder was?“

 

Shikamaru kam erneut und täuschend ruhig zwischen die beiden. „Kiba. Benutz deinen Kopf.“

 

Doch Kiba sah ganz so als, als würde er gleich seine Faust benutzen. 

 

Akamaru kam zu ihnen herüber gesprungen und bellte laut genug, um den Inuzuka abzulenken. 
 

Das erkaufte Shikamaru genug Zeit, um Neji warnend anzufunkeln. 

 

Nejis Lippen verzogen sich zu einem vernichtenden Bogen, der ein spottendes Grinsen hätte sein können. Doch keine Sekunde später wurde seine Miene flach und kalt; er wirbelte scharf herum und marschierte an Lee vorbei, als der grüngekleidete Ninja gerade an der Türschwelle des Raumes inne hielt. 

 

„Neji-kun?“ Lee drehte sich, um dem Hyūga nachzusehen, wie er in dem Tunnel verschwand.

 

„Scheiße.“, zischte Shikamaru. „Sakura, bleib hier und halte mit Hibari die Dinge am Laufen – seht zu, dass ihr so viele Informationen wie möglich aus Kitori heraus bekommt.“

 

„Aber-…“

 

Shikamaru durchbohrte sie mit einem unnachgiebigen Blick; die Art, die für Situationen reserviert war, die er mit allem Mitteln zu vermeiden versuchte, einfach nur, um den Aufwand zu umgehen, sich aus solchen Situationen wieder hinaus manövrieren zu müssen. 

 

„Tu, was notwendig ist.“ Er wandte sich seinem engsten Verbündeten zu; seine Augen baten ebenso sehr um Unterstützung wie seine Stimme. „Chōji…“

 

„Ich hab alles im Griff.“ Chōji nickte und klopfte auf Kibas Schulter, auch wenn der Hundeninja ihn abschüttelte und knurrte.

 

Shikamaru warf seinem Freund ein gezwungenes Lächeln zu, bevor er herumschnellte und losrannte. Beinahe stieß er mit Naruto zusammen, als der Uzumaki gerade noch rechtzeitig aus dem Weg taumelte und sich durch die schnelle Bewegung einmal um die eigene Achse drehte, bevor er Shikamaru hinterher plärrte. 

 

„Shikamaru! Wo zur Hölle gehst du denn jetzt hin?“

 

Neji finden, bevor er sich selbst verliert…

 
 

xXx
 

 
 

Das Gewirr aus Tunneln ließ ihn sich fühlen wie eine Ratte in einem Labyrinth.

 

Scheiße!

 

Schlitternd kam Shikamaru zum Stehen und rammte die Seite seiner Faust gegen die Wand; er ließ das Beben durch seinen Arm rollen, um sich selbst etwas Konzentration einzuhämmern. Zischend zog er die Luft zwischen den Zähnen ein. 

 

Atme. Beruhige dich. Denk nach.

 

Er nahm einen tiefen und langsamen Atemzug durch die Nase und zählte einen mentalen Countdown herunter, bevor er die Augen öffnete. Nach und nach kehrte sein Orientierungssinn zu ihm zurück und sein Verstand projizierte ihm den Grundriss des Untergrundes wie auf einer mentalen Leinwand. Er hatte diese Tunnelpläne aufmerksam studiert. Er wusste, wo er hin musste. Und so erhöhte er die Geschwindigkeit, während seine Füße den Anweisungen folgten, die aus scharfen kurzen Befehlen von ‚links‘, ‚rechts‘, ‚weiter‘, ‚rechts‘ bestanden. 

 

Abrupt kam er zum Stehen. „Neji!“

 

Der Hyūga hielt nicht inne, wurde nicht langsamer oder schneller. Er ignorierte Shikamaru und das Echo des Nara vollkommen. 

 

Na super…

 

„Ugh. Lästiger Bastard.“, murmelte Shikamaru und stieß sich von seiner Handfläche ab, um zu Neji aufzuholen, während der sich einen direkten Weg zu dem Raum bahnte, der dem Team zugewiesen worden war. 

 

Shikamaru erreichte ihn in dem Moment, in dem der Hyūga durch die Tür schritt. Seine Finger strichen über Nejis Arm. Er erhielt nicht die geringste Chance, zuzugreifen. Sein Rücken donnerte so hart und schnell gegen die Wand, dass er einen Augenblick brauchte um zu realisieren, dass er zur Seite gerammt und gegen den Fels gepresst wurde. 

 

Nejis Atem schlug heiß gegen sein Ohr. 

 

Fass mich nicht an, Nara!“

 

Die Drohung in dieser viel zu ebenen Stimme alarmierte Shikamaru weniger als die vollkommene Ruhe in diesen Opalaugen. Shikamaru zog den Kopf nach hinten und hob seine Hände in einer Geste, die wie er hoffte, von Neji als weiße Flagge gedeutet werden würde. 

 

„Ich hab verstanden.“, sagte er leise. „Ganz ruhig.“

 

Nejis Augen zuckten, wurden hart. Scharf zog er sich zurück und drehte sich, um zielstrebig durch den Raum zu schreiten. Shikamaru blieb gegen die Wand gelehnt und versuchte, die Schadensbegrenzung einzuschätzen; sein Blick ruckte zur Tür und dann wieder zu Neji. 

 

Er fühlte sich, als wäre er geradewegs in die Höhle des Löwen marschiert. 

 

An vorderster Front seines Denkens stand die oberste Priorität, dass er – völlig egal was passieren sollte – Neji solange zurückhalten musste, bis er es schaffte, ihn zu beruhigen. Aufmerksam folgte er jeder Bewegung des Hyūga und sah zu, wie Neji immer wieder in einen der Räume ein- und ausging. Er lief hin und her wie ein Raubtier, das seinen Frust abzubauen versuchte; oder vorsätzlich plante, wie es ihm Luft machen würden. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru bewegte sich ein Stück von der Wand fort. „Worum geht es hier Neji?“

 

„Hör auf, dämliche Fragen zu stellen…“, erwiderte Neji und stopfte das kleine Glas, das er vom Tisch genommen hatte, in seine Ninjatasche, bevor er mit einem Rucken des Handgelenkes die Riemen straff zog. 

 

„Du musst dich beruhigen.“, sagte der Schattenninha und schloss die Distanz in einem langsamen beständen Kreis. „Du musst damit aufhören und nachdenken.“

 

Neji hielt inne und sah zu Shikamaru hinüber wie ein Tier, das eine Falle witterte. „Und du musst dich von mir fernhalten.“

 

Shikamarus Augen senkten sich zu der schwarzbraunen Tasche des Jōnin. „Gehst du irgendwohin?“

 

„Ich werde das beenden.“

 

Neji schulterte seine Tasche und wandte sich dem Ausgang zu. Sofort veränderte Shikamaru seinen Kurs und vollführte ein paar weit ausholende Seitschritte, bis er sich selbst kopfschüttelnd zwischen Neji und die Tür schob.

 

„Das wirst du nicht.“

 

„Geh mir aus dem Weg.“

 

„Auf keinen Fall. Du kannst gerade nicht klar denken.“

 

„Ich bin mir vollkommen im Klaren darüber, was ich tun werde.“

 

„Was zur Hölle ist da drinnen mit Kitori passiert?“

 

Neji presste die Lippen aufeinander und sagte nichts. 

 

Die Stille zog sich so stramm, dass es schmerzhaft wurde. 

 

Shikamaru machte sich keinerlei Illusionen, wie unglaublich gefickt er möglicherweise war. Doch er riss sich selbst von dem Gedanken los, Neji als ernsthafte Bedrohung zu sehen, indem er sich ausschließlich auf sein Ziel statt auf ein mögliches Resultat konzentrierte. 

 

Ich werde keinen Rückzieher machen.

 

Sein Selbstvertrauen wurde jedoch in keiner Weise von den verschiedenen Szenarien unterstützt, die sich in seinem Hirn abspielten; die meisten davon endeten mit ihm bewusstlos auf dem Boden. Aber irgendwie hatte er jeden Selbsterhaltungstrieb außer Kraft gesetzt. Er hatte keine Ahnung, in welchem Modus er sich gerade befand, geschweige denn, in welche rote Zone sich Neji begeben hatte. 

 

Er wusste nur eine einzige Sache.

 

Die fehlenden Teile waren hier und er würde sich nicht zurückziehen, bis er sie gefunden hatte. 

 

Damit ich dich finden kann…

 

Shikamaru atmete langsam ein. „Sag mir, was los ist.“

 

Die Sanftheit in seiner Stimme löste die Verkrampfung von Nejis Kiefer, doch die Augen des Hyūga blieben kristallhart und kalt. „Geh mir aus dem Weg, bevor ich dafür sorge.“

 

Shikamaru zuckte mit keiner Wimper. 

 

„Bist du taub, Nara?“

 

„Stocktaub, ja. Aber nicht blind, also hör auf mit dem Bullshit. Du weißt ganz genau, dass ich es durchschaue.“

 

Eine dunkle Braue hob sich, als Neji ihn mit einem zornigen Funkeln festnagelte. „Warum zur Hölle hast du Kitori dann nicht durchschaut?“

 

„Hab ich doch irgendwie. Aber du hast mir gesagt, ich solle ihr keine Todesblicke mehr zuwerfen, also habe ich das Feld geräumt.“

 

Shikamaru bereute den schlecht platzierten Sarkasmus in der Sekunde, in der Neji nach vorn trat; die schiere Vibration seines Zorns füllte den Raum zwischen ihnen, Herzschläge bevor es der Körper des Hyūgas tat. 

 

Wage es nicht, das zu einem Witz zu machen.“, warnte der Jōnin und sein Mund verzog sich zu einem Knurren. 

 

Es war eine Reaktion, aber es war noch nicht genug. Nejis Augen war noch immer verschlossen, immer noch stillgelegt. Die Wahrheit und die Ursache waren noch immer hinter einer harten und bitteren Schale eingeschlossen. 

 

Diesmal wirst du dich nicht vor mir verstecken…

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und kämpfte darum, seine Emotionen von seinem Denken zu trennen. „Ich habe sie nie gemocht – schätze mal, dass ich jetzt auch einen akzeptablen Grund dafür habe. Aber warum hat ihr Verrat einen solchen Einfluss auf dich?

 

Neji blendete die Frage aus, doch seine Antwort kam in dem Anspannen der Sehnen in seinem Hals. Shikamaru suchte die gespannten Saiten ab, als würde er in ihnen diese fehlenden Teile finden. 

 

Warum zur Hölle leidest du so sehr, dass du jeden anderen verletzen würdest, nur um es leugnen zu können?

 

„Beweg dich, Shikamaru!“

 

„Neji.“ Shikamaru schüttelte den Kopf und schluckte, während er darum kämpfte, den Hyūga nicht einfach zu packen und heftig zu schütteln. 

 

Neji atmete angespannt ein. 

 

„Götter, beweg dich einfach, bevor ich dir weh tue.“, wisperte er. Doch die Qual in seiner Stimme ließ die Drohung zu Staub zerfallen. 

 

Shikamaru, der unfähig war, diese Qual zu beseitigen, reagierte darauf – wollte sie heraus reißen. 

 

Die Kontrolle entglitt ihm und reiner Impuls führte ihn. 

 

Er schloss die Distanz und griff nach Nejis Schultern. „Rede mit mir, verdammt.“

 

Dieser taktische Fehler stellte sich als das bestehe Versehen heraus, das er möglicherweise hätte begehen können. Neji hatte es nicht erwartet. Es zerrte den Hyūga aus seinem Versteck und hinein in den Konflikt. 

 

Er reagierte mit einem Grollen. 

 

„Kitori hat dieses Mädchen einfach ausgeliefert!“, schrie er Shikamaru direkt ins Gesicht und ließ seine schwarzbraune Tasche mit einem dumpfen Aufprall ebenso schnell fallen wie der Zorn aus seiner Stimme verschwand. „Ihre Tochter und das Kind ihrer Tochter!“

 

„Das weiß ich!“, schrie Shikamaru zurück und verstärkte seinen Griff, bis sich Neji so heftig von ihm losriss, dass beide einen Schritt nach hinten stolperten. „Warum macht di-…“

 

Neji schnitt ihm harsch das Wort ab, indem er ihn zurück schubste. „Und dann hat sie zugelassen, dass wir gehen und ihren Sohn exekutieren!“

 

Shikamaru taumelte nach hinten und richtete sich auf; zwang sich dazu, sich zu beruhigen, besonnen zu bleiben, vor allem jetzt, da Neji auf ihn reagierte. „Das stimmt. Das hat sie getan.“

 

„Nein. Sie hat nichts getan.“ Neji stieß die Worte ätzend hervor und drehte sich weg. „Nichts.

 

Shikamaru runzelte die Stirn, glitt in seinen taktierenden Modus und beobachtete mit einem wachsenden Gefühl von Argwohn, wie sich Neji abwandte. „Weil sie Angst hatte.“

 

Neji wirbelte wieder herum, bebend mit einer fast schon animalischen Intensität. „Weil sie schwach war!“

 

Shikamaru zog scharf die Luft gegen diesen übermächtigen Zorn ein. Er konnte beinahe fühlen, wie Nejis Chakra damit glühte. Doch die Antworten waren da, irgendwo direkt vor ihm. Die Puzzlestücke auf dem Boden verteilt wie die Scherben des Spiegels vorhin. 

 

Denk nach. Denk nach. Denk nach.

 

Shikamarus Verstand wühlte sich durch das Chaos, legte mit mentalen Fingern die Teile aneinander. Schob sie in die Ausrichtung. Versuchte das Muster zu finden. 

 

„Neji…“

 

„Sie stand einfach nur daneben-…“

 

Gott, es geht hierbei nicht darum, was jemand getan hat…

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen. „Neji.“

 

„- und hat es zugelassen.“

 

Nein…das kann nicht sein…

 

Langsam begann es eine Form anzunehmen; schockierte Shikamaru bis ins Mark, weil er nie daran gedacht hatte, es auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehen. Es machte keinen Sinn. 

 

Doch…das macht es schon…

 

Und ganz langsam wurde Shikamarus Blut kalt; sein Herzschlag verlangsamte sich immer weiter, als sich sein Verdacht in eine bittere Wahrheit zu verwandeln drohte. 

 

…und er ist so tief in seiner Verleugnung verwurzelt, dass er es nicht einmal selbst realisiert…

 

„Neji.“, wisperte er, starrte den Hyūga an und sah nichts von dem Zorn, der über die majestätische Gestalt des Jōnins jagte. 

 

Er sah durch den Zorn hindurch; sah durch ihn und auf das, was diese Wut beschützte. Er hindurch auf das, was fest hinter diesen geschützten Augen eingeschlossen war; hart und glasig und eine Lüge widerspiegelnd, die sich Neji vermutlich über die ganzen vergangenen zwei Monate wieder und wieder und wieder gesagt hatte. 

 

Vielleicht sogar für Jahre…schon immer, seit er ein Kind war…

 

Wieder und wieder, bis er es wirklich geglaubt hatte. 

 

Er glaubt es immer noch…

 

Shikamarus Augen wurden weich und eine tiefe Traurigkeit zog sich durch seinen Blick, als er weiterhin beobachtete; er machte keine Anstalten, zurückzuweichen, als Neji ihm so nah kam, dass diese weißen Augen Shikamarus Sicht vollkommen einnahmen. 

 

„Genau wie diese Vögel!“, brüllte Neji. „Kitori hat ihr eigen Fleisch und Blut in einen Käfig gesperrt!“

 

Und mit diesen Worten vermutete Shikamaru nicht länger – er wusste es. Er hatte es. 

 

Und dieses Wissen traf ihn so hart, dass es ihm die Luft in einem Beben aus den Lungen riss und sie gegen Nejis Lippen schlug. 

 

„Neji.“, hauchte er, „hier geht es nicht um Kitori und ihre Kinder…“

 

Nejis Miene verfinsterte sich. „Was?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf, seine Stimme war sanft und leise. „Und während der letzten zwei Monate…ging es auch niemals um deinen Clan.“

 

Neji stieß ihn grob einen Schritt zurück, doch seine Augen flackerten schwach. „Wovon zur Hölle redest du, Shikamaru?!“

 

Shikamaru trat wieder nach vorn und schluckte hart.

 

„Es sind nicht Hiashi-sama und die Hyūga Ältesten, denen du nicht vergeben kannst.“

 

„Wovon redes-…“

 

„Es ist dein Vater.“

 

Stille. 

 

Eine Stille, in der ein Shinobi seine stärkste Waffe erhielt, während dem anderen seine stärkste Verteidigung entrissen wurde.

 

Wahrheit. Verleugnung. 

 

Shikamaru schluckte erneut und zwang sich dazu, weiter zu sprechen. „Hizashi war derjenige, der ‚einfach nur daneben stand‘. Darum geht es hier. Gott…das ist es, worum es die ganze Zeit gegangen ist.“

 

Wie eine Fraktur ergriff ein plötzlicher und gequälter Ausdruck von Nejis Gesicht Besitz und paralysierte seine Atmung. 

 

Shikamaru sah zu, betäubt von seiner eigenen Treffsicherheit und der Wucht des Einschlages dieser Wahrheit. 

 

Neji sagte nichts. Jegliche Farbe war aus seiner Haut gewichen. Er stand ebenso still und festgefroren wie der nasse Schimmer in seinen Augen; die blassen Iriden starrten Shikamaru an, überzogen von kaltem Schock. Doch sein Blick war nicht länger weit entfernt – er war heimgesucht und herzzerreißend…aber er war hier.

 

Diese mondsteinhaften Seen weiteten sich…durchscheinend mit Tränen, die nicht fallen wollten. 

 

Nicht fallen konnten. 

 

Shikamaru verspürte einen Schmerz, den er noch niemals zuvor gefühlt hatte und verschluckte die Luft in seiner Brust. 

 

„Neji…“

 

In der Sekunde, in der er sprach, bekam das Eis in Nejis Augen nicht einfach nur Risse. 

 

Es zersplitterte wie zerbrochenes Glas. 

 

Und diese gebrochenen Augen waren das Letzte, was Shikamaru sah, bevor Schmerz in seinem Kiefer explodierte und die Welt im Schwarz versank. 

 

___________________

Uff...dieses Kapitel war ein richtiges Miststück zum Schreiben...aber hier ist es endlich...das letzte Puzzlestück! ;) Klar, das Rätsel ist noch nicht gelöst, denn es bleibt immer noch das große Fragezeichen, WIE Hizashi mit all dem zusammenhängt, aber immerhin hat Shikamaru jetzt alle Teile :D 

Bei diesem Kapitel würde ich mich wieder ganz besonders über Kommentare freuen, denn auch wenn es verfickt schwer zu schreiben war, liebe ich dieses Kapitel sehr und ich finde es wahnsinnig faszinierend, Neji hier zu schreiben, also Meinungen zu dem Kapitel wären der Wahnsinn!! <3

Ein riesiges Dankeschön geht wie immer an alle meine treuen Reviewer/innen und Leser/innen, Danke für die unglaubliche Motivation, die ihr mir gebt!! <3

A little less strong

„Shikamaru, hör auf zu rennen. Wenn du rennst, dann wird er angreifen.“

 

„Ich kann schneller rennen als ein Hirsch mit gebrochenem Bein.“

 

„Es ist nicht gebrochen, Junge.“

 

Gebrochen…

 

Die Erinnerung zerbrach in seinem Verstand…zersplitterte in vollkommen unzusammenhängende Gedanken…alle davon wirbelten als frakturierte Dialoge herum…Worte, die sich wie Glas in sein Hirn stachen.

 

Glas…

 

„Der ist aus Glas gemacht. Gefällt er dir?

 

„Deswegen hast du mich geweckt?“

 

„Shikamaru…“

 

„Schön. Er ist nicht übel.“

 

„Nicht übel? Das ist alles?“

 

„Er ist nicht übel und schwer?“

 

„Shikamaru! Ugh! Gib ihn mir zurück, bevor du ihn kaputt machst.“

 

Ihn…kaputt machen…

 

„Du hast ihn kaputt gemacht.“

 

„Ja, habe ich mitbekommen.“

 

„Ich glaube, du hast gemogelt.“

 

Neji…

 

Dunkelheit überschwemmte ihn, während farbige Sternenexplosionen hinter seinen Augen pulsierten. 

 

Augen…gebrochene Augen…Neji…

 

Energisch kämpfte er nach irgendeiner Art mentalen Zusammenhaltes und versuchte, seine zersplitterten Gedanken zusammenzufügen. 

 

Fuck…beweg dich…

 

Schmerz sägte sich durch seine Synapsen und schnitt jedes Signal an seine Glieder ab. Er fühlte sich, als wäre er vollkommen von seinem Körper getrennt, obwohl er sich gleichzeitig nicht von dem qualvollen und Übelkeit erregenden Pochen in seinem Schädel distanzieren konnte.

 

Ugh…

 

Schwärze rollte über ihn, schwer und dunkel und Erleichterung versprechend…ein süßes Wundermittel gegen den Schmerz…ein rasches Entschwinden durch die Risse…

 

„Shikamaru!“

 

Das Rufen seines Namens detonierte in seinem Kopf und prügelte ihn hart zu Bewusstsein. Er ruckte mit dem Kopf nach oben und stöhnte heftig über den Schmerz. Plötzliche Bewegungen jeglicher Art standen erstmal außer Frage.

 

Was…zum…?

 

Benommen kämpfte er darum, zu verarbeiten, was verflucht nochmal gerade passierte. Er hörte das dumpfe Nachhallen rennender Füße, die sich in seinem Kopf zu kleinen Explosionen verstärkten. 

 

Ugh…warum fällt es mir so schwer, mich zu bewegen…? Bin ich im Fallen…irgendwo dagegen geschlagen? Warte…wo…?

 

Er versuchte, den Gedanken zu Ende zu führen, versagte jedoch in der Sekunde, als er ein raues nasses Klatschen spürte, das sich über seine Wange zerrte. Es roch nach Hund. Shikamaru stöhnte und öffnete einen Spalt breit ein Auge, nur um es sofort wieder zu schließen, als Akamarus Atem gegen sein Gesicht fächerte. Der zweite Schwung der feuchten Zunge bestätigte ihm, dass er es dann doch eher vorzog, gebissen zu werden. 

 

„Shikamaru!“

 

Laut…

 

Doch es war nichts im Vergleich zu dem Bellen, das Akamaru hören ließ. Der verirrte Gedanke an eine Hirnblutung kam ihm in den Sinn; wenn er die nicht bereits hatte. 

 

„Shikamaru.“, keuchte eine weichere Stimme, weniger grob und eindeutig weiblich. 

 

Er spürte Fingerspitzen über die Seite seines Kopfes streichen und seinen Kiefer umfassen. Der Schmerz kam ohne Umschweife und er verzog das Gesicht, doch keinen Moment später erreichte ihn die Wärme und das Kribbeln kurativen Chakras. Die sanfte Illumination spielte über seine geschlossenen Lider und verschluckten das Schwarz. 

 

„Shikamaru, beweg dich nicht.“ Sakuras Stimme. „Du hast vermutlich eine Gehirnerschütterung.“

 

Gehirnerschütterung?

 

Das Wort sickerte in seinen Verstand und er merkte, wie sich die Gelenke seines Kiefers lösten. Ein schwaches und raues Kichern stolperte von seinen Lippen. 
 

„Warum lacht er?“ Naruto.

 

„Whoa, es hat ihn hart erwischt.“ Kiba.

 

Shikamarus Wimpern hoben sich flatternd und das heisere Kichern kratzte in seiner Kehle, als er schluckte. „Au…“

 

Azurblaue Augen – rund vor Besorgnis – waren auf sein Gesicht fixiert. „Shikamaru?“

 

Vorsichtig bewegte Shikamaru seinen Kiefer und fühlte, wie sich die Welt in einer schwindelerregenden Neigung drehte, als sich etwas wie ein Kissen unter seinen Kopf schob. Nach dem Winkel zu urteilen, handelte es sich dabei vermutlich um Sakuras Schenkel. 

 

Während er ein flüchtiges Gefühl von Verlegenheit niederkämpfte, räusperte sich Shikamaru. „Wo…ist Neji…?“

 

„Bei Neji ist der verfickte Draht durchgeschmort.“

 

„Kiba!“, tadelte Sakura und hob ruckartig den Kopf. Shikamaru versuchte, seine Augen dazu zu bringen, der Richtung zu folgen, in die sich ihr Kinn neigte. Schlechte Idee. Punkte tanzten wild in seinem Sichtfeld. 

 

„Was?“, schnappte Kiba. „Ist doch wahr. Er hat Shikamaru in eine verfickte Wand und KO geprügelt.“

 

Das wäre dann wohl das Schädelhirntrauma…erklärt aber noch nicht, warum ich so bewegungsunfähig bin…

 

Energisch versuchte Shikamaru zusammenzukratzen, was in den Sekunden passiert war, bevor er auf dem Boden aufgeschlagen war. Doch sein Hirn brachte es nicht fertig, eine Rückblende zustande zu bringen, die die große fette Lücke füllen konnte, die Neji in seinen Schädel gedroschen hatte. 

 

Wundervoll…

 

Er spürte, wie Sakuras Hände die Seiten seines Kopfes umfassten und das heilende grüne Glühen pulsierte durch den Schmerz.

 

„Wo ist er?“, murmelte Shikamaru und hoffte inständig, dass seine Stimme auch wirklich seinen Mund verließ und er nicht einfach nur ausgestreckt dalag und Fratzen schnitt wie ein gestrandeter Fisch. 

 

Sakura summte. „Shikamaru, versuch, für einen Moment nicht zu reden, okay? Zumindest, bis ich deine Schwellung losgeworden bin.“

 

Shikamaru kniff die Augen zusammen und bemerkte verschmiertes Rot an den Ballen von Sakuras Handflächen, als sie zaghaft seinen Kiefer ummantelte. Blutete er? Er musste härter auf dem Boden aufgeschlagen sein, als er gedacht hatte. Er hörte, wie Naruto neben ihm in die Hocke ging und lenkte seinen verschwommenen Blick auf das Gesicht des Uzumaki. Weite blaue Seen starrten zu ihm hinunter und schwammen vor Besorgnis; wirbelten vor Bestürzung. 

 

„Warum verflucht nochmal hat Neji das getan?“, wisperte Naruto zu niemand bestimmten. 

 

Shikamaru verzog das Gesicht und schloss die Augen. „Er hat…mich beschützt…“

 

„Wovor?“, schnaubte Kiba. „Seiner anderen Sanften Faust?“

 

„Einmischung…“, murmelte Shikamaru lahm und prüfte vorsichtig seine Kiefergelenke, als Sakura erneut seinen Kopf umfasste. 

 

„Das ist doch Schwachsinn, Shikamaru!“, plärrte Naruto.

 

„Mann…du bist so verfickt laut…“

 

„Hör auf zu schreien, Naruto.“, sagte Sakura ernst und Shikamaru spürte, wie sie ihm die Hände auf die Schultern legte. „Geh und hol ein bisschen Eis.“

 

Naruto blinzelte. „Du willst mich wohl verarschen! Woher?“

 

„Lass es uns von Nejis Hintern kratzen.“, murrte Kiba leise.

 

„Würdet ihr jetzt endlich aufhören.“, wisperte Sakura und zischte die Worte in einem Tonfall hervor, der die beiden augenblicklich zum Schweigen brachte. „Naruto, geh und finde Isuka, sie wird wissen, ob und wo sie Eispacken oder sowas in der Art aufbewahren. Kiba, kannst du Hinata finden?“

 

Shikamaru hörte ein Murmeln widerwilliger Zustimmung. Langsam blinzelte er seine Augen zu seinem Halbmast Blick und sah zu, wie der Hundeninja und der Uzumaki aus seinem Sichtfeld verschwanden. Über ihm seufzte Sakura leise.

 

„Was ist passiert?“

 

Ich habe es vermasselt…das ist passiert…

 

Die Erinnerung an Nejis Augen kam zurück zu ihm. Shikamaru schluckte energisch die Galle hinunter, die seine Kehle hinaufkroch. Zentimeter für Zentimeter hob er seinen Kopf und zuckte angesichts der Beschwerden zusammen, war aber dankbar dafür, dass der brutal hämmernde Schmerz in seinem Schädel nachgelassen hatte. Vorsichtig führte er die Fingerspitzen an seinen Kiefer und rieb über die verkrusteten Blutflecken. Es war eine saubere Platzwunde. 

 

„Ich muss ihn finden…“

 

Sakuras Hände pressten sich sachte an seine Schultern und versuchten, ihn wieder nach unten zu drücken. „Du musst stillhalten.“

 

„Verlockend.“, sagte er gedehnt und schob seine Ellbogen unter sich, um seinen Kopf aus dem Schoß der Kunoichi zu heben. „Scheiße…“

 

„Shikamaru.“

 

Er ignorierte die Warnung in ihrer Stimme, richtete sich etwas weiter auf und drehte sich, um seine Schulter in einer krummen Pose gegen den Türrahmen zu lehnen. „Keine Zeit für ein Schläfchen…“

 

Sakura schüttelte den Kopf. „Du solltest dich nicht bewegen. Ich konnte die Schwellung abklingen lassen, aber ich brauche wirklich Hinata, damit sie dich durchcheckt.“

 

„Hinata?“ Shikamaru runzelte die Stirn und rieb sich über den Kiefer, während er langsam blinzelte, als sich die Welt wieder ausrichtete.

 

„Ja.“ Sakura rutschte zu ihm herüber und hob die Hände, um sie an die Seiten seines Kopfes zu legen und ihn ein weiteres Mal mit Chakra zu überziehen. „Neji hat Chakra genutzt, Shikamaru. Der Schlag zusammen mit dem Aufprall deines Kopfes gegen die Wand und Chakra könnte irgendetwas aus dem Gleichgewicht gebracht oder verstopft haben. Ich muss sicher gehen.“

 

Shikamaru hob eine Braue. Neji hatte Chakra in den Schlag kanalisiert? Kein Wunder, dass der Schlag mehr als nur seinen Kiefer erschüttert hatte. Zumindest erklärte es auch das langsame Wiederkehren seiner motorischen Fähigkeiten. Auf seinen Motocortex zu zielen war ein sicherer Weg gewesen, ihn auf dem Boden zu halten – auch wenn er sich sicher war, dass Neji seine Attacke nicht bewusst gelenkt hatte. 

 

Er hatte einfach nur blindlings ausgeschlagen. 

 

‚Gefällt dir, was du siehst, Shikamaru? Ist es das, wovon du willst, dass ich es rauslasse?“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen, als er sich an diese Worte erinnerte, die plötzlich eine völlig neue Bedeutung bekamen. Sie trieben sich wie Splitter in seinen Verstand. Es war nicht so, dass Neji ihn nicht vorher gewarnt hatte. Doch das änderte nichts an dem, was er jetzt tun musste. 

 

Ich muss los.

 

Und was ihn deutlich mehr besorgte als das, was die Chakrawelle vielleicht in seinem Hirn kurzgeschlossen hatte, war der schädliche Effekt, den sie wahrscheinlich auf Neji gehabt hatte. Auf diese Art reflexartig Chakra aus seiner Faust auszustoßen war mit Sicherheit nicht gut für seine blockierten Tenketsu. 

 

„Wie lange war ich weg?“, fragte Shikamaru stirnrunzelnd. 

 

Sakura seufzte. „Wir haben circa zwanzig Minuten gewartet, bevor wir dir nachgegangen sind. Die anderen sind bei Hibari.“

 

Scheiße…zwanzig Minuten…ich verschwende hier nur Zeit…

 

Energisch schob Shikamaru Sakuras Hände von seinem Kopf fort. „Mir geht’s gut.“

 

„Ich meine es ernst, du musst stillhalten.“
 

„Und ich meine es auch ernst; ich muss ihn finden.“

 

Sakura klatschte die Hände auf ihre Schenkel und krümmte die Finger, während sich ihre Miene verdüsterte. „Warum hat er das getan, Shikamaru?“

 

Er wich der Frage aus, indem er nach dem Türrahmen griff, sich daran festklammerte und sich selbst auf die Füße zerrte. „Hör zu…du musst-…“ Er taumelte gefährlich und streckte beide Arme aus, um die Balance zu halten. „Ugh…halte die Mission am Laufen.“

 

Sakura rollte sich zurück auf ihre Fersen und erhob sich in einem scharfen Ruck. „Was? Ich?

 

„Die Mission darf nicht scheitern.“ Shikamaru lehnte die Schulter gegen den Türrahmen, während sein Verstand bereits lossprintete und an Geschwindigkeit zunahm. 

 

Wenn diese Mission scheitert…dann ist meine Abmachung mit Tsunade hinfällig…

 

Sakura schob sich ihm direkt in den Weg. „Und was ist mit Neji? Ist er nicht auch eine Mission?“

 

Shikamaru schloss die Augen und schluckte hart, tat dabei aber so, als würde er das nur tun, um gegen Übelkeit und Schwindel anzukämpfen. „Ja…“

 

„Er lügt.“

 

Shikamarus Lider hoben sich angesichts der sanft gesprochenen Worte und sein Blick glitt über Sakuras Schulter, um auf ein Paar pastellfarbener Iriden zu treffen. Die Hyūga Kunoichi sah ihn mit überraschender Entschlossenheit an. 

 

Sakura runzelte die Stirn und drehte sich ein wenig, um zu Hinata zu sehen. „Was?“

 

„Er lügt.“, wiederholte sie mit ernster Stimme, doch ihre Augen waren weich und voller Mitgefühl.

 

Es war das Letzte, was Shikamaru im Moment sehen wollte. Es war, als würde man versuchen, einen Schlag auszuführen, um den Hieb abzufedern. Er hatte bereits einen beschissenen Treffer einstecken müssen; er glaubte nicht, dass er einen weiteren an einem Ort einstecken konnte, wo Lügen seine einzige Defensive waren. 

 

Scheiße…

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Hinata. Nicht.“

 

„Doch, Shikamaru-kun. Du  riskierst bereits Neji-niisans Vertrauen.“ Hinata fixierte ihre Fliederaugen unerschütterlich auf ihn. „Ich werde nicht einfach nur…dastehen und zulassen, dass du auch noch das Vertrauen von anderen verlierst.“

 

„Was meinst du?“, fragte Sakura und eine tiefe Furche grub sich zwischen ihre Brauen, als sie zwischen ihnen hin und her sah. „Shikamaru?“

 

Shikamaru stieß sich von dem Rahmen ab und nutzte den Schwung, um sich selbst in den Raum zurückzuziehen. „Nichts. Lass es gut sein.“

 

„Nein, das werde ich nicht.“, bestand Hinata und stellte sich in den Türrahmen, während Sakura dem Nara in das Zimmer folgte. „Ich bin diejenige, die zu dir gekommen ist, Shikamaru-kun. Ich…ich habe dich um Hilfe gebeten. Du hättest es nicht tun müssen, a-aber du hast dich dazu entschlossen, Neji zu helfen.“

 

Shikamaru zuckte zusammen, als Sakura wie angewurzelt hinter ihm stehen blieb. 

 

Er drehte sich um. 

 

Ihre Augenbrauen waren bis zu ihrer Haarlinie geschossen, vielleicht sogar jenseits davon. Doch eine Sekunde später fielen sie in einem Stirnrunzeln nach unten. „Entschlossen, zu helfen?“

 

Shikamarus Lippen verzogen sich zu einem verärgerten Knoten und seine dunklen Augen verengten sich anstelle irgendwelcher Worte. Was zur Hölle hätte er auch sagen können? Schweigen war im Moment seine beste Taktik. Er könnte zwar noch mehr Bullshit auf die Lügen auftragen, aber gerade war er viel zu sehr darum besorgt, Neji zu finden. 

 

„Sakura-chan, bitte.“, ergriff Hinata erneut das Wort und zog Sakuras Blick von ihm fort. „Sei nicht sauer auf Shikamaru. Er versucht nur, Neji zu be-beschützen.“

 

Shikamaru schlug sich eine Hand vors Gesicht und nuschelte einen Fluch in seine Handfläche. 

 

Super…Scheiße…

 

„Warte…“ Sakuras Stimme wurde leise, bevor sie um mehrere Dezibel anschwoll. „Was?“

 

…und jetzt ist die Kacke so richtig am Dampfen…

 

„Ugh…ich habe keine Zeit dafür.“, knurrte Shikamaru und ließ seine Hand sinken, während er in seinen pragmatischen Modus verfiel. Er musste Neji finden und sich eine Ausrede sowohl für Nejis Abwesenheit, als auch für seine eigene ausdenken. 

 

„Ihn beschützen?“, echote Sakura und biss das letzte Wort geradezu heraus. 

 

Shikamaru ignorierte sie völlig, was dank der massiven Kopfschmerzen, die eingesetzt hatten, auch ziemlich einfach war. Sie dominierten eine Seite seines Kopfes wie ein zehnfacher Kater. Energisch versuchte er, seinen Verstand scharf auf eine Strategie zu konzentrieren und umriss rasch einen groben Plan in seinem Kopf. 

 

Die Notfalllagerplätze an den Grenzen…das könnte funktionieren…wenn ich es schaffe, ihn dorthin zu bringen…

 

Er wandte sich dem Tisch zu, auf dem immer noch Grundrisspläne und Karten ausgebreitet waren. 

 

„Shikamaru, was meint sie damit, dass du Neji beschützt?“

 

Shikamaru hörte ihr nicht zu. Er umklammerte die Kanten des niedrigen Tisches so hart, dass seine Knöchel weiß hervor traten und ging unsicher in die Hocke, um durch die zerstreuten Dokumente zu blättern. Er suchte nach der Karte, die Hibari markiert hatte. 

 

Verdammt, wo ist sie?

 

„Shikamaru…“

 

Mit finsterer Miene kam er auf die Füße und schwankte prekär, ignorierte das Pulsieren in seinen Schläfen aber, während er den Raum scannte und über den Knoten auf seiner Stirn rieb.

 

Denk nach!

 

Er hielt inne, ließ seine Hand sinken und schritt zu der Höhle von sich und Neji hinüber. An der Peripherie seines Sichtfeldes bemerkte er, wie Sakuras Augen seinen Bewegungen folgten. 

 

„Hier geht es um mehr als einfach nur darum, dass Neji krank ist.“, drängte sie weiter und ging ihm nach, als er in dem Raum verschwand. „Dieser ganze ‚nur das, was du wissen musst‘ Müll kann nicht die Tatsache verschleiern, dass es irgendein anderes ernsthaftes Problem gibt.“

 

Shikamaru wirbelte den Futon mit einem zornigen Rucken herum und suchte unter Matratze und Laken. Er beäugte seine Chūnin Jacke und marschierte zu ihr hinüber, während Sakura mit den Händen in den Hüften im Türrahmen stehen blieb. 

 

Während er in seiner Weste herumwühlte, strahlte die Kunoichi wortlos ihre immer weiter wachsende Frustration aus. 

 

„Verdammt!“ Shikamaru erhob sich und stützte sich mit der Schulter gegen die Wand. Mit einem Grollen ließ er seine Flakjacke fallen und rieb sich die Augen; Frust zerrte an den Zahnrädern in seinem Verstand. 

 

Er brauchte diese Karte. 

 

„Stimmt es?“, fragte Sakura mit einer Stimme, die deutlich weniger zornig war als ihre Haltung. „Beschützt du ihn vor etwas?“

 

Shikamaru schüttelte scharf den Kopf und zog die Nase kraus. „Nein.“

 

„Doch!“, rief Hinata und tauchte hinter Sakura auf.

 

Ihre Stimme erklang so plötzlich und die Lautstärke war so fremd für ihre Töne, dass Shikamaru vermutlich überrascht gewesen wäre, hätte sich sein Gesicht nicht qualvoll verzogen. Der Druck, der sich in seinem Kopf aufbaute, machte es ihm immer schwerer, denken zu können. 

 

„Ich weiß nicht, warum genau.“, fuhr Hinata leiser fort. „Aber ich weiß, dass es mit meinem Clan zu tun hat…war es mein Vater? Bitte…sag mir n-nur, dass es nicht mei-…“

 

„Nein.“, sagte Shikamaru angespannt. „Er war es nicht. Es hat nichts mit deinem Vater zu tun…“

 

Hatte es nie…

 

Oder zumindest nicht für die letzten zwei Monate…was auch immer das bedeuten sollte.

 

Schmerz breitete sich pochend hinter Shikamarus Augen aus. Er zog Luft durch seine zusammengebissenen Zähne ein und presste die Lider aufeinander, während er den Kopf zurück legte und versuchte, das Schrillen in seinen Ohren zu ignorieren. Es wollte einfach nicht aufhören. Langsam hob er die Hände, um die Daumen in seine Kiefergelenke zu graben und die Fingerspitzen um seine Ohren zu pressen. 

 

Nicht gut…

 

Eine Sekunde später ging ihm Sakura verbal an die Kehle. „Shikamaru, du sagst mir jetzt besser, was hier vor sich geht!“

 

„Mein Hirn läuft gerade aus meinem verfickten Ohr, das geht hier vor sich!“, schnappte er ungehalten und rollte mit den Schultern, als er die Hände fallen ließ. Er stieß sich taumelnd von der Wand ab und marschierte an ihr vorbei aus dem Zimmer. „Wo zur Hölle ist diese Karte…?“

 

Sakura packte ihn am Handgelenk. „Setz dich hin.“

 

Shikamaru riss seinen Arm zurück und wäre beinahe auf dem Hintern gelandet. Sakuras Miene verfinsterte sich und sie zerrte ihn energisch zurück zu dem Futon, packte seine Schultern und drückte hart nach unten, bis seine Knie nachgaben und er mit einem peinlichen Mangel an Widerstand zu Boden sackte. 

 

Verdammt…

 

Hinata kam an seine Seite und prüfte mit aktiviertem Byakugan seinen Kopf. Er fragte sich, ob sein Hirn genauso verletzt war wie sein Ego; sofort machte er sich eine mentale Notiz, herauszufinden, warum unvorteilhafte Ereignisse immer darin zu resultieren schienen, dass Frauen ihn in irgendeiner Weise misshandelten. Er spürte, wie Hinatas Fingerspitzen über seine Stirn klopften. 

 

Sakura ging mit grollendem Gesichtsausdruck in die Hocke. „Bevor du aus der Haut fährst und die Wahrheit auf kreative Weise verbiegst, kannst du zumindest warten, bis Hinata wieder ins Lot bringt, was Neji angerichtet hat.“

 

Shikamaru hob eine Braue und bedachte sie mit ausdrucksloser Miene. „Ich bin beinahe froh, dass Ino nicht hier ist, um Teil dieses Bombardement Teams zu sein.“

 

„Oh hör schon auf.“, murrte Sakura stirnrunzelnd. „Er kann es sowieso noch nicht weit geschafft haben.“

 

Darauf würde ich nicht wetten.

 

Er ruckte mit den Schultern, als Hinatas Chakrabewährte Berührung irgendetwas tat, das sich wie ein Bruch in seinem Schädel anfühlte. Doch das Aufplatzen von Chakra führte zu einem sofortigen Ablassen des Druckes in seinem Kopf. Das Klingeln in seinen Ohren stoppte.

 

„Sakura-chan.“

 

Sakura lehnte sich auf den Knien nach vorn und umfasste erneut seinen Kopf; ihre Hände waren dabei deutlich sanfter als ihre Stimme. „Ich weiß nicht, was du zu Naruto gesagt hast, um ihn dazu zu bringen, sich aus der Sache raus zu halten, aber ich bin es leid, im Dunkeln gelassen zu werden, Shikamaru.“

 

Shikamaru hielt seine zornige Antwort darauf zurück und wartete, bis sie ihre Hände sinken ließ. In derselben Sekunde, in der sie das tat, erhob er sich und machte sich daran, so viel Abstand wie möglich zwischen sich selbst und ihre Fragen zu bringen. 

 

„Danke.“, sagte er nur und wollte aus der Tür verschwinden. 

 

Sie packte ihn am Unterarm. „Du hast mir gesagt, du wärst direkt damit beauftragt worden, Shikamaru. Und jetzt stellt sich heraus, dass du dich dafür entschieden hast? Du hast gesagt, es wäre nichts Persönliches.“

 

Shikamaru riss seinen Arm zurück. „Ist es auch nicht…“ Er lief weiter in Richtung des Tisches, der im Zentrum des Raumes stand. 

 

„Hör auf, mich anzulügen!“, schnitt Sakura ihm das Wort ab und überholte ihn mit raschen Schritten, bis sie zwischen ihm und seinem Ziel stand. „Du hast mir gesagt, dir wäre befohlen worden, diese Mission mit Neji zu übernehmen. Du hast mir gesagt, es wären die Anweisungen der Hokage!“

 

Shikamaru blieb stehen und versuchte, auch sein voran preschendes Hirn zum Anhalten zu bewegen. Er schloss die Augen und verkrampfte den Kiefer; wiederholt spannte er die Muskeln an, während er darum kämpfte, seine Energie und Geduld aufrecht zu erhalten. Er brauchte beides. Herumschreien war so lästig; und Sakura würde das Thema nicht einfach fallen lassen. Daher bestand im Moment die empfohlene Maßnahme darin, die Grenzen des unvermeidbaren Territoriums irgendwie zu umgehen. Entweder das, oder sich einfach blind auf dieses Gebiet begeben und darauf hoffen, nicht Sakuras Fäusten ausweichen zu müssen, wenn er auf eine Landmine trat. 

 

Gott verdammt.

 

Shikamaru holte leise Luft und ließ sie durch die Nase ausströmen wie Rauch. „Es spielt keine Rolle, wie es zu dieser Mission gekommen ist. Tatsache ist – Mission oder nicht – dass wir nicht versagen dürfen…in beiden Fällen.“

 

„In beiden Fällen?“, echote Sakura ungläubig angesichts seiner ausdruckslosen Miene. „Was ist dir denn jetzt bitte wichtiger? Neji zu helfen, oder diese Mission zu beenden?“

 

Shikamaru seufzte und seine Lider schlossen sich bebend. „Ugh, du kapierst es einfach nicht.“

 

Was kapieren?“

 

„Sie hängen zusammen, verdammt nochmal.“, knurrte er und versuchte, sich zu beherrschen. „Scheitert die eine, dann schlägt auch die andere fehl…Ich habe nur diese eine Chance, ihm zu helfen. Diese Mission ist diese Chance. Danach ist Schicht im Schacht. Ich muss dafür sorgen, dass es klappt!“

 

Sakuras Faust löste sich gemeinsam mit ihren angespannten Zügen; ihr Zorn floss davon. „Also diese Mission…Hanegakure…“

 

Shikamaru winkte mit einer Hand und drehte sich, um an ihr vorbei zu laufen. „Reines Mittel zum Zweck, ist halt zufällig auch noch eine Win-win-Situation, wenn sie nicht vermasselt wird.“

 

Sakura hielt ihm den Rücken zugewandt, als er neben dem Tisch in die Hocke ging und sich methodisch durch die Karten und Pläne wühlte. Er drehte Blätter und Schaubilder herum; das Rascheln und Knistern des Papiers war das einzige Geräusch, das die schwere Stille füllte. 

 

Hinata trat näher, die Faust lose gegen ihre Brust gekrümmt, als würde sie ihr Herz darin halten. Er konnte spüren, wie ihre Besorgnis von allen Seiten auf ihn eindrückte. Und dann erklang Sakuras Stimme, sanft und gebändigt von ihrem vorherigen Zorn. 

 

„Dann war Neji also die Priorität…die ganze Zeit über…“

 

Shikamaru seufzte, stellte die Ellbogen auf dem Tisch ab und rieb sich übers Gesicht. „Ich musste ihn aus Konoha raus bringen, um es tun zu können, okay? Und ich habe dich und Hinata gebraucht. Die einzige Möglichkeit, das zu erreichen, bestand in einer durchführbaren Mission. Ihr hättet nicht zu viele Fragen gestellt-…“ Er schnaubte und ließ seine Hände in einem abschließenden Aufprall fallen. „Dieser Teil hat schätzungsweise nicht sehr gut geklappt…aber ich wusste, dass Neji diese Mission nicht ablehnen würde.“

 

Leise hörte Shikamaru das Schlurfen von Sakuras Schritten, als sie den Tisch umrundete. „Weil er Kitoris Tochter getötet hat?“

 

Der Schattenninja hielt seinen Blick auf die Karten gerichtet und suchte aufmerksam die Grundrisse ab. „Ja. Ich wusste, dass er die Mission annehmen würde; selbst ohne Tsunade-samas Anweisung. Das soll keine Respektlosigkeit gegenüber Kitoris Kind sein…aber ihr Tod bot eine Möglichkeit, sein Leben zu retten.“

 

Sakura kniete sich ihm gegenüber auf den Boden und strich mit der Handfläche über die Karten, um sie zu glätten. „Er will die Sache mit den Leuten hier wirklich richtig stellen.“

 

Shikamaru nickte und zerrte die Karte vom Tisch, auf die Naruto gekritzelt hatte; Erleichterung erfüllte seine Augen, als er die mit Hibaris Anmerkungen und Kreisen darunter erblickte. 

 

Endlich gefunden.

 

„Warum war er so kalt Kitori gegenüber?“, fragte Sakura zaghaft und wagte sich vorsichtig auf ein Gebiet, von dem Shikamaru eigentlich erwartet hatte, dass sie mit einem Rammbock hindurchmarschieren würde. „Ich meine, so herzlos zu sein…“

 

Der Nara schürzte grimmig die Lippen, die Augen auf die Karte gerichtet, um die Informationen in seinen Verstand zu brennen. „Weil er es zu etwas Persönlichem gemacht hat. Er versteht sehr gut, was hier im Clan der Tsubasa vor sich geht. Er versteht, was sie durchleiden müssen und er muss es miterleben, dass diese Dinge richtig gestellt werden.“

 

„Ist das der Grund, aus dem du den medizinischen Eingriff verschoben hast?“

 

Einer der Gründe…

 

Shikamaru hielt seinen Blick weiter stur auf den Plan gerichtet und tat so, als wäre er abgelenkt. „Jetzt im Moment braucht er das. Er muss das tun.“

 

Sakuras Hand legte sich an den Rand des Papiers, das er studierte. „Er braucht medizinische Hilfe, Shikamaru, Dasist es, was er braucht.“

 

Shikamaru hielt inne und sah unter seinen Wimpern auf. Er bedachte sie mit einem ruhigen aber pointierten Blick, der ebenso beständig war wie seine Stimme. „Er braucht ebenso sehr, das hier zu tun. Im Moment eigentlich sogar mehr als alles andere.“

 

Sakuras Brauen zogen sich zusammen. „Warum?“

 

Weil es nie jemand für ihn getan hat

 

Das kummervolle Anschwellen von Schmerz stach in seine Brust und er zog rau die Luft dagegen ein, während er den Kopf schüttelte. „Für seine geistige Gesundheit. Es ist die eine Sache, sein Leben zu retten, aber was hat das für einen Sinn, wenn er dabei seinen verdammten Verstand verliert?“

 

Sakura zog ihre Hand zurück, als hätten die Worte sie verbrannt. Stattdessen umklammerte sie die Kante des Tisches. „Shikamaru…“

 

„Man kann nicht einfach so jemanden sein geistiges Fundament entreißen.“, murmelte er und fragte sich, ob er das nicht bereits getan hatte. „Es wird schlimmer kollabieren als sein Körper. Er muss daran glauben, dass er die Dinge unter Kontrolle hat.“

 

„Aber das hat er nicht.“

 

Shikamaru seufzte und faltete rasch die Karte zusammen. „Das weiß ich. Du weißt es auch. Aber er kann diese Möglichkeit nichtmal in Betracht ziehen.“ Er legte seine Hände auf die Tischplatte und richtete sich auf. „Ich werde ihm schon genug nehmen…ich kann nicht riskieren, ihn in ins kalte Wasser zu stoßen, bevor ich ihn von seinem Abgrund zurück gezogen habe.“

 

Hinata trat auf ihn zu, als er durch den Raum schritt. „Shikamaru-kun…“

 

„Das ist der Grund, aus dem diese Mission nicht scheitern darf.“, fuhr er fort und blieb stur auf seinem Weg in die kleine Höhle, um seine Flakjacke zu holen. „Wenn sie misslingt, dann verliere ich jeden Einfluss in dieser Sache und der Hyūga Clan wird einschreiten.“

 

Er hörte, wie Sakura verwirrt schnaubte. „Naja…ist das denn nicht gut?

 

„Nein!“, sagte Hinata kopfschüttelnd. „Sie…sie dürfen nicht wissen, dass Neji sich das angetan hat.“

 

Shikamaru schlüpfte in seine Chūnin Weste, und zog sie mit einem scharfen Rucken in Position. Die zusammengefaltete Karte schob er in eine Tasche. „Richtig.“

 

„Ist es das?“ Sakura warf die Hände in die Luft und unterstrich ihre Frustration mit einem Seufzen, als sie auf die Füße kam. „Warum? Und warum hat er das getan?“

 

Shikamaru warf ihr einen warnenden Blick zu. „Ich habe dir bereits viel mehr gesagt, als du wissen musst. Ich werde dir sicher nicht von seinen Beweggründen erzählen.“

 

„Aber-…“

 

„Das wird nie passieren!“, knurrte er mit Augen, die scharf und hart genug waren, um diese Aussage in Stein zu meißeln. 

 

Sakura erwiderte das unnachgiebige Starren und kaute auf der Innenseite ihrer Unterlippe. „Na schön.“, gab sie letztendlich nach und ließ die Schultern fallen. 

 

Shikamaru nutzte die Gelegenheit sofort und fuhr fort. „Gut. Passt auf, völlig egal, was von diesem Zeitpunkt ab passiert; er muss wissen, dass ihr nichts weiter getan habt, als einfach nur Befehle zu befolgen.“

 

„Befehle…“, wiederholte Sakura flach und verschränkte die Arme, während sie um den Tisch lief. 

 

Shikamaru nickte, band sich sein Tantō um und prüfte rasch seine Ausrüstung. „Meine Befehle und die der Hokage. Er muss in dem Glauben sein, dass du und Hinata nur so gehandelt haben, weil ihr keine andere Wahl hattet.“

 

Sakura hielt ein paar Schritte von ihm entfernt inne; sie beobachtete seine Bewegungen mit einem unfokussierten Starren, das deutlich darauf hinwies, dass sie gerade versuchte, in all dem einen Sinn zu erkennen. „Warum?“

 

„Weil das etwas ist, das er verstehen kann. Direkte Befehle sind absolut. Er wird verstehen, warum ihr es getan habt.“

 

Sakura schnaubte, doch es war keineswegs streitlustig. „Du meinst, er wird uns vergeben, was wir getan haben. Aber wo bleibst du bei dieser ganzen Sache, Shikamaru?“

 

„Ich werde sehr schnell wegrennen.“

 

Der Humor war in etwa so flach wie Sakuras Miene. „Götter, mach darüber keine Witze…“, wisperte sie kopfschüttelnd und mit einem sehr grimmigen Ausdruck auf den Zügen. „Du kannst ihn nicht einfach in dem Glauben lassen, dass du ihn nur manipuliert hast. Du musst ihm die Wahrheit sagen.“

 

Shikamaru zögerte und trat einen großen Schritt von ihr fort, als ob das garantieren könnte, dass diese Worte nicht sein klares Denken kontaminierten.

 

„Nein. Ich muss diese Angelegenheit richtig machen.“ Er hielt inne, um seinen Blick durch den Raum schweifen zu lassen und scannte ihn, ohne nach etwas Bestimmtem zu suchen, während er sorgfältig seine Gedanken ordnete. „Meine Beweggründe werden ihn nicht interessieren.“

 

Sakura packte ihn in dem Moment am Arm, als er sich der Tür zuwandte. „Das kannst du nicht wissen!“

 

„Es spielt keine Rolle.“ Shikamaru sah hinunter auf ihre Finger an seinem Arm und weigerte sich, ihrem Blick zu begegnen. „Egal wie man es dreht und wendet, er würde jeden hassen, der in diese Angelegenheit eingreift.“

 

„Also warum muss diese Person dann ausgerechnet du sein?“

 

Er sah zu, wie sich ihr Griff verstärkte, ihn fest an diesem Platz verankerte und ihn anflehte, eine Alternative in Betracht zu ziehen, die er nicht hatte. 

 

„Weil es eben so sein muss.“, sagte er ernst; die kühle Stimme der Logik sprach inzwischen aus ihm und überging diese andere Stimme, die in seiner Brust eingesperrt war und an seinen Rippen rüttelte wie an Käfigstäben. 

 

„Warum?“
 

„Anweisungen der Hokage.“

 

„Lügner. Du hast dich hierfür entschieden, erinnerst du dich?“ Sakuras Finger zuckten, bevor sie noch härter zupackten. „Lass es irgendjemand anderen sein.“

 

„Nein.“ Shikamaru befreite mit einem Rucken seinen Arm, drehte ihr den Rücken zu und schaffte es fast bis aus der Tür, bevor ihre Stimme ihn erstarren ließ. 

 

„Du bist sein Freund! Was soll das? Willst du, dass er dich hasst?“

 

Shikamaru schloss die Augen. Das wollte er ganz bestimmt nicht. Es könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Doch um eine Stille zu vermeiden, die möglicherweise dazu geführt hätte, dass sie ihre eigenen Schlussfolgerungen zog, warf Shikamaru einen ruhigen und ungerührten Blick über die Schulter. 

 

„Ich bin nicht Naruto. Das hier ist nichts Persönliches.“

 

Die vollkommen flach gesprochenen Worte brachten Sakura dazu, das Kinn zurückzuziehen, doch er wusste bereits, dass sie ihm keines davon glaubte. „Shikamaru…lass es die Familie sein, der er ohnehin nicht vertraut, die er am Ende für ein Einschreiten hasst. Nicht dich!“

 

Hinata verlagerte auf ihr Gewicht und zog die Blicke der beiden anderen auf sich – doch bevor Sakura irgendwelche Entschuldigungen machen konnte, ergriff die Hyūga Kunoichi das Wort. „Sie hat recht, Shikamaru-kun!“

 

Der Nara blinzelte und sah Hinata mit verengten Augen an. „Was?“

 

„Ich…ich habe gesagt, dass er jemanden braucht, der ihn aufhält und wieder zurück holt, aber…“ Hinatas Stimme verlor sich, doch sie erholte sich rasch mit einer gequälten Miene. „Aber ich hätte niemals gedacht, dass es einen derart hohen Preis kosten würde.“

 

„Alles hat seinen Preis.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln; diese Lässigkeit fühlte sich so gezwungen an, als müsste er schwere Steine mit seinen Schultern anheben. „Ich wusste das, als ich Teil dieser Sache geworden bin.“

 

„Aber es ist nicht dasselbe…“, erwiderte Hinata und blinzelte wie ein Reh. „Jetzt ist die Situation eine andere.“

 

Shikamaru hob eine Braue. „Es hat sich nichts verändert.“

 

Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, nahm Hinatas Blick einen Ausdruck ruhigen Verständnisses an, das ihn schneller betäubte, als es Chakra jemals bei seinen Nerven geschafft hätte. 

 

„Doch…das hat es…“, wisperte sie. 

 

Fuck…

 

„Mach es nicht auf diese Weise, Shikamaru!“ Sakura trat einen Schritt nach vorn und ihre grünen Augen kniffen sich beinahe traurig zusammen. „Du wirst es bereuen.“

 

Ich will es ja auch gar nicht auf diese Weise tun…

 

„Es ist nur ein kleiner Preis für sein Leben. Passt auf, jetzt im Moment muss ich ihn erst einmal finden. Und zwar schnell.“ Shikamaru wandte sich um und begann zu laufen, ohne einen Blick zurück zu werfen. Seine Stimme war knapp und rational, als er sich durch die Tunnel bewegte; seine Schritte verlängerten sich in Proportion zu der Geschwindigkeit, in der sein Verstand eine Strategie ausarbeitete. „Hinata, vielleicht brauche ich dich hierbei.“

 

Er hörte den raschen Lauf der beiden Kunoichis hinter sich. 

 

„Ich verstehe.“, sagte sie leise. 

 

„Was soll ich machen?“, fragte Sakura mit ebenso abgehackter Stimme, doch zumindest arbeiteten sie jetzt wieder auf demselben Level. Priorität. 

 

Shikamaru zog seinen Transmitter hervor und schwenkte ihn vielsagend durch die Luft, ohne über die Schulter zu sehen. „Ich habe mein Funkgerät bei mir. Behalte deines in Reichweite. Ich werde dich kontaktieren, sollte ich den Eindruck haben, dass der Eingriff bei Neji imminent ist.“ Er schob sich den Transmitter in sein Ohr und schlang das dünne Kabel um seinen Nacken, um das Funkgerät zu sichern. „In der Zwischenzeit werdet ihr euch zusammen mit Hibari an den Plan halten. Du stehst stellvertretend für mich und Neji.“

 

„Was soll ich den anderen sagen?“

 

Shikamaru seufzte, umrundete eine weite Kurve des Tunnels und öffnete den Mund, um zu antworten, schloss ihn aber sofort wieder. Beinahe wäre er mit Naruto zusammengeprallt, schwankte aber gerade noch rechtzeitig zur Seite, um eine desaströse Kollision zu vermeiden. Ihre Schultern schlugen dennoch gegeneinander, was dafür sorgte, dass beide stehen blieben und sich anstarrten.

 

„Shikamaru! Du bist wieder okay?“, rief Naruto sichtlich erleichtert und lächelte, während er mit zwei Eispacken herumfuchtelte. „Hätte nicht gedacht, dass es dir schon wieder gut geht…“, seine Worte versiegten langsam, als seine Augen von der Flakjacke des Nara zu dem Transmitter in seinem Ohr wanderten. 

 

Shikamaru fluchte innerlich und stierte den Tunnel entlang, um seinen Mangel an Geduld und Zeit deutlich zu machen. „Es geht mir gut. Ich muss los und me-…“

 

„Wenn du Neji suchen gehst…“ Narutos Finger zerdrückten das Eis in seinen Händen, „dann komme ich mit!“

 

„Nein. Du bleibst hier.“

 

„Na klar werde ich das.“ Naruto schnaubte und ließ die Eispacken fallen, um wieder ein Gefühl in seine tauben Hände zu klatschen.

 

Shikamarus Gesicht verblieb ebenso kompromisslos wie seine Stimme. „Ich meine es ernst.“

 

Sakura schaltete sich zu seiner Unterstützung ein und trat einen Schritt nach vorn. „Ich brauche dich hier, Naruto.“

 

„Bist du vollkommen bescheuert, Shikamaru?“ In sich sträubender Manier verzog sich Narutos Gesicht. 

 

Shikamaru schürzte die Lippen und dachte über all die Beweise nach, die klar für diese Anschuldigung sprachen; doch er entschied sich für ein Vermeiden statt einer Diskussion. 

 

Er drehte sich ein Stück, um weiter zu laufen. „Wir haben keine Zeit für sowas.“

 

Er schaffte kaum drei Schritte, bevor ihm der Weg versperrt wurde. Naruto grub stur die Fersen in den Boden und funkelte ihn durch tiefblaue Iriden an, die vor lästiger und leidenschaftlicher Entschlossenheit glühten. Als Antwort darauf verhärtete Shikamaru sowohl seine Augen, als auch sein Herz gegen diese gutgemeinten Intentionen. 

 

„Halt dich raus, Naruto.“

 

„Diesmal nicht.“, knurrte Naruto und diese selten gesehene Ernsthaftigkeit verdunkelte seine Augen zu einem wilden saphirfarbenen Schliff. „Das habe ich bereits das letzte Mal getan.“

 

„Ja und du hast gesagt, dass du es wieder tun würdest, erinnerst du dich?“, erwiderte Shikamaru und machte Anstalten, an ihm vorbei zu laufen, nur um sofort wieder abgeblockt zu werden, als Naruto seitwärts und ihm in den Weg schritt. 

 

„Erinnerst du dich, was ich darüber gesagt habe, diese Sache auszusitzen?“

 

Frustriert verzog Shikamaru die Lippen. „Verdammt, es wurde niemand verletzt.“

 

„Du Vollpfosten! Kapierst du wirklich nicht, dass das dich einschließt?!“

 

„Es geht mir gut!“

 

Narutos Kiefer klappte nach unten und er starrte ihn fassungslos an, als seine Worte über seine Lippen stolperten. „Neji hat dich verfickt nochmal mit seinem Schlag ins Traumland geschickt.“

 

„Ja na und? Jetzt bin ich wieder wach.“, murrte Shikamaru und wurde mit jeder Minute, die sie hier verschwendeten, zunehmend ungehaltener und besorgter. „Jetzt kapier’s endlich und lass es einfach gut sein.“

 

Doch offensichtlich konnte er Naruto zwar verbal zur Seite zu schieben, doch es erwies sich als sehr schwer, das auch in die Tat umzusetzen. Denn in der Sekunde, als sich Shikamaru an ihm vorbei schieben wollte, wurde er mit dem Rücken flach gegen die Wand gepresst – schon wieder. Seine Erfolgsbilanz in dieser Hinsicht sah gar nicht gut aus, besonders, als sich Narutos Finger in sein Rollkragenoberteil krallten. 

 

„Naruto!“, bellte Sakura und schritt vorwärts. „Hör auf!“

 

Naruto schüttelte ihn einmal. „Ich werde dich sicher nicht hier raus marschieren lassen, damit du nochmal verprügelt wirst!“

 

Shikamarus Miene wurde finster und er starrte auf den Uzumaki hinunter, während er den Kopf zurückzog. Doch Naruto gab ihm nicht einmal die Gelegenheit zu sprechen. 

 

„Ich habe dir gesagt, dass ich mich gegen dich stellen würde, Shikamaru. Hast du mir nicht geglaubt? Das ist aber wirklich zu blöd.“

 

Shikamaru spannte den Kiefer an und bohrte mit seinem Blick Dolche in den Uzumaki. Doch unglücklicherweise war sein Starren nicht halb so tief schneidend wie die Worte, die seine Kehle hinaufkrochen und sich wie Rasierklingen auf seine Zunge legten. Er hatte diese Waffe bereits bei Sakura genutzt. Und auch wenn er es hasste, sie einzusetzen; wenn er derart in eine Ecke getrieben wurde, waren seine Optionen ebenso beschissen wie Narutos Hartnäckigkeit. 

 

„Verschwinde!“, presste Shikamaru zornig hervor und bot Naruto damit eine letzte Chance, das Thema fallenzulassen. „Es geht mir gut, okay?“

 

Naruto schüttelte jedoch nur den Kopf. „Ja klar, bis du wieder ausgeknockt auf dem Boden liegst! Neji hätteernsthaften Schaden anrichten können. Ich werde auf keinen Fall zulassen, dass das passiert!“

 

„Warum?“, schnappte Shikamaru. „Wir lassen es bei dir jedes Mal zu, wenn du Sasuke hinterher jagst!“

 

Die Worte schlugen scharf und schmerzhaft wahr ein. 

 

Naruto versteifte sich, als sie sich tief in ihn schnitten und ein verletzter Blick zuckte durch seine Augen. Sein Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Bedauern und Schmerz, bevor sich seine Lippen zu einer dünnen, harten Linie zusammenpressten. Fest schloss er die Lider, bevor er sie mit einem Grollen wieder aufschnellen ließ. 

 

Noch einmal schüttelte er Shikamaru und umklammerte heftig den schwarzen Stoff, während er durch zusammengebissene Zähne hindurchzischte. „Das ist etwas anderes…“

 

„Warum zur Hölle soll das etwas anderes sein?“

 

Keine Antwort.

 

Narutos Mund verzerrte sich vor Emotionen; seine Nasenflügel bebten. Es war überhaupt nichts anderes; was es für den Uzumaki vermutlich nur noch wichtiger machte, jeden anderen von solch einer dummen und leichtsinnigen Gefahr abzuhalten. 

 

Super, das ging wohl nach hinten los…

 

Doch dankbarerweise hatten die Worte Naruto von der Gestalt abgelenkt, die sich ihm von hinten näherte. 

 

„Shikamaru.“, warnte Naruto mit einer Stimme, die nicht mehr als gutturales Beben war. „Ich werde nicht zulassen, dass du diese Tunnel verlässt!“

 

Shikamaru seufzte und ein schwaches, beinahe reuevolles Lächeln verzog seine Lippen. „Doch, das wirst du.“

 

Naruto runzelte die Stirn, doch seine Verwirrung schlug nicht so schnell ein wie Hibaris Attacke auf seine Druckpunkte. Der schraubstockartige Griff und der Druck der Finger des Rotschopfes legten Narutos Hirn lahm, bevor der Uzumaki überhaupt bemerken konnte, dass sich der Tsubasa an ihn heran geschlichen hatte. 

 

„Naruto-kun!“, kreischte Hinata. 

 

Doch Naruto hörte sie nicht. Der Uzumaki sackte nach vorn, während sich seine Augen in den Schädel drehten. Shikamaru fing ihn unter den Armen ab und ließ ihn vorsichtig den restlichen Weg zum Boden sinken. 

 

„Sorry.“, sagte er leise und überließ den Uzumaki Sakura und Hinata, als er sich aufrichtete.

 

Er begegnete Hibaris Blick. „Danke, schätze ich mal.“

 

Hibari hob eine Braue. „Du hast echt ein ziemlich dysfunktionales Arbeitsethos, wenn es um deine Shinobi geht, ist dir das klar?“

 

„Das ist noch lange keine Entschuldigung für dich, das zu tun!“, fauchte Sakura und legte Narutos Kopf in ihren Schoß. 

 

Hibari sah neugierig zu ihr hinunter und nahm keinerlei Anstoß an ihren Worten. „Es wird ihm gut gehen. Aber schön zu sehen, dass ihr immer noch loyal zueinander seid, selbst wenn sich einer von euch rücksichtslos verhält.“

 

Shikamaru zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Nicht, dass du irgendetwas darüber wüsstest, wie es ist, rücksichtslos zu sein, oder?“, sagte er vollkommen sarkastisch. 

 

„Ich? Nie.“ Hibari grinste, ernüchterte aber rasch. „Also worum geht es hier?“

 

Scheiße. Denk schnell nach.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Ich habe ihn nicht mit in das Team aufgenommen.“

 

Hibar verzog das Gesicht. „Was für ein Team?“

 

„Du sagtest, dass ihr Chakra Pillen von eurem Notfallvorrat braucht, um morgen das riesige Barrierejutsu aufrecht erhalten zu können.“, sagte Shikamaru, zog die Karte aus seiner Flakjacke und entfaltete sie, um mit dem Finger auf einen der eingekreisten Punkte an der Grenze von Hanegakure zu tippen. „Aus dieser Hütte, oder?“

 

Hibari nickte vorsichtig. „Das stimmt. Ohne den Chakranachschub können wir auf keinen Fall das ganze Gebiet für euch abdecken.“

 

„Ich weiß. Daher habe ich ein Team zusammengestellt, das diese Pillen jetzt holen wird.“, erklärte Shikamaru und formulierte seine schnell improvisierte Strategie flüssig genug, um jeden davon überzeugen zu können, dass er sie schon lange im Voraus geplant hatte. „Sakura wird mich vertreten, solange ich weg bin. Sie wird mich über das Funkgerät auf dem Laufenden halten.“

 

Hibari zuckte mit den Achseln. „Na schön, damit ersparst du es mir, mich bis zu der Hütte durchschlagen zu müssen. Komm zu mir, sobald du wieder da bist. Wir werden bereit sein, den Plan weiter durchzuführen. Vorausgesetzt natürlich, du willst den Tempel immer noch morgen Mittag angreifen?“

 

Shikamaru nickte und zehrte von allen Nerven, die ihm noch geblieben waren, um seine Miene und Geduld unter Kontrolle zu halten. „Das gibt uns die Zeit, die Barrieren zu errichten und jeden von uns im Dorf in Position zu bringen. Hoffentlich haben wir bis dahin alle Antworten von Kitori, die wir brauchen.“

 

Hibari sah ihn schief an und hob eine Braue. Der Ausdruck ließ Shikamarus Herzschlag aussetzen. Es war ein Blick, der darauf schließen ließ, dass der Rotschopf etwas wusste, was der Schattenninja nicht wusste – es aber eigentlich wissen sollte.

 

„Was?“

 

„Ich komme gerade von der Befragung.“, erwiderte Hibari. „Isuka hat mir gesagt, dass meine Mutter bereits alle Informationen darüber preisgegeben hat, wie man in den Tempel gelangt.“

 

Shikamarus Körper wurde eiskalt. 

 

„Das hat sie?“

 

„Ja, sie hat alles eurem Hyūga gesagt; vor ungefähr zwanzig Minuten.“

 
 

xXx
 

 
 

Die Tür glitt mit einem rauen Kratzen auf und ein scharfer Lichtstrahl schnitt in den schummrigen Verhörraum. Shikamarus Schatten fiel über den groben Stein des Bodens, als er im Türrahmen stehen blieb. 

 

Kitori hob nicht den Kopf, doch ihre Augen folgten seinem Schatten. 

 

„Shikamaru.“, murmelte sie; ihre aschfarbenen Lippen bewegten sich langsam um seinen Namen herum. „Er ist fort, weißt du. Ich habe bereits darauf gewartet, dass du kommst.“

 

Shikamarus Kiefer spannte sich an und er drehte seinen Kopf ein winziges Stück; gerade genug, um seine Stimme über seine Schulter tragen zu lassen. „Bleib hier.“

 

Er musste sich nicht komplett umdrehen, um Isuka direkt anzusprechen. Die dünne Frau hatte bereits zugestimmt, ihm seine fünf Minuten zu lassen, bevor sie den Befehl, Kitori zu sedieren, durchführen würde. Shikamaru trat einen Schritt nach vorn und schob die Tür hinter sich zu; er tauchte den Raum damit wieder zurück in das dürftige und schwefelfarbene Licht, das von Schatten unterbrochen wurde.

 

Eine Motte flatterte immer wieder gegen eine der gesprungenen Laternen. 

 

Kitori beobachtete sie abwesend; ihr Profil wurde von dem Fall ihres Haares verborgen.

 

Shika. Hirsch…Maru…“ Sie hielt inne und schien den Geschmack des Wortes zu kosten. „Maru ist ein sehr interessantes Suffix. Weißt du, was es bedeutet?“

 

„Kreis.“, antwortete Shikamaru flach. 

 

Kitoris Lippen bogen sich hinter dem Sturzbach ihrer Haare; wegen des Schattenspiels auf ihrem Gesicht war es jedoch kaum bemerkbar. „Das ist viel zu wörtlich…es meint etwas von Perfektion oder Vollständigkeit. Etwas, das geliebt wird.“

 

Shikamaru hob eine Braue und seine scharfen Augen verengten sich noch weiter, als die Tsubasa Frau ihm den Kopf zuneigte. Jede psychologische Skizzierung von Kitoris Persönlichkeit hätte das Wort ‚psychotisch‘ dick und fett unterstrichen, doch das dünne, listige Lächeln, mit dem sie Shikamaru bedachte, drängte ihm die Frage auf, ob sie nicht sogar als ein klinischer Fall von dissoziativer Persönlichkeitsstörung angesehen werden konnte. 

 

Das war nicht die Frau, die ihre sprichwörtliche Kehle für Neji bloßgelegt hatte. 

 

Das hier war die gelassenere und deutlich kältere Kreatur, mit der er sich herumgeschlagen hatte, als sie Strategien diskutiert und sich verbale Schläge verpasst hatten. Ihre grauen Augen wanderten ruhig und abwägend über ihn. 

 

Super…

 

Shikamaru schloss mit langsamen, aber sicheren Schritten die Hälfte der Distanz zu ihr. Sollte dies das Gesicht sein, das zu tragen sie sich entschieden hatte, dann würde er in derselben freimütigen Sprache mit ihr kommunizieren wie zuvor. 

 

Daher kam er auch direkt zum Punkt. „Wo ist Neji?“

 

Kitori lehnte sich summend zurück. „Du machst dir Sorgen um ihn, nicht wahr? Das solltest du auch.“

 

„Ich bin nicht hier, um dieses Spiel mit dir zu spielen.“

 

„Spielen wir denn, Shi-ka-ma-ru?“ Sie sprach die einzelnen Silben seines Namens mit einem langsamen, pointierten Schnurren aus. „Ah, ich glaube nicht, dass er dich weiterhin im Spiel haben will.“

 

Shikamaru beobachtete sie ruhig. Er konnte deutlich erkennen, was sie hier zu tun versuchte. Es war so offensichtlich, dass es schon beinahe schmerzhaft war. Doch leider verärgerte es dieses irrationale Ding tief in seiner Brust, das er energisch zu ignorieren versuchte. Er schob seine Hände in die Taschen und knickte die Hüfte zu einer lässigen Pose ein, die nichts von der Spannung verriet, die sein Inneres verkrampfte. 

 

Sie mochte ja ihre Klauen in Neji gegraben haben, doch auf keinen Fall würde er sich zum Opfer ihrer kleinen Psychospielchen machen lassen. Besonders dann nicht, wenn ihr Verstand in etwa so stabil war wie ein Erdrutsch; es brauchte nur noch den richtigen Druck, um ihn auszulösen. Wäre er in der Lage gewesen, sonst noch jemanden zu involvieren, hätte er vermutlich Hibari als Vorschlaghammer dafür genutzt – aber er konnte es nicht riskieren, Nejis Labilität irgendeinem Tsubasa preiszugeben, völlig egal ob Freund oder Feind. 

 

Super. Dann also nur ich und diese Frau mit dem Sprung in der Schüssel.

 

„Du hast ihm gesagt, wie man Zutritt zum Tempel bekommt.“ Shikamaru hob eine Braue. „Ich frage mich ja, ob er dir geglaubt hat.“

 

Kitoris Augen zogen sich zusammen und ihre Zungenspitze schnellte wie die einer Viper über ihre Lippen. 

 

„Das muss er wohl, oder?“ Sie hielt inne; ein träges Feixen verzerrte ihre Lippen. „Ansonsten wäre er ja hier – mit dir, Shikamaru.“

 

Shikamaru ignorierte den Hohn. „Wäre eine gute Möglichkeit für dich, eine Gelegenheit wahrzunehmen, die du das letzte Mal ungenutzt gelassen hast, oder? Biete ihm einen Happen falscher Informationen und hoffe darauf, dass er anbeißt.“

 

„Du hast ihn gern.“, sagte Kitori. „Ich frage mich, wie sehr?“

 

Shikamaru blinzelte langsam und wich ihren Worten aus. „Oder vielleicht hoffst du auch, dass er das tut, wozu du nicht in der Lage warst.“

 

„Ist es wirklich so schwer für dich, es zuzugeben, Shikamaru? Ich bin überrascht, dass es eure Shinobi noch nicht herausgefunden haben. Aber auf der anderen Seite; vielleicht kennen sie weder dich, noch ihn so gut, wie sie denken.“

 

„Und du bist wohl ganz scharf darauf, dass er dich ‚kennt‘, oder?“

 

Kitoris Augen flackerten auf, als er diese Worte zu ihr zurück schoss; ein flüchtiges Aufblitzen von Verletzlichkeit, bevor sie es mit einem gezwungenen Lächeln überdeckte. „Cleveres Bürschchen.“

 

„Also hast du ihm die Informationen über den Tempel gegeben, damit er noch mehr Leute ‚befreien‘ kann?“, fragte Shikamaru gedehnt und ließ Worte folgen, die darauf abzielten, sie endlich von ihrer evasiven Position zu stoßen. „Oder vielleicht bist einfach nur viel zu feige, dich Ozuku selbst zu stellen. Du brauchst wohl jemand anderen, der die Drecksarbeit für dich erledigt.“

 

Kitori wandte die Augen von ihm ab und richtete den Blick zurück auf die masochistische Motte, die immer wieder gegen die Laterne schlug. „Weißt du, was mir klar geworden ist, Shikamaru?“

 

Ganz offensichtlich nicht besonders viel…und es interessiert mich einen Dreck. 

 

Shikamaru schwieg, während sein Verstand bereits die Zeit hinunterzählte, die ihm noch blieb und über die Taktiken nachdachte, die er nutzen würde, sollte sie nicht innerhalb der nächsten drei Minuten mit ihm kooperieren. 

 

„Mir ist klar geworden, dass wir so lange im Licht stehen können, wie wir wollen…darauf hoffend, dass es all die Fehler, die wir begangen haben, bereinigt und verbrennt…“ Kitori schnaubte und Verbitterung verfärbte ihre Stimme wie ein uralter Makel. „Aber die Wahrheit ist, dass wir nur dann, wenn wir im Licht stehen, unseren dunkelsten Schatten werfen. Wir sind dazu gezwungen, uns ihm zu stellen…und diese Finsternis ist ebenso unentrinnbar wie die Wahrheit darüber, wer oder was wir sind.“

 

Shikamaru schloss seine Lider zu seinem trägen Halbmast Blick; es war alles, was er tun konnte, um sich vom Augenrollen abzuhalten. Er hatte diesen fatalistischen Mist schon einmal gehört; allein der Gedanke daran, dass diese Frau Neji zurück in ein psychologisches Gefängnis zerrte, aus dem er es vor drei Jahren geschafft hatte, auszubrechen, war Motivation genug für ihn, sie auszuknocken, bevor es das Sedativum schaffen konnte. 

 

„Unser Schicksal ist genauso festgelegt wie unser Schatten.“, summte Kitori; ihre Lippen pressten sich zu einer zornigen Linie zusammen. „Es kann nicht von uns gelöst werden, völlig egal, unter was für ein Licht wir uns selbst stellen. Der Schatten bleibt.“

 

Shikamaru sah zu, wie sich ihre ätzenden Schichten, die sie der Öffentlichkeit zeigte, mit jedem Wort zurückzogen und den verrotteten Kern ihres Glaubens offenlegten. Er spähte hinunter auf eine Frau, die vor Angst verfault und vor Verzweiflung zerfressen war. Kein Wunder, dass sie sich jemanden wünschte, zu dem sie eine Verbindung hatte; jemanden, der ihren Schmerz nachempfinden konnte – oder ihn beenden.

 

Also denkt sie, dass Neji diese Person ist, huh?

 

„Ich weiß, dass euer Hyūga das versteht.“, wisperte Kitori; offenkundig verzweifelt danach, es selbst zu glauben. „Selbst wenn er jetzt noch keine Gnade für mich zeigt, später wird er es tun. Und weißt du auch, warum, Shikamaru?“

 

Shikamarus Miene verfinsterte sich, als sie ihre Augen wieder auf ihn richtete. Der bittere Samen ihrer Obsession vergrub sich tief in der angespannten Luft zwischen ihnen. Und dann beging sie den fatalen Fehler, ihn mit ihren nächsten Worten zu wässern. 

 

„Weil er mich sieht. Du kannst diesen Schmerz nicht verstehen. Er schon. Ich habe es in seinen Augen gesehen, als er gerade eben bei mir war.“

 

Sofort sägten sich die Dornen eines todbringenden Beschützerinstinktes durch Shikamaru; schlangen sich in Ranken um sein Herz, um jedes noch verbliebene Mitleid für diese Frau in Fetzen zu reißen. Shikamarus Augen verschärften sich zu vulkanischem Glas; schwarz und schneidend. Sein Blick bohrte sich direkt durch Kitori und sie zuckte unter seinem mörderischen Starren zusammen, als hätte er sie erstochen. 

 

„Ich bin an deinem Schmerz nicht interessiert, Kitori. Und ehrlich gesagt, könntest du oder deine Tragödie mich nicht weniger kümmern.“, raunte Shikamaru; seine leisen, gelangweilten Töne standen in hartem Kontrast zu dem gefährlichen Glühen in seinen Augen, als er langsam die Hände hob. „Du wirst mir sagen, wohin Neji gegangen ist.“

 

Kitori beobachtete seine Finger und ihre grauen Augen flackerten unsicher im Laternenlicht. 

 

„Denn wenn dein Schicksal ebenso festgelegt ist wie dein Schatten.“ Langsam faltete er die Finger zu einem vertrauten Zeichen. „Dann solltest du bei allem, was dir in deinem erbärmlichen Leben noch teuer ist hoffen, dass ich gnädiger bin als er.“

 
 

oOo
 

 
 

In der Sekunde, in der er sich von allen Gedanken freimachte, schien die Richtung geradezu zu ihm zu kommen. 

 

Sie kam, weil es dafür nichts anderes brauchte als seinen Körper; und alles was sein Körper brauchte, waren Anweisungen. Neji ließ sie in einer mentalen Schleife abspielen; ein endloser Strom von Befehlen, die Blut, Atmung und Knochen lenkten. Er navigierte sich nahtlos die Äste entlang und folgte puren logischen Signalen, funktionierte rein nach Autopilot und dem Monochrom seines Dōjutsus. 

 

Die kalte Distanz einer Zielvorgabe; die sichere Zone einer Mission.

 

Adrenalin zirkulierte in seinem Netzwerk wie eine Droge; sandte die Befehle noch schneller aus und bewegte seinen Körper weiter voran. Er bewegte sich mit roboterhaftem Gehorsam, seine Gliedmaßen operierten anhand knapper Anweisungen.

 

Konzentration. Weiter. Vorwärts. Schneller. 

 

Er konnte sein Tempo nicht verlangsamen. Nicht für eine einzige Sekunde. 

 

Der schrille Schrei eines Vogels durchstach die Kuppel seiner Sinne und zog seinen Blick hinauf zu dem dunkler werdenden Himmel. Kitoris Vogel schwebte hoch über den Bäumen auf einer Luftströmung; beobachtete, wartete. Neji ignorierte ihn. Er bewegte sich vorwärts, ließ sich auf Bodenlevel fallen, rannte schneller. Er schnitt im Zickzack zwischen den Bäumen hindurch, während er gegen einen Wind sprintete, den er nicht spüren konnte, weil die Taubheit alles in ihm erstickte außer die Stimme der Priorität. 

 

Die Mission. Die Mission. Die Mission. Da.

 

Abrupt kam er zum Stehen, drehte sich mit einem geschmeidigen und plötzlichen Schritt und griff in seine Ninja Tasche; seine Finger zitterten. 

 

Das ist das Adrenalin. Adrenalin. Adrenalin.

 

Er zerrte den Behälter heraus, den er mitgenommen hatte; sein Griff war beinahe so hart, dass er das Glas zerbrach. Statt nach dem Deckel zu greifen, ließ er es einfach fallen. Er sah zu, wie es zersplitterte und donnerte seine Ferse hinunter auf die parasitäre Chakra Markierung, die zwischen den Scherben hervorkrabbelte; zerschmetterte sie mit einem ekelerregenden Knacken von Glas und Chitin.

 

Kitoris Vogel schrie; das hohe Kreischen war wie Fingernägel auf einer Tafel. 

 

Neji griff nach den sensenartigen Klingen, die er sich auf den Rücken geschnallt hatte, schob seine bebenden Finger in die Schlaufen, die die aerodynamischen Waffen an ihrem Platz hielten. 

 

Er drehte sich ein Stück nach links, grub einen Fuß in den Boden und wartete. 

 

Er konnte sie bereits sehen.

 

Als Ozukus Shinobi aus den Bäumen brachen, flogen die Sensen schneller als sie. 

 
 

oOo
 

 
 

Lauf. Lauf. LAUF!

 

Shikamaru spürte wie sich das Brennen durch die schlanken Bänder seiner Muskeln fraß. Blut rauschte in seinen Ohren, kochte in seinen Adern und flutete sein Inneres mit Feuer, das sofort vor purer Angst erkaltete. 

 

Nein. Ich werde es schaffen. Ich muss es schaffen. 

 

Dieses innere klimatische Chaos wogte in mächtigen Wellen durch ihn, beschleunigte die Geschwindigkeit, mit der er überraschend leichtfüßig durch Hanegakures Wald jagte, jetzt, da Anstrengung nicht länger nur eine Option war; sie war unabdingbar. 

 

Er rannte schneller, als er es jemals für möglich gehalten hätte.

 

Bitte…

 
 

oOo
 

 
 

Blut sprühte in einem hässlichen arteriellen Spritzen aus der Wunde. 

 

Es tränkte das Weiß von Nejis Roben mit Rot. 

 

Tropfen trafen auf seine Haut, sammelten sich und rannen über die Neigung seines Kiefers. 

 

Ein ersticktes Gurgeln erklang. 

 

Der Hyūga starrte ausdruckslos in die hervortretenden, geschockten Augen des Tsubasa Ninja; der Mund des Mannes bewegte sich wortlos, während das Leben aus ihm sprudelte, wie ein purpurner Geysir. 

 

Neji blinzelte nicht. 

 

Er stellte seinen Fuß an die Hüfte seines Feindes und drückte, um die Sense mit einem ekligen Schmatzen aus dem Körper zu ziehen. Der Mann sackte an seine Füße, eine blutige Hand klammerte sich an sein Bein. Neji riss es los und trat über den zuckenden Leib hinweg; sah nicht einmal darauf hinunter, als er sein Handgelenk nach unten ruckte und die purpur getränkte Klinge in seinem Griff herumwirbelte. 

 

Ein rosa Nebel hing in der Luft, schwer von Tod und gesättigt von Schweiß und Blut.

 

„Grausam.“, murmelte eine tiefe Stimme aus den Schatten. 

 

Neji ließ die Sense fliegen. 

 

Die scheußliche Klinge segelte durch die Luft und schlug Funken auf einer zurückkehrenden Schneide. Die Waffen trafen aufeinander und neutralisierten sich gegenseitig, als sie sich aus ihren Flugbahnen warfen und sirrend im Wald verschwanden. 

 

Neji richtete sich auf und als er sich seinem Ziel zuwandte, legte sich um seine Gestalt eine majestätische Ruhe, die ihm von Geburt an anerzogen worden war. Blut tropfte von der Seite des Gesichtes des Hyūga und lief über die Sehnen in seinem Hals. Es tränkte seine Roben und klebte sie an seine Haut. Warm und nass. 

 

Er konnte es nicht spüren. 

 

Sein Byakugan flammte auf und seine Pupillen nahmen unheimliche Definitionen an, als sich sein Blick auf die Person richtete, die auf ihn zuschritt. Der Mann war schwer eingehüllt, gekleidet in Roben die ebenso blauschwarz waren wie die Federn des Vogels, der auf seiner Schulter saß. Neji konnte sein Gesicht bereits sehen, als sich sehnige Hände hoben, um die samtene Kapuze zurückzuschieben und ein tätowiertes Gesicht offenbarten. 

 

„Hyūga.“ Ozuku trat mit langen und beständigen Schritten näher. Ihm war die Anmut und Haltung eines Mannes zu eigen, der sich seiner Machtposition bewusst war. „Beeindruckend, aber nicht das, was ich erwartet habe. Viel zu chaotisch. Kein Ninjutsu? Ich bin enttäuscht.“

 

Neji ignorierte seine Worte, während seine Augen über das tätowierte Gesicht wanderten, ohne es danach aussehen zu lassen; er folgte der Struktur der Tinte, prägte sich jeden Abdruck der gefiederten Muster ein. 

 

„Gleich beim ersten Mal, als ich dich gesehen habe, konnte ich klar erkennen, warum sie dich mochte.“, bemerkte Ozuku und strich mit einer Handfläche über den tiefblauen Samt seines Mantels. „Selbst ohne deine Augen würdest du den meinen immer noch gefallen.“ Der Mann ließ seinen Blick unverhohlen über Nejis mit Scharlach besprenkelte Haut und Roben gleiten. „Rot steht dir, Hyūga.“

 

Neji blinzelte langsam und deaktivierte sein Dōjutsu, nachdem er sich das Muster der Markierungen auf der Haut des Tsubasa gemerkt hatte. Ozukus Starren berührte ihn nicht; es traf wirkungslos auf die Wand aus Apathie, die Neji zwischen ihnen aufrecht erhielt. Seine Gesichtszüge waren ebenso makellos und glatt wie Marmor. 

 

Doch auch genauso leblos. 

 

Es würde kein Festfahren der Situation geben. Kein Einschätzen von Stärken oder Schwächen.

 

Ozuku legte den Kopf schief und seine Lippen verzogen sich zu einem einstudierten Lächeln. „Die Arroganz von Konoha ist wirklich erstaunlich. Mir Frieden anzubieten? Ich mag Verhandlungen ganz generell nicht.“

 

„Es wird auch keine Verhandlungen geben.“, informierte Neji ihn mit unheilvoller Ruhe. 

 

Ozuku hob die Brauen, die durch die Muster darum herum noch dichter erschienen. „Du willst mich töten, so wie du meinen Bruder getötet hast? Wie poetisch.“

 

Neji wandte sich dem Mann mit stoischer Miene etwas mehr zu; seine geistgleichen Augen waren vollkommen leer. „So wird es nicht für dich enden.“

 

„Aber ich weiß, wie es für dich enden wird; für dich und deine kleinen Shinobi Nestlinge.“ Ozuku hob die Hände; es war eine ehrfurchtsvolle Geste, die auf seinen eigenen Sinn von Überlegenheit gerichtet war. „Ihr befindet euch jetzt in meinen Himmeln. Solltest du mich herausfordern, dann wird es ein tiefer und langer Fall.“

 

Neji legte angesichts dieser Worte katzenartig den Kopf schief und die minimale Neigung zeigte vorgetäuschtes Interesse. Doch es war nicht Ozuku, den er ansah; seine Augen folgten den Tattoos auf den Handgelenken und Unterarmen des Mannes.

 

In dem Glauben, dass Nejis Aufmerksamkeit auf seinen selbstpreisenden Moment gerichtet war, lächelte Ozuku nachsichtig. Er streckte eine Hand aus wie ein Gott, der einen einfachen Sterblichen mit seiner Gnade segnete. 

 

„Komm zu mir, Hyūga. Der Priester in mir betet. Doch der Herrscher wartet einfach nur. Ich bin ein geduldiger Mann.“

 

Neji starrte ihn teilnahmslos an; gebadet in Blut und Schmutz. 

 

Er sah zu, wie Ozuku die Arme in einer einladenden Geste ausbreitete und sich der Samt seiner verhüllten Gestalt kräuselte. „Du wirst mir meine mächtigsten Flügel bringen.“

 

Neji summte leicht. 

 

„Ja.“, versprach er leise und sein Atem verwandelte sich in der kalten Luft zu Nebel. 

 

Der Dunst bekam nicht einmal die Chance, davon zu schweben. 

 

Neji schnitt durch ihn hindurch. 

 

Er bewegte sich in stroboskobartiger Unschärfe; ein Blitz aus Weiß und Rot scheuchte Ozukus Vogel zu einer hektischen Flucht auf. 

 

Ozuku blieb keine Zeit, sich zurückzuziehen. 

 

Neji packte den rotbraunen Schopf und strich mit der anderen Handfläche über Ozukus Kiefer, als wäre es die flache Seite einer Klinge. Scharf drehte er das Gesicht des Mannes zur Seite, als er seine Lippen nahe an das gepiercte und tätowierte Ohr brachte.

 

„Ich werde dir deine Flügel bringen, Priester.“, raunte Neji mit einer Parodie seiner sinnlichsten Stimme. „Und wenn ich das tue, dann wirst du darum beten, vor dem davonfliegen zu können, was ich mit dir machen werde.“

 

Mit dem Verklingen des letzten Wortes erscholl das laute hässliche Knacken von Knochen und Knorpel. 

 

Mit einer scharfen Bewegung von Nejis Handgelenken zerbrach Ozukus Genick wie ein trockener Zweig. 

 

Der Körper des Tsubasa sackte zu Boden und zerbarst in Federn, als der Doppelgänger verschwand. 

 

Neji starrte hinunter auf die wirbelnden Daunen, sah zu, wie sie sich auf einer Brise drehten und davon schwebten.

 

Seine Hände begannen zu zittern, auch wenn der Rest von ihm vollkommen kalt und unbeweglich dastand.

 

Vollkommen losgelöst folgte sein Blick dem wispernden Gleiten einer eigenwilligen Feder. Er beobachtete, wie sie über die blutgetränkte Erde schwebte und über tote Körper und abgetrennte Gliedmaßen getragen wurde. Das rotgetränkte Taumeln der Daune endete erst kurz vor der Baumgrenze und verlor sich in dem abendlichen Nebel, der noch immer rosa vor Blut war. Nebel, die wirbelten und wogten, bis sie sich wie phantomhafte Vorhänge teilten, als eine Gestalt aus ihnen auftauchte; ebenso leise wie die Schatten, in denen sie gestanden hatte. 

 

Nejis Atem erstarb in seiner Kehle. 

 

Seine Rippen schienen sich zusammenzuziehen.

 

Die Taubheit, die sich über seine Sinne gelegt hatte, begann zu kribbeln…heimtückisch vor Gefühlen. Gefühle, die begannen, die Anweisungen, die in Dauerschleife in seinem Hirn abliefen, außer Kraft zu setzen. Die gleichgültigen und roboterhaften Prozesse, mit denen er operiert hatte, wurden mit jedem sich nähernden Schritt lahmgelegt. 

 

Diese Füße bewegten sich in einem weichen und langsamen Weg direkt auf ihn zu. 

 

Das Beben in seinen Fingern erreichte seine Arme; ein unverkennbares Zittern schlug Wurzeln. 

 

Nejis Augen weiteten sich und ein bitteres Brennen ließ seine Sicht verschwimmen. 

 

„Halte dich fern von mir…“

 

Die Gestalt hielt direkt vor ihm inne. 

 

Nahe genug, dass Atem über sein blutverschmiertes Gesicht spielen konnte; warm und rauchig. Er konnte es auf eine Weise fühlen, auf die er das Blut, das seine Haut bedeckte nicht spüren konnte. 

 

Zeit hing wie eine Klinge über allem und ihre Schneide biss sich mit jeder verstreichenden Sekunde tiefer. 

 

Neji spürte Fingerspitzen über die Rücken seiner zitternden Hände wandern. Sie bewegten sich über seine Knöchel, strichen über seine Handgelenke, strichen seine Arme hinauf und glitten höher hinauf bis zu seinen Schultern, bevor sie sich um seinen Hals schoben.

 

Die Berührung hielt an seinem Nacken inne und die Finger begannen sanft zu massieren. 

 

Und als sich Shikamarus Stirn an sein Hitai-ate legte, spürte Neji, wie mehr als nur sein Atem zerbrach. 

 
 

oOo
 

 
 

Der Mond stand hoch am Himmel, als sie die Grenze von Hanegakure überquerten. Die Baumgrenze begann sich auszudünnen und der Boden wurde immer härter und grobkörniger. Erde wich Fels und das Land begann, sich in sanften Hängen zu wellen. Shikamaru lief in Nejis Fußstapfen einen Abhang hinauf und folgte dem Hyūga einen gewundenen und bemoosten Pfad entlang, während Kieselsteine unter ihren Füßen knirschten und rollten. 

 

Er hielt seine Augen starr auf Neji fixiert, vertraute keine einzige Sekunde darauf, dass der Hyūga nicht jeden Moment wie ein scheuer Hirsch Reißaus nehmen oder angreifen würde. Der Jōnin hatte noch kein einziges Wort gesagt. Genauso wenig hatte er Shikamaru in die Augen gesehen, seit er ihn gefunden hatte; blutüberströmt und semi-katatonisch, nachdem er Ozukus Shinobi im wahrsten Sinne des Wortes zerhackt und das Genick des Doppelgängers gebrochen hatte. 

 

Zu diesem Zeitpunkt hatte das tiefgehende Gefühl von Erleichterung darüber, Neji lebend gefunden zu haben, Shikamarus ursprüngliche Furcht fort gespült. Doch jetzt konnte er deutlich spüren, wie sie wieder zurückgeschlichen kam. Neji nachzujagen hatte keinerlei Vorausdenken darüber eingeschlossen, wie er vorgehen wollte, sobald er den Hyūga gefunden hatte. Shikamaru wusste, dass er rein automatisch über jede Möglichkeit hätte nachdenken sollen, wie er mit dieser Situation umzugehen war. 

 

Doch er musste feststellen, dass ihm keine Lösungen dafür in den Sinn kommen wollten. 

 

Ein seltsames Gefühl von Stillstand verharrte hartnäckig zwischen ihnen; es hielt Shikamarus Verstand in einem konstanten Schwebezustand. Was dazu führte, dass er einzig und allein aus reinem Instinkt auf Neji reagierte. Es war kein kluger Modus, um darin zu operieren, aber statt hilflos in einem Zustand vollkommener Verwirrung zu zappeln, entschied er sich dafür, einfach der Führung dieses seltsamen Impulses zu folgen. 

 

Bis jetzt war er immerhin noch nicht angegriffen worden. 

 

Neji hatte weder die Flucht ergriffen, noch war er ausgerastet und hatte ihn angegriffen; was bedeutete, dass er Shikamaru nicht als Bedrohung ansah. Doch er hatte keine Ahnung, als was Neji ihn momentan betrachtete, geschweige denn, ob Neji ihn überhaupt wahrnahm. Der Hyūga schien distanziert zu sein, doch nicht auf die Art und Weise wie zuvor. 

 

Die Verleugnung war fort, was ein lauerndes Desaster oder aber Schadensbegrenzung als mögliche Ursachen zurückließ. Doch selbst wenn es das war, was Neji zu tun versuchte, dann war es nur schwer zu sagen. Es wurde auch noch dadurch erschwert, dass es Shikamaru nicht schaffte, einen Blick auf diese Augen zu erhaschen. Und mit dem aktivierten Byakugan war es sehr unwahrscheinlich, dass sie irgendetwas preisgeben würden. 

 

Sag mir nicht, dass ich dich in dieser Höhle verloren habe, Hyūga.

 

Neji führte sie ein von Bäumen gesäumtes Plateau entlang, dann einen weiteren felsigen Abhang hinauf, der sich dem Rand eines neuen Waldes näherte; einer, der die Grenze zu den Nachbarländern kennzeichnete. Sie durchquerten ein paar kleine Lichtungen, die mit dichtem Nebel bedeckt waren. 

 

Neji hörte auf zu laufen. 

 

Shikamaru hielt neben ihm inne. 

 

„Hier?“, fragte Shikamaru mit heiserer Stimme. 

 

Neji nickte ein einziges Mal und strich mit seiner Hand in einem Bogen durch die Luft. 

 

Shikamaru konnte es nicht sehen, doch er wusste, dass es da war. Genau dort, wo Nejis Handfläche nach außen wanderte und flach über eine unsichtbare Mauer wanderte, als würde er Staub aus der Luft wischen. 

 

Das Barrierejutsu. 

 

Shikamaru drehte den Kopf. „Ist es sicher?“

 

Neji nickte wortlos. 

 

Shikamarus Augen glitten über sein Profil, das im Mondlicht silbern schimmerte. 

 

Es konnte jedoch nicht von all dem Blut ablenken – und da war eine ganze Menge davon. 

 

Der Nara spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust. 

 

Blinzelnd erholte sich von seinem Starren und wandte seinen Fokus wieder der unsichtbaren Barriere zu, die dem Byakugan vermutlich als eine schwarze Wand erscheinen musste. Shikamaru schätzte die Distanz ein und trat einen Schritt zurück, um die Karte auszubreiten, die er aus den Tunneln mitgenommen hatte. Er sah auf Hibaris Anmerkungen, summte und schob das Papier wieder in seine Jacke. 

 

„Na schön.“, seufzte er und hob die Hände, um die nötigen Handzeichen zu formen. „Lösen.“

 

Eine Sekunde später begann die Luft zu wabern. 

 

Flackernd erschien eine kleine Blockhütte. 

 

Es war eine einfache Konstruktion, die zu einem bewohnbaren Außenposten umgebaut worden war. Die Hütte stand zwischen überwuchertem Blattwerk und zwei kleinen Bäumen. Die Balken waren verwittert und rissig, moosbewachsen an den Sägekanten und die Dachrinne war auf der einen Seite des Daches ein wenig abgesackt; an den Fensterrahmen begann das Holz bereits teilweise zu verfaulen. Eine kleine Tafel war in die Balken genagelt und zeigte den steinernen Kopf eines Adlers. Erosion hatte den stolzen Schnabel abgetragen und stattdessen nur einen verzerrten Stumpf zurückgelassen. 

 

Neji bewegte sich als Erster und schritt in einem ziellos wirkenden Schweben zur Tür. 

 

Shikamaru beobachtete ihn für einen Moment, bevor er ihm folgte und nur kurz innehielt, um das Barrierejutsu mit den nötigen Handzeichen und den passenden Worten wieder zu errichten. Direkt nach Neji überquerte er die Türschwelle und zog den Kopf ein, um ein paar Talismanen auszuweichen, die vom Rahmen hingen. Sie baumelten an faserähnlichen Fäden und erschufen eine Illusion von kleinen, schwebenden Sphären. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und hob eine Hand, um nach einer der sich drehenden Münzen zu greifen. 

 

Auf jeder einzelnen war die Skizze eines anderen Vogels eingraviert. Schwebend und drehend tanzte Mondlicht von den Amuletten und reflektierte kleine Lichtflecken durch den Raum, bis die Tür ins Schloss fiel. 

 

Shikamaru ließ seinen Blick durch die dunkle Hütte schweifen. 

 

Das Knarzen und Ächzen des Holzes war das einzige Geräusch, abgesehen von dem sanften Wispern des Windes, der durch die Sparren pfiff. Die Brise zerrte eine durchdringende Kühle in die Luft. So wie es aussah, handelte es sich hier um einen einzigen großen Raum, doch es gab eine Tür mit vielen Schnitzereien, von der Shikamaru vermutete, dass sie zu einem Badezimmer führte. Dieses Versteck musste regelmäßig genutzt werden, wenn sich die Tsubasa Rebellen sogar die Mühe gemacht hatten, es mit Talismanen, abgenutzten Teppichen und einem Bett auszustatten, auf dem ein Haufen Laken und Felle lagen. 

 

Der Nara hob eine Braue und nahm eine schnelle Bestandsaufnahme weiterer Details der Hütte vor; was eine Feuerstelle, verschiedene Truhen an den Wänden, ein paar Stühle und Kisten und etwas, das wie ein Shogi Tisch aussah, einschloss. 

 

Das Knarzen des Dielenbodens zog Shikamarus Fokus zurück von seinem prüfenden Blick. 

 

Er wandte sich Neji zu und beobachtete, wie der Hyūga langsam in die Mitte des Raumes schritt, schweigend dort stehen blieb und durch das Fenster starrte, um den Wald jenseits des Glases zu überblicken. Statt das kalte Gefühl von Angst in sich sinken zu lassen, lenkte Shikamaru seine Schritte in einem langsamen Trott durch den Raum und suchte in einer der großen Kisten, die als provisorischer Tisch dienten, nach einer Lichtquelle. Er fand die dicken Stumpen gekrümmter Kerzen und zog eine halbleere Schachtel Streichhölzer hervor. Bedächtig machte er sich daran, die wächsernen Blöcke anzuzünden, die sich alle in unterschiedlichen Stadien des Schmelzens befanden. 

 

Kurz darauf tauchten weiche Pfützen aus Kerzenlicht die Hütte in eine Illusion von Wärme und verscheuchten die Dunkelheit. Doch leider warfen sie auch Licht auf Nejis verheerenden Zustand. Das Spiel von Orange und Gelb über den unzähligen Blutflecken wirkte wie Flammen auf dem Eis von Nejis Körper. 

 

Er hatte wirklich ein regelrechtes Massaker angerichtet. 

 

Und das nur mit Taijutsu. 

 

Shikamaru atmete leise durch die Nase aus; ließ die Luft davon schweben, während sein Blick hinüber zu dem Hyūga wanderte. Neji ignorierte ihn, starrte einfach nur schweigend durch das Glas des Fensters. Vollkommen bewegungslos stand er da; abgesehen von dem Beben in seinen schlanken Fingern, während sich die Venen und Sehnen in dem vergeblichen Versuch anspannten, diese kleinen Bewegungen zu stoppen. 

 

Gott, es schmerzte so sehr, ihn so sehen zu müssen. 

 

Shikamaru schüttelte traurig den Kopf und begann, seine Flakjacke auszuziehen und seine Ninjaausrüstung abzulegen, wobei er sein Tantō als Erstes beiseite schob. Er hielt seine Bewegungen langsam und bewusst, führte sie mit einer Art von Ruhe aus, die dazu gedacht war, Neji davon abzuhalten, seine Intentionen einzuschätzen und sich bedroht zu fühlen. 

 

Nicht, dass Shikamaru überhaupt selbst gewusst hätte, was zur Hölle seine Intentionen waren. 

 

Und noch dazu kam die Tatsache, dass Neji eine viel größere Bedrohung für ihn darstellte als umgekehrt.

 

Doch nichts davon war im Moment von Belang, da erfahrungsgemäß etwas Anderes das Ruder übernahm, wenn sein Hirn aufhörte, in einem rationalen und selbstverteidigenden Zustand von geistiger Gesundheit zu funktionieren. Sich dessen bewusst, ließ er ‚etwas anderes‘ seine Schritte lenken und näherte sich Neji mit beständigem Tempo; langsam und leicht und nichts als Ruhe ausstrahlend. Er hatte das bereits unzählige Male zuvor bei den Hirschen seines Clans getan und bisher war er noch nie angegriffen worden. 

 

Es gibt immer ein erstes Mal…

 

Er brauchte keine mahnende Erinnerung daran, wie schnell Neji handgreiflich werden konnte. Eine Wiederholung dieser Situation war keineswegs auszuschließen, doch Shikamaru bewegte sich trotzdem weiter nach vorn. Er blieb direkt neben Neji stehen, wartete kurz und schob sich dann sehr langsam und Stück für Stück um ihn herum, bis er zwischen dem Hyūga und dem Fenster stand. Neji blinzelte, bewegte seinen Kopf nicht, ließ seinen Blick aber von der einen Schulter des Nara zur anderen wandern und folgte dem dunklen Stoff des Rollkragenoberteils. 

 

Shikamaru wartete ab und musterte ihn unter dichten Wimpern. 

 

Er bemerkte, wie sich die Sehnen in Nejis Kehle anspannten und zuckten, was seine Aufmerksamkeit zu dem Blut zerrte, das beide Seiten des eleganten aber starken Halses bedeckte. Shikamaru konnte keine Wunden unter dem ruinierten Weiß der Roben erkennen und Neji hatte während ihres Weges auch nie den Eindruck gemacht, als wäre er verletzt. 

 

Demzufolge handelte es sich nur um Feindesblut. 

 

Vorsichtig hob Shikamaru eine Hand, die Finger nach außen gestreckt und die Handfläche bloßgelegt, während er sie immer höher wandern ließ, um Nejis Gesicht zu berühren.

 

Keine Reaktion. 

 

Eine volle Minute musste vergangen sein, bevor er sich traute, mit dem Daumen über die Neigung von Nejis Kiefer zu streichen und der ernsten Linie zu folgen, bis seine Fingerspitzen den Hals des Hyūga berührten und dem blutbesudelten Hals nach unten folgten. 

 

Neji schluckte hart und hörbar in der Stille, die sich hartnäckig zwischen ihnen hielt. 

 

Shikamaru schüttelte langsam den Kopf. „Gott, bitte sieh mich an.“

 

Neji schloss die Augen, während sich eine tiefe Furche zwischen seine Brauen grub, als sie sich zusammenzogen. 

 

Dieser schmerzerfüllte Ausdruck schlug heftig in Shikamarus Brust ein und Schuld rieb sich wie Salz in eine offene Wunde. Sie stach sich in Bereiche von ihm, in denen er sich noch nie zuvor verletzt gefühlt hatte. Nicht so. Er legte seine andere Hand auf Nejis Schulter; nicht hart genug, um Bewegungen zu unterbinden, aber stark genug, um die Vibration zurückgehaltener Kraft spüren zu können, die tief in den zitternden Muskeln begraben lag. 

 

„Alles gut.“, wisperte er heiser. „Es ist alles gut.“

 

Neji hielt die Augen geschlossen und atmete kurz und scharf durch die Nase ein, während er den Kopf schüttelte. Welcher Kampf sich auch immer in seinem Inneren abspielte, Shikamaru konnte nicht einschreiten. Mit all den Antworten, die er inzwischen hatte, konnte er dennoch einfach keine Lösung finden. Keine Möglichkeit, es irgendwie besser zu machen. 

 

Selbst jetzt, obwohl er endlich die Antworten hatte, war er sich sicher, dass er sie alle wieder zurückgegeben hätte, wenn es nur dafür sorgen würde, diesen Ausdruck von Nejis Gesicht fernhalten zu können. Nur zu wissen, dass er derjenige war, der den Hyūga zurück in diese Arena aus Geistern und schmerzhafter Erinnerungen gestoßen hatte…

 

Gott…sag mir, wie ich dich wieder zurück bringen kann…

 

Shikamarus Stirn legte sich in Falten und er fuhr mit den Fingern durch die blutgetränkten Strähnen, strich durch die Mähne aus Mokkafarbenen Haar, um zaghaft Nejis Hinterkopf zu streicheln. 
 

„Neji…“, sagte er sanft. 

 

Die Antwort war ein zerfetztes Beben von Nejis Atem und das heftige Schütteln seines Kopfes, als er versuchte, sich zurück zu ziehen. Shikamaru fühlte sich bis in sein Innerstes zerrissen; der eine Teil von ihm drängte ihn dazu, nach vorn zu treten, während der andere Teil ihn eindringlich warnte, zurückzuweichen. Gefangen zwischen diesen beiden Bewegungen, fiel es ihm schwer, nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. 

 

„Neji…“, wisperte er und hob beide Hände zu dem zitternden Kopf des Hyūga. Er schob seine Finger in die schwingenden Strähnen, um sie von Nejis Gesicht fort zu streichen. „Tu das nicht.“

 

Neji packte grob seine Handgelenke. 

 

Shikamaru konnte noch immer spüren, wie diese Finger bebten. 
 

Er ignorierte die quetschende Umklammerung, legte seine Berührung an Nejis Hinterkopf und neigte sich nach vorn, um ihre Stirnen aneinander zu lehnen. „Neji…Gott…hör auf zu kämpfen…“

 

„Geh…weg von mir…“ Nejis Stimme war wie zerschmetterter Fels; rau und gebrochen.

 

Doch er ließ nicht los. 

 

„Neji…“

 

Warum…?“, wisperte Neji gegen seine Lippen, die Lider fest aufeinander gepresst und seine Stimme so roh, dass Shikamaru die Worte kaum verstehen konnte; doch er konnte den Schmerz in ihnen schmecken. „Er hat…es einfach gehen lassen…“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen und er krümmte die Finger, als sie langsam taub wurden; er nutzte die Berührung, um zaghaft Nejis Kopf zu streicheln. „Was hat er gehen lassen?“

 

Schwach…“, raunte Neji und bleckte die Zähne. „Er war…schwach…

 

„Neji…“

 

Neji zischte und sein Kiefer verkrampfte sich gegen ein Fluchen, einen Ruf, einen Schrei; Shikamaru konnte es nicht sagen. 

 

Er konnte allerdings deutlich an der angespannten Stille erkennen, dass Neji aufgehört hatte zu atmen. 

 

Scheiße…atme…

 

Mit einigen Mühen schaffte es Shikamaru, eins seiner Handgelenke zu befreien. 

 

Das heiße Kribbeln von Blut flutete in seine Finger. 

 

Sofort ließ Neji seinen anderen Arm mit einem Zucken los. 

 

„Neji.“ Shikamaru drehte leicht den Kopf, um sanft gegen das Ohr des Hyūga zu murmeln. „Neji, atme.“

 

Neji schüttelte ihn ab und wich nach hinten wie ein verstörtes Tier, während er die Hände hob, um hart seinen Schädel zu umklammern; die Finger krümmten sich und gruben sich tief in seine Kopfhaut. Shikamaru sah ihn an, vollkommen ahnungslos von den Emotionen, die sich in seinen eigenen Augen verrieten. Er beobachtete, wie Neji bebte und sich heftig gegen einen inneren Ansturm wehrte; seine Schultern verkrampften sich hart dagegen. 

 

Energisch schluckte Shikamaru den Knoten in seiner Kehle hinunter, trat einen Schritt nach vorn und schloss seine Hände um Nejis blasse Fäuste. Langsam fuhr er mit den Fingerspitzen durch die Täler der knochenweißen Knöchel. 

 

„Atme.“, wisperte er noch einmal, während er sanft die Handrücken des Hyūga streichelte und zaghaft versuchte, sie vom Kopf des Jōnins fort zu ziehen. „Neji…“

 

Nejis Schulterblätter schlugen wie Hacken aneinander und ein leises, gutturales Knurren kroch seine Kehle hinauf wie ein verweigertes Heulen. Shikamaru erwartete, weg gestoßen zu werden, aber dann verwandelte sich dieser zornige Klang rasselnd in etwas Heiseres und Gequältes und brach aus Nejis Kehle, bis er beinahe daran erstickte. Der strangulierte Klang schnitt sich geradewegs durch Shikamaru; geradewegs durch die schmerzenden Knochen und Muskeln seiner Brust, um sich tief in einen Ort zu graben, von dem er wusste, dass Neji dort bereits blutete. 

 

Gott…bitte sag mir, was ich tun soll…

 

Shikamaru schüttelte hilflos den Kopf. 

 

Fuck…sag mir einfach nur, was ich tun kann, damit es endlich aufhört…

 

Er fuhr weiter fort, mit den Fingern über die Hände des Hyūga zu reiben und versuchte, den brutalen Griff zu lockern, mit dem Neji seinen Schädel umklammerte; er wollte so viel tiefer greifen, um den Schmerz des Jōnin an seinen Wurzeln zu packen und heraus zu reißen. 

 

Noch nie zu vor hatte er sich so unglaublich nutzlos gefühlt. 

 

Der Kummer, der sich in seiner Kehle verkeilte, machte es ihm schwer, zu sprechen oder zu atmen. 

 

Sag mir, wie ich es wieder gut machen kann…bitte…

 

Nejis Finger bewegten sich unter seinen eigenen und zwangen Shikamaru dazu, seine Hände fort zu ziehen. Doch bevor ihn Traurigkeit bei der Kehle packen konnte, griff Neji so plötzlich und unerwartet nach seinen Handgelenken, dass sich Shikamaru bereits auf Gewalt von Seiten des Jōnins einstellte. 

 

Doch sie kam nie. 

 

Diese immer noch bebenden schlanken Finger blieben einfach nur um seine Handgelenke geschlungen. 

 

Shikamaru stand wie festgefroren da und der bittere Stich von Salz an den Winkeln seiner Augen brannte, während er Neji einfach nur ansah und die Signifikanz dieses Momentes zu verstehen versuchte. Er konnte nicht erklären, warum er es fühlte; aber er wusste es. 

 

Neji sah ihn immer noch nicht an; diese opalhaften Augen blieben fest verschlossen. Schatten und Kerzenlicht vereinten sich, um die gequälten Züge des Hyūga noch schärfer zu definieren. Und sie ätzten sich in Shikamarus Herz, als würde ein glühendes Messer dieses Bild hineinschneiden. 

 

Lass es mich wieder gut machen…

 

Beinahe hätte er die Worte laut ausgesprochen, doch seine Kehle war verschlossen. 

 

Und dann realisierte er, dass Neji ihn nicht so hart gepackt hatte, wie er es hätte tun sollen. 

 

Tatsächlich griff er überhaupt nicht hart zu. 

 

Er hielt sich einfach nur fest. 

 

Festhalten…

 

Eine Erkenntnis breitete sich in Shikamarus Kopf aus und dämmerte auf seinem Gesicht mit dem leichtesten Weiten seiner Augen. Ohne nachzudenken trat er näher, ließ Neji weiterhin seine Handgelenke umfassen und neigte den Kopf, um ihre Schläfen statt ihrer Stirnen aneinander zu lehnen. Diese Position richtete die Längen ihrer Körper aneinander aus, legte Schulter an Schulter und Hüfte an Hüfte. Ihre linken Seiten pressten sich nahe genug zusammen, dass das markerschütternde Schauern, das Neji in sich hielt, durch den Schattninja hallte, als würde der Jōnin zerbrechen.

 

Jedes noch so schwache Schütteln und Beben wogte auch durch Shikamaru. 

 

Jedes Anspannen von Nejis Kiefer spürte er an seinem Gesicht. 

 

Selbst der hohe Grat von Nejis Wangenknochen drückte sich so hart gegen seinen eigenen, als würde Neji versuchen, ihn von sich zu stoßen. Doch die Finger des Jōnins blieben, wo sie waren; und Shikamaru versuchte nicht, seine Handgelenke zu befreien, er überließ Neji ohne irgendeinen Protest die Kontrolle. 

 

Denn er konnte spüren, wie der Jōnin mit Zähnen und Klauen um Kontrolle kämpfte. 

 

Der Körper des Hyūga war das Schlachtfeld, das den Krieg vermittelte, der in ihm tobte. War das nicht auch der Grund, warum er überhaupt seine Tenketsu blockiert hatte? Um das aufzuhalten, was er jetzt so verzweifelt zu kontrollieren versuchte. 

 

Lass es raus…Gott, hör auf zu kämpfen…

 

Shikamaru kam sich vor wie ein nutzloser Beobachter an einem fernen Horizont, der zwar den Rauch und die Flammen sehen konnte, aber nicht in der Lage war, das Gemetzel aufzuhalten; und das trotz der Tatsache, dass er jede Sekunde selbst zu einem Opfer davon werden konnte. 

 

Doch obwohl er das wusste, machte er dennoch keinerlei Anstalten, sich zurückzuziehen. 

 

Und irgendwann schien das, was auch immer Neji innerlich zerfetzte, eine weiße Flagge gezeigt oder einen vorübergehenden Waffenstillstand ausgerufen zu haben, der lange genug anhielt, um Atem holen zu können…denn ganz langsam spürte Shikamaru, wie sich Nejis Gewicht verlagerte. 

 

Ganz langsam lehnte sich Neji an ihn. 

 

Nur ein winziges bisschen. 

 

Shikamaru rührte sich nicht; er wusste, dass er sonst das Risiko eingehen würde, diesen Moment noch qualvoller für Neji zu machen. Außerdem konnte er noch immer all die Zeichen lesen – und der Verschluss von Nejis Fingern war klar wie Kristall.

 

Erst als Neji seine Handgelenke losließ, hob Shikamaru sehr langsam seine Hände. Als sich Neji nicht anspannte, strich er leicht über die Rückseite des mit Mokkasträhnen umrahmten Kopfes, der an seiner Schulter lag, während seine andere Nejis Wirbelsäule hinunter wanderte. 

 

Shikamaru war sich nicht sicher, was es war. 

 

Es war keine Umarmung.

 

Es war auch kein richtiges Umfassen von Nejis Körper.

 

Es war mehr als irgendetwas dieser Art - unendlich viel mehr.

 

Und dieser unendliche Augenblick dehnte sich aus und verlangsamte sich. Die Zeit, die in den letzten Stunden getrieben von Panik, Schmerz und möglicher Katastrophen voraus gerannt war, begann langsam, ihre Geschwindigkeit zu drosseln. 

 

Die Zeit beruhigte sich – und obwohl Shikamaru wusste, dass es nicht von Dauer sein würde, beruhigte er sich mit ihr. 

 

Ganz ruhig…

 

Shikamaru atmete langsam ein und hielt die Luft tief in seinen Lungen. Nach und nach entließ er sie wieder gegen Nejis Haar und strich mit den Lippen über die dunklen Strähnen. Während er zaghaft durch die dichte Mähne fuhr, spürte er, wie blutverklebt sie war. 

 

Wir müssen das Zeug von ihm runter bringen…

 

Shikamaru neigte leicht das Kinn und spürte, wie die abgehackten Luftzüge von Nejis Atem den Stoff seines Rollkragenoberteils erwärmten. Er legte seine Lippen an Nejis Ohr. 

 

„Vertraust du mir für einen Moment?“

 

Neji sagte nichts, doch er wich auch nicht zurück. 

 

Shikamaru fasste es als unausgesprochene Bestätigung auf und ebenso langsam wie es all seine Bewegungen bisher gewesen waren, drehte er sie beide um und begann, Neji Schritt für Schritt zaghaft nach hinten in Richtung des Bettes zu schieben. Als die Kniekehlen des Hyūga gegen die Matratze stießen, ließ sich Neji automatisch darauf nieder; wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren. Shikamaru ging zwischen seinen Beinen in die Hocke und legte die Handflächen auf den festen Oberschenkeln ab, während er leicht mit den Daumen zu klopfen begann. 

 

Er musterte Nejis Gesicht, das vor Erschöpfung tief eingefallen war. 

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich und er streckte eine Hand aus, um liebevoll mit den Fingern durch die tiefbraunen Strähnen zu streichen. Neji blinzelte langsam angesichts der Berührung. Seine dunklen Wimpern fielen tief und schirmten seine Augen beinahe vollständig ab. 

 

Ihre Blicke waren sich immer noch nicht begegnet. 

 

Doch Shikamaru wollte unbedingt die Erinnerung an den letzten Ausdruck ersetzen, den er in diesen Augen gesehen hatte. 

 

Sieh mich an.

 

Er wollte Nejis Aufmerksamkeit zu sich ziehen, wagte es aber nicht, ihn dazu zu drängen. Jetzt im Moment war das Wichtigste, dass der Jōnin ruhig blieb und ihn von all dem Blut zu befreien. Wie leicht oder schwer sich das gestalten würde, stand allerdings auf einem anderen Blatt. 

 

Bring mich bitte noch nicht um, Hyūga…

 

Shikamaru schob den düsteren Gedanken beiseite; er wollte seinen Verstand nicht in diese Richtung gehen lassen. Er wusste, dass Sakuras Worte sich sofort hart in ihn rammen würden, wenn er es zulassen würde. Die Wucht ihrer Fragen und Anschuldigungen hatten bereits eine kratertiefe Delle in einem lebenswichtigen Teil von ihm hinterlassen. Ein Teil, der sich mit einer ausgeweideten Art von Kummer gefüllt hatte, den er nicht ertragen wollte. Doch er würde ohne zu zögern den von Neji ertragen, um das wieder gut zu machen, was er zerbrochen hatte. 

 

Hör auf…tu einfach, was du tun musst…und jetzt im Moment, musst du das ganze Blut auf ihm loswerden. 

 

Shikamaru summte leise, klopfte mit den Fingern gegen Nejis Beine und schloss seine Gedankengänge, als er begann, sich aufzurichten. 

 

Doch er kam nicht weit. 

 

Nejis Hände legten sich auf seine Schultern und drückten ihn wieder nach unten, bis er gezwungen war, ein Knie auf den Boden zu stellen, um die Balance halten zu können. 

 

Shikamaru legte fragend den Kopf zur Seite. 

 

Gleich darauf bemerkte er die pulsierenden Venen des Byakugan um Nejis Augen. 

 

Und dann spürte er, wie Nejis Hände seinen Kopf umfassten. 

 

„Es geht mir gut.“, murmelte Shikamaru; sich bewusst, was Neji gerade überprüfte. „Es ist nichts verletzt, aber ich schätze mal, dass wir jetzt quitt sind, was Knock Outs angeht.“

 

Er hob die Arme, um sanft mit den Fingerspitzen über Nejis Handgelenke zu streichen und die Hände des Hyūga von seinem Kopf fort zu locken. Hände, die in der Lage waren, mehr Schaden anzurichten als jeder andere, den er jemals so nahe an sich heran gelassen hatte. Hände, die ihm mehr Vergnügen bereitet hatten, als er jemals zuvor erlebt hatte und mehr Schmerzen als er jemals willentlich als Teil eines Preises akzeptiert hätte. 

 

Wenn es bedeutet, dass du lebst…

 

Shikamaru ließ seine Augen über Neji wandern. 

 

Er sah aus, als hätte man ihn in Tod getaucht. 

 

Das Blut war wie eine Kriegsbemalung auf fleckiger Haut, die vor Qual verzogen war.

 

Shikamaru fuhr mit einem Knöchel Nejis Kiefer entlang und dann über einen stolzen Wangenknochen; folgte den unsichtbaren Brüchen in einer gesprungenen Maske. Der rohe menschliche Schmerz sickerte durch die Risse.

 

„Neji.“, murmelte Shikamaru mit einer Stimme die ebenso weich war wie seine Berührungen. „Hör auf, dagegen anzukämpfen.“

 

Nejis Augen schlossen sich flatternd. „Bitte mich nicht darum, schwach zu sein…“

 

„Ich bitte dich nicht darum, schwach zu sein.“ Shikamaru schüttelte traurig den Kopf. „Ich bitte dich darum, nur ein einziges Mal ein bisschen weniger stark zu sein.“

 

Neji atmete bebend aus und lehnte seinen Kiefer in die Liebkosung von Shikamarus Hand, wobei er den Ausdruck von Trauer auf seinen Zügen halb verbarg, der sein Gesicht beschattete. „Verdammt seist du…warum bist du gekommen…?“

 

Shikamaru spürte ein nasses Brennen an der Rückseite seiner Augen. „Was zur Hölle denkst du wohl?“

 

Er strich mit dem Daumen über Nejis Lippen, spürte, wie sie sich zu einer kontrollierten Linie zusammenpressten, um die Emotionen niederzukämpfen, die sich an die Oberfläche drängen wollten. 

 

Du denkst.“, erwiderte Neji und das raue Wispern wurde von Shikamarus Handfläche gedämpft. „Ich handle…

 

Dieser verzweifelte, erschöpfte Humor war so vollkommen unerwartet, dass Shikamaru für einen Moment ratlos war. Er starrte ihn mit weitäugigem Schock an und fühlte, wie eine neue Welle von Kummer an seiner Brust zerrte. Es war ihm klar, dass es mehr als einfach nur Stärke für Neji brauchte, um eine Defensive zu senken, hinter der er so tief verletzt war. 

 

Shikamaru blinzelte das bittere Stechen in seinen Augen fort, um seine Sicht zu klären. „Neji…“

 

„Er hat nichts getan…das ist der Grund, aus dem ich…aus dem ich immer handle…warum ich tue, was auch immer notwendig ist…“, wisperte Neji und schloss die Augen, die sich immer noch nicht Shikamaru zuwenden wollten. „Götter…ich bin so müde…“

 

„Ich weiß.“, murmelte Shikamaru zurück. „Ich weiß, dass du das bist.“

 

Er sah zu, wie Neji seine zitternden Finger in die Felle am Rand des Bettes krallte. Doch das Beben, das durch den Hyūga jagte, wurde abrupt unterbrochen, als sich all seine Muskeln stur anspannten. 

 

Er kämpft immer noch…sag mir, wie ich es schaffe, dass du endlich aufhörst zu kämpfen…

 

Der Schattenninja legte seine andere Hand auf Nejis Schenkel und massierte den verkrampften Muskel, während er seine brennenden Augen über das getrocknete Blut wandern ließ. Neji hatte diese Shinobi gnadenlos niedergemetzelt; einige hatte er sogar in wortwörtliche Fetzen gerissen. Es brauchte nicht viel um zu vermuten, dass Neji in einem roten Nebel verloren gewesen war, der deutlich schlimmer gewesen war als der, den er durch den Kampf erschaffen hatte. 

 

„Hör auf zu kämpfen.“, murmelte Shikamaru noch einmal und Besorgnis verzerrte seine Stirn zu einem Knoten. 

 

Er hielt seine eine Handfläche an die Seite von Nejis Gesicht gelegt und fuhr mit dem Daumen über die Lippen des Jōnin. Sie verkrampften sich noch härter und zusammen mit jedem anderen Muskel, um zu versuchen, jeden Beweis für den Schmerz mit Eis zu überziehen und zu stählen, den Shikamaru ohnehin schon auf seinem Gesicht lesen konnte. 

 

Kein Spiel von Kerzenlicht oder Schatten konnte es verbergen. 

 

Gott, er wollte diese Trauer fort waschen. 

 

Shikamaru verzog kummervoll das Gesicht und drehte sein Handgelenk, um mit den Rückseiten seiner Finger über die ziselierte Mulde von Nejis Wange zu streicheln und den bitteren Bächen getrockneten Blutes zu folgen. 

 

Zumindest gab es diese eine Sache, die er fort waschen konnte. 

 

_____________________

 

Schon wieder ein sehr sehr langes Kapitel...das nächste dreht sich wieder vollständig um Shikamaru und Neji...das könnt ihr jetzt auffassen, wie ihr wollt ^^

Ich hoffe sehr, dass ich gerade die letzte Szene zwischen Neji und Shikamaru in diesem Kapitel gut rüber kommt! Über Meinungen und Anregungen würde ich mich wie immer sehr freuen!! <3

 

 

I'm tired of this cold

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

I'm done watching

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

No return

Sie wurden von Kindern begrüßt.

 

Es war eine ganze Truppe von Jungen und Mädchen, die sich sofort um Neji und Shikamaru scharten, als sie durch die deaktivierte Barriere schritten, um das Tunnelsystem der Rebellen zu betreten. Keiner der beiden Shinobi war auf ein solch enthusiastisches Willkommen vorbereitet, wobei Neji die Hauptwucht des Ansturms abfangen musste, da er als Erstes eingetreten war. 

 

Shikamaru ließ sich weise einen Schritt nach hinten fallen und überließ Neji den Versuch, ihnen einen Weg zu bahnen. Doch am Ende stand der Hyūga einfach nur stocksteif auf der Stelle und versuchte, seine Reaktionen auf die Situation zu ordnen. Auf eine bestimmte Weise war das hier noch schlimmer als der Hinterhalt eines Feindes. 

 

Es war eines der Dinge, das er jetzt am wenigsten um sich haben wollte…Kinder…

 

Lebensfrohe, lachende Gesichter von bewahrter Unschuld und Hoffnung. 

 

Kinder, die vollkommen ahnungslos waren über ihren Zustand der Gefangenschaft, während die Erinnerung und die Realität seiner eigenen immer noch so roh und offen in ihm schmerzte. Es fühlte sich an, als hätte Shikamaru ihn brutal gegen die Stäbe seines Käfigs geschleudert und ihn gezwungen, endlich anzuerkennen, wer ihn darin eingesperrt und den Schlüssel fortgeworfen hatte. 

 

Bleib konzentriert.

 

Er spürte diese unschuldigen Augen auf sich, die ihn um seine Aufmerksamkeit anflehten und wie kleine Hände an den Ärmeln seiner Robe zerrten…sie zerrten daran, wie er es in seinen Träumen tat…zerrten an dem weißen Stoff…niemals fähig, ihn fort zu ziehen…nur zusehend, wie er wuchs…und wuchs…

 

Stop…

 

Neji ballte seine Finger zu einer losen Faust, während sich der klaustrophobische Ring aus Kindern enger zog und lauter wurde. 

 

Götter, nicht jetzt…

 

Er hätte sein Byakugan aktiviert, um sie zu erschrecken und sie ein paar Schritte zurückweichen zu lassen, doch er konnte es sich nicht leisten, seine Energie oder sein Chakra dafür zu verschwenden. Es wurde immer schwerer, es effektiv zu kanalisieren und der Schmerz, den es verursachte, wenn er es aufrecht erhielt, wurde immer stärker.

 

Ich muss meine Tenketsu überprüfen. Schnell. 

 

Abgelenkt von dem fröhlichen Schnattern der Kinder und dem stetig wachsenden Druck in seinem Kopf, übersah Neji beinahe die blonde orange gekleidete Gestalt, die sich durch die wogende Masse schob. 

 

„Hey!“, knurrte eine heisere Stimme. 

 

Neji drehte sich in dem Moment, als Narutos Hand an dem erhobenen Arm eines kleinen Mädchens vorbei schnellte. Sie zuckte ängstlich zusammen und versteckte sich hinter Neji, als Naruto seine Finger in die Schulter des Jōnin krallte. 

 

Der Uzumaki zwang sich zu einem angespannten falschen Lächeln und zischte durch zusammengebissene Zähne. „Du hast wirklich Glück, das gerade Kinder anwesend sind.“

 

Genau wie du.

 

Nejis Braue wanderte zu seinem Haaransatz und er hob langsam seinen Handrücken zu Narutos Handgelenk, um die Umklammerung von seiner Schulter zu schieben. Naruto griff noch härter zu. 

 

„Lass mich los!“, warnte Neji und hielt seine Stimme dabei ebenso ruhig und stoisch wie sein Gesicht. Doch in seinem Inneren bebte er. 

 

Narutos Augen verengten sich und sein Gesicht erhitzte sich mit unterdrücktem Zorn. „Sonst was? Wirst du auch mir deine Faust ins Gesicht hämmern?“

 

Nejis Augen blitzten auf, doch ein scharfes Rucken seiner Hand schlug Narutos Griff von seiner Schulter. 

 

Der Uzumaki ballte seine Finger zur Faust, machte aber keinerlei Anstalten, sie auch zu nutzen. Wenn überhaupt, dann wurden diese turbulenten blauen Seen beinahe weich vor Verwirrung. 

 

„Was zur Hölle ist nur los mit dir, Neji?“

 

„Es ist alles wieder gut.“, ergriff Shikamaru das Wort. Er schlenderte in einem trägen Schwung an dem Hyūga vorbei, der in totalem Kontrast zu Nejis stocksteifer Haltung stand. „Es ist alles geregelt und wir werden keine Zeit mehr damit verschwenden, darüber zu diskutieren. Verstanden?“

 

Es brauchte alles an Beherrschung, was Neji geblieben war, um nicht den Kopf zu drehen. 

 

Shikamarus Stimme klang mehr nach einer Regenwolke als nach ihrem üblichen Rauch; schwer und bedrückt und das trotz seines unberührten Tonfalls. Es war nichts weiter als ein weiterer Chamäleon-Akt. Ein Akt, der das raue Sandpapier verschleierte, das seine Stimme vor gerademal einer Stunde gewesen war. Jetzt war sie trügerisch und unmöglich zu deuten und diese Tatsache strangulierte etwas tief in Nejis Brust, das einfach nicht aufhören wollte zu schmerzen. 

 

Konzentrier dich.

 

Er hielt seine Augen auf Naruto gerichtet und sah zu, wie der Uzumaki ihn und Shikamaru aufmerksam musterte und etwas in der Stille zu lesen versuchte, die zwischen ihnen hing. Die Spannung baute sich weiter auf und pulsierte bedrohlich trotz des lockeren Kicherns der Kinder, das zwischen den drei Shinobi hin und her hallte. 

 

„Schön.“, sagte Naruto letztendlich, auch wenn seine Brauen tief zusammengezogen waren. „Hibari meinte, dass ihr Chakra Pillen holen wolltet. War das eine lahme Ausrede oder was?“

 

Neji bot keinerlei Reaktion auf das argwöhnische Funkeln des Uzumaki an. Doch Shikamaru zog etwas aus seiner Flakweste. Das Rasseln der Pillen erscholl, als der Nara den Beutel schüttelte. Eines der Kinder streckte seine Hand danach aus, doch Shikamaru täuschte einen Zaubertrick vor, indem er ihn mit einem subtilen Neigen und Drehen seines Handgelenkes verschwinden ließ. 

 

Das kleine Mädchen starrte ihn erstaunt und grinsend an. „Wow!“

 

Shikamaru erwiderte das Lächeln nicht.

 

Doch stattdessen grinste Naruto das Kind schief zu dem Kind hinunter. „Na gut, ich schätze mal, dass Hibari ziemlich froh sein wird, dass er die Dinger bekommt, huh?“

 

„Hibari-niisan!“, quietschte das Mädchen. 

 

Shikamaru murmelte irgendetwas als Antwort, doch Neji hörte es nicht, denn der Klang wurde von dem Druck in seinen Ohren verzerrt. Das Rauschen von Blut ließ winzige Punkte und Farbflecken in seiner Sicht zerplatzen. 

 

Atme.

 

Er atmete langsam ein und kämpfte den Drang nieder, sich gegen die Tunnelwand zu lehnen. 

 

Verdammt. Ist das wegen der Anstrengung des Byakugan?

 

Glücklicherweise hatte er sein Dōjutsu bereits am Tag zuvor genutzt, um die Muster auf Ozukus Gesicht zu studieren und sie sich zu merken. Das war von zentraler Bedeutung gewesen. Und wenn er jetzt auf die Nutzung des Byakugan verzichten musste, dann würde er einen Weg finden, um damit zurecht zu kommen. 

 

Taijutsu muss im Moment genügen; zumindest, bis ich einen Arzt außerhalb von Konoha ausfindig machen kann. 

 

Ein leises glückliches Giggeln zog seine Aufmerksamkeit zurück zu Naruto, der gerade einen kleinen Jungen auf seine Schulter hob. Er zog etwas den Kopf ein und schwankte leicht, um die Balance halten zu können, als das Kind mit den Armen fuchtelte. 

 

Sofort richtete sich Nejis Blick auf das Fluchmal, das in den Arm des Jungen gebrannt war. 

 

Er spürte nicht, wie Shikamaru seinen Augen folgte. 

 

„Also, was ist der Plan?“, fragte Naruto.

 

Nicht zu verlieren.

 
 

oOo
 

 
 

Einen Fuß vor den anderen.

 

Das war alles, was im Moment von Bedeutung war, denn sein Verstand war bereits all die notwendigen Schritte voraus. Er mustte nur noch dafür sorgen, dass er immer weiterlief. Simpel. Dämlich simpel. 

 

Die Winkel von Shikamarus Augen zuckten; das leichte Blinzeln war das einzige Indiz seiner Züge dafür, dass sein Verstand viel schneller arbeitete, als er jemals laufen oder rennen könnte. 

 

Er konnte Neji in seinem Rücken und ein paar Schritte entfernt spüren; der majestätische Gang energisch und beständig. 

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander und war froh darum, dass er zwischen Naruto und dem Hyūga lief, sodass keiner der beiden sein Gesicht sehen konnte. Er gab sich selbst ein paar Sekunden, um seine Miene zu stählen. 

 

Das war’s. Es beginnt jetzt.

 

Er ließ seine Augen aufschnellen. 
 

„Naruto.“

 

Der Uzumaki drehte sich in der Hüfte und taumelte ein bisschen, als sich das Kind auf seiner Schulter ebenfalls umwandte. Shikamaru schob seine Hände in die Taschen und senkte die Wimpern zu seinem vertrauten Halbmast Blick als er stehen blieb. 

 

Neji schritt direkt an ihm vorbei und folgte den restlichen Kindern, ohne einen einzigen Blick zurückzuwerfen. 

 

Shikamaru zog jeden einzelnen Muskel in seinem Körper straff, um sich davon abzuhalten, ihm nachzulaufen. Er hatte das bereits hinter sich gelassen. Es würde kein weiteres Nachjagen mehr geben. Er hatte verloren – grausam, aber unausweichlich. Neji befand sich jenseits jeder Reichweite und Vernunft. Er war es schon immer gewesen. Shikamaru war einem Geist hinterher gerannt. 

 

Dumm; zu denken, dass es irgendwie anders hätte enden können…

 

Die Logik fiel wie ein Gewicht aus Blei in seine Brust. 

 

Und Gott, es schmerzte so sehr. 

 

Er atmete langsam ein und räusperte sich. 

 

„Naruto…“, begann Shikamaru noch einmal und zog den perplexen Blick des Uzumaki fort von Nejis Rücken. „Setz das Kind ab. Wir müssen reden.“

 

Narutos Gesicht verzog sich zu einer karikierenden Maske aus Verwirrung. „Und wohin geht Neji?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und tat so, als würde er sich nicht dieselbe Frage stellen. Die wahrscheinlichsten und direktesten Möglichkeiten kreisten darum, dass der Hyūga entweder seine Tenketsu überprüfte, oder sich sofort mit Waffen ausstattete, um sein fehlendes Ninjutsu aufwiegen zu können. 

 

Narutos Miene verfinsterte sich. „Nach allem was passiert ist, lässt du ihn einfach so damit davon kommen?“

 

Shikamaru hob eine Braue, biss seine sarkastische Erwiderung zurück und sagte nichts. 

 

Schnaubend ging Naruto in die Hocke und neigte sich vorsichtig, bis das Kind von seiner Schulter sprang. Er grinste den Jungen strahlend an, während der den anderen Kindern hinterher sprang. 

 

Shikamaru war bereits auf den düsteren Blick vorbereitet, mit dem der Uzumaki ihn bedache, als er sich ihm zuwandte. „Was? Du erwartest von mir, einfach so zu tun, als hätte er deinen Kopf nicht in die nächstbeste Wand gedroschen?“

 

Shikamaru blinzelte nicht. „Ja…genau das erwarte ich.“

 

„Aber-!“

 

„Lass es gut sein. Wir müssen uns bald in Bewegung setzen.“, schnitt Shikamaru ihm das Wort ab und unterstrich seine Worte, indem er seine trägen Schritte wieder aufnahm. „Ich geh dir nicht auf die Nerven wegen dem, was du tun musst, also erwidere den Gefallen.“

 

Naruto lief neben ihm her und auf ein Handzeichen von Shikamaru hin, bogen sie nach links in einen der angrenzenden Tunnel. „Meine Freunde zu beschützen ist nichts, das ich als einen Gefallen eintausche, Shikamaru.“

 

„Es hat sich erledigt, ok?!“, erwiderte der Nara, seine Stimme war vollkommen flach angesichts des Faktes. „Also mach mir keinen Ärger.“

 

„Shikamaru…“

 

Der Schattenninja musste nicht zu dem Uzumaki hinüber spähen, um zu wissen, dass dieses leise, fast schon weinerliche Raunen voll tiefer Besorgnis nichts im Vergleich zu dem Ausdruck in Narutos Augen war. 

 

„Hör auf mit diesem Dackelblick und versuch nicht, mir damit ein schlechtes Gewissen einzureden. Ich habe dir gesagt, dass es mir gut geht. Also, wenn du mir wirklich helfen willst, dann gäbe es da etwas, das ich von dir brauche.“

 

„Und zwar?“

 

„Krötenöl.“

 

Narutos Schritt geriet vor Verwirrung etwas ins Stocken, doch rasch joggte er nach vorn, um wieder neben Shikamaru zu laufen. „Na klar, kannst du haben. Uh…wofür brauchst du es?“

 

„Alles Teil des Plans.“, murmelte Shikamaru und blieb in seiner Antwort absichtlich sehr vage, als er in die bauartige Höhle trottete, in der sie gewohnt hatten. 

 

„Shikamaru-kun!“ Lee barst aus einem der angrenzenden Räume und ein Band aus Bandagen 

flatterte hinter ihm durch die Luft. „Geht es dir gut?“

 

Shikamaru nickte knapp, während sich seine Augen zu Lees Händen hoben, als der Ninja mit den buschigen Augenbrauen energiegeladen sein Handgelenk und Unterarm in das vertraute Weiß wickelte. Die Brauen des Schattenninjas zogen sich kalkulierend zusammen.

 

„Kannst du von dem Zeug was entbehren?“, fragte er und nickte mit dem Kopf in Richtung der Bandagen, die sich hinter Lee über den Boden schlängelten. 

 

„Ja klar, ich habe Massen davon. Stets vorbereitet zu sein ist eine Faustregel!“

 

„Was dagegen, wenn ich mir etwas davon nehme?“, fragte Shikamaru und ignorierte Narutos argwöhnischen Blick. 

 

Lee sprang ohne irgendeine Frage davon, um die Mullbinden zu holen und ließ Shikamaru zurück, der um den Tisch herum schlich, auf dem noch immer die Karten verstreut lagen. Er ging in die Hocke und zog zwei davon hervor, um den Grundriss des Dorfes zu studieren und mit dem Finger zweimal auf den Tempel zu tippen. Er sah nicht auf, als sich Naruto neben ihn stellte. 

 

„Shikamaru…was ist passiert, als-“

 

„Wenn du alles Krötenöl, das du entbehren kannst, Chōji geben könntest und ihm sagst, dass er zu mir kommen sollen, dann würde mir das einiges an Zeit ersparen.“, murmelte Shikamaru ohne den Blick zu heben.

 

„Ich dachte, wir würden nichts in die Luft jagen.“, grummelte Naruto vorsichtig und verschränkte die Arme. „Sieht so aus, als würde sich auf einmal jeder seltsam aufführen, huh?“

 

Shikamaru sah unter seinen Wimpern auf und hob eine Braue. 

 

„Ich glaube, du wolltest jetzt gehen, Naruto.“, befahl der Nara mehr, als dass er ihm einen Rat gab, während er eine rote Wachskreide und die beiden Karten aufnahm, die er rasch faltete und in seine Flakjacke schob. „Ich werde beim Verhörraum sein. Sag Chōji, dass er sich beeilen soll.“

 

„Schön, was auch immer.“ Naruto drehte sich leicht und runzelte die Stirn, als der Nara ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei marschierte. „Shikamaru…“

 

Doch der Schattenninja verlangsamte nicht einmal seine Schritte und fing mit einem kurzen Kopfnicken die Bandagenrolle auf, die Lee ihm zuwarf. „Danke. Lee, ich werde eine aufgezeichnete Strategie im Verhörraum liegen lassen. Schick in einer Stunde jeden dorthin, um sie aufmerksam durchzulesen, damit alle ihre Positionen kennen. Ich werde mit Chōji rechtzeitig zurück sein, um alles zu bestätigen.“

 

„Roger!“

 

„Shikamaru…“, versuchte es Naruto noch einmal; lauter diesmal. 

 

Der Schattenninja lief weiter. „Was?“

 

„Bist du sicher, dass bei dir alles ok ist?“

 

Shikamarus Miene wurde düster und er rief über seine Schulter: „Was willst du eigentlich, einen Hirnscan? Es geht mir gut. Und jetzt beweg dich endlich.“

 
 

xXx
 

 
 

„Bleibt in Bewegung.“, wies Hibari die Kinder an, während seine grauen Augen jedes einzelne von ihnen musterte, als die Reihe aus Jungen und Mädchen in einem schnatternden Strom an ihm vorbei zog. „Bleibt auf einer Seite des Tunnels und blockiert nicht die Durchgänge.“

 

Ältere Kinder flankierten die Reihe und stellten sicher, dass die jüngeren in einer ordentlichen Prozession blieben, während sie die Evakuierungsroute entlang marschierten. Shikamaru hielt sich an der anderen Seite des Tunnels und schritt ihn in die entgegengesetzte Richtung entlang. 

 

Hibari grüßte ihn mit dem Heben seines Kinns. 

 

Shikamaru warf ihm den Beutel mit Chakra Pillen zu, den der Rotschopf mit einer Hand fing. 

 

„Danke. Ich schulde dir was.“

 

„Dann werde ich den Gefallen direkt einlösen.“, informierte Shikamaru ihn und blieb auf der anderen Seite des Türrahmens stehen, während die Kinder zwischen ihnen hindurch schritten. 

 

Hibari hielt seine Augen auf die Kinder gerichtet, hob aber seine Stimme. „Sollte ich mir Sorgen machen?“

 

„Nein. Aber ich brauche eine deiner Schriftrollen für ein Barrierejutsu.“

 

Shikamaru war bereits auf den fragenden Blick eingestellt, den Hibari ihm zuwarf und wehrte ihn mit einem schwachen Grinsen ab. „Reserveplan.“

 

Der Tsubasa musterte ihn für einen Moment; seine grauen Augen waren scharf und spekulativ. Geduldig wartete der Nara ab und beobachtete; seine Hüfte hatte er auf eine Weise gegen den Türrahmen gelehnt, die deutlich entspannter war als seine Miene. 

 

Die unausgesprochene Sackgasse hielt nicht lange an. 

 

Hibari schürzte die Lippen, bevor er einen Arm ausstreckte und seine Hand auf den Kopf eines der vorüberlaufenden Kinder legte, um den Jungen anzuhalten. 

 

„Oww!“, überreagierte der Kleine und stampfte mit einem Fuß auf. „Nicht mein Haar!“

 

Hibari wuschelte ihm durch die Strähnen. „Sho-kun, bring mir die lilane Schriftrolle. Notiere es im Inventar, das du sie mitgenommen hast.“

 

Das Kind begann zu schmollen und versuchte, sein zerzaustes Haar zu glätten, das sich sofort wieder in igelähnlichen Spitzen aufstellte. „Oh Mann…“, murrte der Junge und schlurfte den Weg zurück, den er gekommen war. 

 

Shikamaru neigte den Kopf, dankte Hibari aber noch nicht. 

 

Der Rotschopf verstand sofort und lächelte grimmig. „Das ist noch nicht alles, oder?“

 

„Nein.“, gab Shikamaru zu und sah keinen Weg, mit der Wahrheit hinter dem Busch halten zu können, weswegen er offen sprach. „Ich brauche auch Kitori.“

 

Sofort erstarb das Schmunzeln auf Hibaris Gesicht; seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen. „Warum?“

 

„Als ich mit ihr gesprochen habe, hat sie einen Fluchttunnel aus dem Tempel erwähnt.“ Shikamaru rieb mit den Knöcheln über die Tunnelwand. „Einen Durchgang, der von der Schriftrollenkammer in den Wald führt. Ist das wahr?“

 

„Ja. Auf diesem Weg ist meine Schwester mit dem verbotenen Jutsu entkommen.“

 

„Ich muss ganz genau wissen, wo sich dieser Weg befindet und wie er verläuft, damit verhindert werden kann, dass uns einer von Ozukus Leuten entwischt.“, erklärte Shikamaru und machte seine Dringlichkeit deutlich, als er sich von der Wand abstieß und sich aufrichtete. „Ich muss den Tunnel jetzt finden. Später bleibt keine Zeit mehr dafür.“

 

Hibaris Augen verengten sich und zuckten für einen Moment zu den Kindern. Shikamaru konnte das argwöhnische Flackern in den grauen Seen erkennen. Das Zögern gefiel ihm ganz und gar nicht, doch er befand sich auch nicht in der Position, den Rotschopf zu bedrängen. Das würde nur dazu führen, dass er zu viel preisgab und letztendlich wäre es umso besser, je weniger Schwachsinn er den Leuten auftischen musste. Denn desto geringer war die Gefahr, dass er den ganzen Scheiß zurück in sein eigenes Gesicht geschleudert bekommen würde. 

 

Komm schon Tsubasa…lass mich nicht hängen…

 

Hibari bewegte angespannt den Kiefer und rieb sich mit einem Daumen über die scharfe Kante, während er langsam den Kopf schüttelte; ein schlechtes Zeichen, doch noch kein abschließendes. Glücklicherweise erschien der Igelkopf den Strom aus Kindern entlang sprintend und winkte mit einer lilanen Schriftrolle. 

 

„Jo! Hibari-niisan!“

 

Shikamaru beobachtete, wie der Gesichtsausdruck des Rotschopfes beim Klang des Rufes ins Wanken geriet und ihn aus seinem Gegrübel riss. Hibari stieß ein gezwungenes, aber spannungslösendes Lachen aus und griff über die Köpfe der neugierigen Kinder hinweg nach der Rolle. Gleich darauf verpasste er dem Jungen damit einen Klaps auf den Hinterkopf, bevor er sie Shikamaru reichte. 

 

„He!“, maulte das Kind. „Warum?!“

 

„Du sollst in den Tunneln nicht rennen.“, ermahnte Hibari ihn mit einem Grinsen. 

 

Ein paar der Kinder giggelten. 

 

Der Igelkopf verzog finster das Gesicht, bevor er wieder zu plärren begann, als Hibari ihm durch das Haar strubbelte. 

 

„Mann, am Ende sehen meine Haare noch so aus!“, heulte der Junge bestürzt und deutete mit dem Finger auf Shikamarus Pferdeschwanz. „Das ist echt nicht fair!“

 

Shikamaru hob eine Braue, nahm an den Worten aber sonst keinen Anstoß. 

 

Hibari klemmte sich den Kopf des Jungen spielerisch unter den Arm. „Zeig nicht mit dem Finger auf andere. Das ist unhöflich.“ Angesichts von Shikamarus leicht amüsierten Blick fügte er einen weiteren Klaps auf das stachelige Haar hinzu. „Und beleidige nicht unsere Verbündeten.“

 

„Nettes ‚Arbeitsethos‘, dem du bei den Kindern folgst. Ich verstehe jetzt, warum du Naruto einfach so ausgeknockt hast.“, sagte Shikamaru lässig, doch es klang erzwungen. Der Humor schaffte es kaum, sich durch die massive Mauer zu drängen, die er um alles außer seiner kalten kalkulierenden Logik errichtet hatte. 

 

Er konnte es sich im Moment nicht leisten, sich von irgendetwas anderem ablenken zu lassen. 

 

Die Menschen waren Spielsteine und das Spiel im Gange. 

 

„Nun, ich habe dir bereits bis hierhin vertraut.“ Hibari seufzte und schob das schmollende Kind mit einem sanften Tätscheln auf den Kopf weiter, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Shikamaru richtete. „Es gefällt mir nicht, aber na gut. Kitori ist bei Isuka. Tu, was auch immer du tun musst, aber beeil dich lieber.“

 

Shikamaru nickte und wandte sich um. „Darauf kannst du dich verlassen. Sorg dafür, dass die Phiole bereit ist.“

 

„Jo.“ Hibari schnaubte und klopfte sich mit dem Rücken seiner Finger gegen das Gesicht. „Wenn ich blasser bin als vorher, dann weißt du, warum.“

 

Shikamaru brachte ein schwaches Heben der Mundwinkel zustande, doch die grimmige Belustigung erreichte niemals seine Augen. 

 

Lass uns hoffen, dass Blut alles sein wird, was es uns kosten wird. 

 
 

oOo
 

 
 

Er schmeckte das Blut, bevor er es sehen konnte. 

 

Es stieg heiß und rot in seiner Kehle auf. 

 

Gott, nicht schon wieder…

 

Der Schmerz zerrte es aus ihm heraus und es quoll mit einem erstickten Husten zwischen seinen Lippen hervor; Rot besprenkelte den Zement des Waschbeckens. Neji erschauerte, als er krampfartig den Rand umklammerte und seine Ellbogengelenke durchdrückte, um sich aufrecht zu halten, während er abgehackt durch die Nase atmete. 

 

Nur noch ein bisschen länger…

 

Er ließ seine Augen halb aufgleiten. 

 

Das Blut war zäher als sonst, die roten Perlen klebten eher und zogen Fäden als dass sie tropften. 

 

Mit finsterer Miene ließ Neji seine Zunge über die Zähne wandern und spuckte aus. Der kupferartige Stich und der Geschmack von Eisen ließen ihn das Gesicht verziehen. Es bedeckte seinen ganzen Mund und zog ein zorniges Anspannen seines Kiefers nach sich. Er drehte den grob aussehenden Hahn und fing Wasser mit den Händen auf, um den roten Film von seinen Zähnen zu waschen. 

 

Er hätte es erwarten müssen. Shikamaru hatte nicht unrecht gehabt, als er ihn darauf hingewiesen hatte, dass er diese Embolien nicht selbst heilen konnte, doch der Nara hatte seine Fähigkeit unterschätzt, seinen Körper noch für eine Weile länger zu betrügen. 

 

Ein bisschen länger ist alles, was ich brauche. Nach dieser Mission werde ich mich dem stellen. 

 

Neji spritzte sich Wasser ins Gesicht und blinzelte die Tropfen aus den Wimpern, während er sich aufrichtete und von dem Waschbecken zurücktrat. Er richtete seinen Blick auf die Wand und stierte auf den blasseren Fleck, an dem der Spiegel gehangen hatte. Er konnte noch immer das Glas unter seinen Sandalen spüren, das bei jeder Bewegung knirschte. Und es war dieses Geräusch, dass ihn auf die Päsenz an der anderen Seite des Raumes aufmerksam machte. 

 

Ganz leicht wandte er den Kopf. „Du solltest nicht hier sein.“

 

„Neji…bitte…“

 

Die sanft gesprochenen Worte brachten den Jōnin dazu, sich umzudrehen. Die Stimme trug dieselbe tiefe Besorgnis in sich wie die lavendelfarbenen Augen, die auf seinen stählernen Blick trafen. Die beiden Hyūga Shinobi sahen sich für einen Moment schweigend an. Hinatas Fokus glitt etwas tiefer und richtete sich auf seine Brust. Ruhig zog Neji den Saum seiner Robe nach oben und verdeckte die frischen Male direkt unter seinem Schlüsselbein. 

 

Hinatas Augen wanderten zurück zu seinem Gesicht. „Was auch immer es ist…Ich…ich werde es ändern…ich verspreche dir, dass ich es ändern werde.“

 

„Hinata-sama…“

 

„Bitte…“

 

Neji blinzelte langsam und eine mitleidlose Ruhe legte sich über sein Gesicht, als seine Cousine nach vorn trat; unbeeindruckt von der Kälte, die er ausstrahlte. Er respektierte sie dafür, dass sie ihn so direkt konfrontierte, aber es existierten klare Grenzen zwischen ihnen – die Art von Grenzen, die niemals aufgrund einer geheuchelten Nähe verwischt oder ausgelöscht werden konnte. Nicht, bevor die Veränderung, von der sie so leichthin sprach wirklich Realität werden würde – doch jetzt im Moment, war es nichts weiter als ein Traum. 

 

Und er hegte kein Verlangen danach, sein Schicksal von dem Traum eines anderen abhängig zu machen; völlig egal wie gut gemeint er war. 

 

Ganz offensichtlich bemerkte Hinata seinen Mangel an Vertrauen, denn sie flehte ihn mit einem Ausdruck solch selbstlosen Mitgefühls und Kummers an, dass er gar nicht anders konnte, als seinen Blick von ihr abzuwenden. 

 

„Hinata-sama, du bist immer noch zu lieb und zu sanft.“ Er sprach die Worte leise aus und vollkommen ohne dieses herablassende Mitleid, mit dem er sie sonst immer bedacht hatte. „Ich kann nicht darauf warten, dass diese Tugenden all die Laster ersetzen, die mir keine andere Wahl lassen und mich zum Handeln zwingen.“

 

„Gegen dich selbst.“, wisperte Hinata energisch. „Du zwingst dich dazu, gegen dich selbst zu handeln…“

 

Die Erinnerung daran, wie seine chakrageladene Faust in Shikamarus Kiefer eingeschlagen war traf sein Herz mit einem ebenso schmerzhaften Hieb und zerbrach schon wieder eine der frischen Schichten aus Verleugnung, die er darum gelegt hatte. 

 

„Wenn das nur wahr wäre.“, murmelte Neji leise. 

 

„Neji-niisan, bitte warte noch ein bisschen länger. Ich verspreche dir, ich…ich werde alles richtig stellen, was dir angetan wurde.“

 

Es waren bittere und spröde Versprechungen. 

 

Doch Nejis eisiger Blick wurde weich, als er sie ansah. 

 

Ihre Miene veränderte sich voller Hoffnung und ihre Finger krümmten sich über ihrem Herzen, als würde sie darin die fragilen Versprechen tragen. Er wusste, dass Hinata sie auch halten würde, wenn sie nur jemals die Chance bekommen sollte. Aber es waren Träume und nur der Clan konnte ihr die Macht verleihen, sie auch in die Realität umzusetzen. Doch die Ältesten hatten Hinata als schwach gebrandmarkt. Und Schwäche war nicht einfach nur ein rostiges Gelenk in der Kette der Hyūga Kontrolle. Es war eine Bedrohung, die das ganze System kollabieren lassen könnte. 

 

Eine weitere bittere Ironie der ‚Sanften Faust‘ war das Credo der Hyūga, den Clan mit einer eisernen zu regieren. 

 

Doch Hinata würde eher eine offene Hand ausstrecken, als sie zur Faust zu ballen. 

 

Gnade vor Stärke.

 

Und was hatte ihr diese Gnade eingebracht? Schneidende Worte und herablassende Abweisung. Hiashis Auge hatte sich Hanabi als Erbin zugewandt und während Hinatas Herz zwar stärker war mit Mitgefühl, würden Hanabis Potential und Ansporn, ihre Schwester zu übertreffen nur noch mehr wachsen, wenn Hiashi sie anwies. 

 

Wenn man daran denkt, dass er sogar mich trainiert hat, ein Kind der Zweigfamilie…vor seiner eigenen Tochter…

 

Hinatas Fähigkeiten waren noch nie dazu ermutigt worden, ihr volles Potential zu entwickeln. Und das würden sie auch nie. Außer natürlich, jemand außerhalb des Kreises der Hauptfamilie würde einschreiten und sie trainieren; sie lehren, ihre eigenen Techniken und Stärken zu perfektionieren und das ohne Erwartungsdruck und Spott. 

 

Jemand, der sie trainiert, ohne dabei ihren Fortschritt zu kontrollieren oder zu begrenzen… 

 

Neji schüttelte den Kopf und kam sich absolut lächerlich vor, dass er diese Rolle überhaupt in Betracht zog. 

 

Es wäre eine gefährliche Abschweifung von seinem Ziel. 

 

„Ich werde die Dinge selbst für mich richtig stellen, Hinata-sama.“, sagte er leise und machte sich daran, an ihr vorbei zu laufen. „Ich brauche dabei keine Interferenzen.“

 

In der Sekunde, als er sich umwandte, glitt Hinatas linker Fuß etwas nach hinten; es war eine automatische Bewegung, die sie sofort in eine Defensivhaltung bringen würde. Neji hatte nichts weniger erwartet. Es war schließlich nicht so, als hätte er ihr jemals einen triftigen Grund dafür gegeben zu glauben, dass er nicht länger unkontrolliert um sich schlug. Selbst drei Jahre eines nach und nach gefestigten Vertrauens hatten es nicht geschafft, diese Furcht vollkommen auszulöschen. 

 

Wenn ich das, was ich getan habe, zurücknehmen könnte…würde es irgendetwas ändern?

 

Hinata schluckte und ihr sanftes Gesicht bekam Risse wie das einer Porzellanpuppe.

 

Als sie mit überraschender Stärke sprach, ließen ihre Worte ihn augenblicklich innehalten. 

 

„Neji-niisan, bitte tu das nicht…“

 

Und wie ein Dominoeffekt ihrer Worte, erklang Shinos Stimme an der vordersten Front seines Verstandes; ein Echo des neutralen Timbres des Aburame kroch unter seiner Gleichgültigkeit entlang. 

 

‚Sie macht sich Sorgen um dich. Das bringt sie in Gefahr. Als ein Hyūga, besorgt dich das etwa nicht?‘

 

Neji neigte ein winziges Stück den Kopf und sah hinunter zu Hinata. 

 

Sie starrte mit sorgenvoll gerunzelter Stirn zu ihm hinauf, während sie eine Hand noch immer über ihr Herz hielt. 

 

Nein, ihre Besorgnis für ihn bewegte ihn als Hyūga nicht. 

 

Als ein Hyūga war es seine Pflicht, um sie besorgt zu sein, nicht umgekehrt. 

 

Vielleicht haben sie uns beide in einen Käfig gesteckt…auch wenn der ihre vergoldet ist…es ist dennoch ein Käfig…

 

Und auf viele Arten und Weisen hatte der Clan ihr ebenso viel Schaden zugefügt wie ihm. Nur, dass sie Hinatas Selbstvertrauen zerstört hatten; seines hatten sie nicht angerührt. Auf der anderen Seite hatten sie es nicht geschafft, Hinatas Güte zu zertrümmern oder ihr Herz zu verkrüppeln. Doch Neji war sich sicher, dass sie sein Herz direkt an den Wurzeln herausgerissen hatten. Hinatas Wurzeln waren dagegen nicht so einfach zu erreichen. Selbst als Neji dieses lebenswichtige Organ in ihrer Brust direkt attackiert hatte, hatte es sich selbst mit demselben Mitgefühl geheilt, das Neji überhaupt erst dazu gebracht hatte, es zu verletzen. 

 

Und trotz all seiner Stärke; die Narben um sein Herz hatten sich nur verhärtet – sie waren niemals verheilt. 

 

Etwas in seinen Augen veränderte sich; vielleicht war es einer der vielen Geister aus Schmerz und Qual und Zorn in ihm, der eine Art stille Akzeptanz fand. Doch was immer es war, es überraschte Hinata genug, um unsicher einen Schritt zurück zu treten. 

 

„Neji…?“, rief sie traurig seinen Namen. 

 

Neji wandte sich ihr zu und seine Augen nahmen denselben ruhigen Ausdruck an wie sein Gesicht. Hinatas rasches Einatmen blieb nicht unbemerkt, als er eine Hand ausstreckte und sie zaghaft auf ihrer Schulter ablegte. Ihre Augen wurden so groß, dass es beinahe schon albern wirkte. Er hätte vielleicht gelächelt, aber das Zucken seiner Lippen war so unmerklich, dass sich sein Gesichtsausdruck eigentlich überhaupt nicht veränderte. 

 

„Sie haben jedes familiäre Band, das wir vielleicht hätten haben können, zerbrochen, bevor wir überhaupt versuchen konnten, es zu knüpfen.“, sagte Neji sanft und voller Bedauern. „Und jahrelang habe ich die Lüge geglaubt, dass die Dinge niemals anders hätten sein können, auch wenn ich dachte, dass sie es hätten sein müssen.“

 

„Neji…“

 

„Zu glauben, dass die Dinge vielleicht anders hätten sein können ist nichts im Vergleich, zu wissen, dass sie wirklich anders hätten sein können.“

 

Hinata sagte nichts. 

 

Sie war viel zu fassungslos wegen ihres Kummers, um antworten zu können. 

 

Eine einsame Träne funkelte an dem Gitter ihrer Wimpern, bevor sie überlief und einen einzigen glänzenden Pfad über ihre Wange beschrieb. Und diesmal lächelte Neji. Es war ein Heben der Mundwinkel, das voller Kummer und Leid war, doch er konnte es ebenso wenig zurückhalten wie Hinata ihre nächste Träne, die in einem spiegelnden Weg ihr anderes Jochbein hinunter rann. 

 

„Es tut mir so leid, Neji…“, hauchte sie. 

 

Neji schüttelte den Kopf und zögerte, bevor er unbehaglich eine Hand an ihre Wange legte. „Genau wie mir. Sollte jemals der Tag kommen, an dem du die Macht hast zu verhindern, dass Hyūga Cousins und Geschwister das durchleiden müssen, was uns angetan wurde, dann vertraue ich darauf, dass du tun wirst, was notwendig ist.“

 

Hinata presste mit wässrigen Lavendelaugen fest die Lippen aufeinander. „Das werde ich.“

 

Neji nickte und wartete, bis sie dasselbe tat, bevor er seine Hand vorsichtig wieder auf ihre Schulter legte. „Eines Tages werden weder Gehorsam, noch Verpflichtung die Gründe sein, aus denen ich dich beschütze, Hinata-sama.“

 

Eine neue Flut aus Tränen schimmerte in den Augen der Kunoichi. Beschämt beugte sie den Kopf und schloss die Lider. Neji zog die Brauen zusammen, doch nicht unfreundlich. 

 

„Senke nicht dein Haupt oder deinen Blick, Hinata.“, mahnte er sie leise. „Nicht vor mir und niemals vor ihnen.“

 

Hinata hob zuerst ihren Blick, bevor sie schniefend das Kinn reckte. Sie begegnete seinen Augen direkt und das mit einer stummen Stärke, die von dem Mut herrührte, den es brauchte, um all diese Emotionen in ihren Iriden preiszugeben, obwohl es das Risiko barg, angegriffen zu werden. 

 

Ich würde dich um diese Stärke beneiden, wenn ich nicht glauben würde, dass sie mich eher zerstören statt retten würde.

 

Hinata öffnete die Lippen, um zu sprechen, doch keine Worte kamen. Und was immer es war, es war vermutlich besser, dass es unausgesprochen blieb. Das traf auf so vieles von dem zu, was wirklich von Bedeutung war. 

 

Die Erinnerung an Shikamarus Lippen, die sich wortlos gegen seine Haut bewegten kam zu ihm zurück. 

 

Nein.

 

Zwanghaft ignorierte er den dumpfen Schmerz in seiner Brust und Neji drückte zaghaft Hinatas Schulter, um eine zerbrechliche Geborgenheit anzubieten, die er nicht in Worte fassen konnte. 

 

Und dann lief er davon. 

 

Er hörte nicht das leise traurige Wispern ihrer Worte. 

 

„Es tut mir so leid…Shikamaru-kun.“

 
 

oOo
 

 
 

Das sollte besser funktionieren…

 

Gebadet in das schwache Pulsieren des Laternenlichtes überprüfte Shikamaru seinen ausgearbeiteten Plan. Die Karte des Dorfes, auf der sich mit roter Kreide markierte Punkte befanden, war auf dem wackeligen Tisch außerhalb des Verhörraumes ausgebreitet.

 

Er starrte stur auf den Grundriss.

 

Es muss funktionieren…

 

Während er sich starr auf diese Notwendigkeit fokussierte, stellte er seinen linken Fuß auf einem der fadenscheinigen Stühle ab und lehnte sich nach vorn, um einen Ellbogen auf dem Knie abzulegen. Sein Verstand bewegte sich schneller als die Geschwindigkeit des Stiftes, den er über die Finger wirbeln ließ. Seine Augen waren kalkulierend zusammengezogen und folgten einem Pfad, der nicht existierte – noch nicht.

 

Kiba und Akamaru.

 

Zu seinen stummen Gedanken nickend zuckte Shikamarus Blick über die Skizze des Aviariums, während er mit der Kreide auf den Titel ‚TEAM A‘ tippte.

 

Naruto, Kiba, ich.

 

Er ließ seine Augen über die anderen markierten Punkte wandern, die sich über dem Atlas des Dorfes verteilten und ein Bild in seinem Verstand zeichneten, während er rasch die Strategie skizzierte. 

 

Rebellen. Team R.

 

Er stieß mit der Spitze der Kreide auf den Tempel und kritzelte ‚TEAM T‘, nur um gleich darauf inne zu halten. 

 

Neji…

 

„Shikamaru.“

 

Aufgeschreckt zuckte die Hand des Nara und zog eine wächserne Linie quer über den Tempel. „Scheiße…“

 

„Nervös, was?“, neckte Chōji. „Na das überrascht mich aber.“

 

Shikamaru grinste schwach und krümmte seine Finger, um die Kreide gegen seine Handfläche zu pressen, als er zu seinem Freund hinüber spähte. „Hey, hat Naruto dir das Krötenöl gegeben?“

 

„Ja, eine ganze Menge davon.“ Chōji schlenderte zu ihm herüber auf die andere Seite des Tisches. Das Laternenlicht spiegelte sich von seiner Plattenrüstung und warf ein warmes, entspanntes Glimmen über sein Gesicht. „Was gibt’s denn?“

 

Shikamaru begegnete dem Blick seines Freundes über die kurze Distanz hinweg. „Ich brauche deine Hilfe…“

 

Die Haut um Chōjis Augen warf fröhliche Fältchen. „Na klar, als ob du da groß fragen müsstest.“

 

Shikamaru erwiderte das Lächeln nicht. 

 

Sofort ernüchterte der Gesichtsausdruck des Akimichi und seine Stirn legte sich in sorgenvolle Falten. „Shikamaru?“

 

Shikamaru hielt inne und senkte den Blick; seine dichten Wimpern warfen Halbmonde aus Schatten über seine Wangenknochen. Er starrte hinunter auf den Tisch und klopfte leicht mit dem Daumen gegen das flache Ende der Kreide. 

 

„Du vertraust mir doch, oder?“, fragte er sehr leise. 

 

„Mit meinem Leben.“ Keinerlei Zögern. 

 

Shikamarus Lippen zuckten kurz, bevor sie sich mit einer düsteren Miene nach unten zogen. „Das hast du schon einmal getan, weißt du noch…“

 

„Shikamaru.“, sagte Chōji sanft, doch es lag die Kante einer freundschaftlichen Warnung in dieser Stimme, die dem Nara keineswegs entging. „Was ist los?“

 

„Es ist nicht die Art von Hilfe, bei der viele Fragen gestellt werden dürfen.“, erklärte Shikamaru und hob den Blick. „Kannst du das für mich tun?“

 

Chōji nickte. „Ja, wenn du mir eine einzige Sache beantwortest.“

 

„Und zwar?“

 

„Stimmt es, was Kiba sagt?“ Chōjis Augen wanderten prüfend über seinen Kiefer. „Hat Neji dich angegriffen?“

 

Fuck.

 

Shikamaru schürzte die Lippen und verharrte nach vorn über seinen Arm und ein Knie gebeugt. 

 

Chōji wartete. 

 

Sekunden verstrichen. 

 

Unbehaglich wandte Shikamaru den Blick ab; wohlwissend, dass Narutos standardmäßiger Beschützerinstinkt vollkommen verblassen würde im Gegensatz zu dem, was Chōji entfesseln würde. Er musste jetzt sehr vorsichtig vorgehen. 

 

Scheiße…

 

Shikamaru atmete langsam und kontrolliert ein, bevor er wieder zu seinem Freund hinüber spähte und nach der besten Möglichkeit suchte, einen menschlichen Felsbrocken davon abzuhalten, Neji ungespitzt in den Boden zu rammen. 

 

„Chōji, so einfach ist das nicht.“

 

„Es ist eine simple Ja oder Nein Frage.“, erwiderte Chōji und klopfte mit seiner großen Faust auf einen der Stühle. 

 

Shikamaru sah hinunter auf die Finger des Akimichi. „Und es ist eine ‚Ja, aber‘ Antwort.“

 

Chōjis Faust verkrampfte sich. 

 

Und in der Sekunde, als das geschah, nahm Shikamaru den Fuß von dem Stuhl und erhob sich von dem Tisch, um Chōjis Aufmerksamkeit zurück auf sich zu ziehen, bevor der Akimichi sie auf ein Ziel jenseits der Tür fokussieren konnte. Eines, zu dem Shikamaru ihn nicht gehen lassen konnte. 

 

„Ja, er hat mich angegriffen, aber ich habe ihn provoziert.“, fügte der Nara hinzu. „Du musst mir hierbei vertrauen. Bitte!“

 

Chōjis Brauen zogen sich zusammen und seine Plattenrüstung schimmerte, als er mit bebenden Nasenflügeln einen lauten kontrollierten Atemzug nahm. Shikamarus Augen wurden etwas weicher und baten seinen Freund nun ohne Worte. Chōji bemerkte den Ausdruck und verstand ihn sofort; er ließ seine Fast von dem Stuhl fallen. 

 

„Bist du okay?“, fragte der Akimichi leise. 

 

Shikamaru hob eine Augenbraue und tippte mit zwei Fingern gegen seine Schläfe. „Funktioniert immer noch.“

 

Chōji schnaubte und schmunzelte, was die Spannung etwas löste. „Also, was soll ich tun?“

 

Danke.

 

Shikamaru griff in seine Flakjacke und zog die Bandagen hervor, die Lee ihm gegeben hatte, um sie dem Akimichi zuzuwerfen. Chōji fing sie mit einem verwirrten Gesichtsausdruck auf und drehte die Rolle in den Fingern. 

 

„Trainingsbinden?“

 

„Du musst sie mit dem Krötenöl tränken.“, sagte Shikamaru und schmunzelte angesichts Chōjis perplexer Miene. „Methode im Wahnsinn und der ganze Mist.“

 

Bevor Chōji etwas darauf erwidern konnte, öffnete sich die Tür zum Verhörzimmer. Ihre Blicke richteten sich auf Isuka, die hindurch schlüpfte. „Sie ist jetzt wach, Shikamaru-san.“

 

Ein zorniges Fauchen hinter der Tür bestätigte ihre Worte. 

 

Ohne Zeit zu verschwenden schloss Shikamaru die Distanz in wenigen langen Schritten und stützte sich mit der Schulter gegen den Türrahmen, als er in den dämmrig beleuchteten Raum spähte, der mit Schatten gefüllt war. 

 

Kitori hörte sofort auf, an ihren Fesseln zu zerren und hob scharf den Kopf. 

 

Ihre blutunterlaufenen, verquollenen Augen weiteten sich. 

 

Shikamaru begegnete ihrem panischen Blick mit bedrohlicher Ruhe. 

 

Kitori wurde sehr sehr still und beobachtete ihn wie ein in die Ecke gedrängtes Tier. 
 

Ganz langsam streckte Shikamaru eine Hand aus, um sie vor einer der gesprungenen Lampen schweben zu lassen. Das Licht warf den Schatten seiner Hand in verzerrten Proportionen durch den Raum; in einer phantomhaften Drohung zog sie sich zusammen und schwoll an.

 

Kitori schluckte schwer und schlug mit einem zornigen Funkeln zurück. „Ich habe es dir bereits gesagt…“, krächzte sie. 

 

„Das hast du.“ Shikamaru krümmte die Finger und die Schattenhand winkte dräuend. „Und jetzt wirst du es mir zeigen.“

 
 

oOo
 

 
 

Er konnte es nur dann sehen, wenn er die Augen schloss. 

 

Und als er es tat, kam das Bild ebenso klar zurück zu ihm wie ein invertierter Schnappschuss. 

 

Neji hielt ihn vor seinem inneren Auge fest, während seine Finger umherwanderten, bis er spürte, wie die Kreide umher rollte. Er griff danach und fing an, das Muster auf das Pergament zu zeichnen; nahtlos folgten seine Bewegungen der Gestaltung. Er reproduzierte das Bild mit einer Perfektion, bei der man denken könnte, dass das Original eher vom Sharingan als dem Byakugan erfasst worden war. 

 

Fertig.

 

Nejis Augen glitten auf und er starrte hinunter auf das Muster auf dem Papier. 

 

Ozukus Tattoos dienten genauso wenig einer Dekoration wie sein Fluchmal. 

 

Neji legte den Stift beiseite und strich mit den Fingerspitzen über die Linien. Kitori hatte gesagt, dass sie der Schlüssel waren und nun verstand er auch, warum. Die Federtattoos und Markierungen bildeten ein Muster miteinander verbundener Symbole, wenn man sie erstmal von der verzerrenden Oberfläche von Ozukus Gesicht befreite und sie auf eine flache Oberfläche zeichnete. Es waren Symbole, die einen verschlüsselten Tsubasa Code enthielten; glücklicherweise konnte Hibari ihn zu entziffern. 

 

Er war neben Kitori, Ozuku und dem Konzil aus Beratern der Einzige, der dazu in der Lage war. 

 

Kein Wunder, dass sie ihn tot sehen wollten. 

 

Nejis Miene verdüsterte sich, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel bemerkte. Er spähte hinüber zu der Tür und war nicht überrascht, das Gekicher von Kindern zu hören, als er zwei kleine Gestalten entdeckte, die neben dem Rahmen hockten. 

 

„Ihr solltet bei den anderen sein und evakuiert werden.“, ermahnte der Hyūga leise. 

 

Die Tür wurde ein Stück weiter aufgeschoben und offenbarte ein vertraut aussehendes Gesicht, das von blonden Locken eingerahmt wurde.

 

Nejis Augen weiteten sich ein wenig. 

 

„Wo ist dein Freund?“, fragte das grünäugige Mädchen. „Ich habe diesmal auch eine Freundin mitgebracht.“

 

Gleich darauf streckte ein dunkelhaariges Mädchen ihren Kopf durch die Tür und grinste zähneblitzend. Neji erkannte die Kleine. Er hatte sie schon einmal in den Tunneln gesehen; sie war es gewesen, die so beeindruckt von Shikamarus ‚Zaubertrick‘ gewesen war. 

 

„Er hat die Augen eines Engels.“, wisperte das blonde Mädchen ihrer Freundin zu.

 

„Maki-chan.“, tadelte das andere Mädchen unruhig. „Hibari-niisan wird wütend sein.“

 

Maki…?

 

Zumindest wusste er jetzt, wie er die Kleine nennen sollte. Da er seine Aufgabe bereits abgeschlossen hatte, rollte Neji das Papier ein und schob es in seine schwarzbraune Tasche, bevor er sich in einer fließenden und anmutigen Bewegung erhob, die nichts von dem Schwindel verriet, den er verspürte. Er schulterte seine Tasche und schritt hinüber zu der Tür, um sie ganz auf zu schieben – was das kichernde Duo dazu brachte, mit einem gemeinsamen Quietschen in den Raum zu stolpern. 

 

Der Hyūga legte den Kopf schief und sah hinunter, während er in die Hocke ging, um den beiden wieder auf die Füße zu helfen. „Maki-chan, kannst du mich zu Hibari bringen?“

 

Glücklich über die Aufmerksamkeit nickte sie heftig und ihre Locken hüpften in den Bewegungen auf und ab, als sie die Hände in die Hüften stemmte, um die gleiche Naruto-ähnliche Pose einzunehmen, die sie schon einmal angenommen hatte. „Yup!“

 

Neji gestattete sich selbst etwas, das wie er hoffte ein freundliches Lächeln war und bemerkte kaum das Ziehen an seiner Robe, bis ihm klar wurde, dass das andere Mädchen versuchte, unter seinen Ärmel zu sehen. Fragend hob er eine Braue. Sofort errötete das Kind mit dem dunklen Haar und versteckte sich hinter ihrer Freundin. 

 

„Maki hat gesagt, dass er den Beutel unter seinem Ärmel versteckt hat.“, wisperte die Kleine. „Er ist ziemlich trickreich.“

 

Verstehen zog ein ehrlicheres Lächeln auf Nejis Lippen, doch es hielt nicht lange an. 

 

„Er ist klug.“, korrigierte der Hyūga abgelenkt. 

 

„Trickreich zu sein, ist klug.“, sagte Maki mit unerschütterlicher Sicherheit. „Spielt dein Freund dir denn auch Streiche?“

 

Neji zögerte und zog den Kopf zurück, als wäre die Frage etwas Toxisches. Trotz all der Unschuld wühlte sie ungewollte Fragen in ihm auf; keine davon war unschuldig und alle würden wahrscheinlich den Anschein von Kontrolle korrumpieren, den er so mühsam zusammengekratzt hatte. 

 

Streiche…Spiele…

 

Wie Rauch über seinem Verstand kehrte der Geist von Shikamarus Stimme zu ihm zurück; vollkommen verschleiert von Bedeutung.

 

‚Das hier…ist kein…Spiel…‘

 

Neji atmete zitternd aus und erhob sich aus seiner Hocke. Die Signifikanz dieser Worte war ihm nicht entgangen; genauso wenig wie die Frustration, mit der sie ausgesprochen worden waren – geschweige denn, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes in ihn gehämmert worden waren. 

 

Es war kein Spiel. Und es war auch kein Streich. Es gab einfach so viele Dinge, die es nicht war.

 

Aber was es war…

 

„Es ändert nichts…“, murmelte er zu sich selbst und bemerkte nicht, dass Maki ihn mit verstörender Scharfsinnigkeit beobachtete. 

 

„Sei nicht traurig.“, sagte sie strahlend und griff nach seinen Fingern. 

 

Neji blinzelte sich zurück aus seinem glasigen Starren und richtete seine blassen Augen auf das Kind, dann auf seine Finger, die in ihrem Griff gefangen waren. „Was?“

 

„Du hast gesagt, dass dein Freund auf dich acht gibt.“, erwiderte Maki fröhlich; ihre kleine Hand fühlte sich warm gegen seine kalten Finger an. „Das ist es, was Freunde tun!“

 

Neji starrte sie an, vollkommen unfähig, darauf zu antworten. Doch Maki musste sein Schweigen als Zustimmung aufgefasst haben, denn sie lächelte ihn breit an, nahm die Hand ihrer Freundin und zog Neji hinter sich her. Er folgte ihr stumm, während das sanfte Kichern und lebensfrohe Plappern ihm weder ein Lächeln, noch irgendein Geräusch entlocken konnte. 

 

Es war nicht ihr Giggeln, das diesen Schmerz in seine Brust zerrte. 

 

Es war nicht ihr schrilles Geschnatter, das die Kälte in seinen Augen dazu brachte, aufzutauen. 

 

Es war das Echo eines leisen kehligen Lachens, das in seinem Verstand in Rauch und Schatten gehüllt war und durch Bereiche von ihm rollte, die er einst ebenso leer und kalt wie diese Tunnel gehalten hatte. 

 
 

oOo
 

 
 

Der Wald fühlte sich hohl und irgendwie heimgesucht an, jetzt, da die Vögel fort waren. Als wäre etwas hindurchgespült und hatte sowohl Hanegakures Lied, als auch die Gelassenheit des Dorfes verschluckt, um nichts weiter als Leere zurückzulassen. 

 

Die Stille war unheimlich – unnatürlich – als würde der Wald den Atem anhalten. 

 

Shikamaru widerstand dem Drang, genau das zu tun. Er hielt seinen Blick starr nach vorn gerichtet und auf den versteckten Eingang zentriert, zu dem Kitori sie geführt hatte. Obwohl er ihn nicht sehen konnte, wusste er, dass er da war; genau wie die Hütte an den Grenzen des Waldes da gewesen war. Das hier war nur eine weitere Illusion. 

 

„Ladies first.“, sagte Shikamaru ohne irgendeine Art Humor. Seine Augen waren hart wie Stahl, als er mit dem Kopf in Richtung des Eingangs ruckte. 

 

Kitori schoss ihm einen bösartigen Blick zu und spiegelte seine Haltung wider, bis er ihren Schatten losließ und es ihr gestattete, ein Handzeichen zu formen. 

 

„Lösen.“, wisperte sie und deaktivierte das Jutsu, das den Fluchtweg verborgen hatte. 

 

Flackernd kam der Pfad zum Vorschein. 

 

Rasch überprüfte Shikamaru die Umgebung und bedeutete Kitori mit einem weiteren Nicken des Kopfes, weiter voran zu gehen. 

 

Die Kunoichi schniefte verächtlich, fügte sich aber, während sie ihn wütend anfunkelte. Ihr Zorn kümmerte ihn nicht; er prallte vollkommen wirkungslos an seinen Defensiven ab und ließ ihn genauso unberührt, wie er aussah. 

 

„Beweg dich!“, sagte er nur, gelangweilt von dem versuchten Trotz. 

 

Kitori presste die Lippen aufeinander und ein Flackern berührte ihre grauen Augen, von dem Shikamaru wusste, dass es Kalkulation war. Er machte sich keinerlei Illusionen, was das Vertrauen in Bezug auf diese Frau anging, doch im Moment war es unerlässlich, diesen Tunnel so zu präparieren, wie er es brauchte und dann zur Basis zurückzukehren. 

 

„Du kannst niemanden vor sich selbst beschützen, Shikamaru.“

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich angesichts dieses berechneten Stachels, doch sein Blick zuckte vielsagend zur Tür und zurück. „Beweg dich!“

 

Sie befand sich zwar nicht in der Position, irgendetwas Waghalsiges zu tun; doch er war trotzdem darauf vorbereitet. Aufmerksam beobachtete er, wie sie die Tür aufzog. Die Scharniere ächzten protestierend gegen die Bewegung. Während er eine Taschenlampe hervorzog, die er sich von Isuka geliehen hatte, drückte er auf den Knopf und warf den Lichtkegel hinein in den dunklen Tunnel. 

 

Er ließ Kitori zuerst eintreten, bevor er einige Schritte später zusammen mit Chōji folgte. 

 

„Wir versehen unsere Fluchtwege nicht mit Fallen, Shikamaru.“, sagte die Kunoichi mit einem herablassenden Schnauben. 

 

Shikamarus Miene wurde mörderisch; doch nicht wegen ihrer Worte, sondern eher wegen der Tatsache, dass sie sich dazu entschlossen hatte, konsequent seinen Namen zu verwenden – und das mit einem Sinn perverser Vertrautheit, die seine Haut angewidert kribbeln ließ. Er konnte sich nur vorstellen, wie sich Neji wohl gemessen an ihrer Obsession mit ihm fühlen musste. 

 

„Du bist diesmal nicht sonderlich gesprächig, Shikamaru.“

 

Eine Braue des Schattenninjas wanderte nach oben, bevor der Nara stehen blieb und Chōji bedeutete, es ihm gleich zu tun. Der Lichtkegel hörte auf zu schwanken und die Lampe fiel scheppernd zu Boden. Kitori erhielt nicht einmal die Chance, sich umzudrehen. Schatten legten sich um sie und schlossen sich um ihre Kehle, um sie so unnachgiebig an Ort und Stelle festzubinden wie eine mumifizierte Leiche. 

 

„Chōji.“, sagte Shikamaru.

 

„Klar.“ Der Akimichi nickte grimmig und zog ein Paar Handschellen und eine lange Kette aus einer Tasche.

 

Shikamaru überließ es Chōji, sie sorgsam zu fesseln, bevor er sein Jutsu löste. Er ließ sich nicht dazu herab, sich zu Kitori umzudrehen, als sie auf die Knie sackte und heiser hustete, während sie sich die Kehle rieb und einen scharfen Atemzug nahm, der zu einem zischenden Fluch auslief. 

 

„Jo, fang an, durch die Nase zu atmen.“, riet der Nara ihr emotionslos und hob die Taschenlampe auf.

 

Er ließ den Lichtstrahl rasch über die Tunnelwände wandern. Während er die Größe des Durchganges einschätzte, begann er noch einmal von vorn und drehte sein Handgelenk in einer kalkulierenderen Bewegungen, um die Illumination die Wand entlang gleiten zu lassen, bis sie auf eine Treppe traf, die zweifellos zu der Schriftrollenkammer führte. 

 

Da.

 

Shikamaru seufzte und spürte, wie sein Atem als Nebel zurück gegen sein Gesicht schlug; feucht und warm in der kalten Luft des Tunnels. 

 

Kein Zurück…

 

Er ging in die Hocke und griff in seine Ninjatasche, um verschiedene Gegenstände daraus hervor zu ziehen; Explosionssiegel, die lilane Barriereschriftrolle von Hibari und die ölgetränkten Bandagen. Erst als Chōji zu ihm herüber kam, sah er auf; Kitori blieb gefesselt und geknebelt an einer Seite des Tunnels. 

 

„Bereit?“

 

„Ja…“ Shikamaru packte die Taschenlampe und griff nach einem Kunai, während er sich erhob. 

 

Er schwang den dünnen Lichstrahl zu einer Tunnelwand. „Na schön, du musst es bitte so machen, dass es hier heraus führt. Beschreibe einen nicht zu steilen Bogen bis an die Oberfläche.“

 

Er ließ das Licht wieder hinunter auf den Boden fallen und ruckte mit dem Fuß über den staubigen Grund, während er den Lichtkegel den Durchgang entlang und näher dorthin wandern ließ, wo sie eingetreten waren. 

 

Das sollte reichen.

 

Er warf das Kunai, um den Punkt zu markieren. „Da.“

 

Als Chōji keine Antwort gab, spähte Shikamaru mit einem Stirnrunzeln zu ihm hinüber. Doch seine Miene glättete sich, als er den Ausdruck auf dem Gesicht seines Freundes sah. Chōji hatte den Kopf eingezogen und verlagerte sein Gewicht auf eine unsichere Weise von einem Fuß auf den anderen, die Shikamaru nur zu gut kannte. 

 

„Chōji, du kannst das.“

 

Chōji schürzte die Lippen und klopfte unbehaglich mit seiner Faust gegen die Tunnelwand. „Kiba hätte das sicher besser gemacht als ich, weißt du.“

 

Shikamarus Mundwinkel hoben sich, als er sich in Bewegung setzte und eine Hand auf die Schulter des Akimichi legte. „Ich weiß, dass du das kannst.“

 

„Es wird ziemlich laut.“

 

„Kein Problem.“ Shikamaru angelte in seiner Ninjatasche herum und zog eine winzige Schriftrolle hervor, um die eine Kette gewickelt war. Am Ende hing ein silberner Anhänger, der wie eine Musiknote geformt war.

 

Chōji sah nicht überrascht aus – was wiederum Shikamaru überraschte. 

 

„Ein Geräusch unterdrückendes Jutsu.“, erklärte der Schattenninja. 

 

„Das kommt mir bekannt vor.“

 

„Achja? Naja, es sieht wie ein Amulett aus.“, erwiderte er vergnügt und ließ die Kette hin und her schwingen. 

 

Chōjis Augen verengten sich zu Schlitzen und fixierten sich auf die Note. „Wo hast du das her?“

 

„Asuma-sensei hat mir eine ganze Packung von den Dingern gegeben.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und drehte die Rolle über seine Knöchel. „Ino meinte, es wäre ein lausiges Geschenk, aber ich beschwere mich nicht.“

 

„Geschenk…?“ Für einen kurzen Moment sah Chōji seltsam nachdenklich aus, bevor sich seine Augen weiteten, als wäre ihm gerade ein Licht aufgegangen. „Also so hast du es geschafft, die komplette gemeinsame Party letztes Jahr durchzuschlafen.“

 

Shikamarus Augen wurden rund. 

 

Aufgeflogen.

 

Er winkelte seufzend seinen Arm hinter dem Kopf an und sah irgendwie beschämt zur Seite weg, während er murrte: „Hn. Wie lästig.“

 

„Ino hat glaube ich volle fünf Minuten durchgehend geschrien, aber du hast nicht einmal gezuckt.“, kicherte Chōji über die Erinnerung. „Kiba dachte du wärst bis zur Bewusstlosigkeit besoffen. Vielleicht sogar unter Drogen.“

 

Shikamarus Lippen bogen sich und seine Braue wanderte amüsiert nach oben. „Achja? Er denkt auch, dass ich angefangen habe zu rauchen, also heißt das nicht viel.“

 

„Dir ist schon klar, dass du damit dieses Jahr nicht davon kommen wirst.“

 

„Mann, das nervt. Vielleicht lass ich mich dann freiwillig in die Luft jagen.“

 

Die Kindheitsfreunde tauschten ein leises Lachen aus, das etwas von der Furcht und dem Zwiespalt lockern konnte, die sich wie Dornen im Inneren des Schattenninjas drehten. Es war eine mehr als nötige Atempause, von der er wusste, dass er sie die nächsten Stunden sicher nicht bekommen würde. Auf jeden Fall war es nicht mehr als eine kurze Verschnaufpause. Die Zeit würde sicher nicht wegen der Vergangenheit und ihrer Erinnerungen anhalten. 

 

Die Zahnräder in Shikamarus Verstand bewegten sich in dem Moment, als sein Lächeln verschwand. 

 

Konzentration legte sich über seine Augen und machte sie erneut messerscharf und kalkulierend. 

 

„Lass uns das hinter uns bringen.“

 
 

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„Wenn das hier vorbei ist, dann begebe ich mich sofort auf eine Solomission zu Ichiraku.“

 

„Guter Plan, wenn du nicht von deinen kleinen orangenen Kumpels einen eingeschenkt bekommst, Turteltaube.“

 

„Achja? Na dann hoffe ich mal, dass wenn sie mich schon zu Tode picken, sie mich dann hinterher auf dich auskacken.“

 

„Würdet ihr beide aufhören?“, grummelte Sakura zwischen ihren Fingern hindurch. Sie hatte ihr zornig verzogenes Gesicht in einer Hand vergraben. „Im Ernst, das ist so widerlich.“

 

„Ich würde es eher Karma nennen.“ Naruto zuckte mit den Achseln. „Kiba bringt Akamaru die ganze Zeit dazu, auf Leute zu strullen, also ist es nur fair, dass er auch derjenige ist, auf den geschissen wird.“

 

Kiba fiel die Kinnlade nach unten. „Karma am Arsch.“

 

Hibari hielt mit seinem Glas Saft halb zu seinen Lippen inne. „Also war es dein Hund, der auf mein Schwert gepisst hat?“

 

„Na klar.“ Kiba grinste. „Und dabei hast du damit herumgefuchtelt wie mit einem Schlagholz. Gut gezielt würde ich sagen, oder?“

 

„Man, das klingt so falsch.“, kicherte Naruto, bevor er auch schon aufkreischte, als Sakura ihm am Arm einen Pferdekuss verpasste. Der heftige Schlag stieß ihn gegen Lee. 

 

Sofort fing Lee ihn auf. „Es ist nichts falsch daran, gut zu zielen, Naruto-kun.“

 

Naruto und Kiba brachen in schallendes Gelächter aus.

 

Hibari konnte wegen dieser Interaktion nur eine Braue heben und spähte zu Neji hinüber. 

 

Doch der Hyūga schüttelte nur in einer stummen Bitte den Kopf, die anmutig vermittelte: Zieh mich bloß nicht in diese verkommene Idiotie mit rein.

 

Während Neji nur mit halbem Ohr dem absurden Geplänkel folgte, blieb er vollkommen davon distanziert. Es flog einfach nur unzusammenhängend über den Tisch hin und her und wurde immer wieder von unangenehmem Schweigen unterbrochen. Schweigen, in denen er sich sicher war, dass sich die meisten Augen des Konoha Teams auf ihn richteten. Energisch lenkte er sich davon ab, indem er die Strategie durchlas, die Shikamaru über die ausgebreitete Karte gekritzelt hatte. Während alle aus dem Team sie bereits durchgesehen hatten und wussten, wo ihre Positionen waren und was für Ausrüstung sie brauchten, gab es immer noch ein paar Punkte, die detaillierter geklärt und bestätigt werden mussten. 

 

Wo bist du, Nara?

 

„Hey Chōji, ist Shikamaru verloren gegangen, oder was?“, fragte Kiba. 

 

Die Worte zogen Nejis Blick über den breiten Tisch und fort von der Karte. Kibas Füße lagen weiterhin auf der Kante und der Hundeninja saß auf seinem kippelnden Stuhl, die Hände in einer blasierten Manier hinter dem Kopf gefaltet, die in hartem Kontrast zu dem wilden Glühen in seinen Iriden stand. 

 

Die tiergleichen Augen verengten sich minutiös, als sie über den Tisch hinweg auf Nejis Blick trafen. 

 

Neji erwiderte das Starren und sein Stolz trieb ihn dazu, Kiba regelrecht nieder zu stieren. Allerdings war es die Anstrengung nicht wert, die für diese sinnlose Herausforderung nötig wäre. Er brauchte schon genug Energie, um den Schwindel zu bekämpfen und den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren. Er beendete das Duell ohne aufzugeben und indem er sich für eine ‚Da stehe ich drüber‘-Taktik entschied, die seinem vermittelten Bild von Arroganz entsprach. Zu solch einem Punkt war es besser, vorhersehbar zu erscheinen – besonders wenn man bedachte, wie wechselhaft er gerade unterhalb der Oberfläche war. 

 

Neji wandte seine Aufmerksamkeit Chōji zu, als der Akimichi antwortete. 

 

„Er wollte noch etwas aus dem Sanitätsraum holen.“

 

Nejis Inneres verkrampfte sich. 

 

„Geht es ihm gut?“, fragte der Hyūga in neutralem Ton. 

 

Kiba schnaubte. Sakura warf ihm einen warnenden Blick zu.

 

Chōji bewegte sich unbehaglich unter dem Gewicht der wachsenden Spannung, die sich zwischen den Freunden und Kameraden ausbreitete. „Ja schon, ich glaube, er hat nur Kopfschmerzen.“

 

„Ach sag bloß.“, murrte Kiba mit seinen Augen fest auf Neji fixiert. 

 

Fragend runzelte Hibari die Stirn und folgte dem Ganzen schweigend, während er an seinem Saft nippte. Nejis Gesicht wurde hart wie Granit, doch bevor er auch nur versuchen konnte, diese Situation zu konfrontieren und richtig zu stellen, ergriff Naruto das Wort. 

 

„Kiba, lass den Scheiß.“, knurrte der Uzumaki und überraschte Neji vollkommen mit dieser unerwarteten Verteidigung. „Das hilft uns nicht weiter.“

 

„Was auch immer.“, schnappte der Inuzuka, sagte sonst aber nichts mehr, auch wenn seine scharfen Iriden weiterhin auf Neji gerichtet blieben. 

 

Geflissentlich ignorierte der Hyūga das Starren und war deutlich weniger genervt von Kiba als von Akamaru. Der Hund hatte den Kopf auf seinen großen Pfoten abgelegt und die goldenen Augen wieder einmal ihm zugewandt. Und um alles noch schlimmer zu machen, wirkte Akamarus Blick nicht einmal aggressiv; wenn überhaupt, dann hatte sich das Fell über seiner Schnauze zu etwas zusammengezogen, das nur als animalischer Ausdruck von Besorgnis gedeutet werden konnte. 

 

Der Hund winselte leise und zog Kibas Aufmerksamkeit auf sich. Auch Hinata sah herüber und fing beinahe Nejis Blick auf. 

 

Energisch hielt Neji seinen Fokus auf Chōji gerichtet. „Vielleicht sollte ihn jemand suchen.“

 

„Nah.“ Kiba legte den Kopf schief und schnüffelte in die Luft. „Nicht nötig.“

 

„Sollte ich mich beleidigt fühlen?“ Shikamarus Stimme schwebte in den Raum, wenige Momente bevor der Schattenninja folgte. 

 

Kiba grinste. „Du riechst nach Krötenöl.“

 

„Es gibt schlimmere Dinge, nach denen man riechen kann.“ Der Nara zuckte mit den Achseln und kam zu dem Tisch herüber, um einen Stuhl neben den von Chōji zu ziehen. 

 

„Ja, zum Beispiel Zigaretten.“

 

„Hn, witzig.“

 

Neji sah auf, ohne den Kopf zu heben oder zu drehen, um seine Augen kritisch über Shikamaru wandern zu lassen und nach irgendwelchen Anzeichen für Verletzungen zu suchen. Der Schattenninja stellte einen Ellbogen auf dem Tisch ab und legte mit gesenktem Blick die Finger an seine Schläfe. 

 

„Na schön, passt jetzt bitte alle gut auf.“

 

Beinahe sofort klatschte Naruto seinen Handrücken mit einer Geste auf die Karte, die eindeutig Missbilligung und Ablehnung ausdrückte. „Shikamaru, du hast unserer Widerstandsgruppe einen total beschissenen Namen gegeben.“

 

Shikamaru blinzelte. „Bitte was?“

 

Naruto zog die Brauen zusammen und klopfte mit einem Fingerknöchel auf das gekritzelte Wort auf einer Seite der Karte. „Was zur Hölle soll das heißen? Ausgerüstet, rabiat und treffsicher, oder was? Dein Ernst?“

 

Neji schloss in beherrschter Verzweiflung die Augen. 

 

Kami, gebt mir Kraft…

 

„Das ist kein Akronym für eine Widerstandsgruppe, Naruto.“, erklärte Neji leise. 

 

„Akro- was?“

 

„Es ist kein Gruppenname.“, klarifizierte Kiba. 

 

„Na hoffentlich nicht, weil ART ist nicht wirklich furchteinflößend.“

 

„Das sind die drei Teams, du Volltrottel.“, schnaubte Sakura, obwohl sie so aussah, als versuchte sie nicht zu lachen. 

 

Naruto verzog das Gesicht und zog seine Hand von dem gekritzelten Wort auf der Karte zurück. „Eh? Aber was…?“

 

Lee streckte enthusiastisch die Hand über den Tisch und deutete auf jeden einzelnen Buchstaben. „Team Aviarium, Team Rebellen und Team Tempel. ART.“

 

„Ooooh, verstehe.“

 

„Genie bei der Arbeit, hm?“, grinste Kiba. 

 

„Halt die Schnauze, Scheißemagnet. Nummern hätten viel mehr Sinn gemacht.“

 

Shikamaru fuhr sich mit einem Finger über die Braue. „Auf die Weise wirst du es dir besser merken, glaub mir.“

 

„Und denk auch daran“, warnte Hibari, „dass ich mich daran erinnern werde, wie oft du mich geschlagen hast, wenn du auch nur einen dieser Vögel verletzen solltest.“

 

„Hey, wir sind quitt.“, murrte Naruto. „Wenn man bedenkt, dass du mich verfickt nochmal ausgeknockt hast!“

 

Neji hob eine Braue. 

 

Wann ist das denn passiert?

 

„Dann sind wir beinahe quitt.“, erwiderte Hibari. 

 

„Ja, wenn du ihn nochmal schlägst, dann begleicht das die Rechnung.“, fügte Kiba vollkommen überflüssig hinzu.

 

Hibari nickte. „Das klingt gerecht für mich.“

 

Naruto wurde knallrot, bevor er in die Luft ging. „Das von dir war quasi ein total unfairer Schlag unter die Gürtellinie. Du hast mich ausgeknockt, als ich dir den Rücken zugedreht hatte!“

 

„Und du mich, als ich mich nichtmal rühren konnte.“

 

„Das zweite Mal habe ich nichtmal auf dich gezielt!“

 

„Was mir sagt, dass der Hund deines Kumpels besser im Zielen ist als du.“, erwiderte Hibari erhitzt, auch wenn er trotz seines Zorns widerwillig amüsiert aussah. „Was mir die Frage aufdrängt, was zur Hölle du bei so einer misskalkulierten Zielsetzung eigentlich in dem Aviarium treffen wirst, wenn ich dich da rein lasse?“

 

Naruto sah aus, als würde er jeden Moment in Flammen aufgehen. 

 

Kiba schnaubte, während er ein Lachen unterdrückte und dem vor Wut überschäumenden Uzumaki zuzwinkerte. „Vielleicht solltest du einfach die Vögel ins Visier nehmen und dann triffst du ganz bestimmt den Feind.“

 

Hibaris Humor begab sich in einen augenblicklichen Sturzflug. „Das ist ungefähr so lustig wie dein Gesicht aussehen wird, wenn du noch einmal Witze darüber machst, unsere Vögel zu verletzten.“

 

Kibas Augen blitzten auf. 

 

Neji starrte ausdruckslos auf dieses surreale und äußerst lächerliche Wortgefecht, das über den Tisch hinweg abgefeuert wurde. Unauffällig spähte er zu Shikamaru hinüber. Der Schattenninja knetete sich einfach nur mit Daumen und Zeigefinger die Schläfen, während er irgendetwas leise vor sich hinmurmelte. 

 

Nejis Besorgnis hätte sich beinahe auf seinen Zügen bemerkbar gemacht, doch rasch entschied er sich für eine produktivere Reaktion und machte Anstalten, diese sinnlosen Streitereien zu beenden. Er schnitt Kibas Antwort ab und zog eine gelassene aber eiskalte Maske über sein Gesicht. 

 

„Wir verstehen und respektieren die Bedeutsamkeit der Vögel, Hibari.“, sagte Neji und seine tiefen Töne trugen eine zielsichere Ruhe in sich, die sich bis an jedes Ende des Tisches ausbreitete und augenblicklich Naruto und Kiba auf ihren Stühlen zum Schweigen brachte. „Sie werden nicht verletzt werden.“

 

Shikamarus Finger zuckten an seiner Schläfe; es war eine kleine Bewegung, die sofort Nejis Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Nara beobachtete ihn zwischen seinen Fingern hindurch und mit einem undeutbaren Ausdruck auf den Zügen. Die unmittelbare Anziehungskraft dieser dunklen Augen brachte Neji dazu, als erster den Blick abzuwenden. 

 

„Hibari.“, ergriff Sakura das Wort und sah dabei ein bisschen nervös aus. „Wie genau soll Team A deinen Vogel einfangen?“

 

Naruto schnaubte und kratzte sich an einem Mundwinkel, um sich vom Grinsen abzuhalten. „Du meinst wohl eher, wie Shikamaru ihn einfangen wird.“

 

Kiba kicherte. „Bitte sag, dass er es mit einem Netz macht. Ich würde morden, um das sehen zu können.“

 

Shikamaru warf dem Inuzuka einen äußerst flachen Blick zu. „Mit Hibaris Blut.“

 

„Und so wie es aussieht brauchst du eine ganze Menge davon, huh?“, murrte Hibari, doch ein Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln. 

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Hilft nichts.“

 

„Was meinst du?“ Sakura runzelte die Stirn und sah zwischen den beiden hin und her. 

 

„Wir brauchen Hibaris Blut, um den Vogel zu Shikamaru zu locken.“, erklärte Neji. „Und um Zugang zum Tempel zu erhalten.“

 

Der Nara und sah auf einmal abgelenkt aus. „Darum geht es, ja.“

 

Neji blieb keine Zeit, um herauszufinden, was los war, denn in diesem Moment wandte sich Hibari ihm zu. 

 

„Vorausgesetzt, wir setzen Ozuku außer Gefecht, Hyūga“, begann der Tsubasa, „ab der Sekunde, in der ich mit diesem Jutsu verbunden sein werde, wird es an dir sein, die Schriftrollenkammer zu erreichen und Ozukus Ratgeber vor einer Flucht aufzuhalten. Sie zu stoppen ist noch wichtiger, als meinen Onkel aufzuhalten.“

 

Neji summte leise, hielt den Blick aber weiter auf Shikamaru gerichtet. „Verstanden.“

 

„Neji“, sagte Shikamaru ohne ihn anzusehen, „vergiss nicht, dass du Ozukus Blut brauchen wirst, um die Schriftrollenkammer betreten zu können.“

 

„Das wird mit Sicherheit kein Problem sein.“, erwiderte Neji bescheiden und sein Tonfall ließ keinerlei Zweifel daran, dass er seine Worte ernst meinte. 

 

Naruto schnitt eine Grimasse. „Was soll das nur mit all dem Blut?“

 

Hibari lief mit seinen Fingern über die Karte und tippte auf die Skizze des Tempels. „Innerhalb des Tempels wird Blut genutzt, um die Räume zu versiegeln und Zugang zu ihnen zu bekommen. Außerdem kommt es zum Einsatz, wenn wir die Verbindung mit unseren Vögeln eingehen. Wie ein Blutpakt.“

 

„Ah ich verstehe.“ Narutos Augen leuchteten auf. „Wie bei dem Jutsu des vertrauten Geistes, oder?“

 

„Ähnlich, aber ohne die Signatur auf einer Schriftrolle. Mein Vogel kennt mein Blut. Sie haben sie mir weggenommen und halten sie in dem Aviarium gefangen, seit ich mich gegen sie gestellt habe.“ Hibari lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und das Laternenlicht schimmerte auf den geflügelten Amuletten um seinen Hals. „Niemand hat es jemals geschafft, das Gedankenübertragungsjutsu bei ihr anzuwenden. Sie reagiert einzig und allein auf mich.“

 

„Ziemlich beeindruckend.“, sagte Kiba ernst.

 

„Das ist sie.“, murmelte Hibari und seine Lippen bogen sich sanft. 

 

Neji sah quer über den Tisch, als Kiba den Kopf zur Seite legte und Hibari mit einem Ausdruck musterte, der Respekt sein könnte; er schien Verständnis für den Tsubasa zu haben. 
 

„Was für eine Art ist sie?“, fragte der Inuzuka und ließ unbewusst eine Hand sinken, um Akamarus Kopf zu kraulen. 

 

„Ein Steinadler.“, antwortete Hibari und versuchte nicht einmal, seinen Stolz zu verbergen. „Ein verehrtes Tier. Selbst von den anderen Vogelarten.“

 

„Daher auch unsere Strategie.“, erinnerte sie Shikamaru und richtete sich etwas auf, um seine Finger vor sich in seiner üblichen taktierenden Pose aneinander zu legen. 

 

Die Geste zog eine sofortige Veränderung in dem Kreis der Shinobi nach sich. Die Luft schien einen scharfen Schliff anzunehmen und der Fokus veränderte sich, als sich sämtliche Aufmerksamkeit augenblicklich auf den Nara richtete. 

 

Nejis Lippen zuckten mit dem geringsten Hauch eines Lächelns.

 

Er fragte sich, ob es sich dabei um eine kalkulierte Bewegung vonseiten des Schattenninjas handelte, oder ob es eine vollkommen unterbewusste war. Es war immer schwer, solche Kleinigkeiten festzustellen, wenn es um jemanden ging, der stets so viele Schritte voraus war. Es war, als würde es dem Nara nur in die Karten spielen, wenn man rannte und versuchte, zu ihm aufzuholen. 

 

Und es geht los.

 

Shikamaru enttäuschte ihn nicht und fing ohne Umschweife an. „Kiba, wenn du mit deiner Aufgabe anfängst, dann denk daran, den Durchgang so breit wie möglich zu machen. Es ist eine ganze Menge, um was du dich da kümmern musst.“

 

Kiba rieb über Akamarus Ohr. „Ich liebe Nasenbluten.“

 

„Wirst du es schaffen?“

 

„Scheiße, na klar, ich pack das!“

 

Shikamaru nahm ihn beim Wort und sein Blick zuckte zu dem Uzumaki. „Naruto? Die Rebellen werden ihren Teil beitragen, aber du musst das Aviarium mit deiner offenen Finte hart treffen. Also mach was draus!“

 

„Verstanden und verlass dich drauf!“

 

Shikamaru wartete auf irgendwelche Fragen, doch es kamen keine. Neji sah ihm zu, wie sich seine Augen Hinata zuwandten. Und hier begannen die Finger des Nara – obwohl noch immer in einem Kreis an den Fingerspitzen zusammengelegt – leicht zu zucken. Sein taktierender Verstand arbeitete in einer Geschwindigkeit, die Neji nur sehr vage einschätzen konnte. 

 

„Hinata, du bist sowohl unsere Augen, als auch unsere Ohren. Bleib also weit außerhalb der Reichweite und stell sicher, dass du ein Funkgerät für alle Teams hast.“ Shikamaru nickte in Richtung der Karte. „Ich muss wissen, dass wir alle synchron operieren und das zu jeder Zeit. Wenn Neji also das Signal gibt, dann muss mein Team das sofort wissen.“

 

Hinata nickte. „Ich verstehe.“

 

„Gut. Isuka wird uns durch die Veterinärpraxis Zugang zum Dorf beschaffen.“ Geduldig wartete Shikamaru auf Hibaris bestätigendes Nicken. „Stellt sicher, dass die Rebellen mit den übertragbaren Wasserfeld-Schriftrollen ausgestattet sind.“

 

„Schon geschehen.“, versicherte Hibari. „Team R ist bereit.“

 

„Sehr gut. Team T. Lee, Chōji.“ Er sah einen nach dem anderen an. “Die Tempel Shinobi sind eure Aufgabe.” Erneut wartete Shikamaru auf das Nicken, bevor er langsam einatmete. „Sakura, während die beiden alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, musst du dafür sorgen, dass es alle wirkenden Shinobi und Kinder sicher aus dem Tempel schaffen. Unterstütze aber auch Neji und Hibari, wenn sie es brauchen sollten.“

 

Die Kunoichi nickte scharf. „Verstanden.“

 

Shikamaru hielt inne und senkte seine Augen hinunter auf die Karte; nur ein Blick davon entfernt, seine Aufmerksamkeit auf Neji zu richten. Automatisch spannten sich sämtliche Nerven des Hyūga an und seine Muskeln stählten sich…doch seine Augen schafften es nicht, sich mit schützendem Eis zu überziehen. 

 

Er war dem Weg von Shikamarus Blick über die ganze Gruppe gefolgt und hatte sich gefühlt, als hätte er der Flugbahn einer Waffe nachgesehen; einer Waffe, die einen gefährlichen gebogenen Pfad beschrieb – direkt auf ihn zu. Er wusste nur zu gut, dass er die gerissene kluge Macht in diesen Augen nicht unterschätzen durfte…doch jetzt im Moment und nach allem, was in der Spanne weniger gestohlener Stunden geschehen war, hielten diese Augen eine völlig andere Art der Macht in sich. Denn noch viel verheerender als ihre Fähigkeit, in zu dechiffrieren, war ihre Kraft, ihn vollkommen zu entwaffnen. Das letzte Mal, als er in diese dunklen Seen geblickt hatte, war ihm bewusst geworden, dass jeder Zorn, den sie vielleicht in ihm provozierten, niemals auch nur annähernd genug sein würde, um ihn von dem Schmerz ablenken zu können, den er jetzt verspürte. 

 

Der Schmerz war stärker als der Zorn; und vielleicht sogar stärker als die Angst. 

 

Kummer und Traurigkeit verkeilten sich hart und schwer in Nejis Brust und brachten den Schmerz in seiner Brust dazu, immer weiter anzuschwellen. 

 

Fuck…

 

Seine Finger verkrampften sich auf seinen Schenkeln und beinahe beugte er sich vornüber, als wäre er vollkommen außer Atem und erschöpft.

 

Akamaru und Hinata sahen zu ihm herüber, als er sich so unbemerkt wie möglich aufrichtete. 

 

Gott, konzentrier dich einfach…nur ein bisschen länger.

 

Distanz und Gefasstheit waren jetzt entscheidend. Und als Shikamaru endlich sein Kinn hob, war Nejis Gesicht ebenso geschützt und verschlossen, wie es immer gewesen war. 

 

Doch obwohl Shikamaru den Kopf drehte; er hob nicht für eine Sekunde die Augen zu ihm. 

 

„Neji…“, sagte der Schattenninja schließlich und schaffte es, sein Zögern als nachdenkliche Pause herunterzuspielen. „Sobald du Ozukus Blut hast, werden sich seine Ratgeber in Bewegung setzen, um den Fluchtweg zu nutzen. Du musst schnell sein.“

 

Neji musterte ihn eindringlich, bevor er antwortete. „Dieser Fluchtweg; hat Kitori euch gesagt, wo er zu finden ist?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Sie hat zwar bestätigt, dass er existiert, aber wir konnten ihn nicht rechtzeitig lokalisieren. Du musst ihn einfach schneller erreichen, als sie ihn verlassen können.“

 

Neji schürzte die Lippen. 

 

Na super.

 

Schmerz stach sich durch seinen linken Arm und schoss bis hinauf in seine Schulter. 

 

Er wollte schon eine Hand zu seiner Brust heben, hielt sich aber noch rechtzeitig davon ab und legte sie stattdessen auf dem Tisch ab. 

 

Steif und abgehackt nickte er. „Also gut.“

 

Shikamaru hielt seinen Blick noch immer abgewandt, doch seine Stimme war klar und direkt. „Wir müssen uns jetzt in Bewegung setzen; bevor sie uns mit ihrem Jutsu treffen können. Hast du dir das Tattoomuster gemerkt?“

 

„Ja.“

 

„Dann gibt es nichts mehr zu sagen.“

 

„Na dann mal los!“ Naruto kam mit einem entschlossenen Grollen auf die Füße und rieb sich mit dem Daumen über das Kinn; seine blauen Augen glühten vor Überzeugung. „Lasst uns das ein für allemal erledigen!“

 

Neji registrierte all die sich hebenden und zuversichtlichen Gemüter und Köpfe, die sich Naruto zuwandten. 

 

Alle bis auf einen. 

 

Shikamaru sah niemals auf. 

 

Der Schattenninja neigte seinen Kopf hinunter in die Stütze seiner Hand, als wäre er zu schwer, um ihn tragen zu können…und schloss die Augen.

 

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Dieses Kapitel war auch wieder gar nicht so einfach zu schreiben. Vor allem die Szene zwischen Neji und Hinata hat mir emotional viel abverlangt. Ich hoffe sehr, dass es euch gefallen hat! :) Über ein paar Meinungen würde ich mich wieder sehr freuen! <3

The battle of Hanegakure

‚Oh bitte. Wenn du mir jetzt weismachen willst, dass du nicht in der Lage bist, ein Messer hinter einem Lächeln zu verstecken, Shikamaru, dann muss ich dich leider einen Lügner nennen. Und wenn du mir sagst, dass du es nicht tun würdest, dann werde ich dich stattdessen einen Feigling nennen.‘

 

Shikamaru neigte sein Handgelenk und beobachtete, wie Hibaris Blut in der dünnen Phiole vor und zurück schwappte, die er zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Temaris Worte sickerten unaufhaltsam durch die Risse in seiner Konzentration und waren in ihrer Bedeutung noch dunkler als Blut. 

 

Er hätte nichts dagegen, eher ein Feigling als ein Lügner genannt zu werden. Diesmal nicht. Doch er besaß nicht den Luxus irgendeiner Wahl. Nicht mehr. Shikamarus Brauen zogen sich zu einer düsteren Miene zusammen und seine tiefen Mahagoni Augen erweichten sich zu einem brandyfarbenen Glühen, als sie das Zucken einer Flamme auffingen, die auf dem Docht tanzte. 

 

Diesmal…bin ich so oder so ein Lügner…egal, ob ich renne oder still stehe…

 

„Shikamaru.“

 

Seine Hand hielt in der müßigen Wippbewegung inne und das Blut sammelte sich in einem Ende der Ampulle. Langsam hob der Nara den Blick, als zwei Schatten auf den Tisch fielen und das dämmrige Kerzenlicht verdeckten, in das er getaucht war. 

 

Grasgrüne und lavendelblasse Augen sahen ihn durchdringend an. 

 

Er schob den schmalen Behälter in eine der Taschen seiner Flakjacke. „Ihr wisst beide, worum es hier geht.“

 

Die beiden Kunoichis tauschten einen Blick aus, bevor sie ihn mit einem gleichermaßen besorgen Ausdruck bedachten. Der Nara beobachtete, wie sich Sakuras Lippen ein paar Mal öffneten und zusammenpressten und kaum das zurückhalten konnte, von dem er sich sicher war, dass es ein Protest sein würde. Die Worte bereits erahnend hob Shikamaru eine Braue und forderte sie damit unmissverständlich auf zu sprechen. Er hatte sich bereits mit einer Antwort bewaffnet. 

 

„Shikamaru, ich kann dich das jetzt nur noch ein letztes Mal fragen.“, begann sie ernst, doch es trug kaum etwas dazu bei, die Sorge in ihrer Stimme zu verschleiern. „Bitte; mach es nicht auf diese Weise!“

 

Shikamarus Antwort bestand nicht aus Worten. Taten sprachen immer lauter – vor allem wenn man bedachte, dass sie das einzige waren, wodurch er einen klaren Kopf behalten konnte. Er legte seine Finger auf zwei identische Karten, die beide mit roten Kreuzen markiert waren und schob sie ihnen entgegen. 

 

Wispernd glitt das Papier über den Tisch. 

 

Hinata nahm einen der Pläne ohne ein Wort auf und studierte aufmerksam die markierte Zone. Doch Sakura starrte einfach nur auf das andere Blatt und ihr Zögern hing noch immer unbehaglich und angespannt über ihr. Shikamarus Augen zuckten nach oben und der Blick, mit dem er sie bedachte, war ebenso gestählt wie verstörend. Da sie von diesem unnachgiebigen und harten Starren festgepinnt wurde, gab sie letztendlich nach und griff nach der Karte, um sie zu überfliegen. 

 

Mach das nicht noch schwerer.

 

Schweigend sah er den beiden einen Moment lang zu. „Das Signal für euch beide wird sein, wenn ich euch sage, dass ihr euch zu der roten Zone begeben sollt. Sie ist auf der Karte eingezeichnet. Dort muss es passieren und ihr müsst euch beide ohne irgendwelche Umwege dorthin begeben, sobald ich euch kontaktiere.“

 

Hinata erwiderte nichts – was allerdings durchaus etwas aussagte. 

 

Shikamaru musterte sie und suchte ihr Gesicht nach irgendwelchen Unsicherheiten oder Widerwillen ab. Allerdings fand er nichts weiter als Resignation und kaum verhohlenen Kummer. Rasch wandte Shikamaru den Blick ab und richtete seine Aufmerksamkeit auf Sakura. Die pinkhaarige Kunoichi, die widerstrebend ihre Fersen in den Boden zu graben schien, beschwerte sich nicht, außer, dass sich ihre Stirn in Falten legte. 

 

„Ich verstehe.“, sagte sie nur. 

 

Hinata nickte. 

 

Ein letztes Mal sah Shikamaru von einer zur anderen.

 

„Wir werden da sein, Shikamaru.“ Sakuras Tonfall wurde etwas weicher, schaffte es aber nicht, die Sorge aus ihrem Gesicht zu wischen. Doch ihre Augen hielten ernst dieses Versprechen; und es war stärker als ihr Widerwillen. 

 

Shikamaru wandte den Blick ab und starrte für einen langen harten Moment auf den Boden. Und dann ruckte er mit seinem Handrücken über die Kerze auf dem Tisch und löschte dadurch die Flamme. 

 

Alle Steine würden an ihrem Platz sein. 

 

Das war alles, was er wissen musste. 

 
 

oOo
 

 
 

Eine Stunde vor Mittag machten sich die Teams auf den Weg. 

 

Sowohl mental als auch physisch auf den bevorstehenden Kampf eingestimmt vibrierte Spannung durch Sehnen und summte in der kalten Luft der Tunnel um die sich bewegenden Körper herum. Es war eine Mischung aus Furcht und Adrenalin; doch die Nerven begannen langsam, sich zu beruhigen, während die Shinobi Blicke und Geplänkel austauschten, um Unterstützung anzubieten und Stärke zu teilen. 

 

Schon sehr bald würden sich die Wege der Gruppen trennen. 

 

Zusammenarbeit und Vertrauen waren nun unabdingbar. 

 

An der Spitze übernahmen Shikamaru und Hibari die Führung und sprachen leise miteinander, um letzte Details zu bestätigen. Statt sich an der Diskussion zu beteiligen hielt sich Neji neben Lee und verlängerte seine Schritte, als ihn der Enthusiasmus des anderen Ninja dazu trieb, schneller zu laufen. Glücklicherweise hatte man keinerlei Fragen mehr an ihn gerichtet; nur gelegentliche sorgenvolle Blicke. 

 

Neji hielt seinen Fokus stur nach vorn kanalisiert. 

 

Er bewegte sich zielstrebig und sein glasiges Starren war das einzige Indiz dafür, dass sein Verstand nicht ebenso präsent war wie sein Körper. Sollte Lee irgendetwas bemerkt haben, hatte er sich dazu entschieden, nichts zu sagen; was Neji vermutlich zu schätzen gewusst hätte, wenn er sich denn seiner eigenen Transparenz bewusst gewesen wäre. Die einzige Sache, der er sich bewusst war, war die Notwendigkeit, diese Mission abzuschließen. 

 

Diese Mission darf auf keinen Fall scheitern.

 

Immer wieder ließ Neji diesen Befehl in seinem Hirn abspulen, schickte ihn energisch in jeden schmerzenden Punkt seiner Brust und trieb sich selbst unbarmherzig durch die ziehende Qual. Schon bald wurde die Prozession der Ninjas langsamer und die Geschwindigkeit lief träge zu einem Halt aus, als sie sich einer Tunnelgabelung näherten. 

 

„Gute Arbeit.“, erscholl Shikamarus Stimme von weiter vorn. „Bist du okay?“

 

Ein gedämpftes Grummeln war die Antwort. 

 

Neji spähte zu Lee und ein subtiles Heben seines Kinns bedeutete dem grüngekleideten Ninja, sich weiter nach vorn zu bewegen. Beide Ninjas traten aus der Linie und begaben sich bis zur Spitze der Gruppe, wo sich das Konoha Team in einem losen Ring eingefunden hatte.

 

Nejis Augen richteten sich auf Sakura, die neben einem zusammengesackten und schmutzigen Kiba hockte. Der Inuzuka hatte den Kopf in den Nacken gelegt; sein Gesicht war mit Erde und Staub verschmiert. Immer wieder zog er die Nase kraus, um das Bluten einzudämmen. 

 

Akamaru stupste seinen Kiefer an. 

 

„Kommst du klar?“ Shikamaru stand an einer Seite des Tunnels, die Hände in den Taschen vergraben und die Hüfte eingeknickt. Seine scharfen Augen verengten sich, während sie über den Hundeninja wanderten. 

 

Kiba nickte und tätschelte mit der freien Hand Akamarus Flanke, als sich der Hund schützend über ihn stellte. Ein knurrendes Winseln des Vierbeiners begleitete Kibas Stimme, als er sprach. „Jo. Ihr könnt dann los.“

 

Shikamaru sah zu Sakura, woraufhin die Kunoichi nur nickte und ihre Hände zusammen führte, um einen Schwall kurativen Chakras auf Kiba zu übertragen. 

 

„Halt still.“, sagte sie. 

 

„Pfft.“ Naruto stemmte die Hände in die Hüften und grinste zu dem Inuzuka hinunter. „Was hat Hibari nochmal darüber gesagt, dass dein Gesicht lustig aussehen wird?“

 

Kiba streckte als Antwort darauf nur den Mittelfinger nach oben. 

 

„Genau die Art Kameraderie, die wir brauchen.“, murmelte Hibari und nickte Shikamaru zu. „Ich schätze mal, dass sich unsere Wege hier trennen. Denk daran, dass sie dich angreifen wird, sobald sie bemerkt, dass es nicht ich bin; also sieh zu, dass du dich schnell bewegst.“

 

Der Schattenninja neigte kaum merklich den Kopf. „Jo.“

 

Neji spähte im selben Moment hinüber, als sich Shikamarus Augen hoben. Ihre Blicke kollidierten miteinander; die Anziehung zwischen ihnen traf ihn mit einer tektonischen Wucht. Neji spürte sie in seinem Blut und bis in seine Knochen. Als würden seine Rippen ihre Position verändern; als drückten sie sich heftig gegen die Kraft der Zurückhaltung, während er sich steif aufgerichtet hielt. 

 

Shikamarus Kiefer verkrampfte sich so sehr, dass es aussah, als hätte er starke Schmerzen. Dann schloss er die Augen und wandte sich als erster ab. „Lasst uns gehen. Team und A und R; kommt mit mir. Lasst eure Funkgeräte an und sorgt dafür, dass sie immer richtig eingestellt sind. Hinata ist auf allen Kanälen erreichbar.“

 

Nejis Augen verweilten länger auf dem Schattenninja als es sicher oder vernünftig war. Sein Blick wurde erst durch die Bewegungen von Körpern unterbrochen, als sich die Teams mobilisierten und in zwei Reihen aus Shinobis aufteilten, die separaten Tunneln folgten. 

 

Pass auf dich auf, Nara…

 

Er spürte Hibaris Hand auf seiner Schulter. „Bereit, Hyūga?“

 

Nejis Antwort bestand darin, sich in Bewegung zu setzen. 

 

Er lief neben Hibari her und übernahm die Führung von Team T, während sie durch den Tunnel marschierten, den Kiba ausgehöhlt hatte. Nebenbei griff Neji in seine schwarzbraune Tasche und zog eine Leuchtkugel heraus, um ihren Weg ein wenig zu erhellen. Die anderen Shinobi folgten seinem Beispiel und erfüllten nach und nach den Tunnel mit einer flackernden Illumination. 

 

Neji drehte leicht den Kopf, als das Licht von Hibaris Schwert reflektiert wurde. Shikamaru hatte ihm die monströse Waffe wieder zurückgegeben und die gezackte tödliche Schneide schimmerte poliert. Schon allein das Design der Klinge war ein Fangbecken für Blut; wie ein lebender Reißzahn. 

 

„Vielleicht solltest du dich mal mit dem Gewicht vertraut machen.“, sagte Hibari und spähte zu ihm hinüber. „Falls du es benutzen musst.“

 

Neji hob langsam eine Braue. „Lass uns hoffen, dass es nicht so weit kommt.“

 

„Wenn du die Hoffnung in der einen Hand hast, dann behalte ein dickes fettes Schwert in der anderen.“, scherzte Hibari trocken und sah die Reihe aus Ninjas entlang nach hinten, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorn richtete. „Ich verstehe nicht, warum er Kitori mitnehmen wollte.“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Er wird seine Gründe haben. Sollte sie irgendwie für Ozukus Shinobi von Bedeutung sein, dann könnte sie ein wichtiges Druckmittel darstellen.“

 

„Darauf wird es hinauslaufen, oder? Leben gegeneinander abzuwiegen.“

 

„Es ist ein unumgänglicher Teil dessen, was wir tun.“, argumentierte Neji und hielt die Leuchtkugel etwas höher und nach außen, um das dämmrige Licht die Dunkelheit zerschneiden zu lassen. „Und dennoch scheint Ozuku Verhandlungen gegenüber vollkommen abgeneigt zu sein.“

 

„Verhandlungen tragen das Risiko in sich, den Gegner zu übervorteilen, also ja, sie passen nicht wirklich zu seinem Ego.“, grollte Hibari kopfschüttelnd. „Es sollte ich sein, der die Gerechtigkeit zu ihm bringt, nicht ihr als Konoha Shinobis.“

 

Das ließ Neji zögern, denn er spürte ein potentielles Problem, als er aus den Augenwinkeln einen Blick auf den Tsubasa warf. „Das tust du bereits, Hibari.“

 

Hibari lächelte schwach. „Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht wirklich territorial, wenn es darum geht, Ozuku auszuschalten, Hyūga. Vorausgesetzt, dass es getan wird. Sorg einfach nur dafür, dass deine Shinobi daran denken, dass er nicht so waghalsig handelt wie mein alter Herr es getan hat. Ozuku ist schwach im Taijutsu, kompetent im Ninjutsu, aber sehr stark im Genjutsu.“

 

Das überrascht mich nicht.

 

„Ich werde das im Hinterkopf behalten.“

 

„Oh übrigens, nimm noch das hier.“ Hibari zerrte eine Phiole aus seiner Ninja Tasche und reichte sie ihm. „Mein Blut, solltet ihr es brauchen. Es gibt zwar eigentlich nicht viele Räume, zu denen ihr dadurch Zugang bekommen könntet, aber einen Versuch ist es allemal wert.“

 

„Ich verstehe.“, erwiderte Neji und schob die Ampulle in seine Robe, als er rasch über die Schulter spähte, um sicher zu gehen, dass die anderen Schritt hielten. „Ich beabsichtige, alle notwendigen Methoden anzuwenden.“

 

Er bemerkte, wie Hibaris Blick zu ihm herüber wanderte. Er war nicht annähernd so schneidend und scharf wie Shikamarus Augen, aber dennoch konzentriert genug, um den Eindruck zu vermitteln, dass er versuchte, etwas unter der Oberfläche wahrzunehmen. 

 

Neji begegnete dem Ausdruck frontal und mit einem Gesicht wie Stein. „Was?“

 

Hibari runzelte die Stirn. „Dir ist klar, dass ein Alleingang weder sicher, noch klug ist.“

 

Der Hyūga konnte einfach nicht anders, als den scharfsinnigen Blick für Kleinigkeiten mit einem schwachen Lächeln zu loben. „Sagt dir das deine Schwarmmentalität, Tsubasa? Wir operieren eben etwas anders.“

 

„Ja…das kann ich sehen.“

 

„Ich bin der einzige Jōnin aus unserer Gruppe.“, erwiderte Neji und senkte die Stimme. Er war nicht bereit, Taktiken zu diskutieren, wenn die Strategie bereits abgeschlossen und bestätigt war. „Ich bin es gewohnt, auf mich gestellt zu sein. Und ich habe durchaus die Absicht, auf Nummer sicher zu gehen und mich klug zu verhalten.“

 

„Glaubst du, dass dein Team dem zustimmen wird?“

 

„Sie werden sich nicht dagegen stellen.“

 

Hibari schnaubte leise. „Die Tendenzen eures hyperaktiven Kindskopfes, die eigenen Leute zu misshandeln spricht irgendwie dagegen.“

 

Beinahe hätte Neji deswegen geschmunzelt. „Wie soll Naruto denn irgendwelche Einwände erheben, wenn er diese Unterhaltung nicht einmal mitbekommt?“

 

Für einen langen Moment schwieg Hibari. 

 

„Verstehe. Also ist es einfach wie es ist.“

 

„Ja.“, murmelte Neji. „Das ist es.“

 
 

oOo
 

 
 

Das Rascheln von Lebensmittelverpackungen knisterte durch den Tunnel und wurde von einem leisen Murren über den Mangel an Ramen und ordentlichem Essen verfolgt. „Ich sag dir; in der Sekunde, in der wir zurück sind, werd ich mich bis zum Rand vollstopfen. Shikamaru? Willst du ein paar Cracker?“

 

„Spar sie dir lieber für deine kleinen orangenen Kumpel auf.“

 

„Mann, kannst du endlich mal damit aufhören?“

 

„Eher nicht. Es war der absolute Glanzpunkt der Mission, Turteltaube.“

 

Shikamaru drehte sich nicht um; er war viel zu sehr in seinen Gedanken versunken, um irgendwelche Gespräche jenseits seines eigenen Schädels registrieren zu können. Ein deutlicher Mangel an Schlaf war auch nicht gerade hilfreich. Kaum ausgeruht arbeitete er also einzig und allein auf Basis seines intellektuellen Fokus. Und diese Konzentration aufrecht zu erhalten war von alles entscheidender Bedeutung, weswegen er das meiste der seiner Gesellschaft vollkommen ausblendete und seine Aufmerksamkeit auf Isuka gerichtet hielt, die sie durch den Tunnel führte. Sie hatte bereits bestätigt, dass der Durchgang bis zum Keller des Veterinärgebäudes führte – das ihnen Zugang zu weiteren benötigten Bereichen schaffen würde. 

 

Bereits seit Monaten unterstützte Isuka die Rebellen als Hibaris Lieferantin für die medizinische Versorgung und hielt einen stetigen schmalen Strom an Ausrüstung und Medizin aufrecht. Aufgrund ihres Berufes genoss sie deutlich mehr Freiheiten und Kontrolle als jeder andere Arzt des Dorfes, da Veterinäre hoch angesehene und geschätzte Persönlichkeiten für das vogelliebende Volk von Hanegakure waren. 

 

„Wir sind fast da.“, informierte Isuka. 

 

Tatsächlich begann sich der Tunnel kurz darauf schräg nach oben zu neigen, was darauf hindeutete, dass sie sich immer weiter der Oberfläche näherten. Isuka hielt inne und legte einen Finger an die Lippen. 

 

Schweigen legte sich über sie und alle Shinobi wurden vollkommen still. 

 

Shikamaru winkte Hinata weiter nach vorn. „Wir brauchen eine Überprüfung der Oberfläche.“

 

Hinata nickte und blinzelte einmal, während die Venen an ihren Schläfen zu pulsieren begannen. Das Byakugan erwachte flackernd zum Leben und ihre unheimlichen Augen richteten sich auf die Tunneldecke, um das Kellergeschoss über ihnen abzusuchen. 
 

„Ich sehe sechs Leute. Ihre Hitai-ate tragen sie um den Arm gebunden und…“ Hinata legte den Kopf schräg, „sie tragen Medizinerkittel.“

 

Isuka lächelte und wischte mit einer Handbewegung Shikamarus Stirnrunzeln fort. „Das sind meine Leute, Shikamaru. Es ist alles gut.“

 

Der Schattenninja nickte und berührte leicht Hinatas Schulter, um ihre Aufmerksamkeit wieder nach unten zu ziehen. „Lass uns gehen.“

 

Team A und R reihten sich hinter Isuka ein und erklommen einer nach dem anderen die Leiter hinauf an die Oberfläche. Eine Falltür wurde zurück gezogen und warf Licht die Leiter hinunter. Shikamaru blinzelte rasch, als sich seine Augen an die veränderte Helligkeit gewöhnten und er in den großen Raum trat. Das flackernde Licht einer kalten Beleuchtung warf ein grelles Glimmen durch den Keller, der offensichtlich für Lagerungen genutzt wurde. 

 

Er hörte ein Zischen und Bewegungen hinter sich und wandte sich gerade rechtzeitig um, um sehen zu können, wie sich Naruto Kitori ohne viel Federlesen über die Schulter geworfen hatte, als er die Leiter empor an die Oberfläche kletterte. 

 

„Warum bin es eigentlich immer ich, der die Leute durch die Gegend trägt?“, murrte er und schaffte es nur knapp, ihrem Knie auszuweichen, das sie ihm ins Gesicht hämmern wollte. Genervt ließ er die gefesselte und geknebelte Tsubasa Frau auf eine Kiste Vogelfutter fallen. 

 

Kitoris Augen schossen zu Shikamaru und verengten sich zu drohenden Schlitzen. 

 

Er ließ sich zu keinerlei Reaktion herab und wartete geduldig, bis beide Teams aus dem Tunnel geklettert waren und die Luke geschlossen wurde. Der dumpfe Aufprall der Klappe war wie der Hammer eines Richters, der energisch zur Ordnung rief. Sofort erstarrte die ganze Gruppe und die Rebellen standen stramm wie ein Militärregiment, während sich Naruto gegen eine Kiste lümmelte und Kiba über Akamarus Rücken hing. 

 

Die beiden Teams waren ein vollkommener Gegensatz. 

 

Shikamaru sah von seinen entspannten Kameraden zu der stocksteifen Haltung von Hibaris Leuten. Kitori fing seinen Blick auf, bevor sich ein herablassender Ausdruck in ihr zorniges Funkeln schlich, als sie Naruto und Kiba voller Missbilligung musterte. 

 

Das brachte Shikamaru zum Grinsen, doch im Grunde war es nur ein kaltes Heben der Mundwinkel. 

 

Es waren genau diese arroganten und herabwürdigenden Anmaßungen wie die von Kitori, die den Konoha Shinobi einen Vorteil verschafften. Er mochte zwar ein widerwilliger Anführer sein, doch Shikamaru kannte die Stärken und Schwächen seiner Kameraden bestens und sah sie nicht als eine Ansammlung geklonter Kämpfer – sondern als einzigartige Spieler.

 

Die ‚Ein Schwarm‘-Formation und die ‚Ein einziger kämpfender Körper‘-Mentalität passten nicht zu ihnen. 

 

Shikamaru wusste das und nutzte es als Überlegenheit in seiner Strategie. Er würde sich lieber den Stärken der Leute anpassen, als sie in eine bestimmte Angriffskategorie zu zwingen, die nur Möglichkeiten und Flexibilität während eines Kampfes begrenzen würden. In manchen Fällen funktionierte eine einheitliche Formation durchaus; zum Beispiel bei Defensiven. Aber er hatte starke Spieler und es war sinnvoller, ihr inneres Wesen zu nutzen statt gegen ihre Natur zu arbeiten. Die Menschen für ihre Stärken statt ihren Schwächen anzuerkennen hatte ihm unerschütterlichen Respekt und tiefe Freundschaften eingebracht.

 

Und jetzt wird es mich vermutlich beides kosten…und mehr…

 

Energisch stieß er diesen ablenkenden Gedanken von sich und Shikamaru begab sich mit Hinata in das Zentrum der Gruppe, während sein Blick prüfend über beide Teams wanderte. „Ihr kennt alle eure Positionen.“

 

Ein kollektives Nicken, das von leisem Murmeln durchsetzt war. 

 

„Team R, haltet euch an den Zeitplan, haltet euch aber auch nicht zu lange auf, wenn ihr Gefahr lauft, geschnappt zu werden. Wir brauchen euch in ständiger Bewegung, um sie auf Trab zu halten.“ Shikamaru machte eine Pause, doch es wurden keine Fragen gestellt. „Wenn Hibaris Teil erledigt ist, dann werdet ihr das Signal erhalten, euch neu zu sammeln.“

 

Er musterte die Gesichter der Rebellen und fand nur Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit. Sie waren bereit. 

 

Er wandte den Blick seinem eigenen Team zu. „Naruto, Kiba. Isukas Leute werden euch mit dem Barrierejutsu abschirmen. Es wird so lange halten, wie ihr es braucht, jetzt, da Hibaris Leute diese Chakra Pillen haben. Wenn ihr euch in Bewegung setzt, dann sorgt dafür, dass jede Ablenkung erfolgreich ist.“

 

Kiba legte sein Kinn auf Akamarus Kopf und kraulte mit einem Grinsen den Hals seines Hundes. „Oh wir werden schon was draus machen. Ich werde doch den halben Liter Blut von mir nicht einfach so umsonst sein lassen.“

 

„Jammerlappen.“, giggelte Naruto, bevor er ihm ein Grinsen zuwarf, das mit dem grellen Licht um die Wette strahlte. „Kein Stress, Shikamaru.“

 

Ja, nur Blut und Tränen…

 

Shikamaru sah als nächstes zu Hinata und zog leicht die Brauen zusammen. „Die Rebellen werden dafür sorgen, dass du einen sicheren Aussichtsposten hast, von dem aus du alles überblicken kannst.“ Für einen Moment hielt er inne. „Ich zähl‘ auf dich, Hinata.“

 

Hinata war sich der Bedeutung dieser Worte durchaus bewusst und neigte den Kopf. „Ich verstehe.“

 

Das Unvermeidliche war ihnen beiden kristallklar. 

 

Ein Versuch. Das ist alles, was ich habe.

 

Zu scheitern war nicht drin. Es durfte nicht passieren. Sein knappes Nicken war das unausgesprochene Stichwort. Beide Teams setzten sich automatisch in Bewegung und Naruto und Kiba folgten einem Teil von Isukas Leuten, während Hinata und Team R dem anderen hinterher liefen. Das ließ Shikamaru körperlich ebenso allein zurück wie er es bereits seit den letzten Stunden in seinem Verstand war. Regungslos starrte er auf den Boden, während er die letzten paar Details in seinem Kopf hin und her drehte. 

 

„Shikamaru-san?“, unterbrach Isuka seine Gedanken. Ihren dürren Arm hatte sie sich über die Brust gelegt, während sie Kitori anstarrte. „Was sollen wir mit ihr machen?“

 

Das könnte mich nicht weniger interessieren…

 

Der Blick des Nara wanderte durch den Raum und er musterte die Kunoichi aus den Augenwinkeln. „Bring sie fürs Erste irgendwohin, wo sie sich nicht einmischen kann.“

 

Kitori hob den Kopf und nuschelte etwas in ihren Stoffknebel. Unbeeindruckt hob Shikamaru eine Braue und entschied sich dazu, ihr ein letztes Mal ihren Willen zu lassen. Träge schritt er zu ihr hinüber, schob einen Finger unter das Stoffband und lockerte es, damit sie sprechen konnte. 

 

Ohne irgendeine Warnung schnellte sie nach vorn bis an den Rand der Kiste. 

 

Shikamaru war schneller und zog den Kopf ruckartig zurück, bevor sich ihre Lippen in der verdrehten Parodie eines Kusses auf seine legen konnten. 

 

Ihre Gesichter waren nah beieinander und sofort wurde die Spannung zwischen ihnen alarmierend drohend. 

 

Kitori schnalzte mit der Zunge; ihre vorherige Angst war vollkommen verschwunden, als sie erneut zurück in ihre vipernartige Haut schlüpfte und ihre summenden Töne mit Gift tränkte. „Oh du armer Junge, er hat dich ganz und gar verwirrt und am ausgestreckten Arm verhungern lassen.“

 

Shikamaru starrte sie an und hielt seine Miene wachsam ausdruckslos. „Witzig, dass du so etwas sagst, wenn man bedenkt, dass du diejenige bist, die gefesselt und geknebelt ist und an niemanden heran kommt.“

 

„Ah, aber es gibt so viel grausamere Dinge, als mit etwas gebunden zu sein, Shikamaru.“, erwiderte sie sanft und ihre weichen Töne wurden von den harten Zügen ihres Gesichtes verspottet. „Zum Beispiel die unsichtbaren Bande, die uns an andere binden.“

 

Mit aller Macht widerstand Shikamaru dem Drang, sich scharf zurück zu ziehen. Nicht, dass er es je schaffen würde, genug Distanz zwischen sich und diese Worte zu bringen, selbst wenn er es versuchte. Er klammerte sich mit einer mentalen Faust an seine Zurückhaltung und zog sämtliche Muskeln gegen den unbändigen Drang straff, darauf zu reagieren.

 

Es war ein kalkulierter Schlag gewesen, von dem sie ganz genau wusste, dass er direkt getroffen hatte. Es hätte ihn nicht zornig machen sollen. Doch das tat es. 

 

Dumm. Fall nicht auf diese dämlichen Psychospielchen rein…

 

Sein Kiefer verkrampfte sich und der Zorn, den er ausstrahlte, warnte sie ohne ein einziges Wort.

 

Kitori lehnte sich zurück und lächelte schmal; ihre blutunterlaufenen Augen waren wie rostiger Stahl. „Ich werde für dich beten, Shikamaru.“

 

Der Schattenninja wandte sich ab. Und wäre er der Meinung gewesen, dass ein Gebet dieser Frau irgendetwas ändern könnte, dann hätte er ihr vielleicht gesagt, dass es dafür bereits zu spät war. 

 
 

xXx
 

 
 

Genau zwei Minuten vor Mittag fiel eine unheimliche Stille über die Vögel von Hanegakure. 

 

Ihre Kakophonie aus Gesängen wich einem tiefen und erschreckenden Schweigen; eine Veränderung, die die Hanegakure Shinobi wie auf ein Kommando mitten in ihrem Marsch stehen blieben ließ, als sie auf den Brüstungen des Aviariums patrouillierten. 

 

Die Stille war die einzige Warnung, die sie bekamen. 

 

Denn zwei Minuten später schlug die erste Explosion ein.

 

Ein heftiger Schlag zerriss den Boden außerhalb des Aviariums und schleuderte Gestein, Wurzeln und Erde gegen die Kuppel der massiven Voliere. Das Donnergrollen der Detonation war jedoch nichts im Vergleich zu dem Chaos, in dem die Vögel auseinanderstoben und ihre vorherige Stille wurde von einem vereinten Kreischen des Horrors und dem instinktiven Drang zerrissen, der Ursache dieses Schreckens zu entfliehen. 

 

Die Shinobi schafften es kaum, sich als Einheit auf eine Reaktion vorzubereiten, bevor auch schon die zweite Explosion folgte. Sie war zwar kleiner als die erste, aber nicht weniger zerstörerisch, als sie in kurzer Distanz zur ersten die Erde erschütterte. Und wie eine Kettenreaktion, zerriss eine Reihe von Bomben die Umgebung des Aviariums und zerfetzte in perfekter Koordination den Boden. 

 

Ein Dunst aus Rauch und Staub wurde von der Brise wie ein Mantel mit sich getragen. Er fiel über das Aviarium und zog einen Schleier aus Hitze und Dunkelheit über die Augen des Feindes. Er teilte die Aufmerksamkeit des Gegners in zerstreute Truppen auf, während sie versuchten, sowohl auf die Vögel, als auch auf die Bedrohung zu reagieren, die sie nicht ausfindig machen konnten. 

 

Es wurde nach Verstärkung gebrüllt und Befehle verbreiteten sich wie ein Lauffeuer durch die Linien der Shinobi. Doch die Flammen der Explosion breiteten sich schneller aus und der durchpflügte Bogen spie unaufhörlich dichten beißenden Rauch aus. 

 

Shikamaru begutachtete den Schaden durch ein schmales Fenster des Veterinärgebäudes; seine Finger ruhten gelassen an seinem Mikrofon. Genau zur richtigen Zeit kratzte ein statisches Knistern an sein Ohr. 

 

Sie sind in Bewegung.“, informierte Hinata ihn. „Zwei Minuten.“

 

„Tendenz steigend.“, murmelte der Nara. 

 

Sie sollten es lieber schaffen.

 

Weitere zwei Minuten später erschütterte ein neuer Ring aus Explosionen die Randbezirke des Dorfes und der weitgezogene Bogen erlaubte es dem Feuer, sich über unbewohnten Boden zu ergießen und sich durch das herbstlich verfärbte Laub zu fressen. Die Staubwolken wurden hoch in die Luft katapultiert und schleuderten Rauch und Flammen bis in die Baumkronen, legten sich um Äste und zogen einen Nebel aus Schwarz über die erhöhten Plattformen, auf denen die Shinobiwachen ihren Vorteil einer weiten Aussicht und Sicherheit verloren. 

 

Das alles zog einen erneuten unmittelbaren und schrillen Alarm nach sich, dessen Ausführung Hinata an ihn weiterleitete. 

 

„Shikamaru-kun, ihre Truppen teilen sich…sie setzen sich in Bewegung, um das Feuer zu löschen…“

 

Wie vorausgesehen – nicht, dass der Feind irgendeine andere Wahl hätte. Gemessen daran, wie dicht die Bäume standen, wäre ein Waldbrand unvermeidbar, wenn sie nicht sofort einschritten. 

 

Shikamaru summte in stillem Respekt und bewegte sich von dem Fenster fort. 

 

Team R hatte ihn keinesfalls enttäuscht.

 
 

oOo
 

 
 

Die Explosionen rollten wie Donner über die Oberfläche und sorgten dafür, dass Staub wie weicher Puder in den engen Durchgang des Tunnels rieselte, den Kiba ausgehöhlt hatte. 

 

„Hört sich an, als wäre der Stein ins Rollen geraten.“, murmelte Hibari und wedelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum, um den Staub zu vertreiben. 

 

Nein, noch nicht.

 

Neji spürte, wie sich die feine Erde in seinen Wimpern verfing und blinzelte sie weg, während er den Drang unterdrückte, sein Byakugan zu aktivieren. Er wusste bereits, was sich über ihnen befand. Dennoch konnte er die Tatsache einfach nicht ignorieren, dass das hier eine vollkommen andere Situation gewesen wäre, wenn Kitori ihm den Tempel nicht bereits gezeigt hätte. 

 

Er rollte mit den Schultern und spürte das Gewicht der sensenartigen Klingen auf seinem Rücken. 

 

Die zweite Folge aus Explosionen war das Signal. 

 

Hibari strich mit der Handfläche über die Breite seines gezackten Schwertes und der Stahl schien unter seiner Berührung zu schnurren, als eine Reihe von Symbolen darauf erschien. Chakra lud die Waffe auf und warf einen strahlenden Glanz über die Klinge. 

 

„Wow.“, sagte Sakura leise und kniff die Augen gegen das Glühen zusammen. 

 

Hibari schmunzelte schwach. „Macht es leichter, den Job zu erledigen.“

 

Neji spähte hinauf zum Tunneldach. „Jetzt wäre der Zeitpunkt, um das zu veranschaulichen.“

 

Der Rotschopf grinste, trat einen Schritt nach hinten und justierte den Griff um sein Schwert neu, bevor er es mit einen heftigen Rucken nach oben schnellen ließ. Die Klinge zerstach die Decke des Tunnels mühelos; wie ein Katana durch Haut statt durch Stein. Doch es war der Chakrapuls, der wie eine Schockwelle von dem aufgeladenen Stahl ausging, der das Erdreich in die Luft jagte.

 

„Los!“, brüllte Hibari. 

 

Keinen Moment später befand sich Chōji auch schon an der Oberfläche und ein lauter Ruf kündigte sein Jutsu an. 

 

Nejis Mundwinkel hob sich. 

 

Jetzt geriet der Stein ins Rollen. 

 
 

oOo
 

 
 

Ugh. Karma.

 

Der Rauch verstopfte Shikamarus Lungen und ließ seine Augen tränen und stechen. Isukas medizinische Brille zu tragen wäre vermutlich sinnvoll gewesen, wenn sein Sehvermögen dadurch nicht doppelt eingeschränkt worden wäre. 

 

Und ich habe Asuma noch wegen der Zigaretten angemault…

 

Passivrauchen und die willkürlichen Züge, die Shikamaru hin und wieder nahm, um behelfsmäßige Wolken zu erschaffen, verblassten geradezu neben dem massiven Smog, den er diesmal heraufbeschworen hatte.

 

Sensei…dagegen ist deine Raucherei echt ein Scheiß…

 

Shikamaru schaffte es irgendwie, ein gewisses Maß an Stärke aus dem Gedanken an Asumas unfehlbares, wenn nicht sogar lästiges Vertrauen in ihn zu ziehen. Energisch trieb er sich weiter voran und verschärfte seinen Fokus. 

 

Bleib einfach in Bewegung.

 

„Bleib nah bei mir!“, rief Isuka über das Brüllen der Vögel und die Schreie der Shinobi hinweg, die verzweifelt versuchten, eine gewisse Ordnung aufrecht zu erhalten. 

 

Shikamaru folgte ihr dicht auf den Fersen; den einen Arm gegen das Wabern des Smogs erhoben und die Augen starr auf das Flattern ihres weißen Tierarztkittels gerichtet. Er hatte sich einen ganz ähnlichen übergeworfen und trug dieselbe tierärztliche Ausrüstung wie das gesamte Team R. Sie schlüpften unbemerkt durch die Linien der Gegner und Isuka zückte ihren Autorisierungsausweis als Chefveterinärin, während sie auf direktem Weg zum Eingang des Aviariums marschierten. 

 

Eine Reihe aus Shinobiwachen verbarrikadierte die Türen. 

 

Sofort bog Isuka nach rechts ab und dirigierte Shikamaru einen Rettungsweg entlang und in einen der Käfigaufzüge. Er hob sich direkt bis zu der oberen Etage des Aviariums und zu einem Observationsraum. Kaum hatten sie ihn betreten, donnerte Isuka die Tür hinter ihnen zu und marschierte gleich darauf auf die andere Seite, um ihnen Zugang zu dem angrenzenden Gang zu verschaffen. Es war ein tunnelartiger Durchgang, der einmal um die gesamte Kuppel des Aviariums führte und länger war als zwei gesamte Umrundungen des Dorfes. 

 

„Moment.“, sagte Shikamaru und ließ sie innehalten. Rasch legte er den weißen Kittel ab und trat an eins der Observationsfenster, um den Tornado aus Federn und Flügeln zu beobachten, der durch die riesige Voliere tobte. „Warte auf das Signal.“

 

Er registrierte die wachsende Panik und Anspannung der Vögel mit wachsender Unruhe, die sich jedoch nicht für eine Sekunde auf seinem Gesicht zeigte. „Bist du dir sicher, dass dieser Vogel das Blut wahrnehmen wird? Bei all diesem Mist und Chaos da drin?“

 

„Oh sie wird es ganz wunderbar wahrnehmen.“ Isuka schmunzelte und tippte sich an die Nase. „Wie ein Hai.“

 

Seufzend zog Shikamaru die Ampulle heraus, die ihn zum Köder machen würde. 

 
 

oOo
 

 
 

„Jetzt!“

 

Neji kam sprintend auf dem Boden auf und hielt sich direkt hinter Hibari, während der Tsubasa sein Schwert schwang, als würde er sich durch ein Weizenfeld sensen. Es sandte Wellen aus Chakra wie unsichtbare Boomerangs aus und warf den Ring aus Feinden zurück. Die Linie der Gegner brach mit einem ekelerregenden Knacken von Knochen und Rüstungen auf. Drei Körper fielen hinab auf die unteren Ebenen des Dorfes. 

 

„Neji! Links!“ Hinatas Stimme explodierte durch seinen Transmitter.

 

Neji duckte sich unter einem Schauer aus Kunai und Shuriken hinweg und die federförmigen Klingen gruben sich tief in den Boden, als er zur Seite wich. Rasch näherte er sich der grünen Kuppel des Tempels und kämpfte jeden Instinkt nieder, der immer mehr Druck in seinem Schädel auslöste und ihn dazu drängte, sein Dōjutsu einzusetzen. 

 

Nein.

 

Er rutschte sanft über die steinerne Rampe, die zu den Toren führte, wirbelte in einer anmutigen Pirouette auf dem Absatz herum und ließ seinen Fuß krachend in dem Kiefer eines rennenden Shinobi aufschlagen, was den Mann innerhalb eines Herzschlages auf den Boden beförderte. Er vollführte eine weitere Drehung und neigte sich in einen Lufttritt, der den Kopf eines Gegners in den Boden hämmerte. 

 

Neji landete in einer geduckten Haltung, erhob sich – und schwankte. 

 

Schwindel überflutete ihn und kostete ihn viel Zeit, bis er es schaffte, seine Balance zu finden. 

 

Nicht jetzt.

 

Er blinzelte heftig und wandte sich nach rechts, während er drei Shuriken mit einem Rucken des Handgelenks fliegen ließ. Er sah zu, wie sie sirrend im Getümmel verschwanden. Eines grub sich in die Kehle eines Feindes, das zweite prallte von den Steintoren ab und das dritte traf einen Mann in die Stirn. 

 

Nejis Augen verengten sich, seine Schläfen pochten und Venen pulsierten. 

 

Sich seinem Dōjutsu zu verweigern ließ ihn deutlich offener, als er es eigentlich wagen wollte, gemessen an all dem Rauch und Chaos. Rasch überprüfte er die Peripherie und sprang zurück an Hibaris Seite. 

 

„Neji-niisan, über dir!“, warnte Hinata ihn. 

 

Sein Blick zuckte nach oben zu einer Gruppe aus Shinobi, die sich aus den Baumkronen fallen ließen und in einem mörderischen Sprint auf die steinerne Plattform zurasten. 

 

Doch der Feind war Sekunden zu spät. 

 

Chōji wühlte den Grund zwischen ihnen und der Rampe auf. 

 

Neji und Hibari wichen einen Schritt zurück und sahen zu, wie der Akimichi den Tempel wie ein roter Planet umkreiste und sich durch den umgebenden erhöhten Fels furchte, bis er einen tiefen Graben um das Heiligtum gefräst hatte. 

 

„CHAAA!“

 

Sakura kam von einer Seite angeschossen und der brutale Schwung ihrer Faust sandte drei Shinobi in einem Dominoeffekt ineinander. Sie wartete, bis Chōji in seiner Rille an ihr vorbei rollte, bevor sie über den provisorischen Graben und zu Neji und Hibari sprang. Sie rannte über die steinerne Rampe und zerrte ein Kunai hervor. Chōji fuhr mit seinen kreisenden Bewegungen fort und hielt den Feind auf Abstand, während Lee ihn unterstützte und jeden zurück katapultierte, der versuchte, den Graben zu überspringen. 

 

Neji wandte sich Hibari zu und sie tauschten ein knappes Nicken aus. „Die decodierten Symbole; musst du sie nochmal sehen?“

 

„Ich kenne sie so gut wie meine Westentasche, Hyūga.“ Der Tsubasa grinste, drehte sich um und zog seine Hand über die scharfe Schneide seines Schwertes ohne mit der Wimper zu zucken. Am Ende der Rampe rollte der menschliche Akimichi Mahlstein aus dem Graben und riss die Brücke ein, die zum Tempel führte, um die feindlichen Verstärkungstruppen zu zerstreuen. 

 

Nejis Finger flogen zu seinem Mikrofon. „Lee! Jetzt!“

 

Auf Kommando sprang Lee an die Kante des erschaffenen Grabens und ließ sich in einen raschen Sprint fallen, als er gleichzeitig zu dem prall gefüllten Artillerie Gürtel griff, den er sich um die Hüften geschnallt hatte. 

 

Terrakottakugeln flogen von seinen Händen, während er die Kante entlang jagte. 

 

Sie zersplitterten am Grund des Grabens und fingen augenblicklich Feuer. 

 

Der tiefe Einschnitt füllte sich mit einem Fluss aus Flammen, die wie Lava hin und her schwappten, als das Krötenöl aufflackerte und einen defensiven lodernden Ring um den Tempel herum bildete. 

 

Das hält den Feind von außen in Schach.

 

Was sechs zeremonielle Wachen übrig ließ, die mit ihnen eingeschlossen waren. 

 

Neji wandte sich ihnen zu und beobachtete, wie sich die Ninjas bewegten, um den Eingang zum Tempel zu blockieren. Ihre langen Speere klopften in einer kalkulierten und bedrohlichen Ruhe auf den Stein und sandten einen rauen Nachhall durch den Fels. 
 

„Na toll.“ Hibaris Blut tropfte über seine Finger und er verkrampfte seine aufgeschnittene Faust mit einem Grollen. „Vielleicht hätte ich mir meine Hand lieber nach diesem Part aufschlitzen sollen.“

 

„Wir haben keine Zeit zu verlieren.“, erwiderte Neji und schob seinen rechten Fuß nach hinten, während er seine Handfläche nach oben und außen streckte. „Wir werden die Linie durchbrechen. Am besten führst du deinen Schlag mit dem Schwert auf ihr Zentrum aus und hör‘ wenn irgend möglich nicht auf zu bluten.“

 

Hibari schnaubte. „Kein Problem.“

 

„Sakura.“, sagte Neji. 

 

Die Kunoichi trat an seine Seite und ihre meergrünen Augen blitzten auf, während sie zwei Kunai über ihre Finger wirbelte und bereits die Knie für einen Sprint gebeugt hatte. „Alles klar.“

 

Neji schätzte kurz die Gesichter ihrer Gegner ein und erhaschte den Hauch eines Zögerns bei einer der Wachen, die ein wenig zu schnell blinzelte. Es war alles, was er brauchte. Schwäche gefunden. 

 

Nutze sie aus.

 

„Sakura. Ein kreuzender Angriff und auf die rechte Seite. Beweg dich jetzt!“

 

Die Kunoichi stieß sich in der Sekunde nach links ab, als Neji nach rechts sprintete. Beide bewegten sich rasch auf das Zentrum der Linie zu – ein paar Meter vorher wechselten sie abrupt die Richtung, schnitten aneinander vorbei und warfen den Feind damit in eine kurze Verwirrung, als sie ihre Wege tauschten und hart auf die entgegengesetzten Enden der Feindlinie zu jagten, statt sich weiterhin auf die Mitte zu konzentrieren. 

 

Die nervöse Wache reagierte als erstes und brachte den Rest der Shinobi dazu, etwas zu unternehmen, als er aus der Formation brach. Speere kratzten über Stein, als sich je ein Trio der Wachen nach links und rechts drehte, um die Attacken auf ihre Flanken abzuwehren. 

 

Ihre Linie brach auf und ließ die Mitte weit offen zurück. 

 

Ein Einziger versuchte sie noch zu schließen – zu spät. 

 

Hibari traf mit voller Wucht auf das Zentrum der Formation. 

 

Die Schockwelle aus Chakra riss zwei Männer von den Füßen und donnerte sie nach hinten gegen die Tore. Das wogende Chakra breitete sich aus, prallte in die Rücken der verbliebenen vier Gegner und warf sie den Attacken von Neji und Sakura entgegen. 

 

Neji sprang, trat den schwankenden Stoß eines Speeres beiseite und rammte sein Knie in die Seite des Kopfes einer Wache, um den Mann in die Tempelmauer zu schleudern. Geduckt kam er auf dem Boden auf und rollte sich ab, um direkt hinter den anderen Shinobi zu gelangen. 

 

Er wirbelte herum, um sich dem Gegner zuzuwenden, doch seine Sicht drehte sich schneller und hörte nicht auf, als sein Körper zum Stehen kam. Schwindel machte ihn orientierungslos und zwang ihn dazu, einen Schritt zurückzuweichen. Und ein einziger Schritt war alles, was es für die Wache brauchte, um die Distanz zu schließen. 

 

Der Speer schoss durch die Luft und direkt auf Nejis Kopf zu. 

 

„Neji!“ Hinatas Stimme platzte schreiend die Leitung des Transmitters entlang.

 

Er hörte sie nicht. 

 

Ein scharfes Kreischen von Metall zerriss die Luft. 

 

Funken tanzten vor seinen Augen.

 

Die Spitze des Speeres wurde von Hibaris Klinge abgelenkt, die sich nur Sekundenbruchteile vor dem Treffer zwischen Neji und den Stoß schob. Die Stange des Speeres zersplitterte unter dem tiefgehenden Nachhall und ließ die Wache vor Schreck erstarren. Doch bevor er sich zurückziehen konnte, trat Neji rasch nach vorn und rammte seinen Handballen von schräg unten in das Nasenbein des Gegners. Schmerzerfüllt heulte der Mann auf und ging zu Boden. 

 

Sakura schickte einen weiteren mit einem heftigen Schlag flach ausgestreckt auf den Stein. „Gut, wir sind sauber!“

 

Neji stand stocksteif da, um sich selbst vom Schwanken abzuhalten und blinzelte die Punkte aus seinem Sichtfeld, während der Schwindel langsam verging. 

 

Atme.

 

Er hörte, wie Hibari sein Schwert mit einem leisen Kratzen in die Scheide steckte.

 

„Du benutzt gar nicht dein Dōjutsu.“, sagte der Rotschopf und hob seine Stimme über den Lärm des Kampfes jenseits des Feuerrings. 

 

Der Tonfall sorgte augenblicklich dafür, dass Neji erstarrte. Seine Miene wurde finster und er straffte die Schultern, als er einen scharfen Atemzug nahm. Als er sich jedoch wieder Hibari zuwandte, waren seine Gesichtszüge vollkommen ausdruckslos. Er ruckte mit dem Kopf in Richtung der Tore und würdigte den Tsubasa ansonsten mit keinerlei Antwort.

 

Hibari schürzte die Lippen, hielt aber seine Zunge im Zaum, während er Neji zu einer lackierten Platte folgte, die neben den Steintoren angebracht war. Sie wurde von einem komplizierten eisenähnlichen Gitter geschützt. 

 

Neji runzelte die Stirn. 

 

Verdammt.

 

Sakura blickte auf die seltsame Verschalung, während Hibari hinter seinen Rücken griff. 

 

„Wir sollten doch in der Lage sein, das-!“ Mit einem Quietschen brach Sakura ab, als Neji sie heftig zurück riss. 

 

Hibaris Schwert fuhr nieder und spaltete das Gitter mit einem heftigen Knacken. 

 

Klappernd und ächzend schwang es auf. 

 

Nejis Brauen hoben sich und er ließ Sakura los. 

 

Naja, was auch immer funktioniert.

 

Die Kunoichi zog eine finstere Miene und fuchtelte mit der Hand in Richtung des ruinierten Schlosses. „Das hätte ein Siegel mit Rückzündung sein können, Hibari!“

 

Gelassen steckte Hibari sein Schwert weg. „Wir leben noch, oder? Schätze mal, dass es dann keines war.“

 

Schnaubend stemmte Sakura eine Hand in die Hüfte. „Es hätte bestimmt auch einen Weg gegeben, ohne sich so rücksichtslos aufzuführen.“, schalt sie ihn. 

 

Hibari sah sie schief an und seine grauen Augen leuchteten auf.

 

„Ich habe gesehen, wie du diesen blonden Bengel ziemlich rücksichtslos behandelt hast, also komplimentiere ich doch einfach nur deinen Stil. Nachahmung ist Schmeichelei, Sakura.“ Er musterte sie mit einem Schmunzeln. „Außerdem glaube ich nicht, dass meine Worte allein einem so hübschen Gesicht gerecht werden könnten. Und du weißt doch, wie ich über Gerechtigkeit denke.“

 

Neji warf Hibari einen sprachlosen Blick zu. 

 

Das ist jetzt gerade nicht dein Ernst, oder…

 

Sakuras Augen wurden rund und sie errötete heftig, während sie die Arme verschränkte und offenbar zwischen zorniger Verlegenheit und widerstrebender Freude über das Kompliment hin und her gerissen war. Hibari grinste und etwas von der Härte verschwand aus seinen Augen. Neji, der völlig unbeeindruckt von dem dreisten und überaus unangebrachten Flirten war, räusperte sich und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Steintür. 
 

„Der richtige Ort und die richtige Zeit, Tsubasa.“, knurrte der Hyūga vielsagend. „Das hier ist weder das eine noch das andere für sowas.“

 

Hibari zuckte nur mit den Achseln und klatschte seine Handfläche auf die lackierte Tafel, bevor er mit seinem Blut decodierte Symbole darauf zeichnete. Flach presste er seine Handfläche darauf, murmelte leise Beschwörungen und wie auf Kommando signalisierte das laute Ächzen der Tore, dass sie sich öffneten. 

 

Perfekt.

 

Neji drehte sich und schob einen Arm hinter den Rücken, um seine Finger in die Schlaufen der aerodynamischen Klingen zu schieben. Er schritt nach rechts und Hibari und Sakura setzten sich in Bewegung, um ihn zu beiden Seiten zu flankieren. Vorsichtig schritt das Trio voran, als sich die Schatten der Tore wie riesige schwarze Flügel über sie bogen. Der Lärm jenseits des Tempels schien zu entschwinden wie entfernter Donner und ließ nur das transzendente Summen von Macht innerhalb der massiven Kuppel zurück. 

 

Sie wurde praktisch über die Steinrampe hinweg ausgestrahlt. 

 

Als sie die mächtige Türschwelle übertraten, spürte Neji sofort, wie das Gewicht von Chakra schwer in der Luft hing; stark und pulsierend – wie ein Herzschlag. Es war beruhigend und verstörend zur selben Zeit. Das rohe Potential erhabener oder finsterer Intentionen – wie es bei den meisten verbotenen Jutsus der Fall war. 

 

Hibari zögerte auf einmal und wich beinahe einen Schritt zurück. 

 

Neji spähte über die Schulter und bemerkte das Aufflackern von Schmerz und Zorn, das sich in die Augen des Rotschopfes schlich. Wenn man daran dachte, dass seine Schwester hier als Gefangene gehalten worden war, dann konnte Neji ihm diesen inneren Konflikt kaum verübeln. 

 

„Tsubasa?“

 

Energisch schüttelte Hibari die Emotionen ab, die ihn gepackt hatten. „Alles gut.“

 

Neji nickte kaum merklich und hob eine Hand an seinen Transmitter. „Hinata?“

 

„Ich kann euch sehen. Aber ich…es ist ziemlich trüb…die Chakraenergie ist extrem intensiv…“

 

„Kannst du erkennen, in welcher Richtung die Schriftrollenkammer und die Experimentierräume liegen? Befinden sie sich dort, wo Kitori gesagt hat?“

 

„Ich bin noch auf der Suche…“

 

Die Pause hielt angespannt an und Neji nutzte sie, um den umgebenden Schrein zu mustern. Der Tempelboden bestand aus schimmernden Mosaiken, die das Licht spiegelten und kreuz und quer durch den Raum warfen. Diese einfallenden Strahlen wurden in wechselnden Schattierungen bis zu der gewölbten Decke reflektiert und erschufen eine Illusion, die wie ein Unterwasserwald wirkte; gesättigt von meergrünen Farbtönen, die durchsetzt waren mit Smaragd-, Jade- und Olivegrün. 

 

Unglaublich.

 

Die Wände bestanden aus komplizierten Wandgemälden, die den gefiederten Bewohnern von Hanegakures Himmeln huldigten. Die Muster wanden sich hinauf bis zum Dach der Kuppel, wo der am meisten verehrte Vogel von allen die Spitze des Tempels zierte. 

 

Kin-Washi – der Goldene Adler.

 

Neji konnte die Schönheit des Tempels nicht verleugnen – oder die exquisite Komplexität seiner Bauweise. 

 

Eine heilige Stätte – verdreht und verwandelt in einen Opferkäfig. 

 

Stirnrunzelnd richtete sich Nejis Fokus auf das Zentrum des Raumes. Ein großer Platz war für rituelle Zwecke freigeräumt worden und sechs wirkenden Shinobi saßen in einem engen Zirkel. Zwei von ihnen waren Kinder. Sie alle hatten die Köpfe geneigt, die Hände gefaltet und bewegten synchron die Lippen um ein murmelndes Mantra. 

 

Das Jutsu…

 

Neji scannte aufmerksam ihre Formation und starrte anschließend in das Zentrum des singenden Kreises. 

 

Ozuku war nirgends zu sehen. 

 

Ein statisches Knistern rauschte an sein Ohr. „Neji-niisan, es ist, wie Kitori gesagt hat…“

 

„Verstanden.“, antwortete er und sah nach vorn und auf die Rückseite des Tempels, von wo aus ein Korridor an jeder Seite zu angrenzenden Kammern führte. „Sakura, gib Hibari Deckung. Wenn ich dir die Ampulle gebe, sei darauf vorbereitet, alle Kinder und die wirkenden Shinobi zu evakuieren.“

 

Sakura riss ihren Blick von dem murmelnden Zirkel fort. „Aber Neji…wo ist Ozuku?“

 

Neji richtete sich bei der Frage etwas weiter auf, antwortete aber nicht, während seine Augen umher zuckten. 

 

„Als der rückgratlose Bastard, der er ist, versteckt er sich.“, knurrte Hibari und seine Augen wanderten zu der Priesterkanzel, die an einer Seite des Tempels angebracht war. Sie war ebenfalls leer. 

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich, seinen Arm hielt er weiterhin hinter seinen Rücken gebogen. Der Haken seiner Finger krümmte sich noch weiter in die Schlaufen der Sensen. Langsam trat er einen Schritt nach vorn und hob seine freie Hand, um das Mikrofon an seiner Kehle zu berühren und sehr leise zu sprechen. 

 

„Hinata, wie lange?“

 

„Team R…nur noch knapp…euch…zehn Minuten…“, erklang die unterbrochene Antwort.

 

Doch eine Sache wurde mehr als deutlich; die Zeit lief ab.

 

Neji schloss die Augen und schätzte seine Optionen ein. 

 

Wir haben keine Zeit für ein Katz und Maus Spiel…

 

„Neji?“, drängte Sakura ihn und Dringlichkeit fraß sich in ihre Stimme. 

 

Götter…vergebt mir, wenn ich falsch liege.

 

Der Hyūga nahm einen langen, bedächtigen Atemzug durch die Nase und versuchte, Ruhe in jeden Muskel zu senden. Und als er einen sanften Strom aus Luft entließ, war es, als würde er damit auch noch etwas anderes ausatmen; denn als er die Lider hob, waren die opalhaften Seen verstörend hart und kalt. 

 

„Hinata, sag Shikamaru, dass er sich in Bewegung setzen soll…“

 

Sakuras Kopf ruckte überrascht nach oben und ihre Augen weiteten sich. „Aber Neji, wir-“

 

Jetzt, Hinata!“, befahl Neji unbeirrt.

 

„Das ist nicht Teil der Strategie eures Nara, Hyūga.“, warnte Hibari und seine Züge verzogen sich ähnlich verwirrt wie Sakuras. „Wir haben Ozuku noch nicht gefunden.“

 

Neji bedachte den Rotschopf mit einem erschreckend ruhigen Blick. 

 

Der Ausdruck ließ Hibari die Brauen zusammenziehen. „Was zur Hölle hast du vor?“

 

„Leben gegeneinander abwiegen, Tsubasa.“, erwiderte Neji tonlos und sah hinüber zu dem Kreis aus wirkenden Shinobi. „Genau wie du gesagt hast.“

 

„Was?“

 

Nejis Finger ruckten scharf hinter seinem Rücken. 

 

Hibaria bemerkte die Bewegung zu spät, um sie aufzuhalten. „Nein!“

 

Als der Rotschopf lossprang, war Nejis Arm bereits ausgestreckt; und die Sensen sirrten bereits durch die Luft – segelten in einem todbringenden Tanz direkt auf den Kreis der sechs hilflosen Beschwörer zu. 

 

Sakuras Augen flogen weit auf. 

 

„LAUFT!“, schrie sie und streckte eine Hand nach ihnen aus, als sie lossprintete, um irgendwie einzuschreiten. 

 

Neji packte sie um die Hüfte und zerrte sie zurück. 

 

Sofort wirbelte sie herum und führte einen Schlag gegen ihn aus, der niemals traf. 

 

Genauso wenig wie die Sensen. 

 

Ein Schauer aus Funken explodierte über die Distanz hinweg und die Klingen kamen wirbelnd zurück auf sie zugeflogen. Neji fing Sakuras Faust ab und ruckte heftig daran, um sie hinter sich und in Sicherheit zu ziehen. 

 

Sie stolperte und rollte über den Boden, bevor sie auf den Knien zum Stehen kam. „Neji!“

 

Doch Neji blieb keine Zeit mehr, um zu reagieren. 

 

Hibari erreichte ihn vorher. 

 

Die Klinge des Tsubasa donnerte nach vorn und der Chakrapuls warf die Waffen aus ihrer Flugbahn. Taumelnd sirrten sie davon, um klirrend und mit einem nachhallenden Aufprall gegen die Tempelwände zu schlagen. 

 

Dann folgte Stille. 

 

Neji richtete sich langsam auf und wandte sich um, sah an Hibari vorbei, der mit einem Ausdruck unverfälschten und absoluten Hasses in den grauen Augen dastand. Doch er sah nicht Neji an. Der Ring aus Shinobi fuhr unbeirrt mit dem Singsang fort und in ihrem ursprünglich leeren Zentrum stand nun eine Gestalt, die in samtene Roben gehüllt war; die Arme ausgebreitet und die Kapuze nach hinten geschoben. 

 

Der blanke Hohn; ein geheucheltes Seelenheil…

 

Neji hob im gleichen Moment den Kiefer wie der Priester seinen Kopf. 

 

Opalaugen trafen gnadenlos auf Iriden, die ebenso grausam und schwarz waren wie das Lächeln, das den tiefen sonoren Bariton begleitete. 

 

„Ah, Hyūga; wie es scheint, hast du mir meine Flügel gebracht.“

 
 

oOo
 

 
 

„Shikamaru-kun…Jetzt!...“

 

Shikamaru barst aus der Tür und war außer Sicht, bevor Isuka sie wieder hinter ihm schließen konnte. 

 

Er spurtete den eingegitterten Gang der Voliere entlang; hielt sich nahe an der Wand der Kuppel und so weit wie möglich entfernt von dem Stahlgeflecht, das ihn von dem schwarmhaften Chaos auf der anderen Seite trennte. 

 

Vögel krachten kreischend und flügelschlagend gegen das Gitter.

 

Der Nara rannte weiter und fühlte jedes Widerhallen des Stahls in seinen Sandalen, auch wenn er das Klappern des Metalls über das lärmende Durcheinander hinweg nicht hören konnte. Selbst der verdammte Gang bebte unter dem Ansturm der Vogelmassen, die in ihrer Panik dagegen schlugen. 

 

Zeit, dass ich das hinter mich bringe.

 

Shikamaru griff an seinen Transmitter und brüllte in sein Mikrofon: „NARUTO!“

 

Er beschleunigte sein Tempo und vertraute darauf, dass Hinata seine Nachricht noch einmal weitergeben würde, sollte er den Uzumaki nicht erreicht haben. Seine Augen hielt er starr auf das Chaos jenseits des Stahlnetzes gerichtet. Und dann zerbrachen Schatten das Licht, das von der Spitze der Aviariumkuppel herein fiel; sie erzeugten einen gesprenkelten Effekt, der wie nach oben fließendes Regenwasser wirkte. 

 

Shikamaru hob den Blick. 

 

Schattendoppelgänger rannten die Kuppel der Voliere hinauf wie orangeschwarze Ameisen die auf den Gipfel zustürmten. Er konnte die Panik draußen nicht hören, doch er konnte sie sich vorstellen. Irgendwo in der Ferne explodierte eine weitere Reihe Bomben. 

 

Die Shinobiwachen wurden abgelenkt. Jetzt.

 

Shikamaru kam schlitternd zum Stehen und riss einen Fetzen Bandagen aus einer Tasche. Langsam näherte er sich dem Stahlgitter, griff in seine Flakjacke und fischte die Phiole mit Hibaris Blut heraus. Ein weiterer Vogel krachte in den käfigartigen Durchgang; Klauen kämpften darum, sich festzuhalten, bevor das Tier von dem Sturm aus Flügeln und gefiederten Körpern fort gerissen wurde. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru schüttelte die Ampulle, drückte mit dem Daumen den Stöpsel ab und ließ das Blut auf die Bandage tropfen. Das Gewebe saugte sich mit der lebenswichtigen Flüssigkeit voll. Er schlang den blutigen Stoff um eine Stange des Stahlgitters und band ihn wie eine kleine Fahne fest; mit einem Rucken des Handgelenks zog er den Knoten zu. 

 

Der Streifen flatterte wild wie eine Luftschlange in einem Sturm. 

 

Und kurz darauf, inmitten des ohrenbetäubenden Lärms aus Kreischen und einem entsetzlichen Gesang, erscholl der einzigartige und durchdringende Schrei einer geflügelten Erhabenheit. Der Klang allein sorgte für eine andere Art der Aufregung in dem Tumult aus Vögeln und brachte den Schwarm dazu, sich in einer einzigen Formation zu verändern. 

 

Und es geht los.

 

Shikamaru wich zurück, hob seine Hände, um sie nah beieinander schweben zu lassen – und wartete. 

 

Götter, lasst mich das nicht verfehlen…

 
 

oOo
 

 
 

„Diesen Augen entgeht auch wirklich nichts, oder?“

 

Neji schwieg beharrlich und ließ Ozukus Frage rhetorisch in der Luft hängen, anstatt über die ehrliche Antwort darauf nachzudenken. 

 

Ich kämpfe blind…

 

„Neji…“, sagte Sakura vorsichtig und kam auf die Füße, um sich neben ihn zu stellen. 

 

Hibari bewegte sich an seine andere Seite. „Wie wäre es, wenn du mich das nächste Mal vorwarnst, wenn du etwas derart Wahnsinniges machst?“, knurrte der Rotschopf. „Was ist hier gerade passiert?“

 

„Die Beschwörer sind essentiell für sein Jutsu.“, erklärte Neji leise. „Sie ins Visier zu nehmen hat ihn zum Handeln gezwungen. Es war nur logisch anzunehmen, dass er sie schützen würde.“

 

„Und was, wenn er es nicht getan hätte?“

 

Neji antwortete nicht und hielt seinen Fokus starr nach vorn gerichtet. Er konnte es sich nicht leisten, den Blick von Ozuku abzuwenden oder seinen Geist von seinem Ziel abweichen zu lassen – nicht für eine einzige Sekunde. 

 

„Sakura, mach dich bereit, Hibari Deckung zu geben. Sobald er in Position ist, lauf zu der Kammer auf der linken Seite.“

 

Sakura spähte zu ihm hinüber und hob ihre Fäuste, während sie in der einen ein Kunai umklammerte. „Alles klar.“

 

Neji nickte und bewegte sich vorwärts. Sakura schritt seitwärts nach links, während Hibari nach rechts schlich. Das Trio arbeitete im Tandem und lief langsame gemessene Schritte, um Ozuku dazu zu zwingen, seine Aufmerksamkeit zwischen allen dreien aufzuteilen. 

 

Auf der anderen Seite des Tempels ließ der Tsubasa seine Hände sinken und die schweren Falten seiner Robe fielen wie blauschwarze Tinte über seine Arme. Sein dunkler Blick glitt über ihre Linie und richtete sich kurz auf Hibari. Eine gerissene Schärfe schlich sich in die Augen des Priesters und seine Stimme troff geradezu vor dem schweren geübten Tonfall eines Politikers, der wusste, wie man Macht ausübte und mit ihr spielte. 

 

„Du fraternisierst mit dem Mörder deiner Schwester, Hibari?“ Ozuku neigte vorwurfsvoll den Kopf. „Götter im Himmel, das ist mit Sicherheit ein übler Makel auf deinen Idealen von Gerechtigkeit.“

 

Hibaris Augen verengten sich zu Schlitzen und seine Knöchel wurden weiß wie Knochen, als er krampfhaft den Griff seines Schwertes umklammerte. 

 

Sofort bemerkte Neji das Beben, das über die Klinge rollte. „Du weißt, dass seine Worte nur darauf abzielen, dich zornig zu machen. Fall nicht darauf herein.“

 

Ozuku kicherte leise; es war ein tiefer und nachsichtiger Ton, als würden ihn ungehorsame Kinder belustigen. „Weil Rache ein Weg ist, auf dem man sehr lange fällt, nicht wahr?“ Der Priester lächelte schmal und seine dunklen Augen richteten sich auf Neji. „Aber du bist nicht hierher gekommen, um zu fallen, oder, Hyūga?“

 

Etwas in Ozukus Stimme ließ Neji wie angewurzelt stehen bleiben. Das Licht um sie herum begann sich zu verändern und der Mosaikboden reflektierte die unheimlichen Bewegungen von Grün wie ein Kaleidoskop. 

 

Der ganze Tempel schien zu schimmern und zu beben. 

 

Illumination funkelte wild von den Mosaiken. 

 

Neji fühlte das instinktive Stechen seines Dōjutsus, das ihn dazu drängte, die Veränderung in der Luft zu sehen. 

 

Nein.

 

„Du bist hierher gekommen, um zu fliegen, ist es nicht so? Lass uns sehen, wie gut es dir gelingt.“ Ozuku hob eine Hand und berührte mit zwei ausgestreckten Fingern seine Lippen; er lächelte. „Ninjakunst, Geisterschwarm.“

 

Wenn nicht schon der Titel allein Neji nervös gemacht hätte, dann genügte auf jeden Fall der Anblick eines Schwarmes skelettierter Vögel, die ins Dasein stürzten. 

 

Die Augen des Hyūga weiteten sich. 

 

Tänzelnd wich er einen Schritt zurück und sandte mit einem rapiden Schnappen seines Handgelenks Kunai aus, um sie als tödlichen Regen der sich nähernden Herde entgegen zu werfen. Ein paar trafen ihr Ziel, schlugen die Vögel mit einem rasselnden und knackenden Geräusch zurück, schafften es aber nicht, sie aufzuhalten. Eine Waffe schnitt durch den Brustkorb eines Vogels und flog vollkommen wirkungslos auf der anderen Seite wieder heraus. 

 

Neji zog zischend die Luft ein. 

 

Es gab keinerlei Fleisch an diesen Kreaturen, das er attackieren konnte; nur Knochen und Knorpel. 

 

Er kann unmöglich tote Vögel kontrollieren. Das ist ein Genjutsu…

 

Was bedeutete, dass ein Chakrapuls es zum Einsturz bringen konnte, wenn die Welle nur stark genug wäre. Neji zog sich mit Sakura auf den Fersen zurück und folgte aus zusammengekniffenen Augen den Bewegungen des Schwarms. 

 

„Hibari! Benutz deine Klinge!“

 

Hibari nickte ohne eine Frage zu stellen und krümmte seinen Arm, um einen Chakrapuls auszusenden, der auf den Phantomschwarm zurollte. Die Woge aus Chakra floss darauf zu, geriet ins Taumeln – und zerbrach ins Nichts, als würde sie an der Luft zerbersten. 

 

„Scheiße!“, brüllte der Rotschopf.

 

Neji blieb keine Zeit mehr, um zu erkennen, was genau gerade passiert war. 

 

Der Schwarm hatte sie erreicht. 

 
 

oOo
 

 
 

Wo zur Hölle ist dieser gottverdammte Vogel?

 

Shikamarus Augen zuckten rapide vor und zurück und suchten den Wirbelwind aus Federn ab. Das Stoffband flatterte wild und die immer weiter wachsende Strömung zerrte heftiger daran, als sich die Vögel schneller und schneller in ihrem gewölbtem Käfig drehten.

 

Das funktioniert nicht. Verdammt!

 

Shikamaru trat mit einem Grollen nach vorn und seine Miene wurde finster angesichts des kratzenden Lärms und der Luftstöße, die durch das Gitter peitschten. Er griff nach der Bandage und begann, den Knoten zu lösen. 

 

Etwas krachte hart gegen das Stahlgitter. 

 

Schmerz zerriss seine Haut; ebenso scharf wie der schrille Schrei an seinem Ohr. 

 

„Scheiße!“ Geschockt zuckte Shikamaru zurück und das Herz hämmerte ihm bis zum Hals. 

 

Goldene Augen stierten ihn an und ein kraftvoller Kopf legte sich schief, während sich mächtige, gebogene Klauen in den Zaun krallten und ihn beinahe zerrissen. Der Vogel zog die Flügel ein Stück ein und zeigte ein sattes schwarzbraunes Gefieder – abgesehen von dem goldenen Hals und Kopf. 

 

Der Adler starrte tief in Shikamarus Augen und stieß einen weiteren kreischenden Schrei aus. 

 

Shikamaru brauchte nur einen kurzen Moment, um beeindruckt zu sein, bevor er mächtig angepisst war. Er schüttelte seine Hand, um das schmerzhafte Stechen und das Blut loszuwerden und stierte finster auf den tiefen Riss auf seinem Handrücken. Kopfschüttelnd richtete er seinen Blick wieder auf den Vogel und stieß sich von der Wand ab, an die er sich zurückgezogen hatte. 

 

„Danke dafür.“, murrte er und legte seine Hände in einem vertrauten Zeichen aneinander. „Und sorry hierfür.“

 

Der Adler legte den Kopf auf die andere Seite. 

 

Sie breitete die Flügel aus, um loszufliegen, doch die Schatten waren schneller. 

 
 

oOo
 

 
 

Es war keine Illusion. 

 

Die Vögel – oder zumindest ihre leblosen Kadaver – waren real. 

 

Sie können nicht bluten, aber sie können brechen.

 

Neji stützte sich auf seinen rechten Fuß und beugte sein linkes Bein in einen Tritt, der einen skelettierten Vogel in die Wand des Tempels donnerte. Die Flügel brachen mit einem trockenen Knacken, sodass die Kreatur nur noch nutzlose Drehungen auf dem Boden vollführen konnte. 

 

Neji drehte sich für einen weiteren Schlag. 

 

Gerade noch rechtzeitig zog er den Kopf zurück. 

 

Knochenkrallen kratzten über sein Stirnband und schlugen Funken. 

 

Seine Handkante krachte in die Rippen des Skeletts und stieß es fort, als er sein Gleichgewicht wiederfand und auf Abstand ging. Er bewegte sich schnell und tänzelnd, um dem endlosen Ansturm von Attacken auszuweichen. Seit der Schwarm sie erreicht hatte, war er nicht ein einziges Mal stehen geblieben oder hatte aufgehört, in seinem Kopf zu kalkulieren. 

 

Ohne inne zu halten ließ er sich in eine tiefe Hocke fallen und duckte sich unter einem weiteren Strom aus Vögeln hinweg, bevor er sich gleich darauf wieder aufrichtete und seinen rechten Fuß hoch über Sakuras Kopf wirbeln ließ, um die Skelette zu zerschmettern, die im Sturzflug auf sie zurasten. Knochenfragmente prasselten wie Hagel auf sie nieder und klapperten laut gegen den Mosaikboden. 

 

Denk nach!

 

Ozuku kontrollierte diese Dinger mit Chakra, so viel war sicher. Aber wie genau er dazu in der Lage war, dieses massive skeletthafte Puppentheater zu koordinieren, war unmöglich auszumachen; eigentlich hätte er dafür irgendeine Art Netzwerk aus vielfachen Chakrafäden benötigt. Doch gemessen an der Geschwindigkeit, in der sich die Vögel bewegten und all die verschiedenen Richtungen, aus denen sie kamen, machten eine solch dirigierende Kontrolle unmöglich. 

 

Wenn das Chakra nicht direkt in jeden Vogel geleitet wird…dann…können es nicht die Vögel sein…

 

Ein paar Schritte entfernt stürzte sich eine weitere Gruppe auf Hibari. Der Rotschopf schwang sein Schwert nach außen und warf einen mächtigen Chakrapuls von der Klinge. Doch auch diesmal kam die Welle nicht sehr weit, bevor sie zerbrach und verschwand. Und diesmal bemerkte Neji es. 

 

Götter…es sind nicht die Vögel, die er kontrolliert…es ist die Luft, in der sie fliegen…

 

Aber es gab keinerlei Anzeichen von Windchakra.

 

Denk nach!

 

Frustiert wirbelte Neji in einen Luft-Rundumkick und trat zwei Vögel zur Seite – sie trafen in einem Splittern von Knochen auf dem Boden auf. Anmutig landete er auf den Zehen und sprang in einen Rückwärtssalto, bevor er sich wieder aufrichtete, um sofort eine Rolle nach links zu vollführen und in geduckter Haltung seinen Fuß in einem Rundumschlag gegen die kommende Attacke herumschnellen zu lassen. Vier weitere Vögel fielen aus der Luft. Doch der fünfte traf ihn an der Brust und sein Schnabel grub sich tief in seine Schulter. 

 

Verdammt!

 

Neji packte das Skelett am Nacken und zerbrach die Knochen mit seinen Fingern. Der Rest des Körpers fiel in sich zusammen. Die Wunde so gut es ging ignorierend, warf Neji einen prüfenden Blick nach links und rechts. Hibari und Sakura erging es nicht besser. Sie alle hatten bereits Treffer einstecken müssen, schafften es aber überhaupt nicht, die Verletzungen zu begutachten, oder sich überhaupt zu sammeln. 

 

Es blieb keine Zeit dafür. 

 

Die Krallen würden sie letztendlich in Fetzen reißen, wenn sie es nicht schafften, einen Durchbruch oder eine kurze Pause zu erzwingen. 

 

Zu seiner Linken schlug Sakura heftig zu und parierte; bewegte sich mit einem scharfen Rucken, um den scharfen Klauen auszuweichen. Eine Kralle erwischte sie übel am Kiefer und zwang sie in eine rasche Drehung. Noch kraftvoller schwang sie wieder zurück und ihr Schlag zerschmetterte den Vogel in Bruchstücke. 

 

Das können wir nicht durchhalten.

 

Doch die Vögel würden nicht nachgeben oder sich zurückziehen; sie kamen wieder und wieder und bewegten sich in morbiden Zirkeln, während sie die drei Shinobi ununterbrochen von allen Seiten bombardierten. Und dann war es der dritte Versuch von Hibaris Klinge, der Neji direkt ins Auge fiel. Als sich der Chakrapuls taumelnd von der gezackten Schneide löste, folgte Neji seiner Bahn diesmal mit voller Aufmerksamkeit; er ließ seine Wachsamkeit zugunsten seiner Konzentration fallen. 

 

Zwei Vögel krachten in ihn und stießen ihn seitwärts. 

 

Starr hielt er die Augen auf den Chakrapuls gerichtet; selbst dann noch, als er zu fallen begann. 

 

Das Chakra floss in einer bogenförmigen Woge nach außen, kräuselte sich durch die grünen Lichtstrahlen im Tempel – und zerbrach.

 

Nejis Augen weiteten sich. 

 

Das Licht…Götter, das ist die Illusion…

 

Rasch rollte sich Neji auf den Rücken und rammte seinen Ellbogen in den Schädel eines Vogels, der gerade versuchte, den Schnabel in der Kehle des Hyūga zu versenken. Der zweite heranfliegende Vogel verlor seinen Kopf, der kratzend über den Boden rollte, als Neji zurück auf die Füße sprang und kurz taumelte, als sein Kopf zu pochen begann und sich seine Sicht zu einem engen Tunnel zusammenzog. Knurrend schüttelte er den Schwindel und die Schwärze ab und hob seine Stimme zu einem Brüllen. 

 

„Sakura! Hibari! Zerstört die Mosaike!“

 

„Die Mosaike?“, echote Sakura, während ihre Knöchel einen Skelettflügel zerrissen. 

 

„Sie reflektieren Chakra, nicht Licht!“, erklärte Neji, sprintete vorwärts und duckte sich tief, um hinter sie zu kommen, während seine Handballen nach vorn und außen zuckten, um Vögel aus seinem Weg zu wischen. „Das Licht ist eine Illusion. Wir befinden uns bereits die ganze Zeit in einem Genjutsu. Hier in dem Tempel gibt es kein Licht, das ist alles Chakra.“

 

Und um seine Worte zu demonstrieren, rammte Neji seine Ferse so hart wie möglich in den Boden, um eins der Mosaikstücke zu zerbrechen. Der weiche smaragdfarben reflektierende Lichtstrahl erstarb flackernd und einer der Skelettvögel, der in dem Licht geschwebt war, fiel augenblicklich mit einem Klappern zu Boden. 

 

„Er nutzt Genjutsu, um sein Chakra zu maskieren, nicht, um damit anzugreifen!“ Neji zersplitterte ein weiteres Mosaik und ein weiterer Vogel fiel nach unten. „Das Chakra befindet sich in den Mosaiken und ist als Licht getarnt.“

 

Auf der anderen Seite des Tempels zitterten Ozukus Nasenflügel wutentbrannt und witterten eine besondere Macht. „Ich will diese Augen!“

 

Neji hörte die Worte nicht, doch er spürte die widerliche Kraft in Ozukus Blick. Instinktiv sah er auf und das Spiel des Chakralichtes jagte durch seine Augen wie Blitze. Sakuras Faust war reiner Donner und traf den Boden dicht gefolgt von Hibaris monströser Klinge. 

 

Das Splittern und Reißen von Glas füllte den Tempel mit dem Aufeinanderprallen tausender Symbole. 

 

Licht explodierte zu Dunkelheit. 

 

Skelettvögel fielen überall um sie herum nach unten; es war ein raues Knacken und Prasseln von Knochen, die unter Nejis Füßen knirschten und kratzten, als er über sie hinweg schritt. Als das Splittern von Glas und Skelettfragmenten endlich nachließ, war die einzige Lichtquelle das sanfte Glühen von Chakra, das den Ring aus wirkenden Shinobi umgab. 

 

Eine Bewegung zerrte Nejis Aufmerksamkeit auf die in Roben gehüllte Gestalt, als sich Ozuku aus dem Kreis löste. 

 

In dem grün schattierten Glimmen erschien sich sein Blick noch zu intensivieren und diese seelenlosen Augen sanken tiefer in das tätowierte Gesicht. Hart und fixiert starrte er Neji an; und dann krümmte sich einer seiner Mundwinkel in einem lockenden Lächeln nach oben. 

 

„Jetzt bist du würdig. Komm und bring mir meine Flügel.“

 

Er breitete die Arme aus – und zerbarst in Federn. 

 

„Verdammt!“, fauchte Neji und sprintete los. „Sakura! Verschaff dir Zugang zu der Experimentierkammer und evakuiere alle Beschwörer! Hibari, das Jutsu!“

 

Der Rotschopf bewegte sich auf den Kreis der wirkenden Shinobi zu und hielt nur kurz inne, um den Griff an seinem Schwert zu verändern, bevor er es durch den Tempel warf. „Hyūga! Hier!“

 

Neji blieb gerade lange genug stehen, um das Heft der Klinge zu fangen und kurz das Handgelenk zu neigen, um das Gewicht zu testen. Seine Finger verkrampften sich hart um die fremdartige Waffe. „Sakura wird dich schützen, während ich mich um Ozuku und die Schriftrollenkammer kümmere.“

 

Hibari warf der Kunoichi einen beinahe spielerischen Blick zu. „Damit habe ich kein Problem.“

 

Sakura errötete und rollte mit den Augen, bevor sie hinüber schritt und mit der Handfläche auf einen Schnitt in Hibaris Arm schlug. Sie grinste zuckersüß, als er schmerzvoll das Gesicht verzog und zusammenzuckte. 

 

„Danke für das Blut!“, flötete sie und rannte hinüber zu der Kammer am Ende der Halle, um die Tür zu öffnen. 

 

Hibari sah ihr mit einem amüsierten Gesichtsausdruck nach, bevor er sich in der Mitte des Kreises niederließ. 

 

Kopfschüttelnd hob Neji die Finger zu seinem Transmitter. „Hinata?“

 

Nur ein statisches Knacken kam zurück zu ihm. 

 

Verdammt.

 

Er drehte sich, um mit Hibari zu sprechen, doch der Rotschopf war bereits in den Singsang eingefallen und seine Lider schlossen sich flatternd, während er in dem Gedankenübertragungsjutsu versank und sich seine Finger in rascher Abfolge zu Zeichnen formten. Aufmerksam ließ Neji seinen Blick durch den Tempel schweifen und sein Kiefer verkrampfte sich frustriert, als sich seine Optionen immer weiter zusammenzogen, bis nur noch eine einzige mögliche Vorgehensweise blieb. 

 

Ich habe keine andere Wahl, wenn ich ihn sofort finden will. 

 

Er ließ seine Wimpern nach unten fallen und drehte seinen Rücken dem Kreis aus wirkenden Shinobi zu. Langsam nahm er einen bedächtigen Atemzug, um sich zu zentrieren und atmete gefasst aus, bevor er seine Augen aufschnellen ließ. 

 

„Byakugan!“

 
 

oOo
 

 
 

Hör auf…mit deinen dämlichen…Flügeln zu schlagen…

 

Shikamaru hielt seinen Kiefer starr verkrampft, während sich die Ranken seines Schattens um den sich windenden Körper von Hibaris Adler schlangen und sie fest an dem Stahlgitter festpinnten. Sie kreischte ohrenzerfetzend; scharfe, schrille Schreie, die sich direkt in die Schläfen des Nara bohrten. 

 

Weitere Vögel hatten bereits auf den Tumult reagiert und ein paar flogen mit voller Wucht und gedankenlos in das Gitter. Sie pickten und kratzten daran herum, um zu dem Shinobi zu gelangen und ihren geflügelten Kameraden zu befreien. 

 

Nicht gut.

 

Shikamaru hielt sein Jutsu aufrecht und seine Augen verengten sich, als er sich darauf konzentrierte, gerade so fest zuzudrücken, dass er den Adler gefangen halten konnte ohne sie zu verletzen. Es war nicht einfach, die richtige Balance zu finden, besonders, da sie ihre schattenhaften Fesseln mit jedem Zentimeter Freiheit, die ihr noch geblieben war, bekämpfte.

 

Glücklicherweise lenkten Narutos Klone die Wachen des Aviariums ab und zogen ihre Aufmerksamkeit auf das Dach, während sie jenseits der Kuppel den Kampf austrugen. 

 

Aber das halten sie auch nicht mehr ewig durch.

 

Ein lautes Krachen erscholl zu seiner Rechten. 

 

Shikamarus Augen zuckten zur Seite und zu dem Stahlgitter; fassungslos beobachtete, wie sich das Metall zu verbiegen begann und langsam unter der Wucht und dem Gewicht der wiederholten Schläge der Vögel nachgab. 

 

Scheiße. Wirklich überhaupt nicht gut.

 

Und er konnte nicht einmal nach seinem Transmitter greifen. 

 

Fuck.

 

Er schloss die Augen, nahm einen scharfen Atemzug und konzentrierte sein Chakra. Eine der Schattenranken begann sich zu strecken und zog sich lang, bis sie sich in zwei dünne Fäden aufteilte. Langsam hob Shikamaru die Lider und fokussierte sich auf das eine Schattenband, um es so zu manipulieren, dass es sich langsam drehte, bis es zu ihm zurück kam und an ihm hinauf wanderte, um sein Funkgerät zu berühren. 

 

Er drehte leicht den Kopf und hob seine Stimme. „Hinata?“

 

„Shikamaru-kun.“

 

„Wo ist Neji?“ Die Frage verließ seine Lippen, bevor er sie aufhalten konnte. 

 

„Ich suche ihn gerade…“

 

Ein weiteres Krachen prallte gegen das Stahlgitter und scharfe Krallen schoben sich hindurch, während Schnäbel an den dicken Drähten rissen. 

 

„Scheiße. Hinata!“

 

„Er ist auf dem Tempel…“

 

Shikamarus Miene wurde finster und er veränderte die Stellung seiner Füße, als er sich ein wenig zurückzog. „Was meinst du damit; er ist auf dem Tempel? Er sollte doch eigentlich in dem Tempel sein.“

 

„Er befindet sich auf der Kuppel…er jagt Ozuku…“

 

„Ist Sakura bei ihm?“

 

„Nein.“

 

Ein wüster Fluch verfing sich in Shikamarus Kehle und er schluckte schwer. Die Ablenkung kam ihn teuer zu stehen und er verlor beinahe den Halt an seinem Jutsu. Doch plötzlich hörte der Adler auf zu kämpfen und erschlaffte, was es dem Nara erlaubte, den Griff seiner Schatten zu verändern, sodass der Vogel nicht aus dem provisorischen Netz glitt. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und beobachtete das Ganze durch verengte Augen. 

 

Götter, bitte sagt mir, dass es funktioniert hat…?

 

Vorsichtig legte er den Kopf auf eine Seite und hob seine Stimme zu einem heiseren Rufen. „Hibari?“

 

Der Vogel zuckte, bevor er langsam seinen goldenen Kopf hob. Der Adler starrte ihn mit einem Funkeln in den Augen an, das ein tiefes Bewusstsein vermittelte; ein Blick der mehr menschlich als tierhaft war. Die Lippen des Nara verzogen sich schwach und langsam ließ er sein Schattenjutsu los. 

 

„Gerade rechtzeitig.“

 

Der Vogel neigte in einer Weise den Kopf, die nur als ein Nicken gedeutet werden konnte. Dann breitete sie ihre beeindruckenden Flügel aus und ihr Brustbein erbebte unter der Macht des Schreis, der aus ihrem Schnabel brach. Der schrille Klang steigerte sich zu einer Lautstärke, dass Shikamaru gezwungen war, sich die Ohren zuzuhalten und sich in eine geduckte Haltung zu begeben. 

 

Der gellende Ruf stach durch die Massen an Vögeln wie eine Nadel in eine Vene und zog eine unmittelbare Reaktion nach sich. Die einzelnen kleineren Schwärme und ihr ohrenbetäubender Donner wurden langsamer und beruhigten sich, bis sie zu einem Halt kamen, der sie wie eine Einheit in der Luft schweben ließ. 

 

Ein einziger Flügelschlag – der von tausenden geteilt wurde. 

 

Die Wucht erschütterte die Kuppel des Aviariums. 

 

Auf dem Dach leiteten die Wachen ihre Kräfte nach und nach um. Eine Tür zum Aviarium barst krachend ein Stück den Gang hinunter auf. Shikamarus Kopf zuckte nach oben. 

 

Scheiße.

 

Er sah zu dem Steinadler und brüllte über das wiederkehrende Pulsieren der Flügel. „Bereit?“

 

Der Vogel beobachtete ihn aufmerksam und vollführte ein weiteres animalisches Nicken, das Verstehen signalisierte. Shikamaru hob einen Finger an seinen Transmitter. 

 

„Naruto! Kiba! Los!“

 

Der Schattenninja kam auf die Füße und rannte los zu der Tür des Observationsraumes, als sich die Wachen in Bewegung setzten und ihm nachjagten. 

 

Weit unten, am Grund des Aviariums, erbebte der Boden, bekam Risse und explodierte nach außen. 

 

„RASENGAN!“

 

Die glühende Sphäre erhellte die riesige Voliere wie ein Leuchtfeuer und blitzte mit einem kräftigen Blau auf, bevor es verschwand, als Naruto die Macht des Jutsu drosselte. Der Uzumaki leitete das Chakra zurück in die Erde und riss ein weiteres Loch in den Boden, das einen massiven Tunnel freilegte, der aus dem Aviarium herausführte und aus dem Kiba und Akamaru auftauchten. 

 

Naruto hüpfte wild auf und ab und fuchtelte mit ein paar Crackern in der Luft herum. „Hey ihr Vögel!“

 

Shikamaru sah kurz nach unten, bevor er wieder den Kopf in die Höhe riss und bemerkte, wie Isuka aus dem Observationsraum auf ihn zu gerannt kam und eine Warnung brüllte. Der Schattenninja drehte den Kopf, um einen Blick über die Schulter zu werfen. Seine Augen weiteten sich, als er die brennenden Shuriken bemerkte, die den Gang entlang gesirrt kamen; es waren wirbelnde Sterne, die Feuer auf allen Ebenen um sich spuckten. 

 

Es gab keine Chance, sich darunter hinweg zu ducken oder darüber zu springen. 

 

Shikamaru griff nach seinem Tantō.

 

Und dann krachte Kibas Tunnelfangzahn in die Seite des Durchganges, zertrümmerte das Stahlgitter zwischen Shikamaru und den Shuriken und schleuderte die flammenden Klingen aus der Bahn. Die Metallsparren, die den Laufweg trugen, begannen ächzend nachzugeben und drohten zu kollabieren. 

 

Scheiße! Beweg dich!

 

Shikamaru warf sich zur Seite, um einen Halt an dem Geländer zu erlangen und zerrte sich weiter vorwärts, als sich der Durchgang zu neigen begann und von der Wand abfiel. Rasch schätzte er die verbliebene Distanz ein. Auf keinen Fall würde er das schaffen, bevor der Laufweg vollkommen abstürzen würde. 

 

Etwas traf ihn heftig von hinten und riss ihn von den Füßen. 

 

Er fiel nach hinten in Arme, die fest zupackten. „Nette Beinarbeit, Genie.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen. 

 

Kiba lachte. 

 

Akamaru stieß sich mit den beiden Ninjas auf seinem Rücken von dem kollabierenden Metall ab und sprang dem Observationsraum entgegen. Der Hund landete in einer überraschend anmutigen Hocke und rutschte ein wenig über den Boden, bevor seine Pfoten Halt fanden. Shikamaru und Kiba taumelten mit weit weniger Grazie von Akamarus Rücken und auf den Boden. 

 

Der Nara fing sich einen Ellbogen in den Rippen ein; genau da, wo Nejis Handfläche ihn das letzte Mal getroffen hatte. „Au.“

 

„Hey, ich habe den ganzen Aufprall abgefangen.“, schnaubte Kiba. 

 

Shikamaru kletterte von dem Inuzuka herunter und kam auf die Füße, um rasch zum Fenster zu laufen und hinunter in das Aviarium zu spähen. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie der Steinadler die vielen Vogelschwärme mit einem letzten Ruf umkreiste, bevor er im Sturzflug auf das massive Loch zuraste, das Naruto in die Erde gerissen hatte. Wie eine Einheit wirbelten die Vögel Hibaris Adler hinterher und folgten ihr hinunter in den Tunnel, den Kiba erschaffen hatte. Sie schossen hindurch und hinaus in die Freiheit des Himmels, die jenseits des dunklen Durchgangs lag. 

 

Geschafft.

 

Shikamaru schloss die Augen, schluckte schwer und ließ sich zurück in seinen Autopilotmodus fallen, als er scharf herumwirbelte. „Kiba, sammle dich zusammen mit Naruto und Team R. Macht diese Wasserschriftrollen bereit.“

 

Kiba salutierte aus seiner ausgestreckten Position auf dem Boden. „Aye, mach ich.“

 

Shikamaru nickte Isuka zu. „Kommst du von hier aus zurecht?“

 

„Ja.“

 

„Gut; und danke.“ Er war bereits aus der Tür verschwunden, bevor Kiba überhaupt fragen konnte und marschierte auf den Käfigaufzug zu, der ihn auf Bodenlevel bringen würde. 

 

Um ihn herum tobten noch immer Feuer und Rauch. 

 

Die Hitze wogte versengend und dunstig durch die Luft. 

 

Doch er bemerkte es kaum. 

 

Als läge ein massives Gewicht darauf, ließ er eine Schulter gegen die Käfigstäbe sinken und Shikamaru erbebte ein einziges Mal, während er mit einer Hand über seine Augen fuhr und anschließend sein Gesicht in der Handfläche vergrub. Die Spitzen seiner Finger pressten sich gegen seine Brauen; hart genug, dass es ihn schmerzte und er biss die Zähne zusammen. Seine Miene verzerrte sich zerfressen von Konflikt. 

 

Er gab sich selbst fünf Sekunden, um sich zusammenzureißen. 

 

Und dann – vollkommen ruhig – hob er die Finger zu seinem Transmitter und schaltete auf einen privaten Kanal um. 

 

Die Statik knisterte leise. 

 

Er räusperte sich, doch seine Stimme war trotzdem heiser. 

 

„Hinata, Sakura, begebt euch zu der roten Zone…jetzt…“

 
 

oOo
 

 
 

Das Spiel hatte erneut begonnen. 

 

Es war eine ermüdende Runde Versteckspielen, während der sich Ozuku stets außerhalb der Reichweite von Nejis Nahkampfattacken hielt, in die der Hyūga hinein ziehen wollte. Der Priester hatte ihn weiter von dem Tempel fort und höher hinauf in die Baumkronen geführt. 

 

Er hat mich bis aus der Todeszone hinaus gelockt.

 

Schmerz biss sich tief in den Körper des Hyūga, doch er zeigte sich nicht ein einziges Mal in seinen Bewegungen oder auf seiner Maske aus Gefasstheit. 

 

Götter, ich muss das schnell beenden.

 

Seine mächtigsten Vorteile konnte er nicht einsetzen und das zwang ihn dazu, sich auf Geschwindigkeit und Strategie allein zurückfallen zu lassen, um irgendwie die Distanz schließen zu können. Andere Methoden standen ihm momentan nicht zur Verfügung. Er befand sich bereits jenseits des kartierten Grundrisses des Tempels und selbst der kürzeste Einsatz seines Byakugan war ihm teuer zu stehen gekommen.

 

Er ermüdete schnell. 

 

Zu schnell. 

 

Ein Schauer aus federförmigen Kunai brach über ihm durch die Blätter. In zwei mächtigen Rotationen schwang er Hibaris Schwert über seinen Kopf und schlug die Waffen fort, als wäre es Regen, der von einem Schirm abprallte. Doch plötzlich zuckte sein linker Arm mit einem schmerzhaften Spasmus, der seine Hand dazu zwang, kraftlos nach unten zu fallen. Die Klinge traf den Ast des Baumes, riss sich aus seinem Griff los und stürzte hinunter auf ein tieferes Level, wo es sich in die Plattform eines Außenpostens grub. Neji krallte sich in den Baumstamm, während Schwindel durch ihn wogte. 

 

Atme…atme…

 

„Schon wieder Taijutsu?“, spottete Ozuku und lief mit langsamen beständigen Schritten, die pure Arroganz ausstrahlten, über einen gegenüberliegenden Ast. „Du enttäuschst mich mit dieser äußerst bescheidenen Vorführung. Wo ist das berühmte Ninjutsu deines Clans?“

 

Neji keuchte und zog scharf die Luft gegen das Rasseln in seinen Lungen ein. 

 

Götter, halte einfach nur ein bisschen länger durch…

 

„Oder vielleicht hat dieser Mangel an Anstrengung auch weniger mit Bescheidenheit zu tun…“ Ozuku legte den Kopf schief und seine dunklen Augen verengten sich mit einem dämmernden Ausdruck von Vergnügen. „Und viel mehr mit Vergänglichkeit.“

 

Neji schluckte das Blut hinunter, das in seiner Kehle aufstieg und kämpfte darum, Ozuku im Blick zu behalten. Der Mann kam Stück für Stück auf ihn zu, angezogen von dem Blut, das er wahrscheinlich sogar wittern konnte – wie ein Geier, der flatternd sich flatternd näherte. Auf der Jagd nach Schwäche.

 

Schwäche…

 

Neji blinzelte und ihm fiel etwas ein, als Ozuku gerade außerhalb der Reichweite stehen blieb. 

 

Hochmut kommt vor dem Fall…spiele seine Schwäche aus…Hochmut…

 

Neji ließ sein linkes Knie einknicken und sank mit einem übertriebenen Keuchen nach unten. Er nutzte das Blut, das aus seinen Mundwinkeln tropfte, um die Dramatik noch etwas zu verstärken. Hätte er innegehalten, um das Level an Schmerz zu bemerken, in dem er sich befand, dann wäre ihm vermutlich klar geworden, dass es viel weniger ein Schauspiel war, als es ihm lieb war. 

 

In der Ferne wurde das Brüllen freigelassener Vögel lauter und lauter und erhob sich über das Donnern von Bomben. 

 

Sie haben es geschafft…

 

Rasch ließ er seinen Blick über die Umgebung wandern. Während des prüfenden Huschens seiner Augen, kamen Worte zurück zu ihm; eingefasst in den lockeren Tonfall von Shikamarus Stimme. 

 

‚Kenne deine Umgebung, bevor du handelst, Hyūga.‘

 

Egal wie lächerlich der Kontext dieser Worte damals im Zelt gewesen war; Neji hatte sie nicht vergessen. Und als er seinen Blick höher gleiten ließ, wurde ihm tatsächlich bewusst, wie entscheidend diese Worte waren. 

 

Seine Augen richteten sich auf etwas über ihm in den Bäumen. 

 

Er speicherte diese Information ab und hastig senkte er den Blick, um nicht zu sehr aufzufallen. 

 

Ozuku hielt sich weiterhin jenseits seiner Reichweite; er war nicht töricht genug, um sich jetzt schon so nah zu ihm zu begeben. Aufmerksam beobachtete Neji ihn unter seinen Wimpern und keuchte abgehackt. 

 

„Meine Güte, Hyūga. Das ist einfach nur erbärmlich.“

 

Neji spuckte Blut zur Seite weg. „Und dennoch bleibst du auf Abstand und lässt die Gelegenheit verstreichen, mir etwas zu nehmen, von dem du niemals auch nur hoffen kannst, es rechtmäßiger Weise besitzen zu können.“

 

Ozuku feixte. „Ah, aber diese Augen gehören mir doch bereits. Warum sonst solltest du noch am Leben sein, wenn nicht einfach nur deswegen, weil ich es gestatte? Du atmest, weil ich es dir gewähre. Ich hätte dich in deinem Schlaf abschlachten lassen können…“ Das Grinsen auf Ozukus zuckenden Lippen wurde zornig und säuerlich. „Dich und euren lästigen Strategen.“

 

Alles in Neji wurde vollkommen still – die bittere Veränderung in Ozukus Tonfall entging ihm nicht. 

 

Shikamaru.

 

Er hatte eine Ansatzpunkt gefunden. 

 

„Intelligenz ist der Schlüssel, Hyūga.“, fuhr der Tsubasa fort und sprach zu den Bäumen, als er die Arme in einer vertrauten und theatralischen Geste ausbreitete. „Rohe Stärke ist nichts, wenn sie nicht von einem höheren Geist geleitet wird. Ich bin ein höherer Geist. Ich bin es schon seit Jahren.“

 

„Und all deine Jahre würden nicht leisesten Unterschied machen.“, erwiderte Neji und hob seine Augen, hielt den Kopf aber gesenkt. „Dein höherer Geist würde nicht einmal eine einzige Runde eines intellektuellen Kampfes mit unserem Strategen überstehen, Ozuku.“

 

Etwas Bösartiges blitzte in den Augen des Tsubasa auf. Ganz offensichtlich konnte er es gar nicht leiden, wenn seine selbstbeweihräuchernden Worte abgeschnitten wurden. 

 

„Oh? Dann sag mir doch bitte, Hyūga; wie ist es möglich, dass ich unbemerkt an ihm vorbei schlüpfen konnte? An euch allen? Hmn?“ Ozuku schlich näher und streichelte mit einer Hand über den Samt seines Mantels, während die andere durch die Luft strich, um einen fliegenden Vogel nachzuahmen. „Wie kann es sein, dass ich auf den Schwingen eurer einheimischen Vögel durch euer Dorf geflogen bin, ohne dass euren besten Shinobis auch nur ein Schauer über den Rücken gelaufen ist?“

 

„Diese Macht wurde dir vom Blut deines eigenen Volkes geliehen.“, knurrte Neji und atmete tiefgehend gegen das schmerzhafte Pulsieren in seiner Brust an – und mit jedem verstreichenden Moment wurde es weniger ein Schauspiel. 

 

„Opfer sind unumgänglich, wenn man einem höheren Ziel folgt.“

 

„Ah, deswegen besitzt du wohl eher die Denkweise eines primitiven Barbaren, Ozuku, statt den Intellekt, den es braucht, um ein wirklich guter eTaktiker und Anführer zu sein.“

 

Ozukus Stolz schluckte den Köder ohne Umschweife, auch wenn sein Verstand versuchte, seinen Ausrutscher mit kalkulierten Worten zu kaschieren. „Wie dein Nara, meinst du? Glaubst du wirklich, dass er dich nicht für eine Sache geopfert hat? Oder dass er es nicht tun würde, wenn er denkt, dass es notwendig ist?“

 

Neji wandte den Blick mit einem zögernden Flackern ab und tat so, als würde er über diese Worte nachdenken, oder als wäre er zumindest von ihnen getroffen. Als er sich leicht drehte, brach ein rasselndes Husten aus ihm heraus, das Blut über die raue Rinde des Astes verteilte. Er bewegte sich, um eine Hand an seine Brust zu heben und schob seine Finger an dem Saum seiner Robe vorbei, ohne dass es der Tsubasa bemerkte. 

 

„Du scheinst ein wenig angeschlagen zu sein, Hyūga? Das ist ganz sicher nicht die Art von Standard, die ich von jemandem deines Schlags erwartet hätte.“, spottete Ozuku mit einem herablassenden Kichern. „Du wirst vollkommen überschätzt. Gelinde gesagt sind deine Handlungen wenig beeindruckend.“

 

„Wenn du gerne beeindruckt werden möchtest, dann sieh dich einfach nur um.“, erwiderte Neji und spähte über die Kuppel und durch den Vorhang aus Rauch. „Du brauchst nicht meine Augen, um zu sehen, dass Shikamarus Intelligenz deine Ambitionen in eine unerreichbare Utopie verwandelt hat.“

 

Das Feixen des Priesters fiel von seinem Gesicht. 

 

„Dann soll dieser Bengel der erste sein, der sich der Realität gewahr wird, dass keine noch so überragende Intelligenz stärker ist als eine Vision. Ich bin das Abbild absoluter Macht, Hyūga!“ Ozukus Augen blitzten mit dem Licht von Fatalismus auf, das kunstlos mit Unersättlichkeit verbunden war. „Ich bin der Wind von Hanegakure. Ich werde Augen auf allen Schwingen haben. Ich werde meine Leute bis an die Tore des Schicksals führen. Und ich werde einen Zorn entfesseln, wie ihn Konoha und all die anderen Dörfer noch niemals erlebt haben und niemals wieder erleben werden!“

 

Neji sah zu, wie das Fieber aus wahnsinnigem Ehrgeiz wie eine Krankheit in den sich verdunkelnden Augen brannte. Jedes einzelne Wort hatte den Mann noch einen Schritt weiter nach vorn getrieben; als würde seine Präsenz das Versprechen in seinen Überzeugungen deutlich machen. 

 

Doch alles, was es deutlich machte, war, dass ihn seine Schritte genau dorthin getragen hatten, wo Neji ihn haben wollte. 

 

Ozuku hielt direkt am Ende des anderen Astes inne. 

 

Langsam senkten sich Nejis Augen und ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. 

 

Es ließ Ozuku unmittelbar erstarren. 

 

„Ich habe dir gesagt, dass ich dir deine Flügel bringen würde.“, sagte Neji leise. „Aber ich habe versäumt dir zu sagen, dass ich sie brechen werde.“

 

Ozuku bellte ein kurzes und tiefes Lachen, doch ein Hauch von Respekt schlich sich in seine Stimme. „Was für eine sadistische Ansprache für einen Shinobi-Welpen auf den Knien.“

 

„Du hast keine Ahnung davon, wie sadistisch ich sein kann.“, erwiderte Neji mit eisiger Gelassenheit, bevor er seine Hand aus den Falten seiner Robe zurückzog und sich seine Finger langsam um etwas schlossen. 

 

Ozuku hob eine dichte Braue und die tätowierte Verzerrung seines Gesichtes verfinsterte sich mit einer Mischung aus Argwohn und Belustigung. „So faszinierend dieser Gedanke auch sein mag, befürchte ich doch, dass ich den Vorhang über diesen Versuch einer Intrige schließen muss. Du wirst nicht nahe genug heran kommen, um meine Flügel brechen zu können, Hyūga.“

 

Neji spähte hinüber und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Ozuku nach einer zeremoniell aussehenden Klinge griff, die unter seinen Roben verborgen war. Und in diesen flüchtigen Sekunden, schob Neji seinen Arm hinter den Rücken und zertrümmerte mit der Handfläche die Ampulle mit Hibaris Blut. 

 

Das Glas zersplitterte. 

 

Blut strömte zwischen seinen verkrampften Fingern hervor.

 

„Ich werde für dich beten, Hyūga.“ Mit einem heftigen Rucken löste Ozuku die Klinge und ließ sie einmal in seinem Griff herumwirbeln. Er zog den Arm in einem langsamen Bogen zurück und die Zeremonienwaffe funkelte mit demselben unheilvollen Glimmen wie in seinen Augen. „Ich habe dich gewarnt. Das hier sind meine Himmel. Selbst ein freier Vogel muss sich seinem Schicksal gewahr werden.“

 

Neji blinzelte langsam und ein freudloses Lächeln hob einen seiner Mundwinkel. „Dann ist es ja gut, dass ich niemals frei war.“

 

Ozukus Züge froren angesichts dieser Worte ein. 

 

Langsam neigte Neji den Kopf zur Seite und sah nach oben. 

 

Der Priester folgte seinem Blick. 

 

Und in diesen letzten wenigen Sekunden vor dem Einschlag, sah Ozuku vermutlich überrascht aus. 

 

Hibaris Adler riss ihre mächtigen Klauen über seinen Schädel und schlug ihn in einem Wirbel blauschwarzer Roben und rudernder Glieder von dem breiten Ast. Neji sprang nach vorn, ließ seine Hand nach außen schnellen und packte den Priester am Kragen seines Mantels, während er mit einem Rucken den Fuß gegen das Holz stemmte. 

 

Ozuku baumelte in seinem Griff hin und her. 

 

Neji starrte nach unten und seine dichten Strähnen strichen über sein Gesicht, als ein leichter Lufthauch zwischen ihnen wisperte. Der Adler hatte tiefe Risse durch die Kopfhaut des Mannes gegraben und ihm Haare und Haut vom Schädel geschabt. Ozukus blutiges Gesicht war zu einer Maske absoluten Schocks erstarrt; seine schwarzen Augen schimmerten mit einer Art hysterischer Verleugnung. 

 

„Unmöglich.“

 

„Und das ist noch nicht einmal das, wie es enden wird.“, raunte Neji eisig und griff mit seiner freien Hand nach unten, um die Sense aus Ozukus zuckenden Fingern zu lösen. „Aber es endet jetzt. Ich habe keine Zeit für dich.“

 

Ohne die Umklammerung an der Kleidung des Mannes zu lockern, drehte sich Neji in der Hüfte, krümmte den Arm und ließ die Klinge fliegen. Sie segelte in einem eleganten Bogen nach oben bis hoch in die Baumkronen – und traf etwas. Das Krachen und Schnappen von Holz erklang und ein Regen aus Blättern und Splittern prasselte nach unten, als einer der Käfiglifte von oben herabstürzte. Er fiel direkt an ihnen vorbei und krachte donnernd auf das Tempeldach. 

 

Ozuku drehte den Kopf und spähte über eine Schulter auf den Käfig unter sich. 

 

„Ich werde dir deine Flügel damit brechen, Priester.

 

Die verdrehte Ironie erschütterte den Mann bis ins Mark. 

 

Wild ließ Ozuku seinen Kopf herumwirbeln, um in die eiskalten Augen des Hyūga zu starren. „Nein.“

 

Nejis Lippen verzogen sich langsam zu einem Grinsen. Es war ein Anblick, der durch das Blut auf seinem Mund und Kinn noch entsetzlicher wurde, als er sich nach vorn beugte. „Doch.“

 

Ohne irgendeine Warnung stürzte er nach vorn, sprang von dem Ast und zerrte Ozuku mit sich. Er stieß seinen Fuß in einem nach unten gerichteten Tritt mit aller Kraft gegen Ozukus Brust und schmetterte den Mann damit mit einem ekelerregenden Knacken hinunter auf die Kuppel des Tempels. 

 

Ein paar Schritte entfernt landete Neji in einer eleganten Hocke. 

 

Schmerzerfüllt schnappte er nach Luft, erhob sich aber rasch, obwohl seine Lungen schrien und sich sein Kopf in einer Neigung drehte, die ihn beinahe die Balance gekostet hätte, als er sich umwandte und über die Tempelsphäre lief. Seine Bewegungen waren getrieben – getrieben von Zeit und all ihrer Dringlichkeit. 

 

Qualvoll wand sich Ozuku und zischte. „…dich…umbringen…“

 

„Dein Rückgrat ist gebrochen.“, informierte Neji ihn mit verstörender Ruhe. „Du wirst niemals hiervor davon fliegen können – oder auch nur kriechen.“

 

„Nein…“, fauchte der Mann und seine Augen drehten sich wild in ihren Höhlen. „Nein.“

 

„Doch.“ Neji krallte eine Hand in die schwere samtene Robe und zerrte Ozukus zerschmetterten Körper in den kollabierten Käfig, bevor er die verbeulte Tür zuschlug. „Dieser Käfig wird dein Schicksal sein.“

 

Ozuku brüllte in unbändiger Wut und Speichel flog sprühend von seinen Lippen; all seine Anmut war mit seinem Sturz verloren gegangen. „Du…Bastard…!“

 

„Du kannst hier verrotten.“ Neji trat einen Schritt zurück, wobei er seine rechte Seite entlastete und ein drahtbewährtes Kunai hervorzog. Er schlang den Draht straff um das beschädigte Schloss des Käfigs, bevor er ein Explosionssiegel auf die Tür klatschte. „Verrotte, während du hinaus auf eine Freiheit stierst, die du niemals haben wirst. Die Freiheit, die du diesen Menschen genommen hast, indem du sie mit Angst kontrolliert hast.“

 

„Nein…“

 

„Es ist vorbei.“, murmelte Neji, doch seine Stimme war hohl vor unumgänglicher Endgültigkeit.

 

Ein letztes Mal griff er zwischen die Stäbe, um einen Streifen von Ozukus Robe zu reißen, der in sein Blut getränkt war. 

 

Und jetzt wird das alles enden…ein für allemal…

 
 

xXx
 

 
 

Er hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich Zugang zu verschaffen. 

 

Ozukus Blut öffnete die Kammer ohne die Notwendigkeit irgendwelcher Handzeichen oder einer Beschwörung. Das Holz saugte das Blut aus dem Stoff und die Tür schwang einfach nur wie ein gesättigtes Biest ächzend auf, während Staub und Splitter nach unten regneten. 

 

Neji glitt hindurch wie ein Geist. 

 

In vollkommener Stille schnitt er durch die Kammer. 

 

Er wusste bereits, dass sie verlassen war und verschwendete keine Zeit damit, seine Aufmerksamkeit auf die dicken Wälzer und Schriftrollen zu richten. Ein paar davon lagen offen da, Seiten waren hastig herausgerissen und Tintenfässer umgeschmissen worden, um die Schrift auf dem Pergament zu schwärzen. Einige der Werke waren auch verbrannt worden und ihre schwelenden Überreste hatte man in eine Ecke des Raumes geworfen. Geheimnisse, die an Asche verloren gegangen waren. 

 

Rasch schritt Neji durch die intellektuellen Ruinen von Schreibern und Lehrmeistern und bewegte sich direkt auf die Tür zu, die zu dem Fluchtweg führte. Energisch ignorierte er den aufflammenden Schmerz in jedem seiner Schritte. Er würde eher auf allen Vieren vorwärts kriechen als diese Mission scheitern zu lassen. 

 

Ich werde nicht verlieren. Nicht jetzt.

 

Der schwerste Teil war getan. 

 

Jetzt ging es nur noch darum, das Chaos aufzuräumen. 

 

Ein simples Aufspüren und Eliminieren. 

 

Gemessen an dem Schmerz, der inzwischen zügellos durch in pulsierte, hatte Neji bereits darüber nachgedacht, Verstärkung zu rufen; für einen Tag war das definitiv genug Alleingang gewesen. 

 

Mach sie zuerst ausfindig…

 

Er schlich immer weiter den Fluchtweg hinunter und zog seine Augen gegen die Dunkelheit zusammen. Es war nicht vollkommen schwarz, aber irritierend genug, um seine Schritte ins Stolpern zu bringen, wenn er nicht vorsichtig war. Doch als er tiefer in den trüben Durchgang eintauchte, war es nicht der Mangel an Licht, der ihn innehalten ließ; es waren die Stimmen, die den Gang entlanghallten. Es war ein Chor erschreckte Rufe. 

 

Neji näherte sich vorsichtig und hielt sich an einer Seite des Tunnels; er lehnte sich mit der linken Schulter stützend gegen die Wand. Zwar erwartete er keine Fallen, vor allem nicht, wenn man bedachte, dass es sich hier um einen Fluchtweg handelte, aber er wollte auch nicht zu selbstsicher sein. 

 

Langsam schloss er die Distanz und die Stimmen nahmen an Lautstärke und Anzahl zu; die Tonfälle wurden panisch schrill. Doch die Echos waren orientierungslos und hallten laut in sich überlappenden Dialogen wider. 

 

„- hier sterben wie gefangene Ratten und…“

 

„- hätten ihm niemals gestatten dürfen, Konoha dahingehend zu manipulieren, damit…“

 

„- kann mich nicht bewegen, du Schwachkopf!“

 

Nejis Schritte wurden langsamer und vorsichtig näherte er sich. Seine Brauen zogen sich scharf zusammen, als er in dem schummrigen und trügerischen Licht aufmerksam den Boden absuchte. Wie aus dem Nichts fiel das Erdreich plötzlich steil ab. 

 

Eine Grube?

 

Achtsam schlich der Hyūga den Rand des Loches entlang und spähte hinunter in den Krater. Er konnte die Stimmen unter sich hören, aber es war viel zu dunkel, um Gesichter ausmachen zu können. Doch eine Sache war kristallklar. 

 

Das hier sind Ozukus Leute…

 

Sie waren in einer Falle gefangen, die gemessen an der noch immer in der Luft hängenden Staubschicht erst vor wenigen Stunden errichtet worden war. 

 

Haben Hibaris Leute das gemacht?

 

Aber wer immer es gewesen war, es hatte ihm die mühsame Jagd nach den fliehenden Ratsmitgliedern und den verbotenen Schriftrollen erspart. Das einzige Problem, das jetzt noch blieb, war, die Männer in ihrem derzeitigen Zustand festzunehmen. 

 

Jetzt wäre die richtige Zeit, um Verstärkung zu rufen.

 

Neji gönnte sich einen Moment, um die Spannung aus sich hinaus fließen zu lassen und lehnte sich gegen die Tunnelwand, während er leise ausatmete und gerade seine Augen schließen wollte. Doch etwas zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Es zerrte seinen Blick hinunter zu seinen Füßen und brachte ihn dazu, seine Ferse nach hinten gleiten zu lassen. 

 

Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und folgten einer dünnen Linie, die sich über den Boden zog. 

 

Langsam richtete er sich wieder auf und strich mit dem Fuß über die schwere Staubschicht, um etwas freizulegen, das wie ein schmutziges Stoffband aussah. Neji ging in die Hocke, um es besser sehen zu können. Der Streifen lief an einer Tunnelseite entlang, erstreckte sich bis zurück zur Schriftrollenkammer, dann wieder den Tunnel entlang und bis zu der Grube. 

 

Oh Gott…

 

Ruckartig kam Neji auf die Füße. 

 

Und in dem Moment, als er das tat, verschwand das Barrierejutsu, das über das Erdreich gewirkt worden war, flackernd ins Nichts. 

 

Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. 

 

Die gesamte Kante des Loches war übersät mit Sprengfallen. 

 

Neji blieb keine Zeit, um zu reagieren. 

 

Eins der explosiven Siegel detonierte in einem scharfen heißen Ausbruch und löste panische Schreie von den Männern unten in der Grube aus. Neji versuchte zurückzuweichen, wurde aber von einer Hitzewelle aufgehalten, als ein Funke den Stoffstreifen erreichte. 

 

Augenblicklich brachen wild zuckende Flammen aus. 

 

Ein sengendes Band aus Feuer jagte die getränkten Bandagen entlang und zurück zur Schriftrollenkammer. 

 

Neji musste nicht raten, um zu wissen, dass es etwas weitaus Größeres zur Detonation bringen sollte. 

 

BEWEG DICH!

 

Auf keinen Fall würde er es rechtzeitig bis zum Ende des Fluchtweges schaffen. Und so war der einzige Ausgang ein in die Erde getriebener Tunnel zu seiner Linken – und als die Explosion donnernd einschlug, spurtete er ihn bereits entlang. 

 

Die Detonation sandte eine Schockwelle vor sich her, die den gesamten Durchgang erschütterte. 

 

Staub und Steine prasselten nieder. 

 

Neji rannte weiter, während sein Puls in seinem Kopf rauschte und Adrenalin jede Bewegung seiner Glieder befeuerte. Seine Lungen sangen schreiend ihre Qual in jeden Atemzug. Keuchend und drängend trieb er sich noch schneller vorwärts. 

 

Lauf. Lauf. Lauf.

 

Das Rauschen von Hitze flutete hinter ihm den Tunnel und versengte die Luft. 

 

Rasch hob er den Kopf, um seinen Weg entlang zu sehen und bemerkte eine sanfte Pfütze aus Licht am Ende des Ganges. Er legte noch mehr Energie in die letzten Schritte und nahm eine Geschwindigkeit an, die ihn nach oben und draußen katapultierte; Rauch und Flammen folgten ihm wie ein Geysir. 

 

Hart schlug er auf dem Boden auf, durchbrach den unsanften Aufprall aber mit einer fließenden Rolle und kam in einer zuckenden Hocke zum Stehen. Sein Haar wirbelte wild über seine Schultern und sank langsam wieder hinunter in seinen schweren Fall, während dichte Strähnen sein Gesicht einrahmten. Weitäugig starrte er auf das Gras unter seinen Händen; die weichen grünen Halme stachen zwischen seinen blutigen Fingern hervor. 

 

Frisch, rein, lebendig…

 

Für einen surrealen Augenblick schien die Zeit anzuhalten…

 

Alle Geräusche verschwanden…

 

Stille senkte sich.

 

Vage war er sich bewusst, dass Asche und Staub über die Lichtung wirbelten, doch alles schien sich in Zeitlupe zu bewegen. Jeder Atemzug, den er nahm, fühlte sich an, als würde er versuchen, Teer durch einen Strohhalm zu ziehen. Er war vollkommen abgelenkt von dem Schmerz, den er hätte fühlen sollen; ganz so, als befände er sich außerhalb seines physischen Körpers und sähe hinunter in den Hohlraum seiner Brust.

 

Atme…

 

Und ebenso schnell, wie die Geräusche verstummt waren, kamen sie mit voller Wucht zurück; hämmerten sich in ihn und wurden ihm gleichzeitig entrissen. Nejis Atem brach mit einem rauen, tiefroten Rasseln aus ihm heraus – ein nasses Spritzen von Blut gegen Gras. Bebend zerrte er seinen Handrücken über die Lippen und erhob sich langsam aus seiner Hocke. Er lebte. Dasselbe konnte man allerdings nicht von den Ratsmitgliedern behaupten. 

 

Was ist in dem Tunnel passiert?

 

Kaum war er wieder auf den Beinen, taumelte Neji einen Schritt zurück und versuchte energisch, seine Balance und sein Bewusstsein wiederzufinden, als Übelkeit erneut erbarmungslos seine Kehle hinauf kroch. Er fühlte sich, als hätte man ihn in die Hölle gezerrte, durchgekaut und wieder ausgespien. Gemessen an all dem Blut, den Knochenfragmenten, Innereien, Hirn und was sonst noch, das an ihm klebte, erschien ihm das Bild, von der Hölle ausgespuckt worden zu sein, als perfekt passend. 

 

Leben…du lebst…

 

Es war vorbei. 

 

Und in der Sekunde, als ihm das klar wurde, war das erste in seinem Verstand das letzte, von dem er sich während des Kampfes gestattet hatte, daran zu denken…

 

Shikamaru…

 

Wärme rauschte durch seine Venen und milderten etwas von dem qualvollen Pochen, wenn nicht sogar den Schmerz. Der Drang, den anderen Ninja zu finden, war noch stärker als das Bedürfnis danach, Atem zu finden. Und so sehr sein Körper auch gegen jedwede Bewegungen anschrie; er war einfach dazu gezwungen, genau das zu tun. Rasselnd atmete Neji aus, presste sich eine Hand gegen die Brust und bewegte sich, um von dem rauchenden Höllenloch fortzutreten. 

 

Und ein Schritt war alles, was er schaffte. 

 

Er versuchte, erneut einen Fuß vor den anderen zu setzen, doch er konnte sich nicht bewegen…

 

Paralyse hielt ihn bewegungslos und starr…

 

Neji ließ seinen Blick nach oben zucken – und wünschte sich bei allen Göttern, die er kannte, er hätte es nicht getan.

 

Eine entsetzliche Kälte packte sein Innerstes und sie kroch höher und höher mit jedem Herzschlag, der verging; fror das glasige Weiß seiner Augen mit dem bitteren Eis von Verleugnung ein. 

 

Shikamaru starrte zurück zu ihm – und die Haltung des Nara war ebenso fest wie der Ausdruck in seinen Augen. 

 

Nejis Verleugnung zersplitterte vollkommen in dem Moment, als die rauchige Stimme über diese Lippen rollte…so ruhig und unberührt, wie sie der Jōnin noch nie gehört hatte.

 

„Hyūga Neji. Auf Befehl der Godaime Hokage wirst du dich diesem Verfahren fügen…oder ich werde gezwungen sein, dafür zu sorgen.“

 

 

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...ja, was soll ich bei dem Kapitelende groß sagen? 
 

Das längste Kapitel von BtB ist da und ja...es passiert soooo viel und Gott, das Ende hat so weh getan zu schreiben...

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat und Meinungen würden mich SEHR interessieren, vor allem, da es wirklich einen sehr sehr wichtigen Wendepunkt in der Geschichte darstellt, also freue ich mich sehr über ein paar Worte <3

The cruellest lie of all

„Hyūga Neji. Auf Befehl der Godaime Hokage wirst du dich diesem Verfahren fügen…oder ich werde gezwungen sein, dafür zu sorgen.“

 

Die Worte kratzten an den Rändern von Nejis Verstand und schafften es nicht ganz, durch den Schock zu brechen, obwohl die Wand aus Verleugnung zersplittert war. Es fühlte sich an, als wäre er in einem weiteren Traum gefangen. In einer Sequenz surrealer Ereignisse, die sich abspielten und jenseits seiner Kontrolle befanden. Wie passend, dass er sich auch nicht bewegen konnte – ganz genauso wie in einem Traum, in dem sich sein Körper weigerte, sich seinen Anweisungen zu fügen.

 

‚Dich diesem Verfahren fügen…‘

 

Neji atmete tief und rau ein; seine Stimme bebte heiser, als er sprach. „Lass mich los, Shikamaru.“

 

Shikamarus Lider schlossen sich zitternd. „Wenn das deine Antwort ist, dann lässt du mir keine andere Wahl.“ Der Schattenninja richtete die Worte tonlos an ihn und nicht einmal sein Gesichtsausdruck veränderte sich. 

 

Das Einzige, was sich bewegte, war Shikamarus Hand, als sie sich zu seinem Transmitter hob; Nejis Finger spiegelten die Geste. 

 

„Hinata, Sakura.“

 

Schock traf Neji mit der Wucht eines Rammbocks, ließ seine Augen rund werden und riss ihm die Luft aus den Lungen. Er wäre nach vorn getaumelt, wenn er nicht von dem Schattenbesitz aufrecht gehalten worden wäre. 

 

Er hat sich hierauf vorbereitet…von Anfang an…es war alles vorsätzlich…

 

Die Übelkeit erregende Realität rauschte durch ihn. 

 

Seine Augen senkten sich weit und blicklos zu Boden. 

 

Sakuras Stimme kratzte durch das statische Knistern. „Ich weiß. Ich bin fast da.“

 

Er bemerkte nicht, wie seine Hand nach unten fiel, als Shikamaru die Finger von dem Transmitter nahm. „Sie stehen unter meinem Befehl. Um ihrer und deiner eigenen Sicherheit willen, werde ich dich weiter mit dem Schattenbesitz bewegungsunfähig halten.“

 

Neji hörte ihn nicht. 

 

Er konnte gar nichts hören außer dem Rauschen von Blut und den Druck in seinem Kopf. 

 

Ein Schmerz, wie er ihn noch nie in seinem ganzen Leben gespürt hatte, furchte sich reißend und krallend durch seine Brust; wie gezackte eiskalte Klingen durch das empfindliche Fleisch seines Herzens. Er hatte nie gedacht, dass das ein Ort sein würde, der noch einmal auf eine solche Weise in Fetzen gerissen werden konnte; gemessen an all den Verteidigungen und der Rüstung, die er darum gelegt hatte. 

 

All die Rüstungen und Defensiven, die er zerbrochen und zersplittert hatte…oder nach und nach in Augenblicken gestohlener Schwäche fallen gelassen hatte…nur um ihn offen genug zurück zu lassen, um manipuliert zu werden…

 

Die Ereignisse kamen wie Explosionen aufblitzender Klarheit; offensichtlich und unleugbar. 

 

Götter…die ganze Zeit…

 

Das Eis, das Nejis Augen diesmal einfror, war keine Verleugnung mehr. Und der reißende Schmerz in ihm, dieses entsetzliche Gefühl des Verrats, begann zu Säure zu werden. Seine Gesichtszüge nahmen eine ätzende Kante an, die noch viel alarmierender war als seine Stimme, als er sie gifttriefend zwischen den Zähnen ausspie. 

 

„Mögen die Götter dir beistehen, sobald ich frei bin…Nara.“

 

Shikamarus Miene verriet nichts, doch Neji spürte, wie sich die Schatten instinktiv fester um ihn schlossen; es war der leichteste Zug des Chakras des Nara um sein eigenes, wie eine Hand, die ihren Griff neu justierte. In fünf Minuten würde Neji diese Umklammerung durchbrechen. Vielleicht sogar in weniger, wenn das schwache Zucken um Shikamarus Augen irgendein Indiz für das Erreichen seines Chakralimits war. 

 

Drei Minuten.

 

Getrieben von der Drohung, begann Shikamaru einen Schritt nach dem anderen vorwärts zu laufen. Neji, der gezwungen war, die Bewegungen nachzuahmen, wurde immer näher zu der Ursache seines Schmerzes gezogen, den er wegen des aufsteigenden Zorns in ihm nicht mehr spüren konnte. Die Wut ließ sein Chakra knistern und die schiere Kraft davon begann zwischen ihnen zu vibrieren. 

 

Shikamaru wimmerte kaum hörbar; es war ein leichtes Zucken seiner Lippen, als er versuchte, das Geräusch zurückzubeißen. 

 

Sofort spürte Neji das Wanken im Jutsu des Chūnin. 

 

Entweder war Shikamaru verletzt, oder er hatte sein Chakra in dem Aviarium überanstrengt. Gnadenlos zerschmetterte Neji den instinktiven Drang, ihn besorgt auf Wunden zu überprüfen statt wie ein Raubtier auf Schwächen. Auf der Suche nach Letzterem zuckten seine Augen über die sich nähernde Gestalt. 

 

Doch die Sicht des Hyūga verengte sich zu einem Tunnel und die Peripherie seiner Sinne war abgestumpft. 

 

Seine Verletzungen, die er nicht sehen konnte, forderten ihren Tribut und lehnten sich gegen den Zorn auf, der sein Chakra nährte. Jeder Atemzug war eine Qual und seine Lungen kämpften heftig darum, sich durch die Pein hindurch auszudehnen, die es ihm verursachte, wenn er Luft einsog. 

 

Sie standen sich jetzt näher gegenüber, doch der Abstand, den Shikamaru einhielt war nichts im Vergleich zu der Distanz in der Stimme des Nara, als er erneut zu sprechen begann. „Sakura, beeil dich. Wo ist Hinata?“

 

„Sie ist auf dem Weg.“, antwortete Sakura leise und mit gedämpfter, widerwilliger Stimme. 

 

Nejis Kiefer wurde hart wie Stahl, als er vage Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnahm. Er hörte, wie sich die pinkhaarige Kunoichi mit langsamen Schritten näherte. Ein Knirschen von Kies und ein Wispern von Gras. Mit jedem Herzschlag verstärkten sich die Klänge in seinem Kopf. Es brauchte sehr viel, damit er seinen Fokus aufrecht erhalten konnte. 

 

„Neji, das ist nur ein Sedativum. Es tut mir leid.“ Sakuras Worte drangen in dumpfen Wellen zu ihm durch; verzerrt und krumm.

 

„Befehle der Hokage.“, sagte Shikamaru knapp und unberührt. 

 

Befehle…

 

Neji konnte den Kopf nicht drehen, um Sakura zu beobachten, doch er glaubte zu hören, wie sie ihre Ninjatasche öffnete. Jede Sehne in seiner Hand zog sich straff. In seinem Inneren vermischte sich die Übelkeit mit seinem Zorn und trieb Galle und Blut seine Kehle hinauf. 

 

Fuck…

 

„Ganz ruhig, Hyūga.“, raunte Shikamaru mit frustrierend gelassener Stimme. „Wir sind nicht deine Feinde.“

 

Nejis Blick schnellte zurück zu Shikamaru; seine weißen Augen waren glasig und bewölkt wie rauchiger Quartz. Er blinzelte heftig und konnte gerade so die Gestalt des Nara erkennen. 

 

„Nur du…Nara…“, knurrte er, war sich aber nicht sicher, ob es seine Worte an dem zerhackten Husten vorbei schafften, das aus ihm heraus brach. 

 

Blut flog tiefrot von seinen Lippen. Und in diesen flüchtigen Sekunden der Rippen erschütternden Agonie, durchfuhr ein ruckartiges Bewusstsein seinen Körper. Und er spürte es; wie sich Shikamarus Griff abschwächte…wie eine Unsicherheit…wie eine Besorgnis…

 

Lügen…

 

Nejis Augen flammten auf. 

 

Was auch immer es war, das die Konzentration des Nara unterbrochen hatte; es war alles, was Neji brauchte, um sich aus dem gelockerten Schattenbesitz zu befreien. Seine nächsten Bewegungen vollführte er aus reinem Instinkt und er reagierte, während er alles von seiner Kraft heraufbeschwor, was ihm noch geblieben war. 

 

Sakuras Nadel schaffte es nie zu seinem Nacken. 

 

Seine Hand schoss in die Höhe und die Handkante schlug heftig gegen ihren Arm, um die Injektionskanüle fort zu schleudern. Wirbelnd verschwand sie weit entfernt im Gras. Der Schlag ließ die Kunoichi ungeschützt und offen zurück und Nejis Hand schlug mit einem kalkulierten Hieb hart in ihrer Halsbeuge ein, um sie zu betäuben. Mit einem scharfen Schrei ging sie in die Knie. 

 

Auch Shikamaru ließ sich auf die Knie fallen, aber aus einem vollkommen anderen Grund. 

 

Neji wirbelte herum und stierte ihn an. 

 

Ihre Blicke kollidierten und verankerten sich. 

 

Und selbst durch die Unschärfe seiner Sicht war es unmöglich, den Ausdruck zu verwechseln, der zwischen ihnen entstand. Er hielt nur für den Bruchteil einer Sekunde, doch es fühlte sich an, als hätte sich die Ewigkeit zwischen ihnen geöffnet – und in ihnen. In dieser kalten, feindseligen Leere formten Shikamarus Lippen Worte, die Neji nicht hören musste, um zu wissen, was als Nächstes folgen würde. Die Finger des Nara hatten bereits das Zeichen geformt. 

 

Die Schatten schnellten nach vorn wie schwarze Vipern und die schmalen Bänder schlossen die Distanz in unglaublicher Geschwindigkeit. 

 

Neji taumelte und schaffte es kaum, das Gleichgewicht zu halten, als er eine Handfläche nach außen drückte und einen Fuß nach hinten schob. Gnadenlos zwang er seinen Körper dazu, die Befehle auszuführen, die sich einfach nicht bis in seine Gliedmaßen übertragen wollten. Seine linke Seite war weiß glühende Qual und er bebte heftig unter der Belastung; schlanke Muskeln zogen sich schmerzhaft straff, um zu verhindern, dass er zusammenbrach. 

 

Und dann verschwand schon wieder seine Sicht. 

 

Seine Augen verloren vollkommen den Fokus und seine Brust verkrampfte sich. 

 

Er konnte nicht atmen. 

 

Tentakeln aus Schwarz schlangen sich um sein ausgestrecktes Handgelenk, rissen es ruckartig nach unten und zerrten ihn vorwärts, während sich ein weiteres Schattenband um seinen Arm und noch mehr dunkle Stränge um seine Beine legten. Widerspenstig wand er sich in der Umklammerung, doch nur noch mehr Fäden aus Schwarz rankten sich um sein anderes Handgelenk, banden ihn, hielten ihn fest…

 

Kontrollierten ihn…

 

Nejis Augen weiteten sich und ein Aufblitzen kalter Panik jagte über sein Gesicht. 

 

Lasst mich gehen.

 

Das hilflose Gefühl, überwältigt und ausmanövriert zu werden, ohne überhaupt die Chance zu erhalten, sich zu verteidigen, rief Erinnerungen und tiefe Ängste in ihm hervor; schwärzer als die Schatten, die sich um ihn rankten. 

 

Ihn in Ketten legten…

 

Lasst mich gehen!

 

Er hörte nicht, wie Shikamaru nach Hinata schrie. 

 

Die Erinnerungen, die grausamen und herablassenden Worte, der Schmerz in seinem Kopf, das Echo hunderter Albträume schlossen sich viel zu schnell um ihn; noch schneller als die Fesseln. 

 

Sie sperrten ihn in einen Käfig…

 

LASST MICH GEHEN!

 

Die Angst und der Zorn schlugen Funken, gingen in Flammen auf und rauschten wie eine blaue Feuersbrunst durch jede Arterie und jede Vene. Die Macht seines Chakras explodierte nur Sekunden, bevor Shikamaru ihn vollkommen festsetzen konnte. 

 

Hinatas Schrei zerriss die Luft. „Neji! NICHT!“

 

Eine Flut aus eisblauem Licht brach aus ihm heraus und jeder blockierte Tenketsu zerbarst. 

 

„ROTATION!“

 
 

oOo
 

 
 

Shikamau spürte, dass der Rückschlag kam, bevor es passierte. 

 

Scheiße.

 

Die Härchen auf seinem Nacken stellten sich wie elektrisiert auf. Deutlich konnte er das Knistern und Knacken von Chakra wahrnehmen; das flüchtige Zurückschnappen davon durch seine Schatten, nachdem er seine Konzentration an Besorgnis verloren hatte. Ein existenzieller Fehler, der ihn alles kostete. 

 

Oh Gott nein…

 

Es passierte rasend schnell, doch es schien sich in Zeitlupe abzuspielen. Als wollte die Zeit die Sekunden auf sadistische Weise in die Länge ziehen, um ihm die Gelegenheit zu geben, dabei zuzusehen, wie alles in einer Katastrophe endete. Der Ausdruck auf Nejis Gesicht ließ sein Herz so brutal in seiner Brust zusammenkrampfen, dass er hätte schwören können, das Jutsu des Hyūga hätte sich darum gelegt und es entzwei gerissen. 

 

NEIN!

 

Die Schatten wurden so schnell fort geschleudert, dass sie von der Wucht der Handflächenrotation vollkommen zerfetzt wurden; straffe schwarze Bänder schnappten zurück als wären sie elastisch. Shikamaru fiel nach vorn und fing sich mit den Händen ab, während er sich sofort wieder halb kriechend, halb schiebend in die Aufrichtung zwang. 

 

„Sakura!“, brüllte er.

 

Die Kunoichi kam bereits wieder taumelnd auf die Füße. 

 

Ohne nachzudenken spurtete Shikamaru los und sah zu, wie Nejis blindwütiges Aufbäumen zu einem brachialen Lodern implodierte, das alles Chakra in einer bösartigen Umkehrung aus der Luft sog. Nejis Pirouette verlangsamte sich zu einem knirschenden Halt und er brach zusammen, als er sich noch einmal auf dem Absatz drehte; leblos kollabierte er in dem Krater, den sein Jutsu erschaffen hatte. 

 

In seiner Brust hörte Shikamarus Herz auf zu schlagen. 

 

Wie festgefroren blieb er stehen. 

 

Hinata rannte angsterfüllt und schreiend an ihm vorbei. „Neji-niisan!“

 

Ihre Stimme brachte ihn ruckartig wieder zurück zu Bewusstsein. 

 

Pure und eiskalte Panik traf ihn mit voller Wucht, gefolgt von dem peitschenartigen Gefühl hunderter anderer Emotionen. Sie prügelten ihn taub. Taub genug, um die Emotionen überbrücken zu können und sich an seiner zerfetzten Konzentration festzuhalten.

 

Beweg dich!

 

Ruckartig spurtete er nach vorn und rutschte den flachen Krater hinab, um sich an Nejis Seite auf die Knie fallen zu lassen. Energisch zwang er seinen Verstand in den Autopilot, als er den Hyūga auf den Rücken rollte, während Hinata seine Beine ausstreckte. Auch Sakura kam rennend den Abhang hinunter gestolpert und schob ihre Hände unter die Massen aus mokkafarbenen Strähnen, um Nejis Kopf stützend in ihren Schoß zu betten. 

 

„Neji…“

 

Nejis Haut war grau und straffte sich über seine hohen Wangenknochen. Seine Lippen hatten einen Blauton angenommen, der augenblicklich jede Farbe aus Shikamarus Gesicht wischte. Der Nara starrte ihn an; alle Muskeln des Schattenninjas waren versteinert vor Panik. Sie berührte zwar nicht sein Gesicht, doch sie zertrümmerte ihm den Atem.

 

Nein, bitte…nicht so…

 

„Er atmet.“, sagte Sakura, während sich ihre Finger bewegten, um nach Lebenszeichen zu suchen. „Seine Herzfrequenz wird immer höher. Das bedeutet, dass die Sauerstoffsättigung seines Blutes rapide fällt.“

 

Shikamaru antwortete nicht, reagierte nicht, verstand nicht – er starrte einfach nur. 

 

„Hinata, schnell.“, rief Sakura mit ernster Stimme und ihr medizinisches Training machte sich deutlich bemerkbar, als sie den Knopf von Nejis Robe öffnete, um den Stoff beiseite zu schieben. „Ich muss diese Embolien so schnell wie möglich lösen, oder es kommt zum Herzstillstand. Shikamaru, verschwinde da, wir brauchen etwas mehr Platz.“

 

Nejis Lider öffneten sich flatternd und machten Shikamaru sofort vollkommen bewegungsunfähig. 

 

Weiße Augen, glasig und blind, wandten sich ihm zu. 

 

Diese dunklen Wimpern senkten sich schwer, schlossen sich jedoch nicht. 

 

Shikamaru beobachte in betäubtem Schock, wie Neji die Schwärze einer Bewusstlosigkeit bekämpfte, die in ihrem Zug so viel stärker war als es die Schatten gewesen waren. Stärker als die Energie, die dem Hyūga blieb, um sich dagegen aufzulehnen – und trotzdem kämpfte er. Wie dieser mokkafarbene Vogel, den Shikamaru in seinem Käfig beobachtet hatte; gebrochen, sich aber mit Schnabel und Krallen gegen das Unvermeidbare wehrend. 

 

Neji wollte einfach nicht aufhören. 

 

Hör auf…bitte hör auf…hör auf zu kämpfen…

 

Ein Brennen presste sich gnadenlos gegen die Rückseite von Shikamarus Augen. 

 

Hör auf…

 

Blut sickerte von Nejis Lippen und zeichneten eine morbide Farbe zurück auf den aschenen Mund, als er sich geräuschlos bewegte. Shikamaru kam Hinata nicht in die Quere, als sie konzentriert Nejis Brust scannte, doch er beugte seinen Kopf weit genug nach unten, um sein Ohr an die Lippen des Hyūga halten zu können. 

 

Nejis Worte brachen mit einem heiseren und zerfetzten Rasseln aus ihm heraus…

 

Worte, die dafür sorgten, dass sich Shikamaru zurück auf seine Fersen sinken ließ, als wäre er gerade erstochen worden. Seine Augen waren vollkommen leer und weit, als er das ausweidende Gefühl eines unsichtbaren Loches spüren, das tief in seine Brust gerissen wurde. 

 

Blasse Augen wurden stumpf und rollten in den Schädel, als sich Neji vor Qualen durchdrückte und einen strangulierten Schmerzschrei ausstieß. 

 

Shikamarus Kehle zog sich zusammen. 

 

„Shikamaru, verschwinde da!“ Sakura stieß mit einer Hand gegen seine Schulter. 

 

Benommen richtete sich der Nara auf den Füßen auf und taumelte aus dem Krater. 

 

Sakura übernahm das Ruder und das grüne Glühen ihrer Hände nahm eine schärfere, blütenförmige Präzision an. Hinatas Augen führten sie, während eine Hand der schwarzhaarigen Kunoichi zu Nejis Kopf wanderte. Ein zaghafter Druck der Sanften Faust war alles, was nötig war. 

 

Nejis Körper ruckte heftig gegen die Berührung an, bevor er erschlaffte; seine Wimpern schlossen sich vollständig. 

 

Shikamaru starrte hinunter; fassungslos und ohne zu blinzeln. 

 

Einzig und allein seine Augen verspotteten seine geheuchelte Gelassenheit, glänzten wässrig und bebten. 

 

Er stand da; gefangen in einem Zustand vollkommener Nutzlosigkeit, während die beiden Schlüsselfiguren seiner Strategie die Zügel in die Hand nahmen. Sie arbeiteten rasch und sprachen schnell. Aber alles bewegte sich so langsam…und alles, was er tun konnte, war zuzusehen, während er wie festgefroren an dem Rand der kleinen Senke verharrte. Es war eine symbolische Ironie des Abgrundes, von dem er Neji versucht hatte zurück zu ziehen. Doch als Sakura den Blick hob und ihre grünen Augen wild und leuchtend waren vor Angst, da fragte sich Shikamaru, ob er den Hyūga nicht vollkommen darüber gestoßen hatte. 

 

„Shikamaru.“, rief sie ihn mit einer Stimme, die viel zu sehr zitterte, um ruhig sein zu können. 

 

Hinatas Augen waren nass und geweitet. 

 

Ein namenloser Alarm packte Shikamarus Hirn und rüttelte es aus seiner tauben Starre, während sich sein Blut in Eis verwandelte. Seine Hand bewegte sich ohne sein Zutun, als etwas anderes das Ruder übernahm, bevor es die Panik schaffte. Seine Finger berührten das Mikrofon und er löste räuspernd den Knoten aus seiner Kehle; seine Züge waren so still, dass sich seine Lippen kaum bewegten. 

 

„Chōji…“, krächzte er.

 
 

oOo
 

 
 

Das Wispern kam erneut, tief und besänftigend. Heimsuchend und vertraut. 

 

‚Neji…du musst leben…‘

 

Warum? Du hast auch nicht gelebt.

 

Etwas Kühles strich über das Fieber seiner Haut; ein Rauschen von Luft oder Atem. Der Geruch von Vögeln, Schweiß und Rauch und ein Hauch von…

 

„Shikamaru-kun!“

 

Geräusche explodierten zu einem matten Schwarz, wirbelten aber wieder davon wie Wasser in einen Abfluss; es drehte sich um Dialoge, Stimmen, Atem. Er konnte nicht atmen…er fühlte sich seltsam körperlos…als würden diese Arme und Beine nicht zu ihm gehören…da war nur sein Torso…und das intensive Gefühl der Sehnen in seinem Herzen, die sich in Stacheldraht verwandelten…Draht, der sich um seine Lungen schlang…und zudrückte…

 

Ich kann nicht atmen…

 

„Shikamaru, du musst zuhören.“

 

„Nein, du musst einen anderen Weg finden.“

 

Einen anderen Weg…?

 

Entweder wurde er getragen oder er schwebte…vielleicht auch beides…oder keines davon…er kannte diese Empfindung…das Gefühl, zu entschwinden…die Stimmen zerrten ihn zurück aus der Taubheit…eine schlecht eingestellte Aufnahme in seinem Kopf…schnappte nur Bruchstücke auf…

 

„Shikamaru-san, es ist deutlich schlimmer, als…“

 

„…bittet mich darum zuzulassen, dass ihr ihn vergiftet und…“

 

„…du verstehen würdest, was die Anzahl an Blutgerinnseln bedeutet, dann würdest du…“

 

Götter…wo bin ich?

 

Fest…etwas Festes war unter ihm…kalt…metallisch…Vögel schrien. 

 

Stop…

 

„…sagte, dass du in der Lage wärst, es zu kurieren.“

 

„…vollkommen andere Liga, als es meine Fähigkeiten zulassen, Shikamaru…Ausmaß des entstandenen Schadens…die Präzision erfordert, die…“

 

„…er braucht einen Arzt und keine gottverdammte Veterinärin…nicht zulassen, dass ihr ihn…“

 

„Ich bin alles, was ihr habt…“

 

„…damit abfinden, oder Hibari und die anderen werden merken, dass etwas nicht stimmt…“

 

„…lass es uns so machen. Bitte.“

 

„…Mission ist vorbei…Shikamaru und das hier…nicht das, was du wolltest?“

 

Mission…es war eine Mission…die ganze Zeit…

 

Neji spürte, wie sich Feuer in seiner linken Körperhälfte ausbreitete. Der Schmerz war so intensiv, dass ihm die Schwärze einladend erschien…er ließ zu, dass sie sie ihn in sich zog…hier war es still…friedvoll…

 

Die ganze Zeit…

 
 

oOo
 

 
 

„Hey, Shikamaru! Wie nett, dass du dich auch mal blicken lässt!“

 

Kibas Stimme hallte die Kuppel des Aviariums hinunter.

 

Der Hundeninja saß auf Akamarus Rücken und winkte mit einer Hand, während er ein Fernglas in der anderen hielt, mit dem er den Blick von seinem erhöhten Aussichtspunkt über das Dorf gleiten ließ. 

 

Shikamaru ignorierte ihn komplett und marschierte mit schnellen, scharfen Schritten die Brüstung der Voliere entlang. Chōji folgte ihm auf dem Fuße; schweigend und besorgt, doch er stellte keine Fragen. Shikamarus Augen waren wie Zunder und dunkle Strähnen rahmten mahagonidunkle Seen ein, die ein wenig zu intensiv vor sich hin starrten, als sie den aufgerissenen Boden weiter unten absuchten. 

 

Für jeden anderen musste es so wirken, als befände er sich tief in seinem taktierenden Modus. 

 

Doch die Art von Analyse, mit der er gerade operierte, war nicht taktisch. Sie war kritisch. Kritisch deswegen, weil es die einzige Möglichkeit war, seinen Verstand beisammen zu halten und seinen Körper dazu zu zwingen, sich vorwärts statt rückwärts zu bewegen. Er fühlte sich, als würde sich sein Magen ununterbrochen drehen. 

 

Die Mission.

 

Sein Hirn feuerte ohne Pause knappe und rasche Befehle ab. 
 

Chaos aufräumen. Dorf beruhigen. Versammlung abhalten.

 

Seine Finger schnellten zu seinem Mikrofon und stellten den Kanal um. „Team R, dank der Wasserschriftrollen konnten die Flammen gelöscht werden, aber stellt sicher, dass besonders nahe am Dorf keinerlei Gefahr mehr droht. Wir wollen keinen einzigen Brandherd riskieren. Überprüft jeden Punkt, den wir getroffen haben doppelt. Erledigt das jetzt und schnell.“

 

Ich war zu langsam…zu langsam, um zu reagieren…ein einziges Zögern…das war alles, was nötig war…

 

Shikamaru schüttelte scharf den Kopf. Sein Blick zuckte nach oben und er beobachtete den massenhaften Schwarm aus Vögeln, der im Himmel in einem Symbol von Frieden und Ruhe Kreise zog; jeder Mann, jede Frau und jedes Kind von Hanegakure würde dieses Zeichen verstehen. Die Bewohner des Dorfes, eingeschlossen die Shinobi, hatten sofort aufgehört zu kämpfen. 

 

Er hat niemals damit aufgehört…

 

Sikamarus Kiefer verkrampfte sich und er brauchte einen Moment, bevor er seine Stimme fand. 

 

„Naruto.“, sagte er und stellte noch einmal sein Mikrofon ein. 

 

„Jo?“, kam die heisere Antwort durch die Leitung. 

 

„Statusbericht?“

 

„Extrem hungrig.“

 

Shikamaru gab Chōji ein Zeichen und seine Handfläche drehte sich gestikulierend zum Tempel. „Wo ist Hibari?“

 

„Im Tempel. Er macht immer noch dieses Gedankenübertragungsding. Eh, Shikamaru…diese Typen schauen mich irgendwie komisch an.“

 

„Das ist einfach der natürliche Effekt, den dein Gesicht auf andere hat.“, lachte Kiba durch das Funkgerät. 

 

„Penner. Nein, im Ernst Shikamaru…sie eh…sehen nicht gerade freundlich aus…“

 

„Solange die Vögel ihre Formation aufrecht erhalten, werden sie dich nicht angreifen.“, erwiderte Shikamaru und verlängerte seine Schritte, als er sich der Brücke näherte, die Chōji während des Kampfes eingerissen hatte. „Sie sind verängstigt und führungslos. Also piss sie nicht an. Wir müssen mit den Clanältesten und den Leuten sprechen, die die Rebellen unterstützt haben.“

 

„Jo, alles klar. Hey, wo ist Neji?“

 

Shikamaru blinzelte hart und legte noch einmal an Geschwindigkeit zu. 

 

„Er wurde verletzt, aber er kommt durch.“ Die Worte rollten mit einer Art distanzierter Gelassenheit über seine Lippen, die vollkommen mühelos erschien. Doch das war sie nicht. 

 

„Verdammt.“, knurrte Naruto. „War es dieser hässliche Priestertyp?“

 

„Ja…“ Shikamaru sprang über den Graben, der den Tempel umgab und in dem die Flammen zusammengeschrumpft waren. „Naruto, bleib wo du bist. Kiba, sorg dafür, dass jeder verletzte Shinobi von Hanegakure medizinisch versorgt wird.“

 

„Alles klar.“

 

„Bin schon dabei.“

 

Shikamaru löste den Kontakt und marschierte über die Steinrampe hinauf zu den riesigen Toren. Ein Schatten fiel auf seinen Weg; weich und schnell und kreisend. Der Nara hob den Blick und beobachtete den Steinadler, der elegante Zirkel über seinem Kopf zog. Sie ließ einen leisen, aber durchdringenden Schrei hören. 

 

„Sie mag dich.“

 

Die Augen des Schattenninjas senkten sich und langsam blieb er stehen, als Hibari ihm an der Türschwelle des Tempels begegnete. 

 

Shikamaru hob eine Braue und sein Gesichtsausdruck war ebenso flach wie seine Stimme. „Ich habe sie festgehalten und vollkommen bewegungsunfähig gemacht. Daran gibt es nicht viel, das man mögen könnte.“

 

Hibari schmunzelte, während er sich gegen die massiven Steintüren lehnte. „Schon, aber sie weiß, warum du es getan hast. Schätze mal, sie hat es dir vergeben.“

 

Shikamaru starrte Hibari an und seine Kehle begann sich zusammenzuziehen, auch wenn seine Miene nichts weiter zeigte als das Desinteresse, das er über seine Züge gelegt hatte. Leise räusperte er sich und spähte himmelwärts, während er die Finger seiner bandagierten Hand krümmte. 

 

„Der Waffenstillstand wird dank dieser Vogelformation anhalten?“

 

Hibari nickte und das Licht verfing sich auf seinem Hitai-ate, als er den Kopf in den Nacken legte, um Shikamarus Blick zu folgen. „Ja, das Dorf weiß, dass es ein Zeichen der Freundschaft und des Friedens ist.“ Ein schwaches Lächeln zupfte an seinen Lippen und der harte, erschöpfte Ausdruck verschwand aus seinen Augen. „Es ist schon eine sehr lange Zeit nicht mehr vorgekommen und auch wenn sich die Leute vielleicht nicht wirklich geborgen fühlen; ich weiß, dass sie neugierig darauf sind, was das alles zu bedeuten hat. Für den Moment sind wir sicher.“

 

„Wie kannst du das so genau wissen?“, fragte Chōji, der ebenfalls die Vögel beobachtete. 

 

„Naja.“ Hibari zuckte mit den Achseln und humpelte vorwärts. „Wir sind nicht tot.“

 

Shikamaru zwang sich zu einem trostlosen Lächeln, aber die Anspannung zeigte sich deutlich in seinen Augen. „Lass uns dafür sorgen, dass es auch so bleibt. Wo treffen wir uns mit den Clanältesten?“

 

Hibari ruckte mit dem Kinn in Richtung der Brücke und etwas, das vielleicht Hoffnung war, schlich sich in seinen Blick. „Unsere Leute im Inneren des Dorfes sind schon dabei, Vorbereitungen zu treffen. Isuka hat über Funk mitgeteilt, dass es Komplikationen mit ein paar Vögeln gibt, aber dass sie in Kürze zu uns stoßen wird. Es wird sehr nützlich sein, sie dabei zu haben. Sie hat großen Einfluss auf die Bewohner.“

 

Scheiße.

 

Shikamarus Lider zitterten und er kämpfte energisch darum, die Fassade aufrecht zu erhalten. Gott, auf einen Schlag war er so müde. Er hätte die Augen geschlossen, wenn er nicht der Meinung gewesen wäre, dass ihn das verraten oder er dann an Ort und Stelle zusammenbrechen würde. Doch etwas musste trotz allem durch seine Maske gesickert sein, denn Hibari musterte ihn aufmerksam und hielt für einen Moment inne. 

 

Alles, was der Schattenninja darauf als Reaktion zustande brachte, war ein Heben der Augenbraue. 

 

Der Tsubasa brummte und ein grimmiges Rucken berührte seinen Mund. „Die siehst ziemlich mitgenommen aus, Nara.“

 

Shikamaru zuckte argwöhnisch mit den Achseln. „Ja. Es war auch ein harter Tag.“

 

„Wie geht es deinen Leuten?“

 

Diese Frage traf mitten ins Schwarze seiner Schuld und kratzte heftig an einem Nerv in ihm. Es sorgte sofort dafür, dass sich Anspannung bis in jeden Teil seines Körpers ausbreitete. Die Sehnen in Shikamarus Kehle zogen sich straff und zuckten unangenehm unter seinem Rollkragen, doch sein Gesicht veränderte sich nicht. 

 

„Wir haben überlebt.“, war alles, was er sagte. 

 

Hibari legte den Kopf schief; irritiert von der kalten Antwort. Shikamaru tat so, als würde er in den Tempel spähen wollen; er hatte keinerlei Energie mehr, um auf diesen Ausdruck zu reagieren, der auf ihn gerichtet wurde. 

 

„Shikamaru!“

 

Und es brauchte jedes Bisschen seiner noch verbliebenen Energie, um auf diese Stimme zu reagieren. Doch statt sich umzudrehen, warf er einfach nur einen beiläufigen Blick über die Schulter. Sakura kam über die Steinrampe getrabt, ihre pinken Strähnen hatte sie mit ihrem Stirnband zusammen gebunden. Sie war blutüberströmt, aber sie sah nicht panisch aus – nur müde. Shikamaru suchte aufmerksam ihr Gesicht ab, doch sie verriet nichts, da sie sich offensichtlich der Gesellschaft bewusst war, in der sie sich befanden, als sie sich näherte. 

 

Hibari richtete sich etwas weiter auf. „Habe mich schon gefragt, wohin du verschwunden bist.“

 

Die Kunoichi blieb neben Shikamaru stehen und ihre Augen wanderten kurz zu Hibari, um den Rotschopf zu mustern. Ein Mundwinkel des Tsubasa bog sich nach oben und seine Augen richteten sich in einem unverhohlenen Starren auf sie. 

 

Eine von Shikamarus Brauen hob sich. 

 

Sakura errötete heftig und versuchte sich an einer finsteren Miene, als sie das Kinn reckte. „Nun, du bist nicht tot. Daher gehe ich davon aus, dass du nichts Rücksichtsloses angestellt hast.“

 

Hibari grinste schief und setzte einen gespielt enttäuschten Gesichtsausdruck auf. „Und ich dachte schon, dass ich so vielleicht deine Aufmerksamkeit bekomme.“

 

Shikamaru warf Hibari einen perplexen Seitenblick zu und fragte sich, ob er sich gerade verhört hatte. 

 

Bitte was?

 

„Nur meine medizinische Aufmerksamkeit, Tsubasa.“, warnte Sakura ihn und gab sich alle Mühe, nicht zu schmunzeln, während sie Shikamarus Handgelenk packte und ihn mit einem Rucken fort zog. „Entschuldige uns kurz.“

 

Hibaris Grinsen zerbrach zu einem leisen Lachen und er hinkte die Rampe hinab. Unbeholfen hielt er inne, als Lee wie ein Blitz aus dem Tempel geschossen kam und ihm anbot, ihn zu tragen – was nicht passierte. 

 

„Shikamaru?“, rief Chōji und sah ihn fragend und wartend an.

 

Der Nara winkte ihn mit einer Handbewegung weiter. „Geh du schon, ich komme nach.“

 

Auch, als sie sich außerhalb der Hörweite befanden, blieb Shikamaru stumm. Doch sein Schweigen resultierte viel eher aus der Angst, die Antwort bereits zu kennen als aus der Vortäuschung von Geduld. In seinem Inneren waren seine Nerven angespannter als Stolperdrähte.

 

Sakura ließ sein Handgelenk los und wandte sich ihm voll zu. „Er ist stabil.“

 

Die Erleichterung wogte so schnell und stark durch Shikamaru, dass er beinahe nach vorne getaumelt wäre und an seinen Knien Halt gesucht hätte. Doch er schaffte es, nur träge zu blinzeln und atmete langsam durch die Nase ein; deutlich sichtbar fielen seine Schultern nach unten, als etwas von der Spannung aus seinem Körper blutete. Sakura beobachtete ihn genauestens, und überwachte ihn wie einen Herzschlag. 

 

„Aber wenn Chōji uns nicht den Weg freigeräumt hätte, dann wäre es wirklich…“, ihre Stimme verlor sich und sie seufzte. „Shikamaru, wirst du mir diesmal wenigstens zuhören?“

 

Er neigte den Kopf; viel zu erleichtert und ausgelaugt, um ihre Worte auseinander zu pflücken und nach all den versteckten Möglichkeiten darin zu suchen. Nicht, dass es seinen Verstand davon abhielt, irgendetwas vorweg zu nehmen, oder aufzuhören, trotz seiner Erschöpfung ununterbrochen weiter zu arbeiten. Die Erleichterung war kurzlebig und seine Augen wurden rasiermesserscharf, als sie sich auf sie richteten. 

 

„Ja, ich höre zu.“

 

Sakura rieb sich mit dem Handrücken über ihre Wange und blies sich eine verirrte pinke Strähne aus dem Gesicht. „Es gab eine ganze Menge Chaos, das bereinigt werden muss.“

 

Shikamaru starrte sie ausdruckslos an. „Erklär dich etwas näher.“

 

„Du weißt bereits, dass seine stagnierenden Chakrablockaden diese Blutgerinnsel verursacht haben.“ Geduldig wartete sie auf ein Nicken. „Naja und als er die Handflächenrotation genutzt hat, hat das schlagartig alle Blockaden zerbrochen und die Blutgerinnsel losgerissen und durch seine Blutbahn gejagt. Es waren viel zu viele für mich, um sie mit Chakra allein lösen zu können und sie haben sich auch viel zu schnell durch seinen Kreislauf bewegt. Wir mussten also auf etwas anderes zurückgreifen.“

 

An dieser Stelle hätte Shikamaru eigentlich kalte Angst verspüren müssen, die sich durch ihn grub, doch Sakura sah noch immer zu ruhig aus, als dass ein Alarm in seinem Verstand losgehen könnte. 

 

Die Augen des Nara verengten sich. „Ihr habt Gift gebraucht; ist es das, was du mir sagen willst?“

 

Sakura nickte. „Ich verstehe, warum du deswegen ausgeflippt bist.“

 

Nein. Das tust du nicht…

 

Shikamarus Miene wurde mörderisch. „Isuka hat Brodifacoum vorgeschlagen, Sakura. Hast du eigentlich eine Ahnung, was verfickte Scheiße nochmal das ist?“

 

Sakuras Kopf zuckte angesichts des scharfen Tons zurück. „Ja, es ist das, womit Ozuku die kranken Vögel töten ließ. Wie Rattengift.“

 

„Ganz genau…hast du jemals gesehen, was dieses Zeug mit Menschen anstellen kann?“

 

„Nein, aber-“

 

„Ich schon!“, schnappte Shikamaru zornig, bevor er die Lippen aufeinander presste, als sie ihn fragend ansah. 

 

Verdammt.

 

Er wandte den Blick von ihr ab und sein Kiefer zuckte, während er hart auf den aschebedeckten Stein der Rampe stierte. Energisch versuchte er, seinen Kopf zu klären und seine Gedanken zu zentrieren, die wild in die Vergangenheit, Gegenwart und eine etwaige Zukunft jagten. 

 

‚Rennst du immer noch eine Meile in der Minute, Nara?‘

 

Seine Augen schlossen sich mit einem unaussprechlichen Schmerz, als er an Nejis Worte dachte. 

 

Und trotzdem war ich nicht schnell genug…ich war es nie…jedes Mal…

 

Sakura musterte ihn schweigend. 

 

Blätter tanzten über den Boden zwischen ihnen, taumelten und drehten sich auf einer kalten Brise. Shikamaru spürte, wie sich ihre Hand leicht auf seinen Arm legte, doch sie verschwand wieder, als er aus dem Augenwinkel zu ihr hinüber sah.

 

„Shikamaru, du musst das verstehen. Wir mussten so schnell wie möglich Nejis Blut verdünnen, um diese Embolien lösen zu können.“ Sie hielt ihre Handflächen gegenüber, um Zeit darzustellen. „Normalerweise wird so etwas in einem solchen Zustand über einen längeren Zeitraum mit einem Antikoagulan bewirkt. Aber es kann bis zu einer Woche dauern, bis das Blut verdünnt ist.“ Sie führte ihre Handflächen aneinander. „Wir hatten keine Zeit dafür. Wir mussten dieses Gift verwenden. Isuka weiß, was sie tut.“

 

Shikamarus Kinn senkte sich ein wenig, aber es war nicht wirklich ein Nicken. „Ja, ich verstehe dich.“

 

„Gut.“, murmelte sie und etwas von ihrer Anspannung löste sich. „Im Moment verdünnt sich sein Blut. Ich habe bereits alle äußerlichen Verletzungen behandelt, sodass er nicht verbluten wird. Wir müssen auf jeden Fall dafür sorgen, dass er keinesfalls mehr verletzt wird. Es wird ein paar Tage dauern, bis sein Blut wieder auf normale Weise gerinnt, aber es wird dann keine Embolien mehr geben.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen und kalkulierten die Zeit, während er den Boden scannte und sich zu einem steten Schritt zwang. Sakura folgte ihm und sie liefen langsam über die Steinrampe. Er bemerkte nicht, dass sie ihn mit deutlicher Besorgnis musterte; sein Fokus war viel zu sehr nach innen gerichtet. 

 

Es gab immer noch so vieles, was er beachten musste. 

 

Die Friedensallianz, die Nachbesprechung mit dem Team, die Missionsreporte – die er durchsehen und angemessen frisieren musste – und dann noch das Sicherstellen, dass alle losen Enden miteinander verknüpft und gedeckt wurden. Außerdem musste er es doppelt und dreifach überprüfen, um einen desaströsen Rückschlag zu verhindern. 

 

Die Erinnerung an blaues Chakra, das die Lichtung erfüllt hatte, riss einen Ausdruck des Kummers und der Qual auf sein Gesicht. Er hob eine Hand an seinen Kopf und rieb sich die Nasenwurzel, während er fest die Lider aufeinanderpresste und versuchte, den Klang von Nejis Stimme und das Bild seines Gesichtes aus seinem Verstand zu verdrängen. 

 

Vergiss, dass es jemals etwas anderes war…vermassle das nicht…nicht schon wieder…nicht jetzt…

 

Die Gedanken wirbelten so schnell, dass er gar nicht bemerkte, wie sich die Geschwindigkeit seiner Schritte daran anpasste, bis Sakura neben ihm zu joggen begann und ihn dazu zwang, wieder etwas langsamer zu werden. 

 

„Bist du okay?“

 

„Ja…Kopfschmerzen…“

 

„Shikamaru.“

 

Er blieb stehen, drehte sich ihr aber nicht zu, was Sakura dazu zwang, um ihn herum zu laufen, als sie nahe der Kante von Chōjis Graben anhielten. Ihre tiefgrünen Augen wurden weich mit einem ausweidenden Mitgefühl, als er ihrem Blick durch seine dichten Wimpern hindurch begegnete. 

 

„Es wird ihm wieder gut gehen, Shikamaru.“, ermutigte sie ihn lächelnd. 

 

Die Augen des Naras glitten zur Seite weg. „…Ja.“

 

„Shikamaru, nenn es eine Mission oder was auch immer du willst, aber du hast sein Leben gerettet, vergiss das nicht.“

 

Nein…das habe ich nicht…

 

Er schaffte es nicht, die versichernden und beruhigenden Worte zu hören, die sie sprach. Ihre Stimme begann zu verhallen, genauso wie das Geschwätz seiner Gedanken und das Rascheln der Blätter auf Stein und der Chorgesang in den Himmeln. Jedweder Klang verwischte und entschwand in einer Grube, die sich tief in seinem Inneren und in seiner Brust geöffnet hatte, ließ einen entsetzlichen Druck in seinen Ohren und in seinem Kopf zurück; und an den Rückseiten seiner brennenden Augen, als er nach unten auf das Gemisch aus Asche und Schlacke am Boden des Grabens stierte. 

 

Alles, was er hören konnte, war das heisere Echo von Nejis Stimme gegen sein Ohr. 

 

Sie geisterte wieder und wieder durch seinen Verstand…

 

‚Du hast mich umgebracht…bevor es das schaffen konnte…‘

 
 

oOo
 

 
 

Eine Brise in seinem Haar…so fühlte es sich an…eine zärtliche, ziehende Empfindung…

 

Aber da war kein Wind. 

 

Licht spielte über Nejis Augenlider und erschufen einen gesprenkelten Effekt, wie das Schimmern einer weit entfernten Sonne über schwarzen Wassern.

 

Wasser.

 

Seine Kehle fühlt sich rau und roh an, als würde sie aufreißen und zerplatzen, wenn er versuchte, zu schlucken…seine Muskeln verkrampften sich mit einer Kraft, die Übelkeit durch seine Innereien zerrte…es brachte ihn zurück in seinen Körper…zog ihn zurück zu Bewusstsein… glühendes… bebendes…Bewusstsein…

 

Fieber…?

 

Gift. Er konnte es spüren, beinahe schmecken, wie es sich auf seine Zähne legte. Chemisch, bitter und brennend wogte es in Wellen durch ihn…Venen standen in Flammen…Lungen waren schwer wie Blei in seiner Brust…und genau dort trafen die abgehackten Explosionen des Schmerzes wie kleine Rasierklingen ein…schneidend…scharf…

 

Scharf…

 

Shikamarus Augen kristallisierten sich in seinem Verstand…

 

Verstand…

 

Dieser Verstand war noch schärfer als die Augen…und beide hatten sich miteinander verbündet, um Neji aufzuschneiden…ihn zu sezieren und…

 

Mich zu zerbrechen…

 

Etwas brannte in ihm…und es schmerzte weitaus schlimmer als die Qual…schlimmer als das Gift…denn Shikamaru floss so viel stärker als die Chemie durch seine Venen…ebenso trügerisch und irreführend wie Rauch…Rauch in seinem Blut…

 

Ich werde dich…aus mir austreiben…Nara…

 

Das weiche Streicheln durch sein Haar kehrte zurück und ein Ruck folgte, auf den er als Reaktion die Stirn gerunzelt hätte, wenn er in der Lage gewesen wäre, seine Miene zu verändern.

 

„Maki-chan! Lass das!“

 

„Aber…ich kämme doch nur sein Haar…er ist mein Freund.“

 

„Er muss schlafen, okay? Geh und spiel woanders.“

 

Das Kratzen von Stuhlbeinen kreischte wie Nägel auf einer Schiefertafel durch seinen Kopf; ein guter Vergleich, wenn man bedachte, wie schwarz seine Welt geworden war. Alles war dunkel und verstaubt mit undurchsichtigen Partikeln von Realität und Delirium schwebte leise durch die Bildfläche. Geräusche schwollen gegen seine Schläfen; der Druck pochte und wurde stärker.

 

Eine Hand strich durch sein Haar. „Maki-chan ist so angetan von dir. Und sie mag deine Augen so sehr.“

 

Er kannte diese Stimme…ein verschwommenes Bild wurde von seinem Kopf herauf beschworen…gekleidet in Weiß…zierlich aussehend…die femininen Töne hoch wie trällernder Vogelgesang…die Veterinärin…er erinnerte sich an ihre Stimme…der Name glitt hinein in sein Bewusstsein und wieder hinaus…

 

Isuka…?

 

Das Gefühl von etwas Kaltem, das seine Stirn berührte…

 

Wach auf…

 

Nejis Wimpern zitterten gegen sein Jochbein, doch seine Lider wollten sich nicht heben. 

 

Er konnte keine Worte formulieren, doch er spürte das sanfte Tropfen von Wasser, das sich zwischen seinen gesprungenen Lippen sammelte; kühl und klar und es lief in dünnen Rinnsalen seine Kehle hinab. Es war eine willkommene Ablenkung, als der Schmerz zu pulsieren begann und Wellen aus Übelkeit ihn wieder der Schwärze entgegen drängten. 

 

Nein…steh auf…

 

Seine Finger krümmten sich schwach und ein scharfes Piepsen erklang zu seiner Linken. 

 

Wie ein gemessener Herzschlag…

 

Schlägt es überhaupt noch…? Bin ich…?

 

„Du hast eine unglaubliche Kondition.“, die Stimme plauderte leise, freundlich und bewundernd über ihm, entschwand und kam zurück, als würde sich ein Lautstärkeregler in seinem Kopf hin und her drehen. „Ich habe niemals zuvor so etwas gesehen. Ich wünschte, ich wäre stark, aber mein Talent liegt nicht in meinem Körper. Ich habe schwache Knochen.“

 

Schwach…?

 

Das Wort drang durch den dichten Nebel in seinem Kopf und erfüllte ihn mit einem Gefühl des absoluten Abscheus wegen seiner Unbeweglichkeit.

 

Beweg dich…Gott, steh…einfach auf und…beweg dich…

 

Doch kein einziger Befehl wurde ausgeführt; tatsächlich kämpfte sein Bewusstsein darum, die Anweisungen überhaupt zu vervollständigen, da sich im Delirium befindende Erinnerungen in seinem Kopf vermischten…ein psychedelisches Wirbeln, das ebenso verzerrt war wie seine Träume…

 

Bewegung…Steine…Zug…

 

‚Du bist am Zug…‘

 

Zug. Ein Spiel…eine Lüge…Lügen…

 

Shikamaru.

 

Verschwinde…aus meinem Blut…verschwinde…aus meinem Kopf…

 

Der Herzmonitor neben dem klapprigen Krankenbett biepte laut. Es war eine sprunghafte Veränderung die das Streicheln an seinem Haar innehalten ließ. Er hörte Schritte, das Rascheln von Bewegungen und ein sanftes Tätscheln an seinem Unterarm.

 

„Ich weiß, es muss schrecklich sein. Es ist okay, Hyūga. Es wird vorbei gehen. Ich verspreche es dir.“

 

Neji fühlte erneut das leichte Tätscheln an seinem Arm…und dann folgte eine andere Empfindung, weiter entfernt und an den Rändern seines Bewusstseins…beinahe wie eine Chakrasignatur…flackernd und entschwindend…

 

Halluziniere ich…?

 

Er versuchte sich zu bewegen. Und konnte es nicht. Das Biepen zu seiner Linken wurde schriller und nahm an Geschwindigkeit zu. 

 

„Ganz ruhig. Du bist genauso rastlos wie unsere Vögel.“, murmelte Isuka mit warmer Stimme. „Aber mach dir keine Sorgen. Deine Freunde werden bald zurü-“

 

Ihre Stimme brach mit einem erstickten Keuchen ab und etwas schlug dumpf auf dem Boden auf. 

 

Der Klang durchbohrte markerschütternd Nejis Verstand und hallte durch ihn. 

 

Vögel schrien in ihren Käfigen, Stahl schepperte, Futterkisten wurden umgeworfen.

 

Ein nasses Sprühen traf auf seine fiebrige Haut. 

 

Es war warm. Zu warm. 

 

Nein…STEH AUF!

 

Die Oberfläche, auf der er lag, ruckte heftig unter dem Gewicht von etwas, das dagegen kollabierte und rollte sie ein Stück fort, bevor sich der dünne Schlauch, der seinen Arm mit dem Tropf verband, straff zog. Die Nadel glitt aus seiner Armbeuge. Er spürte es nicht. Aber die Empfindung, dass sich alles drehte, hörte nicht auf und sein Hirn geriet ins Taumeln; kämpfte darum, mit dem Ansturm von Übelkeit und verzerrter Schwerkraft fertig zu werden. 

 

Er konnte Isuka nicht mehr hören…nur noch das schrille Piepsen links neben sich und die Panik der Vögel. 

 

Energisch versuchte er, seine Sinne weiter auszustrecken, nach irgendeinem Geräusch zu suchen oder nach ihrer Atmung. 

 

Nichts. 

 

Nur das Kratzen von Klauen und das Schlagen von Flügeln. 

 

Doch selbst durch das benebelte Chaos seiner Wahrnehmung…er wusste, dass er nicht allein war. 

 

Die Anspannung zog seine Nerven zu spröden Strängen straff und vibrierte mit einem machtlosen Zorn, da ihn Paralyse und Schmerz bewegungsunfähig hielten. Er hatte keine Ahnung davon, was zur Hölle gerade passierte. 

 

Bis etwas sein Handgelenk berührte. 

 

Es wanderte mit einem sanften Kratzen seinen Arm hinauf, kitzelte seine Haut und strich über seine Armbeuge, um der starken Kurve seines Bizepes zu folgen. Es glitt höher, geisterte über sein Schlüsselbein…dann über die schmerzenden Ebenen seiner Brust und bis zu den flachen Muskeln seines Bauches…

 

„Oh, Hyūga.“, summte eine tiefere, weibliche Stimme in sein Ohr. „Was hat dieser Junge dir nur angetan?“

 

Auf einen Schlag fühlte sich das Fieber kalt auf seiner Haut an.

 
 

oOo
 

 
 

„Oi, Shikamaru, wer hätte gedacht, dass wir nochmal hierher kommen, huh?“

 

„Es war so leer das letzte Mal.“, sagte Sakura kopfschüttelnd. „Seht es euch jetzt an.“

 

Das Summen, das die große Versammlungshalle füllte, war wie das Brummen von Statik gegen Shikamarus Haut. Es schien mehr ein Bienenstock als eine Halle zu sein und die Aktivitäten und Erwartungen nahmen immer weiter zu, als die Hanegakure Shinobi und die Clanältesten herein marschierten. Die leise Furcht war einer zunehmenden Neugierde gewichen. Gesichter, die ernst und misstrauisch gewesen waren, wurden weicher und lebendiger. 

 

„Schwarmmentalität.“, lachte Hibari leise und spähte zu Shikamaru. 

 

Der Nara sagte nichts – er ließ seinen Blick einfach nur über die Menge wandern. 

 

„Solange es sich nicht in eine Mobmentalität verwandelt.“, murrte Kiba und ging in die Hocke, um einen Arm um Akamaru zu schlingen. 

 

„Das wird nicht passieren.“, versicherte Hibari. 

 

Shikamaru wollte ihn zu gerne beim Wort nehmen, doch sein Hirn hörte einfach nicht auf, jedes mögliche Desaster vorauszuahnen und ihn mit Möglichkeiten zu bombardieren, wie er das verhindern konnte. Er stand mit Hibari und dem Rest des Konoha Teams an einem Podium an der einen Seite der Halle. Es verlieh ihnen einen günstigen erhöhten Standpunkt, bevor sie nach unten steigen und sich zu den Ältesten an den Steintisch begeben mussten. Es war derselbe Tisch, um den sie gesessen waren, als sie ihre Versammlung mit Ozuku abgehalten hatten. 

 

Die Augen des Nara glitten weiter nach vorn. 

 

Jenseits des Tisches füllte sich die Halle immer weiter mit den relevanten Repräsentationsfiguren und Clanvorstehern – es würde mehr eine offene Ratssitzung werden, die es allen Bewohnern gestattete, nach vorn zu treten und ihre Meinung kundzutun. Shikamaru hatte bereits mitbekommen, wie Hibari so mit seinen Rebellen vorging. Die koordinierte Disziplin der Rebellen hatte den Nara beeindruckt, aber nicht vollkommen überrascht. Sie folgten Hibari ohne Fragen zu stellen; aus Respekt und Hingabe und ohne den geringsten Hauch von Angst oder Verpflichtung. 

 

Nicht wie bei Ozuku oder Fukurō.

 

Hibari ermutigte jeden, Fragen zu stellen und hieß Vorschläge willkommen, während er zusammen mit seinen vertrauenswürdigsten Shinobi zu kollektiven Urteilen kam. Doch wurden die Entscheidungen bekannt gegeben, dann war sein finales Wort Gesetz. Die Diskussion war vorbei; sowohl Disziplin, als auch Ordnung wurden weiterhin beibehalten. 

 

Er würde ein guter Anführer sein, wenn die Leute ihn denn akzeptierten. 

 

Sein Clansname war schwer befleckt – und es würde einige Zeit dauern, sich von diesem Makel zu befreien. 

 

„Den Dorfbewohnern ihre Stimmen wieder geben…“, murmelte Sakura. „Es ist ein guter Anfang.“

 

Hibari brummte. „Und auch nicht zu rücksichtslos. Bringt mir das ein paar Pluspunkte ein?“

 

„Nein.“ Sakura verschränkte die Arme, doch Shikamaru wusste, dass sie lächelte. 

 

Das hätte ich nie erwartet…wie so vieles anderes…

 

Der Nara fuhr fort, aufmerksam durch die Halle zu blicken und suchte nach irgendwelchen Anzeichen von Aggression. Doch es schien keine zu geben. Das plötzliche Schlagen von Akamarus Rute gegen sein Bein zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Der Hund hatte seinen Kopf schief gelegt und die Schlappohren aufgestellt. Seine Zunge hing ihm aus dem Maul, während er mit lästiger Intensität zu dem Schattenninja hinauf starrte.

 

Shikamaru seufzte und eine seiner Brauen hob sich in einer erbärmlichen Imitation seines üblichen Gesichtsausdruckes. 

 

Winselnd wedelte Akamaru noch einmal mit dem Schwanz gegen sein Bein; vor und zurück wie ein freundschaftliches Tätscheln – zumindest das hundeartige Äquivalent zu so etwas. Die seltsame und wissende Geborgenheit in dieser Geste ließ Shikamarus Kiefer verkrampfen und dieser Klumpen aus Emotionen stieg schon wieder in seiner Kehle auf. 

 

Fuck…das ertrage ich jetzt nicht…

 

Energisch kämpfte er den Drang nieder, die Augen zu schließen. 

 

„Hey!“, bellte Kiba und deutete zu der Kuppel der Halle. „Das darf doch nicht wahr sein! Das sind Narutos Turteltauben!“

 

Naruto bewegte sich so schnell, dass er nur ein Blitz aus gelb, orange und schwarz war. Mit einem Hechtsprung brachte er sich hinter Chōji in Sicherheit, während seine Hände bereits durch sein Haar fuchtelten, nur für den Fall, dass er bereits ohne es zu bemerken bombardiert worden war. 

 

„Versteck mich!“

 

„Du bist so eine Memme.“, lachte Kiba. „Sie suchen doch nur nach dem ‚Verschwundenen‘.“

 

Shikamarus Blick wanderte nach oben und folgte dem Schwarm kleiner orangener Vögel, die zwischen den Balken hindurch zischten. So gut er konnte, konzentrierte er sich auf diese Ablenkung, bis sich seine Augen auf das Krümmen kraftvoller Schwingen richteten. Hibaris Adler saß in den Sparren und sah auf sie hinab. 

 

„Turteltauben?“, echote Hibari und seine Stirn legte sich in verwirrte Falten. „Das sind keine-“

 

„Spar dir die Mühe, Hibari.“, seufzte Sakura nur. 

 

„Es sind Narutos Turteltauben.“ Kiba wackelte mit den Augenbrauen. „Und Naruto ist der Verschwundene.“

 

„Halt’s Maul.“ Narutos Faust tauchte unter Chōjis Arm auf und fuchtelte wild. 

 

Hibari grinste. „Diese Vögel bringen Glück. Du solltest einen mit nach Konoha nehmen.“

 

„Scheiße, nein!“, plärrte Naruto. 

 

„Scheiße, ja!“ Sofort war Kiba auf den Füßen und streckte die Hand aus wie ein Mechaniker, der um ein Werkzeug bat; seine Finger krümmten und streckten sich fordernd. „Hinata, bring mir sofort ein Netz. Oder ein bisschen von Narutos Blut, oder was auch immer. Du kannst ihn beißen.“

 

„Was zur Hölle, Kiba?!“

 

„Kiba-kun!“, erwiderte Hinata ernst und so nah dran an einem Tadel, wie es ihr möglich war, während sie rot anlief. 

 

Shikamaru reagierte überhaupt nicht und starrte einfach nur Akamarus Rute an, die immer wieder sachte gegen sein Bein strich. „Hibari, warten wir eigentlich nur noch auf Isuka?“

 

„Eher auf ein paar mehr Älteste. Aber es wäre mir lieber, wenn sie hier wäre.“

 

„Sie hat gesagt, dass sie mir Bescheid gibt, um sie abzulösen.“, sagte Sakura und spähte zu dem Nara, während sie gegen ihr Funkgerät tippte, das sie immer noch trug. „Ich werde auch nach Neji sehen.“

 

Shikamaru verstand die Bedeutung ihrer Worte und nickte. „Ja.“

 

Er hatte alles, was ihm noch an Zurückhaltung geblieben war, gebraucht, nicht darauf zu bestehen, dass entweder Sakura oder Hinata bei Neji blieb. Es war allerdings zwingend erforderlich, dass sich das Konoha Team den Dorfbewohnern zeigte. Zu diesem Zeitpunkt war das Vertrauen noch so brüchig, dass selbst das kleinste Misstrauen argwöhnischer Ältester aufgrund nicht anwesender Verbündeter ausreichen würde, um es kollabieren zu lassen. Es war bereits schwer genug, Nejis Abwesenheit zu erklären. 

 

Isuka sollte sich besser beeilen…

 

„Also wie geht es eurem Hyūga?“, fragte Hibari ernst, hielt die Augen aber auf die Menge gerichtet. „Wird er sich wieder erholen?“

 

Die Antwort darauf hätte vollkommen automatisch kommen sollen, doch Shikamaru musste feststellen, dass seine Zunge wie an seinem Gaumen festgeklebt war. 

 

„Ja, er wird sich erholen, aber er muss sich ausruhen.“, sprang Sakura ein und rettete Shikamaru, bevor er eine erschöpfte Antwort hervor zwingen konnte. „Chakraverbrauch. Sein Ninjutsu erfordert eine ganze Menge davon.“

 

Hibari summte und seine grauen Augen verengten sich nachdenklich. „Achja? Ich habe nie gesehen, wie er irgendeine Art von Ninjutsu angewandt hat, als er gekämpft hat. Nicht einmal das Byakugan.“

 

Fuck.

 

Shikamaru erholte sich schneller als erwartet und sein träger Tonfall rollte ihm unberührt über die Lippen. „Schätze mal, dass er es sich für Ozuku aufgespart hat.“

 

„Aufgespart? Erscheint dir das nicht seltsam?“

 

Der Nara zuckte mit den Achseln. „Ich bin kein Hyūga.“

 

Hibari beließ es dabei, doch Shikamaru konnte einfach nicht anders, als den Eindruck zu gewinnen, dass der Tsubasa sehr wohl den rohen Nerv bemerkt hatte, der unter der täuschend gelassenen Haut des Schattenninjas lag. Oder vielleicht war er auch einfach nur paranoid; was vermutlich grausam ironisch wäre, wenn man die vielen Male bedachte, als er Neji vorgeworfen hatte, anderen zu misstrauen. 

 

Und jetzt hast du ihm jeden Grund dazu gegeben…

 

Doch noch grausamer war die Tatsache, dass er es hätte aufhalten können. Er hätte die Auswirkungen seiner Handlungen abmildern können. Er hätte sich von diesem Gebiet abwenden können, auf und in dem er sich verloren hatte. Es wäre besser gewesen, die Distanz zu wahren und nichts zu verlieren. Ein Nichts, das etwas war, das eine unglaubliche Qual verursachte, wenn er versuchte, davon weg zu laufen; distanziert und unberührt. Eine Qual, die er von Anfang an nicht hatte er ertragen können.

 

Es ist nicht von Bedeutung…man kann nicht verlieren, was man niemals gefunden hat…

 

Und vielleicht war das die grausamste Lüge von allen. 

 

Und trotz all seiner Intelligenz, er wusste, dass er sich selbst nicht täuschen konnte. 

 
 

oOo
 

 
 

„Du magst sie getäuscht haben, Hyūga…aber ich konnte es in deinen Augen sehen.“

 

Alles, was Neji sehen konnte, war Schwärze.

 

Auch seinen anderen Sinnen erging es wenig besser, obwohl Kitoris Stimme durch sie hindurch stach, wie honigtriefende Hörner. Die klebrige Süße ihrer Stimme verschleierte die verblendete Bitterkeit, die er dennoch spüren konnte. 

 

Ich muss mich bewegen…

 

Aber nichts wollte reagieren. Das körperlose Gefühl hielt an, als würde er den Schmerz ebenso außerhalb seines Körpers spüren wie innerhalb. Es machte ihn orientierungslos und verwirrte die Signale, die sein Hirn abfeuerte; er war nicht einmal in der Lage, sie irgendwie zu koordinieren. 

 

Beweg dich.

 

Das schwerfällige Ziehen seiner Atmung wurde noch anstrengender, als er darum kämpfte, seinen Willen über seinen geschwächten Zustand hinaus zu zwingen. 

 

BEWEG DICH!

 

Der Herzmonitor piepste all seine Anstrengungen mit schrillen Tönen in die Luft. 

 

„Ssshh.“ Kitoris Atem spielte über seine Stirn und dieses leichte Kratzen, von dem er wusste, dass es ihre Fingernägel waren, strich seine Rippen entlang, wanderte höher und schob sich durch sein Haar. „Ich bin auch gut darin, die Leute zu täuschen. Wir sind uns sehr ähnlich, du und ich.“

 

Nein, ich bin überhaupt nicht wie du…

 

Erneut kämpfte er darum, die Augen zu öffnen, doch nur seine Wimpern flatterten ein wenig. 

 

Er hörte, wie sich Kitori bewegte und registrierte, dass ihre Schritte innehielten, bevor ein einziger etwas schwerer ausfiel als die vorhergehenden. Als würde sie über etwas hinweg steigen. 

 

Isuka…

 

Zorn und Schuldgefühle krallten sich unter Nejis Haut und waren noch potenter als die Hitze seines Fiebers. Wie zur Hölle hatte es Kitori geschafft, sich zu befreien? War sie nicht eingesperrt gewesen? Hatte sie gekämpft? Wen sonst hatte sie verletzt? Die Fragen rollten in seinem Kopf herum wie scharfe Steine; schwer und aufschürfend gegen seinen Schädel. 

 

„Wie töricht von ihnen, wirklich. Ich bin sehr gut darin, aus Käfigen zu entkommen…schon immer, seit ich ein kleines Mädchen war…“ Kitoris Stimme lief aus und ihre Fingerspitzen strichen über Nejis Kiefer. „Dieser Vogel ist niemals ohne seine List. Ich bin deutlich weiser geworden, als sie sich vorstellen können.“

 

Weiser…

 

Ungebeten löste sich eine weitere Erinnerung aus seinem Bewusstsein. Die Stimme von Shiranui Genma wirbelte durch seinen Verstand, zusammen mit all den Trümmern in seinem Kopf. 

 

‚Wenn gefangene Vögel weiser werden, dann versuchen sie, ihren Käfig mit den Schnäbeln zu öffnen. Sie geben nicht auf, denn sie wollen endlich wieder frei fliegen.‘

 

Nejis Finger zuckten. 

 

Gott, vielleicht war das alles einfach nur eine kranke Halluzination. 

 

Doch dann umfassten Hände sein Gesicht und die kühlen Spitzen von Kitoris Daumen streichelten seine Wangenknochen, bevor sie den stolzen Kanten folgte. „Hat er dir Frieden gebracht? Ich habe gesehen, wie du ihn berührt hast. So wie ich dich jetzt.“

 

Ihre Finger folgten einem Pfad, der dem Schwung seiner eigenen Finger ähnlich war, als er sie über die Neigungen von Shikamarus Gesicht hatte wandern lassen. 

 

Woher weiß sie das…?

 

„Ich habe gesehen, wie er dir gesagt hat, dass du aufhören sollst.“ Sie hielt mit den Fingerspitzen an seinen Schläfen inne. „Und das hast du. Es war hypnotisch…wie du ihn angesehen hast. Auf eine Weise, auf die er dich nicht ansehen konnte.“

 

Nejis Verstand bemühte sich, den Worten zu folgen und sie mit einer Zeit und einem Ort zu verknüpfen, die wahrscheinlich nur einer Phantasie in Kitoris Kopf entsprangen. Aber was sie beschrieb, erschien ihm zu vertraut…ihre Berührung zu intim und zu präzise ausgerichtet…

 

„Und weißt du auch, was du als nächstes getan hast?“

 

Er wusste es instinktiv.

 

Ein Hauch von Atem fächerte gegen seine Lippen. „Du wolltest nicht aufhören, oder?“

 

In seinem Inneren zuckte er angewidert zurück, als der Mund dieser Frau unverschämt seinen eigenen liebkoste. Allein die Tatsache, dass sie sich ihm so weit nähern konnte, war genug, um den brutalen Drang in ihm zu wecken, es sie unverzüglich bereuen zu lassen. Doch es war die eine Sache, diesen Drang zu spüren und eine ganz andere, in der Lage zu sein, diese Drohung auch in die Tat umzusetzen. 

 

FUCK! BEWEG DICH!

 

Er konnte es nicht. Er konnte einfach nur diese Übelkeit erregende Empfindung durchleiden, als ihre Zunge langsam über seine Unterlippe strich, bis ihre Zähne zubissen – gerade so fest, dass sie noch kein Blut vergossen. Dann zog sie sich zurück und legte eine Hand an seinen Kiefer, als sie ihr Gesicht so nah an seines legte, dass er das alarmierende Beben in ihrer Stimme auf der Haut spüren konnte. 

 

„Er ist dir nachgejagt.“, wisperte sie verbittert. „Warum ist mir nie jemand nachgejagt? Warum ist nie jemand meinetwegen gekommen? Sie haben mich in diesem Käfig gelassen. Mich gebrandmarkt und dafür gesorgt, dass ich zwei wunderschöne Kinder geboren habe. Ich habe versucht, sie zu retten.“

 

Sie zu retten?

 

In seinem Inneren zähmte sich Nejis Zorn ein wenig und begann nur noch zu schwelen, während er versuchte, trotz des zunehmenden Druckes des brüllenden Blutes in seinem Kopf, einen Sinn in den Worten zu erkennen, die sich gegen seine Trommelfelle pressten.

 

„Aber du hast meine Toki gerettet, nicht wahr? Du hast Gnade gezeigt. Du hast sie gerettet.“

 

Sie gerettet?

 

Er hatte sie umgebracht. Ihr das Leben genommen. Und das alles unter der Illusion, dass sie eine Bedrohung war, obwohl sie doch in Wahrheit nichts weiter gewesen war, als ein vollkommen verängstigtes, schwangeres Mädchen – selbst kaum mehr als ein Kind – sich hinter einem Mut versteckend, der vielleicht lange genug gebröckelt hätte, damit er die Wahrheit sehen konnte; wenn er ihr nur die Chance dazu gegeben hätte. 

 

Etwas von dem harten Kampf verließ ihn; der Zorn wich einer entsetzlichen Reue und Verwirrung. 

 

„Ich habe versucht, meinen Hibari dazu zu bringen, es auch einzusehen.“, wisperte sie, während ihre Fingerspitzen über Nejis Gesicht geisterten, wie vielleicht ein Kind seine kostbare Porzellanpuppe berühren würde; den Hüter all ihrer Geheimnisse.

 

Ich will deine Geheimnisse nicht…ich will deinen Schmerz nicht…

 

Er war dem seinen viel zu ähnlich…schnitt er die Umstände ab und riss die Kontexte hinfort…dann war es dieselbe Qual…roh…bitter…stark genug, um die Herzen anderer Menschen anzugreifen; und wenn nur, um das zu beschützen, was von dem eigenen noch übrig war…

 

Nicht, dass er es geschafft hatte, das zu tun.

 

Zwanghaft versuchte er, das Bild dieser brennenden Mahagoniaugen, die sich zu poliertem Obsidian vertieften, aus seinen Gedanken zu verbannen. 

 

„Ich habe versucht, es ihm klar zu machen, als er ein Kind war.“, fuhr Kitori fort. „Ihm zu sagen, dass ich Dinge gesehen habe…dort oben im Himmel, schwebend wie ein Vogel. Dort gibt es keine Restriktionen, keinen Schmerz, keine Ketten, die uns unten halten. Dort gibt es nur den Wind.“

 

Etwas Nasses traf auf Nejis Wange. 

 

Verspätet bemerkte er, dass es Kitoris Tränen waren. 

 

„Nur der Wind ist mir gefolgt, ist mir nachgejagt, Hyūga. Niemand sonst hat es je getan.“ Ihre Fingerkuppen fuhren die Spuren ihrer Tränen in den Mulden seiner Wangen nach, als würde sie ihre Trauer auf ihn zeichnen. „Aber ich werde dir die Gnade gewähren, die du mir nicht geben konntest. Denn ich verstehe, was Freiheit ist…ich verstehe, dass es nur eine Sache gibt, die Menschen wie uns diese Art von Frieden bringt. Weißt du, was es ist?“

 

Für eine verräterische Sekunde blitzte klar und deutlich Shikamarus Gesicht in Nejis Geist auf – ein heimsuchender Schnappschuss, den sein Zorn in der Mitte auseinander gerissen hätte, wenn sein Schmerz ihn selbst nicht zuerst zerfetzt hätte. 

 

Und dann berührte etwas anderes seine Haut – neigte sich gegen die Schräge seiner Wange. 

 

Kalter Stahl. 

 

Kitoris Lippen berührten sein Ohr. „Es ist der Tod.“

 
 

oOo
 

 
 

Das dauert viel zu lang…

 

Die Nerven am Grund von Shikamarus Nacken spannten sich an und kribbelten. Er bog einen Arm nach hinten und rieb gegen die Verkrampfung, während seine Augen über die Menge wanderten. Seine Schläfen fühlten sich ebenso straff an wie das Fell, das über eine Trommel gespannt war; sein Hirn hatte offenbar keinerlei Probleme damit, einen Gedanken nach dem anderen auszuspucken, um seinen Kopf damit nach und nach zu einem formlosen Brei zu prügeln. 

 

Scheiße…so kann ich nicht klar denken…

 

Mit der Ausrede, ein wenig frische Luft zu schnappen und einen klaren Kopf zu bekommen, bevor die letzten Ältesten eintreffen würden, schlüpfte Shikamaru aus der Hintertür und trat auf eine große Veranda. Sie war vollgestellt mit Tischen und Stühlen, um im Sommer unter freiem Himmel essen zu können; eine erhöhte Ebene, von der man das Dorf überblicken konnte. 

 

Shikamaru schlenderte über den Balkon und legte die Hände auf das Geländer. Hart packte er zu, während er den Kopf nach unten beugte und kühle Luft durch die Nase einzog; er hielt den Atem tief in sich, als er auf seinen bandagierten Handrücken starrte. 

 

Reiß dich zusammen. Du hast eine Rolle zu spielen. Also tu es. Hör auf, rumzujammern wie ein Kind.

 

Ein leises Giggeln zog seinen Blick zur Seite. 

 

Shikamaru hob ein wenig den Kopf und seine Schulterblätter bewegten sich unter seiner Flakjacke, als er sich etwas aufrichtete. Ein blondes Kind hockte neben einem der Tische und winkte ihm zu. Der Schattenninja sah sie schweigend an, bevor er grüßend leicht mit dem Kopf nickte. Eigentlich hatte er es nicht als eine Einladung gemeint, aber die Kleine sprang sofort auf die Füße und hüpfte zu ihm herüber. 

 

„Du bist trickreich!“, stellte sie fest und deutete mit dem Finger auf ihn. 

 

Trickreich?

 

Shikamaru verzog innerlich das Gesicht. Selbst zu seinen besten Zeiten fühlte er sich in der Gesellschaft von Kindern gelinde gesagt unwohl. 

 

Wie lästig…das ist wirklich das Letzte, was ich im Moment brauche…

 

Das grünäugige Mädchen hielt mit den Händen an den Hüften inne und sah mit einem aufrichtig unbeeindruckten Ausdruck zu ihm auf, der ihn dazu brachte, sich weiter von ihr fort zu schieben. Er hatte keinerlei Interesse daran, der Empfänger eines kindischen Wutanfalls zu sein – besonders nicht, wenn es um ein Kind ging, das so nervig aussah wie dieses hier. Er wandte demonstrativ den Blick ab und hoffte inständig, dass das Unterbrechen des Augenkontakts sein tiefes Desinteresse kundtun würde. 

 

„Du bist klug! Das hat dein Freund gesagt!“

 

Das wiederum zog seine Aufmerksamkeit auf sich. 

 

Er spähte zu ihr hinüber und hob eine Braue. „Mein Freund?“

 

„Der Traurige. Er hat die Augen eines Engels.“

 

Shikamaru starrte sie an und seine Lippen öffneten sich leicht, als ihm der Atem in der Kehle erstarb. Er musst schwer schlucken. „Was?“

 

„Er hat gesagt, dass du auch ihn acht gibst.“ Das Mädchen legte den Kopf auf die Seite und blonde Locken hüpften, als sie ihre Lippen zu einem kleinen Knoten schürzte; ganz offensichtlich argwöhnisch. „Aber jetzt gibt sie auf ihn acht.“, jammerte die Kleine und spie das Wort ‚sie‘ geradezu aus. „Ich mag sie nicht!“

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und wandte den Blick ab, während er sich über die Stirn rieb. „Isuka-san ist eine gute Frau.“

 

„Nah-ah, nicht Isuka-san, Dummerchen! Isuka-san schläft.“

 

Shikamaru erstarrte vollkommen. „Bitte was?“

 

„Yup!“ Das kleine Mädchen nickte. „Auf dem Boden. Es ist schmutzig auf dem Boden. Aber die Frau mit den Zöpfen gibt jetzt auf deinen Freund acht. Trotzdem mag ich sie nicht. Sie hat gruselige Augen.“

 

Für einen Moment setzte Shikamarus Herzschlag aus und er stierte das Kind einfach nur an. 

 

Und dann rannte er.

 

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Uff...wieder einiges passiert und einige Metaphorik in dem Kapitel. Emotional war das echt auch wieder eine Herausforderung. Ich hoffe sehr, dass vor allem die Szenen mit Neji gut gelungen sind. Lasst mich doch wissen, wie euch das Kapitel gefallen hat, ich würde mich wieder sehr über ein paar Meinungen freuen! <3
 

Vielen vielen Dank wie immer an all meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen für die Unterstützung! <3

That's why

Rauch hing dicht und schwer über Hanegakure; es waren Wirbel aus Grau und Schwarz, die der Wind aus dem Aviarium trieb und über dem Dorf ausbreitete. Ein Schleier aus Asche und Hitze, Staub und Dunkelheit. 

 

Shikamaru schnitt durch ihn hindurch, die Augen gegen den Smog zusammengezogen. 

 

Über dem Rauch erscholl ein schriller Schrei, der so scharf war wie ein Shuriken. 

 

Er sah nicht auf. 

 

Seine Miene war Stahl und sein Verstand starr auf ein einziges Ziel gerichtet. Und seine Beine bewegten sich mit einer Leichtfüßigkeit, die ihn schockiert hätte, wenn er sich der Distanz bewusst gewesen wäre, die er innerhalb weniger Minuten überbrückte. Er rannte, ohne wirklich zu laufen, ohne bewusst einen einzigen Schritt zu lenken. 

 

Bitte…

 

Adrenalin und pure Angst stießen seinen Sprung bis hinauf auf eine höhere Brücke und er fand Halt, ohne Chakra in seine Füße lenken zu müssen. Er schoss über die nächste Kreuzung und erklomm Hanegakures spiralförmige Ebenen.

 

Er bewegte sich wie die Hirsche, um die sich sein Clan kümmerte; mit einer Schnelligkeit und Agilität, die ihm in der Regel dann von Nutzen waren, wenn seine Stärke hinter seine Geschwindigkeit fiel. Doch jetzt hatte er das Gefühl, dass seine Geschwindigkeit irgendwie auf der Strecke blieb. 

 

Bitte…

 

Vor Neji war der instinktive Auslöser seiner Läufe stets die Flucht gewesen. Doch mit Neji, hatte sich dieser Instinkt in etwas vollkommen anderes verwandelt. Dieses Mal wurde der Drang zu rennen nicht von Selbsterhaltung getrieben oder dem Befehl, eine Aufgabe zu erledigen. 

 

Es war der Drang zu beschützen…wenn er es rechtzeitig schaffen sollte.   

 

Er presste kurz und heftig die Augen zusammen und ließ sie gleich darauf wieder auffliegen. 

 

Sie brannten; wild und panisch mit der kalten Angst in ihm. 

 

Götter…bitte…!

 
 

oOo
 

 
 

Sie sang. 

 

Der Klang hallte hinein in Nejis Verstand und wieder hinaus wie sich kräuselnde Wellen, die gegen seine Trommelfelle schlugen. Das Fieber hatte inzwischen mit voller Wucht eingesetzt und die irritierenden Wogen des Deliriums machten es schwerer und schwerer, festzustellen, was real, eingebildet oder einfach nur eine Erinnerung war. 

 

Es trieb ihn in den Wahnsinn…und er konnte es nicht bekämpfen oder sich bewegen, um davor wegzurennen. 

 

Wegrennen…?

 

‚Hey, das ist mein Part, nur dass du das weißt! Und jetzt schau mich an, total verantwortungsbewusst und der ganze Schmarrn, also pass auf, dass du damit nicht auf die Schnauze fällst.‘

 

Shikamaru…

 

Die Worte drangen so klar durch das Delirium; viel klarer als die seltsam heiseren Töne von Kitoris Singsang…Tränen machten ihre Stimme rau…verliehen ihr eine rauchige Qualität…

 

Rauch…

 

Er war sich sicher, dass er ihn riechen konnte. Und dann der Geschmack von Rauch, der zu ihm zurück kam; nicht eingebildet, sondern mit jeder Faser eine Erinnerung…nährte seine Lippen…

 

‚Neji…atme…‘

 

Das Streichen kalten Stahls über seinem Bauch zerrte ihn ruckartig zurück in die Realität.

 

„Ich habe meinem Mädchen immer vorgesungen.“, murmelte Kitori. „Sie hatte so eine wunderschöne Stimme…manchmal kann ich sie noch immer auf dem Wind hören. Sie ist jetzt frei.“

 

Neji bemühte sich so gut er konnte, seinen Fokus zu zentrieren. Wenn er sich nur ein wenig mehr aus dieser Schwärze ziehen könnte; nur genug, um auf irgendeine Weise antworten zu können, dann hätte ihm das vielleicht Zeit erkauft.

 

WACH AUF!

 

Lippen legten sich an seine Stirn und sein Hirn feuerte Blitze aus Phantomschmerzen durch seinen Körper, als würde das Fluchsiegel unter ihrem Mund zu brennen anfangen. 

 

„Wenn du mein kleines Mädchen siehst, Hyūga, dann sag ihr, dass ich bald zu ihr kommen werde…“

 

Die Erinnerung an Fukurōs Stimme übertönte die von Kitori mit einem ekelerregenden Echo. 

 

‚Erinnere dich an meinen Namen, Hyūga. Du kannst ihn meiner Tochter sagen, wenn du sie auf der anderen Seite siehst.‘

 

Nejis Finger zuckten und seine Lider flatterten. 

 

Nein, nicht auf diese Weise. Nicht so.

 

Die Vorstellung, einfach aufzuhören zu existieren, ohne mit Zähnen und Klauen einen höllischen Kampf zu liefern, war vollkommen inakzeptabel. Dieser Gedanke war unerträglich und sein Körper, Blut und Hirn lehnten ihn mit einer Brutalität ab, die einen Tremor durch die Muskeln seines Körpers jagte. Mit einem Rucken spannten sie sich an. 

 

Ich werde hier nicht sterben…

 

Kitoris Lippen wanderten erneut zu seinem Ohr. „Jetzt wird dir nur noch der Wind nachjagen.“

 

Den ersten kalten Biss der Klinge registrierte er kaum. 

 

Doch das Gefühl von Blut, das seine Brust hinab lief, schon.

 

Aber da war viel zu viel davon – besonders bei so einer flachen Wunde. Und in seinem fiebrigen Zustand konnte er keine Erklärung dafür finden. 

 

Das Biepen des Herzmonitors schlug heftig aus.

 

Langsam glitten Kitoris Finger durch sein Haar. „Ah Hyūga, bist du so begierig darauf, dieser Welt zu entfliehen, dass du derart blutest? Wünschst du dir, dass er es wäre, der dir diesen Frieden bringt? Stattdessen hat er dir ein Gefängnis gebracht, in dem du dich nicht bewegen kannst.“

 

Neji spürte den zweiten Schnitt der Klinge nicht, denn ein Donnern explodierte auf der anderen Seite des Raumes…oder war es nur in seinem Kopf? Wie ein Aneurysma, das in seinem Hirn detonierte. Der Schmerz rammte sich in seine Trommelfelle und vibrierte über seinen Schädel. 

 

Vögel schrien und krachten gegen die Käfiggitter. 

 

Kitoris schwingendes Haar strich über seine Haut. 

 

Das Pochen von Lärm schwoll qualvoll in seinem Schädel an. 

 

Und irgendwo in dieser verzerrten Arena seiner Sinne glaubte er, Stimmen zu hören, als er in die Schwärze glitt und wieder hinaus…hinein und hinaus aus der Realität…oder war es Existenz?

 
 

oOo
 

 
 

Die Tür flog so hart in ihren Angeln zurück, dass das aufgebrochene Schloss gegen einen der Vogelkäfige geschleudert wurde und die kreischenden Kreaturen in einer frischen Woge aus Panik aufschreckte. 

 

Shikamaru hörte nichts davon.

 

Alles, was er hören konnte, war das Schrillen in seinem Kopf, als sein Herz so heftig bis in seine Kehle hämmerte, dass er beinahe daran erstickte. Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger qualvoller Stunden, dehnte sich Zeit aus; sie bewegte sich mit dieser wankelmütigen Elastizität und verzerrte jeden noch so flüchtigen Moment zu Zeitlupe. 

 

Kitoris Kopf drehte sich, als müsste sie ihn durch Wasser ziehen. So langsam, dass ihm genug Zeit blieb, dem Schwung ihrer Strähnen zu folgen und dem Zucken ihrer blutunterlaufenen Augen, als sie in ihren eingesunkenen Höhlen schwankten. Das rostige Weiß ihrer Augäpfel richtete sich auf ihn und ihre Lippen teilten sich. 

 

Und da fiel ihm auf, wie leichenhaft sie aussah.

 

„Du bist seinetwegen gekommen…Shikamaru.“

 

Sie sprach die Worte mit einem morbiden Fauchen aus und beinahe wären sie unter dem kreischenden Chaos der Vögel untergegangen. Shikamarus Augen waren vor Panik und Entsetzen weit aufgerissen und senkten sich auf die Klinge, die sie in der Hand und über Nejis Hals hielt. Die Schneide war mit Blut bedeckt und es sammelte sich an dem spitzen Ende des Dolches; tropfte wie Tränen in die Mulde von Nejis Hals.

 

Nein…

 

Die Augen des Nara wurden noch runder und sahen zu, wie dünne karmesinrote Bäche über die Ebenen von Nejis Torso rannen. Sie bahnten sich einen Weg durch die Landschaft seiner Haut, flossen durch die Senken seiner Bauchmuskeln wie ein verdrehtes Bewässerungssystem, das Leben stahl, statt es zu bringen. 

 

Shikamarus Blick ruckte zu der Ursache des Blutes. 

 

Es war eine Schnittwunde über Nejis rechtem Schlüsselbein. 

 

Ganz nah am Druckpunkt. 

 

Schwallartig strömte verdünntes Blut aus der hässlichen Öffnung. 

 

Das Brodifacoum…

 

Shikamaru schluckte heftig, alle Aufmerksamkeit weiterhin auf die rasiermesserscharfe Kante der Klinge gerichtet. „Kitori…“

 

„Du bist seinetwegen gekommen…für ihn.“, echote sie und hob ihre Stimme gerade genug, um über das Schreien der Vögel hinweg gehört zu werden. „Warum?“

 

„Warum?“ Shikamaru hauchte das Wort zwischen den Lippen hervor und kämpfte den Drang nieder, durch das Zimmer zu stürzen und ihre Kehle wie einen dürren Zweig zu zerquetschen und zu brechen, während sich die Anspannung in seinem eigenen Hals so straff zog, dass er kaum noch atmen konnte. 

 

Gott…denk nach…DENK NACH…

 

Neji verblutete…Isuka lag auf dem Boden, das Gesicht ihm abgewandt…auf der einen Seite ihres Kittels erblühte dunkles Rot…Gerätschaften lagen um sie herum auf dem Boden verstreut…jenseits des Fensters zog irgendetwas Kreise und schrie…

 

Alles davon nahm Shikamaru nur durch die Peripherie seiner Sicht und seines Fokus wahr; die Details füllten automatisch seinen Verstand, während seine Aufmerksamkeit weiter auf den Dolch fixiert blieb. 

 

Auf den Dolch, der über Nejis Kehle schwebte…

 

Denk nach! Benutz deinen verdammten Kopf!

 

Es war alles, was er hatte – auf keinen Fall konnte er sein Jutsu anwenden. Ihm fehlte das Chakra, um es einsetzen zu können. Und Kitori war dem Jōnin viel zu nah, um irgendetwas Überstürztes unternehmen zu können. 

 

Warum bist du seinetwegen gekommen, Shikamaru…?“, biss sie zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, während ihre Finger durch Nejis Blut strichen, als wäre es Farbe. „Warum kommst du immer seinetwegen?“

 

Shikamaru bebte schon fast vor der Anstrengung einer Kontrolle, die er kaum zu fassen bekam. Und ihr Griff an ihmverschwand rasend schnell. Der Zorn und die Angst peitschen sich in seine Augen und seine Stimme brach scharf und kalt mit einer harschen Logik aus ihm heraus.

 

„Du denkst, dass sich die Leute keine Mühe machen, deinetwegen zu kommen, ist es das?“

 

Kitoris Lippen kräuselten sich zu einem sauren Lächeln, doch Tränen fluteten ihre Augen. „Du kluges, kluges Bürschchen. Aber das hier ist keine Rache…es ist Gnade…“

 

„Gnade?“ Shikamaru warf einen verzweifelten Blick auf Neji, bevor er ihn wieder auf die Tsubasa Frau richtete. 

 

Sie legte den Kopf schief. „Es schmerzt dich, ihn so sehen zu müssen, nicht wahr?“

 

Shikamarus Augen verengten sich zu Schlitzen und die Muskeln in seinem Kiefer zogen sich ruckartig straff. Die Mulden in seinen Wangen sanken tiefer mit jedem Knirschen seiner Zähne und Zorn machte seinen Blick noch schärfer als ihre Klinge. 

 

Die Kraft davon traf sie; allerdings nicht auf die Weise, die er beabsichtigt hatte. 

 

Tatsächlich sah Kitori enttäuscht aus.

 

Sie strich mit dem Dolch über Nejis Mund und drückte die Spitze gegen die Unterlippe; gerade hart genug, um eine rubinrote Perle erscheinen zu lassen. „Das ist nicht, was ich in deinen Augen sehen will, Shikamaru. Zorn ist eine Maske. Gib mir etwas Reales.“

 

Shikamaru stierte sie an; seine Miene fuchsteufelswild. 

 

Auf dem Boden krümmten und bewegten sich Isukas Finger. 

 

Energisch widerstand er dem Drang, zu der Veterinärin zu spähen und hielt seine Augen auf Kitori gerichtet. „Etwas Reales?“, schnappte er, um sie hinzuhalten. 

 

Isukas Arm begann, sich Stück für Stück über den Boden zu schieben. Aus dem Augenwinkel folgte Shikamaru der Bewegung, war aber nicht in der Lage, seinen vollen Fokus darauf zu richten, während Kitoris Aufmerksamkeit einzig und allein seinem Gesicht galt. 

 

„Blut ist real…“ Sie drückte die Klinge ein bisschen härter gegen Nejis Lippe und spaltete die empfindliche Haut. Dunkles Rot sickerte in Nejis Mundwinkel, sammelte sich, lief über und rann über seine Kieferlinie. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich, während die von Kitori mit Tränen glänzten. 

 

„Tränen sind real…“, wisperte sie.

 

„Du willst mein Blut, Kitori?”, spie Shikamaru aus und trat ein paar Schritte nach vorn, während er die Arme ausbreitete. „Dann nimm es.“

 

Kitori legte den Kopf auf die Seite und zog die Brauen zusammen, während sie ihn genau musterte. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war schon beinahe sprunghaft, gemessen daran, wie schnell er zwischen zu vielen verschiedenen Extremen von Emotionen wechselte, als dass der Nara sie erfassen könnte. 

 

„Du würdest für ihn bluten, Shikamaru.“, murmelte sie wie zu sich selbst und schüttelte den Kopf. „Aber du kannst nicht für ihn weinen, oder?“

 

Shikamaru hielt sofort inne und blieb neben Isuka stehen. 

 

Der Klang von Nejis Herzfrequenz schwankte mit ruckartigen Piepsern. 

 

Angst packte Shikamaru an der Kehle, doch sein Gesicht blieb teilnahmslos. 

 

„Mein lieber Junge.“ Kitori wirbelte den Dolch in ihrer Hand herum und ihre Finger zitterten, als sie wieder fest den Griff packte. „Du kannst nicht vor dir selbst wegrennen und gleichzeitig ihm nachjagen, oder?“

 

Isukas Finger strichen über Shikamarus Knöchel. Sie schob etwas an seinen Fuß. So unauffällig wie möglich senkte er den Blick und schirmte seine Augen ab, indem er es aussehen ließ, als hätte er sie geschlossen. Seine Sicht erfasste die Waffe, die Isuka ihm präsentierte und Kälte durchströmte ihn. 

 

Nutze sie.

 

„Ich schätze mal, dass sich das schon ausgeht.“, erwiderte Shikamaru heiser und bemühte sich um eine rasche Strategie. „Er hat immer gesagt, dass ich das auch nicht muss…“

 

Die blasierte Antwort brachte ihm ein mörderisches Funkeln ein. 

 

„Also warum tust du es dann?!“ Kitoris Augen blitzten giftig auf und sie packte die Klinge in ihrer Wut noch fester. „Sag mir, warum du es immer tust!“

 

Shikamaru beobachte ihre Bewegungen und sein gesamter Körper spannte sich für einen Geschwindigkeitsschub an, der sich bereits in seinen Muskeln sammelte. 

 

„Sag es mir!“

 

„Nein.“

 

Kitori brüllte ihre Rage über seine Weigerung heraus. „Sag mir warum!“

 

In dem Moment, in dem sie den Dolch hob, stürzte Shikamaru nach vorn und unten, rammte seine Schulter hart in die Seite von Nejis Krankenbett und seine Finger strichen tief, um im selben Zug die Spritze an seinem Fuß aufzuheben. 

 

Das Bett schwang herum. 

 

Es traf Kitori an der Hüfte und schleuderte sie durch die Drehung zurück. 

 

Jetzt!

 

Shikamaru warf sich zwischen sie und Neji, schob das Bett nach hinten und weiter von ihr fort, während der Bogen von Kitoris Klinge seinen Höhepunkt erreichte. Das Funkeln des Dolches zog Shikamarus Blick auf sich. 

 

Sie wirbelte herum, bevor er es schaffte. 

 

Die Klinge fuhr in einem weißen Blitz nieder. 

 

Sie grub sich mit genug Wucht in Shikamarus Flakjacke, um ihn zurück gegen die Wand zu schleudern. Gerade versuchte Kitori, die Schneide zu drehen, als er mit dem Arm herumschwang und die Spritze in ihrem Nacken versenkte. 

 

Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke. 

 

Und dann presste sein Daumen den Kolben nach unten. 

 

Kitori zuckte ein einziges Mal und langsam weiteten sich ihre in Brand gesetzten Augen. Ein ersticktes Geräusch entwich ihr. Heftig keuchte Shikamaru durch die Nase und er biss die Zähne zusammen, als Kitori ihre Finger um den Griff des Dolches krümmte, um ihn noch tiefer zu treiben. Die Klinge hatte sich in einem Winkel in der Weste verfangen, dass sie ihn nicht verletzen konnte. Doch er fühlte sich nichtsdestotrotz bis auf den Knochen aufgeschnitten. Sie suchte sein Gesicht ab und ihre Kehle verkrampfte sich ruckartig, während das Gift ihre Blutbahn flutete. 

 

Shikamaru bebte und sein Atem ging stoßweise, als sich Adrenalin in Eis verwandelte. 

 

Ihm gefiel die Erinnerung überhaupt nicht, die diese Situation provozierte. 

 

Doch viel wichtiger als die Vergangenheit war die Gegenwart, die in Sekundenbruchteilen entschwand. 

 

Entschwinden…

 

Neji…

 

Sofort zuckte sein Blick durch den Raum zu dem Hyūga; Verzweiflung, Schmerz und Panik peitschten durch seine Augen und verrieten ihn mit einer Veränderung auf seinen Zügen. 

 

Götter, bitte…

 

„Shikamaru…“

 

Er sah zurück zu Kitori, als sie seinen Namen wisperte. 

 

Sie legte den Kopf wie ein Vogel schief und blickte in seine Augen. 

 

Das Starren, das sich hielt, war tief und verstörend. 

 

Und von all den Dingen, die hätten passieren können, hätte er niemals erwartet, dass sie lächelte. Sie löste ihre Hand von dem hervorstehenden Griff des Dolches, um über seine Flakjacke zu streichen. Sie legte ihre Handfläche über sein Herz. Wie ein Kind tippte sie mit den Fingern darauf und starrte ihn mit diesen rot durchsetzten Augen an. 

 

„Also…deswegen…“, sagte sie leise.

 

Shikamarus Gesicht verzog sich verwirrt und er zog ein wenig den Kopf zurück, bis er gegen die Wand schlug, um Abstand zwischen sich und diese Frau zu bringen, als ihre Nase zu bluten begann. Als hätte er sich verbrannt, riss er die Hand von der Spritze fort, die aus ihrem Nacken ragte und sah zu, wie Kitori schwankend zurückstolperte – und wie in einem nachträglichen Einfall, die Spritze aus ihrem Fleisch zog. 

 

Klappernd fiel sie zu Boden. 

 

Shikamaru blieb für einige Herzschläge gegen die Wand gelehnt, während sein Hirn raste und sich seine Lungen wie zwei schlaffe Säcke voll Blut in seiner Brust anfühlten, die sich in Eisen verwandelten, als er zu atmen versuchte.

 

Atmen. NEJI.

 

Die Welt kam zurück und hämmerte sich mit voller Wucht in seine Sicht. Augenblicklich war er an Nejis Seite und rammte seine Hand auf den Druckpunkt am Schlüsselbein des Hyūga, um die Ströme aus Blut aufzuhalten. Es sickerte zwischen seinen Fingern hervor und er veränderte die Position seines Griffes, um noch härter nach unten zu pressen. 

 

„Neji…Neji…“, keuchte er verzweifelt und erstickt. „Scheiße…“

 

Die Vögel kreischten in ihren Käfigen. 

 

Shikamaru drehte den Kopf und sah gerade noch, wie Kitoris Zöpfe in der Luft wippten, als sie aus dem Raum taumelte. 

 

Verdammt.

 

Sie würde nicht lange durchhalten, aber es war unmöglich einzuschätzen, was sie alles tun würde, bis das Gift seine volle Wirkung entfaltete. Es würde schnell gehen. So viel davon und mit dieser Konzentration an Toxizität würde es nicht gestatten, dass sie weit kam. Er wusste bereits, wie das alles für sie enden würde. 

 

Draußen schrie Hibaris Adler lang und laut. 

 

Doch der einzige schrille Klang, der Shikamarus Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, war das Piepsen von Nejis Herzfrequenz. 

 

Wie…wie zur Hölle konnte ich zulassen, dass das passiert? Gott, ich habe es nicht verhindert…

 

Energisch hielt Shikamaru eine Hand auf den blutenden Schnitt gepresst, als er sich Isuka zuwandte und beobachtete, wie sie sich gegen die Wand und auf einen Ellbogen stützte. Ihr Bein war ekelerregend verdreht. 

 

Shikamarus Blick zuckte zu ihrem Gesicht. „Isuka?“

 

„Es geht mir gut…ich bin ok…“ Sie hob die Finger zu dem Transmitter an ihrer Kehle, um Sakura zu rufen. „Du musst sie aufhalten…Shikamaru…“

 

Nein.

 

Shikamaru wandte sich wieder Neji zu und schüttelte heftig den Kopf. Sein Gesicht war kreideweiß und angespannt, während er mit der freien Hand ein Laken zusammenknüllte und auf die Wunde des Hyūga drückte. 

 

Diesmal nicht. Ich kann nicht…ich kann nicht davon laufen…nicht schon wieder…

 

Isuka hob ihre Stimme. „Shikamaru-san…ich kann ihm helfen…du musst mir aber dabei helfen, aufzustehen…und du musst Kitori aufhalten…“

 

Sie würde so oder so bald tot sein. Was zur Hölle spielte es schon für eine Rolle? Und er hasste seinen Verstand dafür, dass er sofort und wie auf Kommando eine Antwort auf diese Frage hatte. 

 

Weil sie vielleicht jemand anderen mit sich in den Tod nimmt…

 

Mit all dem Blut von Neji, das zwischen seinen Fingern hervor quoll, hatte sie das möglicherweise bereits getan.

 

Nein…NEIN…

 

Shikamaru stierte hart auf die blutigen Lippen des Hyūga und biss die Zähne gegen einen Klang zusammen, von dem er sich sicher war, dass er es nicht ertragen könnte, ihn loszulassen. Er ließ einen mentalen Countdown ablaufen und zerrte seinen Verstand heftig von der Kante der Panik zurück. 

 

„Shikamaru…bitte…“

 

Der Nara konnte Isuka kaum hören; er kämpfte zu sehr darum, nicht seine Stimme und seine Konzentration zu verlieren, als er unverwandt hinunter auf Neji starrte. „Verdammt, Neji…komm schon…“

 

Neji antwortete nicht. 

 

Diese Opalaugen öffneten sich nicht. 

 

Der Jōnin blieb schlaff und still, äschern und kaum atmend.

 

Neji…

 

„Lästiger Hyūga…“, knurrte Shikamaru und blinzelte rapide; zwang die Worte um den rauen Knoten in seiner Kehle vorbei und seine Arme begannen zu beben, als er noch härter auf die Wunde drückte. „Auf keinen Fall wirst du jetzt dieses Schläfchen machen…nicht heute…“

 

Das Blut wollte einfach nicht nachlassen. 

 

„Shikamaru-san…bitte…“

 

Shikamaru presste die Lider aufeinander und fühlte sich bis in sein Innerstes zerrissen. Der Druck eines tiefgehenden Zwiespalts wuchs immer mehr in ihm. 

 

„Bitte…“, flehte Isuka. „Sie könnte eins der Kinder verletzen…“

 

Scheiße…

 

Shikamarus Augen glitten auf und er zerrte die zerfetzten Teile seines Selbst wieder zusammen. Energisch zwang er eine Nadel aus Konzentration und einen Faden aus Kontrolle durch sie hindurch, um sie wieder zusammenhalten zu können. Er verfestigte den Griff, den er um seinen Verstand erhielt – doch dasselbe schaffte er nicht mit seinem Herzen. 

 

Aber er wusste, was er tun musste. 

 

Er schluckte schwer und starrte ein letztes Mal hinunter auf Nejis Gesicht; auf die fahle Haut und die dunklen Flecken unter den Augen des Hyūga. Und dann atmete der Nara angespannt ein, während sich sein Hirn in den kritischen Modus begab und sich seine Kehle um Worte herum verkrampfte, die er gerade so heraus hauchen konnte. 

 

„Du verlierst nicht, erinnerst du dich? Fang jetzt nicht damit an…“

 
 

xXx
 

 
 

Shikamaru rannte nicht. 

 

Er lief und verlängerte seine Schritte erst, als er die Grenze des Dorfes hinter sich gelassen hatte. 

 

Seine Gang war das gemessene, stete Vorankommen von jemanden, der genau wusste, was er vorfinden würde – und die Gewissheit, dass er es finden würde. Vielleicht war das auch der Grund gewesen, warum er immer so verdammt schnell gerannt war, wenn es um Neji ging. Er war sich nicht eine Sekunde sicher gewesen. Er hatte einfach seine Wetten gesetzt…und dann…hatte er so viel mehr gesetzt. Energisch versuchte er, der grausamen Realität zu entkommen, doch sein Hirn versuchte ununterbrochen, diesen Impuls zu einem Verständnis zu zwingen.

 

Es macht keinen Unterschied, wie schnell du dich bewegst…was du finden wolltest war schon lange verloren, bevor du gedacht hast, dass du es endlich erreicht hast.

 

Und dennoch war er ihm nachgejagt. 

 

Wieder und wieder. 

 

Mit Sicherheit brauchte es irgendeiner Art verdrehter, masochistischer Veranlagung, um sich derart dumm zu verhalten. Sein überragender IQ scheiterte glänzend darin, irgendwelche Erklärungen und Antworten dafür zu finden. Oder wenn doch, dann waren es Antworten, die unerwünscht, oder unsicher oder einfach nur inakzeptabel waren. 

 

Er war sich nicht sicher; aber vielleicht wollte er sich auch gar nicht sicher sein. 

 

Es lag eine gewisse Geborgenheit in diesem ‚nicht wissen‘ und ‚nicht verarbeiten‘. Zumindest vorerst. Der Schock hatte ihn bis ins Innerste getroffen – hart – und er hatte sich in eine Art Shutdown begeben. Er hatte es tun müssen, um von diesem Raum fort laufen zu können. Von Neji. 

 

Schon wieder…

 

Shikamaru blinzelte langsam und folgte dem Schatten von Hibaris Adler. Kitori hatte keinerlei Versuch unternommen, ihre Spuren zu verwischen, oder außer Sicht zu bleiben, wodurch sie einfach genug zu verfolgen war. Sie hatte einen taumelnden, schwankenden Pfad beschrieben, aber sie rannte nicht; vielleicht um die Wirkung der Chemikalien in ihrem Netzwerk zu verlangsamen. Genau wie Shikamaru gedacht hatte, hatte Isuka das Gift zusammengesetzt. In kleinen Mengen würde sich die tödliche Wirkung nicht entfalten. 

 

Doch das würde bei Kitori nicht der Fall sein.

 

Er hatte ihren Körper mit einer letalen Dosis überschwemmt. Sie verblutete bereits von innen heraus. Ein grauenvoller und schmerzhafter Weg zu sterben und es befriedigte ihn überhaupt nicht, das zu wissen; wenn man all das bedachte, was sie getan hatte, dann hätte es eigentlich so sein sollen. 

 

Über ihm wirbelte der Adler herum und flog dem Boden entgegen. 

 

Der Vogel hatte ihn geführt, auch wenn er es nicht wirklich gebraucht hätte. Aber sie hatte ihm Zeit gespart; und die Zeit war mit einer Vergeltung zurückgeschnellt, dass es der trägen Geschwindigkeit spottete, mit der sie sich vorhin bewegt hatte. Kitori musste sich bewusst sein, dass sie sich auf dem schnellsten Wege zu den Pforten des Todes befand und so überraschte es Shikamaru nicht, dass sie bereits kollabiert war, als er sie fand. 

 

Was ihn allerdings überraschte, war die Tatsache, dass jemand anderes sie zuerst gefunden hatte. 

 

Hibari.

 

Shikamaru entschied sich, vorerst im Schatten zu bleiben und begab sich in die Baumkronen. Auf einem Ast ging er in die Hocke und seine dunklen Augen überwachten aufmerksam die Szenerie unter sich. 

 

Kitori war gegen die Stütze eines Findlings zusammengesackt und der massive Felsbrocken wirkte, als wäre es einst eine Art geschnitztes Monument gewesen. Es war schwer erodiert und zerbröckelte. Was auch immer es gewesen war; jetzt befand sich der Zustand jenseits irgendeiner Erkennbarkeit. 

 

Seltsamerweise erschien es passend. 

 

Hibari schien ebenfalls dieser Meinung zu sein, wenn sein vorsichtiger Blick darauf irgendein Indiz sein konnte. Shikamaru beobachtete, wie er sich Kitori näherte; den Kiefer zu einem Winkel der Aggression gereckt und seine tiefroten Strähnen schwangen in der Brise, während sein Adler ihn einmal umkreiste und dann wieder in den Himmel aufstieg.

 

Shikamaru lehnte sich zurück gegen den Stamm und dachte darüber nach, dass der Adler vielleicht eher Hibari geführt hatte und nicht ihn. 

 

Jetzt spielt es keine Rolle mehr…

 

Mit stumpfer Analyse sah der Schattenninja zu, darauf vorbereitet, diese Phase bis zu ihrer Vollendung zu verfolgen; und wenn nur, um sicherzustellen, dass es endlich vorbei war. 

 

Er brauchte es so sehr, dass es vorbei war. 

 

Während Shikamaru beobachtete, bemerkte er, dass sich Hibaris Aggression nicht wirklich in seine Schritte übertrug; sie waren viel zu schwerfällig, um zornig zu sein. Kitori hob den Blick hinauf zu ihrem Sohn und ihre Haut war fleckig, als Blutgefäße unter der Oberfläche auszulaufen begannen; Blut tropfte aus ihrer Nase. Mitleidlos starrte Hibari auf sie hinunter; aber auch ohne Grausamkeit. Er sah aus, als wäre er am Ende eines langen Weges angekommen und war bitter entsetzt darüber, was es ihn alles gekostet hatte, um dorthin zu gelangen. Als hätte er nicht gefunden, wonach er gesucht hatte. 

 

Kitori lächelte zitternd und ihre Stimme rasselte. „Bist du gekommen, um mich zu töten, Hibari?“

 

„Sieht nicht danach aus, als müsste ich das tun, oder?“, erwiderte er flach. 

 

Sie lehnte den Kopf gegen den Fels und erschauerte. „Das Gift ist nicht schneller als du…du kannst es immer noch beenden…“

 

Die Miene des Rotschopfs wurde düster und seine grauen Augen flackerten auf, bevor er in die Hocke ging und ihr auf Augenhöhe begegnete. Wachsam beobachtete Shikamaru die Interaktion und prüfte genauestens, ob von der Frau irgendeine Art von Bedrohung ausging, auch wenn er wusste, dass dem nicht so war. 

 

Sie befand sich nicht mehr in der Lage, irgendeinen Schaden anzurichten. 

 

Hibari dagegen schon. 

 

Mit diesem Gedanken im Kopf wusste Shikamaru nur zu gut, dass diese Interaktion ausschlaggebend dafür war, mit was für einer Art Mann es Konoha in Zukunft zu tun haben würde, sollte Hibari ein essentieller Akteur in der Zukunft von Hanegakure werden. 

 

Es könnte keine bessere Gelegenheit geben, sein Wesen einzuschätzen als jetzt.

 

Und es sah nicht allzu vielversprechend aus. Die Augen des Tsubasa wechselten zwischen etwas, das wie flüssiges Zinn aussah bis hin zu etwas, das hart wie Granit war – gefährlich, unvorhersehbar, sprunghaft.

 

Shikamaru erwartete einen explosionsartigen Wutanfall. 

 

Kitoris Miene hingegen hatte vollkommen seine ätzende Kante verloren und ließ sie hager und kränklich zurück, während ihr Blick über das Gesicht ihres Sohnes wanderte. „Sieh dich an…wann sind deine Augen so hart geworden, meine süße Feldlerche?“

 

Der Kosename ließ Hibari zögern, doch er erholte sich rasch und mit einem Schnauben. Seine Lippen verzogen sich zu einem giftgetränkten Knurren. „Willst du dreimal raten, Mutter?“

 

Doch das Gift erreichte Kitori nicht; vielleicht war sie immun dagegen, wenn man bedachte, wie viel davon sich bereits in ihr befand. „Deine Augen…sind so anders als die deines Vaters. Du siehst überhaupt nicht wie dein Vater aus…“

 

„Ich bin auch nicht ansatzweise wie mein Vater.“, erwiderte er. „Oder Ozuku.“ Seine Augen wurden noch härter. „Oder du.“

 

Kitori hustete und leckte sich das Blut von den Lippen. Hibari reagierte überhaupt nicht darauf, außer dass er sich abwandte, als sie versuchte, eine Hand nach ihm auszustrecken. Er packte ihr Handgelenk hart genug, um ihre feinen Knochen brechen zu können, wenn er es denn wollte. Aber er tat es nicht. Doch seine Abweisung schien sie tief zu treffen, was Shikamaru ehrlich überraschte. 

 

Was zur Hölle hat sie denn erwartet?

 

„Ich denke…“, krächzte Kitori. „Ich denke…dass du jetzt deine Gerechtigkeit hast, mein-“

 

Hibaris Braue hob sich fassungslos und sein Lachen hallte hohl und schmerzerfüllt. 

 

„Gerechtigkeit?“, echote er und schleuderte ihre Hand beiseite wie einen schmutzigen Lumpen. „Ozuku und Fukurō wurden von demselben Shinobi umgebracht, der meine Schwester getötet hat.“ Er wandte den Blick von ihr ab und stierte finster das Gras an. „Sie sind in ihre eigene Klinge gefallen…und wenn man bedenkt, dass sie den Hyūga zu einer Waffe gegen mich gemacht haben, dann liegt eine gewisse Ironie darin…aber keine Gerechtigkeit. Gerechtigkeit wäre es gewesen, wenn ich sie selbst getötet hätte.“

 

Erneut streckte Kitori ihren Arm nach ihm aus und ihre Fingerspitzen strichen über seinen Handrücken. „Warum hast du nicht…“

 

Sofort stieß Hibari ihre Berührung mit einer Bewegung von sich, die viel zu scharf war, um ungerührt zu sein. „Weil ich sie so sehr gehasst habe, dass ich es vermutlich genossen hätte.“ Er starrte hart auf ihre Hand und sah ihr nicht in die Augen. „Und das hätte mich in etwas verwandelt, das ebenso vergiftet gewesen wäre wie du. Ich weigere mich, diesen Weg einzuschlagen.“

 

Die Kunoichi summte leise und rutschte etwas weiter an dem Fels nach unten. Das wilde fiebrige Licht in ihre Augen verblasste langsam. „Mein Weg war mir bereits zu Füßen gelegt…bevor ich ihn ändern konnte…meine tapfere Feldlerche…deswegen musste ich dich retten…vor demselben Schicksal…“

 

Hibari starrte einen Moment lang vor sich hin.
 

„Mich retten?“ Sein Atem zersetzte sich zu einem leisen Lachen. „Mich retten…“, wisperte er erneut. 

 

Und dann explodierte er.

 

„Mich RETTEN!“ Er wirbelte mit einem heftigen Rucken zu ihr herum und rammte seine Faust in den Stein neben ihrem Kopf; abgeplatzte Splitter flogen in alle Richtungen. „Wie zur Hölle hast du denn vorgehabt, mich zu retten?! Du hast verfickt nochmal versucht, mich umzubringen! Deine Handlungen haben Toki umgebracht und allein deswegen bete ich zu allen Göttern, dich langsamer töten zu können, als es dieses Gift tun wird!“

 

Doch auch, als er die Worte direkt in ihr Gesicht schrie, erhob er nicht ein einziges Mal die Hand gegen sie. 

 

Seltsam.

 

Shikamaru hätte es ihm nicht verübelt, wenn er es getan hätte. 

 

„Mein süßer Hibari.“ Kitori weinte, aber vollkommen ohne theatralische Dramatik. Die Tränen fielen einfach nur in stoischen, stummen Strömen. „Ich habe dich gerettet…“

 

„Nein!“, grollte er zornig, doch es war nicht Wut, die die Kanten in seiner Stimme so rau machte. „Du hast mich in den Untergrund gezwungen…du hast mich verflucht nochmal begraben…du hast bereits vor Jahren darin versagt, mich zu retten.“

 

Kitori schüttelte den Kopf und ihre Tränen liefen ihr inzwischen rot aus den Augen, durchzogen von Blut. „Ich habe dich im Stich gelassen, indem ich dich auf diese Welt gebracht habe…in diesen Käfig…das Mindeste, was ich tun konnte, war, dich genug zu lieben, um zu versuchen, dich daraus zu befreien…“

 

Hibaris fassungsloses Lachen war hoch und angespannt und der Klang bebte, als seine Stimme ein wenig mehr brach. „Du denkst, mich zu jagen und zu versuchen, mich zu töten war ein Akt der Liebe?“

 

Kitori legte die Stirn in Falten und Shikamaru registrierte eine erschreckende Aufrichtigkeit auf ihren Zügen und in ihren zitternden Worten. „Wie könnte es irgendetwas anderes sein? Ich habe dich immer geliebt, Hibari…deswegen musste ich dich befreien. Deswegen bin ich dir nachgejagt. Niemand ist mir nachgejagt.“

 

Hibari starrte sie geschockt an und sank nach hinten; sein Zorn verpuffte und seine Augen wurden groß. „Gott, du bist wahnsinnig…du warst es schon immer…“

 

Kitori musterte ihn. „Nein, Hibari…ich musste dich befreien.“

 

Befreien…

 

Shikamaru war nicht überrascht. 

 

Es machte Sinn; auf eine verblendete und vollkommen verdrehte Weise. Es war krank und falsch und eine Perversion mütterlicher Instinkte. Aber er konnte der Logik folgen, trotz all der verdrehten Argumentation. Und trotz all des Zorns von Hibari, hatte der Nara den Eindruck, dass auch der Rotschopf dieser Logik folgen konnte. Denn die Augen des Tsubasa schimmerten, auch wenn er den Kopf gegen das langsame und entsetzliche Verständnis anschüttelte, dass das Weltmodell seiner Mutter – in ihrem Kopf – gnädig und wahr war. 

 

Kitoris rot verkrustete Augen weiteten sich angesichts von Hibaris Kummer, bevor sie mit dem Glanz einer sterbenden Hoffnung weich wurden. „Weinst du für mich, mein Liebling?“

 

Hibari stierte sie an und sah dabei so zerrissen und elend aus wie die Tränen, die seine Augen überschwemmten. „Ja…ist das nicht erbärmlich? Oder vielleicht ist es einfach nur tragisch, dass ich dich nicht einmal hassen kann…mit was zur Hölle lässt mich das zurück…außer mit Bedauern…?“

 

Kitori lächelte und hob schwach einen Arm, um eine hagere, bebende Hand an seinen Kiefer zu legen. 

 

Und diesmal schlug er ihre Berührung nicht fort, auch wenn er sich ihr genauso wenig entgegen lehnte. 

 

„Gnade…“, wisperte sie und wischte mit ihrem Daumen eine verirrte Träne fort, die seinem Auge entkam. „Bitte, Hibari…“

 

„Gnade…“, echote er mit brüchiger, müder Stimme. „Du verdienst sie nicht.“

 

„Und genau aus diesem Grund…ist es Gnade…“

 

Hibari kämpfte einen Moment mit sich selbst und seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, bevor er die Augen schloss und mit einem sanften Griff seiner Finger ihre Hand von seinem Gesicht fort zog. „Ich werde für dich beten.“

 

Shikamaru hatte das Gefühl, dass er das nicht tun würde.

 

Doch Kitori lächelte. Es reichte ihr offensichtlich, daran glauben zu können. 

 

Als sie ein Kunai in die Hand ihres Sohnes drückte, hatte sich Shikamaru bereits abgewandt. 

 

Es war vorbei, als er auf Bodenlevel landete. 

 

Hibari begegnete ihm auf halbem Weg und sah unglaublich ausgezehrt aus, aber der Nara bemerkte, dass sich etwas in seinen Augen verändert hatte; sie waren weniger trostlos. Es war allerdings nicht leicht zu sagen, wenn man bedachte, dass sich Shikamarus Hirn was Emotionen anging vollkommen abgeschottet hatte. Er hatte überhaupt keine Energie mehr, besonders nicht mehr die, die nötig war, um mit dem umgehen zu können, was er als nächstes erwartete. 

 

Die Fragen, die Verdächtigungen, die Lügen, der Schwachsinn, die Risiken…

 

Ich kann nicht so weiter machen…

 

Hibari richtete einen seltsamen Blick auf ihn und seufzte schwer durch die Nase. Der Auftakt zu einer Katastrophe. Und dennoch hob Shikamaru einfach nur eine Braue und versuchte, sich mit einer Energie darauf vorzubereiten, die er nicht hatte, aber irgendwie finden musste.

 

Hibari musterte ihn schweigend für einen langen Moment. 

 

„Euer Hyūga…“, begann er.

 

Vor Erschöpfung hätte Shikamaru beinahe die Augen geschlossen. 

 

Und es geht los…

 

„Er hat mir mein Schwert nicht zurückgegeben.“

 

Was…?

 

Shikamaru blinzelte. „Was?“

 

„Mein Schwert.“, wiederholte der Rotschopf und seine Brauen wanderten angesichts Shikamarus ausbleibender Antwort in die Höhe. „Ein ziemlich großes gezacktes Ding, das die Angewohnheit hat zu glühen? Ja, also, ich brauche das wieder zurück. Natürlich nur aus Einschüchterungsgründen.“, scherzte er schwach. 

 

Shikamaru bot darauf kein Lächeln, kein Grinsen und keine sarkastische Erwiderung an. Er starrte einfach nur, angespannt und verwirrt; konnte nicht glauben, dass Hibari ihn einfach so vom Haken lassen würde. Die sicherste Reaktion wäre, irgendwie erkennen zu können, ob Hibari ein Spiel spielte, oder ernsthaft unausgesprochene Wahrheiten auf sich beruhen ließ. 

 

„Dein Schwert…“, sagte Shikamaru und machte sich keine Mühe, sein Unbehagen zu verbergen. 

 

Hibaris Lippen zuckten und er hob kurz die Schulter. „Ist nicht so, als könnte ich diese Dinger einfach so aus meinem Hintern ziehen, Nara. Ich habe eine Menge Blut vergossen, um es zu bekommen.“

 

Die atemraubende Anspannung in Shikamaru zerbrach in einen Wirbel aus nervösen, ungläubigen Blasen, die in einem kurzen bebenden Lachen aus ihm herausbrachen. Er schüttelte den Kopf und versuchte, sein Hirn davon zu überzeugen, dass er nicht verhört und in eine Ecke getrieben wurde. 

 

„Wenn du gerade versuchst, den Schlag etwas abzumildern, Tsubasa…lass es…“

 

„Ich bin kein Höhlenmensch, Nara. Ich gebe mich sehr gerne mit Verhandlungen zufrieden, wie sieht es bei dir aus?“

 

Shikamaru nickte, aber seine Augen waren wachsam. „Ich auch.“

 

Hibaris Züge entspannten sich zunehmend. „Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich würde sehr gerne neu und auf einem weißen Blatt beginnen. Also lass uns das hier sauber wischen.“ Er warf einen ernsten Blick über die Schulter und dorthin, wo Kitori lag. „Ich denke, dass was du für mich und mein Dorf getan hast um ein Vielfaches das aufwiegt, was du mir nicht erzählst.“

 

Scheiße. Meint er das ernst?

 

Nicht darauf vertrauend, dass er gerade nicht einfach nur auf ein Wunschdenken hereinfiel, verengten sich Shikamarus Augen zu Schlitzen und musterten Hibari durchdringend. Aber er konnte keine Lüge oder latenten Argwohn bei dem anderen Ninja erkennen. Die Worte waren direkt genug und seine Haltung zeigte keinerlei Anzeichen einer Täuschung – es gab keine Zeilen, zwischen denen gelesen werden müsste. Und dennoch zogen sich die Mundwinkel des Schattenninjas in einem unsicheren und misstrauischen Ausdruck nach unten.

 

Hibari drehte sich wieder zu ihm um und seine Miene verfinstere sich angesichts des Blickes, mit dem er bedacht wurde; er schnaubte. „Kein Grund, so überrascht auszusehen. Ich bin nur rücksichtslos, wenn ich zornig bin, schon vergessen?“ Er ernüchterte rasch und sah zur Seite weg. „Mein ganzes Leben lang war ich angepisst. Ich muss zugeben, dass ich es inzwischen mehr als leid bin.“

 

Shikamaru spähte über die Schulter des Tsubasa in Richtung von Kitoris Körper, ohne die Leiche direkt anzusehen. 

 

Ich schätze mal, er hat eine Art Frieden mit diesem Abschluss gefunden…

 

„Weißes Blatt, huh?“, murmelte der Schattenninja. 

 

Hibari neigte den Kopf. „Ich will eine Zukunft für mein Dorf, nicht bittere Erinnerungen. Verhandlungen, Frieden und von dort aus werden wir weiter machen. Ich muss nicht wissen, was gewesen ist, nur was ab diesem Moment passieren wird.“

 

„Mit diesen Bedingungen kann ich arbeiten.“

 

„Ich bin froh, das zu hören.“ Der Rotschopf brachte ein schwaches Lächeln zustande. „Und ich schätze, dass du deinen fahnenflüchtigen Hintern jetzt lieber mal zurück zu der Ratsversammlung schwingst, damit wir diese Friedensvereinbarung besiegeln können. Es wird nicht gerade gut aussehen, wenn du sie noch länger warten lässt.“

 

Scheiße. Die Mission. Schließe die Mission ab.

 

Die Augen des Nara wanderten hinauf zum Himmel und schlossen sich kurz, bevor sie wieder nach unten sanken. „Klingt nach einem Plan.“

 

Die letzte Phase. Du kannst das.

 

Es war auch nicht so, als hätte er irgendeine andere Wahl. 

 

Shikamaru schob seine Hände in die Taschen und wandte sich auf dem Absatz um. Mit seinem üblichen trägen Tonfall, der so erzwungen war wie noch nie zuvor, rief er über seine Schulter, während er zu laufen begann. 

 

„Fahnenflüchtiger Hintern? Wie zur Hölle hast du es denn geschafft, damit durchzukommen, nicht anwesend zu sein?“

 

Er hörte, wie Hibari amüsiert schnaubte. „Als wüsstest du das nicht. Netter Versuch.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln, doch ganz getreu zu Hibaris Vermutung, war er überhaupt nicht überrascht, als der Doppelgänger des Tsubasa hinter ihm in weiße Federn zerbarst. 

 
 

xXx
 

 
 

Ein kühler Wind strich durch Hanegakure, ein Hauch frischer und reiner Luft, die die letzten Schwaden des Rauches vertrieb und den Schleier hob, der sich auf das Dorf gelegt hatte. Es lag ein Gefühl des Abschlusses in den Flammen und die Hoffnung auf eine Art Wiederbelebung, die zu dem Monument eines Phönix passte, das der Rat anstelle des Tempels errichten wollte; um der Auferstehung aus der Asche ihrer Vergangenheit zu gedenken. 

 

Endlich ist es vorbei.

 

Shikamaru spürte, wie das funkelnde, goldene Glühen der späten Nachmittagssonne durch die Blätter hindurch helle Flecken auf sein Gesicht zeichnete. Er stand allein auf der Terrasse außerhalb der Versammlungshalle, hielt sich über dem Geschehen und außerhalb des Rampenlichts. Der Mangel an Aufmerksamkeit war ihm nur recht. Leise in die Schatten zu verschwinden wäre ihm noch lieber gewesen. Doch er machte keine Anstalten, seinen derzeitigen Platz auf dem Balkon zu verlassen. 

 

Er wusste ohnehin, wohin ihn seine Schritte tragen würden, wenn er es nur versuchen würde. 

 

Ein scharfer Stich durchzuckte seine Brust und zerrte heftig an den Sehnen in seiner Kehle. 

 

Nicht…nicht jetzt…später…

 

Wenn er vollkommen alleine war, zurück zuhause; dann würde er sich diesem Schmerz stellen. Aber nicht jetzt…

 

Tu einfach, was du tun musst…

 

Da er dringend irgendeine Art der Ablenkung brauchte, ließ er seinen Blick von den feuerverfärbten Blättern sinken und beobachtete die Prozession aus Ältesten und Clanvorstehern, die aus der großen Halle strömten. Viele von ihnen hielten inne, um mit den Konoha Shinobi zu sprechen, drückten Dankbarkeit und aufkeimende Freundschaft aus. 

 

Das Bellen eines nervösen Lachens zog Shikamarus Aufmerksamkeit auf eine lose Gruppe aus Dorfbewohnern. Naruto stand in ihrer Mitte, akzeptierte widerwillig den Dank des Eigentümers des Klauenhandels und bot im selben Zug eine Entschuldigung für die Zerstörung des Ladens an. Der Mann sah nicht wirklich beeindruckt aus; sein Mund zuckte an einer Seite seines Gesichtes und eine Pfeife hing zwischen seinen Lippen. Er sah über seine Nase hinweg und durch eisblaue Augen hinunter auf Naruto. 

 

Der Uzumaki bot ein zähneblitzendes verlegenes Grinsen an und seine eigenen himmelblauen Seen zogen sich nervös zusammen. Der Mann schnaubte mit unbeholfener und widerwilliger Akzeptanz, während zwei Wolken aus Rauch aus seinen Nasenlöchern strömten. 

 

Der Rauch zog Shikamarus Gedanken zu Asuma. 

 

Für einen kurzen Moment fragte er sich, was sein Sensei wohl über sein neuerlich entwickeltes Talent, einfach alles zu vermasseln, denken würde. Wie gut, dass er alles ordentlich genug ‚aufgeräumt‘ hatte, um alles als Teil seiner Strategie abtun zu können. Aber jetzt, da sich die Auswirkungen seiner Strategien vollkommen um ihn herum entfalteten – fühlte er sich seltsam distanziert davon. Wie ein Beobachter, statt jemandem, der eine entscheidende Hand im Spiel gehabt hatte, um es möglich zu machen und dafür zu sorgen, dass es wirklich Realität wurde. 

 

Das wünschst du dir zumindest.

 

Verleugnung war so eine schöne Lüge. 

 

Und bis sie daheim wären, konnte er weiterhin so tun, als würde er sie glauben. 

 

Noch bist du nicht zuhause. Also sei hier. Reiß dich zusammen.

 

Shikamarus Augen blieben starr auf die Szenerie unter ihm gerichtet; auf die zaghaften Anfänge eines wachsenden Vertrauens. Statt strenger schmallippiger Blicke schenkten die Dorfbewohner nun schüchternes Lächeln und die Kinder spielten, statt zu marschieren und mischten sich unter die verwaisten Rebellenkinder, die sich durch die Masse der verschiedenen Clans schoben. 

 

Jetzt hatten sie die Freiheit, die Neji für sie gewollt hatte. 

 

Shikamaru hätte sich also nicht so hohl fühlen sollen, als er dort stand. 

 

Sie hatten gewonnen, oder etwa nicht?

 

Hatte er nicht gewonnen?

 

Trotz all der falschen Abzweigungen, die er genommen hatte; er hatte dennoch beide Ziele erreicht und beide Missionen im grundlegendsten Sinne abgeschlossen. Und trotzdem war er hier und blieb so weit fern von allem, wie es ihm irgend möglich war. Nunja, so weit wie es ihm möglich war, ohne vollkommen zu verschwinden…obwohl er ein Gefühl hatte, dass selbst das nicht weit genug weg wäre. 

 

„Shikamaru…“

 

Sakuras Stimme ließ den Nara seinen Kopf heben, doch er sah nicht über die Schulter. Ein paar angespannte Sekunden verstrichen, bevor sie schließlich nach vorn trat. Ihre Hand legte sich auf das Geländer und die Nägel klackten gegen das Metall. 

 

„Die anderen fragen sich, wohin du verschwunden bist.“

 

Ja…ich mich auch…

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln; ein halbherziges Heben einer einzigen Schulter. „Ich dachte mir einfach, dass ich den Part überspringe, bei dem man sich unter die Leute mischt.“

 

Sakura schürzte die Lippen. „Wenn man bedenkt, was alles passiert ist, dann ist das eine eher schlechte Idee.“

 

„Ja…ich hatte einige davon.“

 

Der Sarkasmus war schwach und Sakura machte nicht einmal Anstalten, ihm das abzukaufen, aber sie löcherte ihn auch nicht weiter. Stattdessen umklammerte sie die Balustrade und zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Noch immer klebte Blut unter ihren Fingernägeln. Sie musste seinen Blick gespürt haben, denn sie krümmte ihre Finger gegen ihre Handfläche und legte stattdessen ihre Faust auf das Geländer. 

 

„Isuka meinte, dass es ein Gasthaus gibt, das ein paar Kilometer von der Grenze entfernt ist.“, informierte Sakura ihn und hob das Gesicht hinauf in den goldenen Schein, der durch die Bäume schimmerte. „Sie haben auch einen Heilbereich. Hinata und ich werden bei ihm bleiben, bis die Behandlung vorbei ist und sein Fieber nachlässt.“

 

Shikamaru summte. Es machte Sinn. Zumindest in seinem Kopf. 

 

„Ja…“

 

„Shikamaru…“, drängte Sakura leicht und zog seinen Blick zur Seite. Die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt, bebte ihre Stimme leicht, als sie endlich sprach. „Ist bei dir alles in Ordnung?“

 

Shikamaru starrte sie teilnahmslos an; beinahe schon verständnislos. 

 

War bei ihm alles in Ordnung?

 

Seine Lippen zuckten ohne den geringsten Hauch von Humor. 

 

Trotz allem dachte er eigentlich, dass er einen verdammten guten Job darin machte, in Ordnung zu sein. Wenn ‚in Ordnung‘ bedeutete, dass sein Inneres nach außen wollte und sich die Sehnen seines Herzens selbst in einen gordischen Knoten verwickelt hatten, den sein Hirn nicht zu lösen hoffen durfte. 

 

War bei ihm alles in Ordnung?

 

Sakura erhielt nie eine Antwort darauf – was mehr als genug die Antwort war, die sie wirklich brauchte.

 
 

xXx
 

 
 

„Halt still, Akamaru!“

 

„Kiba, du Penner! AU!”

 

Shikamaru hielt auf halbem Weg in den Innenhof inne, die Hände in den Taschen vergraben und einen Fuß in einem Schritt ausgestreckt, der nie den Boden berührte. 

 

Auf einen Schlag überdachte er noch einmal die Weisheit darin, den Balkon überhaupt zu verlassen. 

 

Das Kreischen von Empörung, das ihn nach unten gezogen hatte, hatte geklungen wie ein Vogel, der gerade abgestochen wurde. Doch wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um Naruto. Und als Shikamarus halb verdeckter Blick die Ansammlung kichernder Kinder und die Ursache ihrer Heiterkeit überflog, war sein Gesamteindruck denkbar simpel…

 

Lästig…

 

„Pass auf, wo du damit herumfuchtelst! Du hast mich fast in die-!“

 

„Würdest du endlich aufhören, so auszuflippen?! Halt still! Dann wird er einfach landen!“

 

„Ich will aber gar nicht, dass er landet! Und vor allem nicht da, du blöder Arsch!“

 

„Du hast Arsch gesagt!“, lachte eins der Kinder Naruto aus und deutete ziemlich schamlos auf sein Gesäß. 

 

Shikamarus Braue schoss nach oben. 

 

Die Szenerie zog zunehmend Belustigung und Aufmerksamkeit auf sich – doch die Natur dieser Komödie ließ ihn ernsthaft daran zweifeln, ob es weise war, sich auf die Bühne zu begeben und an dem Schauspiel teilzuhaben. 

 

Mit einem seiner Beine in Akamarus Maul, unternahm Naruto eine heldenhafte Anstrengung, dem kleinen orangenen Vogel auszuweichen, der durch seine blonden Spitzen flatterte. Kiba hingegen umkreiste ihn mit dem Ausdruck intensivster Konzentration. In der einen Hand hielt er ein Schmetterlingsnetz und bemühte sich, den kleinen orangenen Missetäter einzufangen. 

 

Shikamaru blinzelte äußerst langsam und murmelte leise: „Wer zur Hölle hat ihm ein Netz gegeben?“

 

„Nah, ich würde mir mehr Sorgen um die Kamera machen, die sich Lee besorgt hat.“, lachte Chōji und trat von hinten an seine Seite; auf seiner breiten Schulter saß ein gelber Vogel, der immer dann den Kopf schief legte, wenn der Akimichi das Wort ergriff, als würde er persönlich angesprochen werden. „Er versteckt sich überall, um Schnappschüsse zu machen.“

 

„Na super.“ Shikamaru setzte endlich seinen immer noch schwebenden Fuß ab und knickte seine Hüfte gegen das Geländer des Fußweges ein, während er seufzte. 

 

Seine Augen wanderten zu dem kleinen gelben Vogel, der ein Stück über Chōjis Schulter hüpfte, als wäre er bereit, auf die des Nara zu wechseln. Shikamaru lehnte sich weg und fuchtelte in einem trägen Schwung mit der Hand, der den Vogel sofort dazu brachte, wieder zurück zu hoppeln. 

 

„Wie geht es Neji?“, fragte Chōji und strich zärtlich mit der Fingerkuppe über den Kopf des Vogels. 

 

„Sakura und Hinata werden bei ihm bleiben, bis er sich erholt hat, aber der Rest von uns muss zurück nach Konoha.“ Shikamaru lümmelte sich gegen die Balustrade und seine Augen glitten über die Kinder, auch wenn er ihnen nicht wirklich Beachtung schenkte. „Wir werden bald aufbrechen.“, fügte er noch hinzu. 

 

Chōji musterte ihn schweigend und sein Finger hielt mit dem Streicheln inne. Doch bevor der Akimichi den Mund aufmachen konnte, sprang Akamaru durch Shikamarus Sichtfeld und zog die Aufmerksamkeit des Nara ruckartig auf den großen weißen Hund, der hektische und schwindelerregende Kreise drehte, um einen winzigen pinken Vogel zu jagen, der auf seinem Schwanz saß. 

 

Und Shikamaru konnte einfach nicht anders, als daran zu denken, dass das Dilemma des Hundes wie eine Reflexion seines eigenen war. Im Kreis rennend, während jeder dabei zusah und erwartete, dass es alles Teil des Plans war. Um das Bild nur noch ironischer zu gestalten, schaffte es Akamaru irgendwie, sich in den eigenen Schwanz zu beißen. Der Hund jaulte laut und beschrieb einen weiteren misskalkulierten Kreis, wobei er versehentlich eines der Kinder umrempelte. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru versteifte sich, als sich das Mädchen wieder aufsetzte, für einen langen Moment auf ihre Hände starrte und sich letztendlich dazu entschied, dass es Zeit war, die ganze Welt darüber in Kenntnis zu setzen, wie ungerecht sie gerade behandelt worden war. Ihre verspätete Reaktion explodierte mit einem schrillen Plärren, das sofort alles Kichern der anderen Kinder übertönte. 

 

Ugh…

 

Shikamaru lehnte sich nach vorn und stieß sich von dem Geländer ab. Doch Sakura kam ihm zuvor; wofür er mehr als nur ein bisschen dankbar war. Sie kam von der Seite heran geeilt, wo sie mit einer alten Dame gesprochen hatte und hob das Bündel aus nervigem Heulen und lästigem Schluckauf auf ihre Hüfte, während sie beruhigend über rote Locken strich. 

 

„Du solltest ihn vielleicht an eine Leine nehmen.“, sagte Hibari, der gerade einen Baum des Innenhofes umrundete und zu Shikamaru und Chōji hinüber schlenderte. 

 

Shikamarus Mundwinkel zuckte nach oben. „Sag das Kiba und sieh zu, was passieren wird.“

 

Hibari hob eine Braue und folgte Shikamarus Blick zu besagtem Hundeninja. „Ich habe eigentlich von eurem Uzumaki gesprochen.“

 

„Ah, klar…“

 

Keine Sekunde später wanderten Hibaris graue Augen zu Sakura und beobachtete sie dabei, wie sie das Mädchen auf ihrer Hüfte wiegte. Sein natürlicher ernster Ausdruck veränderte sich zu etwas Weicherem. Chōji kicherte gutmütig und stieß Shikamaru mit dem Ellbogen an, woraufhin der Nara aber nur mit den Achseln zuckte; er hatte keine Energie für irgendetwas sonst. 

 

Glücklicherweise senkte sich wieder eine entspannte Ruhe über sie. 

 

Sie wurde nur von dem Gelächter der Kinder unterbrochen, die Naruto nachjagten und seinen Aufenthaltsort an den Schwarm orangener Vögel verrieten, die ihn hingebungsvoll suchten – oder vollkommen wahnsinnig – vielleicht auch beides. 

 

Generell war das Verhalten der Vögel sehr unterschiedlich. 

 

Nachdem sich der Rauch verzogen hatte, waren Schwärme zurück gekommen, um sich wieder in ihren angestammten Bereichen des Waldes und des Dorfes niederzulassen. Manche der zahmeren und vertrauensvolleren Vögel hatten kein Problem damit, sofort neue Bande mit jedem zu knüpfen, der ihnen Aufmerksamkeit schenkte. Es trug noch mehr zu dem Gefühl eines Neuanfangs bei – dem weißen Blatt, von dem Hibari gesprochen hatte. 

 

Der Dunst war wie ein Vorhang gewesen, der sich vor dem letzten Akt von Hanegakures Tragödie geschlossen hatte und jetzt würde eine neue Bühne und ein neuer Anfang das Schicksal dieser Leute markieren. 

 

Wie sich ihre Geschichte abspielen würde, lag einzig und allein in den Händen der Menschen hier. 

 

Diese Hände hatten Hibari als einen derjenigen ausgewählt, die sie führen sollten – zumindest an ihrer defensiven Front. 

 

Als hätte er die Gedanken des Nara gespürt, ergriff Hibari das Wort. „Shikamaru.“

 

Der Schattenninja spähte unter dichten Wimpern zu ihm hinüber. 

 

Hibari hatte die Brauen zusammengezogen, doch es sah mehr nachdenklich als gequält aus. „Wenn euer Hyūga aufwacht, dann sorg bitte dafür, dass er weiß…dass er immer Freunde hier in Hanegakure haben wird.“

 

Shikamaru schloss die Augen. „Was ist mit deiner ‚wir können niemals Freunde sein‘ Gerechtigkeit?“

 

„Ich denke, dass ich immer noch eine Menge darüber lernen muss, was genau das bedeutet…“, murmelte Hibari und seine Stimme schaffte es kaum, seine nächsten Worte zu tragen. „Über viele Dinge…“

 

„Du machst das schon.“, summte Shikamaru und brachte den Schatten eines Lächelns zustande. „Außerdem hast du ein wirklich großes Schwert.“

 

Hibari lachte leise und spähte hinüber, als sich Shikamaru aufrichtete. „Gutes Argument. Trotzdem wird es einige Zeit dauern, um alles wieder ins Lot zu bringen; besonders wenn es um die Angelegenheiten mit meinem Clan geht und die Vögel dazu zu bringen, unseren Shinobi wieder zu vertrauen. Nicht zu erwähnen, dass wir die Kinder anständig über die Gedankenübertragung informieren müssen.“

 

„Das nächste Mal, wenn wir euch besuchen, werden wir eine Freundin mitbringen.“, sagte Chōji und lächelte, als der Vogel auf seiner Schulter ihm mit sanftem Gurren ein Ständchen brachte. „Sie wird euch helfen können.“

 

„Und sie wird die Diät lieben, der ihr euch hier unterzieht.“, murrte Shikamaru trocken. 

 

„Shikamaru.“, tadelte Chōji.

 

Fragend sah Hibari zwischen den beiden Freunden hin und her. 

 

Doch der Nara schüttelte nur den Kopf. „Vergiss es.“ Seine Augen glitten himmelwärts und registrierten das sich vertiefende Gold des Lichtes, das durch die Blätter strahlte. „Wir müssen bald aufbrechen, Hibari.“

 

Der Tsubasa nickte. „Was auch immer ihr für eure Reise braucht, es gehört euch. Einen Transport habe ich bereits in die Wege geleitet.“

 

„Danke.“, erwiderte Shikamaru und stieß sich von dem Geländer ab. „Wir wissen das sehr zu schätzen.“

 

Hibari folgte dem Nara und wandte sich ihm zu. „Gleichfalls. Ihr Shinobi von Konoha, ihr seid nicht alle so verkehrt.“

 

„Verdammt!“ Ein Keifen von Naruto signalisierte ein schlecht getimtes und schlecht gezieltes Schwingen von Kibas Netz. 

 

„Awww Mann, so knapp!“

 

„Vielleicht seid ihr nur etwas zu mangelhaft, wenn es um Disziplin geht.“, fügte Hibari kopfschüttelnd hinzu. 

 

„Hört auf, die Kinder zu erschrecken!“, knurrte Sakura und hob ihre Faust in einer Drohung, die Naruto dazu brachte, Kiba als lebenden Schild zu nutzen; sowohl gegen die Kunoichi, als auch gegen die Vögel, die versuchten, sich auf ihm niederzulassen. 

 

Hibari schürzte die Lippen, um sich vom schmunzeln abzuhalten. „Aber wie es scheint, hat sie die Sache ja ganz gut im Griff.“

 

Shikamaru sah zu, wie Sakura ihre Fäuste in die Hüften stemmte. „Ja, unsere Frauen sind gut darin, zuzuschlagen.“

 

„Abgesehen von Hinata.“

 

„Ein Hyūga als Ausnahme der Regel, huh?“ Hibari lächelte nun doch. „Das glaube ich sofort.“

 

Der schmerzhafte Stich folgte sofort und Shikamaru presste die Lider dagegen zusammen. Doch er war nicht schnell genug, um seine nächsten Worte aufhalten zu können. Sie brachen durch die papierdünne Wand, die noch immer zwischen seinem Herzen und seinem Kopf stand und rollten mit einer täuschenden Gelassenheit von seinen Lippen, als würde es ihn überhaupt nicht schmerzen, diese Bitte zu äußern. 

 

„Hibari, ich glaube, ich werde einen letzten Gefallen einfordern.“

 

„Hn? Und was wäre das?“

 

Shikamarus Augen glitten auf und hoben sich hinauf in den goldgetauchten Himmel. „Etwas, das ich gerne mit nach Konoha nehmen würde.“

 
 

xXx
 

 
 

Die Sonne hatte ihren langsamen Abstieg begonnen; ein riesiger Feuerball, der an einem Horizont weit jenseits der Bäume entschwand. Der Himmel war durchsetzt mit zerschmolzenen Schattierungen; es war eine prächtige Veränderung der Farben, die nicht einmal Shikamaru hätte vorausahnen können. 

 

Seltsamerweise lag ein winziges Bisschen Trost darin.

 

Ein leiser, aber scharfer Schrei zog seinen Blick hinauf zu einer Silhouette die sich gegen die flammenberührten Wolken abzeichnete. Der Steinadler schwebte hoch oben und meistere die Winde, die den Geruch von Holzrauch und das kopflastige Aroma von Backwaren mit sich trugen, die für die Reise eingepackt wurden. 

 

Hanegakures Kinder halfen dabei, die Karren zu beladen; zwei Handelswagen, um genau zu sein. Einer davon war mit einer Zeltplane ausgestattet und bot dem Shinobi eine gewisse Privatsphäre, der fiebrig und in einem beinahe schon komatösen Schlaf darunter lag. 

 

Hinata war nicht von Nejis Seite gewichen. 

 

Und Shikamaru war dankbar dafür; es war einer der wenigen Zustände, die er sich erlauben konnte, abgesehen von fokussiert und distanziert. Glücklicherweise konnte er so tun, als hinge Letzteres nur mit Erschöpfung zusammen – was die Wahrheit nicht zu sehr verzerrte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal lange und ordentlich geschlafen hatte. 

 

„Hi, Trickreich!“

 

Aufgeschreckt von dem leisen Trällern zuckte Shikamaru gegen den Wagen und sein müßiges Anlehnen wurde sehr schnell zu einer steifen Haltung, als er hinunter auf das kleine Mädchen starrte. 

 

Maki legte den Kopf schief und blinzelte missbilligend zu ihm hinauf. Das Chaos ihrer blonden Locken fing einen Hauch von Feuer des sterbenden Lichtes auf. „Du solltest auch ‚Hi‘ sagen.“, schalt sie ihn. „Es ist unhöflich, nicht ‚Hi‘ zu sagen.“

 

Shikamaru musterte sie schweigend. Das Kind, das unwissender Weise Nejis Leben gerettet hatte. Seine Augen lösten sich etwas von dem grübelnden Stieren. 

 

„Hey.“, sagte er dann mit einer weicheren Stimme, als er sie jemals an irgendein Kind zuvor gerichtet hatte. 

 

Sie vergab ihm sofort und hüpfte näher, um ihm ihre Hände entgegen zu strecken. „Hier!“

 

Shikamaru sah nach unten. Sie waren leer. Verwirrung grub eine schwache Linie zwischen seine Brauen. Die Kleine hob ihre Hände noch höher und wartete, bis er die Verschränkung seiner Arme löste. 

 

Und dann warf sie sich ihm entgegen. 

 

Ihre kleinen Arme schlangen sich so weit um ihn herum, wie es möglich war und drückten in einer kindlichen Umarmung zu. 

 

Shikamaru starrte geschockt geradeaus und hielt die Arme mit hochgezogenen Schultern unbehaglich zur Seite ausgestreckt.

 

Das hatte er auf gar keinen Fall erwartet und sein fassungsloser Gesichtsausdruck machte das mehr als deutlich. 

 

Sie schien jedoch vollkommen ahnungslos von seinem Unbehagen und seiner Verlegenheit zu sein; was ihn aber weit weniger störte als dieses erstickende Gefühl tief in seiner Kehle, das ein Zucken seiner Augen auslöste. Das alles machte für ihn nicht den geringsten Sinn und er bemühte sich, jede Erklärung zu ignorieren, die sein Hirn rasend schnell suchte. Er stand einfach nur da und ließ zu, dass das Kind ihn umarmte, er glaubte sowieso nicht, dass er in der Lage sein würde, sie von sich zu schieben. 

 

Maki hing wie eine Klette an ihm. 

 

Eine volle Minute musste vergangen sein, bis sie ihre Wange über seine Flakjacke strich und den Nacken durchbog, um zu ihm aufsehen zu können.

 

„Deine Umarmungen sind wirklich schlecht.“

 

Shikamaru starrte weiter geradeaus und brauchte einen Moment, um darauf antworten zu können. „Sorry.“

 

Maki kicherte und drehte den Kopf – jedoch ohne ihn loszulassen – um über die Schulter zu rufen. „Yuko-chan! Komm und sag Tschüss zu Trickreich!“

 

Ah, Shit…

 

Ein weiteres kleines Mädchen mit langem ebenholzschwarzem Haar, das ganz offensichtlich diesen dämlichen Spitznamen kannte, den Maki ihm verpasst hatte, kam schüchtern angeschlichen. Ein kleiner buttergelber Vogel schwirrte spielerisch um ihren Kopf.  Shikamaru linste zu ihr hinüber, während er noch immer unangenehm in Makis Umklammerung gefangen war und hoffte inständig, dass seine steife Haltung und seine flache Miene ein deutliches Signal zwischen den Zeilen aussandte, das ‚Gönn-Trickreich-`ne-Pause‘ vermittelte.

 

Doch stattdessen umarmte auch sie ihn – oder beugte sich zumindest weit genug nach vorn, dass sie sich vorsichtig an seinem linken Arm festhalten konnte. 

 

Ugh. Das nervt.

 

Unbeholfen eingeklemmt zwischen den beiden Kindern, dachte Shikamaru angestrengt über die beste Möglichkeit nach, sich zu befreien, ohne sie zum Heulen zu bringen. Sich mit weinenden Frauen herumschlagen zu müssen war die eine Sache, weinende Kinder dagegen eine ganz andere. Und letztendlich waren das hier kleine Frauen, was das potenzielle heulende Desaster nur noch schlimmer machte. 

 

Klasse…

 

Ein Kichern zog seinen Blick nach oben. 

 

Naruto lag faul auf dem Ast einer der Bäume und versteckte sich vermutlich vor seinem orange gefiederten Fanclub. Grinsend starrte er auf Shikamaru hinunter und formte mit den Lippen „Trickreich“.

 

Shikamaru war stark versucht, eine mörderische Miene aufzusetzen.

 

Doch stattdessen wurde er zeitweise geblendet, als ein grelles Licht in kurzer Distanz aufblitzte. 

 

Was zur Hölle?

 

Aus reinem Reflex ließ er seine Arme fallen und schob sie um die Kinder, um sie zu schützen. Rasch blinzelte er sich die Punkte aus den Augen, nur um ein paar Schritte entfernt Lee zu bemerken, der eine klobig aussehende Kamera in Händen hielt. 

 

Shikamars Augen verengten sich mörderisch.

 

Die Mädchen giggelten. 

 

Kibas Stimme erscholl hinter einem der Bäume. „Na hast du den großen Softie erwischt?“

 

„Ein zärtlicher Augenblick wurde eingefangen! Mission erfüllt!“, bestätigte Lee und salutierte mit der Kamera. 

 

Shikamaru wollte sie Kiba am liebsten um die Ohren pfeffern. „Zu blöd, als Teamführer konfisziere ich das Ding.“

 

„Pfft.“ Naruto machte oben in den Baumkronen eine wegwerfende Handbewegung, bevor er in einem Rascheln von Blättern und Zweigen nach unten sprang und sich beides aus dem Haar wuschelte. „Sei nicht so ein Spielverderber, Trickreich.“

 

Shikamarus Auge zuckte. 

 

Sakura steckte den Kopf zwischen den Zeltplanen des Wagens hervor und starrte sie wegen der Lautstärke missbilligend an. Doch ihre scharfen Worte erstarben ihr auf der Zunge, als sie die Kinder bemerkte – und den angespannten Ausdruck auf Shikamarus Gesicht. 

 

Hilfesuchend sah er zu ihr hinüber. 

 

Leise glitt die Kunoichi von dem Karren und kam schweigend zu ihm herüber. Zumindest, bis Hibari plötzlich und still von der anderen Seite des Wagens auftauchte. Sakuras Hand flog zu ihrem Hals und sie ließ ein überraschtes Kreischen los. 

 

Hibari hob eine Braue, während sich seine Lippen langsam bogen. „Weißt du, das klingt fast wie der Paarungsruf von einem unserer Vögel.“

 

Sakura warf ihm einen nervösen Blick zu und war für einen Moment sprachlos. 

 

„Dann ist es wohl ein ganz schön konfuser Vogel.“, knurrte sie schließlich und versuchte, etwas Anstand zurück zu gewinnen. 

 

Hibari stützte mit einer Arroganz einen Arm gegen den Wagon, die von Humor abgemildert wurde und musterte sie schamlos von Kopf bis Fuß. „Wegen des konfusen Parts bin ich mir nicht sicher“, summte er tief in der Kehle, „aber es ist definitiv ein schöner Vogel.“

 

Narutos Kiefer klappte nach unten. 

 

Sofort brachen die Kinder in eine neue Welle aus Kichern aus. 

 

Shikamaru rollte nur mit den Augen und räusperte sich wenig subtil. 

 

„Maki-chan, Yuko-chan, das reicht jetzt.“ Hibaris Stimme schlichtete die Belustigung der beiden Mädchen. „Lasst Shikamaru-san los.“

 

Yuko gehorchte sofort, wohingegen Maki die Gelegenheit nutzte, schmollend ihre Unterlippe nach vorn zu strecken und ihren kindlichen Trotz so gut wie möglich auszuschöpfen. Sie presste Shikamaru in eine feste anhaltende Umarmung – einfach nur um lästig zu sein, bevor sie ihn losließ. 

 

Als sie zu ihm aufsah, schimmerten ihre grünen Augen wie Malachit. „Ich will deinem Freund Tschüss sagen!“

 

Shikamaru schluckte hart; ihre Worte trafen ihn wie ein Messer in der Brust. 

 

Energisch hielt er seine Miene kontrolliert und ausdruckslos. „Ich werde es ihm ausrichten.“

 

„Aber ich habe Kekse gebacken.“, sagte Maki und deutete auf den Wagen. „Vögelchen und Herzen.“

 

„Maki…“, sagte Hibari mit strengerer Stimme. „Das reicht jetzt!“

 

Das Kind zog den Kopf ein und versteckte sich hinter ihren Locken. 

 

Man musste kein Genie sein, um die Tränen vorhersehen zu können. 

 

Scheiße…denk nach…

 

Shikamaru zögerte, öffnete dann aber den Verschluss einer schmalen Tasche in seiner Flakjacke. Eine der geräuschunterdrückenden kleinen Schriftrollen fiel heraus. Mit geschickten Fingern fing er sie auf und löste die Kette und den Noten-Anhänger davon. Träge ließ er die glänzenden Glieder vor der Kleinen hin und her schwingen. 

 

Maki fing das Schimmern des Silbers auf und hob den Blick; ihre Augen glänzten, als sie schniefte. Aufmerksam sah sie zu, wie der Noten-Anhänger vor und zurück wippte wie das Pendel eines Hypnotiseurs; ihre Augen waren weit und gebannt. 

 

„Nimm es.“, sagte Shikamaru. „Mein Freund mag den Gesang von Vögeln…er wollte, dass ich dir das hier gebe…damit du ihn nicht vergisst.“

 

Makis grüne Iriden leuchteten sofort auf. 

 

Und Shikamaru bemerkt nicht, wie Sakuras Miene traurig zu bröckeln begann. 

 

Das kleine Mädchen hüpfte auf der Stelle und nahm das angebotene Geschenk in die Hand, als wäre es ebenso zart und kostbar wie gesponnenes Glas. „Danke!“

 

Shikamaru nickte und beobachtete, wie sie sich auf die Lippe biss, um ihre Freude in sich zu halten. Wie ein Wirbelwind schnellte sie mit fliegenden Locken herum und jagte ihrer dunkelhaarigen Freundin nach, während sie die Kette an ihr Herz drückte. Shikamaru sah ihr für einen langen Moment nach und ein nachdenklicher Ausdruck schlich sich in seinen Blick.

 

„Das war freundlich von dir.“, sagte Hibari. 

 

Achselzuckend wies Shikamaru die Aufmerksamkeit von sich. „Bist du gekommen, um dich zu verabschieden, Tsubasa?“

 

„Ich werde dich nicht umarmen, falls du deswegen besorgt warst.“

 

Shikamaru schnaubte und kämpfte darum, etwas Sinn für Humor zusammenzukratzen. „Cleverer Zug.“

 

Sakura sah zwischen den beiden hin und her und versuchte, ein wenig Shikamarus Stimmung aufzuhellen, indem sie in einer femininen Geste von Frust mit der Hand ruckte. „Pfft. Männer und ihr zerbrechliches Ego. Umarmungen von kleinen Kindern können dir nicht weh tun, weißt du.“

 

Hibari wandte sich ihr zu. „Zu schade. Ich habe schon gehofft, dass mir das etwas medizinische Aufmerksamkeit einbringen würde.“

 

Die pinkhaarige Kunoichi schnaubte spottend und verschränkte mehrere Male die Arme vor der Brust, als wüsste sie nicht, was sie mit ihnen anstellen sollte, während sie versuchte, nicht zu schmunzeln. „Hast du eigentlich überhaupt kein Schamgefühl?“

 

„Absolut gar keins.“, versicherte Hibari ihr mit einem Funkeln von Belustigung, bevor er zu Shikamaru spähte. „Passt auf euch auf. Solltet ihr irgendwelche medizinische Versorgung brauchen, die ihr in dem Gasthaus nicht bekommen könnt, dann schickt uns die Brieftaube, die wir euch gegeben haben. Ich werde euch schicken, was auch immer ihr braucht.“

 

„Danke.“, erwiderte der Schattenninja und schnippte mit den Fingern vor Narutos Gesicht, um den Todesblick des Uzumaki zu unterbrechen, mit dem er Hibari bedachte. „Lass das.“

 

Kiba schlenderte zu ihnen und zerstreute effektiv die Spannung. „Ich habe eine Eule.“

 

Narutos Aufmerksamkeit wurde sofort umgelenkt und er spähte zur Seite. „Eh?“

 

Der Inuzuka nickte mit dem Kinn zu der kleinen braunen Eule, die auf seiner Schulter saß. Der Vogel drehte den Kopf und blinzelte mit Augen, die Lees ungeheuer ähnlich sahen. 

 

Naruto kniff die Augen zusammen und beugte sich vor. „Hey, warum hast du eine Eule bekommen und ich nur diese gruseligen Mosquito-Vögel?“

 

„Vielleicht weil sie dein Blut wollen?“ Kibra grinste. „Ist der aufgefallen, dass ich den klugen Vogel habe?“

 

Der kluge Vogel nutzte just diesen Augenblick, um auf Kibas Schulter zu kacken. 

 

Eine lange und schwere Pause hielt an. 

 

Sehr langsam drehte Kiba den Kopf und starrte den braunen Missetäter fassungslos an. 

 

Naruto war der erste, der sich nicht mehr zusammen reißen konnte und sein Lachen löste eine Welle aus Kichern und Gejohle unter den versammelten Shinobi aus, was die Atmosphäre unmittelbar auflockerte.

 

„Oh, ich pack’s nicht.“, knurrte Kiba und ruckte mit der Schulter, als hätte er nervöse Zuckungen und versuchte, den Vogel loszuwerden. 

 

„Warum? Du hast schon wieder Glück abbekommen, Scheißemagnet.“, lachte Naruto. 

 

„Freak!“

 

Die Runde verbalen Missbrauchs, die jetzt losging, schreckte die Eule dann doch flatternd auf. 

 

Shikamaru rollte mit den Augen und drehte sich, während er sich gleichzeitig dem Tsubasa zuwandte und ihm eine Hand entgegenstreckte. Hibari ergriff sie und besiegelte die Geste mit einem einzigen festen Schütteln. Beide Ninja zogen ihre Hand zurück und nickten. 

 

„Werdet nicht wieder zu Fremden. Kommt bald wieder vorbei.“, sagte Hibari. „Solange ich Teil des Rates bin, wird diese Allianz mehr sein als nur Tinte auf Pergament.“

 

Shikamaru neigte den Kopf. „Die Hokage wird hoch erfreut sein, das zu hören. Alles Gute weiterhin, Hibari.“

 

Hibari berührte mit einer Hand sein Herz, bevor er seine Handfläche in einer uralten Geste des Segens dem Himmel entgegen bog; eine Geste, die Hanegakure seit Jahren nicht mehr benutzt hatte. 

 

„Fliegt frei.“, sagte er. 

 
 

xXx
 

 
 

Die Abenddämmerung stahl das Feuer aus den Wolken und verwandelte sie in aschviolette Flecken, die sich gegen den dunkler werdenden Himmel abzeichneten. Die Sterne begannen bereits zu leuchten, als sich das Konohateam in seiner Unterkunft ein paar Kilometer von den Grenzen Hanegakures entfernt niederließ. 

 

Wie sich herausstellte, handelte es sich eher um einen Shukubo statt um ein Gasthaus. 

 

Eine Tempelunterkunft, die eher ein Rückzugsort für müde und seelenleidende Wanderer war, die sich auf ihrer Reise aufzehrten oder sich auf dem ‚Pfad des Lebens‘ verloren hatten, wie es Naruto in einer Imitation von Kakashi ausgedrückt hatte, die so erbärmlich gewesen war, dass sie an jedem ‚verloren ging‘ außer an Sakura. 

 

Shikamaru hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als sich selbst irgendwo zu verlieren, wo es still und friedlich war. 

 

Sich selbst zu verlieren; nur für einen Augenblick – einen Augenblick, in dem er nicht lügen musste, nicht nachdenken musste, nicht so tun musste, als ob ihn die Besorgnis und die Angst in ihm ihn nicht auseinander rissen. Wie dumm also, dass er sich direkt nach der Nachbesprechung mit dem Team genau an den Ort begeben hatte, der ihm all diese drei Leiden verursachte. Der Ort, an dem Neji lag; tief gefangen in dem Griff einer Schwärze, die er immer noch nicht lösen konnte. 

 

Shikamaru hatte nicht einmal inne gehalten, um seine Flakjacke auszuziehen, nur seine Sandalen. Er hatte nur gesprochen, um Hinata davon zu überzeugen zu gehen und etwas zu schlafen. Und dann hatte er die Mahnwache über Neji übernommen, ohne auf das Gesicht des Jōnin zu blicken. Schweigend hatte er dort gekniet und jeden einzelnen von Nejis zahlreichen blauschwarzen Blutergüssen mit der Salbe gepflegt, die Hinata ihm gegeben hatte. Jedes Mal war eine neue Welle Fieber ausgebrochen und der Nara hatte den Hyūga zärtlich sauber und trocken getupft, bevor er erneut die Salbe aufgetragen hatte. 

 

Wieder und wieder…

 

Und dann, zwei Stunden später, öffnete sich leise die Schiebetür. 

 

Shikamaru hielt mit den Fingern über Nejis Brust inne, seine Augen waren vor Erschöpfung halb geschlossen. Langsam hob er den Blick zu der Kunoichi, die im Türrahmen stand. Sakura lächelte brüchig, bevor sich ihre Lippen missbilligend verzogen, als Akamaru an ihr vorbei in den Raum schlüpfte und sachte mit seiner Rute gegen sie schlug. 

 

„Er kommt immer wieder hier herein.“, murmelte Sakura. 

 

Der Hund trottete herüber, die Ohren aufgestellt und seine Schnauze zuckte, als ihn der scharfe Geruch von Hinatas Salbe hinüber zu Neji zog. Shikamaru starrte den Vierbeiner finster an, doch seine Miene zerbrach, als der Hund seinen Kopf hinunter zu dem verletzten Ninja senkte und leise jaulte, bevor er zu winseln anfing, weil er keine Antwort erhielt. 

 

„Wo ist Kiba?“, fragte Shikmaru mit heiserer und müder Stimme. 

 

„Er schläft, mach dir keine Sorgen.“ Sakura verschränkte die Arme und ihr Gesicht war eine Darstellung angespannter Besorgnis, als sie sich gegen den Rahmen lehnte. „Shikamaru…auch du musst dich ausruhen.“

 

„Das hier ist nicht gerade anstrengend für mein Hirn.“, antwortete er leicht bissig. 

 

Sakuras Schultern strafften sich. „Es ist nicht dein Hirn, um das ich mir Sorgen mache.“

 

Shikamarus Kiefer zuckte, doch seine Augen verweilten auf Nejis Brust, die sich mit flachen, scharfen Atemzügen hob und senkte; die Haut war roh und rau unter seinen Fingern. „Gönn mir `ne Pause, ok?“

 

„Was glaubst du wohl, warum ich hier bin?“

 

Shikamaru ließ sich auf den Knien ein wenig nach hinten sinken und setzte mit der einen Hand ruhig den Salbenbehälter ab, während er mit der anderen den Kontakt zu Nejis Haut hielt, auch wenn er bereits vor zehn Minuten damit fertig gewesen war, die Hämatome zu versorgen. 

 

„Das habe ich nicht gemeint.“

 

„Ich weiß, was du gemeint hast.“ Sakura zog die Brauen zusammen und nahm einen tiefen Atemzug, um sich unter Kontrolle zu bringen, bevor sie Anstalten machte, zu ihm zu kommen. „Lass mich übernehmen.“

 

Shikamaru vollführte eine abweisende Handbewegung. „Ich war schon fertig.“

 

„Dann kannst du dich jetzt ausruhen.“

 

„Halt dich einfach fern, okay!“, knurrte Shikamaru und seine Augen flammten auf wie Feuer gefangener Brandy. 

 

Akamaru legte die Ohren an den Kopf und klemmte den Schwanz ein. 

 

Sakura versteifte sich gegen die Tür und zog angesichts des schneidenden Ausdrucks in seinen Augen den Kopf zurück. Ihre eigenen weiteten sich aufgrund der seltenen Demonstration einer verstörenden Aggression vonseiten des Schattenninjas. Doch die Sorge hielt sich weiter hart in ihren Zügen; ihre grünen Iriden waren weich und traurig. 

 

Scheiße.

 

Der Zorn verschwand aus Shikamarus Augen, als ihn eine Woge aus Kälte durchströmte und mit einem dumpfen Schmerz gegen seine Schläfen pochte. Er sank noch weiter in den Futon und seine Hand rutschte von Nejis glühender Haut. 

 

Langsam stellte er ein Bein auf, um seinen Ellbogen darauf abzulegen und sich die Stirn zu reiben; seine Stimme war ein zerhacktes Wispern. „Tut mir leid.“

 

Akamarus Ohren hoben sich wieder und seine Nase zuckte, als er die Spannung wahrnahm. Er winselte tröstend und tapste zu Shikamarus Futon, um sich neben ihn zu legen und mit dem Schwanz liebevoll gegen das Bein des Chūnin zu wedeln. 

 

Sakura brauchte länger, um zu reagieren. 

 

Sie hielt ein angespanntes und nachdenkliches Schweigen, bevor sie letztendlich die Tür hinter sich schloss, um schweigend zu ihm hinüber zu laufen. Sie überprüfte Nejis Puls und den Verband über seinem Schlüsselbein und schritt dann zu dem niedrigen Tisch, auf dem all die medizinischen Vorräte lagen. 

 

Shikamaru hörte, wie sie irgendetwas mit Mörser und Stößel zerrieb. Er hatte beinahe Mitleid mit dem, was sie da zermahlte; wenn man bedachte, dass sich die beiden lebenswichtigen Organe in seiner Brust und in seinem Kopf anfühlten, als würden sie auf ähnliche Weise zu Brei zerstoßen werden. 

 

Doch während er zuhörte, begann das Reiben der Gerätschaften, seinen Verstand in eine Trance einzulullen. Dieser monotone, stete Klang…erodierte nach und nach die Ränder seines Bewusstseins…machte langsam jedes Blinzeln ein wenig schwerer…seinen Atem tiefer…

 

Als er schließlich zur Seite kippte, spürte er nicht, dass Akamaru den Fall abfing. 

 
 

oOo
 

 
 

Singen…sie sangen…

 

Kitori hatte gesungen…oder nicht?

 

Nein…

 

Nein, das hier war ein Skandieren…ein Mantra tiefer, beständiger Stimmen…Gebete…wie Tempellieder…

 

Tempel…?

 

Er drehte ein wenig den Kopf und Schmerz stach sich durch die kleine Bewegung hinter seine Augen.

 

Wo bin ich…?

 

Er blinzelte und versuchte, seine Sicht zu klären.

 

Sie wurde gerade scharf genug, damit er Gesichtszüge erkennen konnte, die in vertraute Neigungen geschnitten waren…Neigungen, die seine Finger, sein Mund und seine Augen bereits zuvor nachgezeichnet hatten…

 

In diesem schwachen Aufblitzen von Klarheit, war es leicht zu vergessen, dass er verraten worden war. 

 

Es war so einfach zu glauben…dass es alles nur eingebildet gewesen war…dass selbst die Lügen nur Lügen gewesen waren…

 

„Shikamaru…“

 

Neji krächzte den Namen, während er zurück in das Schwarz glitt; nur Sekunden, bevor Shikamaru daraus zurückkehrte.

 
 

oOo
 

 
 

„Shikamaru…“

 

Shikamaru rührte sich sofort, als warmer Atem über seine Stirn geisterte. 

 

Seine Brauen zogen sich zu einem schläfrigen Stirnrunzeln zusammen. 

 

Hn?

 

Der Nara neigte den Kopf nach hinten und sein Mund strich über etwas, das seine Lippen kitzelte. Er zog die Nase kraus, um sich vom Niesen abzuhalten und seine Augen öffneten sich blinzelnd. 

 

Zur Hölle?

 

Shikamaru blinzelte noch mehr und zwang seinen müden Körper dazu, zu reagieren, während sein Hirn fast augenblicklich wieder auf Touren kam. Als er endlich den Nebel vor seinen Augen los wurde, machte sich die Ursache des Kitzelns als Nejis Haar bemerkbar…das über sein Gesicht gefallen war…so nah waren sie sich…nah genug, dass Shikamaru die flachen Atemzüge des Hyūga schmecken konnte…

 

Gott…

 

Shikamaru richtete sich ruckartig auf seinem Ellbogen auf und verzog das Gesicht, als es heftig in seinen Schläfen pochte. 

 

Akamarus Ohren zuckten und der Kopf des Hundes hob sich, um sich Shikamaru zuzuwenden; der buschige Schwanz wedelte kurz. Doch der Nara bemerkte es kaum, denn seine Aufmerksamkeit war voll und ganz auf die schlafende Gestalt neben ihm gerichtet. Erst durch einen sehr verspäteten Gedanken warf der Schattenninja einen raschen Blick durch das Zimmer. 

 

Abgesehen von Akamaru war er allein. 

 

Man hatte Laken über ihn gezogen, was darauf schließen ließ, dass entweder Sakura oder Hinata noch einmal vorbei gekommen waren. 

 

Scheiße…wie lange war ich weg?

 

Erneut spähte er zu dem Hyūga und examinierte Nejis Wunde. Der Verband musste gewechselt werden, was wohl bedeutete, dass er nicht mehr als eine halbe Stunde geschlafen hatte. Angestrengt mied er jeden Blick auf Nejis Gesicht und strich die Mokkasträhnen von der Kehle des Jōnin, um den Puls prüfen zu können…und dann, gegen jeden Befehl seines Hirns, krümmte Shikamaru seinen Daumen und streichelte liebevoll über die Unterseite von Nejis Kiefer. 

 

Fuck…hör auf…

 

Energisch presste Shikamaru die Lider aufeinander und riss seine Hand fort. 

 

So schnell wie möglich richtete er seinen Verstand auf die Aufgabe und machte sich daran, Nejis Wunde zu reinigen und vorsichtig Sakuras gemörserten Puder in den Schnitt zu tupfen, um die Blutgerinnung zu unterstützen. Doch selbst diese einfache, fokussierte Aufgabe zerrte Shikamarus Atmung nach und nach in etwas Raues und Angespanntes in seinem Hals. Er schluckte und blinzelte, versuchte, seine Hand ruhig zu halten, während er den Verband anlegte und ihn behutsam befestigte. Und dann, plötzlich, verfing sich sein Atem so hart in seiner Kehle, dass er abgehackt und erstickt aus ihm herausbrach. 

 

Fuck…ich muss hier weg…raus…

 

Shikamaru zwang sich selbst von dem Hyūga fort und stolperte beinahe über die Laken, als er hastig versuchte, sich aus der Verknotung des Stoffes zu befreien. Akamaru beobachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf und verstand ganz offensichtlich nicht die Panik des Schattenninjas, während er leise wuffte. 

 

Raus…

 

Shikamaru riss die Tür mehr oder weniger auf und erschreckte Hinata, die gerade dabei gewesen war, sie von der anderen Seite aufzuschieben. Ihre weiten Augen richteten sich auf sein Gesicht. Weite, weiße Hyūga Augen.

 

„Shikamaru-kun?“

 

Shikamaru blinzelte und stürmte an ihr vorbei; er bewegte sich hastig in welche Richtung auch immer ihm der schnellste Ausweg erschien. 

 

Lauf einfach…atme…

 

Seine Beine griffen mit jedem Schritt noch weiter aus und verfielen schon beinahe in ein Rennen. 

 

Ein Mönch erschien am anderen Ende des Korridors. 

 

Shikamaru fluchte leise, bog scharf ab und drückte eine Seitentür auf. Sie führte ihn hinaus in einen dieser Zen-artigen Gärten. Und kaum traf die kalte Nachtluft auf sein Gesicht, kam er ruckartig zum Stehen. Mit einer bebenden Hand fuhr er durch sein Gesicht und schob sie nach hinten an seinen Nacken, um hart zuzupacken, während er die Augen schloss.

 

In einem der Räume wurde flackernd das Licht angemacht. 

 

Die Beleuchtung schreckte Shikamaru auf und zwang ihn in eine hastige Bewegung. 

 

Er lenkte seine Schritte um und begann zu laufen. 

 

Beweg dich einfach…

 

Ohne irgendeine Richtung trottete er über einen Pfad, der aus breiten Trittsteinen gefertigt war. 

 

Sie führten ihn zu einer heißen Quelle. 

 

Sie war zu einem einfachen Onsen geformt worden und die Wasser wurden von dampfigem Nebel verhüllt. 

 

Shikamaru blieb stehen und starrte in den Dunst, während Glühwürmchen wie verlorene Seelen um ihn herum schwirrten. Ein duftender rauchiger Hauch von Weihrauch wurde schwer auf der Luft getragen und schwebte mit dem Abendlied der betenden Mönche herüber. 

 

Shikamaru inhalierte tief und stieß ein bebendes Seufzen aus.

 

Er blieb lange genug dort stehen, dass sich ein Glühwürmchen auf seiner Schulter niederließ und sanft funkelte. Langsam einatmend schob er die Hände in die Taschen seiner Chūninhose und bemühte sich, seine aufgewühlten Emotionen wieder zusammen zu klauben. 

 

Nicht hier. Nicht jetzt.

 

Er drehte sich, um wieder zurück zu laufen, erstarrte aber an Ort und Stelle. 

 

Etwas weiter den Pfad hinunter stand ein älterer Mönch in orangene Roben gehüllt und ohne sich zu bewegen. Er musterte ihn mit einem weisen Gesichtsausdruck und seine arthritische Hand krümmte sich um einen Gehstock. 

 

Mist…

 

Da er den Eindruck hatte, dass er unbefugt diesen Garten betreten hatte, verbeugte sich Shikamaru steif und schritt weit aus, um so schnell wie möglich den Onsen zu verlassen. Doch als er an dem Mönch vorbei laufen wollte, stieß der alte Mann seinen Gehstock nach außen und versperrte Shikamarus Weg. 

 

Shikamaru hielt inne und seine Stirn legte sich verwirrt in Falten. 

 

Das Gesicht des Mönches, das in tiefe ernste Furch geschnitten war, hatte eine deutliche Ähnlichkeit mit verwitterter Baumrinde und seine mandelförmigen Augen war weiß und trüb vom grauen Star. Seine blinden Seen stierten starr geradeaus und sahen Shikamaru nicht an. 

 

Der Nara räusperte sich und setzte zu einer Entschuldigung an. 

 

Doch sein Versuch der Höflichkeit wurde jäh von dem Stock unterbrochen, der ihn in die Rippen stieß und von einem überraschend starken Schubs in die Richtung der heißen Quelle verfolgt wurde. Der Schattenninja stolperte zurück und war nicht in der Lage, irgendetwas anderes zu tun, da der Gehstock immer noch wie ein Schwert auf ihn gerichtet war, während er nach hinten bis an den Rand des Teiches wich. 

 

Was zur Hölle?

 

Auf einen Schlag senkte der Mönch seine provisorische Klinge und ließ das Ende des Gehstockes wieder auf die Steinplatten klacken. Shikamaru zog die Brauen zusammen und versuchte zu verstehen, warum er wie ein irregeführter Hirsch mit einem verdammten Stock in die Enge getrieben wurde. Doch bevor er fragen konnte, schwang der Stab des Mönches wieder nach oben und stoppte gerade so wenige Zentimeter von der Stirn des Nara entfernt. 

 

„Du.“, krächzte der alte Mann. „Bleib.“

 

Shikamaru blinzelte und mochte es überhaupt nicht, dass mit ihm gesprochen wurde, als wäre er ein verblödeter Hund. Allerdings hatte er das Gefühl, dass es ihn vermutlich ein Auge kosten würde, sollte er versuchen, sich dem Befehl zu widersetzen; zumindest wenn das Beben des Stockes irgendein Indiz sein konnte. 

 

Es war schließlich nicht so, dass er sich aggressiv einem alten Mann gegenüber verhalten konnte – noch dazu einem Mönch. 

 

Wenn er der Meinung gewesen wäre, dass es irgendwie für ihn von Vorteil sein könnte, dann hätte er vielleicht in Betracht gezogen, den Mönch dazu zu bringen, ihm mit dem Stab eins über den Schädel zu ziehen; und wenn nur, um seinem Hirn einen Gefallen zu tun. Doch stattdessen sah er zu, wie der Mönch seinen Gehstock senkte und den Rand des Beckens entlang schlurfte, um einen Ring aus kleinen Papierlaternen anzuzünden, die dort lagen. Jeder Versuch vonseiten Shikamarus, dem gebeugten Mann zu helfen, brachte ihm nur einen weiteren Stoß auf die Stirn oder in die Rippen ein. Und so stellte sich der Nara einfach an die Seite und beobachtete den Mönch erschöpft durch dichte Wimpern. 

 

Gott verdammt, er wollte doch einfach nur allein sein. Er wollte nicht in eine weitere unbehagliche Situation getrieben werden, aus der er nicht entkommen konnte. All seine Nerven waren bloßgelegt und nur von einer erbärmlichen Schicht an Lügen bedeckt, die langsam abzurutschen drohte. 

 

Gott…ich habe keine Kraft dafür…

 

Schweigend sah er zu, wie der Mönch mit einer zitternden Hand in den Ärmel seiner orangenen Robe griff. Schwer stützte er sich auf seinen Stab, als er verschiedene Salze in das dampfende Wasser streute. 

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen. 

 

Kaum eine Sekunde später schwang der Gehstock auch schon wieder nach oben und stupste gegen sein Stirnrunzeln, als wäre es ein Finger. Und diesmal starrten diese blinden Augen direkt in Shikamarus dunkle Seen; und das mit einer tiefen und unheimlichen Art von Wissen. 

 

„Du.“, sagte der Mönch sanft und nickte in Richtung des Onsen. „Wasch es fort.“

 
 

oOo
 

 
 

Es wusch über ihn hinweg wie Wellen…Wellen aus Feuer…Gott, es brannte so sehr…

 

Die Welt war wie schwarze Flammen an den Rändern und seine Nerven verschrumpelten unter der Hitze und seine Atemzüge wurden durch die Feuchtigkeit schwerer und schwerer.

 

Nasses Feuer in seinen Venen…

 

Er konnte es schmecken...

 

‚Wie Feuer auf meiner Zunge…‘

 

Ein Durcheinander von Empfindungen, Schmerz und Vergnügen…das eine real, das andere erinnert…

 

‚Gott…wie kannst du…nur denken…dass du kalt bist? Fuck…du brennst…‘

 

Shikamaru, der sich über ihm bewegte, in ihm, unter ihm…

 

Diesmal schmeckte er Shikamaru nicht einfach nur…er nahm ihn sich…

 

‚Ich sollte eher dich auseinander reißen…‘

 

Zorn. Begierde.

 

‚Wenn du mich hassen musst…dann hasse mich…‘

 

Nejis Wimpern zitterten und seinen Lippen entwich ein bebender Atemzug, als er den Laken zu entkommen versuchte, die über seine fiebrige Haut gelegt waren; roh und stechend, als würden Rasierklingen darüber kratzen. 

 

„Er hat immer noch eine viel zu hohe Temperatur…“, sagte eine Stimme irgendwo über ihm.

 

Oder war es hinter ihm? Lag er überhaupt?

 

„Bis morgen sollte es sein Körper geschafft haben, das Fieber zu durchbrechen.“

 

Brechen…?

 

Etwas Nasses stupste ihn in die Schläfe. Ein Winseln erklang an seinem Ohr; leise und rau und steigerte sich zu einer Frequenz, die ihn zusammenzucken ließ. 

 

„Akamaru…“ Hinata. Hinatas Stimme. 

 

Und dann der Geruch von etwas wie Weihrauch…er versuchte, dem Aroma zu folgen…sich daran festzuhalten…

 

Wach auf…

 

Er spürte das geringste Stechen in seiner Armbeuge…und dann quoll erneut das Schwarz in seinen Geist…wirbelte seine Welt hinein in einen dunklen Sturm aus Feuer. 

 

‚Du verlierst nicht, erinnerst du dich? Fang jetzt nicht damit an…‘

 

Nejis Herz pochte…und begann stärker zu schlagen…

 
 

oOo
 

 
 

Schlaf. Nicht. Ein.

 

Shikamaru hob seine schweren Lider. 

 

Langsam legte er den Kopf zurück gegen den Rand des Beckens und starrte durch den dichten Dunst aus Dampf und Wasser, der ihn umgab wie ein Laken, hinauf in den Sternen übersäten Himmel.

 

Endlich war er allein…

 

Bekämpfte den Schlaf…

 

Bekämpfte Gedanken…

 

Bekämpfte sich selbst…

 

Bekämpfte die Realität, dass die Morgendämmerung kommen und er fort sein würde; das zurücklassend, was er von Anfang an Konoha hätte regeln lassen sollen. Vielleicht war es ebenso arrogant wie dumm, anzunehmen, dass es schon irgendwie gut ausgehen würde…dass sie beide unversehrt davon kommen würden…

 

Es darf mir nicht leid tun…

 

Wenn es so wäre, was würde das bedeuten? Dass er es bereute? Scharf schüttelte er den Kopf und sandte Tropfen spritzend von seinem Kiefer.

 

Er sollte nicht so denken.

 

Aber er konnte es nicht einfach fort waschen…

 

Tut mir leid, alter Mann…ich wünschte, ich könnte es…

 

Und als er wieder hinauf zu den Sternen starrte; mit einer Müdigkeit die sich in jede Faser von ihm fraß, die sich straff zog, da spürte er, dass das Loch in seiner Brust ebenso weit und tief gähnte wie der endlose Himmel.

 

‚Du hast mich umgebracht…bevor es das schaffen konnte…‘

 

Die Augen des Nara brannten nass, bevor sie sich schlossen und das Wasser kräuselte sich, als er tiefer hinein sank; versucht, sich bis zum Grund sinken zu lassen und ein Brüllen loszulassen, das nicht gehört werden würde. Doch als sein Kiefer die dampfende Oberfläche berührte, richtete er sich wieder auf und rammte seinen Kopf nach hinten. 

 

Die Heilwasser konnten den dumpfen Schmerz aus seinem Körper stehlen.

 

Nur leider konnten sie nicht den Ort berühren, an dem er es am dringendsten benötigt hätte. 

 

Shikamaru atmete langsam und bebend ein. 

 

Mit aller Macht drängte er den Kummer nieder, der in ihm aufstieg.

 

Nicht jetzt…

 

Er kam dem Zustand alarmierend nahe, an dem er ein wenig zu müde war, es weiterhin bekämpfen zu können. 

 

Es war Zeit, zu gehen. 

 

Wie gut, dass die Morgendämmerung anbrechen würde, bevor er zerbrechen konnte. 

 

___________________________ 

Ja, es ist Zeit, sich von Hanegakure zu verabschieden. Ich hoffe, euch hat die Reise dorthin gefallen, denn jetzt ist sie vorbei...

Break to Breathe nähert sich mit großen Schritten dem Ende, ich kann es kaum fassen, dass es nur noch acht Kapitel sind, die fehlen...die Zeit verging so schnell...

 

Ich hoffe so sehr, dass euch dieses Kapitel gefallen hat, es steht hier wieder EINIGES zwischen den Zeilen und es gibt schon wieder einen kleinen Hinweis auf das, was Shikamarus Problem in den kommenden Teilen der Serie betrifft, habt ihr es bemerkt? ;) 

Ich würde mich wieder unglaublich über ein paar Worte von euch freuen meine Lieben!! <3

 

 

Stop fighting...again

Die Schatten zogen sich ebenso lang wie die Reise. Die Sonne, die den ganzen Tag hindurch hoch am Himmel gestanden hatte, hing bereits tief, als die Tore von Konoha in der Ferne aufragten. Die Blätter raschelten warm im Glühen des Sonnenuntergangs; ein grüßendes und vertrautes Lied. 

 

Shikamaru drehte sein Gesicht aus der Brise. 

 

Sein halb geschlossener Blick glitt über die Seite des Wagens und seine periphere Sicht erfasste das flüchtige Peitschen des Pferdeschweifs, als die kräftige Stute sie durch das Tor zog. Er blieb gegen eine Seite des Karrens gelümmelt und starrte nach vorn, bis sie nach und nach zum Stehen kamen. 

 

„Na schön!“ Naruto hüpfte von dem Pferderücken, bevor das arme Tier überhaupt vollständig anhalten konnte. Ohne zu zögern spurtete er los, als seine Füße auf dem Boden aufkamen. „Esseeeeeen!“

 

„Er hat auf jeden Fall den richtigen Einfall.“ Kiba nahm einen tiefen Atemzug und kraulte Akamarus Kopf. „Riechst du das, Junge?“

 

Der Hund wedelte mit dem Schwanz und schnüffelte in die Luft, wobei er gemessen an seiner heraushängenden Zunge wahrscheinlich das Abendessen witterte. 

 

„Shikamaru?“

 

Mit einem Arm sicher um eine Kiste gekrümmt blinzelte sich Shikamaru zurück aus seinem glasigen Starren, als eine Hand seine Schulter berührte. Der Nara hob zerstreut den Blick, als ein Schatten über ihn fiel. Chōjis Augen zogen sich in einem Lächeln zusammen. 

 

„Das Barbecue geht auf mich, Kumpel.“, grinste der Akimichi. „Oder vielleicht auch auf Asuma-sensei, wenn er die gute Nachricht hört.“

 

Die Erwähnung von Asuma lenkte die Zahnräder in Shikamarus Kopf um und sofort entschied er sich für die sicherste und wichtigste Richtung. Vermeidung. 

 

„Jo, später vielleicht.“ Shikamaru zuckte auf subtile Weise die Hand von seiner Schulter und nutzte die Bewegung, um sich an dem Rand des Wagens festzuhalten und daran hoch zu ziehen. „Ich muss mich um die Missionsberichte kümmern.“

 

Chōjis Miene verdüsterte sich mit Verwirrung; und dann mit Besorgnis. „Shikamaru…“

 

„Na sieh mal einer an, was der Gaul hier herein gezerrt hat!“, plärrte eine Stimme von dem Registrierungsposten nahe dem Tor herüber. „Nara Shikamaru, was für eine Todesdrohung hat die Hokage eigentlich gemacht, um dich dazu zu bringen, dich den- hey!“

 

„Das ist Verschlusssache, Kotetsu.“, tadelte Izumo und riss seinen Ellbogen von den Rippen seines Freundes zurück, um selbigen Arm zu heben und dem Team zuzuwinken. „Hey!“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und sprang von dem Wagen, um zu dem Tisch hinüber zu schlendern, während Lee, Chōji und Kiba begannen, die Ausrüstung abzuladen. Sein Blick zuckte zwischen Kotetsu und Izumo hin und her; ihm gefiel der verschmitzte Ausdruck auf dem Gesicht von Ersterem überhaupt nicht. 

 

Klasse.

 

Kotetsus Lippen verzogen sich zu einem lästigen und wissenden Grinsen; eines, das Shikamaru unmissverständlich dazu herausforderte, bei seinem unausgesprochenen Bluff mitzugehen. Das Vermeidungsspiel mit Asuma zu spielen war die eine Sache, aber es auch bei diesen beiden abziehen zu müssen, hätte auch noch den letzten Nerv des Nara gekostet, wenn sie nicht bereits taub gerieben wären. 

 

Shikamaru glättete sein Stirnrunzeln und wandte sich Izumo zu. „Gerade von einer A-Mission zurückgekommen.“, sagte er knapp und leise. „Erfolgreich.“

 

„Das sind gute Nachrichten. Gratuliere.“, erwiderte Izumo und blätterte durch die Papiere, um die richtige Missionsspezifikation zu suchen. 

 

„Jaaa, Gratuliere.“, sagte Kotetsu gedehnt mit einem bohrenden Schmunzeln, während er sich die schmerzenden Rippen rieb und ein Bein auf dem Tisch abgelegt hatte. 

 

Shikamaru verlagerte sein Gewicht auf den linken Fuß und warf dem älteren Chūnin einen Blick zu, der vor Langeweile nur so strotzte. Er hatte absolut kein Interesse daran, herauszufinden, woher diese beiden von seiner Beteiligung bei den Nijū Shōtai wussten. Doch vorausgesetzt, sie wussten nicht, warum er daran beteiligt war, hatte er Dringlicheres zu tun. 

 

Während Izumo durch eine Box unter dem Tisch wühlte, blieben Kotetsus Augen starr auf den Schattenninja fixiert und funkelten leicht verschwörerisch. „Hat sie dich durch eine Wand gehämmert oder so? Denn das würde mich auf jeden Fall motivieren. Und das ist gar nicht so leicht zu bewerkstelligen.“

 

Shikamaru blinzelte nicht. 

 

Kotetsu legte den Kopf schief und suchte offenbar nach einem Hinweis. „Oder vielleicht hat Asuma-senpai an deinem Hintern genagt, huh?“

 

„Ha! Hier ist sie.“ Izumo fuchtelte mit dem Arm über den Tisch und öffnete die Schriftrolle mit einer sehr absichtlichen und sehr übertriebenen Bewegung, die gegen Kotetsus Fuß schlug und den anderen Ninja auf effektive Weise dazu zwang, den Mund zu halten und mit den Armen zu rudern, um sein Gleichgewicht halten zu können.

 

„Scheiße!“

 

„Lass ihn in Ruhe, Kotetsu.“, ermahnte Izumo und ließ das Ende seines Stiftes über die Linien an Informationen gleiten, die auf das Pergament gekritzelt waren. „Hanegakure, richtig?“

 

„Ja…“

 

„Hn…“ Izumo hielt inne, legte den Kopf schief und warf einen Blick an Shikamaru vorbei. Seine Stirn legte sich in Falten, als er mit dem Stift in Richtung des Wagens deutete. „Uh, Shikamaru, hier steht, dass es eine Zwei-Gruppen-Mission bestehend aus acht Shinobi war.“

 

Der Schattenninja schob seine Hände in die Taschen und nickte, während die Lüge mühelos von seiner Zunge rollte. „Neji führt eine Nebenmission mit Sakura und Hinata.“

 

„Nebenmission?“ Izuma prüfte die Notizen und kritzelte eine Anmerkung daneben. „Das war nicht Teil des Einsatzes, oder? Ist etwas schief gegangen?“

 

Ein angespannter Ausdruck zuckte hart an den Winkeln von Shikamarus Augen, doch er kaschierte den Ausrutscher rasch, indem er den Kopf drehte, um über seine Schulter zu spähen. Effektiv täuschte er Interesse an dem Abladen des Wagens vor. 

 

„Neji ist der Jōnin.“, sagte er nur leise und hob kurz die Schultern, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf die beiden richtete. „Es ist nicht mein Problem.“

 

Izumo presste summend die Lippen aufeinander. „Du solltest trotzdem am besten die Hoka-“

 

„Oh Mann, du bist immer so überkorrekt.“, gähnte Kotetsu und fand seine Balance wieder, als er seine überkreuzten Fersen auf einem winzigen Fleck am hintersten Eck des Tisches ablegte. „Gönn ihm `ne Pause, er ist gerade erst zurück gekommen.“

 

Izumo warf seinem Freund einen zornigen Blick zu, rollte aber trotzdem die Schriftrolle ein. Er reichte sie Shikamaru und tippte kurz damit gegen seine Handfläche. „Ja, ich schätze mal, dass Hyūga die Lücken auch füllen kann, wenn er zurück kommt. Willkommen daheim.“

 

„Jo, wir seh’n uns.“ Kotetsu grinste mit heimlicher Belustigung. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Okay…“

 

„Verlass dich drauf.“ Kotetsu zwinkerte und hakte seinen Daumen unter die Bandage über seiner Nase, während er mit dem Zeigefinger auf Shikamaru deutete, als wäre es eine Waffe. „Schneller, als du denkst.“

 

Izumo seufzte. „Lass es gut sein, Kotetsu.“

 

Der Schattenninja sah zwischen den beiden hin und her, schluckte den Köder aber nicht; sehr zu Kotetsus Verdruss. Er wollte es wirklich nicht wissen. Langsam machte er auf dem Absatz kehrt und schlenderte davon, um seine Schritte zurück zu dem Wagen zu lenken. Rasch griff er mit den Beinen weiter aus, um rechtzeitig dort anzukommen, bevor Kiba in die mit Löchern versehene Kiste linsen konnte. 

 

„Ich verstehe immer noch nicht, warum du uns nicht zeigen willst, was da drin ist.“, murrte der Hundeninja, während er mit den Knöcheln auf das Holz klopfte. „Warum wolltest du das Ding überhaupt?“

 

Der Nara stellte einen Fuß auf die Trittstufe des Karrens und streckte seine Arme aus, um die Kiste zu packen und sie vorsichtig in seinen Besitz zu bringen. „Willst du dich nützlich machen, Inuzuka? Dann geh und hol jemanden, der sich um das Pferd kümmert.“

 

Kiba seufzte und salutierte spöttisch. „Du gibst also immer noch Befehle? Mann, seit wann bist du derart engagiert?“ Der Inuzuka kicherte. „Du könntest es jetzt wirklich zum Jōnin schaffen, Shikamaru.“

 

Shikamaru warf dem Hundeninja einen schneidenden Blick zu, sah aber gleich darauf abrupt zur Seite. Untypisch bissig zu werden, würde nicht seiner Sache dienen – die darin bestand, so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen. Er wandte sich Chōji zu, als Lee mehrere Rucksäcke aufhob und Kiba nach den Zügeln griff, um die Stute weg zu führen. 

 

„Willst du, dass ich dir tragen helfe?“, bot Chōji an und nickte zu der Kiste. 

 

Shikamaru justierte behutsam seinen Griff und schüttelte den Kopf. „Nah. Geh und ruh dich aus. Ich komm später vorbei.“

 

Er machte auf dem Absatz kehrt, um fort zu laufen, aber die Stimme des Akimichi ließ ihn wie angewurzelt stehen bleiben. 

 

„Es war nicht deine Schuld, weißt du. Das, was mit Neji passiert ist.“

 

Seltsam, dass es sich viel weniger nach einer Lüge anhörte, wenn jemand anderes sie aussprach. 

 

Shikamarus Atem fiel bebend von seinen Lippen. Energisch presste er die Augen zusammen, bevor er sie wieder aufschnellen ließ, um stur geradeaus zu starren. Anspannung hielt den Moment gefangen und an Ort und Stelle festgekettet, während er nach einer Antwort darauf suchte. Er öffnete die Lippen, um zu sprechen, aber die Woge aus Worten, die sich seine Kehle hinauf drängen wollte, fühlte sich zu gefährlich an, um sie wirklich loszulassen; vielleicht, weil es die Wahrheit war. 

 

Angestrengt versuchte er, eine Lüge zu finden. 

 

Er konnte es nicht. Auf einen Schlag wollte der ganze Schwachsinn nicht mehr kommen. 

 

„Witzig.“, sagte er und klang überhaupt nicht amüsiert; viel mehr, als würde er sich dringend räuspern müssen. „Das gleiche hast du mir vor drei Jahren gesagt.“

 

„Dann hör mal ein bisschen besser zu, Faulpelz.“, scherzte Chōji schwach, doch eine schwere Besorgnis spielte unter seinem Humor. „Du kannst nicht alles voraussagen, Shikamaru.“

 

Ja…immer dann nicht, wenn es am wichtigsten ist…

 

Die bittere Ironie ließ einen von Shikamarus Mundwinkeln nach oben zucken und er schüttelte den Kopf, während sich sein Arm um die Fracht herum anspannte, in deren Nähe er niemanden auch nur ansatzweise gelassen hatte. Er schluckte rau und zwang seine Stimme zu einem Anschein seines üblichen gedehnten Sprechens. 

 

„Geh und ruh dich aus, Chōji.“

 

Chōji brauchte einen Moment, um zu antworten. „Ino wird fragen, wo du bist. Was soll ich ihr sagen?“

 

Ich weiß nicht…

 

Da ihm die Lügen vollkommen ausgegangen waren, veränderte Shikamaru vorsichtig den Halt um die Kiste in seinen Armen, die sich plötzlich viel schwerer anfühlte als noch vor wenigen Augenblicken. 

 

„Was auch immer funktioniert.“, sagte er leise. 

 

Als Chōji nichts erwiderte, war das Sinnvollste, einfach davon zu laufen. Also tat er genau das und schritt die in Bernsteinlicht getauchten Wege von Konohas Bürgersteigen entlang; warf einen Schatten, der sich so weit vor ihn erstreckte, dass er vielleicht ebenso gut entschwand.

 
 

oOo
 

 
 

Die Welt kehrte bruchstückhaft wieder; eine Erinnerung nach der anderen. 

 

Fragmente von Stimmen, Orten, Geräuschen und Gesichtern und dann ein Name, der alles andere zu Schwarz verschwinden ließ. 

 

Shikamaru…

 

Sofort kehrten die Erinnerungen scharf und schneidend zurück, sägten sich sowohl durch Delirium als auch Traum. Realität riss die Wand zwischen seinem Willen und seiner Schwäche ein und entzündete träg gewordene Nervenenden mit einer anderen Art von Hitze; ein Feuer, das viel potenter war als das Fieber. 

 

Du…Bastard…

 

Risse formten sich in der Finsternis, Klarheit sickerte hindurch, während sein Verstand die Umklammerung der Schwärze bekämpfte, bis sein Wille zu leben stärker schrie als das flüchtige Verlangen danach, einfach alles loszulassen. 

 

NEIN.

 

Ein Rauschen, das sich anfühlte, als würde Adrenalin in ihm explodieren. 

 

Wie ein Chakrapuls tief in seinem Innersten. 

 

Zorn. 

 

Die Wucht davon donnerte durch den Nebel, durch das Fieber und bis hinein in Gefühl. 

 

Neji erwachte ruckartig. 

 

Seine Augen schnellten auf und leuchteten heißer und greller auf als Blitze. 

 

Und er schlug ebenso schnell zu, ohne es überhaupt zu bemerken. 

 

Ein leises schmerzerfülltes Keuchen erscholl zu seiner Linken. 

 

Explosionen von Klarheit und Verwirrung rasselten durch ihn und während er stocksteif aufgerichtet auf dem Futon saß, keuchte er abgehackt und bebend. Das Knirschen von Knochen zog seine Aufmerksamkeit hinunter auf das Handgelenk, das in seinem zitternden Griff gefangen war. Es war zierlich, blass und feingliedrig; die schmalen Finger gekrönt von dem weichen Bogen unmissverständlich weiblicher Nägel. 

 

Wo…bin ich?

 

Seine wilden Augen zuckten nach oben zu den blassen, die zurück zu ihm starrten. Sein Zorn sammelte sich zu einem festen Knoten in seinem Inneren, wand sich vipernschnell zu einer Spirale aus blauweißem Chakra, zischte und wickelte sich höher, überlegend, ob er zuschlagen sollte oder nicht.

 

„Neji-niisan?“

 

Neji blinzelte. 

 

Hinata…?

 

Der Zorn verschwand. 

 

Ein Rückschlag von Verwirrung geisterte durch Nejis Kopf, stumpfte die scharfen Kanten seines Verstandes ab und bewölkte ein wenig seine Augen. 

 

Hinata…

 

Seine Umklammerung lockerte sich sofort und fiel dann komplett fort. Übelkeit überschwemmte ihn und stieg in seiner Kehle auf, bevor er sie nach unten kämpfen konnte. 

 

„Neji…“ Die Rückseite von Hinatas Fingern berührte seine Brauen; kühl und sanft. 

 

Reflexartig ruckte Neji mit dem Kopf und scannte den Raum mit weiten, unfokussierten Augen. Seine Muskeln zogen sich straff, als er sich energisch aufgerichtet hielt. Eine entsetzliche Verwirrung wogte durch ihn und drohte, ihn zurück in die Leere zu ziehen. Mit mörderischer Miene kämpfte er es nieder und schüttelte den Kopf gegen den Schwindel an. 

 

Nein.

 

Er hörte nicht, wie Hinata nach Sakura rief. Selbst das Zurückschieben der Tür registrierte er nur in einem sehr distanzierten und leeren Teil seines Verstandes, der an der Peripherie seines Bewusstseins Aktivitäten wahrnahm. Er bemerkte die pinkhaarige Kunoichi an seiner Seite nicht, die seinen Puls überprüfte und den kalten Schweiß von seinem Gesicht und Nacken tupfte, während Hinatas Byakugan seine Brust scannte. 

 

„Das Fieber lässt nach.“

 

„Neji-Niisan?“

 

Er bot keinerlei Antwort an; seine Aufmerksamkeit blieb starr geradeaus gerichtet und zog sich in einem engstirnigen Blick auf den einzigen Punkt von Klarheit zusammen, den er in seinem wirbelnden Verstand verarbeiten konnte. Und er konnte ihn auch nur deswegen verarbeiten, weil er wie eine Klinge aus Eis in sein Herz sank. 

 

Verrat.

 

Neji blinzelte und ein flüchtiger Ausdruck des Schmerzes jagte wie Rauch durch seine Augen – nur um sich Herzschläge später selbst an ein Glühen brennenden Zornes zu verlieren.

 

Nara.

 
 

oOo
 

 
 

Das Laub knirschte wie Rost unter Shikamarus Füßen; es war ein Teppich aus Rot und Braun, das den Nara Wald bedeckte. Holzrauch schwebte auf der Brise und verwob sich zwischen den Bäumen, blieb in den kupferfarbenen Lichtstrahlen hängen, die durch das Blätterdach fielen. 

 

Nicht mehr weit.

 

Erschöpft stapfte Shikamaru den überwucherten Pfad entlang und hielt die Kiste inzwischen in beiden Händen. Seine Füße trugen ihn über einen Weg, den er als Kind unzählige Male zurückgelegt hatte, bis es wichtiger geworden war, Genin zu werden, statt kranke Kitze aufzupäppeln. 

 

Shikaku hatte den Pfad vor Jahren für ihn angelegt und seinen fünfjährigen Sohn dazu gebracht, ihm bei dieser ‚Mission‘ zu helfen. Yoshino hatte den beiden ordentlich die Leviten gelesen, als Shikamaru zurück gekommen war und ausgesehen hatte, als hätte er sich ein paar Runden Gerangel mit einem Nesselfeld geliefert. 

 

Und das stachelige Nesselfeld hatte gewonnen.

 

Shikaku hatte nicht einen einzigen Kratzer abbekommen. 

 

‚Jetzt wirst du dir merken, in Zukunft schärfer als die Dornen zu sein, Junge.‘

 

Shikaku hatte schon immer einen einzigartigen und lästigen Weg gefunden, ihm eine Lektion zu erteilen. Und einige dieser Lektionen waren im wahrsten Sinne des Wortes Dornen gewesen, die ein fünf Jahre alter Shikamaru die halbe Nacht lang aus sich heraus operiert hatte. 

 

Aber er hatte etwas dabei gelernt – und noch einiges mehr, wenn Shikaku ihn gesäubert und ihn auf eine gelangweilte und indirekte Weise die Eigenschaften der Nesseln gelehrt hatte; warum diese besondere Spezies wie Hölle stach und brannte und warum es so wichtig war, diese Pflanze im Wald zu behalten. 

 

Um Kinder zu quälen…

 

Jetzt, als er seinen Fuß hob, um auf die herzförmigen und gezackten Blätter zu treten, legte er größten Wert darauf, sie kräftig mit der Ferse in den Boden zu reiben. Nicht, dass er je zugeben würde, dass er Groll gegen eine dämliche Pflanze hegte. 

 

Nach ein wenig kreativer Fußarbeit über moosigen Untergrund schritt der Schattenninja das Ende seines Weges entlang und stellte die Kiste ab, als er zu einem Pferch kam, in dem einst die kranken Kitze gepflegt worden waren. Das Gehege hatte den Vorteil eines Daches und war bis zur Decke hinauf eingezäunt. Fast wie eine beplankte Baracke. In Anbetracht der erlittenen Vernachlässigung war sie überraschend gut erhalten. 

 

Ich habe sowieso keine andere Wahl als das hier.

 

Shikamaru schob den zersplitterten Riegel zurück und öffnete den Zaun, um sich seitwärts hinein zu schieben; die Kiste hielt er fest gegen seinen Körper gedrückt. Ein schwaches Krächzen erscholl durch die Luftlöcher. Vorsichtig setzte der Schattenninja die Kiste im Zentrum des Pferchs ab und beschrieb einen kleinen Kreis, als er den Blick durch das Gehege gleiten ließ. Seine Füße schoben raschelnd Stroh und Heu mit der Bewegung beiseite. Er würde ein paar frische Ballen hierher bringen müssen, um den Platz zumindest ein bisschen zu isolieren und zu polstern. 

 

Was zur Hölle habe ich mir nur dabei gedacht…?

 

Ganz offensichtlich hatte er überhaupt nichts gedacht, als er in Betracht gezogen hatte, sich ein weiteres Problem ans Bein zu binden, mit dem er sich nun herum schlagen musste. Seine Bitte hatte Hibari sehr überrascht, aber dankbarerweise hatte er den Schattenninja nicht nach seinen Beweggründen gefragt. Shikamaru wollte gar nicht erst wissen, warum er ‚einen Gefallen eingefordert hatte‘, der ihm nichts weiter eingebracht hatte, als noch mehr Anstrengungen und noch mehr Ärger.

 

Vielleicht hatte er ja eine Vorliebe dafür entwickelt, sich selbst zu bestrafen. 

 

Scheinbar unheimlich bewusst über seine Gedanken, erklang ein weiteres leises und verärgertes Squawken aus der Kiste. Shikamaru schritt hinüber und ging neben der Box in die Hocke, um das Schloss an der Klappe aufzuschließen. In der Sekunde, in der er das Holz nach hinten schob, schlug ein kahler und elend aussehender Flügel panisch daraus hervor. 

 

„Sshh. Ganz ruhig.“, murmelte Shikamaru und legte seine Handfläche auf die Öffnung, als der Flügel auf und ab flatterte. „Sshh…“

 

Doch seine Worte hatten nicht den erhofften Effekt und trugen nur dazu bei, den kranken Vogel noch mehr aufzuwühlen, während er sich sträubte und davon zu hüpfen versuchte. Shikamaru wartete geduldig und raunte leise Worte, um die rasende Panik zu beruhigen; darauf hoffend, dass sie zumindest nachlassen würde, auch wenn sie nicht vollständig verschwinden würde. 

 

„Ganz ruhig…“, wisperte er. „Hör auf zu kämpfen…“

 

Der Vogel hörte nicht auf; er schlug wild mit seinen ruinierten mokkafarbenen Schwingen und lieferte denselben tapferen Kampf, den er bereits während seiner Gefangenschaft geführt hatte, als Shikamaru ihn das erste Mal gesehen hatte. Verzweifelt und um sich krallend wurde das Kreischen seines Ringens immer lauter. Die Klänge zogen ein Stechen in die Augen des Nara und einen Knoten in seine Kehle, was ihn dazu zwang, schwer zu schlucken. 

 

„Hör auf…“, krächzte er rau und biss die Zähne zusammen. „Hör auf zu kämpfen…“

 

Sein heiseres Flehen vollkommen ignorierend kreischte der Vogel schrill und zerriss das Laken, das sein hölzernes Gefängnis gepolstert hatte. Er drehte sinnlose Kreise, die ihn nur noch mehr in den Stoff verhedderten. 

 

Shikamarus Hände begannen zu zittern. „Hör auf…“

 

Der Vogel richtete ein goldenes Auge hinauf zu ihm und flatterte aussichtslos und gebrochen, während er einen scharfen, durchdringenden Schrei hören ließ, der sich in einen Ort von Shikamaru stach, an dem er keine einzige Defensive mehr hatte. 

 

„Bitte…“ Shikamarus Stimme brach – zusammen mit etwas anderem in seinem Inneren. 

 

Und der Schmerz und der Kummer kamen so verdammt schnell, dass er es diesmal nicht mehr aufhalten konnte. 

 

Der Vogel schrie. 

 

„HÖR AUF!“ Er schlug die Klappe zu und stellte seine Ellbogen auf die Kante der Kiste, um sein Gesicht in den Händen zu vergraben. Ein ersticktes Geräusch wurde abgehackt aus seiner Kehle gerissen. 

 

Ein weiteres folgte; lauter diesmal. Es erschütterte seinen ganzen Körper mit all der Kraft, die er noch aufbrachte, um es in sich zu halten. 

 

Seine Hocke kollabierte und er sank auf die Knie, während sich seine Finger in seine Haarlinie krallten. Die siedende Hitze seiner Tränen rann aus seinen Augen und brannte sich einen Weg hinunter über die schlanken Neigungen seines Gesichtes. Seine Züge verzerrten sich gegen den brutalen Ansturm von Kummer und Traurigkeit. Es war strangulierenden in seinem Griff und zerdrückte gnadenlos sein Herz; presste Tränen aus ihm heraus wie ätzendes Blut. 

 

Zerfetzte Flügel fuhren fort, in der Kiste gegen das Holz zu schlagen und Krallen kratzten an den Brettern, während schwache Krächzer elend durch die Luftlöcher erklangen. 

 

Bitte…

 

Shikamaru ließ seinen Kopf zwischen seine Ellbogen sinken und schob seine Finger nach hinten, bis sie an seinem Hinterkopf lagen und er so hart zupackte, dass seine Knöchel weiß hervor traten. Er verkrampfte seine Arme um seinen Schädel herum, als wollte er ihn aufknacken, um die Gedanken loszuwerden; die Erinnerungen und Worte, die einfach nicht aufhören wollten – wieder und wieder.

 

Hör auf…

 

Die Tränen rannen stumm über sein Gesicht; seine Augen waren hart gegen den pochenden Schmerz zusammengepresst, der in seiner Brust anschwoll, bis sich seine Rippen ruckartig unter der Anstrengung hoben, ihn irgendwie zu ertragen. 

 

Außerhalb des Geheges rollte das tiefe Röhren eines Hirsches lang und tief in die hereinbrechende Abenddämmerung. 

 
 

xXx
 

 
 

Drei Stunden später betrat Shikamaru sein Zuhause; sehnsüchtig danach, sich einfach auf sein Bett und in einen traumlosen Schlaf fallen zu lassen. Mit mehreren Missionsreporten unter einen Arm geklemmt und ein Buch über Vogelmedizin in der Hand schob er sich an der Türschwelle mit den Zehen die Sandalen von den Füßen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, das Licht anzuschalten. 

 

Nicht, dass es nötig gewesen wäre. 

 

Die Küche war bereits hell erleuchtet und kaum hatte er die Tür hinter sich ins Schloss fallen lassen, senkte sich eine abrupte Stille über eine gerade eben noch geführte Unterhaltung – oder eher die Stimme seiner Mutter. 

 

„Shikamaru?“

 

Scheiße…

 

Der junge Nara zögerte und schloss die Augen, während er mit heiserer Stimme über die Schulter rief. „Ihr seid ja wieder da.“

 

Dem Kratzen von Stuhlbeinen folgte die Silhouette seiner Mutter, die über den Boden geworfen wurde; nur Sekunden, bevor sie den Kopf um den Türrahmen schob und in die Dunkelheit blinzelte. 

 

„Vielleicht hätten wir jemanden vorausschicken sollen, junger Mann. Hast du dir mal den Zustand dieses Hauses angeschaut?“, keifte Yoshino und schüttelte den Kopf, bevor sie in der Küche verschwand, um gleich darauf wieder mit der Vase mit Inos verwelkten Blumen aufzutauchen und sie in seine Richtung zu halten. „Und was in aller Welt ist mit denen passiert? Die wurden seit Tagen nicht gegossen.“

 

Shikamaru blieb regungslos an der Eingangstür stehen, starrte durch den Gang auf die verschrumpelten Stängel und fühlte sich in seinem Inneren doppelt so ausgedörrt. Doch seine Miene blieb von Schatten maskiert; sein Gesicht wurde kaum von dem Mondlicht berührt, das durch die Fenster herein fiel. Energisch hielt er den Abstand zu seiner Mutter; die Aussicht darauf, sich jetzt etwas von ihrem Genörgel anhören zu müssen, war alles andere als einladend. 

 

„Ich war auf einer Mission.“, sagte er leise. „Bin gerade erst zurück gekommen.“

 

Die Blumen vollkommen vergessen schossen Yoshinos Brauen hinauf bis zu ihrem Haaransatz. „Oh?“ Sie lehnte ihre Hüfte gegen den Türrahmen, während sich ihr Tonfall veränderte. „So spät? Hast du schon was gegessen?“

 

Shikamaru zuckte nur mit den Achseln und senkte den Blick; es war die einzige Antwort, die er gerade zustande bringen konnte. Auf einen Schlag war er sich gar nicht mehr so sicher, was härter oder leichter zu ertragen wäre – ihre Besorgnis oder ihre Krittelei.

 

„Shikamaru?“

 

„Jo, ich hab was gegessen…“

 

Yoshino legte die Stirn in Falten und ein vorsichtiger Ausdruck schlich sich in ihre dunklen Augen. „Na, steh da doch nicht so rum; komm rein und erzähl uns von deiner Mission.“

 

„Ich bin erledigt.“, erwiderte Shikamaru so abrupt, dass er ihr schon beinahe das Wort abschnitt. „Ich will einfach nur pennen, ok?“

 

Yoshino setzte die Vase mit den toten Blumen auf ihrer Hüfte ab und legte den Kopf mit einem milden, aber trotzdem vorwurfsvollen Blick schief; ihre dunklen Brauen bogen sich schon wieder nach oben. Shikamaru rührte nicht einen Muskel und blieb einfach nur unergründlich in den Schatten stehen; widersetzte sich seiner Mutter, indem er sie überhaupt nicht konfrontierte. 

 

„Shikamaru…“ Shikakus Stimme erscholl leise aus dem Inneren der Küche und wurde von dem Rascheln einer Zeitung und dem Klacken einer abgesetzten Tasse begleitet. „Komm her.“

 

Shikamarus Magen sank ihm in die Kniekehlen. 

 

Er schloss kurz und bebend die Augen und versuchte, sein Gesicht zu dem Anschein einer überzeugenden Maske zu zwingen, auch wenn er keine Worte finden konnte, um sie zu untermauern. Widerwillig schob er sich das Buch über Vogelmedizin zu den Papieren unter seinen Arm, bevor er die Hände in die Taschen seiner Chūninhose schob und sich seufzend in Bewegung setzte. 

 

Da er tunlichst den Blick seiner Mutter mied, bemerkte er nicht, wie ihre dunklen Augen in der abrupten und automatischen Suche nach Verletzungen über ihn wanderten. Er trat an die andere Seite der Küchentür und lehnte einen Arm gegen die Wand, bevor er seine halb verborgenen Augen auf den Tisch richtete. 

 

„Jo?“

 

Shikakus Daumen tippte gegen eine schwarze Tasse und Dampf stieg in dünnen Spiralen auf. Das schwere Aroma von Kaffee sättigte die Luft wie die Spannung, von der Shikamaru glaubte, dass nur er sie ausstrahlte. Sein Vater hielt sich mit seiner Antwort so lange zurück, dass es den jungen Nara dazu zwang, den Blick zu heben. Und Shikamaru war sich sicher, dass er mit den rasiermesserscharfen Augen konfrontiert werden würde, die er geerbt hatte. 

 

Doch zu seiner immensen Erleichterung – und verspätetem Argwohn – stellte er fest, dass die dunklen Seen seines Vaters weiterhin nach unten gerichtet waren und die Zeitung überflogen, die auf dem Tisch ausgebreitet lag. Shikamaru beobachtete ihn aufmerksam und überwachte die Bewegungen genau auf die Art und Weise, von der er eigentlich gedacht hatte, dass Shikaku ihn damit zu jeder Sekunde musterte, ohne es überhaupt so wirken zu lassen. 

 

„Also…“ Shikakus Mund bog sich an einem Winkel und seine whiskey-raue Stimme ließ Dampf über den Rand seiner Tasse rollen, als er sie an die Lippen hob. „Wie ist es gelaufen?“

 

„Jo, lief gut.“ Shikamaru spähte sehnsuchtsvoll in die Richtung seines Schlafzimmers und mied weiterhin den Blick seiner Mutter. „Erfolgreich.“

 

Shikaku summte und nickte, während er langsam eine Seite umblätterte ohne aufzusehen. „Keine Komplikationen?“

 

„Nein.“ Shikamaru seufzte; seine Geduld war bereits bis aufs Äußerste ausgereizt. Seine Nerven waren noch immer viel zu roh, um das Thema ‚Mission‘ verkraften zu können. Er schloss die Augen und versuchte, den Ausdruck einfach nur müde und nicht schmerzerfüllt aussehen zu lassen. Mit minimaler Anstrengung murmelte er: „Kann ich jetzt endlich pennen?“

 

„Shikamaru.“, tadelte Yoshino und marschierte an ihm vorbei, um die Vase auf den Küchentresen abzustellen. Gleich darauf beging sie den Fehler, den Kühlschrank zu öffnen. „Kami! Man könnte meinen, wir würden hier drin Pilze züchten. Shikamaru, ist irgendwas hier drin gestorben?“

 

Shikamarus Kiefer zuckte und seine Augen ruckten rapide zwischen einen Eltern hin und her, während er zu entscheiden versuchte, wen er zuerst abwehren musste und wie er das bewerkstelligen sollte. Sein Verstand suchte wahnhaft nach Möglichkeiten, aber in seiner Erschöpfung rannen sie wie Rauch durch seine mentalen Finger. Er schaffte es einfach nicht, sie zu fassen zu bekommen. 

 

Und seine ausbleibende Antwort zerrte seinen Vater in die Arena. 

 

Shikakus Augen hoben sich. 

 

Sofort versteifte sich Shikamaru gegen die Wand, als wäre er physisch geschubst worden. 

 

„Diese Verschwendung ist ja abartig…“, meckerte Yoshino und linste auf die Mindesthaltbarkeitsdaten. „Das muss alles weg.“

 

Shikamaru nahm genau zwei Worte ihres letzten Satzes auf; es waren die einzigen, die seinem Hirn nicht entkamen, während er darum kämpfte, den Blick seines Vaters halten zu können. 

 

Muss weg…?

 

Scheiße, er musste hier weg; irgendwohin, überallhin – schnell. Er drückte sich ein wenig mehr gegen die Wand, als würde sie vielleicht nachgeben und ihn verschlucken, während er den Drang niederrang, einfach die Beine in die Hand zu nehmen und abzuhauen. 

 

Beruhige dich…

 

Leise und langsam atmete er durch die Nase. 

 

Auf der anderen Seite des Tisches blätterte Shikaku eine weitere Seite seiner Zeitung um und senkte ein kleines Stück die Tasse; seinen Sohn observierte er unter dem täuschend entspannten Schwung seiner Lider. Für das untrainierte Auge mochte es beiläufig wirken. Aber Shikamaru wusste es besser. Er kontrollierte sich selbst mithilfe eines trägen Schulterzuckens, doch ganz offensichtlich war Shikaku einfach viel zu erfahren, um sich von diesem Chamäleonakt täuschen zu lassen. 

 

Der ältere Nara hielt mitten in der Bewegung inne, als er eine weitere Seite umblättern wollte und hob den Kopf. 

 

Seine Augen wurden um die Winkel herum noch schärfer. 

 

Fuck.

 

Shikamaru sah weg, dann wieder zurück, dann zu Yoshino. 

 

Die Schwere des Blickes seines Vaters verband seine Kräfte mit dem ununterbrochenen Lamentieren seiner Mutter über die Inhalte des Kühlschrankes. Auf diese Weise von beiden Seiten bombardiert, rammte die Anspannung eine konzentrierte Art von Druck in Shikamarus Schädel und die Belastung sickerte langsam auf seine Züge. 

 

Gott, er war so müde. 

 

„Geh und mach dein Nickerchen.“, sagte Shikaku leise und senkte seine Augen zurück auf die Zeitung. 

 

Yoshino, die mitten im Satz unterbrochen worden war, linste ungläubig über die Kühlschranktür. „Bitte was?“

 

Shikamaru blinzelte nervös und warf seinem Vater einen Blick aus zusammengezogenen Augenwinkeln zu; suchte nach einem Grund, aus dem es sein alter Herr riskieren würde, sich gegen seine Mutter zu stellen, wenn sie mehr als nur darauf vorbereitet war, ihre Ecke zu verteidigen. Auf keinen Fall konnte ihr zorniges Funkeln als etwas anderes als ein Aufziehen des Jüngsten Gerichtes gedeutet werden. 

 

„Oh und ich gehe dann einfach mal davon aus, dass sich das ganze Zeug hier auf magische Weise in Luft auflösen wird?“, bemerkte Yoshino mit Singsang-artigem Sarkasmus und zog einen Behälter hervor, der aussah, als wäre er mit Baumwolle ausgestopft, da sich der Schimmel gegen das Plastik drückte. Vielsagend fuchtelte sie damit herum, um ihren Standpunkt noch klarer zu machen. 

 

Shikaku drehte nur eine weitere Seite um, ohne überhaupt den Blick zu heben. „Gut gemacht mit der Mission, Junge.“

 

Shikamarus Kehle zog sich zusammen. 

 

Yoshino durchbohrte ihren Mann mit sprichwörtlichen Dolchen. „Soll das heißen, dass du mir bei dieser Mission helfen wirst?“ Sie stach mit einem Finger in Richtung des Kühlschrankes und wusste die Tatsache alles andere als zu schätzen, dass sie in ein Haus mit Pilzbefall zurück gekommen war. 

 

Shikaku hob den Kopf dann doch ein Stück zu seiner Frau und hielt ihr Starren für einen intensiven Moment, bevor er ein langsames und träges Lächeln aufsetzte, das sich warm in seine Augen schlich. Yoshino bedachte ihn mit einer vernichtenden Miene und weigerte sich, von diesem Ausdruck angezogen zu werden. 

 

„Shikaku.“, warnte sie und hob drohende die Büchse. 

 

Der ältere Nara schmunzelte, bevor er seinen Blick auf seinen Sohn richtete. „Na los, verdrück dich.“

 

„Was auch immer.“, murmelte Shikamaru und war viel zu müde, um mit den Augen zu rollen; er musste ja schon seine Stimme mit einer Gewalt herauszwingen, die ihm physische Schmerzen bereitete. „Nacht.“

 

Er ergriff den Ausweg, den sein Vater ihm geboten hatte, nur zu gern und verlängerte seine Schritte in einer raschen Flucht. 

 

„Shikamaru!“, keifte Yoshino und setzte sich schon in Bewegung, um ihm hinterher zu marschieren; bewaffnet mit der verschimmelten Dose und mehr als bereit dazu, sie für häusliche Gewalt einzusetzen.

 

Doch Shikaku streckte seinen Arm nach ihr aus, als sie an ihm vorbei schritt und seine Finger strichen über das Handgelenk seiner Frau, um es zu packen und sie aufzuhalten, während er sich gleichzeitig mit einem trägen Schwung aus seinem Stuhl erhob. Beinahe schon spielerisch zog er sie zurück gegen den Wall seiner Brust. 

 

„Morgen…nicht heute Nacht.“

 

„Shikaku.“, tadelte sie und zog die Brauen zusammen.

 

Shikaku legte locker einen Arm um ihre Taille und bot ihr keine Gelegenheit zur Flucht, als er sein Kinn auf ihrer Schulter ablegte. „Lass den Jungen in Ruhe.“

 

Yoshinos Stirnrunzeln vertiefte sich und sie wollte ihn schon mit dem Plastikbehälter schlagen. „Hast du denn gar nicht gesehen, in was für einem Zustand si-“

 

„Yoshino.“ Langsam ließ er ihren Namen gegen ihre Ohrmuschel rollen; mit dem Hauch einer Beharrlichkeit, die sich in seinen heiseren Tonfall wob. „Lass den Jungen in Ruhe!“

 

Etwas in seiner Stimme ließ sie sofort innehalten. Zögerlich drehte sie den Kopf und Sorge flackerte durch ihre waldbraunen Augen. Shikaku blinzelte langsam und strich einen leichten Kuss über ihre Schläfe. 

 

„Morgen.“, murmelte er.

 

Yoshino richtete ihren weicher werdenden Blick auf die Zimmertür ihres Sohnes. 

 

Shikaku sagte nichts mehr. Das musste er aber auch nicht. 

 
 

oOo
 

 
 

Eine leichte Brise weckte ihn; kalte abendliche Finger strichen mit einem Wispern über seinen Oberkörper.

 

Finger…?

 

Neji erwachte ruckartig und schnappte nach Luft, als sich sein Körper gegen den instinktiven Drang anspannte, gegen die ungesehene Bedrohung um sich zu schlagen; eine Bedrohung die sich als nichts weiter heraus stellte als der Wind über seiner Haut. 

 

Kühl und beruhigend. 

 

Neji blinzelte und seine Mondstein Augen wurden von Verwirrung bewölkt, bevor sie ein wenig aufklarten. So vernebelt seine Sinne auch sein mochten; die Realität hatte um ihre verschwommenen Kanten herum wieder etwas mehr an Definition gewonnen. Während der letzten paar Stunden waren die vorbeischwebenden Gesichter und gedämpften Stimmen deutlicher geworden. 

 

Und mit dieser Klarheit waren auch andere Details schärfer geworden. 

 

Er wusste, dass die Embolien fort und die Chakrablockaden gelöst waren – sein Körper heilte und dennoch fühlte er sich roh und offen in seinem Inneren. Der physische Schmerz verblasste vollkommen – wie gewöhnlich – im Vergleich zu dem Unbehagen, das sich in seiner Kehle verkrampfte; und hinter seinen Rippen. Es war dieselbe Art von Kummer, von dem er bereits vor zwei Monaten nicht gewusst hatte, wie er damit umgehen sollte; außer, ihn auf die einzige Art und Weise aufzuhalten, die er kannte. 

 

Nicht, dass es jetzt noch irgendeine Rolle spielen würde; denn noch tiefer in seinem Kern und die Traurigkeit vollkommen überschattend – saß der Zorn. 

 

Verknotet und ruhend.

 

Wartend; lauernd. 

 

Neji nahm einen langsamen Atemzug und spürte, wie er anschließend bebend von seinen Lippen fiel. 

 

Er drehte seinen Kopf gegen das Kissen und nahm das subtile Aroma von Kräutern und die starke Schärfe von Ingwer wahr. Energisch blinzelte er gegen den Drang an, seine Augen zu schließen und spähte zu der offenen Shojitür hinüber. Milchiges Licht drang in den dunklen Raum und fiel über seine Brust. Er streckte den Nacken und erhaschte einen Blick auf die blasse Mondscheibe, die an einem satinschwarzen Himmel hing. 

 

Der weiche Klang von Schritten lenkte seine Aufmerksamkeit um.

 

Seine Augen senkten sich von einer einzigen blassen Sphäre hinunter auf zwei, die ihn beobachteten. 

 

„Neji-niisan?“

 

Neji blinzelte schwer. „Hinata-sama.“, antwortete er und runzelte angesichts des kratzigen Tonfalls seiner sonst so melodiösen Stimme die Stirn. 

 

Hinata schob sich vorsichtig in den Raum und ihre Schritte waren ebenso zögerlich wie der Ausdruck auf ihrem Gesicht; fragil und unsicher. Es wäre so einfach, solche Dinge gegen sie zu verwenden. Ausnahmsweise könnte er mit seinen Worten ihrem Herzen mehr Schaden zufügen, als es seine Sanfte Faust jemals getan hatte. Doch als er sie jetzt so sah, hatte Neji keinerlei Verlangen danach, ihr weh zu tun. Denn sie war noch immer das offene Buch, das sie schon immer gewesen war. Keine Täuschung, keine Zeilen, zwischen denen gelesen werden musste. Nur ehrliche, offene Emotion.

 

Da waren keine Lügen in ihren Augen. 

 

Ganz anders als bei dir, Nara.

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich, doch seine Augen wurden weich, als er sprach. 

 

„Ich kann dir nichts antun.“, murmelte er und strengte sich an, die Sehnen in seinem Hals bewegen zu können. „Und ich habe auch kein Verlangen danach…selbst, wenn ich es könnte.“

 

Hinata hielt inne und starrte auf den Boden. „Aber ich-“

 

„Ich habe dir gesagt…dass du nicht den Blick senken sollst…“, sagte Neji und seine Mundwinkel zuckten schwach. „Obwohl…ich diesmal nicht…über meinen üblichen Vorteil von Höhe…verfüge…“

 

Sein leiser Humor überraschte sie; er war so unerwartet und plötzlich, dass sie für einen langen Moment einfach nur wie betäubt auf ihre Hände starrte. Und dann hob sie mit einem Rucken ihre Augen. „Du…du bist nicht wütend?“

 

Nejis Miene erstarrte wie zu Stein und sein Blick glitt von ihr fort. Schweigend starrte er auf einen undefinierbaren Punkt irgendwo in der dunkelsten Ecke des Raumes. 

 

War er wütend? 

 

Zorn schien so simpel zu sein. Doch was da ruhend in ihm lag, fühlte sich nicht im Geringsten simpel an. Was immer es war, es verhielt sich im direkten Verhältnis zu seiner Fähigkeit, auf dieses ‚Etwas‘ zu reagieren. Aber im Moment war das aufgrund seines körperlichen Zustandes noch keine Option. Und das Fieber hatte ihn all die Energie gekostet, die nötig gewesen wäre, deswegen frustriert zu sein. Nicht, dass er dachte, dass er es andernfalls gewesen wäre. 

 

Nein. Er fühlte sich alarmierend und gefährlich ruhig. 

 

Vielleicht kam diese Ruhe aus einem Sinn von Erkenntnis und Gewissheit. 

 

Die Erkenntnis darüber, dass etwas in ihm auf den richtigen Zeitpunkt wartete…und die Gewissheit, dass es diesmal eine Emotion war, von der er keinerlei Absicht mehr hatte, sie zu unterdrücken.

 
 

oOo
 

 
 

‚Wenn du mich jetzt darum bittest aufzuhören…dann bring ich dich vermutlich um…‘

 

Zähne kratzten über seinen Hals, zwickten an den angespannten Sehnen, die sich anspannten und unter dem Drang zu schlucken, zu sprechen, zu schreien schmerzten. Er konnte es nicht. Er konnte keine Luft in seine Lungen ziehen und ebenso wenig konnte er sie loslassen.

 

Er konnte nicht atmen. 

 

Eine Hand schloss sich um seinen Hals, blasse Finger spannten sich an, als sie sich schlossen, quetschten, würgten. 

 

‚Sollte dich das wirklich umbringen, Shikamaru, dann wird es der beste Weg sein, um zu gehen…‘

 

Ein geisterhaft fahles Gesicht, die Lippen blau verfärbt, eingefallene Gesichtszüge, die von Opalaugen dominiert wurden, die von kalter bitterer Qual erfüllt waren.

 

‚Du hast mich umgebracht…bevor es das schaffen konnte…‘

 

Shikamaru erwachte schlagartig; sein Arm schnellte nach außen, um den Griff eines Phantoms abzuwehren, das nicht da war. Seine Hand schnitt durch die Luft und er folgte der Bewegung, wobei er beinahe vornüber gefallen wäre, als er sich schlagartig aufsetzte. 

 

„Scheiße…“, wisperte er, fuhr sich mit einer bebenden Hand durchs Gesicht und bis an seinen Nacken, um in vertrauter Weise sein Genick zu packen. 

 

Die Luft drang in seine Lungen und wurde in zerfetzten Keuchen wieder heraus gerissen; seine Haut schimmerte mit einem feinen feuchten Film. Mit weiten Augen blinzelte er und scannte den Raum, während sein Hirn raste, um jeden einzelnen Schatten zu registrieren, bis sie sich in wohlbekannte Formen auflösten. 

 

Traum…

 

Schwer schluckend sank er zurück auf sein Bett, umklammerte seine Stirn mit Daumen und Fingern und presste hart. Sein Herz brauchte einen Moment, um seinen Rhythmus wiederzufinden und seine Brust hob und senkte sich in sanften Bewegungen.

 

Energisch biss er die Zähne aufeinander und schloss krampfhaft die Lider. 

 

Ein schrilles Pfeifen von Hirschrufen durchschnitt die Nacht und wurde von dem tiefen Röhren eines Hirschbocks beantwortet. 

 

Zuhause…

 

Shikamaru ließ seine Hand sinken und hob die Wimpern, um starr auf die Strahlen aus Mondlicht zu stieren, die über die Decke reflektiert wurden. Er beobachtete das Spiel blauweißer Farbtöne, als Wolken über die leuchtende Sphäre außerhalb des Hauses wanderten.

 

Aber es war das leise Klicken neben seinem Bett, dass seine Aufmerksamkeit wirklich auf sich zog. 

 

Die Nummern auf seinem Wecker blinkten. 

 

Vier Uhr morgens. 

 
 

xXx
 

 
 

Er erlebte den Sonnenaufgang in einer Schattierung nach der anderen. 

 

Der Raum wurde immer heller und die milchigen Farbtöne ergaben sich der sanften Liebkosung einer roten Morgendämmerung; wie Blut über dem Himmel. 

 

Shikamaru rollte sich zur Seite und wandte sein Gesicht von dem Fenster ab, um seinen Blick auf die dämliche Uhr zu richten, die die Zeit verspottete, seinen Verstand durcheinander brachte und eine Illusion von Minuten erschuf, die sich zu Stunden langzogen.

 

Langsam blinzelte er und legte sich auf den Bauch, während er sein Gesicht in der Armbeuge vergrub; zusammen mit einem Seufzen, das aus den tiefsten Tiefen seiner Lungen aus ihm heraus brach. Er war sich nicht sicher, wie lange er dort lag; sein Verstand blieb nie stehen, drehte sich wieder und wieder im Kreis, während sich der Schattenninja bemühte, ihn irgendwie lahmzulegen, bevor er sich auf einen mentalen Weg stürzte, für den er eigentlich viel zu ausgelaugt war, um ihm folgen zu können.

 

Und irgendwann schaffte er es dann doch, in ein leichtes Dösen hinüber zu gleiten. 

 

Bis das laute Geräusch von Asumas Lachen seinen Kopf nach oben rucken ließ. 

 

Asuma…?

 

Blinzelnd drehte sich der junge Nara und verhedderte sich in den Laken, als er einen düsteren Blick auf den Wecker warf. 

 

Zehn Uhr morgens. 

 

So ein Mist…

 

Shikamaru strampelte die Decken fort und schwang seine Füße aus dem Bett, um sich mit einem Schwung zu erheben, der ihn beinahe gegen den Shogitisch taumeln ließ. Ganz offensichtlich fuhr seine Koordination nicht annähernd so schnell hoch wie sein Hirn. Er brauchte einen Moment, um sich mit den Kräften der Physik orientieren zu können. 

 

Beweg dich…vorwärts…

 

Sein Körper gehorchte ein paar Sekunden später und drehte ihn in die Richtung der Tür, zu der er langsam hinüber schwankte. Leise zog er sie auf und streckte seinen Kopf nach draußen, um die Stimmen hören zu können, die den Gang entlang getragen wurden. 

 

Asumas Bariton rumpelte die Wände entlang und wurde von dem rauchigen Schweben der Stimme seines Vaters verfolgt. 

 

Aufmerksam lauschte er nach seiner Mutter, konnte sie aber nicht ausmachen. 

 

Kurz wog er ab, wie weit er sich wohl nach vorn schleichen konnte, ohne erwischt zu werden. Dann verließ Shikamaru sein Zimmer und schob sich den Gang entlang; blieb dabei aber fest gegen die Wand geklebt wie ein Schatten. 

 

„- kein einziges Mal schlagen können.“, sagte Asuma gerade und der Geruch von Rauch erreichte Shikamaru zur selben Zeit wie die Worte seinen Senseis. „Wie gut, dass ich nie Geld darauf gewettet habe, wenn ich mit ihm gespielt habe.“

 

Sikakus leises Lachen wurde von Keramik gedämpft. Und dann erscholl das Klacken der Tasse, die abgestellt wurde; Shikamaru richtete sich steif gegen die Wand auf.

 

„Aber die Nijū Shōtai waren definitiv kein Zug, den ich von ihm erwartet hätte.“, fuhr Asuma fort und hielt inne, um Luft in seine Lungen zu ziehen – oder Nikotin. 

 

„Und das besorgt dich?“

 

Shikamaru neigte sich ein wenig zur Seite und beobachte die dünne Rauchfahne, die aus dem Esszimmer schwebte. Angespannt zählte er die Sekunden, bis sein Sensei antwortete. 

 

„Ich weiß nicht. Aber du musst sehr stolz auf ihn sein.“

 

Shikaku summte. „Das bin ich.“

 

Das ließ Shikamaru blinzeln und ein seltsames Gefühl sammelte sich in seiner Magengegend – als würden sich Schuld und Dankbarkeit zu einem komplizierten und lästigen Knoten verdrehen. Er warf einen Blick zurück durch den Gang und überlegte, ob er sich wieder zurück in sein Zimmer stehlen sollte. 

 

„Ich musste ihn nicht einmal dazu drängen.“, sagte Asuma jetzt und klang dabei viel mehr besorgt als erleichtert. 

 

„So oder so erspart es mir das das Genörgel von Yoshino.“

 

„Weißt du, warum er sich dazu gemeldet hat?“

 

„Ich muss nicht wissen, warum er es gemacht hat.“ Shikakus Tasse wurde erneut abgestellt. „Das trifft aber offensichtlich nicht auf dich zu, hnm?“

 

Asuma ließ ein schnaubendes Lachen hören, das viel zu angespannt klang um ehrlich sein zu können. „Ja, es macht mich kirre. Ich bin schon fast versucht, ihn in die Mangel zu nehmen.“

 

Shikamaru rammte seinen Kopf zurück gegen die Wand und fluchte leise. 

 

Scheiße…

 

Asuma, der an seinem Hintern nagte, war ihm Moment wirklich das Letzte, das er brauchte. Es war schon schwer genug, seinem Vater auszuweichen, der Bullshit drei Meilen gegen den Wind wittern konnte. Aber bei Asuma war es eine andere Art Ärgernis, weil Shikamaru dieses Übelkeit erregende Schuldgefühl verspürte, wenn es darum ging, seinen Sensei anzulügen. Bei seinen Eltern war es ein wesentlicher Bestandteil der Familiendynamik, evasiv und kreativ mit der Wahrheit umzugehen. Bei Asuma jedoch fühlte sich Shikamaru jedes Mal so, als würde er ihn verraten. 

 

Eigentlich sollte das doch leicht sein. Du bist gut darin, Leute zu verraten. 

 

Shikamaru verkrampfte den Kiefer gegen diese selbst auferlegte Rüge.

 

Nicht, dass es nicht wahr wäre. 

 

Er wollte sich überhaupt nicht mit der Richtung herum schlagen, in die sich seine Gedanken gerade bewegten. Und genauso wenig wollte er einer Unterhaltung lauschen, die ihn nur noch weiter diesen Weg entlang schubsen würde; weswegen er sich auf dem Absatz umdrehte und zu seinem Zimmer zurückkehrte. Das Ende der Konversation hörte er nicht mehr. 

 

„Ich bin überrascht, dass du ihn noch gar nicht ins Kreuzverhör genommen hast.“, sagte Shikaku jetzt und ein schwaches Schmunzeln zupfte an seinen Mundwinkeln. „Passt gar nicht zu dir.“

 

Asuma zog verlegen den Kopf ein und hob eine Hand, um das imaginäre Übertreten einer Linie zu vermeiden. „He, ich respektiere die Tatsache, dass ich nunmal nicht sein Vater bin.“

 

Shikaku hob eine Braue und war innerlich amüsiert über Asumas Versuch, seine offensichtliche Besorgnis um den jungen Nara herunter zu spielen. „Und ich bin nicht sein Sensei. Du bist ihm wichtiger, als es dir bewusst ist, Sarutobi.“

 

Asuma neigte den Kopf und starrte auf seine Zigarette, während er die Asche von der Spitze klopfte. Eine weiche Wolke strömte aus seiner Nase und Zuneigung berührte seinen Gesichtsausdruck in Form eines schiefen Lächelns. Langsam hob er die Zigarette zurück an seinen Mund und klemmte sie zwischen seine Lippen, bevor er nach einem weiteren nachdenklichen Moment einen tiefen Zug nahm. 

 

„Er ist ein guter Junge.“, murmelte er und ein tiefsitzender Stolz rollte durch seine Stimme wie der Rauch von seinen Lippen. 

 

„Ja, habe ich gar nicht so schlecht hinbekommen, oder?“

 

„Nein. Das hast du nicht.“

 

Shikaku lächelte ein wenig und seine klugen Augen richteten sich auf den Korridor. „Ich werde ihm sagen, dass du da warst.“

 

Asuma kämpfte den Drang nieder, über die Schulter zu spähen. Stattdessen drückte er seine Zigarette mit einem Drehen im Aschenbecher aus und erhob sich aus seinem Stuhl. „Danke. Sag Grüße an Yoshino.“

 

Shikaku kicherte tief in seiner Kehle und schwenkte den Rest seines Kaffees in der Tasse. „Damit meine Frau mich über deine Gesundheit belehren kann, Sarutobi?“

 

Mit einem gespielt unschuldigen Ausdruck klopfte Asuma eine weitere Zigarette aus der Packung und ließ sie von seinen Lippen hängen, ohne sie anzuzünden. Mit der Schachtel salutierte er träge in Shikakus Richtung, während er sich gelassen auf die Tür zubewegte und eine Hand in die Hosentasche schob. 

 

Zurück in den üblichen Trott.

 

Eine mentale Checkliste entrollte sich in seinem Geist und sie drehte sich vor allem um Kotetsus nervige Fragen über seinen Schüler. Was ihn jedoch noch mehr störte, war die Tatsache, dass er keine einzige Antwort auf diese Fragen finden konnte; nicht, dass er diese Informationen auch preisgegeben hätte, selbst wenn er sie gewusst hätte. 

 

Doch er wusste es eben nicht.

 

Was geht nur in deinem Kopf vor, Shikamaru?

 

Asuma blieb an der Türschwelle stehen; er verspürte das Verlangen nach dem Kick von Nikotin, um dieses Mysterium lösen zu können. Bedächtig zog er sein Feuerzeug hervor und ließ den Deckel mit einem Klicken aufschnappen, das sofort Flamme fing. 

 

Und dann fiel ihm etwas ins Auge und stoppte seine Bewegungen abrupt. 

 

Das Feuerzeug hielt ganz knapp vor der Zigarette inne. 

 

Shikamarus Flakjacke hing an einem Haken neben der Tür. Die linke Seite wies einen Riss über Schulter und Brust auf; wie von dem schneidenden Stoß einer Klinge. Der zerfetzte Stoff deutete auf einen trennenden Hieb hin, der auf das Herz gezielt hatte. 

 

Asumas Augen verengten sich und seine braunen Seen flackerten bronzefarben im Schein der Flamme. 

 

Mit einem Schnappen schloss er das Feuerzeug wieder. 

 

Während er es in seiner Tasche verschwinden ließ, schob er auch die Zigarette zurück in die Schachtel und zog die Tür mit einem Stirnrunzeln auf. 

 

Er wusste, wo er als nächstes hingehen würde. 

 

Chōji.

 

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Aaah und endlich betritt ein Charakter die Bühne, den ich persönlich unglaublich mag und der in den kommenden Teilen der Serie eine wichtigere Rolle spielen wird - Shikaku! Ich hoffe sehr, dass ich ihn glaubwürdig dargestellt habe, Meinungen sind wie immer sehr erwünscht :) 

Ja was soll ich sagen...Neji ist wieder wach, Shikamaru wieder zuhause, aber alles andere als in einer guten Verfassung...und es bleiben noch 7 Kapitel...was wird wohl noch alles passieren...irgendwelche Ideen?? ;)

A weapon cannot heal a wound

Das scharfe Knacken von Geweihen zerriss die Stille der Morgendämmerung. 

 

Shikamaru erstarrte mit einem einzigen Schauern. 

 

Das tiefe, warnende Rufen eines der Hirschböcke zog sich zu einem Röhren; ein Klang, der heiser in den blauweißen Nebel echote, der immer noch zwischen den Bäumen hing. Der Schattenninja begab sich in eine tiefe Hocke und wartete auf das antwortende Rufen. Doch es kam nichts; nur das Rascheln von Farn und Laub, während Hirschkühe vom Ort des Kampfes flohen. 

 

Shikamaru lauschte noch etwas länger und drehte eine Sichel in seinen Händen. 

 

Langsam drehte er den Kopf, als ein junger Hirschbock aus dem Nebel schoss und am Ende des Pfades stolz zum Stehen kam, als er das Schimmern der Sichelklinge bemerkte. Shikamaru hörte auf, die Schneide zu drehen. Angespannt bebte der Hirsch auf der Stelle und Strahlen aus Dampf strömten aus seinen weiten Nüstern. 

 

Shikamaru summte leise und steckte die Klinge weg. 

 

Der Hirsch stampfte ein einziges Mal auf und ruckte mit einem aggressiven Schwung den Kopf. 

 

Diese Darbietung ließ Shikamaru die Stirn runzeln. 

 

Der junge Bock befand sich immer noch im Samt, sein Geweih war unter dem weichen Gewebe noch nicht verhärtet. Noch einmal stampfte das Tier streitlustig auf und neigte den Kopf, als wollte es angreifen. Unbeeindruckt pfiff Shikamaru leise durch die Zähne und beobachtete, wie die Ohren des Hirsches in seine Richtung zuckten, als er sein freches und trotziges Schauspiel stoppte; offensichtlich verwirrt von dem Mangel an Angst, den es provozierte. 

 

„Du Störenfried.“, murmelte Shikamaru, während sich seine Lippen angesichts des sanften Schnaubens nach oben bogen, das ihm entgegengebracht wurde. „Netter Versuch.“

 

Die Nüstern des Hirsches bebten und widerwillig schnüffelte er sich weiter den Weg entlang, bis er zaghaft Shikamarus Pferdeschwanz anstupste und hinein schnaubte. Der junge Nara blieb vollkommen still und absolut ruhig; er neigte den Kopf erst dann zur Seite, als der Bock Anstalten machte, an seinen spitzen Strähnen zu knabbern. 

 

Träge fuchtelte er mit einer Hand, um das Tier abzuwehren und streckte widerwillig seinen Arm aus, um es an der Schnauze zu kraulen, als es sich weigerte, einfach so verscheucht zu werden. „Wie lästig.“

 

Die Aufmerksamkeit offensichtlich genießend, blieb der Hirsch ein wenig länger stehen und zullte auf der Suche nach Shika Sembei an der Klappe von Shikamarus Rucksack. Der Schattenninja schnaubte und griff in seine Tasche; die Angewohnheit, diese Reis Kräcker bei sich zu tragen, war wie eine zweite Natur von jedem Nara, der durch diesen Wald lief. 

 

„Hier; und jetzt verschwinde.“, grummelte Shikamaru und kratzte liebevoll den Hals des Hirsches, während der auf dem Keks herum kaute, bevor er sich langsam drehte, um auf dem Abhang zu grasen. 

 

Shikamaru hingegen lief weiter den Pfad hinauf in Richtung der beplankten Baracke und hackte mit der Sichel nach den Nesseln, um zumindest den Anschein eines richtigen Weges zu erschaffen. In ein paar Wochen würde das Aufeinanderkrachen von Geweihen den gesamten Narawald erfüllen, wenn die Brunftzeit das Blut und die Instinkte der Hirsche aufwühlen würde. Sie wurden bereits jetzt ruhelos und waren bereit, um die Rechte für den besten Harem zu kämpfen. 

 

Es war reiner Instinkt; ein unkompliziertes und natürliches Muster. 

 

Witzig, wie sich ein einziger Fall von Blut aufwühlendem Instinkt in Shikamarus Leben als ein natürliches Desasterherausgestellt hatte. Für vier lange Tage hatte er mit dem Chaos gekämpft, das Neji in ihm geweckt hatte. Von jedem Winkel hatte er es mit Logik bombardiert, aber rein gar nichts konnte es unterdrücken. Es war so strapaziös zu versuchen, daraus schlau zu werden. Und am Ende vergoss er nur noch mehr Blut aus einer Wunde, die er beharrlich zu ignorieren versuchte. 

 

Sein derzeitiger Versuch, sie zu ignorieren, bestand wieder einmal in der vor ihm liegenden Aufgabe. 

 

Jo, hervorragende Arbeit, Genie.

 

Als er das Gehege erreichte, grub er die Sichel in den Boden und schob den Riegel der Tür zurück. Zentimeter für Zentimeter öffnete er sie; jederzeit einen Angriff erwartend. 

 

Er würde nicht das geringste Risiko eingehen. 

 

Er hatte bereits mit einem Tierarzt gesprochen, stützte sich aber hauptsächlich auf das Buch über Vogelmedizin.

 

Nachdem er den Ort mit ein paar Stroh- und Heuballen ausgepolstert hatte, hatte er es geschafft, einen wärmeren und sichereren Rückzugsort für den Vogel zu erschaffen. Er hatte sogar die Illusion von Bäumen konstruiert, indem er Totholz und belaubte Äste in die Baracke gezerrt hatte, um einen natürlichen Lebensraum vorzugaukeln und das gefiederte Tier so einerseits zu etwas Aktivität zu ermutigen und ihm gleichzeitig die Möglichkeit zur Erholung zu bieten. 

 

Vorsichtig linste er in das Gehege und scannte die höheren Level, die er errichtet hatte, auf der Suche nach dem Vogel. Ein schwaches Squawken zog seinen Fokus jedoch nach unten. Hinunter auf das Bündel aus ausgezehrt aussehenden Federn, das sich in einer Ecke des dunklen Pferchs versteckt hatte. Shikamaru blinzelte, doch dann wurden seine Augen weicher. 

 

„Immer noch nicht weg vom Boden, huh?“, murmelte der Schattenninja und schloss die Tür hinter sich, während er langsam weiter in das Gehege trat. 

 

Der Vogel hüpfte schwach auf der Stelle; seine Schwingen breiteten sich aus und falteten sich an seinen Seiten nutzlos wieder zusammen. Es sah nicht danach aus, als hätte das Tier die Energie dazu, ihn anzugreifen, aber diesen Fehler hatte er schon einmal begangen. 

 

„Wirst du jetzt wieder versuchen, mir die Augen auszupicken?“, fragte er leise und hielt seine Stimme sanft und ruhig, während er zu dem unberührten Futter schritt, das er ausgelegt hatte. „Verdammt.“

 

Goldene Sphären beobachteten ihn wachsam, Flügel zuckten und ein gespaltener Schnabel ließ ein leichtes Krächzen hören. In diesem jämmerlichen Zustand war es nur schwer festzustellen, um was für eine Spezies es sich bei dem Vogel handelte. Shikamaru hatte es für sich auf einen Wander- oder Turmfalken eingegrenzt; wobei er seine Wetten gemessen an der Größe eher auf Ersteren setzen würde.

 

„Was auch immer du bist; auf jeden Fall bist du ein einziges Ärgernis.“, grummelte Shikamaru und ging in die Hocke, um vorsichtig die Wasserschale aufzufüllen und einen frischen Behälter mit gewolftem Fleisch aufzustellen, in das er die Medizin gemischt hatte. „Ich werde dich ganz sicher nicht von Hand füttern.“

 

Wenn man die Versuche des Vogels bedachte, ihm die Haut vom Gesicht zu ziehen, dann war eine Grundregel für ihre Interaktionen sehr schnell sehr deutlich geworden. Distanz. Die Wunden des Vogels zu behandeln war die Hölle gewesen. Shikamaru hatte den ersten Versuch, den Vogel mit seinem Jutsu festzuhalten, nicht durchziehen können. Es hatte sofort die gerade erst gebildete und viel zu dünne Kruste von seinem Herzen gerissen. 

 

Er hatte einen Tag abgewartet. Und es dann nochmal versucht. 

 

Das zweite Mal war dann erfolgreich gewesen und er hatte sich selbst gegen den Kampf und die schrillen Schreie gestählt, während er sich einzig und allein auf das konzentriert hatte, was er tun musste. Gute zwei Stunden später hatte er alle Wunden gesäubert und behandelt, das kreischende Tier zwangsgefüttert und es anschließend erst einmal in Ruhe gelassen. 

 

Der schlimmste Teil war vorbei. 

 

Der Vogel hatte inzwischen aufgehört, sich die Federn auszupicken, nachdem der Schattenninja damit begonnen hatte, ihn mit Heilkräutern versetztem Wasser zu besprühen. Es hatte das Tier dazu gezwungen, sich mehr auf das Säubern der verbliebenen Federn zu konzentrieren, satt sie auszureißen. 

 

Wenn man all diese Dinge bedachte, dann hatte er in vier Tagen einen enormen Fortschritt gemacht. 

 

Und wenn er das hier nicht getan hätte, dann hätte er seine Zeit damit verbracht, rastlos in seinem Zimmer auf und ab zu tigern, bis er sich die Haut von den Füßen gerieben hätte. Keine Nachricht von Sakura und Hinata zu erhalten hatte ihn einen steilen Rand getrieben, den er nicht entlang laufen konnte, ohne in einen Abgrund aus Möglichkeiten zu fallen, die er nicht einmal für eine Sekunde in Betracht ziehen wollte. Jede Nacht um vier Uhr morgens aufzuwachen hatte dem Ganzen auch nicht gerade geholfen und völlig egal, wie erschöpft er auch war; diese wahnsinnige Struktur war buchstäblich wie ein Uhrwerk. 

 

Er konnte ihm nicht entkommen. 

 

Und so stand er jedes Mal einfach auf und kümmerte sich um den Vogel, schlüpfte gegen sechs Uhr morgens zurück ins Haus und schlief, bis irgendetwas ihn dazu zwang, sich zu bewegen; normalerweise war das seine Mutter auf dem Kriegspfad. Bisher hatte er noch niemanden anlügen müssen. Er wurde nur einfach immer kreativer darin, Fragen zu meiden – und bestimmte Personen. 

 

Asuma hatte es immer noch nicht geschafft, ihn zu finden. 

 

Chōji hatte ihn bereits gewarnt, dass es sich sein Sensei zur Mission gemacht hatte, ihn aufzuspüren. Mit dieser wertvollen Information hatte es Shikamaru geschafft, seine Bewegungen zu einem strukturierten Tagesplan zu koordinieren, der ihn immer an einen Ort brachte, an dem Asuma ganz sicher nicht sein würde. Jedes Mal war es derart subtil gestaltet, dass es immerzu zufällig erschien. Die Hokage war sein Notfallplan, aber bisher waren all seine Handlungen nachvollziehbar, alle seine Alibis legitim und all seine Gründe standfest. 

 

Es war ein überaus beeindruckender Vermeidungsplan. 

 

Er war perfekt ausgeführt. 

 

Er war glaubhaft. 

 

Er war makellos.

 

Was für eine Schande, dass Asuma nur zu gut wusste, dass es nichts weiter war als ein Haufen Scheiße. 

 
 

oOo
 

 
 

Frieden.

 

Der Klang davon hallte tief in den Kehlen der betenden Mönche wider; es war ein unheimliches Skandieren, das durch Knochen vibrierte und den Körper zum Summen brachte. 

 

Atme.

 

Neji schloss die Augen und ließ die tiefe Melodie die Geschwindigkeit seiner Bewegungen dirigieren. Seine Handflächen teilten die frische Morgenluft in anmutigen Drehungen, denen der Rest seines Körpers mühelos und weich folgte; seine gesamte Gestalt neigte sich in perfekter Koordination. Er bewegte sich wie ein einziger Muskel und die Welle eines einzigen Momentums breitete sich in perfekter Synchronisation nach außen aus, um jede Gliedmaße zu erreichen. 

 

Die Koordination war makellos mit nur dem geringsten Beben in seinem linken Arm. 

 

Er spürte den Strom aus Energie durch seine Tenketsu wie das Kitzeln von Adrenalin. 

 

Keine Blockaden dämmten sein Chakranetzwerk ein, kein Schmerz stach sich in seine Brust oder spießte seine Lungen auf. Da war nur die sanfte Empfindung einer Strömung, wie eine Brise durch seine Venen; kühl und sanft und sie löschte die Erinnerung an das Fieber aus. 

 

In vier Tagen war die Aura des Shukubo für die Heilung seines Körpers deutlich förderlicher gewesen als irgendeine medizinische Einrichtung. Die Rückzugsmöglichkeiten des Tempels hatte ihm die Flucht in einen geliehenen Frieden gewährt; es war nicht sein eigener, aber genug, um ihm vorgaukeln zu können, dass die Wut, die ruhend in ihm lauerte, nicht existierte. 

 

Zumindest im Moment.

 

Zögernd verfehlte er einen Takt in seiner Bewegung. 

 

Konzentrier dich.

 

Sofort zentrierte er sich wieder in der sanften Kata und Neji schloss den langsamen Tanz seiner Drehung mit einer schwungvollen Neigung ab, die aussah, als hätte er die Kräfte der Gravitation seinem Willen unterworfen; gemessen an dem Winkel, in dem er sich bog, ohne ein einziges Mal die Balance zu verlieren. 

 

Der schwächste dumpfe Schmerz hielt sich hartnäckig in seinen Rippen, doch seine Stärke kehrte schnell zurück. 

 

Zumindest war es das, was er sich selbst sagte. Es würde eine ganze Woche oder länger dauern, bis er wieder Chakra kanalisieren könnte und dazu musste noch die Zeit hinzugerechnet werden, die es brauchte, bis das Gift vollständig sein Netzwerk verlassen hatte, sodass sein Blut wieder normal gerinnen konnte. 

 

Auf jeden Fall bin ich es leid, noch länger zu warten.

 

Langsam richtete er sich auf, rollte mit der linken Schulter und stellte sich fest auf beide Füße, während er zaghaft mit den Fingern unter dem Saum seiner Robe entlang fuhr, um die heilenden Hämatome auf seiner Brust nachzuzeichnen. Schon bald würden sie verblassen; die schlimmsten von ihnen würden vielleicht ein Mal hinterlassen, das niemals wirklich verheilen würde. Aber auf der anderen Seite war es ohnehin nicht so, dass Zeit jemals wirklich die übelsten seiner Verletzungen geheilt hätte. 

 

Tz. Erbärmlich.

 

Neji stählte seinen Kiefer und schloss die Augen, während er versuchte, sich wieder in das Skandieren der Mönche sinken zu lassen und die schmerzhaften Gedanken zu ertränken, die sich in seinen Verstand zu drängen versuchten. Kaum hatte er die Störungen in seinem Kopf beruhigt, da reagierte sein Körper auch schon auf eine Bedrohung, von der gar nicht realisiert hatte, dass sie da war, bis sie ihn beinahe traf. 

 

Neji duckte sich und wirbelte gerade rechtzeitig herum, als ein Gehstock über seinen Kopf schwang. 

 

Er fing den rückwärtigen Hieb mit der Handkante ab und verschloss starr sein Handgelenk. Der Aufprall des Treffers vibrierte durch seinen Arm. Die Kraft des Schlages überraschte ihn, aber nicht annähernd so sehr wie der Träger des Stabs. 

 

Es war ein alter Mönch in safranfarbenen Roben und mit Haut, die so wettergegerbt war wie uraltes Leder. 

 

Doch es waren die blassen Augen, die blicklos über Nejis Schulter starrten, durch die sich die Miene des Jōnins überrascht verzog. Ihm blieb keine Zeit, die Blindheit des alten Mannes noch weiter einzuschätzen, denn der Stab zuckte in einem weiteren Hieb zurück und wieder nach vorn, der auf seine Schläfe zielte. 

 

Nejis Handgelenk schoss erneut nach oben und parierte das harte Holz des Stockes. 

 

Kaum einen Herzschlag später wiederholte er dieselbe Bewegung auf der anderen Seite. 

 

Die Augen des alten Mannes legten sich in einem Lächeln in Falten. 

 

Nejis Brauen zogen sich zusammen. 

 

Der nächste Schlag brachte ihn dazu, hoch zu springen, um einem Schwung gegen seine Beine zu entgegen, wobei er die Seite seines Fußes scharf nach außen schwang, um den Stab zur Seite zu treten. Doch der Kick traf nie sein Ziel. 

 

Was?

 

Die Geschwindigkeit brachte ihn aus dem Konzept und Neji riss heftig den Kopf zurück, als der Gehstock vipernschnell auf seine Stirn zuschoss und an dem Hitai-ate abprallte. Es erschütterte sein Gleichgewicht, doch sein Körper folgte der Bewegung flüssig, was es ihm erlaubte, sofort wieder die Balance zu finden. 

 

„Gut.“, krächzte der Mönch. 

 

Neji blieb keine Zeit, etwas darauf zu erwidern. 

 

Der Mönch ließ sich in eine nahtlose Reihe von Attacken fallen, die alle mit einer Geschwindigkeit und Effizienz koordiniert waren, dass es einfach allem widersprach, was der Mann physisch ausstrahlte. Die Stärke und das Tempo, mit denen er sich bewegte, waren phänomenal. 

 

Unmöglich…

 

Neji wurde die ganze Zeit über in pausenloser Bewegung gehalten; auf Trab gehalten von einem arthritischen Mönch, der nicht einmal in Schweiß ausbrach. Es wäre so erniedrigend gewesen, wenn Neji angesichts dieser Fähigkeiten nicht demütig wäre. 

 

Götter, er ist schnell!

 

Der Hyūga wirbelte in fließender Anmut nach links und rechts, blasse Muskeln spannten sich mit jedem vermiedenen Hieb und Schwung des Stabes etwas mehr an. 

 

Zu schnell.

 

Ein Schlag traf Nejis linke Seite und prallte mit einem scharfen Knacken von seinen Rippen ab. 

 

Der Schock durchfuhr ihn härter als das schmerzhafte Stechen und rasch ruckte er zur Seite. 

 

Seine Augen blitzten erhitzt auf. 

 

Das reicht jetzt.

 

Er donnerte seine Handkante hart genug gegen den Stab, um ihn zerspringen zu lassen. 

 

Das Holz splitterte nicht einmal. 

 

Neji runzelte die Stirn und zog scharf die Luft ein. Zornig stierte er auf den Kontaktpunkt von Handkante und Stab. Ein Rinnsal von Blut tropfte aus dem Riss in seiner Hand und lief in einem dünnen Strom seinen Unterarm hinab. 

 

Die Augen des Hyūga weiteten sich. 

 

Wie?

 

Die Wucht seines Hiebes hätte den Stab sauber entzwei brechen müssen. Neji hatte bereits durch Backsteinmauern geschlagen, ohne einen blauen Fleck oder einen Kratzer davon zu tragen. Das Holz hätte unter seinem Treffer sofort nachgeben müssen. Solch eine stumpfe Waffe hätte vielleicht seine Blutgefäße zerquetschen und ein Hämatom verursachen können; aber auf keinen Fall dürfte sie sein Blut vergießen. 

 

„Du bist stark.“, sagte der Mönch und seine Stimme war so heiser und kratzig, als wäre er es nicht gewohnt, Worte aussprechen zu müssen. „Aber du hältst dich an dieser Stärke fest, als wäre es eine Waffe.“

 

Neji zögerte und krümmte seine Finger gegen den Druck des Stabes. „Ich bin ein Shinobi. Ich sehe keine Schwäche darin, eine Waffe zu halten.“

 

„An erster Stelle bist du ein Mensch.“, konterte der Mönch mit einer ernsten Falte zwischen seinen Brauen, während er Nejis Handfläche zu einem Winkel drückte, der es dem Holz gestattete, an dem Handgelenk des Hyūga entlang zu gleiten und dem Blut zu folgen. „Eine Waffe kann eine Wunde nicht heilen. Sie wird nur eine weitere erschaffen.“

 

Die Worte trafen Neji hart und zielsicher in sein Brustbein. 

 

Verzweifelt bemühte er sich darum, seine Gesichtszüge mit Frost zu überziehen; er spürte die unheimliche Macht in dem weißäugigen Blick des Mönches, der angesichts seiner Blindheit viel zu viel sah. 

 

Der Gehstock verschwand von seinem Arm. „Die Stärke, die du brauchst, wird nicht zu dir kommen, indem du festhältst.“

 

Nejis Kiefer verkrampfte sich und sein Blick fiel hinunter auf seine geballte Hand. 

 

Selbst mit diesem latenten Zorn, der in ihm schwärte…auf einen Schlag fühlte er sich so leer. 

 

„Woher wird sie dann kommen?“, murmelte er wie zu sich selbst und seine tiefe Stimme rollte wie ein verlorener Wind in den Hohlräumen seiner Brust. 

 

Das Blut sammelte sich zwischen seinen Knöcheln und hing in schwankenden Perlen an seiner knochenweißen Haut. 

 

Aber es fiel nicht. 

 

Es hielt sich ebenso stur wie das Schweigen des Mönches. 

 

Nur das Geräusch des Skandierens wurde vom Wind getragen; beständig und meditativ. Neji schluckte schwer, wartete…hasste die Frage…brauchte die Antwort…

 

Ihm wurde keine gegeben. 

 

Als sich seine Augen hoben, war er allein.

 
 

oOo
 

 
 

Auf keinen Fall.

 

Shikamaru beobachtete, wie die Papiere flatterten und debattierte mit sich selbst darüber, ob es den Aufwand wert wäre, aufzustehen und sie einzufangen, bevor es der Wind tun würde. 

 

Ich werd‘ mich nicht bewegen.

 

Der junge Nara blieb stur auf dem Bett ausgestreckt und stierte kopfüber auf die Missionsreporte, während sie höhnisch in dem Luftzug winkten, der durch das offene Fenster wisperte. Hebend und fallend wie Flaggen weißer Kapitulation.

 

Nicht. Bewegen.

 

Der Wind stob herein und das Papier segelte durch die Luft, bevor es sich wispernd auf dem Boden verteilte. Shikamaru stöhnte genervt und rollte sich herum, um statt auf die Berichte finster auf die Uhr zu starren. 

 

Zwölf Uhr mittags. 

 

Zwei Stunden. 

 

Irgendwann einmal hatte es ihn nur Sekunden gekostet, einzuschlafen. 

 

Er hatte sich gegen zehn Uhr morgens zurück ins Haus geschlichen, nachdem er sich in einer staubigen Ecke der Konoha Bibliothek verkrochen hatte, versteckt vor jeder Möglichkeit, von Asuma überrumpelt zu werden; oder sonst irgendjemandem, der hinter seinem Blut oder Hirn her war. Er hatte seine Zeit damit verbracht, einen groben Umriss für die ausgedachte Nebenmission zu entwerfen, wobei er sich auf frische Reserven an Schwachsinn und Bullshit berief, die Neji nur noch mit einem Nicken und einer Unterschrift bestätigen müsste. 

 

Neji…

 

Shikamaru rollte sich wieder auf den Rücken, starrte an die Decke und hob eine Hand, um sich die Schläfen zu reiben. Das Gesicht des Hyūgas schwebte vor seinem inneren Auge; blass und eingefallen und von dem Hauch eines Schatten des Todes berührt. 

 

Eine Tür wurde den Gang hinunter zugeworfen. 

 

Es zerrte Shikamaru ruckartig zurück von seinen Gedanken. 

 

Er versteifte sich und lauschte aufmerksam nach Schritten. Gedämpfte Geräusche drangen durch die Wände; die Stimme seiner Mutter, gefolgt von einer Veränderung der Tonhöhe, die klar auf Besorgnis hinwies. Das zog sofort seine Aufmerksamkeit auf sich. Shikamaru richtete sich auf den Ellbogen auf und legte den Kopf schief, während er auf die Tür starrte. 

 

Yoshinos Worte wurde von dem tiefen Timbre einer Stimme verschluckt, die ganz klar nicht seinem Vater gehörte. Sie war viel zu glatt und beständig; die regulierten Töne waren so gar nicht wie das rauchige gedehnte Sprechen des älteren Nara. 

 

Was zur Hölle?

 

Shikamarus Körper bewegte sich wie von selbst. Er umging die Papiere auf dem Boden und näherte sich der Tür; nach einem kurzen Zögern öffnete er sie einen Spalt breit. Und kaum hatte er das getan, öffnete sich eine weitere den Gang hinunter und Shikaku kam aus dem Zimmer. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru drehte sich scharf und linste so unauffällig wie möglich durch den Spalt. Angespannt beobachtete er, wie sein Vater den beschatteten Gang entlang schlenderte und außer Sicht verschwand, um wen auch immer zu begrüßen, mit dem seine Frau gerade sprach. 

 

Und dann hörte er es deutlicher; eine Stimme so tief und schwer wie ein edler Wein. „Nara-san.“

 

Shikamarus Inneres verknotete sich so hart und so schnell, dass er sich beinahe vornüber gebeugt und sich vor Schock übergeben hätte. 

 

FUCK!

 

„Hiashi.“, grüßte Shikaku total informell und entspannt. „Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?“

 

Ein Aufflackern von Panik jagte durch Shikamarus Gesicht und seine Augen wurden riesig und rund. Er brauchte einen langen Moment, um zu registrieren, dass seine Mutter gerade etwas sagte; aber was auch immer es war, es entging ihm. Die Eingangstür schloss sich und für einen Moment herrschte Stille, die nur von dem Geräusch von Bewegungen in der Küche unterbrochen wurde. 

 

Ein nervenaufreibender Tremor rüttelte sich durch Shikamaru.

 

Scheiße. Scheiße! SCHEIßE!

 

Für einen weiteren Moment verharrte er in einer Art Schwebezustand und versuchte energisch, seinen Verstand dazu zu bringen, endlich mit den schwindelerregenden Drehungen aufzuhören und stattdessen an einer Strategie zu arbeiten. Er griff sich ans Kinn, während er über seinen nächsten Zug nachdachte; den sein Körper für ihn machte, bevor sein Hirn dazu kam. Er schlüpfte aus dem Zimmer und war überhaupt nicht stolz auf die Tatsache, dass Lauschen in den vergangenen vier Tagen zu einer beschämenden Angewohnheit von ihm geworden war. 

 

Reine Informationsbeschaffung…Spionageübung…ja, klar…wem zur Hölle mach ich eigentlich was vor?

 

Ganz offensichtlich nicht Hyūga Hiashi.

 

Beruhig dich. Schätze die Situation ein. 

 

Einfach so vorschnelle Schlüsse zu ziehen, würde nicht helfen. Shikamaru hielt sich tief in den Schatten des Ganges und war mehr als nur ein bisschen dankbar für die Deckung. Er neigte sich gerade so weit, dass er die majestätische Gestalt des Hyūga erkennen konnte. 

 

Hiashi stand an einem Mittelpunkt zwischen Küche und der Türschwelle zum Nara Anwesen; es war ein subtiler Zug mit einer mehr als klaren Bedeutung. Er hatte keinerlei Absicht, auf irgendeine Weise gesellschaftlich zu sein und er hatte auch nicht vor, zu bleiben. Wenn der strenge Ausdruck auf seiner hohen Stirn irgendein Indiz sein konnte, dann missfiel dem Hyūga schon allein die Tatsache, dass er sich überhaupt hierher begeben hatte. 

 

Shikamarus Verstand übersetzte diese Miene ohne Umschweife: Er war angepisst. 

 

Die Augen des Schattenninjas zuckten zu seinem Vater. 

 

Shikaku hielt nur ein Getränk in den Fingern. 

 

Hiashi hob eine Hand, um den angebotenen Becher höflich abzulehnen. „Nara, ich weiß deine Gastfreundschaft zu schätzen, aber sie ist bei diesem Anlass vollkommen verschwendet. Das hier ist kein Anstandsbesuch.“

 

„Das dachte ich mir schon.“ Shikakus Mund bog sich in einem schwachen Schmunzeln, während er den Becher an seine eigenen Lippen führte. „Aber guter Sake braucht nie einen Anlass.“

 

Hiashi wandte den Blick in einem kurzen und flüchtig prüfenden Blick durch das Haus. „Ich bin hier, um mit deinem Sohn zu sprechen.“

 

Übersetzung: Ich bin hier, um deinen Erstgeborenen und einziges Kind umzubringen. 

 

Fuck!

 

Shikamarus Nerven knisterten wie Hochspannungsleitungen und sein Körper wurde stocksteif gegen die Wand; wie ein Reh, das jeden Moment dazu bereit war, abzuhauen. Die unterschwelligen Bedeutungen in dieser Situation waren unverkennbar. Es gab keinerlei Verhandlungsspielraum in Hiashis Aussage – nur ein Versprechen. 

 

Doch Shikaku lehnte sich einfach nur zurück gegen den Türpfosten; auf eine vollkommen unangebrachte Weise entspannt und mit dem Geist eines Lächelns immer noch auf seinem Gesicht. „Ah, aber nach den Schatten zu urteilen ist es gerade mal Mittag.“

 

Hiashis Blick wanderte zurück zu ihm. „Ich bin mir der Tageszeit bewusst.“

 

„Mein Sohn schläft.“

 

„Schläft…“ Hiashis Kiefer spannte sich missbilligend an. 

 

„Ganz recht.“

 

Schweigen. 

 

Shikamaru spürte die Spannung wie einen angehaltenen Atem; und sein eigener ballte sich zu einem harten Knoten in seiner Kehle. Er blieb starr gegen die Wand gepresst und versuchte einzuschätzen, was für ein Spiel sein alter Herr hier spielte; das hier würde viel weniger eine Unterhaltung als viel mehr eine verbale Shogipartie werden. 

 

Es war dringend an der Zeit, einen Zug zu machen und inständig darauf zu hoffen, nicht ermordet zu werden. 

 

Doch bevor Shikamaru auch nur den Versuch starten konnte, die beiden zu unterbrechen, ergriff Hiashi das Wort. 

 

„Dann wäre es jetzt das Beste, wenn du ihn weckst.“

 

Shikakus leises Lachen war wie Rauch über Felsen. „Er wird sich nicht bewegen.“

 

„Es geht um eine wichtige Angelegenheit, Nara; ansonsten wäre ich nicht persönlich gekommen.“, erwiderte Hiashi; seine wachsende Ungeduld wurde durch streng anerzogene Höflichkeit im Zaum gehalten.

 

Shikaku zuckte leichtfertig mit den Achseln und sein schiefes Schmunzeln geriet nicht für eine Sekunde ins Wanken. „Das verstehe ich und ich werde ihm ausrichten, dass du da warst, um mit ihm zu sprechen. Ich bin mir sicher, dass er bei dir vorbei kommen wird.“

 

Oder tot umfallen.

 

Nach dem Ausdruck auf Hiashis Gesicht zu urteilen, war dieser Gedanke nicht im Geringsten übertrieben. Und es brauchte nur den Hauch einer Bewegung von Hiashis Körper – wie eine sanfte Welle unter stillen Wassern – um die Spannung von einer ungesehenen Strömung zu einer furchterregenden Flut anschwellen zu lassen. 

 

„Du gestattest diese träge Indolenz, Shikaku?“, forderte der Hyūga ihn heraus; seine blassen Augen wie Eis. 

 

Shikaku senkte langsam seinen Sake und sah unter seinen Wimpern auf; der Blick so dunkel wie Kohle und hart wie Stein. „Das hier ist die Residenz der Nara, nicht die der Hyūga. Wir gehen gewisse Dinge anders an.“

 

 „Ja. Ihr geht die Dinge aus den Schatten heraus an.“, erwiderte Hiashi, während sein Blick den Gang entlang und in Shikamarus Richtung glitt. „Jenseits jeder Reichweite und Möglichkeit zum Tadel.“

 

Und diesmal, als sich die Luft verdichtete, war es nicht Spannung. 

 

Es war Chakra. 

 

Shikaku bewegte sich keinen Millimeter, aber die Luft um ihn herum schon. Wie ein schwankendes Beben schienen sich die in den Winkeln des Raumes hängenden Schatten zu kräuseln und zu verdunkeln; subtil und dezent, aber es konnte unmöglich als etwas anderes als das aufgefasst werden, was es war – eine Warnung. 

 

Hiashi bemerkte es sofort. 

 

Seine weißen Augen verengten sich, als sie zurück zu dem älteren Nara schwangen. 

 

Shikamarus Mund bog sich etwas mehr zu einem Lächeln, das auch nicht nur den geringsten Hauch von Humor in sich trug; seine Pupillen schrumpften in den dunklen Seen seiner Augen gefährlich zusammen. 

 

„Du willst mich nicht in meinem eigenen Zuhause beleidigen, Hyūga.“, raunte er mit einer rasiermesserscharfen Kante, die ebenso schneidend war wie sein Blick. „Sogar indolente Nara Männer machen bei so etwas eine Ausnahme in ihrer Attitüde.“

 

Hiashis stolze Züge verhärteten sich. Er reckte den Kopf etwas mehr nach oben und hielt Shikakus Starren; wild und ohne zu blinzeln, während sich seine breiten Schultern straff zogen. Blasse Roben raschelten in der Bewegung. Die steife Haltung war unmissverständlich feindselig, aber unwiderlegbar kontrolliert. 

 

Es erinnerte Shikamaru an Neji und ein schmerzhafter Stich traf ihn hart hinter die Rippen. 

 

Scheiße.

 

Er spähte zu seinem Vater. In vollkommenem Kontrast zu dem Hyūga, verharrte Shikaku gelassen gegen den Türrahmen gelehnt; er musste sich nicht bewegen, um das zu verdeutlichen, was sich drohend und alarmierend in seinen Augen abspielte. Die stumme Kommunikation zwischen den beiden älteren Ninjas verlief ebenso unausgesprochen wie die ungeschriebenen Gesetze einer raubtierhaften Auseinandersetzung. Signale wurden ohne ein einziges Geräusch ausgesandt und die Herausforderung hielt sich in einer Blockade, die darauf hindeutete, dass der Krieg in dem Raum zwischen ihnen ausgetragen wurde, ohne dass einer der beiden überhaupt direkt angreifen musste. 

 

Und der Kampf zweier unterschiedlicher Willen endete mit einem gleichzeitigen Heben ihrer Köpfe. 

 

Hiashi trat zurück und wandte sich der Tür zu. 

 

Shikaku beobachtete ihn mit halb verschlossenem und unlesbarem Blick. 

 

Erst, als die Tür ins Schloss fiel, nahm der ältere Nara einen langsamen und bedächtigen Schluck von seinem Sake und summte leise in der Kehle. „Ich habe mich schon gefragt, ob du versteckt bleiben würdest.“

 

Shikamarus Miene verdüsterte sich, als er sich aus den Schatten löste. „Warum hast du das getan?“

 

„Hn.“ Shikaku stürzte den Sake hinunter und rollte in einem trägen Achselzucken mit der Schulter, als er zurück in die Küche schritt, um seinen Becher nachzufüllen. „Es ist doch viel zu lästig für dich, konfrontativ zu werden, oder?“

 

Die Frage war rhetorisch und ausgelegt, um eine Reaktion zu provozieren. Und obwohl sich Shikamaru dessen mehr als bewusst war, schluckte er den Köder mit einem Schnauben. Scheiße, er baumelte bereits seit vier verfickten Tagen an diesem Haken. Shikaku hatte ihn viel mehr mit abwartender Geduld statt bohrender Hartnäckigkeit an Land gezerrt. 

 

„Tz!“ Shikamaru schritt vorwärts, um im Türrahmen stehen zu bleiben und zornig durch den Raum zu stieren. „Es war nie zu lästig für dich, mir zu sagen, dass ich endlich erwachsen werden und meine eigenen Kämpfe selbst austragen soll. Also nochmal; warum hast du das getan?“

 

Shikaku schürzte die Lippen. Er schenkte sich langsam neuen Sake ein und knickte die Hüfte gegen den Tisch ein, während er den Kopf schief legte, als würde er über die Frage nachdenken. Nach ein paar angespannten Herzschlägen begannen seine dunklen Augen mit einem Hauch von Amüsement zu leuchten. 

 

Shikamarus Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. 

 

Shikaku prostete der Luft mit einem trägen Schwung seines Sake zu. „Gern geschehen.“

 

„Ich bedanke mich nicht.“

 

„Und dennoch: Gern geschehen.“

 

„Verdammt!“, schnappte Shikamaru und rammte die Seite seiner Faust gegen den Türpfosten. „Ich habe es nicht nötig, dass du dich einmischst. Behandle mich nicht wie ein Kind!“

 

Shikaku hielt inne mit dem Becher halb an seine Lippen gehoben. Hart starrte er Shikamaru an und die Belustigung verschwand wie fortgewischt aus seinen Augen. Shikamaru konnte nicht sagen, welche Emotion ihren Platz einnahm. Der Ausdruck war kryptisch, aber beständig und unerschütterlich. 

 

„Du bist ein Kind.“, sagte Shikaku dann leise. „Du bist mein Kind.“

 

Shikamaru blinzelte und wich einen Schritt zurück. 

 

Diese Antwort hatte er nicht erwartet. Und er hatte keine Ahnung, wie er verdammt nochmal darauf reagieren sollte.

 

Shikaku spielte seinen elterlichen Beschützerinstinkt meistens mit einer lässigen ‚Reiß dich zusammen und hör auf zu heulen‘-Attitüde herunter und warf einfach nur eine Perle der Weisheit in den Ring, die durch das Hirn seines Sohnes rollte. Jetzt diese vollkommen andere Art von Reaktion vonseiten seines Vaters zu erleben, war – gelinde gesagt – wie ein Schlag in die Fresse und Shikamarus Kiefer verkrampfte sich. 

 

Sprachlos stierte der junge Nara hart auf den Tisch. 

 

Shikaku schüttete den Sake wie Wasser die Kehle hinunter und stellte klackend den Becher ab. Dann schritt er an seinem Sohn vorbei und ließ ein einziges Wort leise über die Schulter rollen. 

 

„Shogi?“

 

Shikamaru atmete zitternd aus und drehte sich bereits, um seinem Vater zu folgen. „Jo…“

 
 

oOo
 

 
 

Das Flattern von Flügeln durchbrach seine Trance. 

 

Nejis Augen öffneten sich mit schweren Lidern aus ihrem meditativen Zustand, in den er abgedriftet war. Das Mantra der skandierenden Mönche hatte ihn nahe an den Rand des Schlafes gezogen, ohne ihn vollkommen in die Dunkelheit zu stoßen. 

 

Er hatte sich in einem schläfrigen Zwischenzustand befunden und in diesem Dunst waren die Erinnerungen aufgewühlt worden und hatten sich wieder beruhigt; sie hielten sich statisch in der Ruhe vor dem Sturm. Deutlich konnte er spüren, wie die Spannung tief in ihm knisterte, sie summte an seinen Nervenenden. 

 

Atme.

 

Er sog tief das rauchige Aroma von Weihrauch ein und blinzelte langsam. 

 

Der Nebel verschwand und seine opalhaften Seen wurden klarer, leuchteten auf und dann – wurden sie im Kerzenlicht hart. Das Glühen des Nachmittages fiel durch das Papier der Shojitüren und wurde bernsteinfarben im Heiligenschein der Kerzen. 

 

Mehr als einhundert von ihnen brannten. 

 

Während er sich von seinem in sich gekehrten Knien erhob, schnitt seine Handfläche über den Docht der Flamme, die ihm am nächsten war und löschte die sanfte Wärme aus.  

 

Es war an der Zeit, diesen Ort zu verlassen. 

 

Auf der anderen Seite des Raumes flatterte eine Brieftaube auf ihrer Stange und wartete darauf, die Nachricht an Konoha zu überbringen, dass sie zurückkehren würden. Neji war jedoch klar, dass es eher eine Information – oder vielleicht auch Warnung – für einen bestimmten Schattenninja war. 

 

Seine Mondsteinaugen verengten sich. 

 

Er band sich sein Hitai-ate um und zog den Knoten mit einem scharfen Rucken straff. Langsam atmete er aus und trat hinüber zu der Taube, um zaghaft mit einem Knöchel über das Brustbein des Vogels zu streicheln, während er leise summte. 

 

Die Taube wurde sofort ruhig und gurrte. 

 

Neji wiederholte das leichte Streichen, bevor er nach der schmalen Manschette griff, die an dem Bein des Vogels angebracht war. Bedächtig entfernte er den Träger und zog die Notiz hervor; aufmerksam scannte sein Blick Sakuras ordentliche Handschrift. 

 

Z. Hd.: Nara Shikamaru. Mission erfolgreich. Ankunft voraussichtlich bei Sonnenuntergang. Spätestens um Mitternacht. Haruno Sakura. 

 

Neji zerknüllte den Zettel in seiner Handfläche und löste das Lederband von dem Fuß des Vogels. Darauf trainiert, wie üblich darauf zu reagieren, hüpfte die Taube auf seinen Unterarm und schwankte kurz auf der neuen Sitzstange. Sie breitete die Flügel aus, um die Balance halten zu können, während der Hyūga zu der Shojitür schritt. Mit seiner freien Hand schob er sie auf und hob den Arm. 

 

Der Vogel erhob sich hoch hinauf in den Himmel. 

 

Neji sah zu, wie er in der Ferne verschwand, bis er nicht mehr als ein kleiner Fleck aus Schwarz gegen die Wolken war. Sein Blick folgte dem müßigen Segeln einer Feder und er musste sich nicht umdrehen, um zu spüren, dass hinter ihm jemand den Raum betreten hatte. 

 

„Neji? Wir sind dann soweit, wenn du es bist. Wir müssen nur noch die Tau…oh…“ Sakuras Stimme brach ab und er hörte ihre Schritte, als sie zu der leeren Sitzstange hinüber lief. „Du hast sie bereits losgeschickt?“

 

Neji zerknüllte die Nachricht noch heftiger in seiner Hand, den Blick unbeirrt auf die Wolken gerichtet. „Ich komme gleich zu euch.“

 

Sein Tonfall ließ Sakura kurz zögern, sie überließ ihn aber der Stille des Raumes und der Ruhe, die er darin erschaffen hatte. Das Skandieren wurde immer noch auf der Brise getragen, aber der Wind war kalt und hart; wie ein Messer, dass sich durch die Illusion von Frieden schnitt. 

 

Nach außen hin wirkte er ruhig, zentriert und gefasst. 

 

Doch in seinem Inneren rasselte und knisterte etwas ebenso roh wie das zertrümmerte Papier in seiner Hand. 

 

Bald…

 

Neji entließ die Luft, die er in seinen Lungen gehalten hatte, wandte sich der nächsten Kerze zu – und setzte die Nachricht in Brand. 

 
 

oOo
 

 
 

„Hör auf, mich zu schonen.“

 

„Warum sollte ich dich früher schlagen, als ich muss?“

 

„Was auch immer.“, schnaubte Shikamaru und begutachtete das Shogibrett durch verengte Augen. 

 

Er schob seine Finger darüber und machte einen Zug, der ihm etwas Zeit erkaufen würde, aber keinen Sieg. Sein Vater schnitt seine nächste Bewegung mit einem trägen Ablegen seines Shogisteins ab, schlug einen Bauern und zwang ihn effektiv dazu, seine Strategie zu überdenken. 

 

„Deine Mutter hat mich für heute Abend zu einem gesellschaftlichen Abendessen verdonnert.“, murmelte der ältere Nara mit dem Blick auf das Spielbrett gerichtet. „Rikamaru hat einen jungen Bock verletzt, der immer noch im Samt steht. Die Wunde muss behandelt werden. Ich vertraue darauf, dass du das für mich erledigen wirst.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und konnte sich bereits denken, welcher junge Hirsch diesen Ärger verursacht hatte. „Jo.“

 

Er machte einen raschen Zug auf dem Brett, der Shikaku leise kichern ließ. „Du machst das viel zu leicht, Junge.“

 

„Dann mach einfach und gewinn schon; ist nicht so, als würde ich das persönlich nehmen.“

 

„Nein, es ist nichts Persönliches.“, sagte Shikaku und sein Daumen strich über den Shogispielstein, bevor er noch einmal nachdachte und einen anderen Zug machte. „Nicht, wenn es nur ein Spiel ist. Oder eine Strategie.“

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen, nahm einen Stein auf und ließ ihn scharf auf das Holz klacken. „Das weiß ich.“

 

„Ja, ich weiß, dass du das weißt.“ Shikaku lehnte sich ein Stück von dem Shogibrett weg und griff nach seinem Kaffee. „Genauso wie du weißt, worüber ich wirklich spreche.“

 

Shikamaru verschloss heftig den Kiefer und ließ seine Zunge über seine hart zusammengebissenen Zähne gleiten, bevor er seine nächsten Worte dazwischen hervor presste. „Lass uns einfach das verdammte Spiel spielen.“

 

„Du hast dich verkalkuliert.“

 

„Ich weiß…“

 

„Du wirst verlieren.“

 

„Ich weiß.“, schnappte er ungehalten und seine Augen zuckten hitzig nach oben. 

 

Ihre Blicke trafen sich über den Rand von Shikakus Tasse hinweg. Der Dampf des Kaffees schwebte ebenso dünn in ihrer festgefahrenen Situation wie der Schleier zwischen ihren Worten. 

 

„Wenn du das weißt…“ Die Lippen des älteren Nara zuckten mit einem schwachen Lächeln. „Warum spielst du dann immer noch dieses Spiel?“

 

Shikamaru bellte ein kurzes harsches Lachen hervor. „Du verarschst mich, oder?! Versuchst du wirklich, metaphorisch oder so einen Scheiß zu sein?“

 

„Vielleicht.“ Shikaku zuckte mit den Achseln und nippte an seinem Kaffee. „Aber wenn dem so wäre, dann denke ich, dass du klug genug bist, um das herauszufinden.“

 

„Ich habe verloren. Vielleicht bin ich nicht so klug, wie du denkst.“

 

„Oder vielleicht braucht es dabei nicht deinen Kopf.“

 

‚Lästiger Hyūga, hör auf, das zu einer Angelegenheit deines Kopfes zu machen.‘

 

Die Erinnerung drängte sich in seinen Verstand und zog einen schmerzhaften Druck in seine Brust. 

 

Shikamarus Augen wurden glasig und der Ausdruck eines verlorenen Durcheinanders jagte über sein Gesicht, als er hart auf das Spielbrett starrte; Kummer packte ihn hart bei der Kehle. 

 

„Es ist alles, was ich habe.“, wisperte er heiser. 

 

Shikaku summte leise und stellte vorsichtig seine Tasse ab. „Wenn das wahr wäre, dann hättest du niemals verloren.“

 

Shikamaru presste sofort die Lider aufeinander und seine Brust zog sich qualvoll zusammen. „Ich will nicht darüber reden.“

 

„Ich weiß.“, wisperte Shikaku und griff über das Brett, um einen Spielstein aufzuheben. „Also hör auf zu reden, krieg deinen Hintern hoch und geh und tu etwas.“

 

Shikaku machte seinen Zug und das leise Klacken der Shogifigur beendete mehr als nur das Spiel.

 

„Schachmatt.“

 
 

xXx
 

 
 

 

Ein Sturm zog auf. 

 

Er konnte es an den Wolken erkennen. 

 

Sie türmten sich wie zerknitterter golddurchdrungener Samt auf und hingen schwer über den Außenbezirken des Dorfes. Shikamaru bewegte sich unter ihren Schatten und hielt sich an den Rändern des Dorfes, als er einen weiten Umweg zu Konohas Taubenschlag nahm. 

 

Sakura musste inzwischen einfach eine Nachricht geschickt haben. 

 

Vier Tage ist viel zu lang.

 

Wäre der Wetterumschwung nicht genug, um seine Stimmung noch weiter zu dämpfen, dann gab es immer noch diese andere Sache, die ihm folgte wie eine dunkle Regenwolke.

 

Das Schwein stalkte ihn schon wieder. 

 

Shikamaru konnte das Klappern ihrer kleinen Hufe auf dem Bürgersteig hören, während er getrieben durch eine stillere Straße marschierte, die ihn zum Herzen des Dorfes führte. Darauf abzielend, dieses überaus lästige Schwein endlich loszuwerden, bog er um die Rückseite des Yamanaka Blumenladens ab. 

 

Gott verdammt, was zur Hölle ist nötig, damit ich einfach nur allei-

 

„Shikamaru!“

 

Scheiße.

 

Ruckartig kam der Nara zum Stehen und biss die Zähne zusammen, als ihn etwas hart am Hinterkopf traf. 

 

Au.

 

Was auch immer in seinen Schädel gekracht war; es traf mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden auf. Der Treffer endete mit einem flachen, maskierten Ausdruck des Schattenninjas, als er sich auf dem Absatz umdrehte und seinen Blick von der schnaufenden Kunoichi hinunter auf das Päckchen zu seinen Füßen wandern ließ. 

 

Er hob eine Braue. 

 

„Hast du gerade Kompost nach mir geworfen?“ Der Nara blinzelte und stieß den Sack mit den Zehen an, sodass er das Etikett lesen konnte. „Kompakter Kompost. Wie nett.“

 

Ino schnaubte fuchsteufelswild. 

 

„Shikamaru!“, zischte sie und schloss die Distanz zwischen ihnen mit einem Stampfen, um eine behandschuhte Faust unter seine Nase zu halten; ein Bündel Gräser klemmte zwischen ihren Fingern. „Wo zur Hölle bist du gewesen?“

 

Während er sich den Hinterkopf rieb suchte Shikamaru nach einem Kommentar, der sie ablenken könnte. Sein Blick richtete sich auf ihr Haar und eine seiner Brauen ließ er aus Effektgründen nach oben wandern. „Was soll das Nadelkissen?“

 

„Oh, versuch’s nicht mal!“ Inos Miene wurde mörderisch und sie wischte sich verlegen mit dem Handgelenk über die Strähnen die aus ihrem schludrigen Dutt ragten, der mit dünnen Spießen festgesteckt war, die normalerweise dazu gedacht waren, schlaffe Pflanzen zu stützen. „Du musst einiges erklären.“

 

„Weißt du.“ Shikamaru ging in die Hocke und hob den Beutel mit einem Stirnrunzeln auf. „Ich reagiere auf meinen Namen; du musst keinen Sack voll Mist an meinen Kopf werfen.“

 

Ino riss ihm das Packet mit einem zornigen Funkeln aus der Hand. „Vier Tage? Ich meine; ernsthaft?! Was stimmt nicht mit dir? Zuerst wirfst du mich aus dem Team-“

 

„Moment, ich habe dich nicht aus dem Team ge-“

 

„Und dann kommst du zurück und hältst es nichtmal für nötig-“

 

„Ich war-“

 

„- dich auch nur ein einziges Mal blicken zu lassen! Und was das Schlimmste ist, ist, dass du Chōji dazu gebracht hast, deinen Hintern zu decken!“

 

Shikamaru schwankte auf den Fersen nach hinten, als sie einen erdbedeckten Finger auf ihn richtete und ihre blauen Augen glühten vor Vorwürfen; doch schlimmer als das war das Aufflackern von einer klaren Verletztheit unter der Glut. 

 

Ah Shit.

 

„Ino…“

 

„Das war schwach! Und was ist das eigentlich mit dir und Asuma-sensei? Er hat mehr oder weniger ein verdammtes Verhör durchgeführt!“, schnappte sie; ihre Worte wie Schrapnelle, die durch seinen Schädel hämmerten. „Er hat Chōji geröstet wie koreanisches Barbecue!“

 

Shikamaru starrte auf das verkümmerte Unkraut in ihrer Hand und hatte das Gefühl, es wäre eine mehr als treffende Darstellung seiner Nerven. „Ich weiß.“

 

„Du weißt? Was? Das soll deine Antwort sein?“

 

„Wenn ich kurz zu Wort kommen würde, dann würdest du vermutlich eine bessere bekommen.“, murrte Shikamaru und verlagerte ruhelos sein Gewicht von einem Bein auf das andere. 

 

Inos Mund bog sich mit einem Stirnrunzeln nach unten und sie stemmte abwartend die Fäuste in die Hüften. In vollkommenen Widerspruch zu ihrer Haltung, schob Shikamaru seine Hände in die Taschen und lehnte sich gegen die Wand des Ladens; seinen Blick wandte er in routinierter Vermeidung ab. 

 

„Die Godaime hat quasi ununterbrochen an meinem Hintern genagt, ok? Und dazu kam auch noch, dass ich Missionsberichte zu erledigen hatte, mich um irgendwelchen Versammlungsmist kümmern musste und auch noch um Nejis Nebenmission mit Hinata und Sakura, die-“

 

„Sakura!“, schnappte Ino so plötzlich, dass sie sich dabei aufplusterte wie eine aufgescheuchte Taube und wild mit dem Unkraut herumfuchtelte. „Ich verstehe es wirklich nicht! Chōji meinte, dass die Clans von Hanegakure mit Gedankenübertragung arbeiten, stimmt das?“

 

Shikamaru lehnte sich ein Stück von ihr fort; er war sich nicht sicher, ob er irritiert oder erleichtert wegen ihrer Unterbrechung sein sollte. Er sagte einfach nichts und spürte, dass ihre Stimmung bereits explosiv genug war, ohne ihr noch mehr zu geben, das sie ihm um die Ohren hauen konnte. 

 

„Nun?“, drängte Ino und funkelte ihn an. „Stimmt das?“

 

„Jo…“

 

Shikamaru vollführte beinahe einen aufgeschreckten Satz, als sie ruckartig die Arme ausbreitete, als würde sie ihn jeden Moment umarmen. Aber das tat sie nicht. Verständnislos starrte er sie an. 

 

„Ino, was zur Hölle machst du da?“

 

„Eh, Halloho? Gedankenübertragung!“ Ino warf erneut ihre Arme nach außen; sie nahm eine Pose der Selbstdarstellung ein, während sie das Unkraut wie Pompoms schüttelte. „Das ist meine Spezialität! Warum verdammt nochmal hast du Riesenstirn mir vorgezogen?“

 

Shikamaru zuckte innerlich zusammen; sowohl wegen der Lautstärke ihrer Stimme, als auch wegen dem frischen Schmerz, der in ihren aufgewühlten Augen schwamm. Er war sich deutlich bewusst, dass ihr Zorn nichts weiter war als ein Vorwand, um von dem gefährlich sensiblen Thema ihres Selbstwertgefühles abzulenken. 

 

„Ino, so war das ni-“

 

„Du hast nicht gedacht, dass ich das packen würde, stimmt’s?“

 

Der Schattenninja seufzte und seine Augen schlossen sich flatternd, bevor er sie langsam wieder öffnete. „So ist das nicht…“

 

„Wie ist es denn dann, du Genie?“ Ino ließ ihre Hände fallen, reckte aber ein Stück das Kinn; ihre Lippen pressten sich zusammen. „Soweit es mich betrifft, hast du mich einfach rausgeschmissen.“

 

„Nein, das war ni-“

 

„Und dann meidest du mich auch noch komplett. Und das nicht einmal deswegen, weil du dich schuldig fühlst!“

 

Schuldig…

 

Das Wort traf ihn auf eine ganz falsche Weise. 

 

Sehr falsch.

 

Beinahe verlor er die Kontrolle über seine Gesichtszüge; sein Kiefer zuckte. „Schuldig?“

 

„Duh! Ich meine, es ist ja nicht so, dass du nur mich meidest, oder? Also muss irgendwas los sein.“, murrte sie kopfschüttelnd, während sie ihn musterte, als würde sie nach irgendeinem verdammten Beweis für ihre Worte suchen. „Was ist passiert? Hat es irgendwas mit den Nijū Shōtai zu tun?“

 

Shikamaru betrachtete sie schweigend, den Mund zu einer grimmigen Linie verzogen. Wenn er ja sagen würde, dann wäre es keine vollkommene Lüge; Scheiße, er wäre vermutlich sogar in der Lage gewesen, ihr dabei direkt in die Augen zu blicken. 

 

Super, schaufle dir ein noch tieferes Grab.

 

Verunsichert von seiner ausbleibenden Antwort zog Ino ein Stück den Kopf zurück und ihr Gesicht schien darum zu ringen, welche Emotion es zeigen sollte. Doch sie attackierte ihn nicht noch weiter, was eigentlich eine gute Sache hätte sein sollen – aber auf einen Schlag fühlte sich die Stille viel zu erdrückend an. Am Ende würde sie ihre eigenen Schlüsse ziehen, wenn er ihr nicht irgendetwas anbieten würde. 

 

Seufzend spähte Shikamaru über die Schulter und starrte den Weg zurück, den er genommen hatte, um dem Schwein zu entkommen. Doch offensichtlich gab es hiervon kein Entrinnen und so suchte er nach einer anderen Taktik, während er langsam durch die Nase einatmete. 

 

„Ich habe dich nicht aus dem Team geworfen.“, sagte er leise und schüttelte den Kopf. „Um die Wahrheit zu sagen, wäre die ganze gottverdammte Mission viel glatter gelaufen, wenn du dabei gewesen wärst. Also erspar mir das Einreden von Schuldgefühlen, ok? Das kann ich gerade echt nicht brauchen.“

 

Ohne Vorwarnung schwang das Pendel von Inos Stimmung herum und ihre mörderische Miene erweichte sich zu einem Stirnrunzeln, bevor auch das vollkommen zerfiel. „Shikamaru…was ist los mit dir?“

 

Beinahe war er versucht, sie dazu einzuladen, sich in das Chaos seines Kopfes zu stürzen, um sich darin mal umzusehen. Sie würde so schnell wieder daraus auschecken, wie er derzeit am liebsten in einer Psychiatrie einchecken wollte; und wenn es ihm nur dabei helfen würde, endlich wieder schlafen zu können. Nicht, dass er etwas gegen ein bisschen Einzelhaft hätte; einfach nur, um ein klitzekleines Bisschen Frieden zu bekommen. 

 

Das ist vermutlich der beste Plan bisher…

 

„Shikamaru? Halloooo?“

 

Wie betäubt stierte er über ihre Schulter hinweg und beobachtete einen pummeligen Schatten, der sich über die Gassenwand erstreckte. „Das Schwein.“

 

„Was?“

 

„Sie verfolgt mich…“, sagte er ausdruckslos. 

 

Ino missinterpretierte seine Worte mit einem Luftschnappen und zerknickte vor Wut überschäumend das Unkraut in ihrer Hand. „Hast du mich gerade ein-!“

 

Tontons Oinken schnitt ihr das Wort ab und das leise Klopfen des trottenden Schweins echote die Gasse entlang. Shikamaru seufzte und lehnte seinen Kopf zurück gegen die rauen Backsteine. Man konnte ihr einfach nicht entkommen; sie war zäher als ein gottverdammter Bluthund. 

 

Hn. Asuma sollte das Schwein rösten…

 

Buchstäblich wäre das gar keine so schlechte Idee. 

 

Shikamaru linste durch seine Wimpern nach unten auf das perlentragende Tier, als sie neben Ino zum Stehen kam und ihn durch diese gruseligen Perlaugen finster anstarrte. Für einen Moment war er sich ganz sicher, dass das Tierreich im Großen und Ganzen sein Blut noch mehr wollte als die Menschen um ihn herum. 

 

Shikamaru pinnte das Schwein mit einem flachen Blick fest. „Stalker.“

 

Tonton oinkte beleidigt. 

 

Langsam ging Ino in die Hocke und rieb mit einem Finger die Haut zwischen den pinken Ohren des Tieres. „Aww, er meint das nicht so.“

 

„Oh doch, das tue ich!“, konterte Shikamaru leise und beobachtete das Schwein wachsam. 

 

„Warum sollte Tonton dich verfolgen?“, fragte Ino, erhob sich wieder und zog die Hintertür des Ladens auf. Sie sah zu, wie Tonton hinein trottete. „Sie ist hier, um mich zum Medizintraining mit Shizune zu bringen.“

 

Shikamaru blinzelte und sah ertappt aus. Rasch versuchte er, etwas zu finden, an dem er sich festhalten konnte und griff sofort nach Sarkasmus. „Du brauchst eine Eskorte für sowas?“

 

„He!“ Ino wirbelte herum und schlug ihm mit dem Unkraut auf die Brust, statt wie üblich mit ihrem langen Haar. „Du bist noch nicht aus dem Schneider, Shikamaru!“

 

„Ich würde ja ‚red keinen Scheiß‘ sagen, aber wenn ich daran denke, dass du mir einen Ziegelstein davon an den Kopf geschmissen hast…“

 

Ino schnaubte und pustete sich blonde Strähnen aus dem Gesicht. „Es ist Kompost.“

 

„Kompakter Mist.“, korrigierte er und stierte finster hinunter auf die dürren Halme, die sie erneut über seine Brust peitschte. „Würdest du mit diesem Unkraut aufhören?“

 

Unkraut? Oh, willst du mir damit sagen, dass dir das nicht bekannt vorkommt?“, fauchte Ino und fuchtelte damit direkt unter seiner Nase herum. „Ich habe dir gesagt, dass du die Blumen nicht eingehen lassen sollst!“

 

Shikamaru zog den Kiefer von den verdörrten Stängeln weg und suchte tief in sich nach Geduld. Er schaffte es sogar, irgendetwas davon mit einer enormen Anstrengung zusammenzukratzen, die er hinter einem Halbmast Blick versteckte. „Ich war auf einer Mission. Ich konnte meinen Arsch nicht einfach so auf astrale Weise zurück nach Konoha katapultieren, um sie zu gießen.“

 

Inos Kinn ruckte herausfordernd nach oben. „Nein, aber du kannst deinen Arsch ständig durch den gesamten Ort katapultieren, um Asuma, mir oder wem auch immer es nötig ist aus dem Weg zu gehen, oder?“

 

Dieser Haken traf den Nagel auf den Kopf. 

 

Shikamaru schloss die Augen. „Danke dafür. Sind wir dann quitt?“

 

Ino erwiderte nichts. Sie starrte ihn einfach nur für einen Moment an; völlig aus ihrer Tirade geworfen von etwas Seltsamen in seiner Stimme. Die toten Blumen, die sie gegen seine Brust gepfeffert hatte, fielen mit einem Rascheln fort, als sie die Arme verschränkte. 

 

„Oh bitte, wir sind nicht mal in der Nähe davon, quitt zu sein.“, murrte sie, aber ihre Stimme war jetzt weicher, beinahe neckend. „Aber ich weiß genau, wie du es wieder gut machen wirst.“

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen und er hob einen Spalt breit die Lider, um beobachten zu können, wie ein hinterlistiger Ausdruck über ihr Gesicht huschte.

 

Scheiße.

 

Sofort lieferte sein Gehirn ihm unzählige Antworten auf das dicke fette Fragezeichen, das sich in seine Gesichtszüge stanzte. Er wünschte sich so sehr, dass er die richtige Antwort nicht bereits wusste. 

 

Ino grinste zuckersüß und ein schelmisches Funkeln stand in ihren Augen, als sie ihm auf den Arm schlug. „Und diesmal wirst du nicht die ganze Zeit über schlafen, Faulpelz.“

 

Shikamaru gab ein grunzend-schnaubendes Geräusch von sich, bemerkte aber auch die subtile Fluchtmöglichkeit, die sie ihm anbot. 

 

Er brachte immerhin ein schwaches Lächeln als Erwiderung hin. „Lästiges Mädchen.“

 

Ino wedelte entlassend mit einer Hand und rollte mit den Augen. „Also, wohin rennst du diesmal, Drückeberger?“

 

„Taubenschlag.“

 

„Asuma schleicht auch über die Dächer, weißt du.“, warnte Ino ihn halb neckend. „Pass also lieber auf.“

 

„Ugh. Danke für die Info.“ Shikamaru spähte hinauf zu den schweren Wolken und ernüchterte rasch. „Ich habe dich nicht von der Mission gestrichen, Ino.“

 

„Jaja.“ Ino zuckte mit den Achseln und wandte den Blick ab. „Ist schon okay.“

 

Shikamaru zog ein wenig das Kinn zurück und hob eine Braue, während er zu ihr hinunter sah. Er wusste nur zu gut, dass es nicht okay war. Aber im Moment gab es auch nichts, das er deswegen tun könnte. Inos Probleme wegen ihres Selbstwertgefühles waren in etwa so kompliziert wie ein Zauberwürfel – was vermutlich ein mehr als schlechter Vergleich war, wenn man bedachte, wie schnell Shikamaru diese Dinger lösen konnte. 

 

Später. Nicht jetzt.

 

Er war für den Moment wirklich fertig damit, Puzzle lösen zu müssen und trotz all seiner Versuche, Fragen auszuweichen – er hatte nur eine einzige im Kopf; eine, auf die die Taube, die nach Konoha schwebte eigentlich die Antwort hätte tragen sollen. 

 

Doch er wusste nicht, dass die Antwort nichts als Asche war. 

 
 

xXx
 

 
 

Donner grollte in dem dunkler werdenden Bauch des Himmels. 

 

Ein Auftakt des kommenden Regens. 

 

Ein Tropfen traf Shikamarus Wange und rann über die schlanke Neigung wie eine Träne, als er gerade den letzten Zelthering in den Boden rammte. Während er sich aufrichtete, besah er sich noch einmal prüfend die Plane, die er über die Baracke gezogen hatte, um dem Vogel Schutz zu bieten. Vorher hatte er sie nochmal ordentlich imprägniert, nur um sicher zu gehen.

 

Ein weiterer Tropfen prallte von dem Jochbein des Schattenninjas ab. 

 

Das sanfte Trommeln von Regen setzte auf der Zeltplane ein. 

 

Ein leises Krächzen erscholl gedämpft hinter dem Holz.

 

„Jaja.“, murmelte Shikamaru. „Es ist alles gut.“

 

Er fuhr mit der Hand über den provisorischen Unterschlupf und seufzte. Es würde reichen müssen. Während er im Geiste eine mentale Checkliste durchging, zog der Schattenninja seine Kapuze nach oben und über seinen Kopf und machte sich auf den Weg zurück über den Weg, den er mit der Sichel freigehackt hatte. 

 

Das dichter werdende Zwielicht war unter den Wolken immer schwerer geworden. Shikamaru hatte das ersterbende Licht genutzt, um den jungen Bock zu versorgen, der sich selbst eine bleibende Narbe eingefangen hatte. Getreu zu seiner ersten Vermutung hatte es sich um denselben Hirsch gehandelt, der ihn heute Morgen schon konfrontiert hatte. 

 

Wie lästig.

 

Der Nara wob sich seinen Weg durch die Herde und nahm einen raschen Umweg, um noch einmal sicher zu gehen, dass sich der junge Hirschbock seine Wunde nicht aufriss. Glücklicherweise fand er das Tier einfach nur friedlich grasend auf einer moosigen Anhöhe; hin und wieder schnupperte es durch das Unterholz, um absterbende Gräser herauszureißen. 

 

Rikamaru, der beste Hirschbock der Herde, beobachtete ihn aus großen, weisen Augen. Sein Kopf mit dem gezwackten Geweih hob sich wie mächtige Äste, als er sich dem sich nähernden Schattenninja zuwandte und er schnaubte grüßend Ströme aus Dunst in den nebligen Regen. 

 

„Tyrann.“, triezte Shikamaru und streckte eine flache Hand aus, sodass der Hirsch daran schnüffeln und mit der Lippe knabbern konnte, bevor er sie weiter nach vorn schob und das Kinn des Tieres kraulte. „Du hast ihm ordentlich den Hintern versohlt.“

 

Rikamaru schnaubte und kräuselte die Lippen um Shikamarus Kapuze, um sie spielerisch über das Gesicht des Schattenninjas zu ziehen. Dann zuckte der Hirsch zusammen und sein mächtiger Kopf schwang herum, um hierhin und dorthin zu spähen und seine Domäne zu überprüfen. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und zog seine Kapuze zurecht. 

 

Da war etwas Unruhiges im Verhalten des Tieres; seine Nüstern blähten sich weit, als würde der Hirsch versuchen, etwas in der kalten nassen Luft zu wittern. Shikamaru richtete seine Aufmerksamkeit auf den Rest der Herde. Die Hirsche erschienen seltsam schreckhaft, immer wieder zuckten ihre Körper, als würden sie Bedrohungen abwehren, die nicht da waren. 

 

Was sie wohl aufgeschreckt hat…

 

Rasch warf der Nara einen prüfenden Blick um sich und seine Augen verengten sich gegen den herabstürzenden Regen, der wie eine ausgefranste weiße Aura von den Hirschen und Bäumen abprallte. 

 

Ugh. Ich werde jetzt sicher nicht hier rumhängen, um vollkommen durchweicht zu werden.

 

Shikamaru klopfte den Hirsch liebevoll auf den breiten Hals und begab sich auf den kürzesten Weg durch den Wald und nach Hause. Er brauchte eine weitere Ablenkung, bevor er sich ins Bett fallen lassen würde. Immer noch kein Wort von Sakura zu erhalten, hatte sein Hirn in einen unaufhörlichen Wirbel versetzt, der sich um einen Gedanken drehte, dem er nicht folgen wollte. 

 

Aber er war es leid, Däumchen zu drehen und auf Neuigkeiten zu warten. 

 

‚Tu etwas…‘

 

Am Ende der Worte seines Vaters kam eine neue mentale Liste und sie breitete sich in Shikamarus Verstand aus, als er sich gerade Zugang zu seinem leeren Zuhause verschaffte; wieder einmal machte er sich nicht die Mühe, das Licht anzuschalten. 

 

Mit einem Zucken rüttelte er sich den nassen Mantel von den Schultern. 

 

Seine erste Amtshandlung morgen würde sein, die Hokage zu konfrontieren und um die Erlaubnis zu bitten, jemanden zu dem Shukubo zu schicken. Er wäre auch selbst gegangen, aber das würde eine ganz neue und andere Welle von Fragen auslösen, denen er weitere vier Tage wie Kunais ausweichen müsste. 

 

Wie Hiashi…

 

Es verursachte seinem Kopf einen ungewöhnlichen Schaden, nur darüber nachzudenken, was zur Hölle das Hyūga Oberhaupt wusste oder nicht wusste; oder wissen wollte.

 

Fuck.

 

Er kickte sich die Sandalen von den Füßen und hängte seinen Mantel an den Haken, bevor er müßig durch das Haus schlurfte, um Fenster zu schließen und Fusama Paneele zuzuschieben, während sein Hirn immer noch abgelenkt voran raste. 

 

Er musste auch immer wieder an Asuma bedenken. 

 

Etwas mehr Schuldgefühle rieben sich in die Wunde, die noch immer in seiner Brust schwärte. 

 

Mit einem Grollen schüttelte er sie ab und zog sich sein Rollkragenoberteil über den Kopf, während er sich zu seinem Zimmer begab. Das Trommeln des Regen war ebenso unerbittlich wie seine Gedanken. 

 

Duschen. Schlafen. Zur Dämlichen Uhrzeit aufstehen.

 

Er erschauerte gegen die Kälte und streckte einen Arm aus, um das Fenster in seinem Zimmer zu schließen. Leise zischte er, als ihn ein Sprühregen aus eisigen Tropfen im Gesicht und am Hals traf. Donner brüllte am Himmel; so laut, dass es sich anfühlte, als würde er durch seine Knochen vibrieren. 

 

Lass mich das einfach ausschlafen…

 

Erschöpft starrte Shikamaru durch das regenbeschlagene Glas und spähte hoch hinauf in den Himmel, als ein greller Blitz das rollende Schwarz zerriss. 

 

Seltsam, aber er konnte ihn beinahe auf seiner Haut spüren – wie eine elektrische Spannung. 

 

Es kribbelte über seine Wirbelsäule und stellte die Härchen an seinem Nacken auf. 

 

Und keinen Herzschlag später merkte er, dass es keine Statik war. 

 

Es war Instinkt. 

 

Doch er erhielt nie die Chance zu reagieren. 

 

Eine Hand schloss sich von hinten um seine Kehle. 

 

Eisige Finger packten wie ein Schraubstock zu und schnitten ihm die Luftzufuhr ab. Er wurde gegen einen Körper gezerrt, der durchweicht war vom Regen; der nasse Stoff glitt über seinen Rücken, als er versuchte, den Griff um seinen Hals zu durchbrechen. Schmerz wurde in einem stroboskopartigen Aufblitzen wahrgenommen, als er frontal in die Wand gerammt wurde; die Haut an seinem Wangenknochen platzte unter dem harten Aufprall auf.

 

FUCK!

 

Shikamaru biss die Zähne zusammen und drehte sich, um um sich zu schlagen und zu versuchen, Luft holen zu können. 

 

Der durchnässte Körper presste sich gegen seinen Rücken und pinnte ihn fest. 

 

BEWEG DICH!

 

Verzweifelt bemühte er sich, irgendeinen Halt zu finden und donnerte seine Handfläche gegen die Wand, um sich so hart wie möglich nach hinten zu schieben. Aber dann strichen Lippen über sein Ohr; ein heißes Beben von Atem, gefolgt von den tiefen, frostüberzogenen Tönen einer Stimme, die ihn gegen die Wand erstarren ließen. 

 

„Ich brauche kein Chakra, um dich zu zerreißen.“

 

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Und eine weitere wichtige Person betritt die Bühne...Hyūga Hiashi. Ja, mit dem wird sich Shikamaru auch noch herum schlagen müssen. Ich hoffe, euch hat seine Darstellung und diese kleine Konfrontation zwischen ihm und Shikaku gefallen? ;) 

Und ja, zu dem Ende muss ich nicht viel sagen denke ich...tut mir leid für den Cut, aber der musste sein. Würde mich sehr interessieren, ob ihr sowas erwartet habt, oder eher etwas anderes ^^

Generell hoffe ich natürlich, dass euch das Kapitel gefallen hat, ich würde mich wieder mega über ein paar Kommentare und Meinungen freuen!! <3 

Vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

 

Did I ever find you

„Ich brauche kein Chakra, um dich zu zerreißen.“

 

Shikamarus Muskeln verwandelten sich in Stein. 

 

Wäre auch nur noch das kleinste Bisschen Luft in seinen Lungen gewesen, dann hätte er es jetzt verloren. Der harte Schlag dieser Worte, von dieser Stimme, rammte sich direkt in seine Eingeweide und riss sich wie eine rostige gezackte Klinge durch das Organ in seiner Brust nach oben. 

 

Neji…

 

Gegen jede Vernunft und jede Sinnhaftigkeit kam seine erste und unmittelbare Reaktion. 

 

Erleichterung. 

 

Und eine Nanosekunde später kam die unmittelbare Realität. 

 

Panik. 

 

Draußen explodierte der Donner; ebenso heftig wie das Adrenalin in ihm. 

 

Er zog die Schulterblätter zusammen und stieß sich hart von seinen Händen ab; versuchte verzweifelt, all sein Gewicht nach hinten zu werfen. Es war geradezu lächerlich, wie leicht Neji die Bewegung konterte. Der Jōnin trat einfach nur kurz zurück, ohne loszulassen, drehte sie einmal um die Achse und hämmerte ihn wieder gegen die Wand. 

 

Die Seite von Shikamarus Gesicht schlug mit der doppelten Wucht des ersten Aufpralls gegen die Wand. 

 

Schmerz explodierte in seiner aufgeplatzten Wange, jagte bis in sein Ohr und seinen Kiefer entlang. 

 

Er gab keinen Laut von sich. Er konnte nicht. Seine Lungen schrien bereits. 

 

Aber da war einfach keine Luft. 

 

Diese eisigen Finger krümmten sich an seinem Hals und verschlossen sich wie Stahl um die Sehnen in seiner Kehle; zertrümmerten jeden Versuch, nach Luft zu schnappen. Mit einem erstickten Zischen versuchte er, den Daumen des Hyūga zu packen, um den Griff zu lösen – aber er schaffte es einfach nicht, ihn zu fassen zu bekommen. 

 

Fuck!

 

„Wie fühlt sich das an, Nara…“ Diese tiefen Töne rollten leise gegen sein Ohr; absolut ruhig, vollkommen verstörend. „In dem Griff von etwas gefangen zu sein, dem du nicht entkommen kannst.“

 

Es gab nicht den geringsten Anstieg der Intonation, die darauf hingewiesen hätte, dass es sich dabei um eine Frage handelte. 

 

Die Worte wurden wie eine distanzierte Observation ausgesprochen und das hohle Nachhallen ließ Shikamaru nicht in dem geringsten Zweifel darüber, wie diese Situation vermutlich ausgehen würde, wenn er nicht schnell reagierte. Aber der Druck, der sich immer mehr in seinem Kopf und hinter seinen Augen aufbaute, verkrüppelte seine Fähigkeit zu denken – oder lag das an dem völligen Mangel an Sauerstoff?

 

DENK NACH!

 

In dem verzweifelten Ansturm von Panik bockte er noch einmal nach hinten und stieß sich mit einem schwachen Schub von der Wand ab. Nur streckte er diesmal sein Bein nach hinten und hakte seinen Fuß um Nejis Knie. 

 

Scharf ruckte er daran. 

 

Nejis Bein gab nach und der Boden schoss ihm entgegen. 

 

Shikamaru drehte sich, während sie fielen und landete hart auf der Seite. Er ließ seinen Ellbogen in einem brutalen Knacken nach außen schnellen, der auf Knochen traf. Er hörte Neji schmerzerfüllt grunzen. Der Griff um seine Kehle löste sich und gestattete es ihm, weg und auf den Rücken zu rollen; nach Luft schnappend wie eine wiederbelebte Leiche, während er bebte und hustete. 

 

Die Luft füllte seine Lungen wie Säure; seine Brust hob sich stoßweise, Organe brannten und fühlten sich an, als würden sie jeden Moment wie Ballons platzen. 

 

Und dann traf der Sauerstoff in seinem Netzwerk ein. 

 

Adrenalin folgte nur einen Herzschlag später. 

 

Kommandos wurden wie Kunai von seinem Hirn abgefeuert. 

 

RENN. BEWEG DICH. LAUF. JETZT.

 

Er kämpfte sich auf die Beine; die Welt zog sich zusammen und dehnte sich aus wie ein verzerrtes Kaleidoskop, als er sich die Wand entlang tastete und versuchte, einen Griff um etwas Stumpfes zu bekommen, das er als Waffe nutzen könnte. 

 

Ein Blitz bot eine grelle Warnung. 

 

Diesmal duckte sich Shikamaru. 

 

Die Handkante des Hyūga schnitt durch die Luft und strich durch seinen Pferdeschwanz, bevor sie in der Wand einschlug und Splitter in alle Richtung sandte. 

 

FUCK!

 

Shikamaru taumelte zurück und schluckte Luft durch seine malträtierte Kehle. Er rollte sich mit einer raschen Bewegung auf das Bett und von der anderen Seite wieder herunter und brachte so etwas Distanz zwischen sie. Energisch kämpfte er darum, die Panik zu beruhigen, die durch ihn peitschte. 

 

Ein Aufflammen zerriss den Himmel. 

 

Und wie ein Geist, der eine Form annahm, materialisierte sich Neji in dem grellen Aufflackern der Illumination. 

 

Shikamarus Gesichtszüge zuckten. 

 

Emotionen krachten und taumelten und rollten durch ihn; lauter und grausamer als der Donner, der die Welt erschütterte. Aber er bewegte sich nicht, er konnte nicht. Er stand da, wie betäubt und paralysiert von dem Ausdruck in diesen Augen. 

 

Augen so weiß wie Schnee und doppelt so kalt. 

 

Neji bewegte sich vorwärts und die letale Anmut in seinem Körper war ebenso unmissverständlich wie die todbringende Weise, auf die sein Blick starr und vollkommen leblos blieb; leidenschaftslos und alarmierend ruhig. 

 

Wie ein Scharfrichter. 

 

Die kühle Betrachtung ließ Shikamarus Haut unangenehm kribbeln und rasch ließ er seinen Fokus über den Rest des Jōnins wandern; über die Roben, die noch immer mit Blut und Asche befleckt waren. 

 

Eine bittere Wiederauferstehung dessen, was er gewesen war, als Shikamaru ihn das letzte Mal gesehen hatte. 

 

Und was noch viel verstörender war, war die Tatsache, dass er direkt zu der Nara Residenz gekommen war. Er hatte nicht einmal die Kleidung gewechselt. 

 

Shikamaru schluckte um den harten Knoten in seiner Kehle herum. „Neji…“

 

Keine Reaktion. Keine Veränderung in diesen kalten Augen. Neji drehte sich einfach nur und umrundete das Bett in weichen, getriebenen Schritten und zwang Shikamaru dazu, wieder auf die andere Seite zu springen. Ohne seine Bewegungen oder den Ausdruck auf seinem Gesicht zu unterbrechen, machte Neji auf dem Absatz kehrt und umrundete das Bett in die andere Richtung. 

 

Sie bewegten sich vor und zurück. 

 

Der eine hielt den anderen hin, während der sich leise anpirschte. 

 

Das ist wahnsinnig.

 

„Neji…“, hauchte Shikamaru und hob eine Handfläche. „Hör auf.“

 

Es war, als würde er eine weiße Flagge in einen Zyklon halten. Neji hatte ganz offensichtlich nicht die geringste Absicht, aufzuhören und hielt den tigernden Halbkreis ihrer Bewegungen nahe dem Bett aufrecht. Seine scharfen Wendungen wurden mit jedem Umlauf immer ruckartiger und ungeduldiger. 

 

„Würdest du bitte aufhören?“, versuchte es Shikamaru noch einmal mit heiserer Stimme und sprang zurück auf die Matratze, während Neji innerhalb eines Herzschlags seine Richtung änderte. 

 

„Du hast mich in eine Rohrbombe laufen lassen.“

 

Die Worte kamen so unerwartet, dass Shikamaru einen Moment brauchte, um darauf antworten zu können. Er schüttelte den Kopf und Blut tropfte aus der Platzwunde an seiner Wange, um über die Neigung seines Kiefers zu rinnen. Auf dem Bett verlagerte er das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und der Lattenrost knarzte, als sich seine Muskeln anspannten; der Körper bereit dazu, jeden Moment los zu spurten. 

 

„Es hat keine Möglichkeit gegeben, dass du diesen Weg nicht genommen hättest.“, erklärte Shikamaru und ignorierte den Schmerz, den es verursachte, wenn er seine Kehle nutzen wollte. „Und ich hatte auch eine Absicherung in diesem Tunnel, falls du es doch nicht getan hättest.“

 

„Wie überaus rücksichtsvoll von dir.“, erwiderte Neji tonlos. „Du wirst aber feststellen, dass deine Auswege versperrt sind, Nara…“

 

Der Hyūga hielt abrupt am Ende des Bettes inne. Shikamaru versteifte sich und sah zu, wie sich diese kristallkalten Augen hoben. Ihre Blicke trafen sich; ebenso wild wie sie auf der Lichtung in Hanegakure gewesen waren. 

 

Ein weiterer strahlender Blitz erleuchtete den Himmel und ein weiteres Donnerrollen ritt erschütternd auf dem Wind. 

 

Und dem folgte etwas, das so tödlich ruhig war, dass es doppelt so zerstörerisch war wie die Elemente. 

 

Nejis Stimme. 

 

„Hiervon gibt es keinen Ausweg.“

 

Shikamaru stürzte los. 

 

Er bewegte sich so schnell, dass die Matratze nicht einmal nachgab. 

 

Wie ein Blitz spurtete der Schattenninja im Zickzack; täuschte rechts an und sprang nach links, nutzte die Subtilität von Bewegungen, die sein Vater ihn gelehrt hatte. Es hatte ihm mehr Verletzungen durch systematisches Ausprobieren eingebracht, als sein Körper katalogisieren konnte. 

 

Nara Shinobi verließen sich explizit darauf, wenn es darum ging, Geschwindigkeit gegen eine überlegene Stärke auszuspielen. 

 

Wäre Nejis Byakugan aktiviert gewesen, dann hätte es vermutlich nie funktioniert. Aber die subtilen Veränderungen in Shikamarus Beinarbeit bewahrte ihn um Haaresbreite vor einem Zusammenstoß. Neji schwang herum, um dem Türrahmen auszuweichen und Shikamaru schoss wie ein Pfeil an dem Jōnin vorbei und hinein in den dunklen Tunnel des Korridors. 

 

Er kam nicht weit. 

 

Schmerz explodierte in seinem Schulterblatt. 

 

Die Wucht des Schlages hämmerte ihn seitwärts und er krachte hart in die Wand, drehte und duckte sich, als Nejis Handballen gegen die Mauer donnerte. 

 

SCHEIßE!

 

Shikamaru schnellte nach oben und seine Faust schoss auf Nejis Kiefer zu. Der Jōnin wich mit Leichtigkeit aus und wirbelte herum, um sein Knie in die Kurve von Shikamarus Wirbelsäule zu rammen. Der Aufschlag schleuderte ihn vorwärts und er folgte dem Momentum mit einer fließenden Rolle, kam wieder auf die Beine und bog aus dem Gang in die schwarze Höhle des Wohnzimmers ein. 

 

Während er sich hinter das Sofa duckte, krümmte der Schattenninja einen Arm nach hinten, um mit den Fingern über sein Schulterblatt zu fahren. Als er die Hand zurückzog, waren seine Finger nass und klebrig von Blut. 

 

Mit was hat er mich da getroffen?

 

Shikamaru verzog das Gesicht und biss die Zähne mit einem Zischen zusammen. 

 

Spannung verdichtete die Luft und knackte mit Gewalt; pulsierte wie ein Herzschlag. 

 

Beruhige dich. Atme. Denk nach.

 

Shikamaru verharrte in seiner Hocke und sog geräuschlos Luft ein. 

 

Während er kalkulierte, schätzte er gleichzeitig ein, wie viele stumpfe Gegenstände er zu seinem Vorteil nutzen könnte. Auf keinen Fall würde Nejis Blut jetzt schon wieder normal gerinnen. Ihn mit der Absicht anzugreifen, ihm offene Verletzungen zuzufügen, wäre desaströs. 

 

Genauso, wie verfickt nochmal gekillt zu werden, du Genie.

 

Doch der Gedanke ließ ihn kalt. Ebenso kalt wie die Absicht zu töten; die Neji ganz offensichtlich verfolgte, wenn das Versprechen in seinen Worten und Handlungen irgendwie ernst zu nehmen war. 

 

Schnelligkeit. Das ist alles, was du hast.

 

Was rohe Gewalt und brachiale Stärke anging, hatte Neji ganz klar den Vorteil auf seiner Seite. Und wenn dem man noch die Absicht hinzufügte, diesen Vorteil auch gnadenlos zu nutzen, dann beschränkten sich Shikamarus Optionen sehr schnell auf die Möglichkeiten, die essentiell davon abhingen, wie schnell er sich bewegen könnte oder wie zur Hölle er Nejis Gleichgewicht lange genug ins Wanken bringen konnte, um durchbrechen zu können. 

 

Er spähte zum Fenster und versuchte, eine Reflexion des Hyūga einzufangen. 

 

Halte Abstand und sieh zu, dass du verfickt nochmal hier raus kommst.

 

Aufmerksam lauschte er nach Bewegungen, während er sich vorsichtig und tief geduckt durch den Raum bewegte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange sich Neji eigentlich schon im Haus befand; geschweige denn, durch welchen Raum der Hyūga überhaupt eingestiegen war. Nicht, dass es jetzt noch irgendeine Rolle spielte; jeder Eingang war auch ein Ausgang und Shikamaru musste ihn schnell nehmen. Rasch kalkulierte er die schnellste Route mit den meisten Hindernissen zwischen ihnen. 

 

Er stemmte sich in eine Hocke. 

 

Dann legte er seine Hand auf die Kante des Tisches. 

 

Die gesamte Oberfläche davon ruckte nach oben zu seinem Gesicht. 

 

FUCK.

 

Shikamaru zuckte zurück und das Holz traf beinahe seinen Kiefer, als Neji den Tisch mit einem heftigen Tritt umwarf. Er flog zur Seite und krachte knackend gegen das Sofa. Der Nara strampelte sich mit den Beinen nach hinten und packte den Griff eines Geweihornaments, das über den Boden gefallen war. Er wirbelte es in seiner Hand herum, um mit dem stumpfen Ende zuzuschlagen, während er auf die Füße kam. Das Aufblitzen von Nejis Hitai-ate verriet seine Position. 

 

Shikamaru schätzte den Abstand ein und bewegte sich, um aus reinem Instinkt einen Treffer zu landen. 
 

Draußen zuckten wilde Blitze. 

 

Nejis Augen flackerten wie glühende Opale auf. 

 

Shikamarus Herz zog sich zusammen und er veränderte seine Zielrichtung. 

 

Der Schlag prallte von Nejis Schlüsselbein ab und verfehlte den Vagusnerv vollständig. 

 

Sein Zögern kam ihn teuer zu stehen.

 

Die Handfläche des Hyūga rammte sich in seine Brust und katapultierte ihn durch den Raum wie ein Blatt, das von einem Sturm erfasst wurde. Seine Wirbelsäule krachte mit einem scharfen Knacken gegen die Wand und er sackte nach vorn auf seine Unterarme und Knie; die Luft wurde ihm aus den Lungen gerissen und ließ ihn atemlos und benommen zurück.

 

„Erbärmlich.“, bemerkte Neji ebenso harsch wie sein Schlag. „Ziel auf lebenswichtige Organe, Nara. Du solltest inzwischen gut darin sein. Ich habe kein Problem damit, dein Blut zu vergießen, also solltest du am besten damit anfangen zu versuchen, dir meines zu holen.“

 

Shikamaru kratzte einen schwachen Atemzug zusammen und sog ihn durch die Nase ein, während er energisch den Kopf schüttelte. 

 

„Ich werde dir das nicht antun…“, keuchte er.

 

Nicht nochmal.

 

„Natürlich; du brauchst einen direkten Befehl dafür, oder?“, biss Neji zurück und die glatte Apathie in seiner Stimme wich beinahe einem Beben. „Ich hingegen brauche keine Erlaubnis für das, was ich mit dir machen werde.“

 

Shikamaru schüttelte scharf den Kopf und versuchte, etwas über das pochende Hämmern seines Pulses hinweg hören zu können, der wild ausschlug, als er bemerkte, wie Neji durch den Raum schritt; und das mit raubtierartigen Bewegungen, die beinahe schon verführerisch wirkten. 

 

„Allerdings werde ich dir die Manipulationen ersparen, mit denen du mich beehrt hast.“, murmelte der Hyūga und strich um die Möbel herum wie eine eisige Brise. „Nicht einmal ich bin ein so guter Schauspieler.“

 

Shikamaru zuckte angesichts der Worte zusammen und Zorn rang mit dem Schmerz, der sich in seine Augen drängte. 

 

„Es war kein Schauspiel.“, knurrte er und schob sich taumelnd hinauf auf die Knie und weiter auf die Füße, während einen Arm zur Seite warf, um sich an der Wand abzustützen. Seine Finger tasteten sich voran – suchten nach dem Lichtschalter. 

 

„Nein. Es war nur ein Spiel.“, verkündete Neji und umrundete eine weitere Couch. „Und jetzt bin ich am Zug. Ich werde nicht gegen dich verlieren.“

 

Shikamaru betätigte den Lichtschalter. 

 

Nichts. 

 

Fuck.

 

„Deine Schatten werden dich diesmal nicht retten.“

 

Ein Muskel zuckte in Shikamarus Kiefer und seine Augen schnellten suchend durch die Dunkelheit. Der Regen stürzte vor den Fenstern endlos zu Boden und fing Funken von dem Licht des Sturmes auf. 

 

Sieh zu, dass du nach draußen kommst.

 

Er würde eher sein Glück mit den Blitzen versuchen, als mit Neji – wenn es darum ging, wer ihn dabei schneller erwischen würde, könnte er seine Wetten gleichermaßen auf den Sturm und Neji setzen. Er schob sich die Wand entlang und schätzte den Abstand und die Möglichkeiten ein, diese Distanz zwischen ihnen aufrecht zu erhalten. Doch da war ein unerträglicher Schmerz, der sich in seiner Brust aufbaute und er hatte rein gar nichts mit dem Schlag zu tun, den er einstecken musste. 

 

„Es war kein Spiel.“, sagte Shikamaru heiser. 

 

„Es war niemals irgendetwas anderes.“

 

Ein weiteres Aufflackern von Illumination und Shikamaru erhaschte ein Aufblitzen des Gesichtes, das ihn seit Tagen heimsuchte. Ein flüchtiger Blick auf transluzent blasse und hagere Haut, die sich straff über die Konturen einer knochigen Struktur spannte, die definierter wirkte, als er sie jemals gesehen hatte. 

 

Doch das war nichts im Vergleich zu Nejis Augen. 

 

Das opaleszente Leuchten war verschwunden und ließ sie hart und abgetötet zurück. 

 

Wie einen leblosen Stein. 

 

‚Du hast mich umgebracht…bevor es das schaffen konnte.‘

 

Shikamaru hörte sofort auf, sich zu bewegen. 

 

Er presste sich gegen die Wand und war plötzlich nicht mehr in der Lage zu denken oder auch nur einen einzigen Schritt zu tun; seine Augen schlossen sich gegen den Kummer und die Traurigkeit, die seinen Körper in Kaskaden durchwogten. Sie waren stärker als die Panik in seinem Blut und stärker als der Schmerz in seinem Körper. 

 

„Du hast eine Schwäche gesehen und sie ausgenutzt.“, fasste Neji mit erzählerischer Stimme zusammen, während er die Distanz in einer langsamen und gemessenen Geschwindigkeit schloss. „Gratuliere, Nara. Das habe ich nicht kommen sehen.“

 

„Nein…“ Shikamaru schüttelte seinen Kopf gegen die Wand; Schmerz verkrampfte sich sowohl seine Wirbelsäule hinauf und in seinem Inneren. „Das ist es nicht.“

 

„Das ist genau das, was es ist.“, konterte Neji und stürzte nach vorn. 

 

Shikamaru ließ sich fallen und rollte sich mit einem Zischen ab. Energisch ignorierte er das Aufflammen von Schmerz in seiner Schulter, als er wieder auf die Füße kam und in Richtung der Küche spurtete. Neji holte ihn ein und rammte mit einer Wucht in ihn, die ihn über die Tischoberfläche schleuderte. Mit einem Krachen aus Gliedern und bemalten Tellern schlug er auf dem Boden auf. 

 

Keramik schnitt sich in seine Seite und biss sich in seinen Arm, als er sich wimmernd herum drehte. 

 

Er hörte, wie Scherben unter Nejis Sandalen knirschten. 

 

Die stete Geschwindigkeit strahlte pure Kontrolle und Zerstörung aus. „Wehr dich, Nara.“

 

Angestrengt zerrte sich Shikamaru auf dem Ellbogen nach hinten und kickte hart gegen einen der Stühle, um ihn gegen die sich nähernde Gestalt zu katapultieren. Nejis Faust donnerte direkt durch ihn hindurch; zerbarst Holz als wäre es dünnes Glas. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Er packte die ersten Waffen, die ihm irgendwie zur Verfügung standen und warf einen Teller nach dem anderen durch die Luft in Richtung der Schritte. Er wartete gar nicht darauf, ob er getroffen hatte, sondern beugte sich nach vorn, kam taumelnd auf die Beine und rannte los, während er einen Arm nach oben hielt, um sein Gesicht vor den Tellerfragmenten zu schützen, die wie Schrapnelle um ihn herum explodierten. 

 

Raus. Beweg dich.

 

Er spurtete in das Wohnzimmer, stolperte über die Couch und den umgestoßenen Tisch und hastete zur Terrassentür. Seine Schulter traf mit einem Knacken auf das Shoji Paneel, das ein schmerzhaftes Rucken über seine Wirbelsäule jagte. 

 

Ein Teller zerbarst direkt neben seinem Kopf. 

 

BEWEG DICH!

 

Er riss die Tür zur Veranda auf. 

 

Regen peitschte ihm in heftigen Bahnen ins Gesicht und die Welt jenseits des Hauses wurde von Donner erschüttert, während sie von weißen Streifen erhellt wurde, die den Himmel zerrissen. 

 

Renn!

 

Der Sturm brüllte wie ein entfesseltes Biest. 

 

Shikamaru schirmte seine Augen ab, zog den Kopf ein und warf sich selbst zwischen die Kiefer des Monstrums aus Elementen. 

 
 

oOo
 

 
 

Das Feuerzeug schloss sich mit einem Schnappen, klappte auf, schnappte zu, klappte auf. 

 

Wieder und wieder; ein stetes Klicken in dem unbeleuchteten Raum. Die Dunkelheit wurde nur von dem Zucken der Flamme unterbrochen, die verschwand und wieder auftauchte wie ein Glühwürmchen, das durch das Schwarz flog. 

 

„Asuma…?“

 

Der Jōnin hielt inne; sein Daumen verharrte an dem glänzenden Gehäuse, während seine Augen von ihrem ausdruckslosen Starren in den Regen aufsahen. Die Flamme des Feuerzeugs zuckte leicht und verwandelte die Iriden des Sarutobi in Bronze. 

 

In dem düsteren Zimmer war die Frau, die gesprochen hatte, zum Großteil in Schatten getaucht und vermittelte Asuma den verschleierten Eindruck einer zerzausten Mähne aus dunklem Haar, das sich von dem eleganten Faltenwurf blasser Seidenroben abhob, die locker zugebunden waren und in einem hauchzarten Tanz um lange Beine und nackte Füße wogten. 

 

Ich muss an irgendeinem Punkt meines Lebens irgendetwas richtig gemacht haben, um das zu verdienen. 

 

Er lächelte, als sie näher kam. „Ich rauche nicht, keine Sorge.“

 

Karmesinrote Seen musterten ihn sanft. „Du hörst immer nur dann damit auf, wenn du wegen etwas besorgt bist. Was ist los?“

 

Asumas Lächeln geriet ins Wanken. Er ließ das Feuerzeug zuschnappen und legte es neben die unberührte Zigarettenschachtel auf dem Tisch. Vier ganze Tage ohne einen einzigen Zug hätten seine Nerven eigentlich komplett aufreiben müssen; vielleicht war es also eine gute Sache, dass sie stattdessen vor Besorgnis vollkommen verknotet waren. Aber das war nicht das Einzige, was sie zusammenhielt. 

 

Langsam lehnte er sich in der Couch zurück und streckte wortlos eine Hand aus. 

 

Kurenai lächelte warm und verschränkte ihrer Finger ineinander; lilienweiße Glieder verwoben sich mit bronzefarbenen. 

 

„Shikamaru.“, sagte sie nur. 

 

Asuma seufzte und zog sie an sich. „Vermutlich werde ich den Jungen einfach umbringen.“

 

„Wenn du ihn denn zu fassen bekommst.“, triezte Kurenai zaghaft und schob sich auf seinen Schoß, während sie mit der freien Hand über die breiten kraftvollen Konturen seiner Brust strich und anschließend eine verkrampfte Schulter massierte. „Er wird es dir erzählen, wenn er soweit ist, Asuma.“

 

„Wie er das mit meinen Händen um seinen Hals anstellen will, ist mir ein Rätsel.“, grummelte der Jōnin mit ruppiger und schläfrig-heiserer Stimme. 

 

Kurenai kicherte leise; der Klang schaffte es sofort, ihn mit Wärme zu erfülle. Er sah zu, wie sie ihre verschränkten Finger an die Lippen hob und einen zärtlichen Kuss auf seine Knöchel hauchte. 

 

„Ist doch kein Wunder, dass er sich so verhält, wenn du ihm hinterher schnüffelst wie ein Ninjahund.“

 

Asuma zog die Brauen zusammen und sein Blick wanderte auf der vergeblichen Suche nach Antworten über ihr Gesicht. „Vier Tage, Kurenai…“

 

„Ich weiß.“, murmelte sie und zog ihre verschränkten Hände an ihr Herz. „Was willst du denn sonst noch tun? Du musst ihm einfach vertrauen.“

 

„Ja, ich vertraue ihm dabei, sich aus dem Staub zu machen. Und er wird dabei immer hinterhältiger und gerissener. Ich wünschte, ich könnte deswegen glücklich sein.“

 

Kurenai schmunzelte und drückte leicht seine Finger. „Ich weiß, dass du dir Sorgen um ihn machst.“

 

Asuma seufzte, lehnte seinen Kopf zurück gegen das Sofa und sah zu, wie die Spiegelungen des Regens über Kurenais Haut spielten. Wenn er über diese ganze Sache doch einfach nur die Achseln zucken könnte. Doch das krampfartige Gefühl in seinem Inneren war stark genug, um seinen Drang zu rauchen einzudämmen – das war nicht mehr passiert, seit sein alter Herr gestorben war. Trotz all der Dinge, um die er sich normalerweise nicht scherte, gab es doch ein paar Ausnahmen von seiner entspannten Regel und nur bei ein paar ausgewählten davon handelte es sich um Personen. 

 

Was hat dich dazu gebracht, dich zu verstecken, Shikamaru?

 

Er hatte jeden Winkel in seinem Verstand abgesucht, aber nichts als Sackgassen vorgefunden. 

 

Asuma wusste, dass was auch immer es war – es hatte Shikamaru bereits vor der Mission nach Hanegakure beschäftigt. Die Art und Weise, wie der junge Nara auf den Teamwechsel reagiert hatte, war Hinweis genug gewesen; nicht zu erwähnen die ganze Sache mit den Nijū Shōtai. 

 

„Asuma?“

 

Das sanfte Rufen seines Namens zog ihn zurück aus seinem Grübeln. Schweigend sah er zu Kurenai auf und hob seine freie Hand, um ein paar dunkle Strähnen aus ihrem Gesicht zu schieben. Wie eine Katze neigte sie ihren Kopf in seine Berührung und lächelte müde. Asuma schmunzele und legte seinen Kopf in die andere Richtung. 

 

„Ninja Hunde. Eigentlich gar keine so schlechte Idee.“

 

„Asuma…“

 

Er schlang mit einem wölfischen Grinsen einen bronzenen Arm um ihre Taille. „Ich mag es, wie du denkst.“

 

Kurenai schnaubte spottend, doch ihre Augen waren voller Wärme. „Nun, ich glaube fast, dass du langsam weich wirst, Sarutobi.“

 

Asuma hob eine Braue und ein Hauch von Schabernack tanzte in seinen Augen, als er sie in einer spielerischen Warnung zusammenzog. „So, glaubst du das, huh?“

 

Kurenai fuhr mit ihren Fingern rasch über seinen bärtigen Kiefer hinauf bis zu seiner Schläfe und über seine Stirn und imitierte dabei rennende Füße. „Ich denke auch, dass dein liebster Schüler wahrscheinlich in der Lage sein wird, einen alten Wolf wie dich abzuhängen.“

 

Asumas Lippen bogen sich. Er wusste, dass sie versuchte, ihn abzulenken, ohne seine Sorge einfach so abzutun. 

 

Er spannte seinen Arm um sie herum an und brummte tief. „Kannst du es?“

 

„Hmn?“ Mit ihren Fingern über seinem Mund hielt sie inne. 

 

Asuma schnappte mit einem Grinsen nach den schlanken Gliedern. „Mich abhängen.“

 

Ihre Blicke hielten sich für ein paar Herzschläge und sie wurden näher gezogen von den Fäden aus Anziehungskraft und Zuneigung. Und dann sprang Kurenai auf einmal auf und rannte so schnell los, dass Asuma beinahe in den Tisch krachte, als er versuchte, sie an der Hüfte zu fassen zu bekommen. 

 

Wie bei Erwachsenen, die wieder zu Kindern geworden waren, erfüllten die Geräusche ihrer kleinen Jagd die Wohnung. Sie erreichten ihren Höhepunkt in dem hohen Giggeln der rennenden Kunoichi und dem tiefen Rollen von Asumas Lachen, als er sie verfolgte. 

 

Sie stürzten sich mit ihren feuergefangenen Herzen in das Spiel. 

 

Draußen tobte und raste der Sturm. 

 

Und auf der anderen Seite des Dorfes, schlugen zwei Herzen heftig in einer ganz anderen Art der Jagd. 

 
 

oOo
 

 
 

Der Nara Wald.

 

Es war die unvermeidbare Fluchtmöglichkeit, vielleicht auch die einzige Fluchtmöglichkeit.

 

Der einzige Ausweg. 

 

Und genau deswegen nahm Neji einen Weg, der den des rennenden Chūnins abschneiden würde, sodass er ihn abfangen konnte. Er würde weder gegen die Sicherheit des Waldes verlieren, noch den Hirschen ein Leid zufügen, um den Schattenninja zu fangen, den die Tiere mit Sicherheit beschützen würden. 

 

Beschützen…

 

Nejis Lippen verzogen sich zu einem Knurren und der bösartige Zorn in ihm riss dieses Wort in Fetzen.

 

Er durfte nicht zögern. 

 

Es würde ihn nur seine Schnelligkeit kosten; und die Stärke, die er jetzt brauchte. 

 

Einmal entfesselt, war dieses lauernde Etwas in ihm explodiert; ein Rausch reiner und unverfälschter Raserei. Es trieb ihn vorwärts und verwandelte seinen Körper in eine einzige Woge raubtierhafter Muskeln. Jede Gliedmaße arbeitete in vollkommener Synchronisation mit den anderen, um ihn wie eine Waffe in die Nacht zu schleudern; wie eine Klinge schnitt er durch das undurchsichtige Prasseln des Regens. 

 

Er schloss die Distanz schneller, als Shikamaru sie errichten konnte. 

 

Der Nara fiel kostbare Meter zurück; ob es dabei an Verletzungen oder dem Mangel an Schuhwerk lag, machte keinen Unterschied. Shikamaru würde erfahren, wie es war, zu verlieren. Für Neji bedeutete das einen unausweichlichen Sieg und er würde ihn sich mit derselben kalten und distanzierten Objektivität nehmen, die Shikamaru genutzt hatte, um ihn mit Schatten fest zu ketten und einzusperren wie ein davon gelaufenes Haustier, das geimpft und dann an den Hyūga Haushalt zurückgegeben werden musste.  

 

Bastard…

 

Er war durch Zärtlichkeit gezähmt worden; nur um damit in einen weiteren Käfig geführt zu werden. 

 

Wie ein wildes Tier. 

 

Wie passend also, dass er jetzt der Jäger war. 

 

Er konnte den Schattenninja in der Ferne erkennen; er konnte die glatten nassen Ebenen seines Rückens sehen, während der Regen über die aufgeplatzte Haut strömte. Die Luft war wie Eis. Neji hoffte, dass sie den Nara ebenso verbittert zurückließ, wie es diese Jagd mit ihm machte.

 

Hier ist kein Platz für Gefühle…

 

Er knurrte tief und stürzte sich noch schneller vorwärts. 

 

Hemmungslos ließ er die heiße Flut aus Zorn durch ihn peitschen und das verräterische Aufblitzen von Emotionen ertränken; Emotionen, die in ihn geatmet worden waren, nur um ihn damit zu korrumpieren. 

 

Lügen. Ein Spiel. Eine Mission. Ein Mittel zum Zweck. 

 

Und dann – das leiseste Wispern einer Stimme, die so weit hinten in seinem Verstand eingeschlossen war, dass er kaum bemerkte, dass sie da war. Eine Stimme, die nicht zornig war, nur unglaublich und qualvoll traurig. 

 

Warum, Shikamaru?

 

Der Schmerz war wie Sprengstoff; doch genauso war es die Wut, die ihm folgte. Neji verschlang die letzten Schritte zwischen ihnen mit einem plötzlichen Ausbruch von Aggression, der ihn direkt in Shikamarus Seite rammte wie einen Hammer auf einen Amboss. 

 

Etwas knackte scharf und laut. 

 

Shikamaru würgte einen gellenden Schmerzschrei hervor, der es beinahe schaffte, den roten Nebel in Nejis Verstand zu durchdringen. 

 

Beinahe; aber eben nicht ganz. 

 

Hart schlugen sie auf dem Boden auf und krachten mit einem ekelerregenden Quetschen und Gleiten in den Teppich aus nassem Laub und Schlamm. Die regengeprügelte Erde wurde unter ihnen aufgewühlt, während sie miteinander rangen und der Matsch haftete wie klebrige Finger an ihnen. 

 

Ein weiterer weißer Riss versengte den Himmel. 

 

Neji schwang sein Bein herum und setzte sich rittlings auf den Körper unter sich, ruckte heftig an einem von Shikamarus Armen und pinnte das Handgelenk des Nara über seinem Kopf fest. Der Winkel zog den Rippenbogen des Chūnins wie auf einer Streckbank lang und der strangulierte qualerfüllte Schrei, den die Dehnung aus Shikamarus Kehle riss, wurde vom Donner ertränkt. 

 

Neji hörte es nicht. 

 

Alles, was er hören konnte, war das Brüllen von Blut in seinen Ohren und das Heulen des Windes. 

 

Blitze knisterten und gingen in kurzer Entfernung wie gezackte Bolzen nieder. 

 

Nejis Augen verengten sich und ruckartig kam er zurück auf die Füße, wobei er Shikamaru unsanft mit sich zerrte. 

 

Er würde nicht zulassen, dass der Sturm all den Schaden anrichtete. 

 

Benommen von dem Sturz und welchen Schmerzen auch immer, die er durchleiden musste, unternahm Shikamaru nur einen sehr schwachen Versuch, sich zu wehren, den Neji mühelos im Keim erstickte, indem er den Nara gnadenlos zurück zum Haus trieb. Derselbe Ausgang, den Shikamaru genommen hatte, wurde jetzt der Zugang und Neji stieß den Schattenninja mit dem Kopf voran in den Raum. 

 

Und diesmal überraschte Shikamaru ihn. 

 

Der Nara fing sich mit einer Hand gegen die Sofalehne ab, schob sich nach oben und wirbelte unbeholfen herum. Neji wehrte den Hieb gegen sein Gesicht ab und verhakte ruckartig ihre Handgelenke, bevor der Schlag treffen konnte. Das Geweihornament in Shikamarus Hand kratzte beinahe über die Wange des Hyūga. 

 

„Hn.“ Neji spähte aus dem Augenwinkel auf die provisorische Waffe. „Nutzt du diesmal das scharfe Ende? Wie es scheint befinden wir uns endlich auf derselben Wellenlänge.“

 

Shikamarus Gesicht verzog sich vor Schmerz. 

 

Neji redete sich selbst ein, dass es rein physischer Natur war und dass der Ausdruck in diesen dunklen Augen nichts weiter als ein Trugspiel der Schatten und des mageren Lichtes war. Er wagte es nicht, sich zu lange auf irgendeinen Aspekt der Gesichtszüge des Nara zu konzentrieren. 

 

Und in der Dunkelheit ging das auch nur allzu leicht. 

 

In der Dunkelheit musste er nicht Shikamarus Blut und die Verletzungen sehen – sie waren ebenso unsichtbar wie die rohen Bruchstücke in seiner eigenen Brust. Wie leicht es war, einfach zu verleugnen und sich nur darauf zu konzentrieren, um sich zu schlagen, statt sich dem Schmerz zu stellen, den es verursachte und dem Blut, das dadurch vergossen wurde. 

 

Und dann ließ Shikamaru das Geweih los. 

 

Scheppernd schlug es auf dem Boden auf. 

 

Angewidert schubste Neji ihn mit einem Knurren zurück. „Heb es auf.“

 

„Nein…“

 

Shikamaru krümmte einen Arm über seine Rippen und die von Knochen durchbohrte Haut. Sein Körper schimmerte vor Regen und Schweiß und etwas anderem, das rot gewesen wäre; und roher als beides, als er schwer keuchend zurück taumelte. 

 

„Du hast einen verhängnisvollen Fehler begangen, wenn du dachtest, dass ich das einfach so auf sich beruhen lassen würde, Nara.“

 

„Ich habe niemals…gedacht…dass du das tun würdest…“, erwiderte Shikamaru qualvoll nach Luft schnappend. „Ich habe…niemals erwartet, dass du…“

 

„Deine Worte sind nichts weiter als Asche auf einer Zunge aus Lügen.“

 

Shikamarus Miene wurde düster und seine Stimme angespannt. „Ich würde darauf wetten, dass du dich dadurch mehr in der Kontrolle fühlst.“

 

Freudlos bogen sich Nejis Lippen nach oben. „Wirklich clever, Nara. Ich habe nichts weniger von dir erwartet. Meine Werte dafür zu nutzen, um mich zu manipulieren; ist schließlich nicht so, als wäre dir das nicht dienlich gewesen.“

 

„Das ist nicht wahr.“

 

Neji verhärtete seine Gesichtszüge, bevor er sich näherte. „Ach nein? Dann sag mir nochmal, dass du nur Befehle befolgt hast. Auf einen Schlag entscheidet sich ein immerzu wegrennender Feigling wie du dazu, sich wie ein pflichtbewusster Shinobi zu benehmen.“

 

„Nein, das ist nicht der Grund, aus dem ich es getan habe…“

 

Neji schnaubte und ließ zu, dass sein Zorn alle Gefühle auslöschte; eine sterbende Flamme in dem kalten Abgrund seiner Brust. Er näherte sich einfach immer weiter und zwang Shikamaru den Gang entlang zurück zum Zimmer des Nara. 

 

„Erspar mir dein Gefasel, Nara.“, spie Neji überschäumend und verbittert aus; und da war noch etwas anderes dazwischen. „Du hast wissentlich meine Chance aufs Spiel gesetzt, das zu erreichen, von dem du genau wusstest, dass ich mein Leben dafür geben würde.“

 

„Und genau deswegen konnte ich es dich nicht tun lassen.“, krächzte Shikamaru und hielt so plötzlich inne, dass Neji ebenfalls stehen blieb und einen Schlag erwartete. 

 

Doch der Nara machte keinerlei Anstalten, ihn anzugreifen. 

 

Mit einem zerfetzten Keuchen lehnte er sich gegen den Türrahmen. 

 

„Dein Leben ist mehr wert als dein finales Ziel…“, sagte Shikamaru und seine Stimme wurde schwer und rau vor Emotionen. „Und auch wichtiger als das, was auch immer ich für dich…“ Er brach ab und schüttelte den Kopf. 

 

„Was auch immer du was, Nara?“

 

Shikamaru schloss die Augen und drehte seine Stirn gegen den Rahmen, als er sich darum bemühte, die Worte aus seiner Kehle zu zwingen. „Ich habe es dir schon gesagt…wenn du mich hassen musst…dann hasse mich…“

 

Nejis Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. „Wie nobel von dir.“

 

„Daran ist überhaupt nichts Nobles…“ Shikamarus Wimpern hoben sich ein wenig und offenbarten dunkle Augen, die seltsam erleuchtet waren, trotz des Mangels an Licht. „Aber ich kann es immer noch ertragen, dass du mich hasst…“

 

Für einen Moment schien der rote Nebel, der in Nejis Kopf wogte, dünner zu werden und sich in etwas weniger Konzentriertes aufzulösen. Etwas, das sich weniger sicher war. Shikamaru begegnete seinem Blick und die kummervolle Stimme des Nara wurde von krampfigen Atemzügen begleitet. 

 

„Denn das zu tun, was ich tun musste…und daran zu denken, was passiert wäre, wenn ich es nicht getan hätte…oder es anders versucht hätte…das Ergebnis wäre immer dasselbe gewesen…und das zu wissen zerreißt mich schlimmer, als du es jemals könntest.“

 

Neji versteifte sich an Ort und Stelle. 

 

Unfähig, darauf zu reagieren; unfähig zu denken, während diese Worte durch seinen Verstand schwebten.

 

Lügen…

 

Verzweifelt packte er nach dem rücksichtslosen Zorn in ihm; hielt sich an dem Bedürfnis fest, den zu strafen und zu attackieren, der ihn so tief zerbrochen und verraten hatte. 

 

Doch die Wut entglitt seiner Reichweite. 

 

Sie entschwand zwischen den Stäben, die nicht existierten, denn jetzt gab es nichts mehr, das sie hielt; keine Zurückhaltung, keine Kontrolle, keine Fluchsiegel oder Chakrablockaden. Götter und wenn die Wut entschwand…dann würde nur noch eine einzige Sache übrig bleiben; das verletzte Etwas in seiner Brust, das von seinem Zorn beschützt wurde.

 

Das Etwas, das roboterhaft um sich schlagen sollte; nicht noch einmal zerbrechen.

 

Nein…

 

Nejis Augen weiteten sich. 

 

Götter, wenn er nicht schützen konnte, was von seinem Herzen noch übrig war; welchen Nutzen hatte er dann noch dafür?

 

Er wich einen Schritt zurück; aufgerüttelt und nieder gerissen zur selben Zeit. 

 

„Neji…“

 

Shikamaru beging den fatalen Fehler, eine Hand nach ihm auszustrecken. 

 

Und mit einem Aufblitzen, das ebenso plötzlich kam wie eine Stichflamme war der Zorn zurück und drängte sich an die vorderste Front von Nejis Verstand, um den Teil von ihm zu schützen, der vielleicht auf die Berührung geantwortet hätte; der vielleicht sogar lange genug über die Wut hinweg gesehen hätte, um zu fühlen, was darunter lag. 

 

NEIN.

 

Neji knurrte und sprang vorwärts, um Shikamarus Hand zur Seite zu schlagen und ihn so brutal zurück zu stoßen, dass der Nara quer durch das Zimmer katapultiert wurde und mit einem Federn auf dem Bett aufschlug, das ihn gleich wieder davon herunter geworfen hätte, wenn Neji sich nicht auf ihn gestürzt hätte. 

 

Shikamaru schrie gellend vor Schmerz auf und versuchte, stabilisierend und schützend einen Arm um seine Rippen zu schlingen. 

 

Neji war vollkommen taub für seine Qual und blind für seine Panik; pinnte ihn rücksichtslos fest. 

 

Opalaugen überzogen sich mit gefühllosem Frost. 

 

„Es macht dir Spaß, meine Wunden aufzureißen, oder, Nara?“, zischte er mit einer Stimme, die so kalt war wie flüssiger Stickstoff und die Luft mit jeder Silbe in arktische Temperaturen tauchte. „Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, um ein paar von deinen aufzureißen.“

 

Shikamarus Augen weiteten sich und ihr feuchtes Schimmern wurde schlagartig von einer Welle aus Furcht erfüllt, die sich rasch zu eiskaltem Obsidian verhärtete. Er wurde vollkommen ruhig und sehr still unter Neji und starrte durch Augen zu ihm hinauf, die plötzlich unlesbar waren. 

 

„Geh runter von mir, Neji.“, sagte er mit leiser und harter Stimme. 

 

Da. Eine Narbe. Eine Wunde. 

 

Die Reaktion machte Nejis Iriden noch wilder und er packte härter zu; die eine Hand um Shikamarus Kehle gelegt und die andere nagelte das linke Handgelenk des Schattenninjas fest, während das rechte unter seinem Knie gefangen war. 

 

„Du bist nicht der Einzige, der Narben aufschneiden kann.“

 

„Geh runter von mir.“

 

Neji beugte sich weiter nach vorn; Regenwasser tropfte aus seinen Strähnen und auf Shikamarus Gesicht. Es rann über die scharfen Konturen, die von einer Maske verhärtet wurden, die es jedoch nicht schaffte, die Wahrheit zu verbergen. Angst. Angst unter stählernem Zorn. Neji konnte es beinahe riechen. Er packte Shikamarus Kehle fester und krümmte seinen Daumen, um damit über den Kiefer des Nara zu streichen; eine Parodie von Zärtlichkeit. 

 

„Du hast gesagt, niemand hätte dich jemals so gesehen und so berührt, wie ich es getan habe.“, säuselte er. Seine Lippen schwebten nahe genug an Shikamarus, um erkennen zu können, dass der Schattenninja den Atem anhielt. „War das eine weitere Lüge, Nara?“

 

„Geh. Runter. Von. Mir.“

 

„War es das? Ich glaube ja, dass mir da jemand anderes zuvor gekommen ist.“

 

Shikamaru schloss die Augen. „Ich werde mich nicht mit dir dorthin begeben.“

 

„Wer war es?“ Neji strich ihre Lippen übereinander; sein Atem liebkoste Shikamarus Mund wie ein Todeskuss – gespenstisch und eisig. „Wem hast du diese Kontrolle über dich gegeben, Shikamaru?“

 

„Kontrolle…“ Shikamaru knurrte und riss mit noch immer geschlossenen Augen seinen Kopf zur Seite. „Bei dir geht es immer wieder nur darum, oder?“

 

Neji hob eine Braue und drehte den Kopf, um seine Lippen weiterhin in kalter Intimität direkt über Shikamarus halten zu können. „Du solltest es wissen. Aber das hast du ja bereits, oder?“

 

Shikamarus Lider pressten sich noch fester zusammen. 

 

Nejis Finger schnellten nach oben und zwangen das Kinn des Nara in seine Richtung. „Du hast es gewusst und trotz dieses Wissens hast du sie mir entrissen, als ich am schwächsten war.“

 

Shikamarus Augen flogen auf und glühten wie heiße Kohlen. „Das ist nicht, was passiert ist!“

 

„Ach nein?“, konterte Neji und eine scharfe Kante schlich sich in seine Stimme. „Dann sag mir, dass dazu gezwungen zu werden sich ‚zu fügen‘ nicht viel anders war als das, was auch immer dir zugestoßen ist.“

 

Die Schneide seiner Worte traf genau ins Schwarze. 

 

Shikamaru bockte scharf nach oben und grollte gegen seinen Mund. „Wie zur Hölle kannst du das dasselbe nennen?!“

 

„Ist es das, was mit dir passiert ist, Nara?“

 

Ebenso schnell wie Shikamarus qualvoller Zorn explodiert war, schrumpfte er wieder zu einem kontrollierten Brennen zusammen, das tief in diesen dunklen Seen schwelte. Neji spürte, wie der Kiefer des Nara in seiner Umklammerung zuckte und er beobachtete, wie sich die Sehnen im Hals des Schattenninjas ruckartig straff zogen. 

 

Nur der Donner sprach und brüllte tief, während der Regen herab stürzte. 

 

Neji ließ seine Augen über das beschattete Gesicht unter sich wandern; musterte es intensiv. „Was ist dir zugestoßen?“

 

Shikamaru schluckte schwer und würgte ein bitteres Schnauben hervor. „Was denn, stehst du etwa auf den Gedanken daran, Hyūga?“

 

„Beantworte meine Frage.“

 

„Nein.“

 

„Wer war es?“

 

„Fahr zur Hölle, Neji.“

 

„Du hast mich bereits dorthin geschickt. Sag es mir…“ Neji lehnte sich nach vorn und ihre Stirnen berührten sich beinahe; es täuschte Zärtlichkeit auf eine so bittere Weise vor, dass es nach Galle schmeckte. „War es jemand, dem du ebenso sehr vertraut hast, wie ich dir?“

 

Shikamarus Lider pressten sich hart aufeinander und seine Gesichtszüge zuckten heftig. „Wenn du einen weiteren Grund haben willst, um kämpfen zu können…dann werde ich dir einen geben…aber nicht diesen…“

 

„Du musst mir nicht wirklich einen Grund geben, Nara. Ich versichere dir, dein Verrat hat bereits alle Kriterien dafür erfüllt.“

 

„Ich habe es nicht getan, um dich zu verraten.“

 

„Natürlich, denn es war ja nichts Persönliches, oder?“ Neji zog seinen Kopf etwas zurück und fuhr mit den Lippen über Shikamarus aufgeplatzte Wange, um seinen Mund an das Ohr des Schattenninjas zu legen. Das verführerische Murmeln seiner Stimme war so schwer wie verschüttete Tinte; befleckt und schwarz vor Bedrohung. „Ich jedoch sehe es als sehr persönlich an, gefickt zu werden.“

 

Shikamaru versteifte sich. 

 

Neji grinste bitter angesichts der Reaktion. „Sag mir; hat dir die Godaime explizit aufgetragen, mich bis zur Hirnlosigkeit zu vögeln, sodass ich töricht genug wäre, zu denken, dass ich dir vertrauen kann? Oder sollte ich dieses Manöver einzig und allein deinem Hirn zuschreiben?“

 

Shikamaru atmete bebend aus und seine Stimme war nicht mehr als ein raues Wispern. „Neji.“

 

Der Klang dieser Stimme und wie sie bei seinem Namen zerbrach trieben Risse in das Eis von Nejis Miene, doch er verhärtete sie sofort wieder. Seine Augen schlossen sich, als er energisch die wilde Rüstung seines Zorns anlegte und sie eisig um seine Worte und sein Gesicht legte. 

 

Er würde sich nicht von dieser List aus Emotionen einwickeln lassen. 

 

Lügen…

 

Neji zog sich zurück und hob die Lider, um unberührt nach unten zu starren. Doch seine Stimme verriet ihn; ein haarfeiner Riss zog sich durch sie hindurch. 

 

„Du bist wirklich ein exzellenter Stratege und Manipulator. Du hast mich makellos ausgespielt.“ Er machte eine Pause und schüttelte etwas ungläubig den Kopf, während sich sein Daumen in Shikamarus Kiefergelenk grub. „Ich wäre beeindruckt gewesen; wenn es nicht auf meine Kosten gewesen wäre.“

 

Shikamaru drehte mit einem scharfen Rucken sein Kinn frei. „Hast du jemals auch nur eine Minute innegehalten, um darüber nachzudenken, warum zur Hölle ich es überhaupt getan habe?“

 

„Du hast es selbst gesagt.“, erinnerte Neji ihn und lehnte sich wieder nach vorn. „Befehle der Hokage, was im Klartext bedeutet, alle Mittel einzusetzen, die nötig sind. Und deine bestanden darin, meine Defensiven nieder zu reißen; und das auf eine Weise, auf die es noch niemand jemals zuvor gewagt hat. Eine gleichgültige, aber durchaus effektive Taktik.“

 

Shikamarus Augen flogen auf und stierten mit einem weiteren heißen Ansturm von Gefühlen nach oben. „Es war niemals eine Taktik.

 

„Du musst deine Motive nicht verteidigen, Nara.“

 

„Als würdest du zuhören, selbst wenn ich es versuchen würde…“

 

„Spar dir den Atem.“, schnappte Neji erhitzt und rammte Shikamarus Handgelenk wieder nach unten, als es der Schattenninja beinahe frei bekommen hätte. „Du hast die Dinge rücksichtslos bis zum Ende durchgezogen; völlig ungeachtet der Mittel.“

 

„Das ist nicht wahr!“

 

„Ungeachtet des Preises. Und was hat es dich gekostet, Nara? Nichts!

 

Shikamaru schüttelte heftig den Kopf. „Gott, du liegst so falsch…“

 

„Lügner. Du hattest nichts zu verlieren. Und ich hatte alles zu verlieren!“

 

„Dein verdammtes Leben mit eingeschlossen!“, schrie Shikamaru heiser und sein Nacken bog sich durch, als er seine strangulierten Worte gegen Nejis Mund brüllte; seine Augen glommen vor Schmerz. „Du willst, dass ich sage, ich würde es bereuen, dass ich dich nicht habe sterben lassen? Schön, dann fick dich, denn das wird niemals passieren!“

 

Getroffen und auf der raschen Suche danach, zurück zu schlagen, schnaubte Neji bissig. „Mich ficken? Was für eine traurige Wortwahl, Nara.“ Er schob seine Hand zwischen ihnen nach unten, um brutal Shikamarus Hüfte zu packen. „Vor allem jetzt, da ich dich unter mir habe.“

 

Und nur einen Herzschlag nach diesen Worten passierte es. 

 

Shikamaru bäumte sich mit einer Kraft auf, die Neji vollkommen überraschte. 

 

Sie explodierte geradezu. 

 

Der Schattenninja schoss nach oben und brachte Neji genug aus dem Gleichgewicht, um seine Hand zu befreien, eine Faust zu ballen und sie so hart in Nejis Kiefer zu hämmern, das Blut aufspritzte und beinahe der Knochen brach. Der Kopf des Jōnins wurde nach hinten gerissen. 

 

Fauchend reagierte Neji aus reinem Instinkt und schnappte die Hand, um sie hoch nach oben zu halten. 

 

Der Winkel zog ihre Oberkörper direkt aneinander und die Schenkel des Hyūga schlossen sich wie Granit um den Nara; ebenso hart wie der Griff um die sich windenden Handgelenke. 

 

„Geh verfickt nochmal runter von mir!“, schrie Shikamaru, tobte und schlug so wild um sich, dass das Bett ruckte und ächzte.

 

Blut sickerte schwallartig aus der Wunde an seinen Rippen, die von Nejis vorherigem Angriff gebrochen waren. Doch ganz offensichtlich nahm der Nara diesen Schmerz überhaupt nicht wahr, denn er kämpfte wie etwas Besessenes. Wie ein Tier, das in der Schlinge gefangen saß und dessen Leben an einem seidenen Faden hing. 

 

Brutal, verzweifelt, wahnsinnig. 

 

Neji starrte nach unten; vollkommen schockiert von der Wucht dessen, was sich dort unter ihm in blinder Panik und aufbauendem Zorn entfesselte. Er war jenseits seiner Vorstellungskraft, wie diese Art tollwütiger Angst und brachialer Wut in jemandem wie Shikamaru existieren konnte.

 

Götter, was ist dir nur zugestoßen?

 

Er konnte spüren, wie das Chakra in dem Schattenninja brodelte wie kochendes Öl; es spritzte und knisterte und bräuchte nur einen winzigen Funken aus Licht, um sich zu entzünden und die Schatten wie eine Feuersbrunst aus schwarzen Flammen zu entfesseln. 

 

Doch Shikamarus Waffen waren fort; er war bloßgelegt und ohne Defensiven. 

 

Wie Neji es gewesen war. 

 

Der Hyūga hätte Genugtuung verspüren müssen. 

 

Aber alles, was Neji fühlen konnte, war eine grauenhafte Qual, die sich durch seine Brust stach. 

 

Als hätte er sich eine Klinge durch sein eigenes blutendes Herz gerammt, um es eigentlich in Shikamarus zu treiben; es war eine entsetzliche Art von Schmerz. 

 

Eine, die er noch nie zuvor verspürt hatte. 

 

Der Hyūga hielt sich selbst angespannt; seine Muskeln waren wie Marmor unter seiner Haut. Doch Shikamaru dabei zuzusehen, wie er versuchte, um sich zu schlagen und wie er kämpfte, ließ Nejis Zorn bröckeln; es brach das Eis in seinen Augen und den Stahl in seiner Stimme auf. 

 

„Hör auf!“, schnappte er und presste sich fest gegen den sich heftig windenden Körper. „Ich bin in meinen Methoden nicht annähernd so gefühllos wie du.“

 

Shikamaru fuhr unbeirrt fort zu kämpfen, aber die Anstrengung machte seinen Atem dünn und sein Blut schwer. Neji hielt ihn weiterhin fest und wartete, bis das Adrenalin ausblutete. Die Anspannung zog sich durch den Körper des Nara und entriss ihm etwas von der Stärke – doch zu Nejis Überraschung kämpfte er immer weiter; seine Brust hob sich ruckartig und seine Haut war nass von Schweiß, Regen und Blut. 

 

„Sadistischer Bastard…“, keuchte Shikamaru gegen Nejis Kiefer. „Wenn du mich umbringen willst, dann mach es einfach!“

 

„Was denn?“, knurrte Neji. „Willst du, dass ich dir stattdessen danke?“

 

Shikamaru ließ seinen Kopf zurück auf die Matratze sinken und schüttelte ihn heftig, als er seine Lippen zurück zog und die Zähen fletschte. „Ich wollte niemals irgendetwas von dir! Das ist doch genau der Punkt!“

 

„Du lügender Bastard. Du wolltest, dass ich in meiner Wachsamkeit und Verteidigung nachlasse.“, behauptete Neji geradeheraus und versuchte, irgendwie den furchtbaren Druck und den Schmerz in seiner Brust ablassen zu können. „Und du warst erfolgreich. Beglückwünsche dich selbst. Du bist der erste, der das geschafft hat…und Gott weiß, du wirst der letzte sein. Niemals wieder!“

 

Shikamarus Winden und Kampf wurden weniger bösartig und sein Atem kam in flachen Beben; ein entsetzlicher Schmerz schlich sich in seine Augen. „Neji…“

 

„Vielleicht sollte ich dir wirklich danken.“, zischte Neji und versuchte verzweifelt, das ihm Zaum zu halten, was Shikamarus Qual und Panik aus ihm gezerrt hatten; den Drang, das zu beschützen, was er eigentlich bestrafen sollte. „Du hast erreicht, was ich seit zwei Monaten versuche. Endlich; zum ersten Mal, fühle ich nichts. Psychologisch gesehen bin ich bereits ein ANBU.“

 

Shikamaru hörte vollkommen auf, sich zu bewegen. „Nicht…“

 

„Schmerzt dich das? Es könnte mich nicht weniger kümmern.“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Warst du denn immer so viele Schritte voraus, Nara? Bist du in deinem Kopf so weit voraus gerannt, dass du diesen Moment zwischen uns vorhergesehen hast?“

 

„Gott.“, wisperte Shikamaru zitternd und ein nasser Schleier legte sich über seine Augen, während ihn die Strapazen erschütterten. „Ich habe niemals vorhergesehen, was sich zwischen uns abspielen würde…und ich habe die Chance nicht ergriffen, es aufzuhalten…selbst dann nicht, als mir klar wurde, dass da etwas passierte…“

 

Neji wurde still und hob den Kopf gerade genug, um hinunter in diese schimmernden Seen blicken zu können und versuchte den Stich zu ignorieren, die sie ihm versetzten. „Warum?“

 

„Ich hätte es aufhalten sollen…jedes verdammte Mal…aber das habe ich nicht…ich konnte nicht…“

 

„Warum?“

 

Dunkle Augen schlossen sich erneut. „Wenn du Rache willst, dann solltest du dich besser beeilen.“

 

„Beantworte meine Frage!“

 

„Weil ich dich wollte!“, brüllte Shikamaru, während seine Augen aufflogen; die Wimpern und Lider nass, aber die Tränen wollten nicht fallen. „Ich wollte dich so gottverdammt sehr!“

 

Neji erstarrte; stierte nach unten. 

 

Eine Falte grub sich zwischen seine Brauen wie Shikamarus Worte durch sein Herz. „Warum?“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und seine Finger krümmten sich zu Fäusten. „Ich weiß nicht warum! Ich will nicht wissen warum! Du warst die eine Sache, von der ich nicht wollte, herausfinden zu müssen, was es ist; ich wollte es nicht verstehen müssen!“

 

Und wie gerissene Drahtseile in seinem Inneren, spürte Neji, wie sein Zorn kollabierte. Er packte Shikamarus Handgelenke fester, aber es war ein vergeblicher Versuch festzuhalten. Er starrte in Augen, die so sehr von Kummer und Schmerz überschwemmt waren, dass es dafür sorgte, dass er seinen eigenen vollkommen vergaß. 

 

Nein…

 

„Nein…“, wisperte er kopfschüttelnd. 

 

Shikamarus Blick wanderte über Nejis Gesicht und die Art und Weise, wie er das tat, war so viel potenter als eine Berührung; so viel liebevoller und zärtlicher als ein Streicheln. „Ich wollte dich. Vielleicht habe ich dich gebraucht. Was auch immer es war, ich habe alles genommen, was du mir gegeben hast; wie ein selbstsüchtiger Bastard, als du mich eingelassen hast. Dämlich simpel, genau so.“

 

Neji biss so hart die Zähne zusammen, dass er mit seinen Kiefern Stein hätte zerbrechen können. Krampfhaft schloss er die Lider und er ging tief in sich, um diesen Zorn zu suchen. Er rief danach, verzweifelt versuchend, ihn wieder an die Oberfläche zu zerren, um sich vor diesen lügenden Augen schützen zu können; und diesen brutalen Worten. 

 

„Sei still…“

 

„Es wäre nicht das erste Mal, dass ich dir gesagt habe, dass ich nicht weiß, was zur Hölle ich tue, wenn es um dich geht.“

 

„Sei still, Nara…“

 

Er verstärkte den Griff um Shikamarus Handgelenke; fühlte, wie sich der Druck aufbaute, anschwoll und wuchs mit Wildheit und Wucht. Nur war es kein Zorn, es war keine Rage. 

 

„Ich neige dann dazu, aufzuhören zu denken-“

 

„Es reicht!“

 

„- und dann vermassle ich es. Genau so ist es, Hyūga. Da hast du deine Antwort! Das ist es, was du verfickt nochmal nicht hörst!“

 

„Weil alles, was deinen Mund verlässt berechnet ist! Eine Lüge!“, biss Neji mit bebender Stimme zurück. 

 

Die Emotion in ihm war inzwischen in seiner Kehle und sickerte in seine Stimme. 

 

Schnitt sich in sein Herz. 

 

Aber da war keine Wut mehr…kein Zorn mehr…keine Verleugnung mehr…

 

Gott warum…warum…warum du…?

 

Sieh mich an, verdammt! Es war niemals eine Lüge!“ Shikamaru drehte die Hüften und versuchte Neji dazu zu bringen, die Augen zu öffnen. „Es wäre so viel einfacher, wenn es das wäre! So viel einfacher, wenn ich einfach nur genauso wäre, wie jeder andere auch! Wenn ich dich einfach verarschen und verraten würde, anstatt dass es mich kümmert. Ich bin nicht dein verfickter Clan!“

 

GANZ GENAU!“, brüllte Neji – und es explodierte aus ihm mit einem zerfetzten animalischen Heulen. 

 

Shikamaru erstarrte angesichts des Klanges; angesichts der verheerenden Emotion dahinter.

 

Die Wahrheit unter jeder Lüge, die jemals erschaffen wurde, um sie zu beschützen. 

 

Nejis Lider flogen auf und die opalhaften Seen waren von einer Trauer überflutet, die brannte und seine Sicht verschwimmen ließ. Seine Stimme war kehlig und tief und zerfetzt. 

 

„Hast du jemals daran gedacht, dass mir deine Motive überhaupt nichts bedeuten würden, Shikamaru?! Handlungen sind das, was zählt – was du tust, nicht was du beabsichtigst!

 

Das Leid in seinen Augen ließ Shikamarus Stimme brechen. „Neji…“

 

Neji ließ die Handgelenke des Chūnins los und schob sich auf den Knien zurück, während er mit einer Hand ruckte, um dem anderen Ninja das Wort abzuschneiden. „Erspar mir deine guten Absichten, Shikamaru! Ich bin mein ganzes verficktes Leben mit den Intentionen anderer zwangsernährt worden! Wie kannst du es wagen, mir meine eigenen zu nehmen?!“

 

Shikamaru verharrte mit gequältem Gesichtsausdruck steif auf den Laken und starrte durch weite, verwundete Augen nach oben. 

 

Und wie eine Wand, die in seiner Brust zerbarst, konnte Neji seine Worte genauso wenig noch länger in sich halten wie den Schmerz, von dem sie getrieben wurden; sie strömten in einer Woge aus ihm heraus, die an jeder Sehne seiner Kehle riss und seine Stimme zu einem heiseren bebenden Brüllen verzerrte. 

 

Als würde der animalische Zorn in ihm seinen letzten Atemzug herausschreien. 

 

„Das eine Mal, als ich entschieden habe, mein Schicksal in meine eigenen Hände zu nehmen, wurde es mir entrissen!“, schrie er und packte den Kiefer des Nara, um seine nächsten Worte in einem gebrochenen Knurren zu unterstreichen. „Und es warst DU, Shikamaru! Nicht sie, sondern du!“

 

„Es hat dich umgebracht!“, brüllte Shikamaru zurück und die Tränen verwandelten seine Augen in flüssiges Schwarz, als er sich selbst durch den Schmerz und trotz seiner gebrochenen Rippen nach oben stemmte. 

 

Neji drückte ihn wieder zurück und schob sich rittlings auf Shikamarus Schenkel; sein Körper bebte vor unterdrückter Kraft. „Du hast getan, was ich dir niemals zugetraut hätte.“

 

„Ich musste es tun, verdammt!“, krächzet Shikamaru hervor und griff nach Nejis Nacken um ihre Gesichter aneinander zu ziehen. „Es hat dich umgebracht…“

 

„Nein…“ Nejis Finger gruben sich in Shikamarus Genick; gedacht dazu, ihn fort zu ziehen, aber letztendlich verankerte es sie nur noch enger miteinander. „Zu sein, wo ich bin und zu wissen, dass es anders sein könnte. Dasbringt mich um!“

 

Und dennoch war der einzige Schmerz, den er spürte, der, der sich zwischen ihnen aufbaute, als ihre Münder übereinander strichen. Beide atmeten abgehackt, ihre Stirnen pressten sich aneinander und sie schüttelten ihre Köpfe in entgegengesetzte Richtungen, auch wenn sie den Nacken des jeweils anderen mit derselben Verzweiflung packten. 

 

„Das ist nicht das Gleiche…“, murmelte Shikamaru gegen seine Lippen und seine freie Hand krallte sich in die dichte feuchte Mähne von Nejis Haar, presste und drehte ihre Stirnen noch fester aneinander. „Du weißt, dass es nicht das Gleiche ist…“

 

„Es alles das Gleiche…“

 

„Nein, das ist es nicht.“

 

Nejis Lippen öffneten sich gegen Shikamarus und seine Zähne bissen sich in einem Knurren aufeinander; doch seine Gesichtszüge zerbrachen. „Wenn mich das umgebracht hat, Shikamaru, dann hättest du es zulassen sollen…“

 

„Nein.“

 

„Es war meine Entscheidung; verdammt seist du!“

 

Shikamaru riss an den Mokkasträhnen und zog ihre Gesichter ein Stück auseinander, um ihre Blicke verschmelzen zu können; schimmernder Mondstein auf glühendem Schwarz. 

 

„Dann hasse mich dafür, Neji.“

 

„Denkst du nicht, dass ich das will?“

 

„Warum kannst du es dann nicht?!“

 

„Weil du für mich so nah an Freiheit bist, wie ich es noch nie erlebt habe, du Bastard!“, brüllte Neji; eine einsame Träne entkam ungesehen und unbemerkt aus dem Winkel seines linken Auges. „Hast du irgendeine Ahnung, was zur Hölle du mit mir machst, Shikamaru?!“

 

Stille. 

 

Eine Stille, die so schwer war mit Emotionen, dass die Luft unter ihrem Gewicht zu taumeln schien. 

 

Selbst der Sturm schien auf einmal weit entfernt zu sein. 

 

Alles, was existierte, war der, der zischen ihnen rollte. 

 

Shikamarus Stirnrunzeln zerbarst und in dem Glühen eines Blitzes schimmerten seine Tränen wie Silber in den schwarzen Seen seiner Augen. „Ja…“, hauchte er. 

 

Es war genauso wenig eine Lüge wie der Ausdruck auf seinem Gesicht. 

 

Nur ein einziger Blick verursachte einen einzigen Riss – und das war alles, was nötig war. 

 

Die letzte Mauer in Neji – stürzte ein.

 

Er erschauerte ein einziges Mal, als würde ihn das Kollabieren jeder einzelnen Lüge durchbohren; schwer und brutal und pochend in seinem Puls. Bebend schloss er die Lider. 

 

„Götter, du zerbrichst mich…“, wisperte er. 

 

Lippen strichen zaghaft über seine eigenen. „Neji…“

 

Neji hob seine Hände, um Shikamarus Kopf zu umfassen und lehnte sich nach vorn, bis seine Worte zitternd gegen den Mund des Nara rollten. „Du zerbrichst mich…und dennoch bist du alles, was ich atmen kann…“

 

Und die Wahrheit hätte roher nicht kommen können; sie drang in Nejis Lungen ein und wogte wieder hinaus, kroch durch jede Vene und jede Faser und zog sich noch stärker durch die Saiten dieses unentrinnbaren Bandes, das beide Shinobi an den jeweils anderen gebunden hatte. 

 

Neji war gekommen, um dieses Band zu zerbrechen. 

 

Um Shikamaru zu zerreißen, um es zu finden; es zu zerstören und fort zu schleudern. 

 

Ich kann nicht…

 

Neji zog sich ein wenig zurück und sah tief in die das tiefe Siennabraun von Shikamarus Augen; dorthin, wo die Wellen nasser Emotionen noch immer kummervoll schimmerten. 

 

Ich konnte es nie.

 

Der Klang zitternden Atems zog seinen Blick hinunter auf den Mund des Nara. Der Schattenninja atmete krampfhaft um seine locker zusammengebissenen Zähne. Die flachen, scharfen Luftzüge deuteten klar auf den wachsenden Schmerz hin, den er verspüren musste.

 

Shikamarus Stimme brach aus ihm heraus; roh und heißer wie zermahlener Fels. „Habe ich dich jemals gefunden…nur ein einziges Mal…bevor ich dich verloren habe…?“

 

Die Frage hätte Neji auf die Knie gezwungen, wenn irgendetwas in ihm noch stehen würde. Intensiv und lang sah er in Shikamarus Augen. Und dann lehnte er sich wortlos nach vorn. Shikamarus Wimpern neigten sich; dicht und schwarz, als Neji seine Lippen über die geschlossenen Lider strich und den bitteren Stich von Salz schmeckte. 

 

„Gott, habe ich dich jemals gefunden…?“, wisperte Shikamaru gegen seine Kehle. 

 

Der Jōnin antwortete nicht. Er schob einfach nur eine Hand nach vorn, um zaghaft Shikamarus Nacken zu massieren; und dann griff er mit einem kalkulierten Druck zu, der den Schattenninja in die schmerzlose Umarmung von Bewusstlosigkeit fallen ließ. 

 

Shikamaru sackte nach hinten.

 

Neji fing ihn auf und legte ihn behutsam auf den Laken ab. 

 

Und dann setzte sich der Hyūga zurück auf seine Fersen und starrte auf ihn hinunter; mit nur der einzigen schimmernden Bahn einer Träne, die eine Narbe in die Maske grub, die er über sein Gesicht gezogen hatte. 

 

„Jedes Mal…“, wisperte er.

 

_____________________

 

Ehrlich gesagt will - und kann - ich zu diesem Kapitel nicht wirklich viel schreiben...außer die Bitte an alle Leser/innen, mir hierzu eine Meinung oder Kommentar dazulassen, denn das war das bisher am schwersten zu schreibende Kapitel von ganz BtB.
 

Ich danke wie immer allen Reviewer/innen und Leser/innen für eure Unterstützung! Ich hoffe, ihr findet das Kapitel gelungen, über ein paar Worte würde ich mich wirklich riesig freuen! <3

Because I'm his friend

‚Was ist ‚starkes‘ Hyūga Blut, Vater?‘

 

‚Blut ist nichts weiter als Wasser in unserem Clan.‘

 

‚Was bedeutet das?‘

 

‚Nichts. Halt still. Wer hat dir das angetan?‘

 

‚Hitaro-sama hat gesagt, dass ich die Hauptfamilie beschützen muss.‘

 

‚Warum hat er dich geschlagen?‘

 

‚Weil ich gesagt habe, dass ich dich zuerst beschützen würde.‘

 

‚…diese Dinge darfst du zu den Ältesten nicht sagen, Neji. Sag sie überhaupt nicht.‘

 

‚Aber du hast mir gesagt, dass ich immer die Wahrheit sagen soll.‘

 

‚Manche Wahrheiten fühlst du, aber du darfst sie niemals aussprechen.‘

 

‚Kann ich sie mir denken?‘

 

‚Es spielt keine Rolle, was wir denken. Was eine Rolle spielt, ist, was wir tun.‘

 

Neji blinzelte und sein Verstand schlug die Tür zu dieser Erinnerung zu.

 

Die Welt begann zurückzukehren, oder vielleicht war er es, der zurückkehrte; zurück von der Vergangenheit als würde er aus einem Traum aufwachen. Die Realität machte sich in flüchtigen Irrlichtern bemerkbar. Das Brüllen des Sturms…ein grelles Aufflammen von Blitzen…der Geruch von Holz und Erde…das schmerzerfüllte Beben einer Atmung…die wässrigen Finger aus Regen, die sich auf zerfetzter Haut spiegelten und darüber wanderten.

 

Sehr langsam und durch den Schleier seines unfokussierten Blickes, nahmen die verschwommenen Eindrücke schärfere Definitionen an. 

 

In der Dunkelheit sah Shikamarus Blut schwarz aus. 

 

Surreal, doch es rann wie Tinte aus der Wunde; beinahe, als würden stattdessen Schatten aus ihm bluten. Ein Schwall davon drang schimmernd mit jedem ruckartigen Heben und Fallen der Brust daraus hervor. 

 

Neji starrte mit weiten Augen; unfähig, sich zu bewegen. 

 

Er fühlte sich in dem Griff einer Kälte gefangen, die scheinbar jeden Muskel in ihm einzementiert hatte. Der rote Nebel hatte seinen Verstand vollkommen verlassen und ließ ihn mit einer schlagartigen Klarheit seiner Gedanken zurück, der er sich nicht stellen wollte. Er hatte darauf reagiert, indem er sich in eine Erinnerung zurück gezogen hatte; an einen Ort und zu einer Zeit, die weit von der Gegenwart entfernt waren, die durch seine eigenen Hände zerstört worden war. 

 

Aber davon gab es jetzt kein Entkommen. 

 

Seine Augen wanderten über Shikamarus Rippen. 

 

Repariere es.

 

Der Befehl erklang aus einem Teil seines Hirns, der nicht von dem Schock betäubt worden war, der jetzt rasch verging.

 

Repariere, was du zerbrochen hast.

 

Das konnte er verstehen. Das war etwas, das er wusste. 

 

Das konnte er tun.

 
 

xXx
 

 
 

Es war ein langer Prozess, durchgeführt mit einer Geduld und Zärtlichkeit von Berührungen, die es schwer machten zu glauben, dass Neji auch derjenige war, der diesen Schaden überhaupt erst verursacht hatte. 

 

Er ging absolut akribisch vor. 

 

Kein Teil von Shikamarus Haut blieb unberührt. 

 

Der Hyūga reinigte ihn mit gewissenhafter Konzentration; wie ein Archäologe, der jeder Kontur dessen, was er restaurierte, mit absoluter Hingabe und Liebe zum Detail folgte. Doch es war das, was nicht gesehen werden konnte, was den Jōnin mehr besorgte als das, was an der Oberfläche lag. 

 

Der Hyūga legte die nassen Tücher, Salben und medizinischen Mittel beiseite und ließ sich zurück auf die Knie sinken. Langsam schloss er die Augen und hob zwei bebende Finger in einem Zeichen, um die Glieder nur wenige Zentimeter entfernt an seine Lippen zu halten. 

 

„Byakugan!“

 

Der Schmerz fühlte sich wie eine Detonation in seinem Schädel an und sein erschöpftes Chakra brüllte vor Anstrengung. Neji drängte sich gnadenlos hindurch und sein Kiefer verkrampfte sich, als er sich darum bemühte, seinen Fokus aufrecht zu erhalten. 

 

Ich werde das halten.

 

Er ließ seine Augen auffliegen und die unheimlich definierten Pupillen schrumpften und dehnten sich aus, als er darum kämpfte, sein Dōjutsu aufrecht zu erhalten. Ein rasches Zucken seines Blickes über Shikamarus Körper lokalisierte schnell alle gebrochenen Rippen. Drei. Eine weitere Überprüfung bestätigte ihm, dass die Lungen nicht entzündet oder durchstochen waren. Und der dritte Schwung seines Blickes scannte alle anderen lebenswichtigen Organe. Klar erkennbar, gesund, stark.

 

Neji verharrte bei dem Herzen des Nara und sah zu, wie der Muskel schlug. 

 

Und dann schrumpften die Venen um seine blassen Augen und glätteten sich; die weißen Seen zogen sich vor Schmerz zusammen. Neji ignorierte es völlig und machte sich stattdessen daran, Verbandsmull über dem hässlichen Riss an Shikamarus Rippen anzubringen. Die Verwendung einer Kompressionsbinde auf den gebrochenen Knochen würde das Risiko einer Pneumonie nur erhöhen. Sicherzustellen, dass Shikamaru richtig atmen konnte war essentiell. 

 

Atme…

 

Die Ironie war bitter. 

 

Als Neji sich um alle anderen Schnitte und die schwärzlichen Hämatome gekümmert hatte, war das Brüllen des Donners schon lange etwas Leiserem und Sanfterem gewichen; die Blitze entschwanden zu einem zaghaften Wetterleuchten unter einem sich ergebenden Himmel. 

 

Der Regen hatte aufgehört. 

 

Und er ließ eine aufgeladene und schwere Stille zurück; als würde die Zeit den Atem anhalten. 

 

Neji lehnte sich etwas zurück, während seine Augen über den bewusstlosen Körper vor sich wanderten. Aufmerksam suchte er, ob es noch weitere Verletzungen gab, die er behandeln müsste. Sehr bald stellte er fest, dass er an den unwahrscheinlichsten und unbedeutendsten Orten nachsah. Er drehe Shikamarus Hände, um die Handflächen zu überprüfen und wünschte sich beinahe, noch irgendetwas zu finden, nur um sich davon abhalten zu können, die Situation in einem neuen Licht betrachten zu müssen. 

 

Doch alles, was er fand, waren die Falten in der Haut des Schattenninjas. 

 

Bestimmung…

 

Vielleicht, wenn er nur genau genug hinsehen würde, hätte er sich selbst gefunden; hinein geschrieben in die Linien der Hand des Nara. Er konnte mit Handlesen überhaupt nichts anfangen, auch wenn Tenten es einmal geschafft hatte, ihn dazu zu bringen, sich ein einziges Mal aus der Hand lesen zu lassen; die Vorstellung einer Zukunft, die in Haut verschlüsselt und festgelegt war, hatte seine einst fatalistische Philosophie nur noch mehr verschärft. 

 

Hat uns das Schicksal zum Narren gehalten, Shikamaru? Vielleicht warst du schon immer unter meiner Haut. 

 

Unter seiner Haut, in seinen Venen, in seinem Blut…es war purer Wahnsinn. 

 

Aber er konnte es nicht leugnen. 

 

Neji strich mit dem Daumen über Shikamarus Lebenslinien, bevor er die Handfläche des Nara drehte und die aufgekratzten Knöchel examinierte. Dann legte er die schlaffen Hände sehr ruhig ab und stierte auf die Quetschungen, die die Handgelenke wie dunkellilane Handschellen umrandeten. 

 

Er wusste, dass sich Shikamarus Hals in einem noch schlimmeren Zustand befand. 

 

Und so hob er nicht die Augen. 

 

Stattdessen schloss er sie und neigte den kalten Stahl seines Hitai-ate gegen Shikamarus Bauch. Für einen langen Moment verharrte er angespannt gegen den Ansturm in sich. Muskeln zogen sich straff, bevor die verkrampfte polierte Fassade seiner Gesichtszüge zerbarst. 

 

Seine Lippen öffneten sich. 

 

Sag es nicht…

 

Seine Kehle zog sich zusammen. 

 

‚Manche Wahrheiten fühlst du, aber du darfst sie niemals aussprechen.‘

 

Neji zertrümmerte seine Worte und bebte einen strangulierten Atem hinaus in die Sicherheit der Stille, während er mit den Handflächen über Shikamarus Haut streichelte; hinauf und hinunter in sanften Schwüngen, die schließlich in den Armbeugen des Nara innehielten. Er drückte zaghaft zu; hielt sich sogar dann noch fest, als er damit begann, sich selbst fort zu ziehen, während er energisch das Brennen in seinen Augen zurück blinzelte. 

 

Ihm blieb keine Zeit, die Füße auf dem Boden abzustellen oder auch nur einen mentalen Halt zu finden. 

 

Eine Tür schlug den Gang hinunter zu. 

 

Neji erstarrte. 

 

Die Tränen hingen an seinen Wimpern, als wären sie kristallisiert. 

 

Stimmen wurden von der Türschwelle durch das Haus getragen; die einer Frau bäumte sich in empörter Verwirrung auf, bevor sie von einer männlichen abrupt unterbrochen wurde. 

 

Die fassungslose Stille hielt nicht länger als einen Herzschlag an. 

 

„Shikamaru?“

 

In dem Augenblick, in dem die Frau schrie, stürzte Neji los – aber er war nicht der Einzige. 

 

„Shikaku!“

 

Als ein Schatten den Gang entlang raste, war Neji bereits aus dem Fenster verschwunden.

 
 

xXx
 

 
 

Es gab keine Richtung. 

 

Neji hätte in seinem Kopf in die eine und mit seinem Körper in eine andere spurten können und es hätte keinerlei Rolle gespielt. Überall war besser als dort, wo er gewesen war, auch wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wo er überhaupt hinlief. Es kam ihm überhaupt nicht in den Sinn, einen inneren Kompass zu Rate zu ziehen oder zu versuchen, seine Geschwindigkeit zu drosseln. 

 

Er rannte einfach nur. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Er schnitt durch den Wald und bewegte sich, als wäre der Teufel hinter ihm her. 

 

Mondlicht stach durch den schweren Mantel der Wolken, doch was für eine Beleuchtung es auch immer erzeugte; es war mager und bedeutungslos. Neji konnte sowieso kaum durch den Schleier über seinen Augen sehen. Aber wenn man bedachte, dass er kein Ziel hatte, dann war es egal, wenn er sich blind bewegte. 

 

Die Welt war nichts weiter als ein verwässerter Hauch von Grau und Schatten. Und als würde er sich durch Wasser bewegen, wurden seine Schritte schleppend; er fand kaum Halt auf dem trügerischen Teppich aus nassem Laub und weicher Erde. 

 

Als er Shikamaru verfolgt hatte, war es nicht so schwer gewesen, sich zu bewegen. 

 

Doch plötzliche fühlte es sich an, als würde er in die Tiefe gezogen werden. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Das Bellen von Hirschrufen durchstach die kalte nasse Luft wie Shuriken – scharf und schrill.

 

Neji schwang zur Seite, um zwei springenden Hirschkühen auszuweichen und spurtete einen Abhang hinauf. Die Muskeln in seinen Schenkeln arbeiteten ohne Unterlass, um ihn schneller und weiter voran zu treiben. 

 

Ein Hirschbock brach aus der Dunkelheit. 

 

Neji schlitterte auf der glitschigen Erde und wirbelte herum, um nicht mit dem angreifenden Tier zusammenzustoßen. 

 

Die Masse aus spielenden Muskeln und schwingendem Geweih blieb abrupt stehen und drehte sich; die Lenden des Tieres bebten vor verheerender Kraft. Ganz anders als Neji fand der Hirsch mühelos Halt auf dem instabilen Untergrund und er bäumte sich auf, um mit den Vorderläufen in die Luft zu treten, während Ströme aus Dunst wie Rauch aus seinen Nüstern flossen. 

 

Neji duckte sich unter den schlagenden Hufen hinweg. 

 

Der junge Bock schnellte herum und fing den Jōnin beinahe mit seinem Geweih ein, als seine Beine krachend auf dem Boden aufschlugen und er brutal stampfte. Die riesigen dunklen Augen rollten und ein heiseres Röhren explodierte aus seiner Kehle, während sein Kopf herum schwang; sein bandagierter Hals zuckte, als er seine Wut heraus brüllte. 

 

Bleib nicht stehen.

 

Neji sprang los, vermied mit einem Drehen ein Aufspießen und stieß sich von einem Baum ab, um über den Rücken des Hirsches zu springen und erneut über den Abhang zu sprinten, wobei er kaum den natürlichen Fallen aus Wurzeln und abgestürzten Ästen entkam. Er griff hoch nach oben, packte einen tief hängenden Zweig und schwang sich hoch hinüber auf die andere Seite des Hangs, um dort rennend wieder auf dem Boden aufzukommen. 

 

Das Zucken an seinen Schläfen war so instinktiv, dass er es nicht bekämpfte. 

 

„Byakugan!“

 

Der Schmerz flammte grell auf, bevor er zu einem Pochen abstumpfte. 

 

Er hielt seine Füße in steter Bewegung und die eisige Luft drang in seine Lungen und wieder hinaus, als er zwischen den Bäumen hindurch schnitt; immer weiter vorwärts getrieben, während sich die Welt in monochromer Klarheit vor ihm ausdehnte. Der Wald wurde zerfurchter und wilder, als er sich immer tiefer seiner Umarmung entgegen drückte. 

 

Bleib nicht stehen.

 

In irgendeinem isolierten Teil seines Verstandes wusste er, dass er den falschen Weg entlang rannte.

 

Habe ich meine Richtung verloren, als du mich gefunden hast?

 

Ein lächerlicher Gedanke. 

 

Aber keine Lüge…

 

Neji versuchte, den nassen Schleier von seinen Augen zu blinzeln, nur um sie vor Schock weit aufzureißen, als seine Sicht seinen rennenden Füßen voraus griff. Sein Fokus fixierte sich auf die Gestalt, die etwas weiter entfernt auf dem Pfad stand. Sein Herz vollführte einen Sprung und seine Beine stolperten in der Mitte einer Lichtung zu einem gebrochenen Halt; das Blattwerk um ihn herum schimmerte wie eine Fata Morgana. 

 

Aber es war nicht das Wasser auf den Blättern, das seine Sicht verzerrte; es war das Wasser in seinen Augen.

 

Wie flüssiger Mondstein starrten seine tränenüberschwemmten Augen benommen nach vorn. 

 

Die Venen seines Byakugans verschwanden und er stand bewegungslos da, während er abgehackt keuchte. 

 

Um ihn herum wurde der Wald zu einem Rascheln aus Laub im Wind; ein Anschwellen und Schrumpfen von Geräuschen, die durch die heimsuchenden Schreie von Hirschrufen auf der Brise erkalteten. Surreal, melancholisch…wie ein Traum…

 

„Hyūga Neji.“

 

Neji stierte angesichts des Klanges seines Namens geradeaus. 

 

Die Silben rollten mit einem rauchigen Ton durch die Nacht, der beinahe vertraut war; aber die Stimme war heiserer an den Kanten und tiefer mit dem Hauch von Rost. 

 

Älter. 

 

Neji konzentrierte sich auf das Echo seines Namens und starrte blicklos auf den Umriss, der sich aus dem nebligen Schwarz zwischen den Bäumen löste. 

 

Mit vollkommener Bewegungslosigkeit tauchte Shikaku auf. 

 

Es war, als würde sich die Dunkelheit zurückziehen, um ihn zu enthüllen; er musste sich nicht einmal bewegen. Es wäre unheimlich und verstörend gewesen, das zu erleben, aber Neji konnte außer dem nassen Brennen in seinen Augen kaum etwas wahrnehmen. 

 

Er konnte es einfach nicht fort blinzeln. 

 

Nicht einmal sein Stolz kam zu seiner Verteidigung. 

 

Er schluckte hart und versuchte, den Knoten aus zertrümmerten Emotionen in seiner Kehle nach unten zu zwingen; versuchte, sie genug zu klären, um antworten zu können, zu reagieren – irgendetwas. Doch seine mentalen Kommandos schienen sich auf ihrem Weg zu verkürzen und dann jeden Sinn zu verlieren. 

 

Da war kein Gedanke mehr; nur Gefühle. 

 

Gefühle, die ihn auf der einen Seite nach oben und auf der anderen nach unten rissen. 

 

Ein erstickter Klang erscholl hinter seinen zusammengebissenen Zähnen. 

 

Ich kann das nicht in mir halten…Götter bitte, nicht hier…nicht so…

 

Er war sich Shikakus Blick nicht bewusst; oder der Art und Weise, wie der scharfe, tödliche Schnitt der Augen des Nara zuckte, bevor er weicher wurde. Die Kante verließ niemals die Züge des Jōnin Kommandanten, aber in der Dunkelheit nahmen sie einen anderen Ausdruck an. 

 

„Du hast meinen Sohn angegriffen.“

 

Neji presste heftig die Lider aufeinander. 

 

Weder hörte er das entfernte Rufen im Wald, noch bemerkte er, wie sich die Hirsche unruhig um sie herum bewegten; er war viel zu beschäftigt damit, sich an der Würde festzuhalten, die ihm gerade entrissen wurde. Versuchte verzweifelt, das zu verbergen, was er nicht länger in sich halten konnte. 

 

Er wusste, dass wenn er die Augen öffnen würde, dann könnte er niemals verstecken, was in ihnen stand. 

 

Und wenn Shikamaru ihn so gut lesen konnte, als all seine Verteidigungen noch bestanden hatten; was zur Hölle würde dann der Vater des Schattenninjas sehen können, wenn er vollkommen ohne Defensiven war?

 

Gott…nicht so…

 

Das Quetschen von Schlamm und Laub machte ihn auf Bewegungen aufmerksam. 

 

Neji wollte schon seine nassen Wimpern heben, doch Shikaku war schneller. 

 

Bevor Neji überhaupt die Chance bekam, seine Lider zu öffnen, legte sich der Unterarm des Nara über seine geschlossenen und brennenden Augen. 

 

Mit einem scharfen Atemzug wurde Neji vollkommen still. 

 

Doch Shikaku unternahm sonst nichts. Er stand einfach nur seitwärts gerichtet und hielt seinen Arm wie eine provisorische Augenbinde über die Lider des jungen Jōnin. Er blockierte damit den Beweis einer tiefen Wunde, die Neji so verzweifelt zu verstecken versuchte.

 

Ohne irgendeinen Grund bot Shikaku ihm eine Verteidigung an. 

 

Nejis Brauen zogen sich verwirrt zusammen; seine Kehle war angespannt und verschlossen. 

 

Für einen langen Moment bewegte sich keiner von ihnen und selbst die Hirsche, die um die Lichtung herum standen, wurden still und ernst. Und dann, nach dem Langziehen einer schmerzerfüllten Stille, spürte Neji, wie das salzig feuchte Gewebe von Shikakus Ärmel leicht gegen seine Augen strich, als der Nara tief einatmete und die Luft in einem langsamen leisen Seufzen entließ. 

 

„Du wirst dich umdrehen und dem Hirschbock aus unserem Wald hinaus folgen.“, sagte Shikaku und seine raue Stimme rieb wie Sandpapier über Nejis Nerven. „Und du wirst nie wieder einen Fuß hier hinein oder in mein Haus setzen. Nicke, wenn du das verstanden hast.“

 

Neji nickte kaum merklich. 

 

Er hörte Shikaku summen. „Geh.“

 

Und dann war der Druck gegen seine Augen fort. 

 

Er hörte nicht, wie Shikaku verschwand, aber er spürte es. 

 

Fassungslos und erschüttert hielt sich Neji steif aufgerichtet; als wäre er im Schattenbesitz gefangen. Er wusste, dass er es nicht war; was aber nicht erklärte, warum er es nicht war. Shikaku hätte ihn zerfetzen müssen, als all seine Verteidigungen fort waren, statt ihm einen Ausweg zu bieten.

 

Geh. Nimm ihn an und geh.

 

Der sanfte Atemzug gegen seinen Kopf brachte ihn dazu, sich umzudrehen. 

 

Als er endlich die Lider hob, fand er die tiefen, seelenvollen Augen des besten Hirsches der Nara vor sich, die ihn ansahen. Ein beeindruckendes, schönes Tier, das ihn mit einer Art zeitlosen Wissens betrachtete, das Neji ebenso sehr erschütterte wie jeder Blick, den er von Shikamaru erhalten hatte. Doch dann kam ihm die Erinnerung an das in den Sinn, was er vor wenigen Stunden auf dem Gesicht des Nara gesehen hatte. 

 

Neji schloss krampfhaft die Augen. 

 

Aufmerksam stellten sich die Ohren des Hirsches nach vorn auf; seine großen Augen waren sanft und beständig.

 

Neji fühlt ein zaghaftes Stupsen an seiner Stirn. 

 

Und dann schnaubte Rikumaru leise und beschlug den Stahl des Hitai-ate mit einem einzigen Atemstoß. Die Geste des Tieres war so heimsuchend vertraut, dass es Neji aus seiner Paralyse zerrte. 

 

Seine Füße begannen, sich zu bewegen; langsam, aber stet.

 

Und wenn sein Verstand nicht zu dem Ort zurückgespurtet wäre, von dem er weggerannt war, dann wäre ihm vielleicht bewusst geworden, wie seltsam es war, dass der Hirsch, der ihn aus dem Wald heraus führte, an seiner Seite lief und nicht vorneweg.

 
 

oOo
 

 
 

Dunkelheit wogte und bewegte sich gegen seine Augenlider und zerbrach in einzelne Flecken. 

 

Seine Wimpern flatterten und er erhaschte das Glimmen von Licht. 

 

Licht…grünes Licht…

 

Grünes Licht? Was zur- FUCK!

 

Shikamaru zuckte mit einem Zischen zusammen und Bewusstsein packte ihn wie eine Faust, als ihn der Schmerz sich bewegender Knochen und zusammenziehender Haut kurz aus der Schwärze zerrte. Eine Handfläche presste sich gegen seine Stirn und drückte seinen Kopf zurück. 

 

„Ssshhh. Alles gut.“

 

Es war wirklich nicht gut.

 

Shikamaru wollte diese Tatsache sarkastisch kundtun, doch seine Kehle wollte einfach nicht kooperieren. Sie schmerzte höllisch. Energisch kämpfte er um einen stärkeren Faden von Bewusstsein und suchte die Leere in seinem Verstand nach diesem Pulsieren von grünem Licht ab. Unfähig, es zu finden, bewegte er seinen Hals. Der Schmerz riss sein Hirn ruckartig zur Besinnung. 

 

Scheiße…

 

Er schluckte hart. 

 

Hände umfassten zaghaft seinen Hals. 

 

Reflexartig reckte er seinen Kiefer nach oben, als er sich der Berührung entziehen wollte. Ein schwaches schmerzerfülltes Stöhnen drang seine malträtierte Kehle hinauf. 

 

„Ssh.“

 

„Wie schlimm?“ Die Stimme seines Vaters.

 

Panik rammte sich in sein Herz und brachte es aus dem Rhythmus. 

 

Fuck…Wo ist Neji…?

 

„Ich habe seine Rippen wieder ausgerichtet…“ er hatte keine Ahnung, wer zur Hölle das war. 

 

Sanitäter…?

 

Das schwere schwebende Gefühl eines induzierten Schlafes zerrte an seinen Sinnen. 

 

Scheiße…bleib wach…

 

„…ihm etwas gegeben, das helfen wird, um…ausruhen und tief atmen…die Quetschungen an seinem Hals sollten innerhalb der nächsten…hat ihn gesäubert und versorgt, bevor ich es getan habe…“

 

„…verschwindet in die Nacht wie ein…in unserem Dorf sowas passieren?“

 

„…beruhigen, Yoshino…“

 

„…wagen, mir zu sagen, dass ich mich beruhigen soll, Shikaku!“

 

Shikamaru zuckte aufgrund der Lautstärke seiner Mutter zusammen und fragte sich plötzlich, ob es wirklich eine so schlechte Idee wäre, zurück in das Schwarz zu gleiten. 

 

„…Shinobi, du weißt das.“

 

Und dann begann das Heben und Fallen von Stimmen in seinen Kopf hinein und wieder hinaus zu schwingen. Doch stärker als die Stimmen, die ihn umgaben, war die eine, die in seinem Kopf wirbelte; die sich sogar dann noch hob, als er spürte, wie er langsam in die Dunkelheit tauchte. 

 

‚Du zerbrichst mich…und dennoch bist du alles, was ich atmen kann…‘

 

Und er konnte einfach nicht anders, als sich zu fragen, ob sie damit gleichauf waren. Aber wenn das der Fall war; warum zur Hölle fühlte es sich dann so an, als hätte keiner von ihnen gewonnen? Und in den letzten Momenten, bevor sich sein Verstand abschaltete, wusste er bereits die Antwort – und die Tatsache, dass er immer noch atmete, sagte ihm, dass auch Neji diese Antwort kannte. 

 

Es war niemals ein Spiel…

 
 

xXx
 

 
 

Als Shikamaru Stunden später aufwachte, sagte ihm das sandige Glühen auf seinen Augenbrauen, dass der Tag bereits bis zum späten Nachmittag fortgeschritten war. Eine benommene und unzusammenhängende Art von Schmerz machte sich an seiner Seite bemerkbar; es war höllisch unangenehm, aber erträglich genug, um sich bewegen zu können. 

 

Er versuchte, sich aufzusetzen und überdachte sofort die Weisheit seiner Einschätzung. 

 

Scheiße.

 

Er verharrte einen Moment, um seinem Körper die Möglichkeit zu geben, zu seinem Hirn aufzuholen. 

 

Okay, Zeit, sich zu bewegen. 

 

Wimmernd zog er behutsam die Ellbogen unter sich und zuckte zusammen, als er seinen Körper Stück für Stück drehte, um einschätzen zu können, welchen Spielraum er in seinen Bewegungen hatte. Er fühlte sich, als wäre von einem heranrasenden Schafsbock gerammt worden und seine Rippen hätten Bekanntschaft mit dem funktionalen Ende der Hörner gemacht. 

 

Kein schlechter Vergleich…

 

Wobei es vermutlich weniger schmerzhaft wäre, auf die Hörner genommen zu werden, als das, was er jetzt zu tun gedachte; oder zumindest dann, wenn er sich auf kreative Weise in seine Kleidung und Flakjacke hinein gewunden hatte und versuchte, das Haus unbemerkt zu verlassen. 

 

Wie lästig. 

 

Vorsichtig hob der Schattenninja seine Füße vom Bett und umfasste seine verletzte Seite, bevor er sich umdrehte und an den Rand der Matratze rutschte, während er unter dichten Wimpern durch sein Zimmer blickte. Seine Augen folgten dem Spinnwebenmuster der Risse um das schmale Loch in der Wand. Die Delle, die Nejis Handkante hinterlassen hatte, war dünn aber tief und abgeplatzte Gipsflocken besprenkelten den Boden. 

 

Shikamarus Haut begann bei der Erinnerung daran zu kribbeln. 

 

Der Hyūga war wie eine Maschine auf ihn losgegangen; kaltblütig auf ein einziges Ergebnis fokussiert. Ein Ergebnis, das Shikamaru nicht ausgeschlossen hatte; und dennoch hatte sich alles in ihm darauf konzentriert, die Wut des Hyūga zu überwinden und das zu erreichen, was sie so sehr genährt hatte. 

 

So knapp…

 

Er berührte die Wunde an seinen Rippen und seine Augen zuckten angesichts des aufflammenden Schmerzes. 

 

Oder vielleicht war es auch der Schmerz hinter seinen Rippen. 

 

Gott, sie waren auf so viele Arten beinahe der Tod des anderen gewesen. Und in einer so unbedeutend kurzen Zeit war so unendlich viel aus ihrer beider Vergangenheiten hervor gegraben worden; und es sorgte für eine entsetzlich unklare Zukunft. 

 

Am besten fange ich endlich damit an, das Chaos aufzuräumen…

 

Langsam atmete Shikamaru ein und schluckte an dem Schmerz in seiner Kehle vorbei, während er seine Aufmerksamkeit auf die Tür richtete und sich endlich auf seine Füße erhob. 

 
 

oOo
 

 
 

„Schick mich.“

 

„Du bist gerade erst zurück gekommen.“

 

Neji hielt seinen Blick ein winziges Stück von einem direkten Augenkontakt fort und konzentrierte sich auf das Zentrum der Stirn der Godaime. Er fasste ihre Aussage als die unverblümte Observation auf, die sie war und bot keinerlei Erwiderung darauf an; wartete einfach nur. 

 

Er hatte seine ruhige und kontrollierte Miene effektiv wieder errichtet und auch wenn seine sauberen Hyūga Roben etwas locker über seiner hageren Gestalt hingen und sich die Schatten etwas zu scharf in seinen zusammengezogenen Zügen hielten, strahlte er dieselbe Stärke und stille Macht aus wie immer. 

 

Es war nur die Verletzung an seinem Kiefer, die Fragen aufwarf; Fragen, die Tsunade nicht stellte. 

 

Zumindest dafür war er dankbar. 

 

„Selbst wenn du dich schon wieder erholt hast, ist es dennoch eine fragwürdige Bitte.“ Tsunade beugte sich in ihrem hochlehnigen Stuhl nach vorn und der kleine Diamant auf ihrer Stirn versank in dem scharfen Runzeln ihrer Brauen. „Warum einen Jōnin schicken, um die einfache Arbeit eines Gesandten zu erledigen?“

 

„Das Vertrauen ist noch immer brüchig, Hokage-sama. Ein bekanntes Gesicht wird viel dazu beitragen, um die Verbindungen zwischen den Dörfern zu stärken.“

 

„Gegen diese Logik kann ich nicht argumentieren, aber ich könnte immer noch einen der anderen Chūnin schicken, die dich begleitet haben.“

 

„Genau aus diesem Grund ist es auch eine Bitte.“, sagte Neji leise und sein Blick traf flüchtig auf Tsunades Bernsteinaugen, die ihn ruhig hinter ihren verschränkten Fingern betrachteten. 

 

Tsunade summte, während sich ihre Brauen nachdenklich zusammenzogen. „Nun, eine schwierige und harte Bitte zu überdenken ist immer einfacher, als einen schwierigen und harten Befehl zu geben.“

 

Neji spannte sich innerlich an, neigte aber nur marginal den Kopf in einer nonverbalen Frage. 

 

„Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen.“ Tsunades Lippen zuckten hinter ihren Fingern, aber es lag keinerlei Belustigung in ihren Augen. „Shikamaru hat Befehle befolgt, vergiss das nicht.“

 

Wenn Neji nicht gewusst hätte, dass das eine Lüge war, hätte er vermutlich darauf reagiert. Aber so wie es war, starrte er sie einfach nur schweigend an; ohne ein einziges Wort oder äußerliches Zeichen, das ihr bedeutet hätte, dass er mitbekommen hatte, was sie gesagt hatte. 

 

Tsunade hob eine Braue. „Meine Befehle. Willst du sie in Frage stellen, Hyūga?“

 

„Nein, Hokage-sama.“

 

„Natürlich tust du es.“, konterte Tsunade und hob ihr Kinn auf ihr Handgelenk. „Aber jetzt ist die Frage viel mehr, ob du stabil genug bist oder eben nicht, um von einer psychologischen Evaluation ausgenommen zu werden. Was denkst du?“

 

Die Frage rammte sich hart in seinen Stolz und dellte ihn übel genug ein, um beinahe den Stahl auf seinen Zügen einzureißen. „Wenn du es befiehlst, dann spielt es keine Rolle, was ich denke.“

 

„Du bist ein hervorragender Shinobi, Hyūga. Es ist gefährlich für Konoha, wenn hervorragende Shinobi an einem Abgrund stehen. Sieh dir nur an, was mit Sasuke passiert ist.“

 

Nejis Kinn ruckte ein Stück nach oben und sein Kiefer verkrampfte sich. „Ich bin nicht der Uchiha.“

 

„Nein, aber du bist ebenso tödlich, oder nicht?“, murmelte Tsunade mehr zu sich selbst. „Und das drängt mir die Frage auf, ob ich wirklich so ein Glücksspiel mit dir eingehen soll, wie es Shikamaru getan hat; oder ob ich nicht doch lieber die sicherste Wette eingehe und dich auf eine Labilität durchchecken lasse.“

 

Oder einchecken ließ. 

 

Einchecken in einen weiteren Käfig mit einer weiteren Gruppe von Leuten, die versuchten, seinen Verstand auseinander zu nehmen und das Muster zu finden, das ihn dazu getrieben hatte, so verzweifelt einer Freiheit nachzujagen, von der er nicht hoffen konnte, sie zu halten. Sogar auf Kosten seines Lebens. Aber auf der anderen Seite war es nicht so, dass die Black Ops irgendeine vernünftigere Wahl wären. Vielleicht zählte das Leben an einem psychologischen Abgrund auch nur dann wirklich, wenn sie einem offiziell das ANBU Zeichen in die Haut tätowiert hatten. 

 

Doch sich auf einer feinen mentalen Linie zu bewegen war nicht Nejis Ziel; auch wenn die ANBU es waren. 

 

Neji schüttelte den Kopf und das leise Schwingen seiner Strähnen strich über die lilanen Hämatome auf seinem Kiefer. „Sollte ich mich jemals an einem Abgrund befunden haben, dann bin ich über das Stadium hinaus, an dem ich darüber gestoßen werden kann.“

 

Tsunades Stirnrunzeln machte ihre Bernsteinaugen eine Nuance dunkler werden, aber der Argwohn in ihren Augen wurde durch Neugier abgemildert; und durch etwas anderes, das Neji nicht richtig einordnen konnte. 
 

„Bist du das?“, murmelte sie. „Wie kannst du dir da so sicher sein?“

 

Neji senkte den Blick und Spannung wogte durch seinen Oberkörper, als er darüber nachdachte, wie gefährlich eine ehrliche Antwort wäre. Aber im Grunde hatte er schon genug Lügen verdauen und genug Wahrheiten ungesagt hinunterschlucken müssen. Es ließ ihn müde zurück; müde darüber, das Gewicht wie Steine in seinen Eingeweiden mit sich herum tragen zu müssen. 

 

Götter, ich bin so müde…

‚Ich weiß…ich weiß, dass du das bist…‘

 

Die Erinnerung an Shikamarus leise Worte zerrte einen dieser Steine aus seinem Inneren hinauf in seine Kehle und zwang ihn dazu, scharf durch die Nase einzuatmen. 

 

Tsunade beobachtete ihn für einen weiteren Moment schweigend. 

 

„Wie kann ich mir sicher sein, dass du dich jenseits des Zustandes befindest, über diese Kante gestoßen zu werden, Hyūga?“

 

Nejis Kehle verkrampfte sich, aber statt die Wahrheit zu zertrümmern, sprach er sie aus. Er hob die Augen und seine Stimme war heiser und leise in der Stille des Raumes. 
 

„Weil er mich zurück gezogen hat.“

 
 

oOo
 

 
 

Naja, also wenn mich das letzte Nacht nicht umgebracht hat…dann vermutlich das.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und zog den Stoff seines Rollkragenoberteils so hoch wie möglich über die schwarze und blaue Säule seiner Kehle. Und während er das tat, fragte er sich, ob er nicht etwas zu ambitioniert dabei gewesen war zu denken, dass sein Glück weiterhin anhalten würde. Er war sich ziemlich sicher, dass sich dieses ganze ‚neun Leben‘ Ding, mit dem Ino ihn immer wieder aufzog, einzig und allein auf Katzen beschränkte – und wenn er nicht die Rolle einer verängstigten von Kötern gejagten Katze einnahm, dann hatte er rein gar nichts mit diesem Tier gemeinsam, außer den grundlegenden Instinkt, nicht draufzugehen.

 

Ja klar, also warum bin ich dann nochmal hier?

 

Langsam ließ er seine Augen über den Ort wandern, an den er gegangen war. 

 

Die Residenz der Hyūga war ganz offensichtlich dazu entworfen worden, um die kalte Eleganz und Macht des Clans auszustrahlen, der sie bewohnte. Die Struktur war ebenso prominent und stolz wie jedes Mitglied; die Gestaltung war bis hin zum Zustand der kalten Wände und der fein säuberlich gekehrten Türschwelle makellos. 

 

Shikamaru verlagerte sein Gewicht auf seinen linken Fuß und versuchte, seine natürlich träge Haltung einzunehmen, ohne zu sehr seine Rippen zu belasten. „Scheiße…“

 

Wenn er auch nur einen einzigen Funken Verstand besessen hätte, dann hätte er einen unbeholfenen Halbkreis vollführt und seinen Hintern zurück in die andere Richtung getragen. Aber er war sich sowieso nicht wirklich sicher, ob er gerade mit seinem Kopf arbeitete. Es gab immer noch einige lose Enden, die er verknoten musste; und wenn nur, um Neji aus so vielen Winkeln wie möglich zu decken, wie es ihm möglich war. Er hatte bereits genug Defensiven des Hyūga niedergerissen, oder? Für nichts auf der Welt würde er zulassen, dass der Jōnin für einen Schlag von dem Clanoberhaupt bloßgelegt war. 

 

Allerdings würde es auch nicht einfach werden, diesen Schlag umzulenken oder abzufangen. 

 

Er würde den verdammten Stier direkt bei den Hörnern packen müssen. 

 

Vielleicht wäre er mit etwas mentaler Beinarbeit in der Lage, das hier auch irgendwie zu überleben. 

 

„Kann ich dir helfen?“

 

Shikamaru blinzelte sich aus seinen Gedanken zurück und sein Blick zuckte zu einem jungen Mann, der Blätter in einen ordentlichen rauchenden Haufen fegte. Der Geruch von Holzrauch begann, schwer und beruhigend zu ihm herüber zu schweben; es besänftigte seine Nerven auf dieselbe Art, von der er glaubte, dass es bei Asuma mit seinen Zigaretten der Fall war. 

 

Asuma…

 

Eine weitere Situation, der er sich würde stellen müssen; vorausgesetzt, er überlebte diese hier. 

 

Der Mann legte den Kopf schief und Shikamarus Aufmerksamkeit wurde von dem späten Nachmittagsglühen abgelenkt, das von dem Hitai-ate des Mannes schimmerte. Es verkündete seine Stellung als Zweigmitglied ebenso deutlich wie der unterwürfige Gehorsam, mit dem er sich bewegte. 

 

„Kann ich dir helfen?“, fragte er noch einmal. 

 

Shikamaru öffnete den Mund und war irgendwie geschockt von dem schweren Raspeln seiner Stimme, als sich die verletzten Sehnen in seinem Hals abmühten. „Ich wäre sehr dankbar, wenn du das könntest. Ich bin hier, um mit Hiashi-sama zu sprechen.“

 

„Hat er nach dir rufen lassen?“, fragte der Mann und richtete sich auf. Seine weißen Augen wanderten über den heilenden Riss auf Shikamarus Wange. 

 

„Jo…sowas in der Art.“

 

„Wenn du bitte kurz warten würdest. Er wird wahrscheinlich gerade beim Rat sein.“

 

„Danke.“, krächzte Shikamaru und wandte sich den schwelenden Blättern zu, während der Mann im inneren des Anwesens verschwand. 

 

Wenig überraschend musste er nicht lange warten. 

 

„Nara Shikamaru?“

 

Shikamaru spähte zu der Türschwelle, als der Mann ihm mit einem Schwung des Handgelenks bedeutete, näher zu treten. „Hiashi-sama wird mit dir sprechen.“

 

Shikamaru neigte leicht den Kopf und bewegte sich etwas zögerlich, als er sich die Sandalen von den Füßen streifte. Er folgte dem Zweigmitglied das polierte Holz einer Veranda entlang und über einen Innenhof, der von einem riesigen eleganten Baum dominiert wurde. Schließlich kamen sie zu einem Seiteneingang, der in einen leeren Raum führte. 

 

Shikamaru bemerkte sofort, dass Hiashi nicht da war. 

 

Erst, als der Mann ihn vorwärts gestikulierte, trat er in das Zimmer. Das Zweigmitglied schob die Shojitür hinter ihm zu und ließ ihn allein in dem großen Raum, der weitläufig genug war, um mehreren Gästen Platz zu bieten. Doch die Tatami Matten erschienen abgenutzt und die Fusama Paneele waren kahl; ohne irgendein Muster, einer Bemalung oder Dekoration. Die ganze Gestaltung und der Mangel an Pracht ließen also eher auf einen Trainingsraum schließen, statt auf einen Ort, der für Besprechungen gedacht war. 

 

Super. Er wird mich definitiv umbringen, wenn wir hier sprechen werden. 

 

Eine andere Tür wurde auf der anderen Seite des Raumes aufgeschoben. 

 

Shikamarus Nerven spannten sich augenblicklich an. 

 

Wie eine Majestät, die eine Audienz abhielt, trat Hiashi mit königlicher Haltung ein. Er strahlte befehlende Anmut aus und seine patriarchischen Züge wiesen dasselbe ruhige und stoische Betragen auf wie der ganze Rest seines Körpers. Er drehte sich, um die Tür mit einem sehr bedächtigen Klacken zu schließen. 

 

Shikamaru beugte leicht den Kopf. „Hiashi-sama.“

 

Hiashi ignorierte seinen Versuch von Höflichkeit; oder besser gesagt machte der Hyūga keinerlei Anstalten, sie zu erwidern. 

 

Klasse…

 

Für einen schweren Moment sah Hiashi ihn einfach nur mit einem Blick an, der so beständig war wie ein Laserstrahl. Und dann wandte er sich um, um zu dem erhöhten Bereich des Raumes zu schreiten – ein Podium, das dazu gedacht war, von dort Kämpfe zu beobachten. Es lag eine kalkulierte Manier in seinen Schritten; als würde er die Sekunden absichtlich in die Länge ziehen, um einen vollkommen unnötigen Eindruck zu hinterlassen. Einen Eindruck davon, wie Shikamaru sowohl in einer Situation als auch in einem Raum ohne Ausweg gefangen saß – außer der Hyūga gewährte ihm einen. 

 

Zumindest das war irgendwie vertraut; wenn schon sonst nichts. 

 

„Nara Shikamaru.“, sagte Hiashi letztendlich und seine tiefe unlesbare Stimme passte zu dem viel zu ruhigen Ausdruck in seinen blassen Kristallaugen. 

 

Shikamaru wandte sein Gesicht dem Ältesten zu und beobachtete, wie Hiashi ein Fusama Paneel zur Seite schob, um einen Ablageplatz zu offenbaren, der ordentlich mit Bokken bestückt war. Die Augen des Schattenninjas richteten sich sofort auf die hölzernen Klingen, die für Trainingszwecke genutzt wurden. Nach dem Blick zu urteilen, den Hiashi ihm zuwarf, fragte er sich ernsthaft, ob die Suburitō Waffe, die sich Hiashi ausgesucht hatte, nicht dazu gedacht war, an seinem Kopf ausprobiert zu werden.

 

„Ihr seid gestern bei uns zuhause vorbei gekommen.“, sagte Shikamaru und räusperte sich, während er seine Aufmerksamkeit zwischen dem Gesicht und den Händen des Hyūga aufteilte. „Ihr wolltet mit mir sprechen.“

 

Hiashi schob das Paneel wieder zurück, drehte sich gelassen und faltete seine Hände um das hölzerne Schwert, als wäre es ein provisorischer Gehstock, bevor er zaghaft mit dem Ende klopfte. „Du hast geschlafen.“

 

Shikamaru nickte und unterdrückte den Drang, sich unbehaglich auf der Stelle zu bewegen. „Ja.“

 

„Nachmittags.“

 

„Ich neige dazu, das zu tun, wenn ich die Zeit dafür habe.“

 

Hiashi starrte ihn an, als hätte er auf einmal angefangen, in fremden Zungen zu sprechen, bevor er langsam blinzelte. „Ich gehe davon aus, dass du weißt, worüber ich mit dir sprechen will?“

 

„An diesem Punkt möchte ich von gar nichts ausgehen.“

 

„Dann lass es mich direkt klarstellen. Es geht um meinen Neffen.“

 

Er wusste, dass Hiashi darauf wartete, dass er den Blick abwandte und so hielt er den Augenkontakt beständig und ohne zu blinzeln aufrecht, während er energisch gegen diese seltsame Empfindung ankämpfte, die sich anfühlte, als würde an seinen Nerven wie an Fäden gezogen werden. 

 

„Alarmiert dich das, Nara?“

 

„Warum sollte es?“

 

Hiashis Braue hob sich in einem eleganten Bogen. „In der Tat…warum sollte es?“

 

Shikamaru runzelte die Stirn und spielte einfach die Rolle des verwirrten Gesprächspartners. 

 

Hiashi faltete seine Hände neu über dem Bokken. „Du und Neji habt gemeinsam diese Mission nach Hanegakure geführt.“

 

„Das ist richtig.“

 

„Wurde er verletzt?“

 

Scheiße…

 

Shikamaru spiegelte die erhobene Braue des Hyūga. „Verletzt?“

 

„Plappere mir nicht nach, Nara. Beantworte meine Frage.“

 

„Nein, wurde er nicht.“, antwortete Shikamaru ohne zu zögern. „Er hat eine Nebenmission außerhalb der Grenzen von Hanegakure mit Hinata und Sakura übernommen.“

 

„Das hat mir auch meine Tochter erzählt.“, sagte Hiashi und sein Kinn neigte sich flüchtig zu der Shojitür, auch wenn seine Augen weiter auf den Schattenninja fixiert blieben. „Ich habe zwar noch nicht mit meinem Neffen gesprochen, aber ich kann mir vorstellen, dass er diese Geschichte bestätigen würde.“

 

Geschichte?

 

Shikamarus übersetzte dieses eine Wort wenig hilfreich in seine krasseste Bedeutung; und die war, dass seine Versuche, Hiashi irgendeinen Schwachsinn zu erzählen, auf einen riesigen Fächer trafen, der dabei war, eine ganze Menge Scheiße zurück in seine Richtung zu schleudern, wenn er nicht rasch die Taktik änderte. 

 

„Die Details stehen in den Missionsberichten, Hiashi-sama.“

 

„Ich habe kein Interesse an frisierten Reporten.“ Die Finger des Hyūga strafften sich um den Bokken herum, wie ein Löwe, der seine Klauen krümmte. „Ich bin mir sicher, dass dir bewusst ist, dass gefälschte Berichte dich in eine äußerst schändliche Position bringen können.“

 

Übersetzung: Der Mord an dir ist immer noch imminent und er könnte sogar legal sein.

 

Fuck.

 

Shikamaru begegnete dem steten Blick des Hyūga. „Ich weiß nicht, was Ihr meint.“

 

„Deine Täuschung strapaziert meine Geduld. Betrachte das als eine Warnung.“

 

„Ich weiß nicht, was Ihr erwartet, was ich Euch erzählen soll, Hiashi-sama. Ich kann Euch nicht sagen, was ich nicht weiß.“

 

Und dann offenbarte sich das Gefährlichste, was Shikamaru in Hiashis Augen hätte sehen können. Es wurde mit dem geringsten Flackern durch die kühlen Seen getragen, bevor diese Quartzaugen förmlich damit funkelten. 

 

Belustigung. 

 

Die duldsame, herablassende Art von Belustigung; verdunkelt von einem Hauch von Verachtung und Hohn. 

 

Die Art von Ausdruck, mit der ein Sieger seinen Feind bedachte, wenn er einen besseren Kampf erwartet hatte, bevor er seine Trumpfkarte hervorzog, um einen sauberen unumgänglichen Kill zu erzielen. 

 

Fuck.

 

„Dann gestatte mir, dir zu sagen, was ich weiß, Nara.“ Hiashis Stimme senkte sich um eine alarmierende Nuance. „Ich weiß, dass die Fähigkeit meines Neffen, Chakra zu formen vor der Mission nach Hanegakure stark eingeschränkt war. Ich weiß außerdem, dass seine Versuche, diese Tatsache vor mir zu verbergen, auf seine Gesellschaft mit dir zurückzuführen ist.“

 

Shikamaru hätte vermutlich geschockt ausgesehen, wenn sein Hirn nicht bereits seinen physischen Reaktionen vorausarbeiten würde. Sofort kalkulierte es, wie zur Hölle Hiashi im Besitz solch spezifischer Informationen sein konnte. Doch noch wichtiger waren die Informationen, in deren Besitz sich der Hyūga nicht befand. Es waren dieseInformationen, die essentiell waren, wenn er dieses Chaos überleben wollte. 

 

„Das ist nicht ganz richtig, Hiashi-sama.“, erwiderte Shikamaru mit lobenswerter Ruhe und drängte verzweifelt auf Zeit. 

 

„Es ist wirklich bemerkenswert, wie mühelos und flüssig du lügst, Shikamaru.“ Hiashi hielt ganz plötzlich inne; beinahe unbeabsichtigt. „Aber als Shikakus Sohn schätze ich, dass du ein Talent dafür hast.“

 

Das ließ Shikamaru die Brauen zusammenziehen, doch ihm fehlte der Kontext, um diese Worte mit etwas anderem als der jüngsten Auseinandersetzung zwischen seinem Vater und dem Hyūga in Verbindung bringen zu können. 

 

Super, hat mein alter Herr also noch etwas anderes gemacht, um dich anzupissen?

 

Es würde ihn nicht wirklich überraschen, wenn es so wäre. Sein Vater hatte schon immer einen seltsamen Umgang mit Hiashi gehabt, was er jedoch einzig und allein einem Zusammenprall von Familienwerten zugeschrieben hatte. 

 

„Was diese ausgeprägte Fähigkeit zu lügen angeht; das gleiche kann nicht von meiner Tochter behauptet werden.“, fuhr Hiashi elegant fort. „Sie hat nicht das Herz für Täuschungen und ihre Versuche darin sind gelinde gesagt beklagenswert.“

 

Shikamaru erbleichte und sein Blut wurde angesichts der Worte eiskalt. 

 

Er hoffte bei allen Göttern, die er kannte, dass die Erschöpfung, die auf seinen Zügen hing, genug sein würde, um die Veränderung seiner Blässe zu kaschieren. 

 

Offensichtlich war es das nicht. 

 

Hiashis Lippen bogen sich freudlos. „Ich bin kein Narr und ich werde mich nicht als einer vorführen lassen. Nicht von deinem Vater und schon gar nicht von dir. Ich weiß, dass mehr als nur eine der unerklärlichen Abwesenheiten meines Neffen darauf zurückzuführen sind, dass er sich bei dir zuhause aufgehalten hat.“

 

Shikamarus Verstand blätterte sich sofort durch katalogisierte Erinnerungen und rannte schlagartig die Zeitleiste bis zu dem Tag entlang, an dem Hinata Nejis Klamotten zu ihm gebracht hatte. 

 

Scheiße, er hat sie verfolgen lassen…das muss es sein…

 

Es war nicht schwer, sich das vorzustellen, wenn man Nejis wiederkehrendes Verschwinden zu dieser Zeit bedachte. Hinata hatte außerdem erwähnt, dass Hiashi von Nejis übermäßigen Missionen außerhalb des Dorfes beunruhigt gewesen war. Kein Wunder also, dass der Hyūga Lord Vorkehrungen getroffen hatte, um auch die Bewegungen seiner Tochter besser im Auge zu behalten.

 

Shikamarus verkrampfte den Kiefer. 

 

Götter, mir gehen die Möglichkeiten aus, bei der ganzen Sache auf Nummer sicher gehen zu können.

 

In der Spanne, in der er all diese Dinge eingeschätzt hatte, hatte Hiashi ihm keinerlei Raum gelassen, um darauf zu antworten. Er fuhr mit derselben tiefen, samtigen Stimme fort; aber genau wie das Gewebe, konnte sie auf zwei Arten interpretiert werden und es lag eine versteckte Kante darin, die gegen die Glätte in seinen Tönen arbeitete. 

 

„Obwohl Nejis Verhalten absolut inakzeptabel ist, gibt es wichtigere Dinge. Wurde er in Hanegakure verwundet? Denk gut nach, bevor du mich anlügst.“

 

Shikamaru senkte seinen Blick hinunter auf Hiashis Hände und sah der langsamen und extrem todbringenden Art und Weise zu, wie sich die Sehnen darin anspannten. Auf Nummer sicher zu gehen war nicht wirklich eine Option. Aber auf der anderen Seite war es nicht so, als wäre das hier irgendwie mehr ein Spiel, als es der ganze Rest gewesen war. 

 

Keine Möglichkeit mehr, hiervor noch länger wegzurennen…

 

Die Lider des Schattenninjas bebten, aber seine Stimme wurde stärker. „Was Neji in Hanegakure zugestoßen ist, ist passiert, weil ich mich verkalkuliert habe.“

 

„Er wurde verletzt.“ Keine Frage. 

 

Shikamarus Augen schlossen sich kurz. „Ja…“

 

Er hörte, wie Hiashis Roben in einer subtilen Bewegung raschelten, die den Bokken etwas näher an den Körper des Hyūga zog. „Darf ich annehmen, dass das dann bereits das zweite Mal ist, dass mein Neffe wegen deiner Misskalkulationen beinahe sein Leben verloren hätte?“

 

Die Worte zupften hart genug an einem Nerv, um ihn reißen zu lassen. 

 

Shikamarus Miene spannte sich an und seine Augen schwangen mit denen von Hiashi mit. „Wenn Ihr mich wegen irgendetwas verdächtigt, Hiashi-sama, dann wäre es am besten, wenn Ihr Euch an die Hokage wendet und eine formelle Beschwerde einreicht.“

 

Die Stille, die sich daraufhin hielt, hätte tödlich sein können; es war schwer festzustellen, denn als Hiashi antwortete, hatte sich seine Stimme zu einem seltsamen Timbre verändert, das noch etwas schwerer zu interpretieren war. 

 

„Ich frage nach der Wahrheit.“

 

Der Schattenninja schüttelte schwach den Kopf. „Ich kann Eure Fragen nicht beantworten.“

 

„Lass es mich anders formulieren. Ich bitte nicht. Und was für Lügen auch immer du und meine Tochter kreiert haben, um mich zu täuschen-“

 

„Hinata hat nichts damit zu tun.“, schnitt Shikamaru ihm das Wort ab, was ihm einen eisigen Blick einbrachte, der schon ältere und erfahrenere Männer zum Schweigen und zur Unterwerfung gezwungen hatte; aber auf der anderen Seite hatte Shikamaru gesehen, wie Nejis Augen kälter und härter gewesen waren als die, die ihn jetzt anstarrten. „Ich ziehe mich selbst dafür zur Verantwortung, was Neji in Hanegakure zugestoßen ist und genau wie Ihr sagtet; nicht zum ersten Mal. Es hatte nichts mit seiner Fähigkeit, Chakra zu formen, zu tun. Es war meine Schuld. Das ist alles, was ich Euch sagen kann. Und es ist die Wahrheit.“

 

„Ich glaube dir kein Wort.“

 

Shikamaru richtete sich auf und gab diesen Worten nicht einmal die Chance, in ihn zu sinken, während er energisch den Stich in seinen Rippen ignorierte. „Um unser Ziel zu erreichen hat Neji einen Schlag einstecken müssen, obwohl ich dafür hätte sorgen müssen, dass er nicht getroffen wird. Er wurde außerhalb von Konoha behandelt; auf meinen Befehl und aufgrund seines Zustandes.“

 

„Ich bin nicht daran interessiert, was euer Ziel war, Nara. Wir beide wissen, dass der Zustand meines Neffen auf mehr zurückzuführen ist, als einfach nur auf diese Mission oder darauf, dass du dich verkalkuliert hast.“

 

„Es lag an mir.“

 

Stille erfüllte den Raum wie ein abruptes Luftholen und presste sich nach außen gegen die Wände und nach innen gegen Shikamarus Trommelfelle. Die Pause hielt sich schwer und gefährlich; angespannt genug, um Härchen aufzustellen und über Haut zu kribbeln. 

 

Hiashis Augen waren starr auf ihn fixiert und spekulierten rücksichtslos. „Beschützt du ihn, Shikamaru?“

 

Die Lippen des Schattenninjas bogen sich in einem schwachen bitteren Schmunzeln nach oben. „Ich strategisiere und halte den Gegner hin und das von den Seitenlinien aus, Hiashi-sama. Ich mache keinen so guten Job darin, Menschen zu beschützen. Es wäre eine weitere Misskalkulation…anzunehmen, dass ich das könnte…“

 

Hiashi tat sein Ausweichen ab, als wäre es viel zu schwach, um überhaupt anerkannt zu werden. „Wovor hast du ihn beschützt?“

 

„Wenn ich irgendetwas beschützt habe, dann war es Nejis Würde. Das war’s.“

 

Hiashi neigte beinahe katzenhaft den Kopf zur Seite. „Wovor beschützt du ihn immer noch, wenn du weiterhin der Meinung bist, meine Intelligenz beleidigen zu müssen?“

 

Shikamaru zögerte, doch er schaffte es, seine Gesichtszüge beständig zu halten. „Ich bin nicht hierher gekommen, um Euch zu beleidigen, Hiashi-sama. Aber ich kann Eure Fragen nicht beantworten.“

 

„Also würdest du deine Reputation riskieren, nur um die Würde meines Neffen zu schützen?“

 

Shikamaru hätte beinahe gelächelt, schüttelte stattdessen aber den Kopf. „Meine Reputation schert mich nicht.“

 

„Ganz offensichtlich nicht…aber meine Frage steht immer noch. Warum tust du es?“

 

Es war eine Frage, die sich wie ein Haken in sein Herz grub und hart daran zog. Er musste schlucken, bevor er seine Antwort murmeln konnte. „Weil ich sein Freund bin.“

 

Hiashis Brauen schossen in einer vollkommen untypischen Lebhaftigkeit nach oben. „Sein Freund? Erwartest du von mir, dass ich diesen kindischen und etwas erbärmlichen Versuch einer Antwort akzeptieren werde?“

 

„Nein.“ Shikamaru wandte den Blick ab und sah zu, wie das bernsteinfarbene Licht warm durch die Shōji Paneele fiel. „Aber völlig egal, ob Ihr es akzeptiert oder nicht; es ist dadurch nicht weniger wahr.“

 

Ein leises Geräusch, das eine Mischung aus Intrigenspiel und Irritation sein könnte, verfing sich tief in Hiashis Kehle und löste sich mit einem abweisenden Schnauben. „Dir ist ganz klar die Umgangsweise deines Vaters mit Worten zu eigen, aber der Sohn des Jōnin Kommandanten zu sein schließt dich nicht aus dem Protokoll aus, wenn ich mich dazu entscheiden sollte, aufgrund meiner Vermutungen einzuschreiten.“

 

Shikamaru handelte, bevor Hiashi überhaupt die Chance dazu bekam. 

 

Er warf dem Hyūga einen Seitenblick zu. „Dann tut es jetzt.“

 

Hiashi blinzelte und zog überrascht das Kinn zurück. „Wie bitte?“

 

Shikamaru nutzte die Öffnung; nicht, weil er dachte, dass es taktisch klug war, das zu tun – gottverdammt, das war es nicht – sondern weil er erschöpft war. Er war der Fragen so verdammt müde, die sein Gewissen in eine Ecke trieben. Er würde zu seiner eigenen Zeit Buße tun, in der Privatsphäre seiner eigenen Umgebung; nicht hier, wo Hiashi ihn einem Kreuzverhör unterzog, gegen das der Bokken geradezu freundlich wirkte. 

 

Er hatte in seinem Inneren bereits genug Schläge einstecken müssen. 

 

Aber wenn er seinen Stolz hinunter schlucken müsste, um Neji zu beschützen; dann würde er es tun. 

 

Ein kleiner Preis nach all dem, was wir beide verloren haben…

 

Shikamaru nahm einen scharfen Atemzug, richtete den Blick auf den Boden und senkte schweigend ein Knie; innerlich zuckte er wegen des schmerzhaften Stichs an seiner Seite zusammen. 

 

„Was tust du da?“, verlangte Hiashi zu wissen und der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht spannte sich unsicher an. 

 

Sich verneigend legte Shikamaru einen Unterarm auf sein aufgestelltes Knie und hielt seinen Blick nach unten gerichtet; seine Stimme floss in stiller Resignation durch den Raum. „Falls ich Euch mit meinen Worten oder Handlungen beleidigt haben sollte, dann entschuldige ich mich für beides. Aber solltet Ihr mich wegen sonst irgendetwas anderem verdächtigen, als euch zu beleidigen, dann werde ich alles akzeptieren, was Ihr Eurer Meinung nach unternehmen müsst.“

 

Mit den Augen starr auf den Boden gerichtet konnte er den Ausdruck auf Hiashis Gesicht nicht sehen. 

 

Er hätte vermutlich auch nicht gewusst, wie er darauf reagieren sollte, wenn er ihn gesehen hätte. 

 

Die Züge des Hyūga verzogen sich mit offener Überraschung und dann verengten sich seine blassen Augen zu einem flüchtigen Blick, der zerrissen war von äußerst menschlicher Verwirrung; einer, die tief unter der wohl erzogenen Fassade hervor drang. 

 

„Du würdest deine eigene Würde zerstören, nur um die seine zu schützen?“, murmelte Hiashi und die Verwirrung hielt sich noch immer in seinen Augen und schlich sich fast unmerklich in seine Stimme. „Außer es ist mehr als nur seine Würde, was du beschützt…?“

 

Shikamaru bot darauf keine Erwiderung an und ließ den Halbmast seiner Wimpern noch tiefer sinken; er versuchte nicht einmal, eine Antwort zu strategisieren. Es gab auch keine. Dieser Moment und seine Handlungen enthielten mehr Wahrheit als es seine Worte jemals könnten. 

 

Er spürte das Gewicht des Blickes des Hyūga wie eine Klinge über seinem Kopf. 

 

Er wartete auch auf den Schlag, der ihn treffen würde. 

 

Doch dann schwebte ein leises Seufzen durch die Stille. 

 

Und als Hiashi endlich sprach, klang seine Stimme leiser, aber auf eine andere Weise; als wäre sie weit entfernt. „Steh auf und geh nach Hause, Nara. Wir sind hier fertig.“

 
 

oOo
 

 
 

Der Sonnenuntergang verschmolz mit den blauen Schattierungen des Zwielichts; eine düstere Leinwand besprenkelt mit dem schwachen Flackern der ersten Sterne. Nejis Blick richtete sich auf das hellste Funkeln, das sich gegen das Indigo absetzte, das sich langsam in Schwarz verwandelte. 

 

Die Ruhe, die mit der Nacht einherging fühlte sich aus irgendeinem Grund hohl an.

 

Als wäre sie außer Reichweite…

 

Ebenso weit entfernt wie diese Sterne…

 

Ein sanftes Glühen von eisblauem Licht zog seine Aufmerksamkeit hinunter auf die junge Kunoichi, die fließende Drehungen auf dem Innenhof beschrieb. Sie hatte nicht ein einziges Mal inne gehalten, seit sie begonnen hatte. Und Neji hatte sie schweigend vom Rand aus beobachtet; still und stoisch wie ein Wachposten. 

 

Das ist es auch, was ich bin…oder?

 

Hinata zog scharf ihre Faust an sich, während sie ihre andere Handfläche mit einem Wimmern nach außen stieß.

 

Neji legte den Kopf schief und sah zu, wie das Chakra über ihre Hand flackerte wie ein blauweißer Handschuh; es schwoll an und verpuffte dann schwach.

 

Nah dran.

 

Ohne die Miene zu verziehen beobachtete er, wie sie sowohl den Prozess als auch den Fehler wiederholte. Frustration berührte ihre Augen, aber er konnte sich vorstellen, dass die Enttäuschung ihr Herz härter traf. 

 

Etwas weiter die Veranda hinunter glitt eine Shojitür auf. 

 

Neji drehte leicht den Kopf, bevor er sich sofort umwandte und verneigte. 

 

Hiashi kam an seine Seite, doch die Augen des Ältesten wanderten zu seiner Tochter. Neji folgte ihm und richtete seinen Fokus ebenfalls wieder auf Hinata; und wenn nur, um es vermeiden zu können, seine Aufmerksamkeit auf Hiashis Profil zu richten, das in den vertrauten strengen und düsteren Konturen verblieb. Wenn er nur etwas genauer hingesehen hätte, dann hätte er vielleicht bemerkt, dass da auch noch etwas anderes auf dem Gesicht seines Onkels zu finden war. 

 

Die Stille, die sich zwischen ihnen hielt, war nicht angenehm, aber sie war auch nicht angespannt. 

 

Ihr gemeinsamer Aufmerksamkeitspunkt verengte sich auf Hinata und es war nur der leise Klang ihrer Atmung und konzentrierten Rufe, die den stillen Innenhof erfüllten. Der Geruch von Holzrauch und gelegentlich vorbei treibende Asche wurden durch die Luft getragen; sterbende Funken auf einer kalten und schneidenden Brise. 

 

Hiashi hob den Kiefer, drehte aber nicht den Kopf. „Dein Trotz wird nicht toleriert werden, unabhängig davon, wie es dir geht; das musst du verstehen.“

 

Neji blinzelte langsam und folgte mit den Augen Hinatas Bewegungen. „Das habe ich schon immer verstanden, Hiashi-sama. Was ich nicht verstehe ist, warum du deinen Bruder nicht dazu ermutigt hast, das anzunehmen, was ANBU ihm geboten hat.“

 

Hinata stolperte einen Schritt zurück, schüttelte ihre Hände aus und begab sich direkt wieder zurück in ihr Kata, während sie mit ihren Armen anmutige und kontrollierte Kreise beschrieb. Hiashi runzelte die Stirn und beobachtete stattdessen ihre Beinarbeit. 

 

„Ist es das, worum es hier geht, Neji?“, fragte er. „Dein Vater?“

 

Neji sah weiterhin auf Hinatas Hände. „Ich habe dem Käfig, in den ich hinein geboren wurde achtzehn Jahre meines Gehorsams gegeben, Hiashi-sama…und ich weiß die Nachsicht zu schätzen, die du mir gegenüber als mein Onkel gezeigt hast.“

 

„Tust du das wirklich?“, konterte Hiashi und zog die Brauen zusammen, als Hinata schon wieder stolperte.

 

Neji drehte ein winziges Stück den Kopf und spähte durch den Fall seiner Strähnen auf die strengen Falten auf Hiashis Stirn. „Ich respektiere dich, aber ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich irgendetwas anderes als Verachtung für die anderen Ältesten empfinde.“

 

„Hüte deine Zunge.“, warnte Hiashi und musste dabei nicht die Stimme heben, oder das Haupt wenden. „Selbst meine Nachsicht hat ihre Grenzen.“

 

Das war mit Sicherheit keine Lüge; Neji wusste, dass die Grenzen von Nachsicht in etwa so weit gingen wie das Konzept von Mitleid innerhalb des Hyūga Clans. Und gemessen an dem, was dieser Clan seinem eigenen Fleisch und Blut antat, war Mitleid keine Tugend, sondern ein absolutes Novum – und wenn jemand besonders viel Glück hatte, dann war dieses Mitleid ein Segen. 

 

Neji richtete seinen Blick wieder auf Hinata. „Dann bitte ich um deine Nachsicht, mir eine Frage zu gestatten. Die Ältesten haben ihre Antwort bereits gegeben, auch wenn die Entscheidung bei dir liegt.“

 

Hiashis schiefes Lachen klang mehr nach einem Schnauben aufgrund seiner ungeübten Töne. „Du hast zu viel Zeit mit Shikakus Sohn verbracht, wenn du denkst, dass du Machtspiele spielen kannst, Neji.“

 

„Ich würde meine Freiheit für nichts aufs Spiel setzen.“, erwiderte Neji scharf und hielt rasch seine Stimme im Zaum, als er spürte, wie Hiashi ihm einen warnenden Seitenblick zuwarf. „Das ist kein Spiel für mich, Hiashi-sama.“

 

„Dann stell deine Frage.“

 

„Wenn ich dem Weg zu den ANBU folgen möchte, wirst du mich daran hindern?“

 

Die Brise schien zu ersterben. 

 

Neji spürte, wie er gleichzeitig aufhörte zu atmen; die Luft verschloss sich in seiner Kehle. 

 

Hinata vollführte zwei sanfte Drehungen, bis Hiashi endlich antwortete; seine Worte wurden in der kalten Nachtluft zu Nebel. 

 

„Nein, ich werde dich nicht daran hindern.“, sagte er leise, bevor er ernst hinzufügte: „aber ich werde dich auch nicht dabei unterstützen.“

 

Kopfschüttelnd spannten sich Nejis Lippen gegen ein bitteres Lächeln an. „Wäre es denn für alle Beteiligten einfacher, wenn ich den gleichen Weg wie mein Vater einschlagen würde? Wenn ich schwach wäre…“

 

„Dein Vater war nicht schwach.“ Die Geschwindigkeit von Hiashis Erwiderung war nichts im Vergleich zu der strengen Art und Weise, wie er sie aussprach. Es versah seine Worte mit einer Kante, durch die man den Eindruck gewinnen konnte, dass er sich beleidigt fühlte. 

 

Neji runzelte die Stirn und spähte zu seinem Onkel. „Nein. Er war nur aufgezehrt von seiner Verbitterung…und er hat mich zu demselben Schicksal verdammt; in der Hoffnung, dass ich stark genug wäre, um meiner Bestimmung auf eine Weise zu entkommen, auf die er es nicht getan hat…“

 

Hiashis Zorn milderte sich etwas und sein Kiefer lockerte sich leicht aus seiner steifen Verkrampfung. „Das ist nicht wahr. Dein Vater war ein Opfer, kein Missetäter.“

 

„Und was bin ich?“, wisperte Neji bitter; seine tiefe Stimme bebte mit dem plötzlichen Aufwallen von Emotionen, von denen er nicht die Kraft hatte, sie im Zaum zu halten. „Ein Testament seiner Tragödie?“

 

Hiashi wandte sich um und sah durch ernste, beständige Augen seinen Neffen an. „Nein, Neji. Du bist ein Testament dessen, was aus Hizashis Tragödie geboren werden kann.“

 

„Und was wäre das?“

 

Hiashi wandte den Blick ab und richtete ihn himmelwärts. „Hoffnung.“

 

Neji blinzelte und fragte sich ernsthaft, ob er sich gerade verhört hatte. 

 

Vorsichtig folgte er den Augen seines Onkels, bevor er seinen Blick wieder auf den älteren Hyūga richtete. 

 

Hiashis Iriden wanderten über eine weit entfernte Konstellation und etwas Trauriges ätzte sich in seine Augenwinkel; wie die Berührung einer lange verleugneten Emotion, die eigentlich nicht da sein sollte. 

 

„Ich trage noch immer die Ketten unserer Clantraditionen. So wie mein Bruder…“ Hiashi senkte den Blick und richtete denselben seltsam abgehärmten Ausdruck auf Hinata. „Aber mit jeder Generation werden diese Bindungen schwächer…du wirst deine Ketten zerbrechen, Neji. Hasse deinen Vater nicht dafür, dass er nicht in der Lage war, seine eigenen zu zerbrechen.“

 

Sprachlos konnte Neji nichts anderes tun, als seitwärts seinen Onkel anzustarren; seine eigenen blassen Seen verengten sich gegen den stechenden Schmerz, der sich in sie drängte. Hiashi hielt seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter gerichtet und blinzelte langsam. 

 

„Es ging nie darum, Hizashi dazu zu ermutigen, das anzunehmen, was ANBU ihm angeboten hat. Er ist geblieben, weil er die Dinge für die Zweigfamilie ändern wollte.“ Hiashi spähte zu Neji hinüber und zwang seinen Neffen so, den Blick abzuwenden. „Und für dich, Neji. Du warst sein Grund, aus dem er unseren Clan ändern wollte.“

 

Ich wünschte, ich wäre der Grund gewesen, aus dem er leben wollte.

 

Neji ließ seine dichten Strähnen seinen Ausdruck der Trauer verbergen, der sich in die stolze Maske seines Gesichtes fraß und schloss langsam seine Augen. 

 

Die Wunde tief in ihm; die, die öfter aufgerissen und in die öfter geschnitten wurde, als er ertragen konnte, schien nun mit einer anderen Emotion zu schmerzen. In dem rohen Ort, der niemals wirklich verheilt war, spürte er, wie Kummer durch den Zorn blutete, der ihn für zwei lange Monate infiziert hatte.

 

Ich verspreche, dass ich dir eines Tages vergeben werde…

 

Aber nicht jetzt. Er war noch nicht bereit dazu, das loszulassen. 

 

„Ich werde nicht denselben Fehler wie mein Vater begehen.“, sagte Neji leise mit noch immer geschlossenen Augen, als würde er einen Teil von sich neu ansprechen, der kurzzeitig vom Weg abgekommen war. „Ich werde ANBU weiter verfolgen.“

 

„Und wie ich bereits sagte“, nickte Hiashi, „werde ich dich nicht daran hindern.“

 

Die Tatsache, dass du es könntest ist der Grund, aus dem ich es tue…

 

Neji biss hartnäckig den Drang zurück, seinem Gedanken eine Stimme zu verleihen und hob stattdessen die Lider, um geradeaus auf Hinata zu starren, die sich gerade an einem anderen Jutsu versuchte. Das Chakra flackerte erneut über ihre Fäuste und hielt sich in einem klecksartigen Glühen, bevor es mit einem Zischen verblasste, das sie keuchend zurückließ. Energisch biss sie die Zähne zusammen, aber ihr entschlossen gerecktes Kinn geriet leicht ins Wanken. 

 

Sie sah von ihren zitternden Fäusten auf und hinüber zu ihrem Vater. 

 

Doch Hiashi drehte ihr einfach nur den Rücken zu und lief davon. 

 

Neji beobachtete, wie die Augen der Kunoichi dem Ältesten folgten; weit und leuchtend in der Dunkelheit. 

 

Es war etwas ausgesprochen Kindliches an der Art und Weise, wie sie auf die Shojitür starrte, die Hiashi zur Seite schob; als würde sie erwarten, dass ihr Vater innehielt und sich umwandte.

 

Er tat es nicht. 

 

Die Tür schloss sich mit einem leisen Klacken hinter ihm. 

 

Hinatas Augen fielen wieder hinunter auf ihre Hände und ihre Fäuste bebten, als ihr Atem einmal kurz stockte. Doch ohne ein weiteres Geräusch drängte sie sich zurück in das Kata und durchstach die Luft mit ihren Handballen, während sie Zirkel beschrieb, die etwas zu ruckartig waren, um fokussiert zu sein. 

 

Nejis Augen verengten sich leicht. 

 

Er schritt fort von der Veranda und bewegte sich einem Wispern aus Weiß über den Innenhof, um sich seiner Cousine zu nähern. Hinata bemerkte ihn nicht; ihre Konzentration war vollkommen nach innen kanalisiert und ging nur so weit nach außen, wie ihre Arme reichten. 

 

Erst, als sie das sanfte Schwingen seiner Roben an ihrer unmittelbaren Peripherie wahrnahm, beruhigte sie ihre Bewegungen genug, um zu realisieren, dass Neji neben ihr war und das Kata in einer Geschwindigkeit spiegelte, die sie dazu zwang, langsamer zu werden und sich auf ihn zu konzentrieren. 

 

Weitäugig und zögernd sah sie ihn an. 

 

Neji schüttelte nur den Kopf und wandte ihr nicht den Blick zu. „Konzentrier dich nicht nur auf deine Fäuste, auch wenn das der Punkt ist, an dem du dein Jutsu konzentrierst. Das Chakra beginnt nicht in deinen Händen, es fließtdorthin. Komm, versuch es nochmal.“

 

Hinata blieb stehen und ihr Kiefer fiel leicht nach unten, als sie sich an Ort und Stelle aufrichtete und heftig blinzelte. „Ich…“ Sie brach ab. 

 

Neji hielt seine Augen starr geradeaus gerichtet und schob sich in die Ausgangsposition des Kata. 

 

„Nochmal.“, sagte er nur. 

 

Hinata stierte ihn an und lächelte dann zaghaft, bevor sie sich sofort daran machte, seine Haltung nachzuahmen. „Ja.“

 

Neji nickte. 

 

Sie begannen von Neuem und als Hinata ins Stocken geriet, führte Neji sie mit einer Geduld, die er niemals zuvor gezeigt hatte. 

 

Und zum ersten Mal seit dem Bruch in dem Clan, fühlte sich ihr Hyūga Blut dicker an als Wasser. 

 
 

oOo
 

 
 

Wasser; es reflektierte die helle Scheibe des Mondes in einem verzerrten Schimmern. 

 

Shikamarus Brauen zogen sich zusammen, als er das fragmentierte Lichtspiel beobachtete und in der tiefen umfassenden Umarmung der Schatten verharrte. Sie legten sich um ihn wie ein Laken; unterbrochen nur von den Strahlen aus Mondlicht, die durch die Zweige des Baumes fielen, gegen den er sich bereits seit den letzten paar Stunden lehnte und die letzten Wolken beobachtete, wie sie sich von Feuer zu Asche verwandelten. 

 

Er fühlte sich in seinem Inneren ebenso ausgebrannt. 

 

Die Spannung, die ihn aufgrund seiner Konfrontation mit Hiashi durchzogen hatte, war endlich von seinen Schultern geglitten und ließ ihn apathisch und benommen zurück. Als hätte er eine Menge Adrenalin dafür reserviert, wie die Hölle wegzurennen, nur um dann festzustellen, dass er gar nicht gejagt wurde. 

 

Seltsam, aber sogar die Erleichterung fühlte sich erschöpfend an.

 

Ich muss einfach nur schlafen.

 

Keine Medikamente, keine Gehirnerschütterung, keine induzierte Bewusstlosigkeit; einfach nur natürlicher, nicht zwanghaft hervor gerufener Schlaf. Kaum hatte sich sein Verstand auf diesen Gedanken fokussiert, da driftete er auch schon ungebeten zu Neji ab; aufgewühlt von einer Flut aus Gefühlen, von denen er nicht sicher war, was er mit ihnen anfangen sollte. 

 

Ich kann es nicht ändern…muss es einfach akzeptieren…vielleicht auch versuchen, es zu vergessen…

 

Was auf gar keinen Fall passieren würde. 

 

Trotz allem, was zwischen ihnen blutig, verletzt oder zerbrochen war; es änderte nichts daran, was sie im Chaos erschaffen hatten. Und irgendwie hatte es alles überstanden, was auch immer sie ihm und sich gegenseitig entgegengeschleudert hatten.

 

Shikamaru lächelte schwach; ein Geist von wachsendem Kummer und Traurigkeit in seinen Augen. 

 

Lästiger Hyūga…

 

Er starrte auf das glasige Wasser und beobachtete die Glühwürmchen, die bei dem Schilf schwebten. Er musste ihnen für eine gute halbe Stunde zugesehen haben, bevor er sich umwandte, um nach Haus zu gehen. Die Hände tief in die Taschen geschoben und die Augen nach unten gerichtet, schritt er das weiße Band entlang, zu dem der Bürgersteig unter dem Glühen des Mondes geworden war. 

 

Er nahm einen weiteren Umweg und schlenderte dahin, bis ein scharfes Bellen seine Aufmerksamkeit auf einen Hund zog, der mit der Nase auf dem Boden die Straße entlang tapste. Der weißbraune Vierbeiner blieb ein paar Schritte von ihm entfernt stehen und sein Kopf ruckte plötzlich nach oben; das Mondlicht schimmerte von dem Hitai-ate, das um seinen bandagierten Hals gebunden war. 

 

Ein Ninken?

 

Als er Shikamaru erblickte, huschte der Hund ein Stück zurück und legte den Kopf mit einem fragend wirkenden Ausdruck schief, bevor er leise wuffte und sich in einer Spielaufforderung auf die Vorderbeine niederließ, während seine schokofarbene Rute leicht wedelte. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn, als er die blaue Weste bemerkt, die das Tier trug.

 

Es war nicht zu übersehen, dass es sich hier um einen von Kakashis Ninken handelte. 

 

Ugh. Schweine, Vögel, Hunde…im Ernst…warum passiert so ein Mist eigentlich immer mir…?

 

Doch bevor Shikamaru darüber nachdenken konnte, mehrere Meter vor dem zurück zu weichen, was mehr als wahrscheinlich eine lästige Situation sein würde, erschien eine vertraute Silhouette auf dem Bürgersteig; hinunter geworfen von dem Gebäude neben der Straße. 

 

„Willst du wissen, wie man ein Katz und Maus Spiel gewinnt?“, rief eine tiefe Stimme. 

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Doch ihm blieb keine Zeit, darauf zu antworten, selbst wenn er es in Betracht gezogen hätte. 

 

Ein leiser Aufschlag erscholl, als die Gestalt vor ihm auf den Boden sprang; die breitschultrige Figur verdunkelte augenblicklich den Mond, um den jungen Nara in Schatten zu tauchen. 

 

„Du bringst einen Hund ins Spiel“, sagte Asuma.

 

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Oh Gott, wir kommen dem Ende von BtB immer näher, langsam werde ich wirklich richtig wehmütig...nur noch vier Kapitel...

Und ja, die eine Konfrontation hat Shikamaru überstanden, aber jetzt steht ihm gleich die nächste bevor...

Ich hoffe sehr, dass euch dieses Kapitel wieder gefallen hat und würde mich natürlich wieder sehr sehr freuen zu erfahren, was ihr von den Charakterdarstellungen und dem Inhalt haltet :) 
 

Vielen vielen Dank wie immer an alle meine lieben Reviewer/innen und Leser/innen! <3

 

​Achja und: Happy Birthday Neji!! <3 

I wasn't hiding

„Du bringst einen Hund ins Spiel.“

 

Shikamaru hob nicht den Blick; seine Augen blieben starr auf die Risse auf dem Bürgersteig fixiert, obwohl er nur zu gut wusste, dass sich der Boden nicht öffnen würde, völlig egal, wie hart er ihn anstierte.

 

„Funktioniert jedes Mal.“, fügte Asuma noch mit einem schiefen Lächeln hinzu, das aber nicht die Besorgnis in seinen Augen verschleiern konnte. „Laut Kakashi.“

 

„Schätze mal, dass er nicht unrecht hatte.“, krächzte Shikamaru mit dem Blick weiterhin nach unten gerichtet.

 

„Ja und ich würde mir wünschen, dass ich ihm nicht sagen muss, dass er recht hatte.“

 

Shikamaru zuckte innerlich zusammen. 

 

Der Ninjahund bellte und seine Krallen kratzten über die Pflastersteine, als er den Weg zurück tapste; ganz offensichtlich sehr zufrieden mit sich selbst. Shikamaru beobachtete Asumas Schatten, als der Jōnin eine Hand hob und nach hinten winkte. Weiter die Straße hinunter salutierte eine silhouettenhafte Gestalt mit einem schmalen Buch, bevor sie verschwand und der Ninken hinterher trottete.

 

Shikamaru zählte die Sekunden, bis das Klacken der Hundekrallen verhallt war. 

 

Und dann wurde die Welt in eine angespannte Stille getaucht. 

 

Erneut musterte er Asumas Schatten und bemerkte die deutliche Abwesenheit der Zigarette, die normalerweise wie ein unumstößlicher Bestandteil von den Lippen seines Senseis hing. Wenn das nicht schon genug aussagen würde, dann konnte er bereits spüren, wie sich die Augen des Jōnins wie die glühenden Enden von Zigaretten in ihn brannten. 

 

„Ich schätze mal, dass ich endlich sagen kann, dass ich dich geschlagen habe.“, murmelte Asuma und sein tiefer Bariton wurde mit dem Hauch von Humor etwas lockerer; dazu gedacht, Shikamarus Blick auf sich zu ziehen. „Aber ich würde Shogi einem Versteckspiel jeden Tag vorziehen.“

 

Shikamarus Inneres verdrehte sich zu einem schuldbewussten Knoten; die Art, die sich wie ein Stacheldraht anfühlte, der die Konfrontation mit Hiashi geradezu schmerzlos erscheinen ließ. Diese Art von Schuld war Übelkeit erregend; die Art, die so viel schwieriger zu lösen war. Er zwang die Zahnräder seines Verstandes dazu anzuhalten, um das unmittelbare Durchdrehen zu einem ‚Zehn Schritte voraus‘-Versuch, diese Situation zu meiden, zu verhindern. 

 

Er konnte sie nicht vermeiden. 

 

Und selbst wenn er es gewollt hätte, er hatte nicht die Energie dazu – oder das Herz. 

 

Während er sich ein wenig drehte, spähte der Schattenninja weiter zur Seite, um auf den blassen Bürgersteig zu starren, der ebenso abgenutzt wirkte wie jede mentale Richtung, die er vielleicht nach einem Ausweg abgesucht hätte. 

 

„Ich habe mich nicht versteckt…“, murmelte er.

 

Er sah nicht, wie Asumas Augen flackerten und sich dann angesichts der Erinnerung weiteten, die diese Worte hervor riefen. 

 
 

~ Flashback: Zehn Jahre zuvor ~
 

 
 

Er versteckte sich nicht.

 

Nicht wirklich. 

 

Er benahm sich intrigant – Shinobi Stil – subtil und unauffällig in den Schatten. 

 

Ja klar…

 

Asuma seufzte und seine Lippen formten sich zu einem Fluch, der unausgesprochen mit dem Strom von Zigarettenrauch mit wirbelte. Er war zwanzig Jahre alt und versteckte sich vor seinem Dad wie ein Kind, das ein paar Ohrfeigen riskierte. Er würde das seinem alten Herrn auch durchaus zutrauen, doch das Schweigen seines Vaters war normalerweise schmerzhafter in seinen Ohren als irgendwelche tadelnden Gesten oder Worte. 

 

Denn dieses Schweigen schien immer von Enttäuschung erfüllt zu sein. 

 

Asuma verzog das Gesicht und kratzte sich über seinen stoppeligen Kiefer. 

 

Was zur Hölle will er eigentlich von mir? Warum zur Hölle ist es niemals genug?

 

Er zog erneut an der Zigarette und hielt den Atem an, bis die wolkige Luft in seinen Lungen brannte. Langsam lehnte er sich zurück gegen den hölzernen Zaun und die Latten knackten wie steife Glieder. Der wackelige Zaun umgrenzte einen stark renovierungsbedürftigen Spielplatz.

 

Scheinbar so wie meine Attitüde…

 

Er atmete eine wolkenartige Rauchfahne zu dem ‚Rauchen verboten‘ Schild hinauf, das in das Holz neben seinem Kopf genagelt war. Keine direkten Antworten von seinem Vater zu bekommen brachte ihn immer dazu, seine eigenen Schlüsse über das zu ziehen, was zur Hölle er wohl falsch gemacht hatte – was vermutlich ein mehr als bewusster Schachzug war, den sein alter Herr immer wieder machte, um Asuma dazu zu bringen, sich öfter selbstbeobachtend zu verhalten. 

 

Scheiß drauf…

 

Während er sich nach vorn lehnte, breitete der junge Sarutobi eine Karte auf dem Boden vor sich aus. Er entfaltete sie mit einer weitschweifenden und resoluten Geste und hielt sie mit seinen Handflächen fest. 

 

Freiheit. Möglichkeiten.

 

Sein Blick wanderte über den großen Atlas und er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. 

 

Ich bin es leid, niedergemacht zu werden…

 

Schnaubend entließ er zwei Rauchströme aus seiner Nase, bevor er einen weiteren langen und meditativen Zug nahm und seine Schachtel hervor fischte, während er entschlossen nickte. 

 

„Ich verschwinde hier…“, murrte er um seinen Glimmstengel herum. 

 

„Sie werden dich fangen.“

 

Asuma zuckte so heftig zusammen, dass die Bewegung dafür sorgte, dass sich die Karte wieder auf- und der Rauch mit einem erschreckten Keuchen aus ihm rollte. In einem schuldbewussten Reflex pfefferte er die Zigarettenschachtel von sich und klopfte sich mit der Faust gegen die Brust, als er abgehackt hustete. Seine Augen tränten und er blinzelte heftig, bis seine Umgebung wieder zurück in seinen Fokus ruckte. 

 

Sein Blick traf auf ein Paar halb geschlossener brauner Augen, die mit abgestumpften Interesse nach oben starrten. 

 

Auf keinen Fall. Ein Kind hat es geschafft, sich an mich anzuschleichen?

 

Das Erste, was ihn traf, war die Tatsache, dass er eigentlich das Haar des Kindes hätte bemerken müssen, wie es an seiner Peripherie durch den Rauch schnitt, lange bevor der Junge so nahe an ihn heran gekommen war. 

 

„Du bist nicht besonders gut darin, dich zu verstecken.“, bemerkte der Kleine geradeheraus. 

 

Asuma starrte für einen Moment benommen vor sich hin und seine Zigarette hing ihm von den Lippen. „Was?“

 

Der Junge mit der Ananas-Frisur nickte mit dem Kinn zu der Zigarette. 

 

„Dein Rauch zieht über den Zaun…und du hast eine Spur hinterlassen…“

 

„Huh?“

 

Ohne seine Hände aus den Taschen zu befreien, neigte das Kind seinen Kopf zu den zahllosen Zigarettenstummeln, die auf dem Pfad zurück verteilt lagen.

 

Asuma lehnte sich von dem Zaun fort und folgte dem Blick des Jungen. 

 

Scheiße…

 

Der Kleine sah wieder zu ihm und seine halb geschlossenen Augen verengten sich spekulativ. „Folglich…bist du nicht besonders gut darin, dich zu verstecken.“

 

Asuma lümmelte sich mit einem Schnauben wieder zurück gegen die Holzlatten und fühlte sich aus irgendeinem Grund viel ausgedrückter an als es seiner Zigarette vermutlich in einer Minute ergehen würde. 

 

„Ich äh…habe mich nicht versteckt.“, kam seine grummelige und unglaublich lahme Antwort. 

 

„Doch, das hast du…“, bestand das Kind, beobachtete die Rauchfahne und rümpfte die Nase gegen die beißenden Schwaden. „Und Rauchen ist dämlich.“

 

„Genauso, wie sich an einen gefährlichen Shinobi anzuschleichen.“

 

„Du bist kein gefährlicher Shinobi.“

 

„Woher willst du das wissen?“

 

„Wenn du ein gefährlicher Shinobi wärst, dann hättest du mich kommen sehen.“

 

Asuma starrte ihn für einen Moment ungläubig an.

 

Klugscheißer.

 

Wie alt war der Dreikäsehoch überhaupt? Sieben?

 

Der Sarutobi schürzte die Lippen um seine Zigarette herum, als er darüber nachdachte, wie idiotisch es war, ein Kind zu einem intellektuellen Gegner zu machen. Er schmunzelte leicht; widerwillig amüsiert. Das Kind jedoch hielt seinen Halbmast Blick bei, als wollte er unterstreichen, wie unglaublich gelangweilt er von dieser Interaktion war. Asuma hätte es ihm vielleicht sogar abgekauft, aber der Junge wollte ja offensichtlich auch nicht gehen. Tatsächlich trat das Kind mit einem faulen Schlurfen noch näher und nickte zu dem Zaun. 

 

„Ein gefährlicher Shinobi wäre sich auch bewusst, wenn er dabei ist, Ärger zu bekommen.“

 

„Du versetzt mich nicht gerade in Todesangst, Kleiner.“

 

„Du rauchst unter einem ‚Rauchen verboten‘ Schild.“

 

Der Sarutobi grunzte aufgrund dieser arglosen Beobachtung, dachte sich aber auch, dass er in Gesellschaft eines Kindes zumindest ein paar Skrupel wiederbeleben sollte. Achselzuckend nahm er die Zigarette von seinen Lippen und schnippte sie gegen den Zaun. 

 

„Zufrieden?“, murrte er und musterte das Symbol auf dem Ärmel des Shirts, das der Junge trug. „Nara, huh?“

 

Das Kind nickte. „Ich bin Nara Shikamaru und wer auch immer du bist; du wirst Ärger bekommen.“

 

Asuma blinzelte und legte argwöhnisch die Stirn in Falten. „Achja? Bist du ein kleiner Möchtegernninja, den der Hokage geschickt hat, um mir hinterher zu schnüffeln oder sowas in der Art?“

 

Shikamaru hob für jemanden, der noch so jung war, in einer amüsant trockenen Geste eine Braue. „Nein, ich bin gekommen, um die Wolken zu beobachten.“

 

„Da sind doch aber gar keine…“, bemerkte Asuma und linste himmelwärts zu der Leinwand aus klarem Blau, auf dem kaum der Hauch von Weiß zu finden war. 

 

„Doch, da waren welche.“, erwiderte Shikamaru und nickte zu der weggeworfenen Zigarettenschachtel. 

 

Asuma spähte zur Seite auf seine aufgegebenen Rauchmöglichkeiten, widerstand aber dem besitzergreifenden Drang, sie sich wieder zu holen. Er würde sie später retten. Langsam wandte er sich wieder dem Nara Jungen zu und hob fragend seine Augenbrauen. 

 

Der faul verschleierte Blick zuckte fort, als Shikamaru ihn stirnrunzelnd über die unebene Maserung des Holzes wandern ließ. „Ich weiß, dass es nicht echt ist…aber…der Rauch sieht aus wie Wolken…“

 

Asuma schmunzelte leicht und legte den Kopf schief, um die Aufmerksamkeit des Jungen auf sich zu lenken. „Du magst also Wolken, huh?“

 

Shikamaru nickte und sein kleiner Mund verzog sich zu einem Lächeln. „Sie sind das Beste.“

 

„Jo, ich schätze mal, sie sind wirklich ziemlich cool.“

 

„Rauchen ist nicht cool.“, sagte Shikamaru und trottete an Asuma vorbei zu dem verlassenen Päckchen Zigaretten. „Es ist lästig.“

 

Asuma warf seinen Arm nach außen und streckte sich mehr oder weniger auf dem Boden aus, um die Schachtel zu packen zu bekommen, bevor sie in den Besitz oder vielleicht auch eher Konfiszierung des Jungen übergehen konnte. Shikamaru hielt inne und bedachte ihn mit einer Art wachsamen Blick, den man normalerweise vermutlich einem unberechenbaren Betrunkenen zugeworfen hätte. Sofort richtete sich Asuma wieder zu etwas auf, das etwas präsentabler wirkte; nicht, dass er versuchte, den Kleinen zu beeindrucken. Scheiße, mit seinen Zigaretten in der Hand und dem Plan abzuhauen in Arbeit, war er ein 1A-Vorführbeispiel für eine Kampagne über schlechte Vorbilder. 

 

Er drehte seine Zigarettenschachtel in Händen.

 

Shikamarus Blick folgte der Bewegung. „Es brennt in den Lungen und sticht in den Augen.“

 

„Jo, aber es ist immer noch meine beste Angewohnheit.“

 

Für einen langen, gemessenen Moment starrte Shikamaru auf sein Gesicht und runzelte die Stirn. „Du bist komisch.“

 

Asuma lachte und klopfte sich mit einem schelmischen Schmunzeln die Zigarettenschachtel gegen die Schläfe. „Und allein dafür werde ich jetzt sofort wieder eine rauchen.“

 

„Das ist dämlich.“

 

„Darauf kannst du wetten. Lauf lieber weg und rette deine kleinen Lungen.“

 

Schon wieder hob Shikamaru eine Braue. „Du bist komisch und du wirst Ärger bekommen.“

 

„Ich bin ein Shinobi von Konoha.“, sagte Asuma mit viel zu viel Stolz für jemanden, der aus seinem Dorf abhauen wollte und warf dem Kind ein wildes Grinsen zu. „Ich kann mich aus dem Ärger herausholen, in den ich mich gebracht habe. Ich habe keine Angst vor Ärger.“

 

„Deswegen versteckst du dich auch.“

 

„Klugscheißer. Ich werde trotzdem eine rauchen.“

 
 

oOo
 

 
 

Er wünschte sich so sehr, Asuma würde eine dämliche Zigarette anzünden. 

 

Oder irgendetwas sagen. 

 

Shikamaru wich unbewusst einen Schritt zurück; die schlurfende Bewegung war vollkommen ungeplant. Wie diese ganze verdammte Situation. Trotz all seiner hochgepriesenen Fähigkeit, im Voraus denken zu können; er hatte nicht ansatzweise geplant, was er zu Asuma sagen sollte, falls er erwischt wurde. Er war auf alles und jeden vorbereitet, nur nicht hierauf.

 

Und Asumas Schweigen begann, ihn auf eine Weise zu beunruhigen, wie es nicht einmal bei Hiashi der Fall gewesen war. 

 

Denn egal wie wenig Shikamaru darauf gab, was die Leute von ihm dachten; diese Faustregel erstreckte sich nicht auf seinen Sensei. Es war ein haarfeiner Riss in seiner desinteressierten Attitüde; der sprichwörtliche Kratzer in seiner Rüstung. 

 

Doch Asuma hatte das niemals ausgenutzt. 

 

Denn obwohl er manipulativ war, um zu motivieren – und es war nicht zu leugnen, dass Asuma Chōji öfter mit einem Barbecue bestochen hatte, als es sein Geldbeutel zuließ – er hatte diese Art Spielchen niemals mit Shikamaru gespielt. Er überließ es den Gelegenheiten an einem Shogibrett, um solche Dinge auf vertrautem Gebiet und mit vertrauten Begrifflichkeiten zu ‚diskutieren‘. Asuma wusste die Sprache des Schattenninjas zu sprechen, weil er sich viel Zeit genommen hatte, sie zu lernen. 

 

Fünfzehn Shogipartien nach ihrem ersten Spiel beherrschte Asuma sie relativ fließend.

 

An diesem Tag hatte Shikamaru mitten im Spiel inne gehalten, war aufgestanden – und davon gelaufen. 

 

Anders als der Vater des Schattenninjas, der geduldig darauf gewartet hätte, dass sein Sohn einfach zurückkam, war Asuma ihm gefolgt – in gemessenen Abstand und in träger Geschwindigkeit – einfach nur, um sicher zu gehen, dass er in Ordnung war. Sie hatten niemals über diesen Tag gesprochen, aber ab da hatten sich die Dinge verändert. 

 

Und von all den Menschen in seinem Leben, schätzte Shikamaru seinen Sensei in höchstem Maße. 

 

Aus diesem Grund war dieser Moment die Hölle; und sie wurde mit jeder Sekunde heißer. 

 

„Was ist mit deinem Gesicht passiert?“

 

Achselzuckend blinzelte Shikamaru. „Ich wurde von einem angepissten Vogel bombardiert.“

 

Eine Lüge, die nahe genug an der Wahrheit war; wenn man bedachte, dass der kranke Vogel ihm wirklich fast die Augen ausgekratzt hatte. 

 

Scheiße, ich muss ihn füttern…muss schauen, ob es ihm gut geht…sicherstellen, dass die Zeltplane nicht…

 

Shikamaru zuckte zusammen und kehrte schlagartig von seinen Gedanken zurück, als sich eine von Asumas Händen nach seiner Schulter ausstreckte. Die bronzenen Finger erstarrten kurz, bevor sie sich beruhigend nach oben bogen. 

 

Scheiße, reiß dich zusammen.

 

Shikamaru zwang sich energisch dazu, sich von dieser dämlich schreckhaften Reaktion zu erholen, indem er still dastand, als der Jōnin seinen Daumen in den aufgestellten Kragen seiner Flakjacke hakte und das grüne Gewebe beiseite zog. 

 

Asuma starrte auf seinen Hals. 

 

Dunkle Brauen zogen sich alarmierend über dem steinhart werdenden Braun der Augen des Sarutobi zusammen.

 

Reflexartig schluckte Shikamaru und sah zur Seite weg. 

 

Als sein Sensei endlich sprach, war seine Stimme tief und leise. „Ziemlich großer Vogel, huh?“

 

Shikamaru zögerte und sah dabei unglaublich zerrissen aus. 

 

Die sanft formulierten Worte hätten ihn zumindest ein bisschen beruhigen müssen, aber sie zerrten ihn noch weiter aus dem Territorium voller Schwachsinn und stießen ihn hinein in den zerbrochenen Ort, wo all die Bruchstücke von Wahrheit immer noch wie Glasscherben verstreut lagen. 

 

Ich kann diesen Scheiß nicht schon wieder machen…

 

Physisch wich er noch einen weiteren Schritt zurück, als wollte er diesem Ort entkommen und wenn Asumas Hand nicht auf seine Schulter gefallen wäre, dann wäre er vermutlich noch weiter gegangen. 

 

Langsam und bedächtig atmete Asuma aus. „Ich werde hierfür eine rauchen müssen, oder?“

 

Shikamaru bemühte sich verzweifelt, einen schwachen Faden von Humor in dem massiven Knoten seiner rohen Nerven zu finden, während er aus den Augenwinkeln zu seinem Sensei spähte. „Ich sollte mich öfter in Ärger hinein manövrieren. Es ist offenbar gut für deine Gesundheit.“

 

„Das ist es ganz sicher nicht. Ich war schon nah dran, auf Senbons rumzukauen.“

 

„Hn. Schätze mal, dass das noch dämlicher ist als deine Zigaretten.“

 

„Ich werde Genma erzählen, dass du das gesagt hast. Und dann werde ich ihn dazu bringen, der Hund zu sein, wenn du das nächste Mal Verstecken spielst.“

 

Shikamarus Blick glitt zur Seite und er versuchte, das Gesicht zu verziehen, doch die Miene zerbröckelte und seine Stimmbänder fühlten sich an, als würden sie in seiner Kehle rosten. „Ich habe mich nicht versteckt…“, krächzte er noch einmal. 

 

Asuma summte und der Klang war wie begrabener Donner in seiner Brust. „Klar…“

 

Shikamaru spürte, wie die große Hand auf seiner Schulter zaghaft zudrückte und ihn sanft festhielt, bis er zu seinem Sensei aufsah. Sofort wurde er von der Besorgnis auf den Zügen seines Lehrers entwaffnet und er war kaum in der Lage, den Augenkontakt zu halten wegen all der lästigen Schuldgefühle, die er in ihm hervor rief. 

 

Doch dann lächelte Asuma leicht; ein Schatten seines normalen schelmischen Grinsens. 

 

„Ich werde trotzdem eine rauchen.“

 

„Hn.“ Shikamarus Mundwinkel zuckte nach oben. „Wie lästig.“

 
 

oOo
 

 
 

Stille; das war es, was er jetzt brauchte. 

 

Neji machte das Zentrum seines Geistes zu einer Oberfläche ohne Wellen; glatt und beständig. 

 

Gelassen genug, um zerstreute Gedanken und zersplitterte Gefühle fortwaschen zu lassen…

 

Und dann beging er dem Fehler, einem davon zu folgen…

 

Nur eines…ein einziges Gefühl…

 

Und ein einziges Gefühl war alles, was es brauchte, um die Meditation in eine Erinnerung ausbluten zu lassen…

 

‚Neji…‘

 

Der klare Strom von Nejis Gedanken verdichtete und vernebelte sich zu einem aufwühlenden Kribbeln, das sich tief in seinem Kern sammelte und spiralartig wirbelte. 

 

‚Warum kann ich dich nicht austreiben?‘

 

Die Ruhe von Nejis Atmung wich etwas Tieferem; etwas Zerfetztem…und das Bild in seinem Verstand wurde schärfer…stärker…und plötzlich war er nicht mehr der Einzige, der atmete…da war eine erregende rauchartige Empfindung von Atem auf seinen Lippen. 

 

‚Ich weiß nicht…‘

 

‚Sag es mir…‘

 

‚Ich...weiß nicht…fuck…‘

 

‚Sag es mir, Shikamaru…‘

 

‚Gott…nicht…bitte mich nicht…zu denken…‘

 

Neji spürte das Spielen von Muskeln; schlank und fest, wie sie sich unter dem schimmernden Salz von Haut bewegten, die heiß wie Feuer war…heißer als die Flamme seiner Zunge, als er sie über die Länge einer gezeichneten Kehle wandern ließ; die Sehnen angespannt und zuckend. 

 

‚Dann denke nicht…antworte einfach nur…‘

 

Er biss zu, zerrte Farbe in die Haut und presste seine Lippen gegen den Puls. Das Feuer flammte in einem kontrollierten Knoten auf und jagte einen Schauer aus Hitze über seine Wirbelsäule. Shikamarus Atmung wurde tiefer, wurde entzwei gerissen und zog sich selbst in einem Beben wieder zusammen. 

 

‚…ich weiß nicht…ich will…es nicht wissen…‘

 

‚Willst du stattdessen das?‘

 

Diese dunklen, geschlossenen Augen rollten kurz in den Schädel, bevor sie sich flatternd öffneten und stärker brannten als ihre Körper.

 

Brennen…brennen…brennen…

 

Flammen füllten Shikamarus Augen und sein Körper hob sich auf der Hitze…ohne ein einziges Geräusch…ohne sich zu ergeben…da war keine Unterwerfung…kein Nachgeben…so nah daran zu fallen…

 

‚Gib dich mir hin, Shikamaru…‘

 

Nejis Zähne kratzten über den Kiefer des Schattenninjas und die scharfe Neigung wurde hart, presste sich zusammen, bebte vor Zurückhaltung.

 

‚Du…zuerst…‘

 

‚Nein…‘, schnurrte er tief in das gepiercte Ohr. ‚Diesmal nicht.‘

 

Und dann brandmarkte er die Haut unter seinem Mund und mit einer wispernden, kaum vorhandenen Berührung traf Shikamarus Körper so intensiv auf seine Erlösung, dass Neji fühlen konnte, wie das Herz des Schattenninjas für die kürzesten Sekunden aufhörte zu schlagen.

 

Neji versteifte sich.

 

Die Erinnerung dieses Augenblickes fror ein. 

 

Sie verstärkte sich immer weiter in Nejis Verstand und breitete sich in jede Zelle seines Körpers aus, als würde er sie noch einmal durchleben.

 

Den Augenblick noch einmal durchleben, als Shikamaru von dieser glühenden Kante taumelte. 

 

Der exakte Moment, als der Puls des Schattenninjas ins Wanken geriet. 

 

Denn genau in diesem Moment…Sekunden bevor Shikamaru wieder seinen Atem erhaschte, fing Neji seinen Tod ein…und er hatte ihn mit einer Sehnsucht festgehalten, die seine Brust angesichts der Erinnerung zusammenzog. Die Erinnerung an den tiefen Wunsch, die tiefe Sehnsucht, in der Lage zu sein, dieses Herz anzuhalten und wieder aufleben zu lassen. 

 

‚War es der beste Weg, um zu gehen, Shikamaru?‘

 

Shikamaru hatte nicht mit Worten geantwortet…

 

GENUG!

 

Neji riss seinen Verstand heftig von der Erinnerung fort und seine glasigen Augen flogen auf. 

 

Bebend kam er zur Besinnung; seine Haut gerötet und roh und getaucht in einen Schimmer. Selbst das kühle Streicheln der Brise fühlte sich verführerisch an, als hätte sich die Luft wie ein Liebhaber um ihn gelegt. Sie pulsierte und wisperte und klammerte sich in den feuchten Falten seines Yukata an ihn. 

 

Götter, ich kann dich immer noch nicht austreiben…

 

Neji fuhr sich mit zitternden Fingern durch sein Haar und krallte sie in die dunklen Strähnen, als er darum kämpfte, seine Atmung zu beruhigen und die honigsüße Empfindung schwerer Erregung fort zu zwingen, die sich tief in seinem Inneren und hart in seinem Schritt sammelte. 

 

Verdammt sei das…

 

Er hatte meditiert, um in die Stille zu entfliehen…nicht, um seinen Körper in ein Fieber zu zerren, das berauscht wurde von der erotischen Droge einer Erinnerung…

 

So real…

 

Aber auf der anderen Seite; warum sollte es auch nicht real sein? Es war eine Erinnerung, keine Vorstellung.

 

Neji seufzte bebend und starrte ausdruckslos in die schwere Dunkelheit seines bescheidenen und traditionell eingerichteten Zimmers. Die schwarzen und milchigen Farbtöne der Nacht spielten über die Fusama Paneele, durchschnitten von einer einzigen Klinge aus Mondlicht, die schräg durch das Fenster fiel. 

 

Es traf auf den Futon, auf dem die Laken knittrig und zerknüllt von seiner Rastlosigkeit lagen. 

 

Genau wie auch sonst alles in mir…

 

Sich selbst an Schlaf und Stille zu verlieren war niemals so kompliziert gewesen, seit Shikamaru und er aufeinander getroffen waren. Doch die Ironie war, dass er im Auge des Chaos dennoch einen unglaublichen seelenberuhigenden Frieden mit dem anderen Ninja gefunden hatte. 

 

Niemals zuvor war ich auf eine solche Weise entspannt und ruhig…ich glaube nicht, dass ich mich jemals vorher wirklich ausgeruht habe…

 

Shikamaru hatte ihm diese Erholung und Ruhe gebracht…die tiefe Art, die hinuntersank bis in müde Teile seines Selbst, die sich älter und kälter anfühlten, als es seine achtzehn Jahre hätten zulassen dürfen…

 

Ja, Shikamaru hatte ihm Ruhe gebracht. 

 

Und jetzt konnte er sie nicht mehr finden. 

 

Und in ihrer Abwesenheit kam die bittere Retrospektive.

 

Denn trotz all dem Schmerz; Neji konnte den Frieden nicht leugnen. 

 

Und trotz all den Schlägen gegen seinen Stolz; er konnte auch das Vergnügen nicht leugnen. 

 

Er presste die Lider aufeinander und rammte den Kopf hart genug zurück gegen die Wand, um sich von dem steifen Pochen zwischen seinen Beinen und dem grausamen Schmerz in seiner Brust ablenken zu können. 

 

Er konnte Shikamaru beinahe auf seiner Zunge und an seinen Zähnen schmecken. 

 

Das heiße Salz seiner Haut…

 

Oder waren es seine Tränen?

 

Nejis Augen öffneten sich und das Feuer in seinem Blut dämmte sich zu einem Schwelen ein, als er an das letzte Mal dachte, als er in diese beschatteten Augen geblickt hatte. Augen, die vernarbt waren wie das bewölkte Schwarz eines rauchigen Quarzes…sich verändernd und kämpfend gegen die Macht dessen, was sie gemeinsam geschmiedet hatten…eine Begierde, die einen Stich in Nejis Brust trieb, der so scharf war, dass Neji nach unten sah, als erwartete er, eine Klinge dort begraben zu finden. 

 

Shikamarus Herz aufzureißen um sein eigenes zu retten hatte einen bitteren Rückschlag verursacht. 

 

Das hatte er niemals kommen sehen. 

 

Wie so vieles andere auch. 

 

‚Ich habe niemals vorhergesehen, was sich zwischen uns abspielen würde…und ich habe die Chance nicht ergriffen, es aufzuhalten…selbst dann nicht, als mir klar wurde, dass da etwas passierte…‘

 

Und das Wahnsinnige war; er hatte es auch nicht getan.

 

Völlig egal, wie er es in seinem Verstand drehte und wendete; es gab kein Entkommen von der Wahrheit, dass Shikamaru ihm mehr Gelegenheiten gegeben hatte, es aufzuhalten, als der Nara Möglichkeiten ergriffen hatte, es zu beginnen.

 

Ich muss es wissen…was es war…

 

Neji schloss die Augen und schob sich auf die Füße – obwohl es sich eher so anfühlte, als würde er gezogen. 

 
 

oOo
 

 
 

Konoha funkelte mit dem spätabendlichen Brennen gedämpfter Aktivitäten; ein sanftes Sprenkeln von Lichtern erschuf den Eindruck, als würden gefallene Sterne hell schimmern oder erkalten, als Ladenbeleuchtungen gedimmt wurden und Laternen und Straßenlampen die Illumination übernahmen. 

 

Vertraut. Sicher. 

 

Shikamaru lehnte sich gegen die raue Rinde eines Baumes und ließ sich lümmelnd in eine sanfte Kurve des Stammes auf den Boden sinken, während sich Asuma neben ihn hockte. Der provisorische Sitz des Jōnin bestand aus einer Gabelung von knorrigen Wurzeln, die sich in einem verknoteten Gitter aus der Erde krümmten. 

 

Die Art von Entgegenkommen der Natur. 

 

Doch im Moment war alles, dem Shikamaru entgegenkommen wollte Schlaf.  

 

Das wird eher nicht passieren…

 

Asuma hatte sie zu einem Ort geführt, den sie oft besuchten. Es war ein ruhiger grasbewachsener Hang, der von dem Hokage Anwesen hinab führte. Die Aussicht war beeindruckend und friedvoll und der Geruch von nassem Gras hing schwer in der Luft, um gleich darauf von einer weiteren Rauchwolke durchdrungen zu werden. 

 

Er hörte, wie sich Asuma drehte, um seine Zigarette auszudrücken. 

 

Sein Sensei hatte die vergangenen paar Minuten damit verbracht, den Rauch mit dem zufriedenen Gesichtsausdruck eines Mannes zu genießen, der überglücklich war, von einem Rückfall direkt wieder zu einer alten Angewohnheit zurückzukehren. 

 

Shikamaru rutschte unbehaglich auf der Stelle. 

 

Seine eigene irritierende Angewohnheit, den Dingen irgendwie zuvorzukommen, presste sich unangenehm gegen seinen Schädel. 

 

Doch in einer Situation wie dieser waren seine Vorhersagen in etwa so nützlich wie die Prognose anzustellen, welche exakte Form eine Wolke annehmen würde. Manchmal hatte er Glück, indem er die skulpturierende Hand des Windes genau examinierte – aber Wolken waren eben kein Lehm. Sie waren niemals festgelegt und veränderten sich unablässig und ihre Möglichkeiten dabei waren endlos. 

 

Ebenso endlos wie die derzeitige Stille…sie dehnte sich immer weiter aus…

 

Zog sich straff vor Anspannung. 

 

Seine Nerven fühlten sich an wie ein Gummiband, das kurz davor war, zurück zu schnappen…

 

„Weißt du, dass Chōji für dich ein Barbecue abgelehnt hat?“, begann Asuma kopfschüttelnd. „Ich war beeindruckt. Sieht also aus, als wäre es nicht nur für meine Gesundheit gut, wenn du dich in Ärger hinein manövrierst, sondern auch für seine.“

 

Shikamaru spähte zu ihm hinüber und suchte vorsichtig das Profil seines Senseis ab; soweit er es beurteilen konnte, sah Asuma ehrlich amüsiert aus. Aufmerksam beobachtete er seinen Sensei dabei, wie er eine weitere Zigarette in seinen Mundwinkel steckte und sie hinter der Kurve seiner Hand anzündete. Das Glühen der Flamme verfing sich in seinen Augen. 

 

Shikamaru nahm einen tiefen bebenden Atemzug tabakstichiger Luft. 

 

„Sogar Ino hat dicht gehalten.“, fügte Asuma hinzu und schob sein Feuerzeug in die Tasche. „Sie ist nicht eingebrochen.“

 

„Jo, sie hat stattdessen versucht, meinen Kopf aufzubrechen.“

 

„Was?“

 

„Sie hat einen Ziegelstein aus Mist nach mir geworfen…“

 

Asuma hustete eine Lunge voll Rauch aus. „Einen Ziegelstein aus was?“

 

„Aus Mist.“

 

„Wie hat sie das denn angestellt?“

 

„Sie hat ihn aufgehoben, auf meinen Kopf geworfen und nicht daneben geschmissen.“

 

Asuma brachte seine Zigarette zurück an seine Lippen und grinste hinter seiner Hand. „Was ist das nur mit dir und gewalttätigen Frauen, Shikamaru?“

 

„Ganz offensichtlich einfach nur glückliche Fügung.“, erwiderte er sarkastisch.

 

„Nun, Glück ist eine Dame, oder?“

 

„Das erklärt einiges.“ Shikamarus bebendes Schmunzeln verzog sich zu einem Wimmern, als er seine Position veränderte, beide Beine anwinkelte und einen Arm über seine Rippen bog. „Hn. Lästiges Mädchen.“

 

Das leise Rumpeln von Asumas Lachen rollte zu einer lockeren Stille aus. Und diese Stille wurde zu einer nachdenklichen Ruhe zwischen ihnen. Es fühlte sich fast nach der entspannten Stimmung an, die normalerweise zwischen ihnen herrschte. 

 

Fast, aber nicht ganz. 

 

„Shikamaru.“ Asuma ließ seinen Namen in die Stille taumeln. 

 

Der junge Nara blinzelte sich augenblicklich alarmiert von seinem glasigen Starren zurück. „Jo?“

 

„Da wir schon beim Thema sind; was denkst du über ‚Glück‘?“

 

„Dass ich es nicht habe.“

 

Asuma grinste kopfschüttelnd. „Und?“

 

„Und dass es erklärt, wie dumme Leute vorwärts kommen.“

 

Das leise Donnern von Asumas Lachen wurde von dem sanften Rascheln von Blättern über ihnen begleitet. Der Klang zog Shikamarus Blick von dem Dorf fort und höher zum Himmel, während er seinen Kopf nach hinten lehnte. 

 

„Komm schon, du musst doch darüber nachgedacht haben.“, drängte Asuma und schmunzelte hinter einem Schwall aus Rauch. 

 

Shikamaru grunzte irgendetwas Unverbindliches und widerstand dem Drang zu seufzen. „Glück bedeutet gar nichts. Ursache und Wirkung sind, was zählt und Fügung ist nichts weiter als eine beschissene Grauzone dazwischen. Es wird nur dann ‚Glück‘ genannt, wenn es für einen von Nutzen ist. So. Zufrieden?“

 

Das sanfte rote Glühen von Asumas Zigarette flackerte wie ein Glühwürmchen in der Dunkelheit und Asche fiel vom Ende. „Ja, das macht Sinn, wenn man so darüber denkt.“

 

„Wie soll ich sonst darüber denken?“, murrte er und wollte eigentlich überhaupt nicht daran denken. 

 

Asuma stellte einen Fuß auf seine provisorische Sitzstange und ließ einen Arm von seinem Knie baumeln. „Wie wäre es mit einem zufriedenen Rückblick? Oder angenehm überrascht zu sein?“

 

Shikamaru beobachtete, wie der Rauch davon schwebte und starrte unter seinen müden Lidern hervor, während er über die Worte nachdachte. Und dann runzelte er die Stirn, bevor er seinen Blick über das Dorf wandern ließ und zusah, wie die Lichter glitzerten. Auf einmal brauchte er eher die Ablenkung des punktierten Musters statt der Obskurität von Rauch. 

 

„Worauf willst du hinaus, Asuma-sensei?“, seufzte er. 

 

Asuma machte eine Pause und nahm einen langen tiefen Zug von seiner Zigarette. Dann atmete er aus und der Rauch schwebte über Shikamarus Sichtlinie, was dem jungen Nara sagte, dass sein Sensei himmelwärts sah. 

 

„Als wir unseren Geninteams zugewiesen wurden, dachte ich, dass ich der Jōnin war, dem man die miesesten Karten zugespielt hat.“, sagte Asuma. „Ich dachte, mein alter Herr hätte es absichtlich so geplant.“

 

Shikamaru blinzelte, als hätte er gerade einen verschrecktenSatz gemacht und warf seinem Sensei einen verwirrten Blick zu, der sich zu einem finsteren Ausdruck zusammenzog. Die empfundene Beleidung wäre vermutlich zu jedem anderen Zeitpunkt harmlos von ihm abgeprallt – aber jetzt im Moment, wenn er sich so verdammt roh fühlte, war es wie ein Tritt in die Eingeweide, das von Asuma zu hören. 

 

„Danke dafür.“, knurrte Shikamaru. 

 

Asumas Lippen bogen sich liebevoll.

 

Das Lächeln überraschte Shikamaru und warf seinen Zorn aus der Bahn, bis sich sein Stirnrunzeln von Anstoß zu Verwirrung wandelte. Asuma fuhr einfach nur fort, zu den Sternen hinauf zu lächeln und schüttelte den Kopf gegen welche Erinnerung auch immer an, die sich gerade in seinem Verstand abspielte. 

 

„Ino-Shika-Cho.“, raunte der Jōnin und grinste durch seinen Rauch. „Ich habe ein Großmaul, einen Drückeberger und einen Fresssack zugespielt bekommen. Naruto hatte mehr Motivation als ihr alle drei zusammen.“

 

Shikamarus Lippen zuckten leicht. „Ino war motiviert.“

 

„Wettbewerbsmotiviert.“, betonte Asuma und unterstrich diese Aussage mit einem Klopfen seiner Zigarette. „Aber fixiert auf die falschen Ziele und aus den falschen Gründen, was auch der Grund dafür ist, warum ihr Selbstwertgefühl inzwischen im Keller ist. Und was Chōji angeht…“ Der Jōnin warf ihm einen spielerischen Seitenblick zu. „Nun, ich schätze mal, dass mein Geldbeutel mehr geblutet hat, als der Junge jemals geschwitzt hat. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass du die meiste dieser Zeit über im Koma warst.“

 

Zugegebenermaßen war das vermutlich eine mehr als treffende Portraitierung ihrer frühen Genin Tage. Shikamaru gab die Wahrheit also mit einem Schulterzucken und einem schiefen Lächeln zu, das es aber kaum über seine gesamten Lippen schaffte. Asuma zog langsam an seiner Zigarette und summte leise, während er sinnierte. 

 

„Aber ihr drei hattet – und habt immer noch etwas, dass den anderen Teams fehlt.“

 

„Was denn? Dich?“, erwiderte Shikamaru trocken. 

 

Asuma setzte ein wildes Grinsen auf. „Darauf kannst du wetten, aber das meinte ich eigentlich nicht.“

 

„Sag mir jetzt bitte nicht, dass ‚Glück‘ die Antwort ist.“

 

„Für mich – ja. Für euch? Nein.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und seine Mundwinkel zuckten nach oben. „Das ist so nervig; warum kommst du nicht endlich zum Punkt?!“

 

„Klar. Ihr hattet Teamzusammenhalt.“

 

„Teamzusammenhalt…“, echote Shikamaru. 

 

„Ja…eine seltene Sache, wenn man sich gerade erst auf Genin Level befindet. Aber ihr drei hattet es auf Anhieb.“

 

Shikamaru zögerte und versuchte immer noch einzuschätzen, worum genau es hier eigentlich ging. „Na und?“

 

„Als ein Team seid ihr also sehr unkompliziert. Ich kann mich hier überhaupt nicht beschweren. Von allen Jōnin habe ich das beste Team bekommen. Ein Glücksfall. Damals war es mir nicht bewusst…“ Für einen Moment brach er ab. „Wie es scheint, bin ich bei solchen Dingen immer zu spät dran. Aber letztendlich zu der Erkenntnis zu gelangen ist besser, als nie darauf zu kommen. Und hier haben wir den zufriedenen Rückblick.“

 

Shikamarus Augen zuckten zu Asumas Zigarette und verengten sich auf eine Weise, die seinen deutlichen Argwohn darüber zeigte, was zur Hölle sein Sensei da gerade rauchte. Asuma bemerkte den dubiosen Blick und lachte leise eine Wolke aus, die ebenso nebulös war wie die Unterhaltung. 

 

„Super, ich bin richtig weise und tiefsinnig.“

 

Shikamaru verzog das Gesicht. „Nein, du bist nur komisch.“

 

„Du weißt, dass du das zu mir gesagt hast, als du noch ein Kind warst.“, schnaubte Asuma mit gespielter Beleidigung und zog gemächlich an seiner Zigarette. „Eigentlich solltest du mich inzwischen als einen ‚coolen‘ Erwachsenen ansehen; schätze mal, dass ich daran lieber mal arbeiten sollte.“

 

„Klar. Viel ‚Glück‘.“

 

„Klugscheißer.“

 

„Ich verstehe immer noch nicht, was dein Punkt ist.“

 

„Mein Punkt ist, dass Team 10 eine solide Einheit ist.“, antwortete Asuma. „Von allen Teams habt ihr bis heute den besten Zusammenhalt. Kein Konflikt. Kein Wettbewerb. Keine jugendlichen Liebesdreiecke. Ihr seid ein starkes Team.“

 

Und dann, ebenso unvorhersehbar wie Wolken, veränderte sich Asumas Stimmung. 

 

Seine Gesichtszüge veränderten sich vollkommen und es war, als würde Donner über seine Miene ziehen, seine Brandyaugen verdunkeln und seine Brauen zu einem tiefen Stirnrunzeln zusammenziehen. Selbst seine Zigarette glitt – beinahe vergessen – zu seinem Mundwinkel, als sich sein Ausdruck verdüsterte. 

 

„Ihr arbeitet gut zusammen.“, murmelte er. 

 

Eine von Shikamarus Brauen wanderte nach oben, als er seinen Sensei aus den Augenwinkeln beobachtete und einzuschätzen versuchte, warum Asuma aufgrund dieser Feststellung eher besorgt statt glücklich aussah.

 

„Achja?“, drängte Shikamaru ihn vorsichtig. „Solltest du deswegen nicht zufrieden sein?“

 

Asuma lächelte ohne die geringste Spur von Humor; die Zigarette hüpfte mit dem ausdruckslosen Biegen seiner Lippen. 

 

„Weißt du, genau hier ist mein Glück mit euch Dreien sowohl Segen als auch Fluch.“

 

Shikamaru legte den Kopf schief. „Wie kann das eine schlechte Sache sein? Du hast selbst gesagt, dass wir dir als Team nicht das Leben schwer gemacht haben.“

 

„Ja, ihr macht mir stattdessen als Individuen das Leben schwer.“, grunzte Asuma und hielt seine Hände auseinander, um seine Worte zu demonstrieren. „Und dann…“ Er klatschte seine Fingerspitzen aneinander und ließ sie leicht voneinander abprallen. „Kommt ihr alle zusammen und untermauert den Mist der jeweils anderen in einer großen zusammenhängenden Teamleistung.“

 

Shikamaru runzelte erneut die Stirn und seine Augen blitzten auf. „Was soll das denn jetzt heißen?“

 

„Es heißt, dass ich euch kenne.“, sagte der Jōnin scharf. „Euch alle drei.“ Er zog die Zigarette von seinen Lippen und drückte sie mit einem langsamen ruhigen Drehen aus. „Besonders dich, Shikamaru.“, fügte er leise hinzu.

 

Shikamarus Augen weiteten sich. 

 

Ein Anflug von Panik traf ihn hart in der Brust. 

 

Aber es war nichts im Vergleich zu der Schuld, die ihn am gleichen Ort noch härter traf. 

 

Er starrte auf das Ende der Zigarette seines Senseis, das gegen den feuchten Boden gedrückt war. Asuma nahm sich derweil etwas Zeit, ein wenig klare Luft einzuatmen und ließ die geschwängerte Pause sinken, während er sich etwas mehr aufsetzte und einen weiteren Glimmstengel anzündete, um einen langsamen, genussvollen Zug zu nehmen, bevor er einen Strom in den Himmel ausatmete. 

 

Und als er wieder sprach, tat er das so leise und mit einem Murmeln, dass Shikamaru die Ohren spitzen musste. „Und ich weiß, dass Chōji und Ino sich gegen so ziemlich alles stellen würden – auch mich – um dich zu beschützen.“

 

„So ist das nicht.“ Shikamaru schüttelte den Kopf und starrte mit großen Augen zu Asuma, während er nach einem Weg suchte, die Situation irgendwie zu verbessern. „Sie haben sich nicht gegen dich gestellt. Sie hätten das niema-“

 

„Hey, ganz ruhig. Es ist alles ok.“, murmelte Asuma sanft. „Egal wie mühselig es die Dinge für mich auch macht; ich bin froh, dass sie sich meinem Verhör so vehement widersetzt haben. Es sagt etwas.“

 

„Ja, aber du sagst im Grunde gar nichts.“, bemerkte Shikamaru und Unbehagen schlich sich sowohl in seine Stimme, als auch auf sein Gesicht. „Warum?“

 

Asuma klopfte schweigend auf seine Zigarette. 

 

Er drehte nicht einmal den Kopf. 

 

Scheiße…sag irgendwas…

 

„Warum sagst du nichts?“, drängte Shikamaru ihn und zwang seine Stimme dazu, so eben wie möglich zu bleiben. 

 

Wie ein Falke beobachtete er seinen Sensei und versuchte, zwischen den Zeilen der ernsten Miene des Jōnins zu lesen. Er kämpfte mit einer vergessenen Empfindung von Angst und Verzweiflung, die er mit Asuma nicht mehr erlebt hatte, seit er ein Genin war. 

 

Shikamaru schluckte schwer und seine Augen weiteten sich noch mehr. 

 

Es war dieselbe Empfindung, die ihn immer dann überkam, wenn er vor etwas davon lief, das zu schmerzhaft oder zu lästig war, um sich ihm zu stellen, während er aber die ganze Zeit über wusste, dass Asuma ihm mit gewissem Abstand folgte und über ihn wachte. 

 

„Warum zur Hölle nimmst du mich nicht in die Mangel?“

 

Warum folgst du mir nicht?

 

Es war ein dämlicher und kindischer Gedanke, aber dieser dämliche und kindische Gedanke war lauter als seine Logik; als würde dieser Teil von ihm es brauchen, dass ihm versichert wurde, dass er nicht vollkommen allein war. Selbst dann nicht, wenn das alles war, was er wollte, seit er zurück gekommen war. 

 

Denn auch wenn er Asuma gemieden hatte, hatte er dennoch gewusst, dass sein Sensei ihm nachjagte wie ein verdammter Schatten. 

 

Aber jetzt?

 

Asuma hielt seinen Blick weiter geradeaus gerichtet und die Zigarette zwischen seinen Lippen schwelte beständig vor sich hin. 

 

Er sagte nichts; bot nichts an. 

 

Shikamarus Kehle zog sich zusammen und Furcht krallte sich eiskalt in seine Brust. „Warum machst du das Ganze nicht leichter und fragst mich einfach, verdammt?!“

 

Der zornige Ausbruch brachte Asuma dazu, zu ihm herüber zu spähen; sein grübelnder Ausdruck wurde dabei von etwas Traurigerem überschattet, bevor er seinen Blick zurück auf das Dorf richtete. 

 

„Ja…ich wünschte, das würde es leichter machen.“, seufzte Asuma und seine Stimme war rau und schwer von Tabak und Anspannung. „Aber das letzte Mal, als ich derart besorgt um dich war, habe ich niemals eine Antwort bekommen.“

 

Sofort erstarb Shikamarus Zorn. 

 

Für eine lange entsetzliche Sekunde starrte er einfach nur und seine Augen wurden noch runder. 

 

Asuma schüttelte den Kopf. „Bevor du nach Hanegakure aufgebrochen bist, habe ich gesagt, dass ich mich niemals zuvor fragen musste, was mit dir los ist. Du weißt genauso gut wie ich, dass das eine Lüge war.“

 

Shikamaru wünschte sich, er würde es nicht wissen. Es war schon verdammt bezeichnend, wenn man sagte, dass Ignoranz ein Segen war. Aber Ignoranz war ein Luxus, den er nie erlebt hatte, wenn er es am nötigsten gebraucht hätte. 

 

Jetzt im Moment war keine Ausnahme. 

 

„Du weißt, dass ich dich nicht erreichen konnte, als du es das letzte Mal getan hast…und bis heute, beschäftigt mich das immer noch.“ Asuma hob eine Hand und streckte zwei bronzene Finger aus. „Zwei Wochen. Für zwei ganze Wochen warst du ein vollkommen anderer Mensch. Niemand hat etwas geahnt. Aber selbst auf Missionen wusste ich es in meinem Innersten…und in der Art und Weise, wie du Shogi gespielt hast. Wie ein Fremder. Du warst körperlich anwesend; aber du warst nicht da.“

 

Shikamarus Gesicht war kaum mehr als eine Silhouette in der Dunkelheit. Nur das Flackern von Asumas Zigarette fing die verletzten, verkniffenen Neigungen seiner Gesichtszüge ein, als er sich bemühte, auf diese Worte zu reagieren. 

 

„Du bist verschwunden. Und dann…“ Asuma schnippte mit den Fingern. „Einfach so warst du wieder zurück. Du hast gefaulenzt und dich benommen, als wärst du nie fort gewesen.“ Asuma lächelte traurig. „Aber ich wusste, dass du fort warst. Und das war die schwerste Prüfung, mit der ich jemals als dein Sensei konfrontiert wurde.“

 

Nichts, einfach nichts hätte Shikamaru hierauf vorbereiten können. 

 

Er hielt sich selbst steif aufgerichtet und wappnete sich gegen die schwankende Erinnerung an eine Zeit, die er zurück gedrängt hatte und von der sich geschworen hatte, sich nie wieder daran zu erinnern. Er hatte keine Antwort; fürchtete, dass wenn er überhaupt irgendwie reagieren würde, dann wäre es nur, indem er aufspringen und fortrennen würde, statt zu antworten. 

 

Fuck, bitte versuch nicht, mich dazu zu bringen, darauf zu antworten…

 

Sofort drohte sein Verstand, sich in einer wilden Umlaufbahn zu drehen; bereit für einen verzweifelten Versuch, irgendeinen Ausweg zu finden. Aber der beständige Blick, mit dem Asuma ihn bedachte, war beruhigend und anspruchslos.

 

„Also.“ Asuma nahm einen langen Zug von seiner Zigarette und ließ den Rauch aus seiner Nase strömen, während seine Lippen schwach zuckten. „Du hast besser nicht vor, sowas nochmal abzuziehen. Denn ich glaube ich nicht, dass ich zwei Wochen lang aufhören kann zu rauchen, ohne dass es meinem Nervensystem ernsthaften Schaden zufügt.“

 

Der Humor überrumpelte Shikamaru. 

 

Es dauerte einen Moment, bis er ihn wirklich aufgenommen hatte. 

 

Und als die Worte dann schließlich in ihn sanken, realisierte er, dass sie in demselben lockeren und ruhigen Ton gehalten waren, den Asuma immer bei ihm nutzte, wenn er sich auf unberechenbares Terrain begab. Er gewährte ihm durch den Humor einen Ausweg, während er gleichzeitig einen sicheren Hafen anbot, sollte Shikamaru sich dazu entschließen, sich nicht unterkriegen zu lassen und diese Situation wirklich zu konfrontieren. 

 

Nicht wegzurennen, wie ich es sonst immer tue…

 

Der Gedanke ließ ihn zerrissen und müde zurück; und unfähig, diese Tatsache zu verbergen. 

 

Er wandte den Blick ab und brauchte einen Moment, um die Erinnerung nach unten zu zwingen, die Asuma nach oben gezogen hatte. Er hatte geschworen, sich nie wieder auf diese Weise in Schatten zu hüllen. Doch Asuma hatte diese Wunde nicht gesehen, als sie roh und hässlich in ihm geschwärt hatte. 

 

Shikamaru hatte zwei Wochen gebraucht, um sie zu nähen.

 

Zwei Wochen voller Ablenkung und absoluter Verleugnung, während er die stärksten mentalen und emotionalen Fäden und Nadeln genutzt hatte, die dafür gesorgt hatten, dass der Schaden bereits verkrustet war, als Asuma ein Aufblitzen der Narbe bemerkt hatte. 

 

Und zu diesem Zeitpunkt war es bereits leicht gewesen, so zu tun, als wäre nie etwas passiert. 

 

Es war so tief begraben, dass nichts und niemand es erreichen konnte…

 

…außer Neji. Der hinein gegriffen und es aufgerissen hatte, als wäre es niemals wirklich verheilt. 

 

Als würde es eine Rolle spielen…

 

Er hatte nun eine andere Wunde, aber diese war offen und schmerzte und auf keinen Fall könnte er sie jetzt schon vernähen. Er wusste das. Asuma wusste das. Und Shikamarus Augen begannen, sich zu weiten, als ihm klar wurde, dass das hier das Ende des Weges war. 

 

Es gab keinen Ort mehr, an den er wegrennen konnte. 

 

Die Luft begann in seinen Lungen schmerzhaft anzuschwellen und verfing sich hart in seiner Kehle. 

 

Energisch sagte er sich selbst, dass es an Asumas Zigarettenrauch lag und richtete seine Augen entschlossen auf die verschwindenden Schwaden; beobachtete, wie sie in der Nachtluft schwebten…und mit einem schneidenden Wind der Flucht davon wirbelten…

 

„Ich kann nicht…“, hauchte Shikamaru plötzlich; die Worte waren angespannt und hart in seinem Hals. 

 

Asuma blinzelte sehr langsam und sah hinaus auf das Dorf. „Versuche es.“

 

Shikamaru bewegte den Kiefer und versteifte sich noch mehr gegen den Baum, als hätte ihn etwas eingeholt und in eine Ecke gedrängt. „Ich kann nicht…“

 

„Es ist okay. Sag es einfach.“

 

„Ich weiß nicht wie…“

 

„Du bewegst deinen Mund und hörst dabei nicht auf.“

 

„Ich brauche es aber, dass es aufhört. Nur lange genug, um wieder Halt finden zu können…“

 

Asuma erwiderte nichts und Shikamaru hätte vielleicht bemerkt, wie diese bronzenen Augen auf ihn fixiert waren; doch seine eigenen fühlten sich an, als würden sie sich mit Säure füllen. 

 

Worte überfluteten seine Kehle und strangulierten seine Fähigkeit zu atmen, bis sie in einem heiseren Rausch hervorquollen. „Jeder sieht mich an, als würde ich wissen, was zur Hölle ich eigentlich mache…sie machen das immer…sie erwarten, dass ich immer all diese Schritte voraus bin…am Anfang glaube ich auch, dass ich das bin…aber ich…ich kann nicht immer herausfinden, was es ist…ich kann es nicht immer verstehen…und manchmal…manchmal will ich es nicht…ist das der Grund, warum ich es nicht wieder gut gemacht habe? Oder vielleicht war ich niemals dazu gedacht, das zu tun.“

 

„Was hast du versucht wieder gut zu machen?“

 

Was ich niemals gefunden…aber dennoch zerbrochen habe…
 

Mit einem bitteren Schnauben schüttelte er den Kopf. „Was zur Hölle spielt es jetzt noch für eine Rolle?“

 

„Es spielt eine Rolle…“

 

Shikamaru schluckte und blinzelte hart, bevor er mit der Hand durch den Rauch fuchtelte. 

 

„Dein Rauch brennt in meinen Augen…“, grollte er mit rauer zerfetzter Stimme. 

 

Asuma legte die Stirn in Falten und streckte eine Hand aus, um sie zögerlich an Shikamarus Nacken zu legen. 

 

Shikamaru knurrte und griff mit beiden Händen nach hinten, um die Berührung fort zu schieben und stattdessen seine Finger in einem Griff um seinen Nacken zu legen, der hart wie Stahl war und gnadenlos zudrückte. 

 

Stop…Gott ich brauche es doch einfach nur, dass es aufhört…ich verliere meinen Halt…

 

„Shikamaru, rede mit mir.“

 

Shikamaru legte seine Stirn auf seinen Knien ab und drehte den Kopf von Seite zu Seite, während er das zornige Aufflammen von Schmerz wegen seiner gebeugten Position ignorierte. 

 

„Shikamaru…“

 

Die raue Besorgnis in Asumas Stimme traf ihn an demselben Ort wie jedes Mal, als er ein verängstigtes Kind gewesen war. Er konnte nicht einmal flüchten, denn er spürte, wie seine mentalen Schaltkreise überlastet wurden und zu explodieren drohten, als er seinen Schädel wieder zwischen seine Arme klemmte, wie er es im Gehege bei dem Vogel getan hatte. 

 

„Ich kann es nicht wieder gut machen…“, er biss die Worte hervor und erwartete nicht, dass sein Sensei sie auch wirklich mitbekommen würde. 

 

Er hörte, wie sich Asuma bewegte; ein Kratzen von Sandalen auf Rinde. 

 

Fest legte sich die Hand des Jōnin an seine Schulter. „Was wieder gut machen?“

 

„Was ich vermasselt habe.“

 

„Was hast du vermasselt?“

 

Shikamarus Knöchel knackten und die Haut wurde knochenweiß, als sich seine Finger noch krampfhafter um seinen Nacken legten. „Alles…“

 

„Das ist nicht möglich.“

 

„Woher verfickt nochmal willst du das schon wissen?“, knurrte Shikamaru und bleckte die Zähne, als er die Hand von seiner Schulter ruckte und so schnell auf die Füße kam, dass er taumelte.

 

Seine Rippen verkrampften sich vor Schmerz und er zischte qualvoll. 

 

Asuma beobachtete ihn unter dem scharfen V seiner Brauen. 

 

Shikamaru wandte ihm den Rücken zu und trat einen Schritt von Asuma fort, während er eine Hand über seine Kopfhaut schob, bis sie auf seinen Haargummi traf. „Du warst nicht da…du warst nicht dabei, als ich damit angefangen habe, Menschen in Spielsteine zu verwandeln…“

 

„Das ist nicht das, was du tust, Shikamaru. Das ist nicht das, wer du bist.“

 

„Ist es nicht?!“, schnappte Shikamaru und wirbelte herum; eine Flutwelle an Worten quoll wie schwarzes Wasser in ihm nach oben. „Was, wenn es genau das ist, was ich tue, Sensei? Was, wenn es genau das ist, wer ich bin? Und weißt du was noch schlimmer ist? Dass es vollkommen natürlich für mich ist. Was zur Hölle bedeutet das?“

 

„Es bedeutet gar nichts. Was du damit tust ist das, was von Belang ist.“

 

Shikamaru schnaubte bissig. „Ja, was man tut, nicht was man beabsichtigt, richtig?“

 

„Falsch.“, schoss Asuma zurück. „Es ist immer von Bedeutung, was man beabsichtigt.“

 

„Warum?“

 

„Weil wir es deswegen überhaupt erst tun, Shikamaru.“

 

Shikamarus Augen leuchteten auf wie bei einem ertrinkenden Mann, der eine Rettungsleine fand, bevor sie sich rasch wieder verdunkelten und er ein bebendes Lachen hervor bellte; seine langen Finger krümmten sich zu Fäusten. „Achja? Nun, vielleicht brauche ich ja auch gar keine Absichten, sondern nur direkte Befehle.“

 

Asumas Gesichtszüge verkrampften sich. „Du bist kein ANBU. Vergiss das nicht.“

 

„Ja, ANBU bekommen keine stehenden Ovationen dafür, Leute zu verarschen und niederzumachen, so wie es bei mir der Fall ist. Aber andererseits mache ich das aus den Schatten heraus, also wo liegt schon wirklich der Unterschied?“

 

Asuma zog den Kopf zurück, als wäre er physisch von diesen Worten getroffen worden. „Woher zur Hölle kommt das jetzt, Shikamaru?“

 

„Ich bin ein Stratege…ein Manipulator…“, spie Shikamaru zwischen dem scharfen Schnappen seiner Zähne aus, als er den Kiefer verkrampfte. „Das ist es, was ich bin.“

 

„Das ist es, was du tust, aber das ist nicht, wer du bist.“

 

„Wer zum Teufel bestimmt das?“, fauchte der Schattenninja. „Du?“

 

„Dieser Augenblick.“, sagte Asuma ernst. „Die Tatsache, dass es dich derart mitnimmt und dass es vermutlich immer so sein wird.“ Seine Stimme wurde weicher. „Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass es mir leidtut. Aber es ist gut, wenn es dich mitnimmt.“

 

„Gut?“ Ein ätzendes Stirnrunzeln verzerrte Shikamarus Gesichtszüge, doch seine Kehle zog sich sichtbar straff und seine verletzten Sehnen spannten sich an. „Was ist damit ‚einen klaren Kopf zu behalten‘? Du hast mir doch gesagt, wie wichtig das für mich ist.“

 

„Das stimmt. Aber wir sprechen hier nicht über deinen Kopf, oder?“, erwiderte Asuma leise. 

 

Shikamaru zuckte zusammen und seine eigenen Worte kamen zurück zu ihm. 

 

‚Lästiger Hyūga, hör auf, das zu einer Angelegenheit deines Kopfes zu machen.‘

 

Sein Ausdruck wurde von einem finsteren Blick zu etwas Getroffenem zerfetzt. 

 

Blicklos starrte er seinen Sensei für einen Moment an. 

 

Fuck…was zur Hölle bin ich jetzt? Auch noch ein Heuchler?

 

Asuma setzte ruhig die Füße auf dem Boden ab und machte Anstalten, aufzustehen, bis Shikamaru zurückwich wie ein Kind, das eine Tracht Prügel befürchtete. Sofort hielt der Jōnin inne und rutschte stattdessen ans Ende seines provisorischen Sitzes, um Abstand zu halten. 

 

„Shikamaru…was du in deinem Kopf tust und was du darüber fühlst, passt vielleicht nicht immer zusammen, aber das ist nur eine der Bürden ein Shinobi zu sein. Genau das ist der Grund, aus dem unsere Absichten immer von Bedeutung sind.“

 

„Was wenn ich es nicht kann…?“, fragte Shikamaru und seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, die ebenso blass und angespannt war wie der Rest seines Gesichtes. „Was, wenn ich diese Bürde nicht tragen kann?“

 

„Du kannst. Aber du vergisst dabei, die Last zu teilen.“

 

Ich kann nicht…

 

Shikamaru schloss krampfhaft die Lider, bevor er sie wieder auffliegen ließ. „Leicht gesagt. Dabei muss viel zu viel Rechenschaft abgelegt werden; zu viel könnte schief gehen.“

 

„Weißt du…“, seufzte Asuma. „Das ist genau das, was ich meinte, als ich über den Mist von jedem Einzelnen von euch gesprochen habe. Vertraue den Leuten um dich herum dabei, dass sie dich unterstützen werden.“

 

„Vertrauen? Du kapierst es nicht, Asuma…“

 

„Du hast recht.“, biss Asuma zurück. „Ich kapiere es nicht. Aber du wirst es mir erklären. Und es schert mich nicht, wie dämlich simpel du es machen musst, denn ich werde nicht zulassen, dass du noch einmal in einen zwei Wochen langen Akt des Verschwindens abtauchst, bei dem ich gezwungen sein werde, dich daraus zurück zu zerren.“

 

„Dann mach es nicht.“, schnappte Shikamaru, doch seine Augen flackerten verletzt auf. „Das ist nicht deine Rolle, Asuma, du bist nicht mein-“

 

„Nein, ich bin nicht dein Vater.“, erwiderte Asuma und pinnte ihn mit einem steten Blick fest. „Ich habe nicht seine Geduld und ich habe auch nicht die Verantwortung und ich beschwere mich auch nicht für eine Sekunde. Ich bin genauso begeistert von persönlichen Problemen wie du. Aber im Fall von Team 10 werde ich immer eine Ausnahme machen. Wann hast du das verdammt nochmal vergessen?“

 

Nur für eine Sekunde wurde Shikamarus Gesicht panisch. „So simpel ist das nicht.“

 

„Doch, das ist es.“

 

„Ist es nicht. Es geht hier nicht um andere.

 

Asuma zog die Brauen zusammen und Rauch quoll neblig zwischen seinen Lippen hervor. „Wer auch immer seine Hände um deinen Hals gelegt hat, muss wirklich etwas Übles mit deinem Hirn angestellt haben, wenn es dich dazu gebracht hat, die Menschen um dich herum zu vergessen.“, grollte er. „Deine Freunde werden immer zu dir halten, Shikamaru. Sie werden sich immer für dich einsetzen!“

 

„Aber was ist, wenn ich es nicht kann?!“, schrie Shikamaru und ließ seinen Arm nach außen schnellen, während er weiter zurück wich. „Sie haben ihr Leben in meine Hände gelegt, während ich sie in Positionen gebracht habe, die sie hätten umbringen können! Sie vertrauen mir dabei, dass ich es richtig mache, aber was, wenn ich das nicht kann?!“

 

„Dann kannst du es nicht. Wir sind nicht immer erfolgreich. Das hast du durch deine erste Chūnin Mission gelernt.“ Als Shikamarus Augen zuckten, ließ er seine Stimme etwas weicher werden. „Ich weiß, wie hart dich das trifft. Ich weiß, dass du es hasst, aus Fehlern lernen zu müssen, die vielleicht das Leben anderer kosten könnten. Aber du hast niemals versucht, dein Herz von deinem Kopf zu trennen. Warum versuchst du es diesmal?“

 

Shikamaru stierte ihn vernichtend an und sein Kiefer bebte, als er sich darum bemühte, ihn zu schließen und seine Zähne zusammenzupressen, um sich vom Brüllen abzuhalten. „Weil es diesmal anders ist…“

 

Asuma bemerkte seinen inneren Kampf und die Spannung um seine Augen herum löste sich etwas. „Inwiefern ist es anders? Der Zwiespalt, den du fühlst, ist der moralische Kompass, den du als Shinobi brauchst. Du bist klug genug, um das zu wissen. Du hast das schon immer gewusst.“

 

Aber warum macht es mich dann so abartig fertig? Warum habe ich es zugelassen?

 

Shikamaru taumelte noch einen weiteren Schritt nach hinten und schüttelte den Kopf. Er konnte spüren, wie die Flut in ihm anschwoll…bebend und unberechenbar…verseucht von Panik…geschüttelt von ungezügelter Wut und wilder Verwirrung…

 

Warum zur Hölle habe ich zugelassen, dass das zwischen uns entstanden ist…?

 

„Shikamaru…“, drängte Asuma und sein Blick wurde tiefsinniger und suchend. „Sag mir, warum es anders ist.“

 

Warum habe ich gebraucht, was zwischen uns passiert ist…?

 

„Shikamaru.“

 

Warum kann ich es immer noch nicht AUFHALTEN?

 

Der Donner von Asumas Stimme explodierte. „SHIKAMARU!“

 

„Weil es mich vollkommen DURCHEINANDER GEBRACHT HAT!“, brüllte Shikamaru. Die Worte brachen in einem heiseren Beben aus ihm heraus, das den Versuch seines Hirns, sie aufzuhalten, vollkommen überrollte. „Vielleicht hatte er die ganze Zeit recht und ich lag falsch! Emotionen machen dich fertig, sie machen den Kopf unbrauchbar! Und dann macht dein Kopf dich fertig und man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass alles andere danach zwangsläufig vermasselt wird! Und man kann es sich nicht leisten, es zu vermasseln, wenn man tut, was ich tue!“

 

Stille senkte sich wie eine Mauer. 

 

Die Wucht von Shikamarus Worten prallte davon ab und hing schwebend und schwer zwischen ihnen. 

 

Asuma rührte sich nicht. 

 

Genauso wenig wie Shikamaru.

 

Nur der Rauch bewegte sich und driftete hinauf zu den Blättern, die im Mondlicht silbern und schwarz tanzten. 

 

Shikamaru stierte geradeaus; seine tiefbraunen Augen waren wild und dunkel von der Macht seines Ausbruchs. 

 

Und dann fror sein Hirn in Panik ein und er konnte nicht ein einziges Wort dessen abrufen, was er gerade gesagt hatte. 

 

Nicht ein Wort. 

 

Zumindest bis Asuma sehr langsam die Zigarette von seinen Lippen nahm und Shikamaru mit einem ernsten und Nerven aufreibenden Ausdruck bedachte – und ein einziges Wort aussprach, das den Schatteninja sofort dazu brachte, sich zu wünschen, er hätte überhaupt nichts gesagt.

 

„Er?“

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Oja, Shikamaru hat es gerade wirklich nicht leicht...ein sehr Asuma/Shikamaru zentriertes Kapitel, aber ich hoffe, dass euch auch die kurze Szene mit Neji gefallen hat und natürlich auch der Rückblick ;) 

Hier kommt wieder deutlicher raus, dass Shikamaru in seiner Vergangenheit auch irgendetwas zugestoßen ist ;) Würde mich freuen zu erfahren, was ihr davon so haltet :)

Noch drei Kapitel...Gott es ging so schnell...zumindest der erste Teil...

I hear you

„Er?“

 

Witzig, wie ein einziges dämliches Pronomen mit der gleichen markerschütternden Wucht einschlagen konnte wie der Shinobi, zu dem es gehörte. Und ebenso brutal, wie er von Neji im Wald zu Boden gerammt worden war, fühlte sich Shikamaru plötzlich, als wäre ihm der Boden unter den Füßen entrissen worden. 

 

Er taumelte einen Schritt zurück.

 

Instinktiv zuckte sein Blick nach unten. Er starrte auf das Gras und auf die invertierte Spur, die seine Füße auf dem mondbeschienenen Tau hinterlassen hatten. Die platt gedrückten Halme klebten an der Erde, zerquetscht von seinen Sandalen. 

 

„Shikamaru…?“

 

„Frag mich das nicht…“, krächzte er und presste die Worte an dem heißen Knoten in seiner Kehle vorbei. „Tu das nicht.“

 

Eine schwere Pause zerrte heftig an der Luft und wurde in keiner Weise durch die Tatsache erleichtert, dass er deutlich spüren konnte, wie Asumas Augen auf ihn fixiert waren und seine Gesichtszüge absuchten. Shikamaru wich noch weiter zurück. Gott, was hatte sein Kopf für eine Fehlfunktion? Er hatte sich gerade in tiefe kalte Wasser gestürzt. Kopfüber.

 

„Warum?“, drängte Asuma sanft, vorsichtig; wie ein Arzt, der eine offene Wunde abtastete. 

 

„Nicht das.“

 

„Shikamaru…“

 

„Nicht das…“, echote der Schattenninja; sein Starren war in etwa so ausdruckslos wie seine Stimme. 

 

Er konnte einfach nicht die Panik abschütteln, die sich in seinem Hirn festgesetzt hatte. Aber vielleicht war das gar keine so schlechte Sache. Wenn er sich schon auf einer Art mentalem Felsvorsprung befand, dann hatte zumindest noch die Panik einen Griff an ihm; eine dicke fette mentale Faust aus Selbsterhaltung.

 

Er hörte nicht, wie sich Asuma bewegte. 

 

Er bemerkte nicht einmal, dass der Jōnin damit begonnen hatte, die Distanz zwischen ihnen zu schließen, bis das leise Rumpeln seiner Stimme ihn zuerst erreichte. „Gib mir einfach nur einen Namen.“

 

Shikamaru schüttelte den Kopf und seine Brauen zogen sich zu einem angespannten Knoten zusammen. 

 

Asuma blieb wenige Schritte entfernt stehen und hielt seine Zigarette zwischen Daumen und Zeigefinger, während er sein Kinn gesenkt hatte und den Nara unter dem Verdeck eines schweren Stirnrunzelns beobachtete. Eine tiefe Besorgnis fraß sich in seine Augenwinkel. 

 

„Dann sag mir, warum du es nicht kannst, Shikamaru.“

 

Der Schattenninja presste die Lippen aufeinander und sagte nichts, aber die Wahrheit nagte sich unaufhaltsam durch ihn; ätzte sich in das Knirschen seiner Zähne und den Schimmer in seinen Augen. Das waren keine Reaktionen, die er mithilfe seiner Logik zugelassen hätte. Aber seine Logik war im Moment in etwa so nützlich wie seine übliche Fähigkeit, die Beine in die Hand zu nehmen und abzuhauen. 

 

Es gab keinen Ort mehr, an den er wegrennen konnte. 

 

Seine Augen weiteten sich und seine Wirbelsäule richtete sich auf, als wäre er gegen eine Wand geschoben worden. 

 

Die Wahrheit war wie eine Klinge, die die verschlossenen Sehnen in seiner Kehle durchtrennte. 

 

„Shikamaru…“

 

„Es ist die eine Sache…“ Die Worte bluteten aus ihm heraus, bevor er sie aufhalten konnte. 

 

Asuma legte den Kopf schief. „Was?“

 

„Die eine Sache, bei der ich nicht herausfinden muss, was es ist…“ Shikamaru schluckte schwer, doch die Worte sickerten dennoch über seine Lippen. „Bitte mich nicht, es herauszufinden.“

 

„Was du sagst macht nicht den geringsten Sinn.“

 

„Und was ist, wenn genau das der Grund ist, warum ich es gebraucht habe? Weil es eben keinen Sinn gemacht hat…“

 

„Was hat keinen Sinn gemacht…?“, fragte Asuma. Seine Zigarette war vollkommen vergessen; ausgedrückt unter seinem Fuß, als er noch weiter nach vorn trat. „Sag mir, was ‚es‘ ist.“

 

Es. Neji. Was zwischen ihnen passiert war. Alles davon. Da war immer noch keine Definition, was es war. Keine Grenzen. Keine Kategorien. Keine Erklärung. Es war unklar. Es widersetzte sich Logik, Abgrenzung und Definition.

 

Und das ist der Grund…

 

„Ich wollte es…“, sagte Shikamaru leise und die weiten Sphären seiner Augen begannen sich an den Winkeln anzuspannen. „Ich wollte es…losgelöst…“

 

Denn er konnte das, was zwischen ihm und Neji passiert war, so oft in seinem Verstand hin und her drehen wie er wollte; die Teile waren nicht in seinem Kopf, sondern davon getrennt. Sie befanden sich irgendwo in der Nähe seiner Brust und seiner Eingeweide, verstreut und grob von dem Brett gezerrt, das niemals ein Spiel gewesen war…nur ein vertrautes Gebiet, das er nie verlassen hatte, bis Neji ihn davon hinunter gestoßen hatte. Er war von der Begierde zwischen ihnen auf den Kopf gestellt, von innen nach außen gezerrt und in alle Richtungen gerissen worden. 

 

Er konnte nicht reparieren, was Neji mit ihm gemacht hatte und er konnte es auch nicht verstehen. 

 

Und das will ich auch nicht.

 

Dieser Gedanke kam nicht von seinem Hirn. 

 

Es war kein Gedanke. Es war auch keine Entschuldigung oder eine Evasion. Es war ein Impuls. 

 

Es war die Wahrheit. 

 

Eine tief begrabene Wahrheit, von der er nicht gewusst hatte, dass er sie beherbergte. Ein Bedürfnis, von dem er nicht wusste, dass er es hatte. Und da sein Hirn ausgeschaltet war, jagte dieser Impuls durch Leitungen, durch die Neji wie eine statische Ladung und Feuer und Blut gewogt war. Es war nicht in seinem Kopf und er wollte es auch nicht dorthin tragen. 

 

Ich will es nicht reparieren.

 

Die Wahrheit schoss durch Shikamarus Inneres und rammte sich wie eine Faust in sein Herz. 

 

Ich will es niemals verstehen.

 

Er zuckte unter dem Schlag seines eigenen Verlangens zusammen und ein heiserer Atem blieb ihm in der Kehle stecken. 

 

„Ich habe es gebraucht, weil ich es nicht verstehen konnte…weil ich es nicht musste…

 

„Was verstehen?“

 

„Was ich geschehen ließ…was ich nicht aufgehalten habe…“, murmelte Shikamaru ohne nachzudenken und seine glasigen Augen wanderten in einem benommenen Schwung über das Gras. 

 

„Geschehen ließ…?“ Asuma ließ die Frage langsam auslaufen und seine Augen erhellten sich mit einer dämmernden Erkenntnis, die aber noch nicht bestätigt war. Vorsichtig wog er seine nächsten Worte ab. „Mit ihm…?“

 

Shikamaru kehrte ruckartig zu sich selbst zurück und presste mit einem Knurren die Lider aufeinander. „Hör auf, mich zu fragen…“

 

Er sah nicht, wie sich die Augen seines Senseis weiteten und die dunklen Flecken in den bronzenen Iriden vor Schock und Überraschung aufblitzten, bevor sie weich wurden. „Shikamaru.“

 

Shikamarus Pferdeschwanz peitschte mit einem scharfen Schütteln durch die Luft, während sich seine Hände zu Fäusten ballten. 

 

„Frag mich nicht.“, presste er hervor; und wie feinster Staub in der Luft, schien seine Stimme in ihr zu verharren.

 

Er hatte keine Ahnung, ob Asuma vollständig das gehört hatte, was in den Räumen zwischen seinen gebrochenen Worten unausgesprochen blieb. Er hoffte einfach nur inständig, dass es ausreichen würde. 

 

Gott, lass es genug sein…Ich kann dir nicht mehr geben als das…

 

Er spürte, wie er in seinem Inneren zu schwanken begann; der mentale Vorsprung, auf dem er sich befand, war geradezu lächerlich im Vergleich zu dem prekären Rand, an dem andere Teile seines Selbst taumelten, als sich die Stille um ihn herum näher drängte. 

 

Eine feste, erstickende Stille…

 

Das sanfte Klacken von Asumas Feuerzeug brach die Trance. 

 

Shikamaru hörte das leise Einatmen und den langgezogenen Ausstoß von Luft, der folgte. Tabak wirbelte wie Weihrauch; schwer und stark, beruhigend und vertraut, als er umherschwebte – aber keine Worte wurden in den Rauch gehüllt. 

 

Das Schweigen seines Sensei war die pure Qual. 

 

Und aufgrund all des Schmerzes, den er bis jetzt auf sich genommen hatte, war das alles, was er noch ertragen konnte; oder auch nicht mehr ertragen konnte. 

 

Ich kann nicht…

 

Dann berührte Asumas Hand seinen Kopf. 

 

Und in der Sekunde, als das geschah, brachte sie die Qual in ihm zum Einsturz. Sie kollabierte so plötzlich und unerwartet, dass Shikamaru erschauerte, als das Gewicht des unbegreiflichen, aufgestauten Druckes auf ihn stürzte. 

 

Das Gewicht von allem, was er in sich gehalten hatte. 

 

Es flutete durch all die Risse und wusch mit einer Welle aus Schmerz über sein Gesicht, um sengende Spuren über seine Wangenknochen zu ziehen, als er den Kopf unter einem Druck neigte, der so viel schwerer war als Asumas sanfter Griff. 

 

In nur wenigen Momenten löste eine tagelange Spannung ihre erstickende Umklammerung an ihm. 

 

Sein Atem zerbrach leise und stockend in seiner Kehle. 

 

Asuma sagte nichts; hielt seine Hand einfach nur beständig an der gleichen Stelle. 

 

Und letztendlich beruhigte sich das unkontrollierte Schütteln unter seiner Handfläche zu einem angespannten Zittern. Erst dann bewegte er seine Finger auf Shikamarus Kopf und legte das Gewicht seiner nächsten Worte in seinen sanften Griff. 

 

„Ich höre dich, Shikamaru.“

 

Shikamarus Augen flogen auf. 

 

Ausdruckslos stierte er vor sich hin und für eine flüchtige Sekunde wurde er vollkommen still. 

 

Und dann wollte er den Kopf schütteln und abhauen. 

 

Er bekam jedoch keine Chance dazu. 

 

Asumas Finger spannten sich an und hielten ihn an Ort und Stelle; pressten diese drei Worte in seinen Schädel, denen er zu entkommen versuchte. 

 

„Shikamaru…hör mir zu…“

 

„Lass mich los, Sensei.“

 

„Hör mir zu.“

 

Der Schattenninja versteifte sich und seine Knöchel traten kalkweiß hervor, als er seine Fäuste verkrampfte.

 

Als Asuma erneut sprach, wurde seine Stimme tiefer und seine Worte wurden von dem sanften Schaukeln seines Handgelenks verstärkt, das Shikamaru auf der Stelle wiegte. 

 

„Ich höre dich.“

 

Dieselben drei Worte, ausgesprochen in genau demselben Tonfall, den Asuma vor drei Jahren während ihres fünfzehnten Shogispiels genutzt hatte. Der Tag, an dem diese Worte Shikamaru tief genug berührt hatten, um das Spiel zu beenden und davon zu laufen, statt zu akzeptieren, dass endlich jemand seine Art anerkannte. Die Dinge anerkannte, die er niemals gesagt hatte, von der es aber ebenso sehr gebraucht hatte, dass sie gehört wurden. 

 

Das war der Tag gewesen, an dem Asuma ihn als das verstanden hatte, wer er war und das akzeptiert hatte, was er nicht war. 

 

Er hatte dieses Verständnis und diese Akzeptanz heute nicht erwartet. 

 

Doch genau wie beim ersten Mal bot Asuma beides vollkommen bedingungslos an. 

 

Ich höre dich.

 

Shikamarus Augen schlossen sich krampfhaft, bevor sie sich bebend öffneten. 

 

Sehr langsam lösten sich seine Fäuste und Farbe rauschte zurück in seine weißen Knöchel, während der angespannte Verschluss seiner Schultern zerfiel. Nach und nach blinzelte er den Schleier aus seinen Augen fort und seine Sicht klärte sich langsam, als seine Atmung ruhiger wurde. 

 

Stück für Stück schob sich der Boden wieder unter seine Füße. 

 

Asuma summte fragend. 

 

Bedächtig atmete Shikamaru durch die Nase ein und nickte unter dem beständigen Gewicht der Hand seines Senseis. Es schien so, als würde nach diesem Ausrutscher und dieser Lawine nichts weiter gesagt werden müssen. Das marginale Neigen seines Kopfes und der zaghafte Druck von Asumas Hand sagten alles. 

 

Es war genug. 

 

Die Hand seines Senseis fiel an seine Schulter und drückte ein einziges Mal sanft zu. 

 

Shikamaru schüttelte sie nicht ab. 

 

Ich höre dich.

 

Seltsam, wie diese Worte von Asuma immer genug sein würden. 

 
 

oOo
 

 
 

Die Morgendämmerung floss wie Sand über Konohas Himmel; ihr körniges Licht tauchte die Wolken in Wüstenfarbtöne und fiel in Strahlen pulverisierten Goldes nach unten. 

 

Neji sah dem Wandel unter seinen Wimpern zu und lehnte seinen Kopf zurück gegen den Baum, auf dem er saß. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt, hier zu bleiben, aber kaum hatte er Gai und Lee gesehen, wie sie zu einer gottlosen Stunde des Trainings auf Händen durch die Gegend wackelten, hatte er sich in die Bäume begeben, um sowohl außer Sicht, als auch aus dem Sinn zu bleiben. 

 

Und dann hatte der Himmel damit begonnen, sich zu verändern. 

 

Heute hatte sich Neji die Zeit gestattet, den Morgen zu begrüßen, statt sich darauf zu konzentrieren, sich noch vor ihm zu erheben. Während er sich zurück lehnte, folgte er dem sanften Spiel von Farbe und Licht, als der Tagesanbruch die letzten Sterne fort stahl. Und erst als der letzte funkelte Diamant verschwand, wurde ihm bewusst, dass er die Wolken beobachtete. 

 

Was ist das nur mit ihnen?

 

Er legte die Stirn in Falten und versuchte, ein paar der Muster zu entschlüsseln, die Shikamaru in den Schwaden und Falten aus Dunst gefunden haben musste. Doch die Wolken verweigerten sich einer festgelegten Interpretation und er konnte es so sehr versuchen wie er wollte; Neji konnte überhaupt nichts Logisches in der Anordnung finden. 

 

Ist das der Grund, aus dem du dich so zu ihnen hingezogen fühlst…?

 

Seine Augen zeichneten das frakturierte Gold nach, das eine federleichte Schwade durchzog. Wie die Schwinge eines Vogels. Und dieser Flügel aus Wolken würde weiter segeln und seine Form verändern; er würde auseinander brechen und der Wind würde ihn zu etwas anderem atmen. 

 

Ist es das, was mit mir geschehen ist?

 

Immerhin war alles zerfetzt worden. Das Bild, das er von seinem Clan hatte, das Bild das er von sich selbst hatte, sein Sinn für Kontrolle über sein Schicksal…alles davon lag in irreparablen Fragmenten vor ihm. 

 

Wohin gehe ich also von hier aus?

 

Neji blinzelte langsam und richtete sich etwas gegen das Holz auf, die Schultern noch immer gegen mächtigen Stamm geneigt. Ein Knoten der Rinde drückte sich in sein Schulterblatt und zwang ihn dazu, den Winkel zu ändern, um eine bessere Position einnehmen zu können. Und als er sich bewegte, spürte er, wie der Knoten über seinen Rücken strich. 

 

Eine Erinnerung drängte sich in seinen Verstand. 

 

Zähne kratzten zaghaft über den blinden Fleck an seiner Wirbelsäule…

 

Das sanfte Spielen von Shikamarus Atem über den Narben dort…

 

Hastig zog sich Neji von dem Baum zurück und schwang sich anmutig über den Ast, um auf dem Boden zu landen und in einen ruhigen Schritt zu verfallen. Das Gras überzog seine Sandalen mit Tau, als er sich einen Pfad durch das weiche Rauschen von Laub bahnte. Die dünnen Halme zogen sich über das saubere Weiß seiner Roben; ein feuchtes und willkommenes Rascheln, während er dem Weg folgte, den Shikamaru ihn entlang geführt hatte, als er betrunken gewesen war. 

 

Götter, nie wieder…

 

Ein schwaches Lächeln zog an einem seiner Mundwinkel und verschwand in einem Wispern, als sein Atem in Nebelschwaden davon schwebte. Während die Erinnerung an diese Nacht bestenfalls neblig war, stachen sich dennoch Strahlen der Klarheit durch den Dunst; und eine Erinnerung war dabei für ihn deutlich schockierender, als sie vermutlich damals für Shikamaru gewesen war. 

 

Der Klang von einem Lachen. 

 

Sein eigenes Lachen…

 

Vollkommen unerwartet und ungebeten; ein ungeübtes Geräusch, das ihm so gut wie nie entwich oder von dem er nicht wirklich gewusst hatte, dass er es überhaupt in sich hatte. Doch in dieser Nacht war es in tiefen Wellen und einem gesättigten Wirbel aus ihm heraus gerollt; so natürlich wie die Gezeiten. 

 

Neji schüttelte den Kopf, um die frakturierte Erinnerung zu lösen. Er steckte sie weg; zusammen mit unzähligen anderen, die er an irgendeinem Ort aufbewahrte, der weniger klar umrissen war als die Rückseite seines Verstandes. Denn dort schienen die Erinnerungen nicht hinzugehören. Und so schob er sie stattdessen nach unten; irgendwo tief hinein in seine Brust. 

 

Es machte Sinn, sie dort aufzubewahren, um den Kummer und die Traurigkeit einzudämmen. 

 

Seltsam, aber es war gar nicht so anders als das, was er mit den Chakrablockaden getan hatte. 

 

Es schien ein Muster zu sein, das er immer wieder wiederholte, obwohl es diesmal weit weniger selbstzerstörerisch war. Und dennoch wurden die messerscharfen Stiche der Qual jetzt von einem dumpfen Schmerz ersetzt, den er einfach nicht fortzwingen konnte. 

 

Ich habe dich eingelassen…und jetzt kann ich dich nicht mehr austreiben…

 

Neji blinzelte langsam und seine Schritte wurden immer langsamer, als er sich den Ausläufern des Nara Waldes näherte. An der Baumgrenze blieb er stehen und grub die Füße in den Boden, selbst als sich eine steife Brise in seinen Rücken drückte, der Wind sein Haar über seine Schultern zerrte und spielerisch an seinen Roben zupfte, als wäre es eine kindliche Versuchung, ihn auf ein verbotenes Gebiet zu locken.

 

Ein weiteres schwaches Schmunzeln verzog freudlos seine Lippen. 

 

Hatte ich nicht bereits genug Kummer für ein ganzes Leben…?

 

Und dennoch wäre ein Leben ohne diesen Kummer, den er jetzt in sich trug, eines, das in vielerlei Hinsicht nur halb gelebt gewesen wäre. Was zwischen ihm und Shikamaru geschehen war, war viel zu intensiv, viel zu intim, zu irrational und unmöglicherweise passiert. 

 

Und am Ende hatte es ihn zerbrochen. 

 

Ich wusste, dass es das tun würde…

 

Er hatte es von dem Moment an gewusst, als er die Kontrolle abgegeben hatte.

 

Dennoch hatte er es getan; gegen jede Vernunft und Selbsterhaltung. 

 

Und jetzt wurde er mit den Teilen seines Selbst zurück gelassen und mit keinem Verständnis darüber, wie er sich wieder zusammensetzen konnte. Oder zumindest zu einer Form, die irgendeinen Sinn ergab. Die Teile passten nicht zusammen. Aber vielleicht war er auch von Anfang an nie ganz gewesen. In dem Chaos, das zwischen ihm und Shikamaru geschehen war, war er verloren gegangen und gefunden worden, verdammt und gerettet, eingesperrt und befreit zur selben Zeit. 

 

Neji zog den Kopf zurück und starrte tief in die Nebel, die die Grenzen des Waldes einhüllten. 

 

Ja, er war zerlegt in Teile, in Bruchstücke.

 

Aber zum ersten Mal seit Kami weiß wie lang, fühlte er sich, als könnte er endlich wieder atmen. 

 

Seine Kontrolle war zersplittert, aber ebenso war es der Käfig, den er in seiner Brust errichtet hatte. Vielleicht war es nur natürlich, dass er sich selbst auf eine solche Weise beschützt hatte. Kami, er hatte sein ganzes Leben lang in Käfigen gelebt, also sollte die Tatsache keine Überraschung sein, dass er einen weiteren in dem Versuch erschaffen hatte, sich lange genug verteidigen zu können, um sich selbst zu befreien. 

 

Wie ironisch, dass er von seinem Bedürfnis nach Freiheit eingesperrt worden war. 

 

Er hätte niemals erwartet, dass Shikamaru diesen Käfig sehen würde; geschweige denn, dass er durch die Stäbe schlüpfen und ihn von innen heraus zerbrechen würde. 

 

Habe ich es gebraucht, dass er das tut? Götter, was macht mich das, wenn nicht schwach?

 

Und die Antwort darauf kam mit einem Herzschlag.

 

Einem Herzschlag – und dem Aufblitzen scharfer Augen und eines trägen Lächelns. 

 

Menschlich.

 
 

oOo
 

 
 

Die Zeltplane hatte gehalten.

 

Das Ölzeug spannte sich noch immer über die Baracke des Vogels. Sie hatte zwar einige Schläge von dem Sturm einstecken müssen, aber glücklicherweise hatten sich die Heringe nicht gelöst, mit denen Shikamaru sie festgepinnt hatte. 

 

„Ugh…jetzt…wäre…ein guter Zeitpunkt…dafür…“, grummelte der Schattenninja, während er heftig an den nassen Pflöcken ruckte und zerrte, um seine Bemühungen jetzt wieder rückgängig zu machen, ohne sich dabei Spreißel einzuziehen. 

 

Nachdem er den letzten Hering heraus gerissen hatte, schob er die Plane mit einem Rascheln zur Seite, wobei er versuchte, die Geräusche auf ein Minimum zu beschränken. Das Letzte, was er im Moment brauchte, war, dass ein angepisster Vogel ihm die Haut vom Gesicht krallte. 

 

Scheiße…bitte lass ihn inzwischen weg vom Boden sein…

 

Er schob den Riegel zurück und drückte langsam die Tür auf, während er angesichts des lauten Knarzens das Gesicht verzog. Das erwidernde Squawken machte ihn auf Bewegungen an der anderen Seite des Geheges aufmerksam und zog seinen Blick zu einem der Todholzstämme, die er herein gebracht hatte. 

 

Von der Sicherheit seiner hölzernen Sitzstange aus beobachtete ihn der Vogel wachsam. 

 

Naja, zumindest fast weg vom Boden.

 

Shikamaru knickte seine Hüfte gegen den Türrahmen ein und sah das Tier einen Moment lang an, als versuchte er, die Intentionen des Vogels einzuschätzen und das einzig und allein anhand der Art und Weise, mit der von diesen goldenen Seen gemustert wurde; eindringlich und intensiv mit einem scharfen Blick. 

 

Die Pattsituation dauerte nur wenige Augenblicke, bevor Shikamaru einen Zug machte. 

 

In einer Finte schwang sich der Schattenninja nach vorn. 

 

Der Vogel legte den Kopf schief, zeigte aber keinerlei aufgeschreckte Reaktion. Wenn überhaupt, dann schien es sich der Falke auf seiner Sitzstange etwas bequemer zu machen. Shikamaru wartete auf kein weiteres Zeichen. Sofort ergriff er die Gelegenheit, weiter in den Pferch zu treten und das Futter zu überprüfen, während er seinen Rucksack bis zu seiner Armebeuge hinunter ruckte. 

 

„Lästiger Vogel.“ Er ging neben der Wasserschale in die Hocke und seine Augen wanderten zu dem gewolften Futter, das er ausgelegt hatte. „Aber immerhin besser als nichts.“

 

Die Hälfte des Fleisches war aufgefressen worden, aber die Medizintabletten, die er darunter gemischt hatte, waren fachmännisch herausgepickt und beiseite geworfen worden. Shikamaru seufzte leise durch die Nase und ein widerwilliges Schmunzeln zupfte an seinen Lippen. 

 

So lästig der Vogel auch war; er war ganz sicher nicht dumm. 

 

Shikamarus Blick zuckte hinauf zu dem Falken. „Du bist trotzdem ein Ärgernis.“

 

Der Vogel hörte auf, sein Gefieder zu putzen und wandte seinen Kopf wieder dem Nara zu, bevor er etwas krächzte, das klang, als würde er Anstoß an Shikamarus Worten nehmen. Gleich darauf hoppelte er seine Sitzstange entlang und schwankte an der Kante des Stammes, als er den Körper nach vorn neigte, als würde er sich darauf vorbereiten loszufliegen. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru spannte sich an; bereit dazu, sofort loszuspringen. 

 

Doch der Vogel wippte nur kurz am Rand des Holzes und hüpfte dann einfach nur hinunter auf Bodenlevel, um es sich in dem Heu am Fuß des Baumstammes gemütlich zu machen, indem er kleine Kreise drehte, um den Anschein eines Nestes zu erschaffen. 

 

Shikamaru entspannte sich wieder und beobachtete ihn für einen Moment schweigend, während er darüber nachdachte, ob es zu mühsam war, dem lästigen Tier einen Namen zu geben. Doch das Letzte, was er wollte, war, auf irgendeine Weise an dem Vogel zu hängen. Er wollte einfach nur dafür sorgen, dass er sich erholte und dann verschwand. 

 

Ja…klingt das nicht irgendwie vertraut…?

 

Energisch schüttelte er den Kopf gegen diesen Gedanken an und begann, frisches Futter auszulegen und das Wasser aufzufüllen, während er all seine Konzentration auf diese Aufgabe richtete, um seinen Verstand davon abzuhalten, in diese gefährliche Zone abzudriften. Ganz getreu seiner inneren Uhr war er um vier Uhr morgens aufgewacht und hatte die letzten paar Stunden damit verbracht, nach den Hirschen zu sehen. 

 

Die Weibchen hatten sich seltsam taktil gezeigt, an seinem Haar geknabbert und ihn spielerisch angestupst, bis ihn ein etwas ausgelassenerer Schubs einer Hirschkuh in die Rippen getroffen hatte. 

 

Sofort hatte Rikumaru seinen Harem mit einem Röhren weggescheucht. 

 

Und dann hatte der Hirschbock Shikamaru bis zu dem Vogelgehege begleitet; eine seltsam beschützende Geste. 

 

Shikamaru würde niemals für sich in Anspruch nehmen, die Absichten oder den Verstand der Herde so gut zu verstehen wie sein Vater, aber die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Tiere milderten das Gefühl der Isolation, in das er sich gehüllt hatte. 

 

Sie stellten ihm keine Frage und sie verlangten nichts von ihm. 

 

Das ist aber keine Entschuldigung, sich weiterhin zu verkriechen.

 

Nicht, dass er das vorgehabt hätte. 

 

Selbst wenn er es gewollt hätte; es war keine Option. 

 

Das Leben hielt für niemanden an; es stapfte einfach weiter, völlig ungeachtet der Zeit, mit der es vorwärts lief und der kostbaren Augenblicke, die es damit stahl. 

 

Die Geschwindigkeit hatte bereits damit begonnen zuzunehmen und würde nur noch mehr an Tempo zulegen. 

 

Shikamaru seufzte und warf dem Vogel einen letzten Blick zu, als er das Gehege überprüfte und die Szene verließ. Sorgfältig verschloss er den Riegel, bevor er seinen Pfad zurück durch den Wald aufnahm. 

 

Zeit, wieder zurück auf Kurs zu kommen…

 

Abgesehen von dem Unfug, den Ino offensichtlich gerade in Arbeit hatte, musste er auch noch seinen Teil der Abmachung mit Tsunade einhalten; dieses kleine vertrauliche Buch würde sich ganz sicher nicht von selbst in einen präventiven Spielplan verwandeln. Und dazu kamen auch noch diese ganze Nijū Shōtai Angelegenheit und Kotetsus lästige Fragen über seine Involvierung darin. 

 

So ein gottverdammtes Drama…

 

Was aber vermutlich ein gutes Zeichen war; es bedeutete, dass die Normalität langsam zurückkehrte wie ein Licht, das die Schatten verscheuchte. Und während Shikamaru durchaus wusste, wie er mit den Schatten umgehen musste, in die er sich so gerne zurückzog, würde er eine Rückkehr zur Normalität mit demselben trägen Mangel an Begeisterung willkommen heißen, wie er sie den meisten Dingen entgegenbrachte, die in seinem Leben ein- und ausgingen. 

 

Den meisten Dingen…aber nicht allen…

 
 

oOo
 

 
 

„Nochmal!“

 

Das tiefe Echo von Nejis Stimme hallte von den Wänden des Innenhofes wider und warf den Befehl über den von Chakra erfüllten Platz. 

 

Das Geräusch eines erderschütternden Aufpralls folgte. 

 

Staub explodierte in einer Sphäre und ließ Erde herabregnen, als Neji mit einem kaum sichtbaren Lächeln außer Reichweite sprang. Seine Byakuganaugen musterten die Kunoichi, die im Zentrum des Innenhofes kauerte, eine Handf auf den Boden geschlagen, während tiefe Risse den Stein unter der Wucht ihres Schlages aufbrachen. 

 

Neji nickte scharf. „Nochmal.“

 

Hinatas Kopf schoss in die Höhe und sie schwang die Länge ihrer blauschwarzen Mähne herum, als sie ihre bebenden Finger zu einer Faust ballte und ihn angriff. Neji schob einen Fuß nach hinten und neigte sich zur Seite, während er beobachtete, wie sie hoch sprang und ihre Faust an ihre Rippen zog. 

 

Aufmerksam sah er zu, wie ein Puls aus flirrendem Blau den kleinen Ball ihrer Hand umhüllte. 

 

Halte es…halte es…

 

Neji wartete ab, bis sie ihren Mund zu einem Brüllen öffnete. 

 

Nur Sekundenbruchteile vor dem Aufprall reagierte er und warf sein Gewicht zurück in ein einhändiges Rad, bevor er sich hart abstieß, um seinen Überschlag zur Seite statt nach hinten zu vollführen. Diesmal blieb er nah genug, um den genauen Kontaktpunkt zu examinieren, als ihre Faust den Untergrund traf. 

 

Sein Fuß berührte den Boden zur selben Zeit wie ihre Hand. 

 

Hinata bemerkte seine Nähe und ihre Augen flogen weit auf. 

 

Sofort registrierte er ihr Zögern und der Preis dafür war ein Schwanken und Rückschlag ihres Treffers. 

 

Das Chakra zerplatze wie eine Blase um ihre Faust und die Stärke davon wurde abgeschwächt, als ihre Konzentration ins Taumeln geriet. Sie verlor ihre Balance und wäre vornüber gefallen, wenn Neji nicht seine Hand ausgestreckt und ihre Schulter gepackt hätte, um sie zu stützen. 

 

„Du zögerst; deswegen hält es nicht.“ Er zog die Brauen zusammen. „Warum zögerst du?“

 

Hinata wischte sich mit ihrem Handrücken über die Stirn und keuchte durch den Schmerz, den sie verspüren musste und der sich in dem Beben ihrer Finger verriet. „Ich…“

 

„Zögere nicht.“ Neji ließ sie los und zog sich von ihr zurück, indem er sich wieder in die Aufrichtung begab. „Dein Feind wird das niemals tun.“

 

„Aber du warst…du standest viel zu nah…“, sagte sie und schob sich auf die Füße, während sich ihre Augen auf die Flache Mulde im Boden richteten. 

 

Neji hob eine Braue und ein einziger Schritt brachte ihn ein Stück hinter sie. „Dreh dich um.“

 

Hinata drehte sich leicht zögerlich, nur um festzustellen, dass sich Neji wieder hinter ihr befand. 

 

„Dreh dich zu mir, Hinata-sama.“

 

Hinata wirbelte herum, doch Neji war nichts weiter als eine verschwommene Unschärfe an ihrer Peripherie. Sofort war er wieder in ihrem Rücken und seine tiefen Töne nahmen eine absichtlich herablassende Kante an. 

 

„Du wirst verlieren, wenn du dich mir nicht zuwenden kannst.“

 

Hinatas Finger zuckten, aber sie ballte sie nicht. 

 

Noch einmal schnellte sie in die entgegengesetzte Richtung, nur um erkennen zu müssen, dass Neji ihrer Bewegung zuvorgekommen war und schon wieder hinter ihr stand; er schob sich nach vorn, bevor sie zurück springen konnte. Sie taumelte und drehte sich scharf; erhaschte einen Blick auf das Peitschen seines Haares, als er um sie herum schoss. 

 

In einer Spirale aus Bewegungen umkreisten sie sich wie Tänzer. 

 

Neji blieb an ihren Schatten geheftet, während sie sich abmühte, sich ihm zuzuwenden und ihn dazu zu zwingen, sie zu konfrontieren. Doch das tat er nicht. Er rannte sprichwörtliche Kreise um sie herum, drehte sich in Seitschritten und Bewegungen, die so fließend und subtil waren, dass es zum aus der Haut fahren war, dem Ganzen durch ihre verengten Byakuganaugen zusehen zu müssen. 

 

„Du scheiterst, weil du zögerst.“, raunte er. 

 

Hinata schnellte herum und ihr Haar peitschte über den Platz, an dem er noch Sekundenbruchteile zuvor gestanden hatte, bevor seine Stimme ihren Hinterkopf traf. „Greif mich mit der Absicht an, mich zu verletzen, Hinata-sama.“

 

„Das werde ich nicht.“, wisperte sie und wich zurück, nur um gegen seine Brust zu stoßen und wieder nach vorn zu stolpern. „Ich will dir nichts antun.“

 

„Genau wie du auch deiner Schwester niemals etwas antun willst. Und aus exakt diesem Grund verlierst du immer wieder gegen sie.“

 

Hinata schloss die Augen und ein schmerzvoller Stich verzerrte ihre zarten Gesichtszüge, bevor sie mit einem Zischen herum wirbelte. Ihre Handkante schnitt wie eine Sense durch die Enden von Nejis Haar, als er sich erneut in ihren Schatten zurückzog. 

 

„Du hast die Kraft, aber wo ist dein Wille?“

 

„Ich möchte den Willen, Leute zu verletzen, nicht!“, schrie Hinata und schnellte schon wieder in die andere Richtung. 

 

„Dann habe den Willen, sie zu beschützen.“, biss Neji zurück und stieß sie hart zwischen den Schulterblättern nach vorn. „Wie Naruto.“

 

Diese Worte hatten den beabsichtigten Effekt. 

 

Hinata fing sich selbst vor einem Stolpern ab, zog die Schultern straff und drehte sich in einer ordentlichen Pirouette, die Staub aufwirbelte, während sie ein Bein tief ausstreckte. Neji sprang zurück auf seine Hände, bevor er sich abstieß und wieder auf den Füßen landete und in der gleichen Wippbewegung wieder nach vorn schwang, um ihre Faust mit seiner Hand einzufangen. 

 

Mit einem schmalen Lächeln hob er den Blick. 

 

„Gut.“

 

Hinata zog ihre andere Faust nach hinten und das Chakra floss bereits zu ihren Knöcheln, als sie einen heftigen Hieb gegen seinen Kiefer ausführte. Und diesmal vergaß sie nicht, ihre Beine entsprechend zu bewegen, als sie sich mit blitzenden Augen darauf vorbereitete loszustürzen. 

 

Sehr gut.

 

Neji neigte das Kinn, wich ihrem Schlag aus und ruckte energisch an ihr, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch Hinata fand sofort die Balance wieder, indem sie der Bewegung folgte und sich unter seinem Arm hindurch duckte. Ihre chakrageladene Faust ließ sie auf seinen Hinterkopf zu schnellen, als sie auf den Ballen herum wirbelte. 

 

Neji lächelte und duckte sich, während er zurück und sie hoch nach oben sprang. 

 

Und als diesmal ihre Faust auf der Erde aufschlug, hallte das Krachen von Chakra durch das Gelände. Doch Neji ließ ihr keine Zeit, ihre Leistung zu bestaunen. Sofort trat er in ihre Reichweite und stieß sie mit der Handfläche nach hinten, bevor er sein Handgelenk drehte und seine Finger ruckartig in einer ‚Komm schon‘ Geste krümmte. 

 

„Nochmal!“

 

Hinata atmete rasch ein und zog beide Fäuste an ihre Rippen, während sich ihre Augen verengten. Ihre Konzentration verdrängte ihr vorheriges Zögern und zog Spannung mit einer Welle über ihr Gesicht, das von dem Flackern ihrer Hände erleuchtet und verfärbt wurde. 

 

Neji stürzte nach vorn und hielt dann plötzlich inne. 

 

Überrascht ruckte sein Kopf nach hinten. 

 

Was ist das?

 

Für einen flüchtigen Moment war es, als würde etwas in den beiden Chakraklumpen um Hinatas Hände Form annehmen. Das Pulsieren des hellen Blaus vertiefte sich zu Konturen, die beinahe wie Katzenköpfe aussahen. Doch schon war es wieder fort, hineingezogen in eine gewaltige Woge blauweißen Chakras. 

 

Neji hob seine Handfläche und bog die Finger mit einem Schnappen. „Gut. Halte es. Und jetzt, nutze es.“

 

Hinata griff ihn an. 

 

Neji traf sie auf halbem Weg und konzentrierte sich einzig und allein darauf, ihr auszuweichen, während sie ihre Fäuste durch die Luft schwang. Blasse Ströme aus Licht zogen sich den Handschuhen aus Chakra hinterher, die ihre Schläge umhüllten. 

 

Sie bewegten sich in einer Helix und um sie herum knisterten Fäden von Hinatas Chakra. 

 

Die Kunoichi keuchte inzwischen schwer, doch ihre Augen waren wild. 

 

Sie hat Naruto zu ihrer Stärke gemacht…habe ich dich zu meiner Schwäche gemacht, Nara…?

 

Abgehackt schnappte Neji nach Luft und trieb das Tempo noch mehr an. 

 

Es war eine beeindruckende und großartige Zurschaustellung von Geschwindigkeit und Ausdauer. 

 

Mitten in der Rotation erhaschte Neji einen Blick auf die verschwommene Gestalt von Hiashi, der sie vom Rand aus beobachtete; stoisch und still wie lebender Granit. Hinata bemerkte ihn nicht; ihr Fokus war einzig und allein auf den Anfang ihres neuen Jutsus fixiert. 

 

„Hyaaa!“

 

Ruckartig richtete Neji seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Hände, als ein Schlag gefährlich nah an seinem Kiefer entlang schrammte. Das Lecken von Chakra war wie ein Peitschenhieb weißer Flammen auf seiner Haut. 

 

Gut.

 

Er parierte den zweiten Hieb mit seiner Handkante und tänzelte einen Schritt zurück, um eine Hand zu heben und den Kampf damit zu beenden. „Gut.“

 

Hinata blieb taumelnd stehen und das Jutsu erstarb in einem Aufblitzen und Flackern. Sie schwankte leicht auf der Stelle und ihre Lippen hoben sich zu einem Lächeln, das ihre Augen wie polierten Quarz leuchten ließ. Erstaunt starrte sie auf ihre bebenden Hände. 

 

„Ich…ich habe es geschafft.“

 

Ihre Beine gaben nach. 

 

Rasch fing Neji sie an der Hüfte auf und stützte sie. „Ja, du hast es geschafft.“

 

„Aber es ist…es ist noch nicht fertig.“, keuchte Hinata und krümmte ihre zitternden Finger. Sofort wurde ihre Freude von Zweifel überschattet. Stirnrunzelnd beugte sie den Rücken. 

 

Neji richtete sich scharf auf und zwang sie dazu, dasselbe zu tun. 

 

„Du wirst es perfektionieren.“, sagte Neji leise und sein Blick zuckte über ihre Schulter zu Hiashi. „Daran habe ich keinen Zweifel.“

 

Das Hyūga Oberhaupt hob ein winziges Stück das Kinn, doch seine Augen waren verschlossen und der Ausdruck in ihnen unlesbar. Nejis Kiefer verkrampfte sich, aber er wandte den Blick ab und half Hinata zu der Veranda hinüber, wo er sie vorsichtig hinsetzte, bevor er einen großen Schritt zurück trat. 

 

„Geht es dir gut?“, fragte er strich mit den Fingerspitzen über seinen Kiefer. 

 

Hinata nickte schwer und packte einen der Pfosten, als sie sich erschöpft dagegen lehnte. Ein benommenes Lächeln spielte um ihre Lippen. 

 

„Danke Neji-niisan.“

 

Neji beugte leicht den Kopf, bevor er sich rasch umwandte, um sich vor Hiashi zu verneigen, der hinter seine Tochter trat. Hinatas Wirbelsäule richtete sich sofort steif auf und sie wurde vollkommen still gegen den Pfosten, während ihr Atem stockte. 

 

Hiashi sah sie nicht an. „Neji, die Hokage hat dich rufen lassen.“

 

Neji kaschierte seine Überraschung, indem er den Kopf neigte. 

 

Die Hokage?

 

Das konnte nur eins von zwei Dingen bedeuten. 

 

Hiashi beäugte ihn noch einen Moment länger und er bemerkte, wie sich die Brauen seines Onkels zusammenzogen, als versuchte er, ihn zu lesen. Und dann sah Hiashi vollkommen unerwartet hinunter auf seine Tochter. 

 

Seinen Blick spürend starrte Hinata nervös auf den Boden und ihre Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie zusammen, während sich ihre Fingernägel tief in das abgesplitterte Holz des Pfostens gruben. 

 

Argwöhnisch sah Neji zwischen den beiden hin und her; unsicher, ob es sich um Missbilligung oder Unbehagen handelte, was sich hinter dem Eis von Hiashis Augen abspielte. 

 

Doch die Spannung erhielt keine Chance, sich über die Situation zu legen. 

 

„Das hast du gut gemacht heute, Hinata.“, sagte Hiashi. Seine samtigen Töne waren gestelzt und leise, als er diese seltenen Worte des Lobes aussprach. 

 

Hinata schloss krampfhaft die Augen. „Danke, Vater.“

 

Neji hielt seinen Kopf nach unten gerichtet und beobachtete durch seine dichten Strähnen, wie sich der glatte Marmor von Hiashis Stirn in Falten legte. Der Hyūga musterte seine Tochter für einen langen Moment schweigend; sein Blick verharrte auf ihren bebenden Fingern, bevor er sich abwandte. 

 

„Du warst sehr gut.“, fügte er noch hinzu, bevor er weiter die Veranda entlang schritt. 

 

Neji spähte zu seiner Cousine hinüber und strich sanft an ihr vorbei; sein Dōjutsu deaktivierte er, als ihre Tränen zu fallen begannen. 

 
 

oOo
 

 
 

„Ino, warum starrst du Shikamaru so an?“

 

„Ich berechne.“

 

Shikamaru, der sein Kinn in seiner Handfläche abgestellt hatte, linste mit einem gelangweilten Senken seiner Wimpern von dem Fenster hinüber. Sein Fokus richtete sich auf die intrigante Blondine, die ihn gerade über den Tisch hinweg anstarrte, während sie ihren Zeigefinger fest gegen ihre geschürzten Lippen presste und sich ein Ausdruck intensivster Konzentration auf ihrem Gesicht breit machte. 

 

Das kann nichts Gutes bedeuten…

 

Shikamaru starrte sie finster an und ließ seine Hand sinken, während er ihr den Kopf zuwandte. „Was?“

 

Ino ließ ein verärgertes Schnauben hören. „Argh! Shikamaru! Beweg dich nicht!“

 

Shikamaru starrte sie ausdruckslos an, bevor er zu Chōji spähte. 

 

Der zuckte jedoch nur mit den Achseln und spießte ein weiteres Stück Schweinefleisch auf, um es sich mit einem zufriedenen Brummen in den Mund zu schieben. „He, frag nicht mich.“

 

Ino hob ihre Arme und rahmte mit den Handflächen Shikamarus Gesicht ein, bevor sie ihre Handgelenke langsam Richtung Fenster neigte. „Dreh deinen Kopf nochmal zum Fenster. Ich muss es sehen.“

 

„Was sehen?“

 

„Deine dämlichen Haare.“

 

Shikamaru bügelte seine Miene zu einem äußerst flachen Ausdruck. 

 

Ino funkelte ihn an und rahmte auf der anderen Seite des Tisches erneut sein Gesicht ein. „Im Ernst, dreh endlich deinen Kopf.“

 

„Iss endlich dein Essen.“, schoss Shikamaru zurück und warf einen vielsagenden Blick auf die sich rasch leerende Platte, während Chōji mehr als glücklich die Ablenkung seiner Teamkameradin ausnutzte. 

 

„Dreh deinen Kopf!“

 

„Nein.“

 

„Ugh!“ Ino verrenkte sich auf ihrem Platz und blickte mit einem angespannten Lächeln über die hochlehnige Sitzecke, während sie zwischen zusammengebissenen Zähnen flötete: „Asuma-sensei! Bitte bring Shikamaru dazu, seinen Kopf zu drehen.“

 

Shikamaru verzog das Gesicht und linste aus den Augenwinkeln zu Asuma, der sich neben ihn auf die Bank schob. „Sie belästigt mich.“

 

Asuma kicherte leise und der Klang lockerte sofort die Spannung. „Ich werde sicher nicht den Part von irgendjemandem von euch hier übernehmen. Ich bin nur hier, um die Rechnung abzuholen.“

 

„Danke, Asuma-Sensei!“, begrüßte Chōji den Jōnin mit seinen Essstäbchen. 

 

„He, dadurch übernimmst du aber Chōjis Part!“, beschuldigte Ino ihn und deutete mit dem Finger auf den Akimichi. „Ich habe mir noch keinen Bissen von dem Zeug in den Mund gesteckt.“

 

„Tu uns den Gefallen und mach das jetzt sofort.“, murrte Shikamaru und fing sich dadurch ein dolchbewehrtes Starren und einen Tritt unter dem Tisch ein, der daneben ging und stattdessen Asuma traf. 

 

Der Jōnin machte einen Satz und rieb sich stirnrunzelnd das Schienbein. „Wenn ich nur daran denke, dass ich gestern Abend noch eure Teamarbeit gelobt habe.“

 

Ino verschränkte schnaubend die Arme vor der Brust und brachte die blonden Strähnen zum Schwingen, die ihr ins Gesicht hingen. Sie warf Shikamaru einen vernichtenden Blick zu. „Naja, Shikamaru ist derjenige, der nichtkooperiert.“

 

„Warum zur Hölle musste auf mein Haar sehen können?“

 

„Es ist eine Überraschung, Genie.

 

„Tz.“ Shikamaru rollte mit den Augen und streckte eine Hand nach seinem Getränk aus. 

 

Trotz des Blickes, mit dem Ino ihn festpinnte, bogen sich seine Lippen hinter dem Rand seines Glases, als er seine Augen durch das Restaurant wandern ließ. 

 

Um sie herum summte die Atmosphäre mit dem Geplapper der Gäste und die Rufe der Bedienungen wogten zwischen den Sitznischen hin und her. Die warme Luft, die hin und wieder von einer kühlen Brise aufgewirbelt wurde, wenn die Tür aufschwang, duftete nach brodelnden Eintöpfen, brutzelndem Fleisch und dem starken Aroma von Kaffee.

 

Und unter all dem hing die schwere Wolke von Asumas Zigarettenrauch. 

 

Der Sarutobi war der einzige Gast, dem es erlaubt war, hier drin zu rauchen und das auch nur, weil er dabei half, den Laden über Wasser zu halten; wenn man die Häufigkeit bedachte, mit der sich Chōji auf seine Kosten durch die Schweinegrillplatte mampfte. 

 

„Was macht das Schwein hier?“, fragte Asuma. 

 

Chōji und Ino erstarrten und beide stierten ihren Sensei mit einer Miene an, die ihn unmissverständlich dazu aufforderte, sich deutlicher darüber auszudrücken, wen er mit dieser Aussage meinte. Asuma blinzelte jedoch nur unschuldig und hob eine Hand, um die Todesblicke abzuwehren und zum Fenster zu gestikulieren zum. 

 

Shikamaru sah bereits durch die Scheibe. „Ugh…“

 

Durch das Glas stierte ihn niemand anderes an als das überaus lästige Schwein der Hokage. Tonton hob den Kopf und ihre Schnauze rümpfte sich auf eine Weise, die ihr tiefes Missfallen perfekt unterstrich, mit dem sie ihn bedachte. 

 

Was willst du?

 

Er blinzelte über den Rand seines Glases, als könnte er sie mit seinem genervten Blick telepathisch aufspießen.

 

„Awww, Tonton.“ Ino tippte mit den Fingern gegen das Fenster und winkte. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn. „Bitte sag mir, dass du Medizintraining mit Shizune hast.“

 

Doch Ino schüttelte den Kopf. „Heute nicht.“

 

Verdammt.

 

Der Schattenninja legte mit einem dumpfen resignierten Aufprall seine Stirn an die Scheibe und seufzte so schwer, dass sie beschlug. „Klasse.“

 

Tonton senkte den Kopf und stampfte mit einem Huf auf, wobei ihr pummeliger Körper ärgerlich wackelte. Shikamaru stierte sie mörderisch an. Um seine Zigarette herum grinste Asuma und glitt bereits aus der Nische heraus, damit Shikamaru an ihm vorbei kam. 

 

„Viel Spaß.“, neckte der Jōnin. 

 

Stirnrunzelnd sah Ino auf. „He, kann das nicht zumindest warten, bis wir hier fertig sind?“

 

Seufzend packte Shikamaru das Ende des Tisches und biss ein Wimmern zurück, als ein schmerzhafter Stich in seine gebrochenen Rippen fuhr. Genervt schob er sich von der Bank und auf die Füße. „Und zulassen, dass das Schwein einen Ziegelschein scheißt? Nein danke.“

 

„Du hast ja nur Angst, dass Ino ihn aufheben und dir an den Kopf schmeißen wird.“, kicherte Chōji und lehnte sich bereits zur Seite, als Ino herum wirbelte und ihm ihr Haar ins Gesicht peitschte. 

 

Sie piekste ihn mit ihren Essstäbchen. 

 

„Es war Kompost für die Blumen!“, schnappte sie, bevor sie innehielt und ein unerwartetes Lächeln auf ihrem Gesicht erblühte, als sie langsam ihre gefalteten Hände an eine Wange legte und schüchtern mit den Wimpern in Asumas Richtung klimperte. „Ooooh, Sensei? Wir haben gerade ein paar sehr schöne Blumen reinbekommen! Und sie sind auch noch karmesinrot.“

 

Asumas Augen wurden groß und mit einem kehligen Husten stieß er den Zigarettenrauch aus, während er sich mit dem Daumen über die Nasenwurzel rieb. Seine Brauen hoben sich in verlegener Manier, als er überall hin sah, nur nicht zu der gurrenden Blondine. 

 

Shikamaru grinste. „Viel Spaß.“, sagte er gedehnt und schlenderte in trägem Schritt um den Jōnin herum, als sich Asuma widerwillig auf der Bank niederließ. 

 

Ebenso widerwillig bahnte sich Shikamaru einen Weg zur Tür und nahm sich Zeit, den Krampf an seinen Rippen fortzudehnen, als er sich drehte, um eine desaströse Kollision mit den geschäftigen Kellnern und Gästen zu verhindern. 

 

Einige knapp vermiedene Zusammenstöße und kreative Drehungen später war er endlich zur Tür hinaus. 

 

Tonton sah zu ihm auf und war vollkommen unbeeindruckt von dem langgezogenen Seufzen, das er in die kalte Luft entließ, während er die Hände in den Taschen vergrub und am Rand des Bürgersteiges stehen blieb, um seine Wirbelsäule durchzudrücken. 

 

„Mann, das nervt so sehr…“, stöhnte er.

 

Das Schwein grunzte und stürmte auch schon los, um ihm die richtige Richtung zu weisen. 

 

Shikamaru blieb keine Zeit, seine Hände aus den Taschen zu befreien und leise Tontons Abstammung zu diffamieren, als die rasende Sau ihn auch schon aus dem Gleichgewicht brachte und ihn in einem wenig anmutigen Stolpern seitwärts stieß. Seine Füße bewegten sich wie von selbst und schnell, um ihn aufrecht zu halten. 

 

Fuck!

 

Sich ausschließlich auf seine Beinarbeit verlassend beschrieb sein Weg eine abrupte Wendung und er umrundete so schnell eine Ecke, dass er nicht das Schimmern von Metall bemerkte, bevor er in einen Ausbruch von Weiß knallte. Kalter Stahl schlug mit einem scharfen Knacken so hart gegen seine Stirn, dass seine Kiefer klackend aufeinander trafen und es in seinen Ohren aufgrund des Aufpralls gellend schrillte.

 

Arrrgh…ich schwöre bei Gott…

 

Shikamarus Miene wurde mörderisch und er hob einen Spalt breit die Lider, bevor seine dunklen Augen weit aufflogen. 

 

Blasse opaleszente Seen sahen ihn an. 

 

Und dann streichelte ein tiefes Murmeln über seinen Mund; die kultivierten Töne wie ein Streichen rauer Seide. 

 

„Du rennst immer noch eine Meile in der Minute, Shikamaru…“

 

 

 ______________

Ahhh und da treffen die beiden wieder aufeinander ;) Ja, also wirklich viel gibt  es eigentlich gar nicht zu sagen...außer dass wir dem Ende immer näher kommen. Ich denke auch, dass ich zum nächsten Kapitel überhaupt nichts mehr sagen werde und dann nur noch ein Nachwort zu dem letzten Kapitel kommen wird, mal sehen. Sollte ich im nächsten Kapitel kein Nachwort schreiben, dann gilt natürlich auch für dieses wie immer ein Riesen Dank an alle Reviewer/innen und Leser/innen. <3

Ich hoffe, dass euch die letzten Kapitel von BtB gefallen und dass mir der/die ein oder andere auch bei 'On the Cusp' erhalten bleiben wird - den zweiten Teil der Serie, der - zumindest die erste Hälfte davon - DEUTLICH humorvoller werden wird als BtB ;)

The greatest weakness...

Er spürte es, noch bevor es passierte. 

 

Wie die Veränderung der Luft vor einem Sturm. 

 

Doch er erwartete nicht, dass dem ein quiekendes, grunzendes und flitzendes Schwein folgen würde. Neji blieb stehen, als Tonton um die Ecke und an ihm vorbei schoss; ein verschwommener pinker Fleck an seiner Peripherie. 

 

Was um alles in der Welt?

 

Die Nerven an seinem Genick kribbelten. 

 

Scharf drehte er sich um. 

 

Und dann explodierte Donner in einem heftigen Knacken gegen sein Stirnband.

 

Glücklicherweise fing sein Hitai-ate den Aufprall ab. Doch während die Kollision Neji keine Sterne sehen ließ, entfachte der Anblick glühender Siennaaugen, die aufgerissen wurden, eine weißglühende Nova an der Wurzel seiner Wirbelsäule. Sie fraß sich sengend ihren Weg nach oben und drängte sich mit einem Aufflammen in seine Augen, das sich zwar verdunkelte, aber nicht erkaltete.

 

Ein schwaches Schmunzeln zupfte an seinem Mundwinkel. „Du rennst immer noch eine Meile in der Minute, Shikamaru…“

 

Neji hörte, wie der Atem des Schattenninjas heftig ins Stocken geriet; und dann spürte er, wie er in einem bebenden Lachen, das bitter geschmeckt haben könnte, über seinen Mund geisterte. Der Klang wühlte ihn auf; die Empfindung von Federn, die in seiner Brust wirbelten und flatterten. 

 

„Jo.“ Shikamaru schluckte schwer und zog ein wenig den Kopf zurück. „Und du verteilst immer noch Gehirnerschütterungen.“

 

„Es ist das Beste, vorhersehbar zu bleiben, schätze ich.“

 

Das ließ Shikamaru zögern und seine Lippen verkrampften sich. 

 

Keiner von ihnen wich zurück.

 

Auf einen Beobachter hätte diese Konfrontation vermutlich raubtierhaft gewirkt, aber in dem knapp bemessenen Raum zwischen ihnen existierte keinerlei Aggression. Da waren nur eine hautprickelnde Spannung und ein gesteigertes Bewusstsein. Ein Bewusstsein, das bis ins feinste zu einem Instrument gestimmt wurde, das dazu gedacht war, jede noch so subtile Bewegung und jedes Signal zu erkennen und zu katalogisieren. 

 

Vollkommen automatisch ließ Neji all seine Sinne über Shikamaru wandern. 

 

Shikamaru roch nach Tabak und Wald mit einem Hauch von Minze oder Menthol, das eine Salbe sein musste. Nejis Augen wanderten zu der Platzwunde auf Shikamarus Jochbein, wo der leichteste Schimmer eines medizinischen Balsams seine rohe Haut hervorhob. Das war es nicht. Der Geruch von Menthol kam von weiter oben und zog Nejis Blick hinauf zu den Schläfen des Nara. 

 

Er hat immer noch diese Kopfschmerzen…

 

Die Kopfnuss würde mit Sicherheit nicht dabei helfen. 

 

Neji musste seine Hände mit aller Anstrengung davon abhalten, sich zaghaft an den Kopf des Schattenninjas zu legen. Nach all dem Schaden, den seine Hände und Berührungen Shikamarus Körper angetan hatten, wäre das bestimmt nicht erwünscht. Er neigte das Kinn und spähte durch seine Wimpern auf die Kehle des Nara, um die verdeckten Hämatome zu mustern, die unter dem Rand des Rollkragenoberteils zu sehen waren.

 

Die Sehnen in Shikamarus Hals spannten sich an. 

 

Neji runzelte die Stirn und ließ seine Augen weiter nach unten zu Shikamarus Brust sinken. 

 

Sie wanderten über das dunkle Gewebe und versuchten anhand der Atmung des Nara einzuschätzen, ob er Schmerzen hatte. Doch der Stoff bot ihm keinerlei Antwort; es war nur ein dichtgewebtes Netz aus Fasern, das nach Rauch roch. 

 

Zerbrochen, aber immer noch atmend…

 

„Geht es dir gut?“, forderte Neji schon beinahe zu wissen und hob sein Kinn, ohne mit den Augen nach oben zu sehen. 

 

„Ja.“ Shikamaru trat einen Schritt zurück und schob seine Hände mit einem Achselzucken in die Taschen. „Mir geht’s gut.“

 

Während jeder andere einen totalen Mangel an Beunruhigung in Shikamarus Stimme bemerkt hätte, war alles, was Neji darin entdeckte ein Mangel an Überzeugung. Die Versuchung, sein Dōjutsu zu aktivieren spannte die Haut an seinen Schläfen an. 

 

Was bringt es schon, unter deine Haut zu sehen, wenn ich dich immer noch nicht unter meiner herausholen kann?

 

Nejis Lippen zuckten schwach und sein Starren wurden weich. Sein Gesichtsausdruck sorgte dafür, dass sich Shikamaru in einem kaum merklichen Ruck anspannte; wie jemand, der sich gerade noch von einem gefährlichen Ausrutscher abhalten konnte. 

 

Götter, wie viele gefährliche Ausrutscher hatten zu diesem Augenblick geführt?

 

Und wie viele Augenblicke würde es brauchen, um erneut wieder in etwas Gefährliches abzudriften?

 

Das darf nicht noch einmal passieren.

 

Und trotzdem geschah es; so oder so. Er konnte es fühlen; es fraß sich durch ihn und nagte an den Rändern seiner ruhigen zentrierten Maske. 

 

Die Spannung zwischen ihnen wurde dichter. 

 

Doch etwas fing an, sie zu durchbrechen. Es war dasselbe, das sich in ihrer beider Gesichtszüge schlich, als sich ihre Blicke hielten und sich ihre Atmung zu vertiefen begann. 

 

Und dann kam Tonton von der Seite angerannt. 

 

Sie stieß Shikamaru hart gegen das Bein und warf ihn aus dem Gleichgewicht. 

 

„Gott verdammt!“, fauchte der Schattenninja, als er beinahe in die Wand krachte. Er nahm sich einen Moment, um bedächtig einzuatmen, sich aufzurichten und vernichtend hinunter auf das Schwein zu starren. „In der nächsten Minute werden wir zwei eine mehr als heftige Meinungsverschiedenheit haben.“

 

Eine von Nejis Brauen wanderte nach oben. „Ich sehe, dass dein charmanter Umgang mit Tieren immer noch so natürlich ist wie ein Reflex, Nara.“, kommentierte er trocken, doch seine Augen wollten nicht so recht zu seinem Humor passen. 

 

„Lästiges Schwein.“ Shikamarus mörderische Miene wurde noch finsterer, als er zusah, wie besagtes Schwein langsam zurückwich und auf eine deutlich stierhafte Weise mit den Hufen scharrte. „Tsunade-sama sollte einfach einen gottverdammten Genin oder sowas schicken.“

 

Nejis Augen flackerten ein wenig vor Überraschung auf, doch rasch glättete er seine Gesichtszüge wieder. „Sie hat dich rufen lassen?“

 

Shikamaru hielt den Blick abgewandt. „Jo.“

 

Tonton grunzte und vollführte eine Art stampfenden und frustrierten Stepptanz, bevor sie über den Bürgersteig trottete. Shikamaru beobachtete sie mit schlitzäugiger Verärgerung. Doch Neji würdigte sie nicht eines einzigen Blickes. Er hielt seine Augen auf den Schattenninja gerichtet; sein Gesicht blank wie eine Maske, um die verräterischen Emotionen zu verbergen, die in einem überwältigenden bodenlosen Schmerz durch ihn hallten.  

 

„Wo wolltest du denn hin?“, fragte Shikamaru mit einem trägen Mangel an Interesse und begann, hinter dem Schwein her zu schlendern, während er halb die Lider schloss und auf die Straße starrte. 

 

Neji antwortete nicht. 

 

Er trat einen großen Schritt zurück, als Shikamaru an ihm vorbei lief. 

 

Und dann drehte er sich, um sich in dieselbe Richtung zu bewegen. 

 
 

oOo
 

 
 

„Hanegakure.“

 

Shikamaru spürte, wie ihm sein Magen ebenso schnell in die Kniekehlen sackte, wie sein Gesichtsausdruck. 

 

„Hanegakure?“ Er musste seine Kniegelenke krampfhaft verschließen, um sich davon abzuhalten, einen Schritt zurück zu weichen. 

 

Neben ihm reagierte Neji überhaupt nicht. 

 

„Ganz recht.“, bestätigte Tsunade und kritzelte ihre Unterschrift auf eine der vielen Schriftrollen, die auf ihrem Schreibtisch ausgebreitet lagen; Rollen ewig langen Papieres, die über die Ränder der breiten Oberfläche hingen wie dicke Luftschlangen. 

 

Shikamaru stierte sie an, die Lippen krampfhaft zusammen gepresst. Ihre Erwiderung war nicht die Antwort, nach der er suchte und so warf er aus den Augenwinkeln einen Blick auf Neji; auf irgendeinen Hinweis hoffend.

 

Neji schloss die Augen. 

 

Verdammt.

 

Shikamaru runzelte die Stirn und spähte vorsichtig zurück zu Tsunade. „Warum?“

 

„Für einen Friedensvertrag braucht es grundsätzlich zwei Unterschriften, Nara.“ Tsunade streckte eine Hand nach dem Stempelkissen aus, wobei ihr Dekolleté über den Tisch zu fallen drohte wie eine der Schriftrollen. 

 

Das Gesicht verziehend wandte Shikamaru den Blick ab. „Wir haben Brieftauben für solche Angelegenheiten.“

 

„Das ist ein Friedensvertrag, Nara.“, sagte Neji und die tiefe Ruhe in seiner Stimme passte zu seiner gelassenen aber kalten Miene. „Eine Brieftaube ist viel zu unpersönlich.“

 

Ja, warum jetzt die Taktik ändern, wenn man bedenkt, dass die ganze verdammte Mission viel zu persönlich geworden ist.

 

Shikamaru stieß einen rauen Atem aus und knickte in einer lümmelnden Pose die Hüfte ein. Langsam ließ er seine Augen durch den Raum wandern und beobachtete, wie das Sonnenlicht das Dorf jenseits der Fenster weiß einfärbte.

 

Gott, sie waren gerade erst zurück gekommen. 

 

Der Gedanke, jetzt noch einmal nach Hanegakure zu latschen, war für ihn in etwa so reizvoll wie eine Hirnblutung. Und dazu kam auch noch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Hirnblutung vermutlich das geringste seiner Probleme sein würde, wenn Neji ebenfalls gehen würde. 

 

„Guck nicht so genervt, Nara.“ Endlich fand und packte Tsunade den Stempelblock, während sie das Durcheinander beiseite schob, unter dem er begraben gewesen war. Unzählige Spielscheine und Lose regneten auf den Boden. „Ich habe dich nicht deswegen rufen lassen.“

 

Was bedeutet…

 

Shikamarus Blick zuckte sofort zurück zu ihr, bevor er hinüber zu Neji schnitt; gerade, als die Hokage vage mit der Hand in die Richtung des Hyūga gestikulierte. 

 

„Neji wird als Konohas Gesandter nach Hanegakure geschickt.“ Die Worte trafen in etwa mit der gleichen Wucht auf wie der Stempel, den sie auf die Schriftrolle hämmerte und den Vertrag mit einem lauten Knall legitimierte. „Such dir ein Geninteam aus, Hyūga.“, fügte sie noch hinzu und wedelte mit der Hand über die nasse Tinte. „Sie werden dich begleiten.“

 

Shikamaru starrte auf das blutrote Konohasiegel und seine Gesichtszüge spannten sich an. „Also was soll ich dann tun?“

 

„Nichts.“

 

Shikamaru blinzelte. „Was?“

 

„Du hast mich schon verstanden.“ Tsunade begutachtete noch einmal das Dokument, rollte es auf und schob es in einen schmalen Behälter, bevor sie die Hand damit ausstreckte und Neji mit einem Neigen ihres Handgelenkes nach vorne rief. 

 

Der Jōnin nahm den Vertrag ohne ein Wort entgegen. 

 

Und Shikamaru starrte nur stirnrunzelnd vor sich hin.

 

Tsunade lehnte sich nach vorn, setzte ihre Ellbogen auf der Kante ihres Schreibtisches ab und verschränkte langsam ihre Finger ineinander. „Du sollst nichts tun, Shikamaru. Ich will, dass du eine Pause machst.“

 

Shikamarus Brauen schossen bis zu seiner Haarlinie und ein trockenes abweisendes Schnauben brach aus ihm heraus, bevor er es aufhalten konnte. Ein halbherziges Grinsen zupfte an seinem Mundwinkel. „Eine Pause?“

 

Tsunades Lippen bogen sich. „Ich dachte eigentlich, dass du dich darüber freuen würdest.“

 

„Nicht, wenn es einen Haken hat.“

 

„Nun…“ Tsunade lächelte ein wenig. „Ich denke, dass du diesmal auch ohne zusätzliche Missionen genug im Kopf hast.“

 

Der amüsierte Ausdruck wurde sofort von den versteckten Bedeutungen in ihrer Stimme aus Shikamarus Gesicht gefegt. Er wusste genau, auf was sie anspielte. Diese dämliche Abmachung, die ihn an dieses dämliche Buch fesselte, das mit dieser dämlichen Angelegenheit verbunden war, von der er sichergestellt hatte, dass sie niemandesAngelegenheit sonst wurde, außer seiner eigenen. 

 

Klasse.

 

Er hob die Fingerspitzen an seine Stirn und knetete den Knoten aus Spannung, der sich dort zu formen begann; oder vielleicht war es auch das dicke fette Hämatom, das Neji wieder einmal in seinen Schädel gestanzt hatte. Vermutlich sah es genauso aus wie das Konoha Emblem auf dieser dämlichen Schriftrolle. 

 

Er hörte, wie sich Neji neben ihm bewegte. 

 

Doch er sah nicht auf und suchte Zuflucht hinter seiner Hand, während er sie gegen seine Brauen presste. 

 

Mit distanzierter Neugierde beobachtete Tsunade ihn und ihr bernsteinfarbener Blick schwang wie ein Pendel zwischen ihm und Neji hin und her, bevor er sich auf den Boden richtete. 

 

„Das wäre alles. Ihr seid beide entlassen.“

 
 

xXx
 

 
 

Die kühle Brise drückte sich zaghaft in Shikamarus Rücken und streichelte über seinen Nacken wie ein eisiger Kuss. Langsam rollte er die Schultern gegen die Kälte an und schob seine Hände noch tiefer in die Taschen, während er und Neji den Weg fort von dem Anwesen der Hokage entlang schritten. 

 

Es war pure Folter. 

 

Sie liefen ein Stück voneinander entfernt, aber nahe genug, dass wenn einer von ihnen sprechen sollte, es dem anderen nicht entgehen würde. Doch keiner von ihnen sagte ein Wort. Sie hatten das Gebäude mehrere Schritte und Sekunden voneinander getrennt verlassen; nur um sich unterbewusst wieder direkt aufeinander zuzubewegen und sich auf halbem Weg zu treffen. Gefangen in einer seltsamen Art von Umlaufbahn um den massiven Felsen aus Spannung, der zwischen ihnen stand. 

 

Scheiße…

 

Und dieser Fels schien mit jedem Schritt zu wachsen; Schicht für Schicht aus Erinnerungen und unausgesprochener Worte, die ihn noch härter und grauenvoller machten. Er zertrümmerte und zermahlte all die Emotionen, die Neji jemals in ihm losgerüttelt hatte und der Staub legte sich wie Salz in die offene Wunde, zu der seine Brust geworden war. 

 

Was zur Hölle wird nötig sein, damit das endlich vorüber geht?

 

Shikamaru hielt seine Augen starr nach unten gerichtet. 

 

Die Blätter wisperten über seine Füße und taumelten spielerisch über das Pflaster.  Doch sie zogen weder seine Aufmerksamkeit noch seinen Blick auf sich. Stattdessen lauschte er einfach nur dem schweren Kratzen seiner Sandalen. Neji gab kaum einen Ton von sich; die Bewegungen seiner Schritte waren beinahe geräuschlos – auf eine gewisse Weise meditativ. Langsam. Beständig. Nicht voraus eilend. 

 

Ganz anders als Shikamarus Verstand. 

 

„Wann brichst du auf?“, fragte er und die Worte kratzten trocken aus ihm heraus; wie die Blätter, die vor ihnen knisternd über den Weg trieben. 

 

„Morgen früh.“

 

„Hast du schon ein Team im Kopf?“

 

„Jedes Team wird es tun.“

 

Die steife Formalität in Nejis Tonfall spiegelte sich auch in seiner Haltung wider. Die Wirbelsäule des Hyūga verlieh der Definition ‚vertikal‘ eine völlig neue Bedeutung, während seine Schultern eine hervorragende Arbeit an der horizontalen Front leisteten. Er blieb aufrecht und streng, den Kiefer in einem festgelegten Winkel verschlossen und die Augen unbeirrt nach vorn gerichtet. 

 

Fokussiert, kontrolliert – unerreichbar. 

 

Wieder alles auf Anfang…

 

Die bittere Erkenntnis traf Shikamaru wie ein Kunai zwischen die Augen. Er zuckte mit dem Kopf zurück, als hätte man ihn geschlagen und starrte hinauf zu den Wolken. Ein schwaches und vollkommen freudloses Lachen flatterte seine Kehle hinauf und wurde vom Wind davon getragen. 

 

Neji blieb stehen. 

 

Langsam hielt auch Shikamaru an und stützte seine Hüfte gegen das Geländer, das an der Seite des Gehweges nach unten führte, als sie das Ende des Abhanges erreicht hatten. Seinen Blick hielt er nach oben auf die blassen Schwaden gerichtet, die dort vorbei zogen. 

 

„Ich werde Hibari von dir grüßen.“, sagte Neji. 

 

„Jo…“ Shikamaru überkreuzte seine Knöchel mit einer Lässigkeit, die er nicht im Geringsten verspürte, während er sich an das Geländer lehnte. „Die Kleine wird sich freuen, dich zu sehen.“

 

Neji blinzelte langsam und strich mit dem Daumen über den Schriftrollenbehälter. „Wie ich es verstanden habe, hing sie am Ende eher an dir.“

 

Shikamaru verlagerte das Gewicht angesichts der unangenehmen Erinnerung. „Jo…sie hing wortwörtlich an mir.“

 

Der Humor war flach und erzwungen. Shikamaru lehnte sich noch weiter gegen das Gitter und ließ es wie eine lümmelnde Pose aussehen. Doch in Wahrheit presste er sich so hart dagegen, dass seine Rippen alarmierend pochten. 

 

„Falls es noch irgendwelche relevanten Details gibt, die ich während meiner…“ Neji hielt inne und suchte nach einem passenden Wort, „…Verhinderung verpasst haben sollte…dann werde ich sie in den Berichten finden, oder?“

 

„Ja.“

 

„Gut.“

 

„Okay.“

 

Gott, was zur Hölle machen wir hier?

 

Diese ganze Situation war so surreal. Ein massiver Nebelschleier und ein gescheiterter Versuch, in die Vergangenheit zu greifen und alte Grundregeln für menschliche Interaktionen dahinter hervor zu zerren. Zu dumm, dass sie jede einzelne Regel zerbrochen hatten; genauso wie sich gegenseitig. Sie befanden sich wieder am Anfang, doch das Spielbrett hatte sich verändert. Und Shikamaru hatte keine Ahnung, wie er es auf eine sichere Weise spielen sollte; geschweige denn vernünftig. 

 

Ich glaube nicht, dass ich es kann…

 

Er konnte ja nicht einmal die Stärke finden, um zu wissen, wo er beginnen sollte. Es war unkartiertes Gebiet zwischen ihnen. Doch diesmal waren da keine Landminen mehr; nur die schmerzerfüllten Teile und Bruchstücke, die bereits das letzte Mal auseinander gerissen worden waren, als sie sich auf verbotenes Territorium gestürzt hatten.

 

Ich weiß nicht, wie ich das hier tun soll…

 

Doch Neji wusste es. 

 

Der Jōnin drehte leicht den Kopf; das geringste Neigen seines Kiefers. „Weiter als bis hier gehen wir nicht, Shikamaru.“

 

Und da war es; überliefert in einem Tonfall, der ebenso ruhig und kühl war wie die Brise. 

 

Es ließ den Schattenninja vollkommen gefühllos zurück. 

 

Er verbrachte einen langen Moment damit, die Bedeutung dieser Worte zu verdauen, während er seine Augen auf einen unbestimmbaren Punkt irgendwo in der Ferne richtete. Er hätte ahnen müssen, dass es so kommen würde. Scheiße, er war es gewesen, der diese Grenze vor zwei Monaten übertreten hatte – es machte nur Sinn, dass Neji derjenige sein würde, der sie jetzt neu zog. 

 

Shikamaru nickte sehr langsam und sah wieder hinauf in den Himmel. 

 

„Ich weiß.“, wisperte er. 

 

Er fixierte seinen Blick auf die Wolken und beobachtete, wie eine kalte Luftströmung sie hinaus aus dem Dorf trug. Eine perfekte Illustration dessen, was sich gerade abspielte. Von diesem Punkt an würden ihn seine Verpflichtungen als Shinobi in die eine Richtung tragen; und Nejis Verlangen danach, Freiheit zu erlangen, würde ihn in eine andere treiben. 

 

Es waren nur das Bedürfnis und die Begierde, die sie immer wieder zurückzogen. 

 

‚Du zerbrichst mich…und dennoch bist du alles, was ich atmen kann…‘

 

Shikamaru schloss langsam die Augen und eine tiefe Linie grub sich in seine Stirn. Und dann glättete er seine Züge; hob seine Wimpern zu ihrem üblichen Halbmast. 

 

Ich weiß…

 

Er sah zu, wie die Brise eine weitere Wolke zerbrach und wartete darauf, dass Neji lautlos wie eine Wolke entschwinden würde. Für einen sehr langen Moment geschah es nicht. Doch als es passierte, spürte Shikamaru, wie auch ein Teil von ihm selbst zerbrach und ebenfalls davon driftete. 

 
 

oOo
 

 
 

Leer. 

 

Es war ein Wort, das Neji noch nie genutzt hatte, um sein Zimmer zu beschreiben. Aber als er jetzt in dessen Mitte kniete, wurde ihm zum ersten Mal bewusst, wie unglaublich vakant es war und wie sehr es dem Raum an Charakter mangelte. 

 

Minimalistisch und simpel; die neutralen Farbtöne beseitigten jede Ablenkung und Abgrenzung. 

 

Es war perfekt für seine Zwecke. Ein Ort zum Schlafen, Meditieren und um sich dorthin zurückzuziehen. Es hatte nie einen Anflug von etwas Persönlichem gebraucht, denn so leer es auch war, er hatte es immer mit Düften gefüllt – und Düfte riefen immer Erinnerungen hervor. Und Erinnerungen luden Geister ein. Im Endeffekt teilte er sein Zimmer also mit Geistern; ein Heimsuchen von Fragen, Bedauern und Zweifeln, das ihn zu einem rastlosen Tempo zwang, als würde er von Schreckgespenstern getrieben.

 

Die Geister waren nicht verbannt worden, aber aus irgendeinem Grund waren sie verstummt.

 

Sie waren zum ersten Mal weit genug verstummt, dass sich der Raum leer und fremd anfühlte. Doch nichts daran hatte sich verändert. 

 

Ich habe mich verändert…und jetzt bin ich ein Fremder in meinem eigenen Heim…

 

Was vielleicht eine Lüge war. Das hier war ein Gefängnis gewesen, ein Käfig. Ein Nebenhaus, in das er hinein geboren worden war; aber niemals wirklich ein Heim. Aber es war alles, was er jemals gekannt hatte und mit diesem Wissen hatte er in diesem stillen kargen Raum einen kleinen Anschein von Frieden erschaffen. 

 

Und jetzt kann ich hier keine Ruhe mehr finden…nach dem, was ich bei ihm gefunden habe…

 

Neji runzelte die Stirn und führte einen Schleifstein über die stumpfe Schneide eines Kunai. Einige dieser Messer lagen in einer ordentlichen Reihe neben seiner Ninjatasche. Vorbereitung bedeutete Ablenkung. Ablenkung bedeutete Abstand von seinen Gedanken. 

 

Von dem, dem ich nicht entkommen kann.

 

War das nicht auch der Grund, warum er überhaupt ging?

 

Renne ich weg…?

 

Funken flogen von der Spitze der Klinge, als der Stein über die Kante kratzte. 

 

Neji seufzte, legte das Kunai beiseite und nahm ein anderes auf, um den Prozess zu wiederholen und den Geruch brennenden Sandelholzes einzuatmen. Weihrauch wirbelte träge durch sein Zimmer und kroch in alle vier Ecken wie rauchige Finger, die sich die Wände entlang tasteten, um nach Rissen zu suchen, durch die sie entkommen konnten. 

 

Ein scharfer Schrei ertönte auf dem Innenhof und zog seinen Blick zur Tür. 

 

Hinata.

 

Sie hatte nicht aufgehört zu trainieren. Ihr Jutsu zu perfektionieren war ihr Ziel geworden und mit der Aufmerksamkeit, die sie langsam bei den Ältesten auslöste, wuchs der Druck, ihr Chakra zu meistern, immer weiter, um ein steigendes Level aus Erwartung erfüllen zu können. 

 

Sie schafft das schon. 

 

Er steckte das Kunai weg und überprüfte seine Ausrüstung. 

 

Dann griff er nach seiner schwarzbraunen Tasche und zog unnötiges Gepäck daraus hervor, bis sich etwas knisternd zwischen seinen Fingern verfing. Neji runzelte die Stirn und schloss seine schlanken Glieder um den Zettel, der sich locker zusammengerollt hatte. 

 

Mit dem Daumen öffnete er das zerknüllte Papier. 

 

Und sein Atem geriet hart ins Stocken. 

 

Essen im Kühlschrank. Schmerztabletten in der Küche. Dein Zeug ist in deiner Tasche und du hast Rückendeckung was den Clan angeht. Mach dir nicht die Mühe, nach dem zu suchen, was fehlt – du wirst es nicht finden. Ich bin bald zurück. Stell nichts Dämliches an. Versuch zu entspannen – Shikamaru.

 

Neji starrte für einen unendlich langen Moment auf die Notiz. 

 

Sein Blick wanderte mehrere Male über jedes einzelne Wort. 

 

Mit dem Daumen strich er liebevoll über Shikamarus Namen. 

 

Und dann las er es noch einmal.

 
 

oOo
 

 
 

Shikamaru war gut darin, zwischen den Zeilen zu lesen. 

 

Es war eines der vielen Dinge, die sein Hirn aus vollkommen eigenem Antrieb tat. Häufig sezierte es sowohl Gesichts- aus auch verbale Ausdrücke, um alle Möglichkeiten zu berücksichtigen, die auf das wirklich Gesagte und Geäußerte hinwiesen. 

 

Allerdings war dieses Talent nicht unfehlbar. 

 

Tatsächlich gab es hin und wieder Gelegenheiten, bei denen es so großartig scheiterte, dass er ernsthaft in Frage stellen musste, ob er diese Fähigkeit denn wirklich besaß. Normalerweise waren an solchen Gelegenheiten Frauen beteiligt. Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf hätte es keine Überraschung sein soll, dass irgendetwas nicht stimmte, als er auf dem Weg zum Krankenhaus auf Ino traf. 

 

„Hey.“ Sie bedachte ihn mit einem schmallippigen Lächeln. 

 

Shikamaru hob eine Braue und wurde langsamer. 

 

Er war gekommen, um die verschriebenen Schmerztabletten für seine Rippen abzuholen. Doch er hatte vollkommen vergessen, dass Ino ihr Medizintraining mit Shizune hatte. Wie es schien war seinem Kopf so einiges entfallen, während er die letzte Stunde richtungslos durch das Dorf gewandert war.

 

„Hey.“, grüßte er vorsichtig, da er bemerkte, wie angespannt ihr Lächeln war. 

 

Und was noch seltsamer war, war die Art und Weise, wie sie überhaupt nicht ihre Schritte verlangsamte, was darauf hindeutete, dass sie wortlos direkt an ihm vorbei marschieren wollte. Und da Shikamaru in etwa so viel Verlangen nach Gesellschaft hatte, wie nach einem heftigen Tritt gegen den Schädel, machte er sich nicht die Mühe, zu fragen, was denn los war und lief einfach weiter. 

 

Sie strichen aneinander vorbei. 

 

Ino blieb stehen. 

 

Shikamaru runzelte die Stirn und wandte sich um, um über die Schulter zu spähen. 

 

Doch er schaffte es nicht, die Drehung seines Kopfes zu vollenden, bevor Ino ihn um die Hüfte packte und sich mit ihm in einen Busch stürzte. 

 

Das dichte Kissen aus Blättern fing den Aufprall ab, aber der Schmerz in seinen Rippen schoss direkt bis hinauf zu seinen Augen, bevor sie zornig aufblitzten. 

 

„Ino!“

 

„Halt still!“

 

„Gestörtes Weib! Geh runter von mir!“

 

„Du hättest doch einfach nur deinen dämlichen Kopf drehen müssen!“, grollte die Kunoichi und klatschte eine Handfläche auf seine Brust, um ihn nach unten zu pinnen, während sie ein aufgerolltes Maßband hervorzerrte. „Aber nööööö.“

 

Shikamarus finsterer Blick erbleichte zu einem Ausdruck aus Unglauben und Schock. „Was zur Hölle machst du da!“

 

„Halt still!“ Sie ruckte mit dem Handgelenk, um das Maßband zu entrollen. „Ich brauch die Abmessungen.“

 

Shikamarus Augen wurden rund. „Bitte was?“

 

„Von deinen Haaren, du Perversling!“ Ino griff nach seinem Pferdeschwanz.

 

Shikamaru stierte sie vernichtend an und eine feine Röte schlich sich über seine Wangen, als er den Nacken zurückbog und ihre Hände beiseite schlug. „Geh runter!“

 

„Nah, lehn dich einfach zurück und ertrag es wie ein Mann, Shikamaru.“

 

Lachen platzte laut über Inos Schulter und Shikamaru legte den Kopf schief, um Chōji zu sehen, der an der Seite stand und sie vor neugierigen Blicken abschirmte, während er eine Tüte Kartoffelchips mampfte. Der Aufbau dieser Szenerie war eindeutig. Chōji, sein bester Freund, sein engster Vertrauter in den schwierigsten und lästigsten Situationen, hatte vor, absolut nichts in seiner Macht Stehende zu tun, um ihm zu helfen. 

 

Shikamaru warf ihm einen mörderischen Blick zu. 

 

Chōji kicherte. 

 

Über ihm grinste Ino zufrieden und suchte nach dem besten Weg, sein Haar abzumessen. „Chōji liebt mich mehr als dich.“

 

„Und ich hasse euch beide.“, grummelte Shikamaru und ruckte mit dem Kopf von Seite zu Seite, um dem nervigen Band zu entgehen, bevor er sich letztendlich doch mit einem Seufzen ergab. „Das ist so ätzend.“

 

Ino strahlte siegreich und las die Abmessungen ab. „Das hast du nicht kommen sehen, oder, du Genie?“

 

Shikamarus zorniges Funkeln hielt sich hartnäckig und seine Augen verengten sich, als sie sich erneut auf Chōji richteten. „Das vergess‘ ich dir nicht!“

 

Der Akimichi zog die Schultern nach oben, um irgendwie sein Lachen zu unterdrücken und erstickte es so leise wie möglich in seiner Chipstüte. Etwas von Shikamarus Wut löste sich; diese ganze Situation war wirklich viel zu lächerlich, um sich deswegen aufzuregen. Und außerdem hatte er nicht die Energie dazu. 

 

Ino sprang auf und klopfte sich mit einem selbstgefälligen Grinsen den Staub von der Kleidung. „Okay Jungs, meine Arbeit hier ist getan.“

 

Shikamaru grunzte und wischte die Hand beiseite, die Chōji ihm anbot. Während er energisch ein schmerzhaftes Wimmern hinunter schluckte, stemmte er sich selbst zurück auf die Beine. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte, war, Aufmerksamkeit auf seine Verletzung zu ziehen. Scheiße, was er jetzt vermutlich wirklich brauchte, war eine höhere Medikamentdosis. 

 

„Shikamaru, was machst du eigentlich hier?“, fragte Ino und schob das Maßband in eine Tasche, nachdem sie mit dem Fingernagel über eine der Nummern gekratzt hatte. „Chōji und ich wollten dich schon suchen.“

 

Während er dem Drang widerstand, mit dem Arm seine Seite zu stützen, pflückte Shikamaru stattdessen kleine Zweige und Blätter aus seiner Kleidung. Unter seinen Wimpern funkelte er Chōji an und schüttelte ungläubig den Kopf. Der Akimichi grinste und sah unter seiner Belustigung endlich zumindest ein bisschen beschämt aus.

 

„Heh, es ist für einen guten Zweck, Shikamaru.“

 

„Das werde ich dir trotzdem nicht vergessen.“

 

Chōji hob eine Hand, um den mörderischen Blick abzuwehren. „Hab dich nicht so. Es ist für deinen Geb-“

 

Ino klatschte ihm eine Hand auf den Mund. „Chōji!“

 

Shikamaru hob sehr sehr langsam eine Braue. 

 

Um die Aufmerksamkeit innerhalb eines Herzschlages wieder umzulenken, schnippte Ino den Schattenninja hart gegen die Stirn und zerrte seine Aufmerksamkeit fort von den Rippen und auf den blauen Fleck über seinen Brauen. 

 

„Jetzt sei nicht so mürrisch, Shikamaru.“ Sie zog ihren Finger ein Stück zurück und zeichnete einen Wirbel auf seiner Stirn nach. „Wow. Was ist mit deinem Kopf passiert?“

 

Shikamaru knurrte und neigte sich auf den Fersen nach hinten, um ihrem kreisenden Finger zu entgehen. „Würdest du das lassen? Dieser Tag ist ein gottverdammtes Drama nach dem ande-“

 

„Nara!“

 

Gott verfickte Scheiße, bloß nicht…

 

Mit dem kriechenden Sinn einer schlimmen Vorahnung linste Shikamaru in die Richtung, in die sich Chōji und Ino umgedreht hatten und betete wirklich zu dem Gott, der ihn offensichtlich mehr als nur hasste, das doch bitte nicht zu tun. Kotetsu stand auf den Stufen, die zum Krankenhaus führten; den einen Arm um eine Box voller Schrifrollen gelegt, während er mit dem anderen die Tür für Izumo aufhielt. 

 

Doch er ließ beide Aufgaben in der Sekunde stehen und liegen, als Shikamaru seinem Blick begegnete. 

 

Er ließ die Kiste fallen und ein breites Grinsen spaltete quasi sein Gesicht, als er den Arm zurück zog und die Tür losließ, die so heftig zurück schwang, dass sie Izumo hart auf den Hinterkopf traf. 

 

Izumo ging mit einem lauten Krachen zu Boden und schreckte sämtliche Patienten im Wartebereich auf.

 

„Oh mein Gott.“ Ino hielt sich entsetzt eine Hand vor den Mund. 

 

Immer noch wild grinsend wedelte Kotetsu mit einer Hand in die Richtung seines kataleptischen Kumpels, ohne überhaupt einen Blick auf ihn zu werfen. „Alles cool. Es ist alles gut.“

 

Oh nein, das hier war alles andere als gut. 

 

Shikamarus Augen zuckten in jede erdenkliche Richtung und suchten verzweifelt nach einem Ausweg. 

 

Kotetsu wackelte mit den Augenbrauen und schwang seinen Hintern schlendernd über die Straße; die Arme weit ausgebreitet in einer Geste des Willkommens. „Es ist ganz offiziell! Dein Hirn, mein blendendes Aussehen, Asumas Bart und Izumos Sirup! Ach ist das nicht herrlich? So eine schöne Sache, Nara!“

 

Ino und Chōji tauschten einen Blick aus, bevor sie sich beide dem Schattenninja zuwandten und ganz klar eine Erklärung forderten. Shikamaru schüttelte nur den Kopf. Es gab einfach keine Worte mehr für diese Art öffentlicher Demütigung. Er gab sich alle Mühe, einen Ausdruck blanker Gleichgültigkeit aufrecht zu erhalten und richtete ihn fest auf Kotetsu, da er hoffte, den grinsenden Chūnin mit einem vollkommenen Mangel an Reaktion verscheuchen zu können. 

 

Doch natürlich scheiterte diese Taktik. 

 

Kotetsu krümmte einen Finger in seine Richtung und das weiße Band über seiner Nase schimmerte grell in der Nachmittagssonne. „Awww, komm schon. Du kannst mir nicht erzählen, dass es keine schöne Sache ist.“

 

Shikamaru blinzelte träge. „Dein Freund liegt da hinten und blutet den Krankenhausboden voll.“

 

Auch Kotetsu blinzelte und sein Grinsen fror in der karikierenden Darstellung einer Pause ein, als er über die Schulter spähte. Eine Krankenschwester kniete über dem zerknitterten und zuckenden Izumo, während sie seinem Gesicht mit einem Klemmbrett Luft zufächelte. 

 

„Ah.“ Kotetsu legte den Kopf mit einem Pfiff zwischen den Zähnen schief. „Verdammt. Sie ist ziemlich heiß. Ich glaube, ich habe ihm da einen Gefallen getan.“

 

Shikamaru wünschte sich bei allen Göttern, dass irgendjemand ihm einen Gefallen tun würde. 

 

Ino grinste und fing seine gequälte Miene mit einer sadistischen Art der Befriedigung auf, die darauf schließen ließ, dass sie ein immenses Vergnügen an seinem Versuch haben würde, sich hier heraus zu lavieren.

 

Er stierte sie finster an und schüttelte den Kopf. 

 

Doch die Kunoichi schürzte nur nachdenklich die Lippen, bevor sie wortlos „Du schuldest mir was“ artikulierte.

 

Shikamaru hob in einer nonverbalen Frage eine Braue. 

 

Ino nickte und formte mit den Lippen „Total“. Dann fuhr sie sich mit den Fingern durch den langen Wasserfall ihrer blonden Strähnen und ließ ihr Haar in einer dramatischen Geste durch die Luft schwingen. Es strich wie einen Sonnenstrahl über Kotetsus Gesicht und zog seine Aufmerksamkeit auf sie. Ohne innezuhalten hielt Ino ihren Gang locker und ließ ihre Hüften schwingen, als sie ihn mit einem Stirnrunzeln umrundete und ihre Unterlippe heraus streckte. 

 

„Was muss man als junge Frau eigentlich machen, um hier respektiert zu werden?“, schmollte sie gereizt und blinzelte mit dem dichten Fächer ihrer Wimpern. „Wir sind nicht nur Objekte, die du angaffen kannst, weißt du.“ Und Ino vervollständigte die Doppelmoral dieser Szene, indem sie eine Hand an die Hüfte legte und ihren Körper in eine sinnliche S-Pose neigte, die ihre Figur akkurat betonte. 

 

Chōji beobachtet sie leicht stirnrunzelnd. 

 

Shikamaru zögerte; auch er war nicht gerade ein Fan von ihrer Taktik. Es war eine von Inos effektivsten Manipulationsmethoden. Wie gut, dass Asuma nicht anwesend war. Shikamaru hasste es zwar genauso wie Chōji, aber die Missbilligung des Schattenninja wurde durch die Tatsache gemildert, dass es ihn vor dem absoluten Wahnsinn bewahrte. 

 

Sofort begann er, ein paar Schritte zurück zu weichen. 

 

Chōji verstand den Wink und schob sich auf den Platz, an dem Shikamaru gestanden hatte, um ihm Deckung zu geben, während Ino weiterhin die Ungerechtigkeit beklagte, mit der ihr Geschlecht behandelt wurde; die ganze Zeit über stellte sie dabei ihre weiblichen Kurven mit unanständigen Hüftschwüngen und herausgestreckter Brust zur Schau. 

 

Kotetsu starrte sie an und hörte offensichtlich nicht ein einziges Wort. 

 

Shikamaru fing Inos Blick über Kotetsus Schulter auf, nickte ein einziges Mal und verschwand dann in eine Seitenstraße.

 
 

oOo
 

 
 

Seltsam.

 

Von all den Orten, an die er von seinem Onkel gerufen werden könnte, hatte Neji nicht erwartet, in einen ruhigen Flügel des Haupthauses bestellt zu werden, zu dem einzig und allein Hiashi, dessen Frau und ausgewählte Älteste Zutritt erhielten. 

 

„Herein.“

 

Neji schob das Shoji Paneel zur Seite und betrat den Raum. 

 

Das Zimmer war in die sanften Farbtöne von Kerzenlicht getaucht und in einen dünnen Nebel aus Weihrauch gehüllt, der schwer in der Luft hing. Der Geruch verfing sich in seiner Nase und zog seinen Fokus durch den Meditationsraum und dorthin, wo Hiashi neben dem Tokonoma stand.

 

Der Alkoven wurde von der traditionellen Wandrolle und einem Podest dominiert. 

 

Auf dem erhöhten Platz standen ein kleines Blumengesteck, zwei schlanke Kerzen und verschiedene Räucherstäbchen, die beständig brannten, während sich die Asche die rauchenden Stiele nach unten fraß. 

 

Neji schritt zum Zentrum des Zimmers und ließ sich mit einer Verbeugung auf ein Knie nieder. „Hiashi-sama.“

 

Hiashi wandte sich nicht um; seine Augen blieben auf die Rolle fixiert. „Ich habe gehört, dass du morgen nach Hanegakure aufbrichst.“

 

Nejis Kiefer zuckte. „Ja.“

 

„Allein.“

 

„Ich habe ein Geninteam ausgewählt, das mich begleiten wird, so wie es von der Hokage angeordnet wurde.“

 

„Ich verstehe. Und die Dauer deiner Mission?“

 

„Zwei Wochen; die Reisezeit eingeschlossen.“

 

Stille senkte sich über sie; schwer und distanziert. 

 

Neji wusste, dass diese weite rituelle Kluft immer aus Wasser bestehen würde; völlig ungeachtet des dicker werdenden Blutes zwischen ihm und Hinata. Er wusste außerdem, dass Hiashi völlig ungeachtet der Milde, die er ihm entgegenbrachte, unausweichlich mit dem Hyūga Schiff untergehen würde, statt den Kurs zu ändern. 

 

Genau wie mein Vater…

 

Nur hatte Hizashi gehofft, dass die Winde drehen würden.

 

Doch das hatten sie nie. 

 

Die Winde waren die Tradition gewesen. Und diese Winde waren kalt und grausam. Selbst jetzt war es ein unmögliches Ziel, die hohe See durchqueren zu können, wenn es um die Ältesten ging. Dieses Schiff aus Hoffnung segelte bereits seit vierzehn Jahren, nur um auf grausamste Weise an dem Grabstein zu zerschellen, den Hizashi niemals gehabt hatte. 

 

Neji presste die Lider aufeinander, als die Trauer in Wellen über ihn herein brach. 

 

Und Hiashis nächste Worte trafen ihn mindestens ebenso hart. „Nara Shikamaru. Ich habe gestern mit ihm gesprochen.“

 

Nejis Augen flogen auf und seine gebeugte Wirbelsäule spannte sich ruckartig an. Mit kalkweißem Gesicht ließ er seinen Blick nach oben zucken, nur um zu sehen, dass Hiashi ihm noch immer den Rücken zugewandt hatte und das sonore Rollen seiner Stimme über seine Schulter schweben ließ. 

 

„Sag mir; arbeitet ihr gut zusammen?“

 

Neji kämpfte heftig darum, die Hitze in sich zu halten, die über seinen Nacken und sein Gesicht strömte und schaffte es gerade so, seine Gedanken hart an die Kandare zu nehmen. Er konnte nichts außer neutrales Interesse in Hiashis Tonfall erkennen und musterte genauestens die Schultern seines Onkels; suchte nach Anspannung, während sich seine eigene beinahe in seine Stimme schlich. 

 

„Ja, Hiashi-sama.“

 

„Vertraust du ihm?“

 

„Er ist Konohas bester Stratege. Ich vertraue seinem Urteil.“

 

„Seinem Urteil?“

 

„Ja.“

 

Hiashi drehte sich langsam zu ihm um und klopfte mit dem Bokken in seiner Hand auf den Boden, seine Handflächen hatte er über der hölzernen Klinge gefaltet. Er sah nach unten und das Kerzenlicht verfing sich in seinen Opalaugen wie Feuer, das hinter Eis eingeschlossen war. 

 

„Vertraut er dem deinen?“

 

Neji ließ jeden Zentimeter seines Gesichtes zu dem vertrauten Stein seiner Maske verhärten und hielt seine Stimme leise und ruhig. „Soweit ich weiß.“

 

„Du betrachtest dich selbst als seinen Kameraden.“

 

Nejis Augen verengten sich angesichts der Frage. „Selbstverständlich.“

 

Eine lange Pause unterbrach den Moment, bevor Hiashi erneut das Wort ergriff. „Und du würdest ihn aus diesem Grund beschützen?“

 

„Ich würde jeden Shinobi von Konoha aus diesem Grund beschützen.“

 

„Ist das auch der Grund, aus dem er dich beschützt hat?“

 

Nejis Herz hämmerte sich gegen sein Brustbein. 

 

Sein Kinn hob sich. „Ich verstehe nicht, was du meinst, Hiashi-sama.“

 

Hiashis Augen verengten sich zu Schlitzen, als er sie über die straffen, stählernen Linien von Nejis Gesichtszügen wandern ließ. Und nach einem Moment huschte ein sinnierender Ausdruck über den Argwohn in den blassen Seen des Ältesten. Neji blinzelte langsam und erwiderte den beständigen Blick, bis Hiashi seine Hände neu über dem Bokken faltete und auf abschließende Weise damit auf den Boden tippte.

 

Das Hyūga Oberhaupt neigte das Kinn leicht zur Tür. „Du kannst gehen. Eine sichere Reise morgen.“

 

Neji neigte den Kopf und sein anmutiges Aufstehen wurde durch das geringste Zögern behindert, als er sich der Tür zuwandte. Doch Hiashis Stimme ließ ihn innehalten. 

 

„Willst du wissen, was Nara auf diese Frage geantwortet hat?“

 

Neji erstarrte, als er spürte, wie sich das Nerven aufreibende Gewicht des Blickes seines Onkels wie ein Eisblock zwischen seine Schulterblätter stach. Das Starren brachte seine Haut unangenehm zum Kribbeln und seinen Atem zum Stocken. 

 

„Es war nicht, dass du sein Kamerad wärst.“

 

Neji bot keine Erwiderung an, die darauf hingedeutet hätte, dass es überhaupt wichtig für ihn wäre. Aber die Tatsache, dass er nicht ging, war genug, um Hiashi wissen zu lassen, dass es das sehr wohl war. 

 

„Er sagte, dass er dein Freund wäre.“

 

 
 

oOo
 

 
 

Auf halbem Weg zurück zum Nara Wald änderte Shikamaru die Richtung. 

 

Er hatte eigentlich vorgehabt, zuhause ein Nickerchen zu machen, dachte sich dann aber, dass er sich stattdessen einen Sonnenuntergang ansehen würde. Es wäre ohnehin besser als ein ruheloser Schlaf. Sein Verstand brummte auf eine Weise, die deutlich darauf hinwies, dass er träumen würde. Und in letzter Zeit hatte sein Hirn die sadistische Angewohnheit entwickelt, in seinen Träumen all das hoch zu würgen, was er in wachen Stunden erstickte. 

 

Klasse.

 

Shikamaru seufzte und stapfte in den Wald an den Außenbezirken des Trainingsgeländes. Über die Jahre hinweg hatte er all die besten Plätze zum Wolken beobachten ausfindig gemacht, die sich für gewöhnlich an Orten befanden, an denen er sich ausruhen konnte, ohne sich darum sorgen zu müssen, irgendwo runterzufallen, sollte er einschlafen und sich auf die Seite rollen. 

 

Diesmal suchte er sich einen Platz nahe am See aus. 

 

Er war abgelegen, still und ein einziges Ärgernis, um dorthin zu gelangen. 

 

Doch Shikamaru wusste, dass es die Ruhe wert wäre, verfluchte aber dennoch jede einzelne Wurzel und Ranke, die sich gegen ihn verschworen, als er sich seinen Weg das erodierende Ufer entlang bahnte, das sich schließlich zu einem grasbewachsenen Abhang entlang zog, der von dem natürlichen Gewirr von Sträuchern und Baumwurzeln umgeben war. Die dicken hölzernen Venen krümmten sich in wirren Drehungen nach oben und unten, als hätte der Baum vorgehabt, seine Grundfesten herauszureißen und neu auszurichten. 

 

Ich werde mich ganz sicher nicht bewegen…

 

Shikamaru ließ sich in der glatten Kuhle am Fuß des Baumes nieder und drückte seinen Rücken in die natürliche Kurve der Rinde, als wäre sie genau für diesen Zweck geschaffen worden. Zitternd atmete er aus, als er sich zurücklehnte und seine dunklen Augen blitzten mit der Berührung von Feuer auf, als sich die Himmel zu verändern begannen. 

 

Perfekt. 

 

Er hatte seinen Blick genau zur rechten Zeit auf die Wolken gerichtet, um sie brennen zu sehen. 

 
 

oOo
 

 
 

Die sinkende Sonne verwandelte den See in Lava; ein massiver Körper aus flüssigem Feuer. 

 

Silberne Wellen durchbrachen die Oberfläche und ein Wispern geisterte durch das Schilf, das das Ufer umrandete. Ein weißer Reiher erhob sich auf leisen Schwingen und entglitt auf derselben Brise, die an Nejis Haar zupfte und die Mokkasträhnen aufwühlte, die sein Gesicht einrahmte. 

 

Ebenso geräuschlos wie der Vogel strich der Hyūga die Kante des Ufers entlang. Das anmutige Schreiten seiner Füße trug ihn immer näher zu dem, was seine Byakuganaugen gesucht und gefunden hatten. 

 

‚Es war nicht, dass du sein Kamerad wärst. Er sagte, dass er dein Freund wäre.‘

 

Die Worte waren ein brutaler Ruck an dem Band aus innersten Gefühlen und Fasern des Herzens gewesen, das sich unzerstörbar zwischen ihnen geformt hatte. Morgen würde Distanz vielleicht dafür sorgen, diese Fäden zu schwächen, aber jetzt im Moment konnte sich Neji genauso wenig fern halten, wie er aufhören konnte, daran zu denken. 

 

Er hatte gerade einfach nicht die Kraft, um den Zug dieser ungesehenen Saiten bekämpfen zu können, der ihn über die Kiesbank und zu der liegenden Gestalt zerrte.

 

Shikamaru schlief. Einen Arm hatte er nach hinten und unter seinen Kopf gebogen und ein leichtes Stirnrunzeln verzog seine Brauen.

 

Neji kam näher, bevor er innehielt und einen Fuß auf den knorrigen Wurzeln abstellte, die sich aus der Erde drehten, während er nach unten sah. Das leise Rascheln von Blättern erfüllte die Stille und die warmen Farbtöne des Sonnenuntergangs ergossen sich über die Schultern des Hyūga, um Shikamarus Gestalt und Gesicht zu bemalen. Es zog orangene Linien um die Vertiefungen und Neigungen seines langen Körpers; ein Hauch von Feuer und ein Pinselstrich aus Schatten definierten die scharfen Ebenen seines Gesichtes. 

 

Brennend…

 

Die Erinnerung daran, wie Shikamaru unter seinen Berührungen, statt denen der Sonne brannte, versetzte Neji einen Stich in die Brust. Er spürte, wie sich seine Kehle zusammenzog und sein Atem kratzte wie ein Wüstenwind in und aus seinen Lungen; trocken und ausgedörrt.

 

Er fühlte die sandgleiche Empfindung von etwas, das ihm durch die Finger rann.

 

Zeit…

 

Während er den rauen Schmerz in seinem Hals hinunter schluckte, schritt Neji über die Baumwurzeln; stieg auf und ab in einer Welle aus Weiß, die wie Flügel aussah, als der Wind die Ärmel seiner Robe zum Schwingen brachte. 

 

Vor dem schlafenden Schattenninja ging er in die Hocke. 

 

Shikamaru rührte sich nicht und seine Miene war immer noch verzerrt von welchen Visionen auch immer, die sich hinter seinen geschlossenen Augen abspielten. Neji ließ seinen Blick über jede Kontur der Züge des Nara wandern und prägte sich dieses besondere Bild zusammen mit den zahllosen anderen von dem Gesicht des Schattenninjas ein.

 

Was ist schon eines mehr, wenn es niemals genug sein wird?

 

Und plötzlich war es auch nicht mehr genug, ihn nur zu mustern.

 

Wie ein blinder Mann, der berühren musste, um sehen zu können, hob Neji eine schlanke Hand und ohne zu zögern legte er seine Fingerspitzen zwischen die geschlossenen Augen. Er spürte, wie die scharf geschnittenen Brauen leicht unter dem Kontakt zuckten. Da Shikamaru nicht erwachte, ließ er seine Berührung über die hohe Stirn wandern, dann über die gezackte Haarlinie und bis zur rechten Schläfe des Nara, bevor er weiter nach unten und über die heilende Narbe auf Shikamarus Wange strich. 

 

Die Wärme von der Haut des Nara sengte sich direkt durch seine kalten Fingerkuppen und zog Hitze wie sanftes Chakra seinen Arm hinauf und bis tief in seine Brust, wo sie im Tandem mit seinem Herzschlag anschwoll und schmerzte. 

 

Und dann glitten Shikamarus Augen auf und sein Herz hörte vollkommen auf zu schlagen. 

 

Die Augen des Nara waren glasig, als sie sich auf sein Gesicht richteten. 

 

„Wirst du mich ersticken, Hyūga?“, raunte er.

 

Die bekannte Phrase zog beinahe ein schwaches Schmunzeln über Nejis Mund, doch seine Lippen formten kaum eine Linie. Seine Augen waren auf diese verschlossenen Seen fixiert, die im brennenden Licht golden schimmerten.

 

„Ich glaube nicht, dass ein Freund so etwas tun würde.“, erwiderte Neji leise. 

 

Shikamarus Miene spannte sich an und sein Blick glitt zur Seite weg. „Wir haben eine Menge Dinge getan, die Freunde nicht tun würden.“

 

„Wie gut also, dass wir niemals Freunde waren.“ Neji ließ seine Finger nach unten wandern, um der Kante von Shikamarus Kiefer zu folgen, bevor er seine Hand letztendlich zurückzog. 

 

Shikamaru beobachtete ihn wachsam, aber eine nackte Verletzlichkeit zeigte sich direkt unter der Oberfläche seiner Augen. Langsam legte Neji den Kopf auf die Seite und erwiderte den Blick mit sanfter Intensität, die seine Augenwinkel verjüngte und zu einem kummervollen Ausdruck verzog; vernarbt von einer Emotion, von der er sich nicht sicher war, ob er sie benennen konnte. 

 

„Ich habe dir einmal gesagt, dass ich meine eigenen Schwächen besser kennen würde als irgendjemand sonst…“

 

„Ich weiß.“

 

„Ich lag falsch…“

 

Diese dunklen Augen flackerten verwirrt auf. 

 

„Aber andererseits…“ Neji hob eine Hand und strich zaghaft mit einem Knöchel unter Shikamarus Kiefer, „hätte ich niemals erwartet, dass meine größte Schwäche du bist.“

 

Shikamarus Augen weiteten sich und die tiefen Seen seiner Iriden funkelten wie schwarzes Glas; reflektierten ein frakturiertes Aufblitzen von Emotionen. Der gebrochene Ausdruck war alles, was es brauchte, um Neji wissen zu lassen, dass er nicht der Einzige war, der in Teile und Bruchstücke zerlegt war. 

 

Angezogen von der unsichtbaren Schwerkraft zwischen ihnen schoben sich seine Finger zu Shikamarus Nacken und massierten ihn sanft. Shikamarus Lider schlossen sich bebend, bevor sie sich hart zusammen pressten. Knurrend rammte er seine Handfläche in Nejis Brust, um den Hyūga nach hinten und oben zu schubsen, während er in derselben Bewegung auf die Füße kam. 

 

„Nicht.“, schnappte Shikamaru und keuchte heftig. „Du bist ein verdammter Sadist, Hyūga!“

 

Neji musterte ihn durch halb geschlossene Augen und erkannte den tiefen Schmerz, in den zerfurchten Gesichtszügen; hörte die raue Verwirrung in der rauchigen Stimme. 

 

Langsam schüttelte Neji den Kopf. „Ich bin nicht hierher gekommen, um dir weh zu tun.“

 

Shikamaru ließ ein raues freudloses Lachen hören und lehnte sich gegen den Baum. Die Art und Weise, wie der Nara einen Arm um seinen Torso bog, um seine Rippen zu stützen, entging Neji nicht. 

 

„Ja, ich habe vergessen, dass du diese Scheiße nicht durchdenkst, oder? Du tust es einfach.“

 

Die Verbitterung war schwach; ebenso erzwungen wie Shikamarus vorheriger Humor. Und das Gift in seiner Stimme war verwässert von dem Ausdruck in seinen Augen. 

 

Neji bewegte sich in langsamen, aber sicheren Schritten vorwärts. 

 

Shikamarus Lippen verzogen sich zornig, doch es passte nicht zu dem Zucken an seinen Lidern. 

 

Bleib weg, Neji.“

 

Neji beugte sich nach vorn und mit einer bedächtigen Bewegung stützte er seine Hände an dem Baum ab; sperrte Shikamaru zwischen dem steifen Verschluss seiner Arme ein, während er ihre Blicke verschmolz. „Stoß mich zurück.“

 

Der Kopf des Schattenninjas zuckte leicht. „Du verarschst mich.“

 

„Nein, ich stehle dir nur deine Sprüche.“, erwiderte Neji elegant und sein Blick fiel hinunter zu Shikamarus Mund, als er sich zu einem weiteren Knurren verzog. 

 

„Nein, du übertrittst deine eigenen verfickten Grenzen.“, konterte Shikamaru ohne zu Zögern.

 

Nejis Lippen bogen sich schwach. Trotz des gefährlichen Untergrunds, auf dem sie sich befanden, floss dieser vertraute und süchtig machende Schlagabtausch makellos zwischen ihnen hin und her. 

 

„Die Dämmerung wird diese Grenze ziehen.“ Neji lehnte sich noch näher, bis sich ihre Atemzüge verwoben. „Bis dahin habe ich keinerlei Verpflichtungen, mich auf ihr zu bewegen.“

 

„Tz.“ Shikamaru schnaubte verächtlich, zog sich aber auch nicht zurück; nicht, dass er viel Freiraum dafür gehabt hätte. „Moralische Verpflichtungen reichen dir also nicht?“

 

„Hn. Was glaubst du, Nara?“

 

Shikamaru knurrte und fletschte die Zähne; seine Augen waren scharf wie Kunais. „Ich glaube, dass die einzige Linie, auf der du dich bewegst die zwischen Masochist und Sadist ist.“

 

Neji holte tief Luft und hob angesichts der spröden Abgrenzung eine dunkle Braue; doch der Biss dieser Worte vergoss kein Blut bei ihm. Sie waren nicht wild genug, wenn Shikamarus Stimme so rau bebte. 

 

„Macht es mich zu einem von beidem, wenn ich etwas brauche, bevor ich davon fort laufen muss?“ Neji beugte seinen Kopf nach vorn, bis er seine Worte in einem tiefen samtigen Murmeln gegen den Mund des Schattenninjas streichen ließ. „Oder macht es mich menschlich?“

 

Shikamaru wurde gegen den Baum gelehnt vollkommen still und seine dunklen Augen kämpften darum, ihre schneidende Kante beizubehalten; selbst dann noch, als seine finstere Miene zu bröckeln begann.

 

Neji beobachtete ihn genau und sein Herz verkrampfte seinen Rhythmus zu einem schmerzhaften Pochen. 

 

Götter, lass mich das fühlen…nur ein letztes Mal…

 

Er neigte den Kopf, um seinen Atem über Shikamarus Augen geistern zu lassen und die dunklen Wimpern dazu zu locken, sich zu schließen. Ihre Stirnen stießen zaghaft aneinander und der Jōnin sah schweigend zu, wie Erschöpfung den Schmerz aus Shikamarus Gesicht stahl und seine scharfen Konturen in etwas Weicheres verwandelte.

 

Für einen langen Moment blieben sie so und teilten sich Atem.

 

Neji blinzelte langsam und beobachtete einfach nur. 

 

Er nahm alles in sich auf; die Art und Weise, wie das flammende Licht auf die Grate von Shikamarus Gesicht traf, die Art und Weise, wie der schmale Raum zwischen ihnen still zu werden schien, auch wenn sich ihre Atemzüge darin bewegten…und die Art und Weise, wie Zeit die Ränder dieses Augenblickes so klar kristallisieren ließ, dass Neji ihn in seinem Geist einrahmen und an sein Herz hängen würde, auch wenn das bedeutete, dass er einen Nagel hineintreiben müsste. 

 

Wenn ich dich nicht austreiben kann…dann werde ich in mir einen Ort für dich schaffen…

 

Er spürte, wie sich Shikamarus Stirn in einem langsamen Reiben gegen sein Hitai-ate presste.

 

Das Schütteln von Shikamarus Kopf ließ einen schwachen Strom aus Atem über Nejis Lippen geistern. Und das war alles, was es brauchte, um ihn noch näher zu ziehen. Nur ein Hauch dieses rauchigen Geschmackes. Neji krümmte seine Finger gegen die Rinde, verlagerte sein Gewicht auf die Handflächen und bewegte ein Bein nach vorn. Seine Schulterblätter schoben sich in einer fließenden Bewegung spielender Muskeln nach hinten, als er den Kopf neigte und unter dem Schutz seiner Wimpern in Shikamarus Gesicht sah – wartend. 

 

Shikamaru wollte schon wieder den Kopf schütteln. 

 

Doch Neji schnitt seinen Versuch ab, indem er in einem Nicken zaghaft ihre Münder aneinander stieß. 

 

Das Stupsen von Lippen ließ Shikamarus Kopf nach hinten gegen die Rinde kippen. Sich nach vorn lehnend, legte Neji ihre Münder so nah wie möglich aneinander, ohne dass sie sich berührten. Seine Aufmerksamkeit hielt er auf die dunklen Wimpern gerichtet, die sich flatternd halb öffneten. Der schwerlidrige Blick, mit dem Shikamaru ihn bedachte konnte die Wärme, die in diesen kaffeebraunen Augen wirbelte, nicht verbergen. Und als Shikamaru sprach, war seine Stimme ebenso schwer und dunkel wie das Gebräu. 

 

„Was auch immer es war; lass es mich niemals wissen.“

 

Neji blinzelte und ein Schatten aus Verwirrung huschte über sein Gesicht. „Was lässt dich glauben, ich wüsste, was es war?“

 

Eine von Shikamarus Brauen hob sich; sein Lächeln war schwach und argwöhnisch. „Du versucht nicht, eine Antwort aus mir heraus zu würgen. Daher dachte ich mir, dass du dir eine erdacht hast.“

 

Neji summte und der Geist eines Schmunzelns lockerte die Spannung in Shikamarus Mund genug, dass der Jōnin ihre Lippen mit einem langsamen Druck aufeinander legte. 

 

Du denkst.“, murmelte er. „Ich handle.“

 

Shikamaru seufzte in den Kuss und ließ seine Zunge langsam in Nejis Mund gleiten. Sie passierte aber kaum die Barriere aus Zähnen, bevor sie sich wieder zurück zog. „Fuck, Neji…fang nicht an, was ich nicht aufhalten kann…“

 

Das glatte neckende Gleiten dieser Zunge, zusammen mit diesem verdammten heiseren gedehnten Sprechen löste etwas tief Aufrüttelndes an der Wurzel von Nejis Wirbelsäule aus. Erregung strich über seine Haut wie schwielige Fingerspitzen und ein Aufblitzen roher glühender Hitze flammte in seinen Opalaugen auf und erweichte sich gleich darauf zu einem warmen Glimmen, als er sich zurück zog. 

 

„Wir hätten an deiner Kontrolle arbeiten sollen, oder?“

 

Shikamaru erschauerte kurz und bekämpfte die rohe sexuelle Spannung, während er darauf wartete, dass sie sich zu etwas weniger Intensivem beruhigte. „Jo…“ Er schluckte schwer. „Bin immer noch kein Hyūga.“

 

Neji grinste sanft und hauchte mit einem Schwung seiner Lippen einen zärtlichen Kuss über Shikamarus Stirn. „Es wäre unglaublich lästig und irgendwie auch peinlich, wenn du das wärst.“

 

Shikamaru verzog das Gesicht. „Ugh. Danke dafür…du hast dem ganzen gerade die Kante genommen…“

 

Die Zuneigung, die in Neji aufblühte erwärmte sein Grinsen zu einem Lächeln und ein leises Lachen rollte aus ihm heraus. Der Klang lenkte Shikamarus Aufmerksamkeit noch intensiver auf ihn und er musste seinen Kopf nach hinten ziehen, um sich davon abzuhalten, sich wieder nach vorn zu neigen. 

 

Eine entspannte und erholsame Stille senkte sich über sie. 

 

Was eigentlich überhaupt keinen Sinn ergab, wenn man das völlige Chaos bedachte, das noch immer in ihnen und um sie herum verstreut war. Ein Gebiet voller Schmerz, unausgesprochener Worte, Fragen, Verwirrung und Kami weiß was sonst noch. 

 

Und dennoch schien es keinen von ihnen zu berühren. 

 

Wieder einmal schien das, was sie um sich herum und im Inneren des jeweils anderen zerstört hatten nicht im Geringsten das zu berühren, was sie im Zentrum dessen erschaffen hatten. Der Staub hatte sich noch nicht wirklich gelegt, aber sie liefen beide blind durch den Dunst. Und Neji würde bis zum Morgengrauen verschwunden sein, bevor er aufklaren konnte. 

 

Ich muss…

 

Neji schüttelte den Kopf und sah den Nara ruhig an. „Shikamaru…“

 

Der Schattenninja schloss die Augen. „Was für ein Görenpack hast du ausgesucht?“

 

Neji atmete langsam und tief ein, während er energisch niedertrampelte, was in ihm aufzusteigen drohte. Leise räusperte er sich und zuckte mit den Achseln, während er die Stütze seiner Hände an den Seiten des Nara veränderte. 

 

„Ebisus.“

 

Eine dunkle Braue schoss nach oben, als sich Shikamarus Augen öffneten. „Ah, verhältst du dich hier politisch suggestiv, Hyūga? Konohamarus Verbindung zu dem Sandaime. Kluger Zug.“

 

„Präzise.“

 

„Schätze mal, dass du die Dinge doch durchdenkst.“

 

„Nur dann, wenn es nötig ist.“, scherzte Neji schwach. 

 

„Du hast Glück, dass ich viel zu müde für ein Wortgefecht bin.“

 

„Ich gehe sehr stark davon aus, dass du einfach nur zu faul bist.“

 

Shikamaru grinste, lehnte seinen Kopf zurück gegen die Rinde und spähte für einen langen Moment zur Seite. Die Ringe unter seinen Augen erschienen aus diesem Winkel noch viel dunkler. 

 

Aber auf der anderen Seite entschwand bereits das Licht.

 

Götter…jetzt schon?

 

Nejis Brust zog sich zusammen und verkrampfte sich reflexartig gegen den schmerzhaften Stich. 

 

Der Sonnenuntergang entschwand brennend mit den staubigen Farbtönen des Zwielichts und warf kühlere Schattierungen über Shikamarus Gesicht. Und plötzlich, schlagartig, spürte Neji, wie der Frieden davon glitt und immer kälter wurde, als das Licht zu ersterben begann. 

 

Ein absurd kindlicher Teil von ihm fühlte sich betrogen. 

 

Als hätte die Zeit ihm eine kleine Ewigkeit versprochen und ihr Wort nicht gehalten; sie triezte ihn mit Augenblicken, die sie jetzt einen nach dem anderen zurück stahl und in Erinnerungen verwandelte. Erinnerungen, die eines Tages zu demselben farblosen Grau seines Dōjutsu verblassen würden; eine verwaschene Spule, die sich niemals wieder abspielen würde, außer in seinem Verstand. 

 

Der Gedanke daran ließ ihn atemlos vor Bedauern zurück. 

 

Er war arrogant gewesen anzunehmen, dass er das hier tun und davon fort laufen könnte, ohne davon berührt zu werden. Und gerade weil es ihn berührte, musste er davon fort laufen. 

 

Neji presste die Lider aufeinander und seine Finger gruben sich hart in den Baum. 

 

Ich hätte nicht hierher kommen sollen.

 

Er bemerkte nicht, dass Shikamaru ihn beobachtete. 

 
 

oOo
 

 
 

Der Sonnenuntergang mochte zwar davon bluten und seine Flammen diesen kühlen, unheimlichen Farbtönen des Zwielichtes überlassen, aber in Shikamarus Innerem führten die Elemente Feuer und Eis Krieg. 

 

Und es kostete ihn zu viel Kraft, als dass er so tun könnte, nicht darauf zu reagieren. 

 

Er konnte spüren, wie diese vergängliche Empfindung von Frieden und Ruhe davon driftete wie Rauch auf dem Wind. 

 

Gott, alles von dieser gestohlenen Zeit zerrte an seiner Haut, seiner Vernunft und an dem Schorf, den er weiterhin über die Wunde in sich zu sticken versuchte. Sich zurück gegen den Baum zu lehnen hätte ihn vielleicht davon abgehalten, sich nach vorn zu schieben, aber nichts konnte das Gefühl aufhalten, auseinander gerissen zu werden. 

 

Die Anfänge eines einzigen verdammten Kusses hatten seine Kontrolle zerstört. 

 

Jetzt hing sie nur noch an seidenen Fäden, die ebenso straff gezogen waren wie die Sehnen in seinem Hals. 

 

Die Nähe zu Neji war Himmel und Hölle zugleich; alles eingehüllt in einen einzigen brennenden Knoten an der Rückseite seiner Kehle. Wie eine verdammte Sonne, die erkaltete und langsam hinunter zu seinem Magen sank. Neji jetzt anzusehen, den Schmerz und den Kummer zu erkennen, die sich auf das Gesicht des Hyūgas schlichen, verwandelte den Knoten zu einem Stein und er fiel so schwer in Shikamaru, dass er scharf die Luft gegen den Drang zusammenzuzucken einatmen musste. 

 

„Lästiger Hyūga…“, krächzte er, auch wenn er eine Hand hob, um seine Finger durch die Mokkasträhnen zu schieben und Nejis Kopfhaut zu massieren. „Du hättest nicht kommen sollen.“

 

Nejis tiefes bitteres Lachen war schwarz wie die Schatten, die begannen, sich um sie herum näher zu schleichen und einen Schauer über Shikamarus Wirbelsäule jagten. „Götter, glaubst du wirklich, ich wüsste das nicht, Shikamaru?“

 

Shikamaru krallte seine Hand heftig in das Haar des Hyūga und seine Augen blitzten zornig auf. „Warum zur Hölle bist du dann gekommen?“

 

Die Frage war aus seinem Mund, bevor ihm klar werden konnte, wie gefährlich sie war. Neji zog den Kopf zurück und Shikamaru fand sich mit einem langen intensiven Blick konfrontiert, der ebenso kühl und hart war wie der Stahl des Hitai-ate des Hyūga. Doch dann wurden diese mondgleichen Seen von einem sanften Schein überzogen, der sofort den Zorn aus ihnen stahl. 

 

„Was zur Hölle denkst du wohl?“, wisperte Neji. 

 

Die Erinnerung an diese Worte traf ihn so heftig, dass Shikamaru nicht dachte.

 

Er lehnte sich so wild und so schnell nach vorn, dass er Neji beinahe mit der Wucht seines Mundes nach hinten stieß, der auf den des Jōnins prallte. Dringlichkeit flutete in heißen Wogen über seine Kontrolle und überschwemmte das Aufeinandertreffen von Zähnen und das tiefe Stoßen von Zungen. 

 

Der Kuss war rau und roh und bebte vor Bedürfnis und Begierde. 

 

Er wurde von Klängen zersplitterter Kontrolle und gebrochenen Atems zerrissen. 

 

Da waren Hunger, Hitze und ein Hauch dieser herzzerreißenden Verzweiflung, die von dem Wissen herrührte, dass dieses Mal das letzte Mal sein würde. Sie zogen an dem Geschmack des jeweils anderen wie gierige Süchtige. Ihre Lippen verhakten sich, Atem quälte sich aus Lungen und kämpfte darum, Luft an dem Rollen feuchter sengender Zungen vorbei ziehen zu können. 

 

Neji drückte sich nach vorn. 

 

Der Schmerz in seinen Rippen ließ Shikamaru zischen, doch er verankerte seinen Griff an Nejis dunkler Mähne noch fester, als der Jōnin Anstalten machte, sich zurückzuziehen und zerrte ihn mit einem Knurren auf der Zunge wieder an sich. Nejis Mund hielt wenige Millimeter davon entfernt inne, den Kuss zu besiegeln; stattdessen liebkoste sein Atem Shikamarus Lippen. 

 

„Shikamaru…“

 

Das tiefe Schnurren seines Namens erschütterte seinen Verstand und zwang ihn zu einer Reaktion. 

 

Der Schattenninja leckte sich über die Lippen und zog sich langsam und bebend zurück; kämpfte darum, die zerfetzten Fasern seiner Kontrolle irgendwie wieder zusammen zu kratzen. Doch sie schlüpften durch seine mentalen Finger; genauso wie seine eigenen Finger durch Nejis Haar glitten. 

 

Shikamaru schüttelte scharf den Kopf. „Fuck…ich kann nicht…“

 

„Ich weiß.“ Nejis Handflächen bewegten sich, um sein Gesicht zu ummanteln und ihn still zu halten. „Du musst es nicht. Ich werde es tun.“

 

Shikamarus Lachen war ein rostiges Zittern aus Anspannung, Trauer und eines Urbedürfnisses; es bebte heiser und tief und dunkel in seiner Kehle. „Klar…wirklich nobel…“

 

„Notwendig.“, korrigierte Neji ihn, doch seine Stimme war ebenso heiser. Seine Berührung blieb beständig, als er seine Daumen leicht über Shikamarus Schläfen rollte. „Ich werde davon laufen. Einer von uns muss es tun.“

 

Das war keine Lüge.

 

‚Was auch immer ich bin, wenn ich mit dir zusammen bin, Shikamaru…es ändert nichts.‘

 

Zu dieser Zeit hatten Nejis Worte eine andere Bedeutung angenommen, aber jetzt verstand Shikamaru sie in ihrem breiteren Kontext. Alles hatte sich verändert, aber die eine Sache, die sich niemals verändern würde, war die Tatsache, dass für das, was zwischen ihnen existierte, kein Platz in der Welt war, in der sie operierten. Er war klug genug, um das zu wissen; auch wenn er nichts anderes wusste, wenn es um das Bedürfnis ging, das Neji in ihm weckte. 

 

Ich will es nicht herausfinden müssen…ich will es nicht verstehen müssen…aber wie zur Hölle kann ich es aufhalten?

 

„Fuck.“ Shikamaru schlug bebend seine Stirn an Nejis. „Wie zur Hölle machst du das? Wie zur Hölle kannst du das hier unterdrücken?“

 

Neji summte leise und fuhr fort, beruhigende Kreise auf seinen Schläfen zu zeichnen. „Ich wäre nicht hier, wenn ich wüsste, wie ich das anstellen soll.“

 

Shikamaru seufzte und schloss seine Augen gegen das salzige Brennen, das sich immer weiter in ihnen aufbaute. Der Kummer drängte sich energisch durch die Frustration. Und er kannte nur einen einzigen Weg, mit etwas umzugehen, das er nicht verstehen konnte und das er auch nicht verstehen wollte. Er würde einen Weg finden, es in den Schatten zu verbergen; wo er alles aufbewahrte, was er niemals ans Licht bringen konnte und auch niemals ans Licht bringen würde.

 

Ich kann das tun…solange du diesmal davon läufst…denn das kann ich nicht…

 

Er spürte, wie Nejis Lippen über seine Brauen wanderten. 

 

Ein sanftes Geistern von Atem und der nachhallende Druck eines Kusses. „Ich sollte besser gehen.“

 

Shikamaru schluckte hart und strich mit den Fingern durch Nejis Haar, um seinen Nacken zu erreichen und zaghaft zuzudrücken. „Ja…ich wollte ein Nickerchen machen…“

 

Er spürte Nejis zitterndes Lächeln gegen seine Stirn. „Warum stattdessen nicht einen Sonnenaufgang erleben, Nara?“

 

Shikamaru zog sich ein Stück zurück und legte den Kopf mit einem schiefen Lächeln zur Seite; seine Augen waren nass aber voller Wärme. „Bist du poetisch oder sadistisch? Du weißt doch, was diese Uhrzeiten mit mir machen?“

 

Nejis schimmernde Seen flackerten amüsiert auf. „Gestatte mir, dich mit diesen Stunden bekannt zu machen. Obwohl…“ Neji streichelte liebevoll mit einem Daumen unter Shikamarus Augen. „Ich habe so ein Gefühl, dass du damit schon vertraut bist.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und wandte den Blick ab; unfähig, das leiderfüllte Glimmen in diesen blassen Augen zu ertragen. 

 

Er hatte sie unzählige Male in seinen Träumen gesehen. 

 

„Sonnenaufgang, huh?“ Er knetete seine Finger über Nejis Nacken. „Schätze mal, dass ich ein weiteres beschissenes Hallo aushalten kann…“

 

Neji ersparte ihm die Korrektur und lehnte sich nur nach vorn, um ihre Stirnen aneinander zu legen. 

 

Sie wussten beide, dass sie mit der grüßenden Morgendämmerung Abschied nehmen würden.

 

 

...brings the greatest strength

Die Wolken hielten den Mond in sich. 

 

Hauchdünne Streifen, die eine Vision geistgleicher Arme erschufen, die die glühende Sphäre umarmten. Jetzt den Mond zu beobachten erinnerte Neji an die Talismane, die er in der Hütte in Hanegakure berührt hatte. 

 

Er hing ebenso glatt und rund wie poliertes Silber am Himmel; festgepinnt auf einem Mantel aus Mitternacht.

 

Seine Helligkeit brannte kalt. 

 

Neji wünschte sich, er könnte danach greifen und ihn zwischen die Finger nehmen; ihn drehen, seinen Daumen darüber streichen und die Prägung einer anderen Bestimmung fühlen, eines weniger aussichtslosen Schicksals. 

 

Die Sterne zitterten. 

 

Neji legte ein Stück den Kopf in den Nacken und seine Schläfe strich leicht über Shikamarus. Das Bein des Schattenninjas spannte sich an, streckte sich kurz aus und legte sich dann wieder an sein eigenes. Sie saßen mit den Rücken an den Baum gelehnt da, eingebettet in die Baumwurzeln und aneinander geneigt; Schulter an Schulter, Knie an Knie. 

 

Simpler Kontakt. 

 

Neji sah zu, wie der Nebel von Shikamarus Atem auf der kalten Luft davon schwebte, bevor sein Blick über die schwerlidrigen Augen wanderte, die auf dem See statt dem Himmel ruhten. Im Mondlicht nahmen diese scharfen, in Silber getauchten Konturen einen verschwommenen Glanz an. Als hätte sich pudriges Licht über Shikamarus Gesicht gelegt und wenn er sich bewegte, würde es wie Sternenstaub von ihm gleiten. 

 

Und Neji konnte nicht anders, als die Schmerzlichkeit darin zu erkennen. 

 

Wenn kosmische Kräfte dieses namenlose Etwas zwischen ihnen erschaffen hatten, dann schien es irgendwie passend zu sein, dass sich diese gestohlene Zeit eher wie Staub statt Sand anfühlte, als sie ihm durch die Finger rann. 

 

„Du hast mir immer die Hölle heiß gemacht, wenn ich gestarrt habe.“, murmelte Shikamaru leise. 

 

„Ich starre dich nicht an. Ich beobachte dich.“

 

Shikamarus Lippen zuckten leicht. „Pedantisch, huh? Und ja, du hast mir auch deswegen die Hölle heiß gemacht.“

 

Neji summte leise und ließ seinen Blick zum See streifen. „Nun, du hast immer zu viel gesehen, oder etwa nicht?“

 

Er erhielt keine sofortige Antwort darauf. Tatsächlich schwieg Shikamaru lange genug, dass Neji schon erwartete, er würde überhaupt keine Antwort erhalten. Doch als sie kam, driftete sie in Nebelschwaden auf einem Atem davon, der sanft und müde ausgestoßen wurde. 

 

„Nicht immer.“, seufzte Shikamaru. 

 

Neji krümmte seine Finger zu einer lockeren Faust, um sich davon abzuhalten, eine Hand nach ihm auszustrecken. „Wohin wirst du von hier aus gehen, Nara?“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und die Bewegung rieb ihre Schultern in einem leichten Stoß aneinander. „In welche Richtung auch immer, in die mich die Godaime tritt. Ich hab‘ es nicht so sehr mit finalen Zielen.“

 

Neji dachte darüber nach, während er seine nächsten Worte sorgfältig abwog. „Und ist das dann der Grund, aus dem du dich den Nijū Shōtai angeschlossen hast?“

 

An seiner Seite versteifte sich Shikamaru. „Hn. Hinterhältig.“

 

„In gewisser Weise.“, erwiderte Neji absichtlich vage, auch wenn Lauschen einen größeren Beitrag zu diesem Wissen geliefert hatte als Spionagearbeit seinerseits. „Ich bin neugierig, was deine Beweggründe dafür sind.“

 

„Kotetsu labert sich schon das Maul fusselig, huh?“, murrte Shikamaru. 

 

Die Geschwindigkeit, in der der Schattenninja eins und eins zusammengezählt hatte, brachte Neji zum Schmunzeln. 

 

„Ich glaube nicht, dass seine Worte an Ino und Chōji dazu gedacht waren, noch von jemand anderem gehört zu werden.“

 

„Du hast dich wirklich auf die Ebene des Lauschens der einfachen Sterblichen hinab begeben, Hyūga?“ Shikamaru grinste bei dem Gedanken und schüttelte seine Verärgerung ab. „Verdammt. Wie die Mächtigen fallen.“

 

Neji setzte eine finstere Miene auf und zog das Kinn zurück, als er zu dem Nara sah. „Ich habe versucht, dich zu finden. Ich habe keinerlei Interesse an nutzlosem Tratsch.“

 

„Achja? Nun, die Gerüchte behaupten aber, dass du sowas gar nicht dazu brauchst, um jemanden zu ‚finden‘.“

 

Neji zögerte und wandte den Blick ab. Das war natürlich wahr. Da er Shikamaru bereits mit seinem Dōjutsu ausfindig gemacht hatte, hatte er eigentlich nur gelauscht, um von Chōji und Ino Informationen über die Stimmung des Schattenninjas zu erhalten. Er hatte jedes nutzlose Geplapper herausgefiltert und verworfen, was letztendlich dazu geführt hatte, dass sich die Fakten genau auf das zusammengezogen hatten, was Neji erwartet hatte. Shikamarus Chamäleonakt blieb intakt, völlig egal, was unter der Oberfläche vollständig zerbrochen war. 

 

Bei diesem Gedanken spähte Neji wieder hinüber. „Byakugan oder nicht; genau wie du sehe ich nicht immer so viel, wie es die Leute von mir denken.“

 

„Der Kopfnuss-Zähler untermauert das auf jeden Fall.“

 

Opalaugen flackerten belustigt auf. „Naja, wenn die Gerüchte über die Größe meines Egos korrekt sind, dann würde es darauf bestehen, dass ich einen bleibenden Eindruck hinterlasse, wenn auch auf eine barbarische Weise.“

 

Shikamaru fing seinen Blick auf und hielt ihn für einen flüchtigen intensiven Moment, bevor er mit einem kehligen Lachen den Kiefer fort neigte. „Ja, dank dir habe ich einen ‚bleibenden Eindruck‘ des Konohasymbols und zwar eingestanzt in meinen Kopf.“

 

Neji schürzte die Lippen, um sich vom Schmunzeln abzuhalten. 

 

Das wird mir fehlen…

 

Die Leichtigkeit, die in diese gestohlenen Augenblicke hinein- und hinausflog, war wie ein Glühwürmchen aus Humor, das zwischen ihnen schwebte; willkommen und warm, aber immer kämpfend gegen das eindringende Schwarz. Neji spürte, wie sich die Stille wieder um sie herum senkte und mit jeder verstreichenden Sekunde wurde sie schwerer. 

 

Am Anfang hatte es ihn über alle Maßen verärgert, in diese Geplänkel mit Shikamaru hineingezogen zu werden. Vor allem deswegen, weil sie ihn eingefangen, verwirrt und herausgefordert hatten und sie hatten ihn dazu getrieben zu lachen, zu lächeln und auf andere Weise seine Maske abzulegen. 

 

Und gemessen an der wortwörtlichen Maske, die er aufnehmen musste, waren das gefährliche Ausrutscher.

 

Ausrutscher, die ich mir nicht erlauben kann…

 

Denn trotz all dem, was sich verändert hatte, sein Verlangen nach Freiheit blieb bestehen und war unnachgiebig. Die gestohlene Freiheit und die Ruhe, die er mit Shikamaru gefunden hatte, konnten ihn nicht vor dem Käfig aus den Traditionen seines Clans retten. 

 

Ich kann nicht für immer auf diese Weise leben…

 

Shikamaru hatte ihn vor sich selbst gerettet, aber jetzt musste er das beschützen und stärken, was noch übrig war, bevor die Teile zu weit verstreut waren, um sie jemals wieder zusammensetzen zu können. 

 

Und dann war da auch noch die Frage nach Shikamarus Teilen. 

 

„Du hast meine Frage nicht beantwortet, Shikamaru. Wegen deiner Beweggründe für die Nijū Shōtai.“

 

Shikamaru starrte schweigend auf den See und lehnte sich dann vollkommen unerwartet fort, um sich gegen den Baum aufzurichten. Der Verlust der Wärme folgte unmittelbar und die Kälte kroch heran, um den kleinen Raum zwischen ihnen zu füllen. 

 

„Das war nicht direkt als eine Frage formuliert.“

 

„Na wer ist jetzt pedantisch?“ Neji suchte nach einer besseren Position und drehte sich ein wenig, sodass er seinen Blick auf Shikamarus Gesicht richten konnte. „Warum willst du nicht darauf antworten?“

 

Shikamaru wies die Frage mit einer müßigen Handbewegung ab. „Ich dachte, meine Absichten kümmern dich nicht, Hyūga. Ich tue nur, was ich tun muss. Das solltest du doch kapieren.“

 

„Nur ein weiterer direkter Befehl, Nara?“, erwiderte Neji ohne nachzudenken und bereute seine Worte, noch bevor sie vollständig seinen Mund verlassen hatten. 

 

Shikamarus Gesichtszüge verfingen sich zwischen einem Stirnrunzeln und einem Zusammenzucken, doch der verletzte Ausdruck veränderte sich rasch, als sich der Schattenninja zurück in seinen Chamäleonakt fallen ließ und sein Gesicht zu etwas glättete, das unlesbar und flach war. 

 

„Sicher.“ Shikamaru zuckte erneut mit den Achseln und schob einen Arm über seinen Torso, um hart seine Seite zu umklammern. „Vielleicht bekomme ich sogar eine Beförderung, die ich wirklich verdient habe.“

 

Neji kaufte ihm das nicht für eine einzige Sekunde ab und machte keinerlei Anstalten, ihm seinen Willen zu lassen. Eine dunkle Braue wanderte nach oben, um dieselbe Unverblümtheit wie in seiner Stimme zu unterstreichen. „So etwas hat dich noch nie interessiert.“

 

Shikamaru schnaubte; der Klang war ebenso schwarz wie die Schatten, in die er sich weiter hinein schob, während er Neji durch dichte Wimpern beobachtete. „Es interessiert dich nicht, was mich interessiert, erinnerst du dich?“

 

Ein Schlag unter die Gürtellinie.

 

Und er traf hart.

 

Er rammte sich Neji direkt ins Brustbein und zwang ihn dazu, scharf Luft zu holen, als er sein Kinn ein Stück nach oben reckte und sich seine Augen verengte. „Glaub‘ das, wenn es das dann leichter für dich macht.“

 

„Leichter?“ Shikamaru erstickte quasi an dem Wort und spie es mit einem Knurren aus. „Du denkst, das hier ist verfickt nochmal leicht?“

 

Ihre Blicke verhakten sich in einem instabilen Verschluss; eine Empfindung von mentalen und emotionalen Zahnrädern, die sich stur und hoffnungslos gegeneinander drehten, Funken fingen und drohten, in Flammen aufzugehen. 

 

Neji versteifte sich, als ein dumpfer Schmerz durch ihn rollte. 

 

Er schlich sich auch in seine Miene; wie die Wellen auf dem See. 

 

Shikamaru musterte ihn genau und das leichteste Zucken der Augen des Nara ließ darauf schließen, dass er versuchte, diese Wellen zu deuten; sein Blick jagte ihnen über Nejis Gesicht hinterher, bis sie an der steinernen Maske zerschellten, die der Jōnin zu errichten versuchte. Shikamaru seufzte zitternd und schloss die Augen, während er eine Hand hob, um langsam seine Schläfen zu reiben. 

 

„Scheiße…“

 

Nejis Maske verschwand augenblicklich. 

 

Er beugte sich nach vorn und zog zaghaft aber bestimmt Shikamarus Hand fort, um mit seinen Daumen über die Schläfen des Nara zu streichen und sanft den Kopf des Schattenninjas zu umfassen. Bedächtig zeichnete er die empfindlichen Stellen nach und hob seine Berührung höher, um mit den Ballen seiner Daumen über Shikamarus Brauen zu kneten und die leicht schwieligen Polster seiner Hand über die Stirn des Nara zu streichen. 

 

Leicht tippte er auf das verschwindende Hämatom. 

 

„Das Mal wird verblassen.“

 

„Dann hast du einen ziemlich beschissenen Job gemacht, oder?“

 

Neji hob eine Braue. „Was?“

 

„Dein bleibender Eindruck.“, scherzte Shikamaru schwach und gestikulierte vage zu seiner Stirn. „An diesem Punkt eher ein Abschiedsgeschenk.“
 

Neji erstarrte ruckartig. „Shikamaru…“

 

„Gönn mir `ne Pause, Hyūga…“ Shikamaru stieß die Hände des Jōnins fort und rieb sich mit beiden Handflächen übers Gesicht, während er schwer atmete. „Fuck…“

 

Neji schluckte unbehaglich und fühlte sich, als würde sein Herz heftig an der Wurzel seiner Kehle pochen und sich zur selben Zeit selbst auf seinen Rippen aufspießen. Für einen Moment hielt er den Atem an und seine Hände schwebten an einem seltsamen Mittelpunkt, während er das Aufsteigen von Gefühlen bekämpfte. 

 

„Shikamaru…“

 

„Sei still, Neji.“

 

Ein Muskel in Nejis Kiefer zuckte, doch er sah schweigend zu. 

 

Durch die Schlitze dieser langen Finger musterte er so gut es ging das Gesicht des Schatteninjas, das dahinter verborgen war, als sich der Schattenninja weiter nach vorn setzte und seine Ellbogen auf den Knien abstellte. Er fuhr sich mit seinen Händen über das Gesicht, als versuchte er, seine Miene fortzuwischen, während ein murmelnder Wasserfall aus ihm herausquoll, der die Betonung eines „lästig“ enthielt. Und dann gab er auf und legte kopfschüttelnd seine Stirn in die Wiege einer Hand. 

 

Es war die pure Folter, aber Neji konnte sich nicht davon abwenden. 

 

Die Dämmerung würde ihn früh genug fort zerren. 

 

Er würde die Stärke finden, davon zu laufen, so wie er es versprochen hatte, aber jetzt im Moment war er sich nicht sicher, ob er überhaupt die Kraft zum stehen hatte. 

 

„Shikamaru…“

 

Der Nara ließ mit einem rauen Seufzen seine Hand sinken und das Weiß seiner Augen war gerötet und müde. Sein Gesicht war vor Erschöpfung in Falten gelegt, als er über die Aussichtslosigkeit von all dem den Kopf schüttelte und hinaus über den See starrte, als würde er auf der Oberfläche nach irgendetwas suchen. Neji beobachtete ihn mit einer Intensität, die Shikamaru dazu brachte, sich fort zu beugen; nur um abgehackt nach Luft zu schnappen. 

 

Der Schattenninja schluckte ein paar Mal, bevor er seine Worte hervor krächzte. „Also wohin gehst du von hier aus, Hyūga?“

 

Neji hielt seine Antwort zurück. 

 

Trotz allem, was Shikamaru in ihm zersplittert hatte, waren einige Dinge klarer geworden. Neji war dazu gezwungen worden, sich in diesen zerbrochenen Teilen den dunkelsten Facetten seines Selbst zu stellen. Die hässlichen Bereiche, die er zusammen mit allem anderen in sich gehalten hatte. 

 

Ich habe zu viel Zorn in mir.

 

Diesem Zorn musste entgegengewirkt werden. Hanegakure war seine Pflicht, aber nicht sein Ziel. Er hatte es nicht so geplant. 

 

Wohin gehe ich von hier aus…

 

„Wohin auch immer ich muss, Shikamaru…“ Die Antwort war leise, resigniert und brannte auch nicht mit der Überzeugung, von der er wusste, dass er sie wieder finden musste, „um das zu erreichen, was ich will.“

 

Shikamarus Augen schlossen sich halb. „Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe.“

 

„Was du mir gesagt hast…?“ Neji legte den Kopf schief und versuchte, Shikamarus Blick zu sich zu locken. 

 

„Darüber, menschlich zu sein.“

 

Nejis Kopf ruckte scharf nach oben, doch seine Augen wurden weich. „Wie könnte ich das vergessen?“

 

„Ist ziemlich einfach auf diesem Gebiet.“, erwiderte Shikamaru direkt und spähte unter dem Schutz seiner Wimpern zu Neji. „Vergiss es nicht.“

 

Diesem Gebiet.

 

Neji wandte den Blick ab. 

 

Dieses Gebiet war sein Weg aus einem Käfig in einen anderen. Aber wenn es schon nichts anderes war, dann zumindest die Freiheit, das Recht einer Wahl zu haben. ANBU war ein Mittel zu einem qualvollen Ziel, doch ein qualvolles Ziel war besser als der endlose Schmerz, der damit einherging, immer in dem Zwischenstatus eines Haustieres für die Hauptfamilie und Hyūga Ausnahmetalent leben zu müssen. 

 

Wenn ANBU nur ein anderer Käfig war, dann war es zumindest ein größerer. 

 

Und er würde diese Gelegenheit ergreifen. Dem Weg seines Vaters zu folgen war keine Option. 

 

Doch genauso wenig war es eine, sich auf einer feinen Kante zu bewegen. 

 

„Ich werde es nicht vergessen.“, sagte Neji einen Atemzug später und seine Augen klärten sich von ihrem glasigen Starren, um sich auf Shikamarus Gesicht zu richten. 

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und hob eine Hand, um mit den Fingern in einem rauen Schwung durch Nejis Strähnen zu fahren und sie aus dem Gesicht des Hyūga zu schieben und seinen Hinterkopf zu packen. Die plötzliche und beinahe schon aggressive Bewegung überraschte Neji, doch er schaffte es, den Drang, die Stirn zu runzeln, zu kontrollieren und sah stattdessen beständig zu dem Nara.

 

Der Ausdruck, mit dem Shikamaru ihn bedachte, wurde noch schärfer. „Ich meine es ernst, Neji.“

 

Nejis Kinn hob sich um einen sturen Zentimeter, doch seine Stimme blieb ruhig und melodisch in ihrem tiefen Tenor und strich glatt über die Spannung. „Ich weiß. Ich kann mich nicht rückwärts bewegen, Shikamaru, nur vorwärts.“

 

Diese dunklen Augen studierten ihn wild und zuckten suchend und prüfend über die Konturen seines Gesichtes. Und dann begann der Zunder in Shikamarus Miene nach und nach weicher zu werden und seine Finger lockerten ihren Griff, um Nejis Kopfhaut zu massieren.

 

„Entwicklung, huh?“

 

„Mit riesigen Sprüngen.“ Neji legte seinen Kopf in die Berührung und kämpfte die Nerven aufreibende Reaktion in sich nieder, als sich seine Haut ansprechend auf diese simple Liebkosung anspannte und prickelte. „Das ist es, was ich tue.“

 

Shikamarus Hand glitt hinunter, um seinen Kiefer zu umfassen und ein Daumen zeichnete die schwache Kurve seiner Lippen mit einem Stirnrunzeln nach. „Ja. Spring nur nicht in kalte und tiefe Wasser. Es wird ein gottverdammt schmerzhaftes Ärgernis sein, jemanden zu finden, der dich wieder raus zieht.“

 

Die gemurmelte Irritation in diesen Worten wurde von Shikamarus zerknitterter Stirn zerstört, die den sardonischen Bogen seiner Brauen zu einem angespannten Knoten verzerrte. Und diesmal, als der Kummer Nejis Herz zerquetschte, war es Zuneigung, die sich in seine Augen drängte, nicht der Schmerz, den er zurückkämpfte. 

 

Sein Mund formte ein trauriges Lächeln. „Ich werde es nicht vergessen, Shikamaru.“

 

Die unterschwellige Bedeutung in diesen Worten blieb nicht unbemerkt. 

 

„Ich wünschte, ich könnte es…“, murmelte der Nara so sanft, dass die Worte beinahe ungehört seinen Lippen entkamen. 

 

Neji spürte, wie Shikamarus Daumen über seinen Mundwinkel fuhr und gerade hart genug zudrückte, um seine Lippen zu teilen. Und in der Sekunde, als das geschah, glitt der Daumen nach unten, um sein Kinn zu umfassen und seinen Kopf nach oben zu neigen. 

 

Ihre Münder strichen sanft übereinander; ein zaghaftes Stupsen. 

 

Shikamaru nahm sich Zeit; als würde er versuchen, den Moment zu verlangsamen, ihn festzuhalten und zu einem Schwelen auszudehnen. Neji spürte, wie das leichteste Kratzen von Zähnen seine Unterlippe neckte; dann das nasse Gleiten der Zunge, die seinen Mund mit einem feuchten Flimmern erkundete und bebenden Atem auf seinen kribbelnden Lippen. 

 

Wie eine Zunge aus Flammen. 

 

Es sengte sich über Nejis Oberlippe, zog sich über den glatten Schmelz seiner Zähne und glitt mit verheerender Intimität an der Barriere vorbei, um seinen eigenen feuchten Muskel zu einer Blut aufwühlenden Erwiderung zu locken. Ihre Zungen liebkosten sich in einem langsamen, sinnlichen Rollen; Münder öffneten sich gemeinsam und Lippen rieben übereinander, als sich Köpfe neigten, um den Kuss zu vertiefen. 

 

Ein raues gehauchtes Geräusch erbebte tief in Shikamarus Kehle. 

 

Das heisere Schnurren küsste sich in einem Schauer über Nejis Wirbelsäule. 

 

Und dann wanderten Shikamarus Finger seinen Rücken hinauf wie kratzender Stein auf seinen Nervenenden. Die Funken, die in seinem Inneren geschlagen und abgefeuert wurden, flatterten wie Glut tief in seinem Magen und sogen die Luft aus seinen Lungen, während sie sein Blut in einen wogenden Lavastrom verwandelten. 

 

„Neji. Atme.“ Shikamaru zog sich ein kleines Stück zurück und drehte den Kopf, um ihre Münder nah aneinander zu legen. „Atme…“

 

Benommen und schwindelnd von der Empfindung erschauerte Neji ein einziges Mal. „Du machst es nicht einfach…“

 

„Ich weiß…“ Shikamaru umfasste liebevoll seinen Kopf, neigte ihre Münder aufeinander und nährte einen sanften rauchigen Atem zwischen Nejis Lippen. „Atme.“

 

Diese gefährliche Zunge tauchte beinahe ein, um diesem leisen Wort zu folgen, aber dann hielt der Schattenninja inne, schluckte hart und änderte die Richtung. Er küsste Neji auf den Mundwinkel – ein nachhallendes, fast schon zögerliches Pressen von Lippen. Neji blinzelte überrascht, sagte aber nichts, als ihm der Atem stockte. 

 

Da lag etwas ausgesprochen Liebevolles und Sanftes in dem zaghaften Druck des Mundes. 

 

Seltsam, es war fast wie ein erster Kuss. 

 

Und so wusste Neji, dass dies hier der letzte war. 

 
 

oOo
 

 
 

Die Morgendämmerung kam mit einem steten Erröten; beinahe schuldbewusst. 

 

Sie zierte den Himmel mit weichen, rosa Farbtönen und erblühte sanft unter den Schwingen breiter, vom Wind gestreichelter Wolken. Sie erstreckten sich über Konohas Himmel wie ein weißer Schwarm. Der See reflektierte die Vision auf den Wellen zurück und das Schilf schwankte sanft in der kühlen Brise, die Shikamarus Pferdeschwanz zerzauste.

 

Und dann strich ein wärmerer Luftzug über sein Gesicht.

 

Seine Wimpern öffneten sich flatternd einen winzigen Spalt breit und schläfrige Lider schirmten seine Augen ab. „Mn?“

 

„Du hast es verpasst.“, murmelte Neji gegen seine Stirn. „Ich wollte dich nicht wecken.“

 

Shikamaru versuchte, mit den Achseln zu zucken, aber ihm fehlte die Energie.

 

„Früh…“, krächzte er und seine Stimme war rauer als die Wurzeln und Rinde, die sich in die Mulde seines unteren Rückens bissen.

 

„Geh wieder schlafen, Shikamaru.“, riet Neji ihm mit dieser tiefen, glatten Stimme, die erneut über Shikamarus Stirn streichelte und dann mit einem warmen Schauern bis unter seine Haut sickerte.

 

Shikamaru reckte ein wenig den Nacken; versuchte, die verlockende Schwere zu bekämpfen, die sich durch ihn zog und ihn zurück in das Schwarz zerrte. Er fühlte sich vollkommen ausgelaugt; als hätte ihm etwas sowohl all sein Chakra, als auch seine Energie entzogen. 

 

Was zur Hölle?

 

Benommen runzelte er die Stirn. „Neji…“

 

Er spürte, wie sich Nejis Lippen sanft gegen seine Schläfe bogen und ein Kitzeln weicher Strähnen, die das Haar des Hyūga sein mussten, strich über beide Seiten seines Gesichtes. Nejis Schatten fiel über ihn und kühle Finger wanderten über seine Schläfen; linderten den Schmerz. 

 

„Kämpfe nicht, Shikamaru.“

 

Was?

 

Shikamarus Augen hoben sich bebend etwas weiter, aber nicht viel; gerade genug, um eine Silhouette über sich ausmachen zu können, die vor dem Hintergrund eines weichen pfirsichfarbenen Himmels stand. Wann zur Hölle war er flach auf dem Boden gelandet?

 

„Knockst du mich schon wieder aus, Hyūga?“

 

Er versuchte, sich zu bewegen und zog seine Ferse etwas höher. Dann spürte er Nejis Hand, die leicht seine Wade massierte und zaghaft aber bestimmt sein Bein wieder nach unten drückte. „Ich wollte dich nicht wecken. Aber ich musste mich bewegen.“

 

Bewegen?

 

Komischerweise alarmierte das Shikamaru weitaus mehr als die Erkenntnis, dass Neji seinem Kopf in das Reich des Schlafes verholfen hatte. 

 

Fuck…wie viel Zeit verliere ich eigentlich einfach nur damit, einzuschlafen? Warum zur Hölle hat er es zugelassen?

 

Panik krallte sich durch ihn und eine entsetzliche Empfindung des Verlustes grub sich eiskalt durch seine Brust, griff nach den Sehnen in seinem Hals und zerquetschte sie gnadenlos.

 

Nejis Finger strichen über seine Wange. „Ich schaffe es nur auf diese Weise, das zu tun, Shikamaru.“

 

„Neji…“

 

Warme Lippen legten sich auf seine, um ihn zum Schweigen zu bringen. Es war ein flüchtiger Schwung, den man kaum einen Kuss nennen konnte; vielleicht den Geist eines Kusses. Oder vielleicht nur die Erinnerung daran. 

 

Nejis Worte fächerten über seinen Mund. „Das Schicksal hat mir die Menschen immer entrissen, bevor ich jemals dazu gezwungen werden konnte, von ihnen fort zu laufen. Aber du scheinst die Ausnahme zu jeder Regel zu sein, nach denen ich jemals gelebt und die ich verstanden habe.“

 

Shikamaru atmete tief und zitternd ein; sog den Duft von Nejis Haut und den nachhallenden Hauch von Sandelholz ein, der in den blassen Roben hing. Es vermischte sich mit dem Streichen des Hitai-ate und dem geringsten Wispern von etwas wie Regen, der in den Mokkasträhnen hing, die gegen seinen Kiefer schwangen. 

 

„Ich habe nie eine größere Freiheit gekannt als die, die sich mir dadurch gezeigt hat, dass ich losgelassen habe, wer ich sein musste…nur lange genug um der zu sein, der ich war, wenn ich mit dir zusammen war…“, gestand Neji in tiefen, gehauchten Tönen und seine Stimme war ebenso ehrfürchtig, als sie über Shikamarus Mund glitt. „Götter, du bringst mich dazu, nicht mehr kämpfen zu wollen…“

 

Die Worte stießen einen scharfen Stich in Shikamarus Brust, schnitten ihm die Luft ab und strangulierten seine Stimme zu einem angespannten Wispern. „Ich weiß…“

 

Und er wusste es wirklich. 

 

Er wusste es auf den elementarsten, grundlegendsten und komplexesten Ebenen. 

 

Ebenen, die absolut nichts mit all dem zu tun hatten, was er verstand. Wissen bedeutete nicht zwangsläufig auch Verständnis. Er war inzwischen sogar so weit, dass er dieses Wissen an Orten aufbewahrte, von denen er gar nicht gewusst hatte, dass sie in ihm existierten. Es gab nie irgendwelche Leitfäden dazu, keine Karten dieses mentalen oder emotionalen Gebietes, keine todsichere Möglichkeit, sich zur Not auch blind darüber bewegen zu können und dabei nicht zerrissen zu werden, während man es zu etwas zu zähmen versuchte, das irgendeinen Sinn ergab. 

 

Am Ende waren sie ebenso verloren gewesen wie der jeweils andere. 

 

Ihre einzige Orientierung waren ihr Bedürfnis und ihre Begierde gewesen. 

 

Und ihre Bedürfnisse hatten sie zusammen getrieben. 

 

Sie waren aufeinander gekracht, in Flammen aufgegangen und hatten gebrannt und als die Hitze nachgelassen hatte, hatten sie einen unglaublich wunderbaren Ort in einer Wärme gefunden, die hätte erkalten sollen. Doch sie war nicht kalt geworden. Und selbst jetzt, als der Staub noch immer in der Luft hing, war keiner von beiden blind für diese Tatsache. 

 

„Du bringst mich dazu, mich nach einer Ruhe zu sehnen, von der ich mir nicht erlauben kann, sie zu brauchen, Shikamaru.“

 

„Ja…“ Shikamaru blinzelte langsam und spürte, wie dieser entsetzliche Schmerz und Kummer seine Kehle zusammenzogen und ein Stechen in seine Augen drängten. „Und es tut mir nicht leid.“

 

Er fühlte, wie Neji lächelte und blinzelte dann durch seine Erschöpfung, um wenigstens die Augen des Hyūga durch den Vorhang seiner Wimpern erkennen zu können. Diese blassen mondsteinhaften Seen leuchteten und waren durchscheinend; ein feuchter Schleier wellte sich über sie wie Wasser über Quarz. 

 

„Ich weiß.“, echote Neji seine eigenen Worte zurück zu ihm. 

 

Und dann strich ein Knöchel zwischen seine Brauen; lockte seine Augen dazu, sich zu schließen. Es gab kein gesprochenes Lebewohl, aber Shikamaru schmeckte es in dem Hauch von Salz, als Nejis Mund über sein Gesicht wanderte, zärtlich über seine Lider schwang und dann einen weiteren geisterhaften Kuss über seine Lippen streichelte. 

 

„Jedes Mal, Shikamaru.“, murmelte Neji. 

 

Die Worte machten für den Schattenninja keinen Sinn. 

 

Aber das mussten sie auch nicht.

 

Da war nur ein einziges Bedürfnis, das unerschütterlich stark brannte, selbst als die Wärme von Nejis Atem gegen seine Lippen kälter wurde. Und er wusste, dass es ein Windhauch war, lange bevor er die Kraft fand, seine Augen zu öffnen.

 

Neji war fort.

 
 

xXx
 

 
 

Das Shogi Spielhaus war leer.

 

Shikamaru hatte eigentlich auch überhaupt nicht vorgehabt, hierher zu kommen. Er hatte keinerlei Ziel auf der Karte seines Verstandes markiert, die sich selbst von jedweder Richtung befreit zu haben schien. Sie war zu einer kühlen Tafel tauber Ruhe verkommen; ohne das geringste Kratzen eines Gedankens, um ihm etwas zu geben, auf das er sich fokussieren könnte. 

 

Er war einfach aufgestanden und losgelaufen; musste sich bewegen. 

 

Er war hingelaufen, wohin auch immer ihn der Wind gezogen hatte, der ihn wie ein Blatt in einem müßigen Tempo den einen Bürgersteig entlang getrieben, und dann einen anderen wieder zurück gezerrt hatte. Er war vollkommen wahrnehmungslos für irgendjemanden und jeden; egal ob auf demselben Bürgersteig oder auf der anderen Straßenseite, egal ob er sie kannte oder nicht, egal ob er so hätte tun sollen oder nicht.

 

Er lief einfach nur weiter. 

 

Die Welt zog an ihm vorbei und sie fühlte sich abstrakt und fehl am Platz an. Oder vielleicht betraf das auch nur ihn. Der einzige Gedanke, der in seinem Hirn Spuren hinterließ, war die flüchtige Überlegung, dass er vielleicht einfach nur träumte. 

 

Aber er wusste, dass das nicht der Fall war. 

 

Er musste inzwischen einige Stunden umher gelaufen sein, bevor er schließlich hier bei dem Shogi Spielhaus gelandet war. 

 

Zurück auf Anfang…

 

Er ließ seine Augen über ein Plakat für einen Shogi Wettbewerb wandern, das an die Tür genagelt war; und nahm nicht ein einziges Wort des Textes in sich auf. Die Symbole fühlten sich nur irgendwie beruhigend an, denn auch wenn er das Plakat nicht las, dann verfügte es dennoch über ein Muster, dem er folgen könnte, wenn er es denn wollte. 

 

Er hatte sich noch nie dermaßen verloren gefühlt. 

 

Die Tür des Shogi Hauses öffnete sich. 

 

Die alte Dame, die Neji als besten Fang für ihre Enkeltochter auserkoren hatte, schob ihren Kopf nach draußen und blinzelte durch die dicken Linsen ihrer Brille.

 

„Wir haben geschlossen.“

 

Shikamaru blinzelte langsam. „Ich weiß.“

 

Ihr Lidschlag wurde spekulativ und sie hob eine dürre Hand, um in die Luft zwischen ihnen zu tippen, als versuchte sie, ihre Finger auf etwas zu legen. Er wusste, dass es sich dabei um seinen Namen handelte. An den sie sich auf keinen Fall erinnern würde, völlig egal wie oft er-.

 

„Nara.“, sagte sie. „Ah ja. Ich erinnere mich an dich und deinen Freund.“

 

Shikamaru hätte vielleicht beeindruckt ausgesehen, wenn sich sein Gesicht nicht ebenso betäubt anfühlen würde wie sein Hirn. Einen Gesichtsausdruck zu befehligen würde in etwa dieselbe Anstrengung erfordern, wie eine verbale Erwiderung. 

 

Stattdessen nickte er einfach nur. 

 

Die alte Dame richtete ihre Brille auf der Nase neu aus und besah ihn sich von Kopf bis Fuß. „Du siehst ziemlich fertig aus, Liebes.“

 

Die Worte rammten den ausdruckslosen Blick von seinem Gesicht und verzogen seinen Mund zu einer finsteren Miene, als er einen Blick in das Fenster warf, um einen Eindruck von seiner Reflexion zu erhaschen. 

 

Er sah wie Scheiße aus. 

 

„Magst du auf eine Tasse Tee herein kommen?“ Sie trat ein Stück zurück und öffnete die Tür.

 

Shikamaru lehnte höflich ab und wunderte sich über ihre Freundlichkeit, da sie das letzte Mal doch eher abweisend zu ihm gewesen war. Sie fragte nicht noch einmal, aber sie reichte ihm einen Flyer, bevor sie wieder zurück ins Haus wackelte.

 

Er senkte den Blick hinunter auf das gelbe Papier und musterte es für einen langen Moment. Ohne zu blinzeln starrte er auf die Illustration zweier Spieler, die beinahe schon kindlich in eine der Ecken gezeichnet war. 

 

Einer der Spieler hatte langes Haar und trug weiße Roben. 

 

Vollkommen versunken in dem Studium des Bildes bemerkte er die Präsenz hinter sich nicht, bis das Schlurfen von Füßen absichtlich die Gesellschaft ankündigte. Shikamarus Augen zuckten gerade nach oben zum Glas, als eine dünne Rauchwolke über seine Schulter schwebte, die Scheibe traf und von dem Fenster abrollte. 

 

„Es ist viel zu früh für dich, um schon wach zu sein; und viel zu früh für mich, jetzt schon wieder mit dem Rauchen aufzuhören.“

 

Shikamaru schnaubte und streckte eine Hand nach oben, um den Flyer hoch zu halten, sodass Asuma ihn über seinen Kopf hinweg lesen konnte. „Entspann dich. Ich ergreife nur die Initiative.“

 

Er spürte, wie das Blatt aus seinen Fingern gepflückt wurde und schob seine Hände in die Taschen, während er sich umdrehte. Asuma studierte die Details auf dem kleinen Plakat mit einem schwachen Grinsen und schüttelte den Kopf. 

 

„Ein öffentlicher Shogi Wettbewerb? Gai wird sich sehr darüber freuen.“ Der Jōnin nickte mit seinem bärtigen Kiefer zu dem Papier. „Er löchert mich schon die ganze Zeit, mit was er Kakashi noch herausfordern könnte. Eine Shogipartie sollte die Sache regeln.“

 

Shikamaru kam der Gedanke, dass ein Shogispiel vielleicht wirklich etwas in ihm regeln könnte. Er versuchte, seine Miene flach und neutral aussehen zu lassen, aber die Hoffnung auf eine Ablenkung erwachte in ihm – der Drang nach etwas völlig Ordinärem, auf das er sich konzentrieren könnte und das wahrscheinlich keine wunden Stellen treffen würde. Er konnte es jetzt nicht ertragen, nach Hause zu gehen und sich die Gardinenpredigt seiner Mutter anhören zu müssen; sie würde ihm den Arsch dafür versohlen, dass er fort geblieben war, wenn man bedachte, wie nervös die letzten Ereignisse sie gemacht hatten.

 

Shikamaru starrte schweigend auf den Flyer, den sein Sensei immer noch überflog. „Hast du Lust auf ein Spiel?“

 

„Ich bin mir nicht sicher, ob mir eine öffentliche Demütigung irgendeinen Gefallen tun würde.“ Asumas Brauen schossen nach oben und er schüttelte den Kopf, während ein raues Lachen Rauch über dem Blatt verteilte. „Besonders dann, wenn du auch noch einen Geldpreis dabei gewinnst. Das fügt der Verletzung des Egos auch noch eine Beleidigung hinzu.“

 

Shikamaru lümmelte sich gegen die Scheibe; nach außen hin vollkommen gelassen. 

 

Doch in seinem Inneren ging ihm vollkommen die Luft aus. 

 

„Du solltest mich eigentlich ermutigen.“, sagte er gedehnt. 

 

„Ich werde dich sicher nicht dazu ermutigen, mich wie den letzten Idioten dastehen zu lassen.“, kicherte der Jōnin und neigte das Handgelenk, als er das Blatt zurück geben wollte, während er damit herum wedelte. „Ich arbeite immer noch meinem ‚coolen Erwachsenen Image‘.“

 

Shikamaru machte keinerlei Anstalten, den Flyer zu nehmen und so faltete Asuma ihn zusammen und schob ihn in seine Flakjacke. Shikamaru beobachtete die Bewegungen mit scheinbarem Desinteresse, bis Asuma einen langen Zug seiner Zigarette nahm und den Rauch auf eine tiefsinnige und nachdenkliche Weise in sich hielt, die den Schattenninja dazu brachte, sich auf was auch immer vorzubereiten, das als nächstes kommen würde. 

 

„Wusstest du, dass Ebisus Team für die Gesandten-Mission nach Hanegakure ausgewählt wurde?“ Asuma musterte ihn und ließ den Rauch zusammen mit seinen Worten herausrollen. „Hyūga hat die Gruppe angeführt.“

 

Shikamaru stierte blicklos auf die Zigarette seines Senseis und brauchte eine Sekunde länger als beabsichtigt, um zu antworten. „Jo.“

 

„War das Teil deines Plans?“ Nachdenklich strich Asuma mit dem Daumen über seinen Bart. „Ein Team zurück zu schicken?“

 

Shikamaru schmunzelte schwach und legte seinen Kopf zurück gegen das Fenster. „Nicht wirklich, aber ich bin langsam an lästige Überraschungen gewöhnt.“

 

Immerhin war einfach gar nichts nach Plan verlaufen. Aber auf der anderen Seite schien das voll und ganz dem Handlungsstrang der letzten paar Wochen zu entsprechen. Die Unvorhersehbarkeit und der vollkommene Mangel an Kontrolle darüber war abartig frustrierend gewesen. 

 

Abgesehen davon, wenn es um den Mangel an Kontrolle ging, den er verspürt hatte, wenn er mit Neji zusammen gewesen war. 

 

Das hatte sich angefühlt wie-

 

„Gut.“, sagte Asuma plötzlich und unterbrach Shikamarus Gedanken mit einem grummeligen Kichern. Er bemerkte den verlegenen und unbehaglichen Ausdruck in den Augen seines Schülers nicht. „Denn Überraschungen warten definitiv auf dich.“ Der Sarutobi machte eine Effektpause. „So wie dein Geburtstag.“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und stieß sich von der Scheibe ab. „Klasse.“

 

„Ah, so enthusiastisch.“ Asuma klatschte seinen Handrücken ganz leicht über Shikamarus Stirn. „Na hier ist er doch, der Schüler, den ich kenne und von dem ich mich vorführen lasse.“

 

Shikamarus Miene verfinsterte sich, doch es lag keine Drohung darin. „Ino hat mich in einen verfickten Busch geschubst – am helllichten Tag – und das aus ‚Geburtstagsüberraschungsgründen ‘; der übrigens erst in zwei Wochen ist. Ich fühle mich deswegen nicht übermäßig optimistisch.“

 

„Sei nicht so streng mit ihr. Der Teamwechsel hat sie hart getroffen.“ Asuma hob rasch eine Hand. „Und ich weiß, dass es nicht deine Schuld war, aber das bedeutet nicht, dass du hierbei keine Kompromisse eingehen und ein bisschen was geben kannst.“

 

Geben?

 

Shikamaru kämpfte den Drang nieder, seine Augen zu schließen. Er war sich ziemlich sicher, dass er nichts mehr übrig hatte, das er geben könnte. Er wusste auf logische Weise, dass dieses leere Gefühl nicht anhalten würde, aber jetzt im Moment wollte er genauso wenig daran denken, wie lange es wohl dauern würde, bis diese Empfindung wirklich vorbei gehen würde. 

 

Wenn das überhaupt jemals passiert…

 

„Shikamaru?“

 

Shikamarus Stirnrunzeln fiel zusammen mit seinen Schultern nach unten. „Mann, das nervt…“

 

Asuma neigte das Kinn und pinnte Shikamaru mit einem Ausdruck fest, der sofort seinen evasiven Sinn aus Schuldgefühlen rammte. Er traf genau in die Mitte und das mit einer entsetzlichen Mühelosigkeit, zu der nur sein Sensei in der Lage war. 

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und wandte den Blick ab. 

 

„Sie steckt da wirklich eine Menge Arbeit rein.“, fügte Asuma hinzu und traf direkt auf den Kopf des Nagels aus schlechtem Gewissen. 

 

„Was bedeutet, dass ich doppelt so viel Arbeit reinstecken muss, um es überstehen zu können.“, murrte Shikamaru und stieß einen letzten Seufzer der Niederlage aus. „Schön. Was auch immer.“

 

„Es wird dir guttun, Shikamaru.“

 

Shikamaru hob eine Braue, als er die ernste Kante direkt unter dem Humor bemerkte. Asuma musterte ihn mit einem Grinsen, drückte seine Zigarette gegen die Tür des Shogi Spielhauses aus und fing sich dafür einen missbilligenden Blick von der alten Dame ein. Rasch wich er von dem Fenster zurück und hob entschuldigend eine Hand. 

 

Shikamaru grinste. „Was für ein cooler Erwachsener du doch bist.“

 

Asuma schnaubte und seine bronzenen Augen leuchteten amüsiert auf, als er eine weitere Zigarette aus der Schachtel klopfte, um sie sich in den Mundwinkel zu stecken. „Und allein dafür werde ich die Party sprengen und mir all das Essen einverleiben, das ich nicht bezahlen werde.“

 

Shikamaru zuckte mit den Achseln und sah zu, wie ein Funke an Asumas Feuerzeug Flamme fing und sanft tanzte. Das Ende der Zigarette glomm grell auf; wie das Glühen aus Bedürfnis und Begierde, das er vor Stunden in seinem Magen verspürt hatte. Sie brannten noch immer, hoben sich höher bis in seine Brust, um sich zu einem sengenden festen Knoten hinter seinen Rippen zu formen.

 

Asumas Feuerzeugdeckel löschte die Flamme mit einem scharfen Schnappen aus. 

 

Shikamarus Wimpern schlossen sich krampfartig über seinen Augen. „Sensei…“

 

„Mn?“, brummte Asuma um seinen Rauch herum und schob das Feuerzeug in die Tasche. 

 

„Wenn du aufhören würdest zu rauchen, was würdest du stattdessen nehmen?“

 

Asuma lachte und stieß eine Spirale aus Rauch aus. „Das wird nie passieren.“

 

„Was, wenn du es müsstest?“

 

Das Schweigen, das der Frage folgte hing schwerer über ihnen als die Rauchwolke. Shikamarus Augen glitten auf und richteten sich auf das schwelende Ende der Zigarette, an der sich beständig verbrannte Asche sammelte. Asuma sah den weichen Flocken zu, die davon herab segelten und runzelte die Stirn, als er über die Frage nachdachte. 

 

„Ich weiß nicht. Rauchen ist mehr als einfach nur eine Angewohnheit. Es ist eine Art Bedürfnis. Wenn ich es aufgeben müsste, dann würde ich stattdessen etwas Besseres oder auch Schlechteres zu mir nehmen, schätze ich.“ Asuma rollte seine Zigarette zwischen den Fingern hin und her und klopfte die Asche komplett vom Ende, während er aufsah. „Aber ein Bedürfnis zu ersetzen bedeutet nicht unbedingt, dass es auch verschwinden wird.“

 

Shikamaru beobachtete, wie die Brise die grauen Flocken fort trieb. Seine Lippen waren geschürzt und seine Augen intensiv, während versuchte, die Worte seines Senseis irgendwie zu verdauen; und den tiefen Schmerz, mit dem sie ihn zurückließen. Er schüttelte schwach den Kopf gegen dieses Gefühl an und senkte den Blick. 

 

„Also wie schafft man es dann, dass es verschwindet?“

 

„Nun, das kommt auf das Bedürfnis an.“ Asuma zuckte beiläufig mit den Schultern, aber seine Augen waren fest und aufmerksam auf das Gesicht seines Schülers gerichtet. „Ich schätze, man muss einen Weg finden, es loszulassen.“

 

Shikamaru zog die Brauen zusammen und starrte durch glasige Augen auf einen Riss im Bürgersteig. Rasch schluckte er seine unmittelbare Antwort hinunter, doch sie drängte sich erneut seine Kehle hinauf und verkeilte sich wie ein Stein in seiner Luftröhre. Er verkrampfte den Kiefer, konnte die Worte aber trotzdem nicht in sich halten. 

 

„Und was ist, wenn man es nicht loslassen kann?“, wisperte er heiser. 

 

Asuma presste mit einem tiefen Summen die Lippen durch seinen Rauch zusammen und pfiff einen dünnen Strom durch seine Nase. „Wenn man es nicht loslassen kann…“ Er befreite seine Zigarette und rollte sie langsam zwischen Daumen und Zeigefinger. „Dann tust du das Einzige, das bei einem solchen Bedürfnis möglich ist.“

 

„Und was wäre das?“

 

Asuma lächelte traurig. „Du lebst damit, Shikamaru.“

 
 

oOo
 

 
 

Ein Laken aus Asche erstreckte sich vor Neji. 

 

Grau und leblos. 

 

Doch es verwandelte sich in Flammen, als er sein Byakugan deaktivierte und die äschernen Töne seines Dōjutsus verschwanden, während Farbe zurück in die Welt blutete. 

 

Er stand am höchstmöglichen Punkt in der Luft; thronend auf dem Kamm eines Baumes und sah hinaus über den Mantel aus herbstlichem Feuer, das den Wald meilenweit verbrannte. Die Sonne spielte über die karmesinroten und gelben Blätter, Farbtupfer von Orange und Rost wurde durch die Wellen, die durch die Baumkronen wogten sichtbar, als der Wind durch sie hindurch fuhr und die dünneren Äste zum Schwingen brachte. 

 

Er spürte denselben Wind an seiner Wange, der mit unsichtbaren Fingern durch sein Haar fuhr. 

 

Neji schloss langsam die Augen und neigte seinen Kopf in eine phantomhafte Berührung, die er immer noch fühlen konnte, obwohl sie vor Stunden auf seiner Haut gelegen hatte. 

 

„Neji-senpai!“

 

Die Stimme schreckte ihn auf.

 

Neji kanalisierte Chakra in seine Füße, um die Balance halten zu können und senkte den Kiefer, um durch das Gewirr der Äste nach unten auf das Genintrio blicken zu können, das auf dem Boden wild winkte. Ein blauer Schal wippte wie eine Luftschlange auf dem Wind. 

 

„Dürfen wir jetzt essen?! Wir haben alles erledigt!“, plärrte Konohamaru und legte die Hände um seinen Mund, um seine Stimme den Baumstamm hinauf schießen zu lassen und die Vögel aufzuschrecken. „Es tut mir wirklich leid!“

 

Neji neigte den Kopf und berührte mit zwei ausgestreckten Fingern seine Lippen, um sein Dōjutsu zu aktivieren. Aufmerksam scannte er das Lager, das Konohamaru und seine Teamkameraden errichtet hatten. 

 

Es war makellos. 

 

Moegi hatte sogar einen Blumenstrauß und einen Zettel mit einer Entschuldigung vor sein Zelt gelegt. 

 

Doch diese beschwichtigende Geste und die hervorragend ausgeführte Arbeit würden sie nicht davor retten, all ihre Bemühungen ungeschehen zu machen, wenn er ihnen die Tatsache eröffnen würde, dass sie hier gar nicht bleiben würden.

 

Er hatte ein Ziel im Sinn, das ihm deutlich wichtiger war als Hanegakure. 

 

Und es hatte einen Grund gegeben, warum er ganze zwei Wochen für diese Mission anberaumt hatte. 

 

„Bitte, Neji-senpai!“, rief das Trio im Chor. 

 

Neji blinzelte sich von der Abschweifung seiner Gedanken zurück und ließ seinen Blick über das riesige Bündel an Rationspackungen schweifen, das er dem Geninteam abgenommen hatte, nachdem sich Konohamaru dazu entschlossen hatte, es wäre eine ausgesprochen brillante Idee, Nejis ‚Hyūga-Gefasstheit‘ mit Narutos perversem Jutsu ins Wanken zu bringen. 

 

Die vollkommene Überflüssigkeit dieses Jutsus war durch Nejis absoluten Mangel an Reaktion deutlich geworden. 

 

Konohamaru, der scheinbar keinerlei Sinn dafür hatte, wann man lieber aufhören sollte, war von dem Gedanken tödlich beleidigt gewesen, dass seine Verbesserungen des Jutsus offenbar alles andere als originell waren. Und so hatte er damit weiter gemacht, es mit verschiedensten Junge-mit-Junge und Mädchen-mit-Mädchen Techniken zu demonstrieren, die nur zu einem sehr langen und sehr strengen Schweigen von Neji geführt hatten, bevor sich der Hyūga entschlossen hatte, das gesamte Team für diese bodenlose Idiotie zu bestrafen. Die Kameraden des Sarutobi hatten sich durchaus schuldbewusst gezeigt und ihrem Freund eine Standpauke und Ohrfeige verpasst, die Neji davor gerettet hatten, eine Moralpredigt halten zu müssen. 

 

Diese Methode war sowieso doppelt so effektiv. 

 

„Wir haben die Zelte aufgeschlagen und Fallen ausgelegt und alles!“, winselte Konohamaru und legte den Kopf mit etwas schief, das offenbar ein gewinnendes Lächeln sein sollte. „Komm schon, Neji-taicho!“

 

Taicho?
 

Neji konnte angesichts dieses Versuches von Respekt nur schnauben; nicht beeindruckt, aber auch nicht so verärgert, wie er es möglicherweise hätte sein sollen. Er griff in seine Ninjatasche, um ein Kunai daraus hervorzuziehen und wirbelte es in einem scharfen Schwung über die Knöchel. 

 

Mit einem Schnappen seines Handgelenks ließ er es fliegen. 

 

Es traf weit unten auf das beschlagnahmte Essenspaket und durchbohrte ein Explosionssiegel, das daran befestigt war. Die Bombe ging nicht hoch, obwohl er das Geninteam mit vollkommen ausdrucksloser Miene gewarnt hatte, dass wenn einer von ihnen auch nur versuchen sollte, sich dem Essen zu nähern, sich diese Schwachköpfe eine Einäscherung und das dazu passende Grab verdienen würden. 

 

„Oh Mann, das darf doch nicht wahr sein!“ Konohamaru deutete auf das Bündel. „Das Ding war ja nicht mal scharf.“

 

Neji ging auf dem Ast in die Hocke und seine Augen scannten die Peripherie, während sich das ‚Görenpack‘ auf das Essen stürzte, das ihm verwehrt worden war. Nachdem er sichergestellt hatte, dass die unmittelbare Umgebung sicher war, richtete er sich wieder auf. Die Byakugan Venen um seine Augen lösten sich und er ließ seinen Blick über das wogende Meer bunter Blätter schweifen, bevor er seine Aufmerksamkeit höher richtete, bis sie auf den Himmel traf. 

 

Seine Gesichtszüge wurden weich. 

 

Die Brise blies zurück in Konohas Richtung.

 

Genau wie die Wolken.

 
 

oOo
 

 
 

Der Vogel war weg vom Boden. 

 

Jetzt schon?

 

Shikamaru hatte es am Anfang gar nicht glauben können; dachte eher, dass sein Hirn nun endgültig seine sieben Sachen gepackt und ihn verlassen hatte, sodass er das Ganze hier nur halluzinierte. Doch tatsächlich war der Falke herab gestürzt, als er eingetreten war, um mit den Klauen den letzten Fleischfetzen aus der Schale zu stehlen, bevor er sich mit seiner Beute zum höchsten Punkt des Geheges zurück gezogen hatte. 

 

Entwicklung in riesigen Sprüngen…

 

Shikamaru schüttelte angesichts des Gedankens den Kopf und ein schwaches Lächeln zupfte an einem seiner Mundwinkel, als er sich daran machte, den leeren Futterbehälter zu füllen. „Gut. Das heißt, ich muss Chōji nicht dazu bringen, dich mit der Hand zu füttern.“

 

Der Falke verharrte in den behelfsmäßigen Sparren über seinem Kopf und ließ ohne Unterlass und mit scharfen lauten „Kee“-Rufen seinen Vogelkommentar zu Shikamarus Aussage hören.

 

Shikamaru spähte zu ihm hinauf und legte seine Unterarme über die Knie, als er sich auf die Kante eines Heuballens setzte. „Auch noch gesprächig, huh? Wie lästig.“

 

Der Vogel legte den Kopf nach rechts und links und schwankte mit dem Hals, als würde er ihn eher mit Interesse statt der früheren Aggression und Angst mustern. Shikamaru war sich nicht sicher, wie er sich deswegen fühlen sollte. Während er es durchaus gewohnt war, Bindungen zu den Hirschen aufzubauen, hatte er niemals die Neigung dazu verspürt, sich mit anderen Tieren zu beschäftigten; gemessen an all dem Ärger, den sie ihm normalerweise verursachten. 

 

Und außerdem kann er schneller fliegen als ich rennen kann, falls er mich hassen sollte…

 

Es gefiel ihm überhaupt nicht, wohin ihn dieser Gedanke trug und so lenkte er seinen Fokus zurück auf seine Aufgabe. Bedächtig beendete er das Auslegen von Fleisch, während der Falke sein Gefieder putzte. Seine Federn wuchsen rasch nach und das Tier bewegte sich mit einer Sicherheit, die es schwer machte zu glauben, dass es sich jemals in solch bemitleidenswertem, gebrochenem Zustand befunden hatte. 

 

Geheilt oder nicht, ich habe ihn dennoch unten gehalten und angepisst.

 

Vertrauen war nicht erwarten.

 

Oder zumindest hatte er das angenommen, bis der Vogel ihn erneut überraschte. 

 

Er erhielt nicht einmal die Chance, sich vollständig aufzurichten, bevor der Falke auch schon neben ihm nach unten schoss und anfing, sich durch das frische Fleisch zu wühlen. Shikamaru erstarrte mitten in der Bewegung, als er sich gerade von dem Heuballen erhob, da er den Vogel nicht aufschrecken wollte. 

 

Doch die meiste Zeit über wurde er ignoriert. 

 

Er beobachtete den Falken mit einer Faszination, von der niemals zugeben würde, dass er sie einem Vogel entgegenbrachte, der ihm so verdammt viel Ärger bereitet hatte. 

 

Wie gut, dass ich ihm keinen Namen gegeben habe.

 

Kaum war das Ziel der Nahrungsaufnahme erfolgreich abgeschlossen, da wandte sich der Falke direkt der nächsten Aufgabe zu; die darin bestand, die Flügel zu spreizen und sich auf eine Erkundungsmission durch das Gehege zu begeben. Shikamaru beobachtete ihn mit verschleiertem Amüsement. Nach den lockeren Sprüngen zu urteilen, die der Vogel nur noch brauchte, um von einer Sitzstange zur nächsten zu gelangen und die bereits von leichten Flügelschlägen unterstützt wurden, würde es dem Falken sehr bald gut genug gehen, um außerhalb des Pferches fliegen zu können. 

 

Gut genug, um seinen Weg hinaus in größere Himmel zu finden. 

 

Gut genug, um frei zu fliegen. 

 

Der Kummer und der Schmerz kamen schnell, schlugen hart in seiner Brust ein und brachten ihn dazu, einen Arm um seinen Torso zu schlingen, als hätte das Stützen seiner Rippen irgendetwas damit zu tun. 

 

‚Du lebst damit, Shikamaru.‘

 

Shikamaru ließ zu, dass der Schmerz durch ihn rollte und bekämpfte ihn nicht, während er dabei zu sah, wie der Falke an ihm vorbei sauste und sich auf die imminente Freiheit vorbereitete. 

 

Freiheit…

 

Shikamarus Lippen zuckten mit dem Schatten eines Lächelns. 

 

Schätze mal, dass ich damit leben kann…wenn ich weiß, dass du sie finden wirst…

 

Er schloss die Augen und atmete tief durch, als der Vogel entspannt um ihn herum flatterte. 

 

Für eine sehr lange Zeit ging er nicht. 

 

Und als er es endlich tat, fand er zwischen all den Teilen seines Selbst ein kleines Stückchen Frieden.

 
 

oOo
 

 
 

„Neji-senpai, wo gehen wir hin?“

 

Neji sagte nichts und bewegte sich einfach nur anmutig über den Waldweg; zog es vor, die Erde unter seinen Füßen zu spüren statt Ästen. Die Empfindung festen Grundes brachte eine beständige Ruhe in seinen Verstand. Er war für eine sehr sehr lange Zeit unstet gewesen; war an einer Kante getaumelt, von der nicht realisiert hatte, dass er sich kaum noch daran festgehalten hatte. 

 

Wenn du mich nicht zurück gezogen hättest…

 

Es war ein düsterer und verstörender Gedanke, dem er sich nicht stellen wollte. 

 

Aber auf der anderen Seite war genau das auch der Grund, aus dem er hier war. 

 

„Ein Gasthaus! Lässig!“ Konohamaru kreischte begeistert auf und mit einem Schwanken seiner schweren Zeltausrüstung hoppelte er vorwärts, bevor er mit einem ‚Daumen hoch‘ zur Seite stolperte. „Ah dieses Upgrade gefällt mir! Ich nehme es auf jeden Fall zurück, dass ich gedacht habe, dass Kiba-kun vollkommen recht hatte, als er gesagt hat, du hättest einen massiven Stock in dei-“

 

Neji warf dem Dreikäsehoch ein warnendes Funkeln zu, das auch ohne Worte mehr als deutlich vermittelte, wie unglaublich essentiell es für die Gesundheit des Genins war, diesen Satz nicht zu beenden. 

 

Konohamaru hustete würgend, vergrub sein Kinn nervös in seinem Schal und kicherte ein wenig, bevor er voraus trabte. „Ich äh…schau dann nur mal, ob alles sicher ist.“

 

Udon eilte ihm hinterher. „Hey! Konohamaru, wart‘ auf mich!“

 

„Die sind so blöd.“, seufzte Moegi und beobachtete Nejis Reaktion, als sie fragend zu ihm aufsah. „Das ist ein Shukubo. Oder, Senpai? Ein Tempel Rückzugsort?“

 

Neji neigte leicht den Kopf und antwortete nur mit einem kurzen tiefen Summen. Das Geräusch skandierender Gesänge bestätigte Moegis Frage, als sie sich der Unterkunft des Tempels näherten. Zu Nejis argwöhnischer Überraschung verharrte Konohamaru in einer beständigen Stille davor. 

 

„Das erinnert mich an Asuma-ojisan.“, sagte der junge Sarutobi; er hatte sein Ohr in die Richtung des Tempels geneigt, aus der das Skandieren herüber schwebte. 

 

Asuma?

 

Neji hätte vielleicht hinterfragt, was Konohamaru damit meinte, aber der Moment verging, als sie von zwei älteren Mönchen begrüßt wurden. Die Männer waren in Safranroben und den schweren Geruch von Weihrauch gehüllt; eine Aura aus Wärme lag auf ihren gelassenen Gesichtern. 

 

„Willkommen.“

 

Und von diesem Wort an, wurde Nejis Aufmerksamkeit rasch zwischen verschiedenen Dingen aufgeteilt. Er gab Anweisungen an das Geninteam, traf Vorbereitungen, um eine Nachricht nach Hanegakure zu senden und einen weiteren Brief zurück nach Konoha zu schicken, der das Fortschreiten der Mission bestätigte. 

 

Und dann war da noch die Angelegenheit seiner weniger patriotischen Motive. 

 

Die Sonne hatte bereits begonnen, in die sirupartigen Falten der Abenddämmerung einzutauchen, als er vom Taubenschlag des Tempels zurückkehrte. Nachdem er ein geeignetes Quartier gefunden und sein Team mit unmissverständlichen Worten vor den Konsequenzen irgendwelcher Respektlosigkeiten gegenüber den Mönchen oder der Umgebung gewarnt hatte, glitt er rasch mit gemessenen und getriebenen Schritten aus der Unterkunft. 

 

Er schritt einen schmalen Pfad durch das stille Gelände entlang. 

 

Seine Schritte wurden erst langsamer, als er sich den makellosen Gärten näherte, die für Meditationen genutzt wurden. Sein Schatten erstreckte sich vor ihm und wies ihm den Weg. Schweigend folgte er demselben sandigen Pfad, den er bereits Tage zuvor beschritten hatte; nur lief er ihn diesmal als ein anderer Shinobi entlang. 

 

Als ein anderer Mann. 

 

Schließlich erreichte er den Ort, an dem er sein Kata geübt; nahe an einem klaren opaleszenten Teich. Auf den letzten paar Metern wurden seine Sinne schärfer, was ihm ein Bewusstsein über seine unmittelbare Umgebung verschaffte, an dem es ihm gemangelt hatte, als er das erste Mal hier gewesen war. 

 

Diesmal bemerkte er den Schlag, lange bevor er die Chance bekam, ihn zu überraschen. 

 

Er bewegte sich in einer anmutig fließenden Erwiderung, statt mit schneidendem Reflex. 

 

Der Gehstock schwang harmlos durch die Luft und kehrte zurück, um mit einem sanften Tippen auf dem Boden abgestellt zu werden. Der alte Mönch krümmte sich über das Holz und sein tief zerfurchtes Gesicht wandte sich Neji zu. Blinde Augen justierten ihren Blick, bis sie sich direkt neben den Kopf des Jōnins richteten.

 

„Ich hatte erwartet, dass du länger brauchen würdest.“, krächzte der alte Mann. 

 

Neji verbeugte sich; tiefer als er es jemals gegenüber einem der Hyūga Ältesten getan hatte. „Ich wünsche mir beinahe, dass es so gewesen wäre.“

 

Die Augen des alten Mannes zuckten leicht und sein kratziges Summen war wie das Knistern von Laub. 

 

„Und jetzt wünschst du dir, zu verstehen.“

 

„Ja.“

 

Der Mönch schlurfte hinüber zu dem klaren Teich und tauchte das Ende seines Stabes in die stillen Wasser, um ein Kräuseln auf der Oberfläche auszulösen. 

 

„Du hast gefunden, wonach du gesucht hast.“

 

Neji schüttelte den Kopf und beobachtete, wie die Schatten über das Wasser jagten. 

 

„Er hat mich gefunden.“

 
 

oOo
 

 
 

Die Tage fanden einen steten, monotonen Rhythmus, während sie einer nach dem anderen vorüber tröpfelten. 

 

Die Normalität, die Shikamaru gebraucht hatte, kehrte Stück für Stück zu ihm zurück; schob sich in die Löcher seines Lebens, von denen er nicht realisiert hatte, dass sie da waren. Die Risse waren noch immer präsent, aber sie versiegelten sich nach und nach.

 

Die verschiedenen Stufen des Lichtes in seinem Leben halfen ihm, damit anzufangen, bestimmte Dinge zurück in die Schatten zu ziehen. 

 

Hauptsächlich Erinnerungen. 

 

Sie fanden ihn in seinen Träumen; jedes verdammte Mal. 

 

Und er hatte den Sonnenaufgang jeden Morgen durch sein Fenster beobachtet. 

 

Denn jeden Tag zerrte ihn ‚Vier Uhr morgens‘ aus diesen Träumen, die aus Augen wie Monden bestanden und Händen, die ihn Sterne sehen ließen, kaum dass sie seine Haut berührten. Er wachte in einem Fieber auf und wurde anschließend mit einem Gefühl der Kälte zurückgelassen. Er hoffte immer darauf, dass der nächste Tag der sein würde, an dem er die Grenze dieser dämlichen Uhrzeit überschreiten würde. 

 

Morgen, hatte er sich gesagt.

 

Und jedes Mal, wenn Morgen kam, kam auch ‚Vier Uhr morgens‘; es zwinkerte ihm in der Dunkelheit seines Zimmers höhnisch zu. Und wie all die Tage zuvor, stand er auf und drängte sich vorwärts. 

 

Er hatte damit begonnen, dieses lästige weiße Buch in Angriff zu nehmen und studierte Akatsuki Gegner, mit denen er es noch nie zu tun gehabt hatte und es vermutlich auch nie würde. Er schlief so oft er konnte und mied Kotetsu bestmöglich, außer er war dazu gezwungen, mit ihm zu trainieren. Seine Mittagessen verbrachte er mit seinen Teamkameraden und Freunden, wobei er immerzu darauf bedacht war, Hinatas Augen auszuweichen, wenn sie sich zu ihnen gesellte. 

 

Das erste Mal, dass sie unter seinem Blick errötet war, war auch das letzte Mal gewesen. 

 

Die frühen Abende waren am leichtesten; er spielte Shogi mit Asuma. 

 

‚Dämliche Uhrzeit‘ war die Zeit, die er mit dem Vogel verbrachte. 

 

Und dort zu stehen, wo er jetzt im Moment war; beobachtend wie der Falke der Spur aus Fleisch folgte, die er aus dem Gehege hinaus und auf die Lichtung gelegt hatte, ließ Shikamaru sich fragen, was zur Hölle er mit den freien Stunden anfangen sollte, wenn er davon geflogen war. 

 

Der Falke hüpfte direkt bis zu seinen Füßen, wo der letzte Fleischstreifen lag.

 

Er ließ einen triumphierenden Schrei hören. 

 

Shikamaru trat einen großen Schritt nach hinten, als der Vogel das Fleisch auseinanderriss und hinunter schlang, bevor er die unmittelbare Umgebung nach mehr absuchte. 

 

„Das war’s.“, sagte Shikamaru flach. 

 

Der Falke bewegte die Flügel und ruckte mit dem Kopf nach hinten, als er erwartungsvoll zu ihm aufsah. 

 

„Kein Futter mehr.“ Shikamaru knickte die Hüfte ein, die Hände hatte er in ungeduldiger Manier in den Saum seiner Chūninhose gehakt. „Du bist jetzt auf dich allein gestellt.“

 

Der Falke ließ ein leises Squawken hören und breitete die Schwingen weit aus, als wollte er losfliegen – und faltete sie dann wieder zusammen. 

 

Shikamaru hob eine Braue. „Du bist frei.“ Er ruckte mit dem Kinn himmelwärts. „Geh schon.“

 

Nichts. 

 

Scheiße.

 

Shikamaru wedelte mit einer Hand. „Geh weg.“

 

Die Geste brachte den Vogel dazu, ein Stück zurück zu hüpfen, aber er machte keine Anstalten, davon zu fliegen. 

 

„Wie lästig.“ Shikamaru öffnete und schloss seine Hand. „Pass auf, ich habe kein Futter mehr. Du musst gehen.“ Er hob seinen Arm in einer geradezu peinlichen Imitation eines Flügels und stierte finster vor sich hin angesichts dieser lächerlichen Pantomime, bevor er seine Hand schlagartig in Richtung des Himmels ausstreckte. „Tz. Jetzt verschwinde schon, verdammt nochmal! Flieg nach Hause.“

 

Der Falke drehte einen sinnlosen kleinen Kreis auf dem Boden und suchte nach Häppchen, die nicht da waren. 

 

„Dämlicher Vogel.“, knurrte Shikamaru kopfschüttelnd. „Ich habe nichts mehr, du musst gehen.“

 

Die dämlich simple Lösung für dieses Problem wäre, dass einfach er ginge. Sich einfach umdrehen und davon laufen und den Vogel sich selbst überlassen. Selbst wenn die Intelligenz des Falken in Frage stand, dann wäre das bei seinen Instinkten sicher nicht der Fall. Letztendlich würde er sich in die Bäume begeben, früher oder später in die Himmel aufsteigen und dann seinen Weg dorthin finden, wo zur Hölle auch immer er hingehörte. 

 

Dämlich. Simpel.

 

„Schön. Ich geh dann jetzt.“, verkündete Shikamaru und hasste es, sich selbst eingestehen zu müssen, wie idiotisch er sich dabei fühlte, mit dem Tier zu reden, als könnte es ihn verstehen. 

 

Er wandte sich auf dem Absatz um und begann zu laufen. 

 

Das sanfte Schlagen von Flügeln erscholl hinter ihm und signalisierte den Aufbruch des Vogels. 

 

Und aus irgendeinem wahnsinnigen Grund, begann sich seine Brust zusammenzuziehen. 

 

Reiß dich verfickt nochmal zusammen. Es ist ein Vogel. 

 

Die Luft hielt sich schwer in seinen Lungen – und wurde ihm erst dann mit einem ziemlich peinlichen Jaulen entrissen, als der Falke aus dem Nichts herabstürzte und mit den Klauen an seinem Pferdeschwanz zupfte. 

 

„Was zur Hölle!“ Shikamaru fuchtelte sich mit einem Grollen mit einer Hand über den Kopf und wirbelte herum, um zu sehen, wie der Vogel ihn mit flinken Drehungen umkreiste. „Lästiger Vogel! Geh schon weg!“

 

Doch der Vogel ging nicht. 

 

Er flog auf eine Weise um ihn herum, die vielmehr spielerisch als angepisst war. Gegen jede Intelligenz und jeden Instinkt schien er fest dazu entschlossen zu sein, den Schattenninja zu einem nervigen Spiel zu drängen. 

 

„Ich habe keine Zeit für diesen Mist.“

 

Was eine komplette Lüge war, wenn man die frühe Stunde bedachte. 

 

Im Grunde war Zeit das Einzige, was er zu dieser dämlichen Tageszeit im Überfluss hatte. Und das Ärgernis hatte diese Zeit gefüllt, bis der Rest des Tages ihn fand und zurück in die bequemen Schuhe einer Routine schlüpfen ließ, die beständig jeden Tag ein bisschen leichter machte.

 

Und offensichtlich war der Vogel mehr als glücklich darüber, bis zu dahin auch weiterhin das Ärgernis zu bleiben.

 

Das wird nicht passieren.

 

Und doch passierte es weiterhin; selbst dann noch, als er die Geschwindigkeit erhöhte, um davon fort zu laufen. Der Vogel hielt in spielerischen Schleifen mit ihm mit und verschwand nie außerhalb seiner Sichtweite; streifte immer wieder seinen Pferdeschwanz mit jeder umkreisenden Bahn. 

 

Shikamaru versuchte sich zu ducken und von dem Falken weg zu neigen und letztendlich rannte er einfach nur.

 

Doch der Vogel gab das Spiel nicht auf. 

 

Er folgte ihm unnachgiebig durch den Wald und jagte ihm nach. 

 

Shikamaru begann zu fluchen…

 

Dann, an irgendeinem Punkt, begann er leise zu kichern…

 

Und dann – zum ersten Mal seit langen langen Tagen; begann er zu lachen. 

 
 

oOo
 

 
 

Der Gehstock zerbarst. 

 

Mit kaum einer Berührung traf er auf Nejis Handkante und brach. 

 

Nejis Augen weiteten sich, doch statt einen scharfen überraschten Atemzug zu nehmen, kontrollierte er seine Reaktion und konzentrierte sich darauf, langsam und beständig auszuatmen. Er ließ die Luft aus sich fließen, als versuchte er, eine Kerze in großer Entfernung auszupusten. 

 

Der alte Mönch blinzelte, examinierte das gebrochene Ende seines Stabes mit den Spitzen seiner Finger und nickte ruckartig. „Bist zu zornig?“

 

Neji schüttelte den Kopf. „Nein, Hayabusa-sama. Ich verspüre keine Wut.“

 

„Gut. Jetzt verstehst du die wahre Stärke des Atmens. Es ist ebenso lebenswichtig wie Wasser.“ Der Mönch tauchte das gesplitterte Ende seines Gehstockes in den kristallklaren Teich und jagte damit erneut Wellen über die Oberfläche. „Atem ist Leben. Zorn löscht Atem aus; ebenso wie Angst und Hass. Er verschließt die Brust. Verschließt das Herz.“

 

Der Mönch schwang seinen zerbrochenen Stab wieder nach oben. Und als er auf Nejis Stirn traf, war er wieder vollkommen ganz; das zersplitterte Ende strich glatt und stumpf gegen sein Hitai-ate. Da er gekommen war, um bei diesem seltsamen weisen Alten das Unerwartete zu erwarten, hinterfragte Neji das Mysterium nicht, wie es sein konnte, dass der Gehstock wiederhergestellt war. 

 

„Intention und Handlung können nicht voneinander getrennt werden.“ Der Mönch nickte leicht mit dem Kopf zu dem makellosen Stab. „Aber ein Bruch dazwischen ist manchmal notwendig, um dieses Verständnis wieder zusammenzubringen. Stärker, als es vorher war.“

 

Neji studierte das wettergegerbte Gesicht und fragte sich, wie viele Brüche dieser alte Mann ertragen musste, um zu diesem Verständnis zu kommen. 

 

Scheinbar hatte es den Mann nur seine Augen gekostet, es zu erlangen. 

 

In Nejis Fall war der Preis beinahe sein Leben gewesen. 

 

„Du hast ihn deine größte Schwäche genannt.“, sagte der alte Mönch. „Aber er hat dich zu deiner größten Stärke gebracht. Vergiss das nicht.“

 

Hayabusa ließ ihn mit diesen Worten allein. 

 

Er hätte über sie meditiert – aber sie bewegten ihn auf eine physische Weise. 

 

Und als er durch die Gärten wanderte, wogten diese Worte durch seine Venen; so dicht und stark wie der Geist von Shikamaru, den er noch immer unter seiner Haut und in seinem Blut mit sich trug. Genauso gut hätte er den Namen des Nara in seine Knochen gravieren können. 

 

Ich glaube nicht, dass ich dich jemals aus mir bekommen werde …

 

Und Neji hatte das Gefühl, dass dieses Bedürfnis zwischen ihm und Shikamaru den Atem in Bereiche von ihm zurückbringen würde, von denen er gedacht hatte, dass sie das bittere Ersticken seiner Verleugnung nicht überlebt hatten. Er fühlte, wie diese Bereiche jetzt erwachten wie das Regen zarter Wurzeln; Wurzeln, die das Potential hatten, zu etwas unerschütterlich Starkem zu wachsen. 

 

Neji griff nach seinem Hitai-ate und löste es. 

 

Er legte es auf seine schwarzbraune Tasche und trat über die Schatten eines Baumes, der aussah wie ein riesiger Bonsai, der prekär am Rand eines Felsvorsprunges stand. Der Kamm hing über einem Abhang, der hinab in den Wald abfiel, wo die Mönche totes Blattwerk verbrannten und gefallenes Laub zusammenfegten. 

 

Neji setzte sich auf den Grat und fand in den Wurzeln Halt. 

 

Er legte seinen Kopf zurück in die reinigende Liebkosung eines rauchigen Windes. Und es war der Hauch von Rauch, der seine Augen dazu brachte, sich flatternd zu öffnen, an den Ästen über ihm vorbei zu blicken und sich auf die Wolken statt auf die Vögel zu richten, die ihre Freiheit fanden. 

 

‚Die Stärke, die du brauchst, wird nicht zu dir kommen, indem du festhältst.‘

 

Jetzt verstand er es. 

 

Und die Weisheit war erst gekommen, nachdem er fort gelaufen war. 

 

Das Wissen hatte sich schweigend in ihm niedergelassen und dann hatte es damit begonnen, wie Chakra durch jede Faser seines Selbst zu fließen. Er hatte einst geglaubt, dass das Loslassen seiner Kontrolle ihn vollkommen zerbrechen würde und ihn in einen Abgrund stoßen würde, an dem er sich festgehalten hatte…sogar dann noch, als andere Teile von ihm entschwanden.

 

Er hatte recht gehabt, was das Zerbrechen anging, aber hatte falsch gelegen, wenn es um diese Kante ging. 

 

Denn als er losgelassen hatte, hatte Shikamaru durch- und ihn festgehalten.

 

‚Ich bin bei dir…lass los…‘

 

Neji breitete die Arme aus, streckte seine Finger und ließ das sich aufbauende Chakra über und durch ihn fließen; mit einer Macht und Wärme, die es niemals zuvor besessen hatte. Er spürte, wie es durch die Risse rauschte, die er einst so energisch zu blockieren versucht hatte; bevor Shikamaru sie durchbrochen hatte.

 

‚Du hast ihn deine größte Schwäche genannt. Aber er hat dich zu deiner größten Stärke gebracht. Vergiss das nicht.‘

 

Er konnte es nicht vergessen.

 

Denn er fühlte es; ein Schmerz und ein Kummer und eine Antwort tief in seiner Brust. 

 

Ich werde es niemals vergessen.

 

Neji lächelte leicht und fand ein ergreifendes Empfinden von Frieden hinter dem Schmerz und dem Kummer; das Empfinden, tiefer gefühlt zu haben, als er jemals gedacht hätte, dazu in der Lage zu sein. Was Shikamaru ihm gegeben hatte war in jeder Vene, jeder Faser, jeder Sehne seines Selbst und in jeder Saite seines Herzens; es zirkulierte in seinem Blut und brannte an Orten, die viel zu lange viel zu kalt gewesen waren. 

 

Es schmerzte und es heilte und es hielt ihn zusammen in der Sekunde, in der er losließ. 

 

‚Lass los…‘

 

Mit einem Herzschlag ließ er die Erinnerung an diese Stimme los. 

 

Und alles, was er tat, war, zu atmen…

 

 
 

~The End~
 

 
 

~❃~

 

 

 

 

Und an diesem Punkt...weiß ich nicht wirklich, was ich sagen soll...
 

Ich weiß, dass das mit Sicherheit nicht das Ende, dass sich der/ die ein oder andere - oder vielleicht auch viele von euch erhofft hatten. Aber ich schließe mich meiner Freundin Rayne an: Eine Geschichte muss so beendet werden, wie sie beendet werden will. 

Ich hoffe trotzdem SEHR, dass euch die Reise gefallen hat...Gott, ich kann nicht glauben, dass es vorbei ist und ich bin wirklich etwas wehmütig. Ich würde mich natürlich wieder SEHR über Meinungen zum Abschluss der Geschichte und der Story ganz im Allgemeinen freuen!! <3
 

Ich bedanke mich für alle Favoeinträge, alle Kommentare und auch jeden einzelnen Aufruf! Eure Unterstützung hat dieses Projekt erst zu dem gemacht, das es ist! DANKE! <3

Ein riesiges Danke geht natürlich auch an die liebe Rayne dafür, mich zu einem aktiven Teil ihrer unglaublichen Welt werden zu lassen! Thank you my dearest friend! <3

Vielen vielen Dank an alle, die mich auf diesem Weg begleitet haben und Danke an alle, die sich mit BtB von dieser Reise verabschieden werden. Und ich freue mich natürlich noch viel mehr über jeden, der mich auf dem weiteren Weg von Shikamaru und Neji begleiten wird. Wie schon mal angedeutet, als nächstes geht es auch erstmal etwas lockerer und humorvoller zu. Mal sehen wie ich mich dabei so anstellen werde, wenn ich Komödiantisches schreibe :D
 

Ich weiß, dass es immer noch ein paar unbeantwortet Fragen gibt, allen voran: Was ist Shikamaru zugestoßen?

Diese Frage und andere werden in den kommenden Teilen der Serie nach und nach beantwortet werden und in diesem Zusammenhang will ich noch für alle, die sich ein richtiges Happy End für Shikamaru und Neji gewünscht haben darauf hinweisen: Es kommen noch drei Teile und in allen spielen Shikamaru und Neji die Hauptrolle. Mehr sage ich dazu nicht, aber ich denke, ich muss auch nicht sagen, dass es sich bei Shikamaru und Neji hier nicht um eine 'sugarcoated Lovestory' handelt und ich möchte kurz zitieren: 

 
 

"Es war kein märchenhafter Wandteppich, der ein fragiles Versprechen flocht.

Es war nicht perfekt, schön oder ‚glücklich bis an ihr Lebensende‘.

Die Fäden waren innerste Gefühle, Sehnen, Venen und Nerven.

Es war rot und roh und rau an den Rändern.

Es war echt…"
 

Was mich auch zu der Antwort auf eine Frage führt, die mir bereits öfters zu der Geschichte gestellt wurde: "Gibt es ein 'Ich liebe dich' zwischen den beiden?"/"Lieben sich Shikamaru und Neji jetzt eigentlich oder nicht?" - Es stimmt, es gibt kein direkt ausgesprochenes Liebesgeständnis zwischen den beiden, aber definitiv JA, sie lieben sich und diese Tatsache wird auf ihre ganz eigenen Arten und Weisen kommuniziert. 
 

Eine weitere Frage an mich, die ich hier noch kurz beantworten will, war, ob ich Shikamaru und Neji in einem anderen Pairing in einer FF schreiben würde. Ich habe eine FF am laufen, in der Itachi und Neji ein Pair sind. Allerdings wird das mit Sicherheit die einzige bleiben. Wie ich schon mal in einem Nachwort zu einem Kapitel gesagt habe: Ich werde mit dem ShikaNeji Schiff untergehen - für mich gibt es (vor allem im Original Narutoversum) keine anderen Partner für den jeweils anderen. Was aber nicht bedeutet, dass ich nicht gerne Geschichten dazu lese. 

Ich selbst werde aber kein anderes Ship zu den beiden schreiben! Ich war zwar früher auch ein Fan von Temari, aber nein, auch das geht für mich nicht mehr. Ein Pairing, das mich reizt zu schreiben wäre KakaIta...mal sehen, ob das mal was wird, aber jetzt kommt erstmal der Rest der BtB Serie ;) 
 

Vielen Dank nochmal an euch alle, meine lieben Unterstützer/innen und hoffentlich auf bald bei 'On the Cusp'!

 
 

~Scatach~
 



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Von:  Kuro_Kami
2021-10-12T19:17:44+00:00 12.10.2021 21:17
♥️ Ich liebe diese Reihe
Antwort von:  _Scatach_
13.10.2021 15:09
Hey, wie schön, dass dir die Reihe so gefällt! <3 Es freut mich mega, dass du auf der Reise dabei bist! :)
Von:  cutestrawberry
2021-07-13T12:02:51+00:00 13.07.2021 14:02
Hach, schade, dass es vorbei ist. Das ist auf jeden Fall eine Geschichte, die ich häufiger lesen werden.. sie hat mir wirklich sehr gut gefallen!

Das Ende passt fantastisch zu diesem Teil. Ich fände es doch unglaubwürdig, wenn sie sich jetzt liebend in den Armen liegen würden. Dazu ist doch zu viel passiert und es muss erstmal etwas Gras über die Sache wachsen. Ein anders Ende würde auch gar nicht zu den Beiden passen. Außerdem ist es ja sowas wie ein Happyend. Sie gingen immerhin friedlich auseinander und haben sich etwas ausgesprochen. Ich finde auch gar nicht, dass es große Liebesbekundungen oder so was braucht. Es war, zumindest für mich, komplett klar, dass sie etwas füreinander empfinden. Das Aussprechen dieser Tatsache hätte es nicht realer gemacht, als es so schon ist. Ich denke auch, dass Beiden klar ist, dass da mehr ist und was es sein wird.

Ganz fantastisch finde ich auch, wie sich Nejis Charakter im Laufe der Geschichte bzw der Zeit entwickelt hat. Das er zum Schluss seinen Frieden gefunden hat, gönne ich ihm von Herzen. Ich bin dankbar, dass es mit Neji endete. Das passt wirklich perfekt!

Ich hoffe, dass Shikamaru im Laufe der nächsten Teile seinen Frieden finden wird. Hm... Ich bin gespannt, wie sehr sich die nächsten Teile am Manga/Anime orientieren... :/ Das hier spielte ja vor dem Zusammentreffen mit Hidan und Kakuzu... Uiuiui. Ich bleibe auf jeden Fall dran und auch dir als Leserin erhalten. Du hast mich wirklich überzeugt. :D

Du hast es mir auf jeden Fall schwer gemacht, noch andere PartnerInnen an Nejis oder Shikamarus Seite zu akzeptieren... Aktuell passen die beiden für mich einfach am Besten zusammen... Ist noch Platz auf deinem ShikaNeji-Schiff? :,D

Bis zum nächsten mal. LG, Moni ☀️

Antwort von:  _Scatach_
14.07.2021 23:45
Jaaa, ich war auch unglaublich wehmütig, als es vorbei war...mein einziger Trost war wirklich, dass ich direkt mit 'On the Cusp' weiter machen konnte :D
Wie schön, dass du die Geschichte sogar öfters lesen willst, das ist ein riesiges Kompliment!! <3

Ah wie toll, dass dir das Ende gefallen hat und dass du ein so richtiges Happy End als unglaubwürdig angesehen hättest - genauso wäre es mir nämlich auch gegangen, das hätte einfach nicht gepasst...
Und ja, es ist kein richtiges Happy End, aber auch nicht das Ende einer klassischen Tragödie...es ist auf seine eigene Weise bittersüß. Schön auch, dass offenbar rausgekommen ist, was die beiden füreinander empfinden und wie tief diese Gefühle wirklich gehen.

Awww, vielen Dank, es freut mich, dass die Nejis Charakterentwicklung gut gefallen hat! Er macht hier wirklich einen enormen Prozess durch und es ist toll zu lesen, dass der offensichtlich auch gut dargestellt wurde.

Ahja, in gewisser Weise hat auch Shikamaru seinen Frieden gefunden, als er den Vogel freigelassen hat. Aber es schmerzt ihn eben immer noch extrem...was aber nicht heißt, dass es Neji nicht schmerzt...er geht nur anders damit um und kann es besser kontrollieren.
Vielen vielen Dank, dass du mir als Leserin erhalten bleiben willst! Das freut mich mega!! <3 Die Geschichten sich alle sehr am Canon von Naruto, allerdings werden keine Ereignisse der Serie explizit in der BtB-Serie behandelt oder dargestellt.

Hach ja, irgendwie freut es mich, dass ich nicht die einzige bin, die Shikamaru und Neji voll und ganz verfallen ist und sich niemand anderen mehr an ihrer Seite vorstellen kann ;) Und selbstverständlich: auf meinem ShikaNeji-Schiff ist immer Platz, komm gerne an Bord!! <3

Vielen vielen Dank für all deine Reviews und deine unglaubliche Unterstützung!! <3
Ganz ganz liebe Grüße,
Scatach
Von:  cutestrawberry
2021-07-13T08:28:09+00:00 13.07.2021 10:28
Wow, ich finde, dass dir das Kapitel wieder großartig gelungen ist. Ich war emotional komplett mitgerissen, ich hatte bei einigen Szenen wirklich Tränen in den Augen. ;_;

Ich finde es stark von Neji, dass er sich selbst eingesteht, dass er nicht von Shikamaru loskommt und er seine größte Schwäche ist. Noch stärker finde ich tatsächlich, dass er es auch so Shikamaru mitteilt. Es erforderte schon Mut seinerseits, seine Gefühle so offen zu zeigen. Andererseits finde ich es Shikamaru gegenüber schon unfair, ihm dieses Geständnis zu machen, nachdem er ihre "Beziehung" beendet hat. Es zeigt aber auch deutlich, dass Neji nicht von Shikamaru loskommt und anders herum ist es ja auch so.
Ich mag die letzte Szene am See zwischen den beiden besonders. Hier wird nochmal deutlich aufgezeigt, wie schwer es für beide Seiten ist. Für mich bleibt aber auch die Hoffnung zurück, dass sie sich doch nicht entgültig voneinander verabschieden.

Die Szene mit Ino und Kotestu war für meinen Geschmack genau richtig platziert, so nach der "Trennung" und Nejis Erkenntnis, dass er ohne Shikamaru keine Ruhe mehr findet. Hach, es war wie Balsam für die Seele <3

Ich freue mich sehr darauf, das nächste Kapitel zu lesen. Bis später ❤️
Antwort von:  _Scatach_
14.07.2021 23:37
Awww vielen vielen Dank, es freut mich mega, dass du das Kapitel so gut gelungen findest :) Schön, dass ich dich emotional so abholen konnte ;)

Ja, für Neji ist das auch wirklich ein enormer Schritt! Klar ist es für Shikamaru hart, das zu hören, nachdem sie sich 'getrennt' haben, aber Shikamaru war eigentlich auch von Anfang an klar, dass es so wie es war nicht funktionieren konnte. Was aber natürlich nicht heißt, dass die beiden jetzt einfach so voneinander lassen können...
Schön, dass dir die Seeszene so gut gefallen hat! Sie ist wirklich ein sehr emotionaler Moment für beide.

Ah, freut mich, dass die Szene mit Kotetsu und Ino nicht deplatziert wirkt ;)

Vielen vielen Dank für dein liebes Review! <3
Ganz liebe Grüße,
Scatach
Von:  Lady_Ocean
2021-07-10T19:57:37+00:00 10.07.2021 21:57
Es ist ein passendes Ende für den ersten Teil dieser Reihe. Nach den Entwicklungen in den letzten Kapiteln habe ich nicht damit gerechnet, dass es hier einen endgültigen Abschluss geben wird. Neji hat große Fortschritte mit dem Aufarbeiten seiner Psyche gemacht. Shikamaru kämpft ebenfalls darum, Normalität zurückzugewinnen. Aber es ist zu viel passiert, zu Intensives ist passiert, als dass so schnell alles aufgeräumt werden könnte und beide ohne weitere Sorgen wieder glücklich zueinander finden. Aber vieles wurde in diesem letzten Kapitel noch aufgeräumt.
Ich habe mich gefreut, dass der Falke wieder vorkam. Dass er sich ebenfalls so gut erholt hat. Das arme Tier hat es so was von verdient, endlich gesund zu sein. Und auch wenn Shikamaru ihn ständig ein großes Ärgernis oder lästig nennt, brauchte er diesen Falken einfach. Er brauchte es, diesmal zu sehen, dass eine Heilung gutgehen kann. Ich frage mich, ob es ihm nicht auch zunehmend schwerer geworden ist, ihn nicht "Neji" zu nennen. Und ich habe eigentlich damit gerechnet, dass das Tier nicht einfach davonfliegt, wenn es wieder gesund ist. Wahrscheinlich wird es sich künftig angewöhnen, sich seine Beute wieder selbst zu jagen, aber er wird wohl dennoch bei Shikamaru bleiben wollen. Und das ist diesmal seine eigene, freie Entscheidung. Er weiß, dass er jederzeit weg könnte. Aber er will nicht. Und das ist wahre Freiheit. Ich frage mich, ob das mit reinspielt, als Shikamaru schließlich gelacht hat. Auf jeden Fall ist es das, was Shikamaru sich für Neji wünscht.
Und dass Asuma wieder da war, war ein weiteres kleines Highlight für mich. Als er dort vor dem Shogi-Haus stand, hatte ich so gehofft, dass er auftaucht. Und als Shikamaru dann die Rauchschwaden seiner Zigarette wahrgenommen hat, hab ich innerlich aufgequietscht. Ich mag ihn als Shikamarus Gesprächspartner sowohl weil sich Shikamaru ihm öffnen kann als auch weil er einen erfrischenden Humor hat. „Es ist viel zu früh für dich, um schon wach zu sein; und viel zu früh für mich, jetzt schon wieder mit dem Rauchen aufzuhören." - Kein Wunder, dass Shikamaru gut mit ihm reden kann. Auch vom Humor her liegen sie auf einer ähnlichen Wellenlänge, was? Vielleicht kam das auch dadurch, weil sie einfach so viel Zeit miteinander verbracht haben. Weil Asuma seinem Schützling auf eine ganz besondere Art zugehört hat. Und die Lebenslektion, die er Shikamaru am Ende mit auf den Weg gibt (dass Shikamaru überhaupt so aktiv um Rat bittet, war sehr bewegend), ist so wahr und damit so schmerzhaft. Und toll, wie sie über die Metapher des Rauchens so nahtlos über das gesprochen hat, was Shikamaru in Wahrheit so tief bewegt.
Auch dass der blinde Mönch wieder aufgetaucht ist, war echt toll. Hier fiel besonders deutlich auf, wie viel ruhiger Neji inzwischen geworden ist. Wie viel er mittlerweile über sich selbst verstanden hat. Dass er den Zorn in seinem Innern erkannt hat und auch weiß, dass das nicht gut ist und er was dagegen tun muss. Dass er seine Atmung inzwischen unter Kontrolle hat. Atmen ist ja auch so ein Motiv, das sich durch die komplette Geschichte gezogen hat und allmählich von Neji auf Shikamaru übergegangen ist. Ich glaube, inzwischen hat Neji seine Atmung wirklich unter Kontrolle. Vielleicht wacht er mittlerweile nicht einmal mehr nachts um vier auf und bekommst Angstzustände. Bei Shikamaru hingegen hat sich das 4-Uhr-Zeitfenster total in seinen Geist eingraviert. Ich habe das Gefühl, das wird sich erst wieder beruhigen, wenn Shikamaru die Gewissheit hat, dass Neji um diese Uhrzeit keine Panikattacken mehr bekommt.

Am beeindruckendsten war aber natürlich die letzte Nacht, die Shikamaru und Neji gemeinsam am See verbracht haben. Die ganze Szene war irgendwie ein großer Widerspruch. Sie sitzen da die ganze Nacht Schulter an Schulter, Bein an Bein nebeneinander, brauchen und genießen die Nähe und Wärme, die sie einander spenden, während sie gleichzeitig darauf bedacht sind, nicht wieder dieses Feuer zwischen sich aufflammen zu lassen.Sie unterhalten sich so ruhig (und die Frage nach den Niju Shotai! Dazu muss ich gleich noch was loswerden), aber dann schwenkt die Stimmung so schnell um, als Shikamaru anfängt, bissig zu werden ("Es interessiert dich nicht, was mich interessiert, erinnerst du dich?"). Da kippt die Stimmung für einige Augenblicke ganz gewaltig, aber als Neji Anstalten macht, seine Stirn zu massieren und ihm die Kopfschmerzen etwas zu nehmen, lässt er die Zärtlichkeit der Berührung wieder ohne jede Zurückweisung zu. Shikamaru ist im Moment innerlich total zerrissen. Und nicht einfach bloß, weil sein Herz was anderes will als sein Kopf, sondern weil sein Herz alles Mögliche gleichzeitig will, würde ich sagen. Ein Teil von ihm sehnt sich nach Neji. Ein Teil fühlt sich schuldig und will Buße tun, weil er ihn und damit ebenso sich selbst so sehr verletzt hat. Ein Teil von ihn ist wütend auf Neji für den Schmerz, den dieser ihm physisch wie psychisch zugefügt hat (z.B. Nejis Satz, dass er zum ersten Mal gar nichts mehr fühlt. Der Schmerz darüber wird wahrscheinlich noch nicht verklungen sein). Und das alles rast ungefiltert durch Shikamarus Venen, weil er all das nicht verstehen, sortieren, zähmen will. Das muss unglaublich anstrengend sein. Wenn ich mir das so ansehe, glaube ich, dass Neji mit dem Aufarbeiten seiner Probleme im Moment deutlich weiter ist als Shikamaru (bzw. bei Shikamaru fangen die Probleme wahrscheinlich gerade erst an. Neji hat eine schlimme Wunde wieder aufgerissen. Shikamaru wird sicher versuchen, die wieder in den Tiefen seines Unterbewusstseins einzuschließen, aber ob es ihm noch einmal gelingt? In Moment zehrt das, was da unter der Oberfläche lauert, bestimmt zusätzlich an seinen Nerven).
Enorm fand ich z.B. auch den Gedanken: "Ich glaube nicht, dass ich dich jemals aus mir bekommen werde …" So lange Zeit hat Neji sich daran aufgerieben, dass Shikamaru unter seiner Haut ist, hat versucht, ihn da irgendwie wieder wegzukriegen. Im letzten Kapitel hat er damit endlich seinen Frieden geschlossen. Und nun denkt er sogar weiter Richtung Zukunft und schließt im Prinzip dauerhaft seinen Frieden damit. Auch wenn es ein irgendwie trauriger Frieden ist, weil dieses "Unter-die-Haut-gehen" momentan mit so viel Schmerz verbunden ist. Und Shikamaru geht es in diesem Punkt auch nicht besser, wie das Gespräch zwischen ihm und Asuma gezeigt hat ("Wie schafft man es dann, dass es verschwindet?", "Und was ist, wenn man nicht loslassen kann?").
Und ich fand es toll, dass das Gespräch am See noch mal auf die Niju Shotai zurückkam. Ich hätte es Neji gewünscht, dass er den Grund hinter Shikamarus Entscheidung erfährt. Aber es war klar, dass Shikamaru nicht damit rausrücken wird. Na ja, wenn Neji es erfahren hätte, hätte es ihm nur einen weiteren Stich versetzt. Einen heftigen. Shikamaru hat sich damit in Ketten legen lassen, um eine Chance zu erhalten, um Neji zu retten. Und Freiheit ist ein Thema, auf das Neji sehr empfindlich reagiert. Shikamarus Freiheit war bisher noch kein Thema, aber ich glaube, dass es ihn ebenso mit einschließt wie sich selbst. Denn: Er ist unter Nejis Haut.
Es ist schon traurig genug, dass es für Neji nach wie vor keine anderen Optionen gibt als den Hyuga-Käfig gegen den ANBU-Käfig einzutauschen. Es ist keine wirkliche Freiheit. Es wird ihn längerfristig nicht freier atmen lassen. Ich wünsche ihm so sehr, dass sich im Laufe der Zeit weitere Möglichkeiten für ihn auftun, Möglichkeiten, die wahre Freiheit ermöglichen.

Und der Abschluss der Geschichte war ein wahrhaft würdiges Ende für den ersten Teil. Es war so schön, wie Neji noch einmal Shikamarus Frage aufgegriffen hat: "Habe ich dich jemals gefunden?" - "Jedes Mal, Shikamaru."
Auch wenn es schade ist, dass Neji seine Antwort so unkommentiert wiederholt, dass Shikamaru keine Ahnung hat, was er meint. Vielleicht kommt Shikamaru ja später drauf. Er ist ja clever. Aber wenn ich in seiner Haut stecken würde und mir würde irgendwann der Gedanke kommen, dass das vielleicht die Antwort auf meine damals gestellte Frage war, würde ich diese Möglichkeit als Wunschdenken verwerfen.
Ach je... Es gibt so vieles, worüber sie mittlerweile miteinander sprechen können. Und dennoch gibt es noch so viel Unausgesprochenes. Shikamaru kann das mit den Niju Shotai nicht sagen, Neji nicht über seine wahren Gefühle sprechen. Es ist wirklich noch ein weiter Weg, bis inmitten all der Trümmer, die in und zwischen ihnen herrschen, etwas Neues erbaut wurde, das Stabilität für sie beide bringt. Und wenn man die Umstände bedenkt, in denen sie feststecken (Hyuga-Clan/ANBU, Niju Shotai, Shikamarus Trauma, die Tatsache, dass sie Shinobi sind, Shikakus unter der Oberfläche schwelende Rache), dann wird es auch kaum möglich sein für sie, eine solide gemeinsame Basis zu bauen. Deshalb freue ich mich schon sehr auf die kommenden Teile und warte gespannt auf all das Drama, das noch kommen wird. Und hoffe natürlich auf weitere Unter-die-Haut-Momente, in denen sich Shikamaru und Neji erneut finden werden. :)
Antwort von:  _Scatach_
11.07.2021 13:32
Es freut mich sehr, dass du das Ende für den ersten Teil als passend erachtest. Es war schon eine kleine Sorge, dass es bei den Leser/innen nicht so gut aufgenommen wird, weil es ja doch nicht so ein richtiges Happy End ist, aber das hätte irgendwie auch nicht gepasst finde ich.

Ja, es ist definitiv zu viel passiert, als dass sie beide jetzt einfach wieder zur Normalität zurückkehren könnten...

Ich glaube, für Shikamaru wäre es zu hart, den Falken wirklich Neji zu nennen. Für ihn ist es wichtig, dass bestimmte Dinge abstrakt bleiben. Das ist ja auch mit ein Grund, weswegen er nicht verstehen will, was das zwischen ihm und Neji ist. Und ähnlich verhält es sich bei dem Falken. Wobei der Falke tatsächlich zumindest noch so eine Art Namen bekommen wird ;)

Ja, Asuma ist wirklich sehr wichtig für Shikamaru und sie verstehen sich einfach unglaublich gut, da hast du völlig recht und sie teilen eben auch die gleiche Art Humor.
Für Neji war die Begegnung mit dem Mönch auf jeden Fall nochmal sehr sehr wichtig, um eben, wie du sagst, diesen Zorn in sich unter Kontrolle zu bekommen.
Mh, ja, das mit dem nachts aufwachen hat sich auf jeden Fall auf Shikamaru übertragen, das stimmt leider :/

Freut mich, dass dir die Szene am See so gut gefallen hat! Es ist für sie beide auf jeden Fall eine sehr schwere Situation, weil es eben wie du sagst, recht ambivalent ist. Sie wissen einfach beide nicht so recht, wie sie damit umgehen sollen und reagieren dann in manchen Momenten auch etwas heftig. Für Shikamaru ist es auch wirklich noch eine Spur heftiger, einfach weil er weniger kontrolliert ist als Neji. Was aber auf keinen Fall heißen soll, dass Neji das einfach so wegstecken kann...denn das kann er ganz sicher nicht!
Und ja, für Shikamaru fangen die Probleme jetzt erst so richtig an...der junge Nara hat auf jeden Fall noch einiges vor sich!
Ja, noch ist dieses 'Unter der Haut sein' mit viel Schmerz verbunden, aber im Grunde will Neji Shikamaru auch gar nicht aus sich heraus haben, denn Shikamaru hat ihm einen Frieden und eine Freiheit gezeigt, die er noch nie zuvor erlebt hat.
Mh, die Nijū Shōtai...nein, da hält Shikamaru wirklich dicht! Und ein Grund dafür ist genau das, was du angesprochen hast. Er würde nicht wollen, dass Neji sich schuldig dafür fühlt, dass Shikamaru jetzt an diese Verpflichtung gebunden ist

Oja, es gibt extrem viel Unausgesprochenes zwischen ihnen, das sie aber auch ganz bewusst niemals ansprechen würden. Einfach weil es die Dinge dann zu konkret und damit zu kompliziert machen würde, was vor allem Shikamaru vermeiden will.
Im Moment ist es wirklich unmöglich unter den Umständen eine Beziehung aufzubauen und du hast einen Punkt angesprochen, der dabei von zentraler Bedeutung ist, aber hier noch gar nicht so offensichtlich eigentlich - Shikaku ;)

Ich freue mich sehr, dass dir die Geschichte so gefallen hat und möchte mich für all die vielen unglaublich tollen Kommentare bedanken, ich habe mich über jeden Einzelnen riesig gefreut!! :)
Das erste Kapitel von 'On the Cusp' ist schon online und ich würde mich natürlich mega freuen, wenn du auf der Reise dabei bist, aber wie ich schon gesagt habe: Ich würde total gut verstehen, wenn du mit den englischen Teilen weiter machen willst.

Auf jeden Fall nochmal vielen vielen Dank für diese Einblicke, die du mir gewährt hast, das hat mich abartig gefreut!! <3
Ganz liebe Grüße,
Scatach
Antwort von:  Lady_Ocean
13.07.2021 21:27
Ich glaub, die Leser, die hier bis zum Ende gespannt mitgelesen haben, erfreuen sich alle an der Tiefe der Problematik. Wenn es da ein abruptes Happy End gegeben hätte, wäre das enttäuschender gewesen. :) Außerdem wissen wir ja, dass wir uns auf Teil 2-4 freuen können. :D

Das denke ich auch, Shikamaru hätte den Falken niemals "Neji" genannt. Einerseits wäre es zu hart gewesen, andererseits denke ich, dass es ihm auch zu theatralisch oder zu dick aufgetragen wäre, wenn er Nejis ganzes Wesen in dieses Tier gelegt hätte. Das wäre zu definiert. Das würde seinem Wunsch, dem, was da zwischen ihm und Neji ist, keine feste Form zu geben, zuwiderlaufen. Außerdem ist das, was Shikamaru in dem Falken an Neji erinnert, nur ein Bruchteil dessen, was Neji alles ausmacht.

Auf "On the Cusp" freue ich mich auf jeden Fall auch schon! Das werde ich die nächsten Tage anfangen zu lesen. :D Vielen, vielen Dank, dass du damit so schnell bist. Es ist unglaublich toll, so schnell weiterlesen zu können. Morgen Abend sitz ich wieder im Flugzeug. Da hab ich dann Zeit und Ruhe, die ersten zwei Kapitel zu lesen. Von "Break to Breath" hab ich auch den Großteil während des Flugs gelesen. :D

Viele liebe Grüße
Antwort von:  _Scatach_
14.07.2021 23:34
Das hoffe ich auf jeden Fall! Aber bisher habe ich nichts wirklich Negatives gehört. Nur eine sehr emotionale Leserin auf FF.de hat mir vorgeworfen, dass ich sie so zum Heulen gebracht habe wie noch nie zuvor und dass sie mir alle zukünftigen Rechnungen für Taschentücher schicken wird xD Aber eigentlich seh ich das eher als Kompliment. Ich freu mich immer mega, wenn ich es schaffe, so tiefe Gefühle in den Lesern/innen hervor zu rufen!

Aber ich stimme dir zu...ein so schlagartiges Happy End wäre mehr als unglaubwürdig und eben auch irgendwie enttäuschend gewesen...

Da hast du ganz recht! Es ist genau das, dass Shikamaru es einfach braucht, bestimmte Dinge ohne Definition einfach so belassen zu können wie sie eben sind, ohne wirklich darüber nachdenken zu müssen. Und ja, der Falke macht symbolisch ja wirklich nur einen Bruchteil von Neji aus.

Oh Gott, ich bin gerade so happy, dass du On the Cusp hier lesen willst!! <3 Das dritte Kapitel kommt morgen ;)
Ich gebe mir auf jeden Fall Mühe, den schnellen Uploadrhythmus so gut wie möglich aufrecht zu erhalten ;)

Vielen lieben Dank für deine Worte und ganz liebe Grüße,
Scatach <3
Antwort von:  Lady_Ocean
18.07.2021 06:36
Also das ist doch mal ein riesen Kompliment, wenn die Geschichte einen so berührt hat, dass man beim Lesen Rotz und Wasser heult. Ich hab so geflennt, als bei Harry Potter Sirius gestorben ist. Musste mir ständig die Augen abwischen, weil die Schrift immer verschwommen ist. :D Ist mittlerweile aber auch schon so viele Jahre her... Ich glaube, damals war ich noch in der Schule. Aber auch wenn ich seither beim Lesen nicht noch mal so einen Gefühlsausbruch erlebt habe, spüre ich nach wie vor, wie mich gute Geschichten (wie diese hier) mitreißen und noch sehr lange nicht mehr loslassen. Ich hab mit "On the Cusp" auch schon angefangen, kam nur leider noch nicht zum Kommentieren. Hoffentlich schaff ichs heute! :D Muss nur erst mal noch etwas Arbeit erledigt bekommen.

Ich persönlich finde, das Problem mit Definitionen ist auch, dass sie immer irgendwo Abstriche machen. Das ist natürlich praktisch, wenn sich ein Gegenstand klar umreißen lässt. Aber wenn es um Gesellschaften oder Emotionen geht, wird unweigerlich irgendwo was zu sehr verallgemeinert, anderes wird abgeschnitten (z.B. warum Menschen für oder gegen eine Impfung sind. Welche Gruppen unter welchen Bedingungen bevorzugt geimpft werden sollen - um mal ein ganz aktuelles Beispiel zu geben. Oder unter welchen Bedingungen jemand staatliche Hilfe wie Sozialleistungen oder Bafög oder so beziehen darf. Da gibts immer Leute, die durch die Lücken der Definition fallen, andererseits hat man auch Gewinner in solchen Systemen, Missbrauchsgefahr besteht ebenso. Kein Wunder, dass einem am Ende immer alle aufs Dach steigen). Und ich denke, deswegen will Shikamaru da nichts greifen oder definieren. Würde er damit anfangen, würde die Definition sofort ausufern in dem Versuch, all die Facetten einzufangen, die da hineinspielen. Aber damit würde der Mehrwert des Definierens zusehends verschwinden. Das ist einfach zu müßig.
Von:  SasukeUzumaki
2021-07-10T19:43:47+00:00 10.07.2021 21:43
Hey Scatach 😃

Ich habe es mir wirklich anders gewünscht aber ich weiß es es noch weitere Teile kommen also werde ich weiter hoffen 😅 aber es ist dennoch ein perfektes Ende für diesen Teil der Geschichte. Und dadurch das du schon sagtest das sie sich lieben bin ich durch und durch glücklich. 😍

Es hat riesigen Spaß gemacht zu lesen. Ich habe wirklich mit den beiden gelitten. Ich glaube keine Geschichte hat mich je so berührt wie diese hier. Du hast wirklich alle Kapitel mega geschrieben. Shika und Neji sind wirklich seitdem mein lieblings pairing. Hat SasuNaru eindeutig vom Thron gestoßen. 🙈

Mein Mann hat sich schon immer beschwert wenn ich ein Kapitel gelesen habe, dass ich nichts mehr mit bekomme, aber hey ist doch komplett verständlich bei dieser richtig heilen Story. 😂🤗

Ich freue mich mega auf die nächsten Teile und kann es kaum erwarten das es los geht 🤩

Ich werde die Reise bist zum bitteren Ende mit dir gehen. Komme was wolle. ❤

Ganz ganz liebe Grüße

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
11.07.2021 13:14
Huhu :)

Haha, ja ich denke da bist du nicht die Einzige, die sich ein anderes Ende gewünscht hätte :) Aber wie du schon gesagt hast, es kommen ja noch ein paar Teile ;)
Freut mich aber sehr, dass dir das Ende für die Geschichte trotzdem gefallen hat!

Vielen Dank, dass du mich auf ihrem Weg begleitet hast und danke für all die tollen Kommentare! <3
Gott und was für ein Kompliment, wenn du sagst, dass dich noch nie eine Geschichte so berührt hat wie diese! Danke!! <3 Und dass Shikamaru und Neji auch noch zu deinem Lieblingspair geworden sind...Wahnsinn!! Danke!! <3

Haha, sorry an deinen Mann :D
Schön, dass du auch bei den nächsten Teilen dabei sein willst :) Das erste Kapitel zu Teil zwei ist gerade online gegangen ;)

Es ist soooo schön, dass du die Reise bis zum Ende mit mir gehen willst!! Vielen vielen Dank dafür!! <3

Ganz liebe Grüße und bis bald bei 'On the Cusp'
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-07-10T19:23:47+00:00 10.07.2021 21:23
Tolles Ende ,sie sind Beide an ihren Erfahrungen, die sie geteilt haben ,gereift .
Sie haben sich gegenseitig stark gemacht ,obwohl es oft sehr hart für sie war.
Schade das es vorbei ist .Trotzdem danke für die unterhaltsamen Stunden .
Antwort von:  _Scatach_
11.07.2021 13:11
Hey freut mich, dass dir das Ende gefallen hat! :)
Ja, ich bin auch etwas wehmütig, dass die erste Geschichte der beiden zu Ende ist, aber es geht ja noch weiter mit den zwei. :)
Danke, dass du mich auf dieser Reise begleitet hast!
Von:  Lady_Ocean
2021-07-10T17:38:12+00:00 10.07.2021 19:38
Ich fange vielleicht mal mit den kürzeren, einfacheren Episoden an, bevor ich mich der komplexen Dynamik zwischen Neji und Shikamaru widme.

Tsunade. Nach ihrer Ansage an Shikamaru, dass er erst mal gar nichts tun (und sich auf seine zuvor vereinbarten Aufgaben konzentrieren) soll, hat sich mir die Frage gestellt: Warum hat sie Shikamaru dann überhaupt zu sich zitiert? Definitiv nicht, nur um ihm zu sagen, dass sie keine neue Aufgabe für ihn hat. Und das auch noch vor Neji. Wenn zwischen Neji und Shikamaru nicht grad alles so kompliziert wäre, hätte das sehr leicht auch Nejis Neugier wecken können, was das zwischen Tsunade und Shikamaru soll. Meine Vermutung wäre, dass sie ursprünglich vorhatte, Shikamaru zusammen mit Neji nach Hanegakure zu schicken. Neji hatte ja zuvor darum gebeten, die Mission zu erhalten. Dem hat Tsunade ja offensichtlich stattgegeben. Shikamaru als zweite Wahl wäre ebenfalls taktisch klug gewesen. Er hatte die letzte Mission geleitet, es ist daher zu erwarten, dass er momentan den stärksten Draht zu Hanegakure hat und solide Friendensverhandlungen führen kann. Sein wacher Geist wäre da eine weitere nützliche Unterstützung. Aber an der Art, wie sich Neji und Shikamaru in ihrer Gegenwart verhalten haben, ist ihr klargeworden, dass es keine so gute Idee wäre, die zwei zusammen loszuschicken. Also hat sie kurzerhand Neji angewiesen, sich einen Genin seiner Wahl mitzunehmen und Shikamaru einfach so wieder nach Hause geschickt. Und die beiden hatten im Moment wahrhaftig andere Sorgen, als sich um so etwas Gedanken zu machen.

So, jetzt zum Hauptthema. Man merkt ganz deutlich, wie sie beide kämpfen. Das plötzliche Aufeinandertreffen hat ihnen beiden ganz schön den Boden unter den Füßen weggezogen. Bei dem ganzen Anschweigen schwappte die Peinlichkeit und Unsicherheit in fetten Wogen bis zu mir rüber. Auf der einen Seite diese unendliche Sehnsucht nacheinander und Sorge umeinander, auf der anderen Seite diese große Verletztheit, die einerseits von den Wunden herrührt, die sie erfahren haben, andererseits aber von dem Wissen, wie sehr sie selbst den jeweils anderen ebenso verwundet haben. Und gerade Shikamarus Gedanken nach dem Gespräch mit Tsunade, "Ich weiß nicht, wie ich das hier tun soll", haben mir noch mal einen richtigen Stich versetzt. Shikamaru, Konohas bester Stratege, der für jede Situation gewappnet war und verschiedene Handlungsmuster parat hatte, von denen er sich jeweils das passendste aussuchte, war vollkommen und unverblümt verloren. Damit ist für mich wirklich ein Fels in der Brandung zusammengebrochen. Und dann gibt Neji noch eins drauf mit seinem "Weiter als bis hier gehen wir nicht". T___T Ich kann mir vorstellen, warum er das sagt. Warum er versucht, eine Grenze zu ziehen. Die derzeitige Situation ist für sie beide einfach nicht aushaltbar. Und auch wenn Neji (der ja diese Entscheidung getroffen hat) bereits an einem Punkt ist, an dem er spürt, dass Shikamaru mit seinem Verhalten einen Käfig zerstört hat, von dem Neji selbst nicht einmal wusste, dass er da gewesen war; dass nicht nur alles in ihm zerstört, sondern auch etwas Neues erschaffen worden war - so sieht er dennoch auch den Schmerz, den ihre Verbindung heraufbeschworen hat. Und gerade er selbst wird weiterhin große Angst haben, irgendwann erneut die Kontrolle über sich zu verlieren. Bevor und nachdem er Shikamaru die Gehirnerschütterung verpasst hat, hat Neji diese Angst auch mehrmals geäußert. So gesehen verwundert es mich nicht, dass er es ist, der zu diesem Entschluss kommt. Aber es stießt einem einen Dolch ins Herz. Mir wie Shikamaru wie Neji selbst.
Dass Neji diese Entscheidung ebenso schwergefallen ist und verletzt hat, merkt man ja daran, wie er nur wenig später wieder eingeknickt ist. Nach dem Gespräch mit Hiashi und der Mitteilung, dass Shikamaru ihn als einen Freund bezeichnet hat. NACHDEM Neji ihn in einer wahrhaftigen Tötungsabsicht grün und blau geprügelt hat, wohl gemerkt. Nejis Entschluss, Abstand zu Halten, eine Linie zu ziehen, hing von Anfang an an einem seidenen Faden. Und im Prinzip war sein Vorwand, Shikamaru nur noch einmal anzusehen - was dann ja ganz schnell zu einem "nur noch einmal berühren" aufgeweicht ist - ja auch nur etwas Halbherziges, wovon wahrscheinlich auch Neji selbst klar ist, dass das kein Abschied auf ewig wird. Wenn er nach den furchtbar schlimmen Erfahrungen, die so neu und offen in ihnen klaffen, nicht die Kraft findet, Shikamaru fernzubleiben, wie sollte er es dann schaffen, wenn dieser Schmerz mit neuen, schönen Erfahrungen übermalt wird? Selbst wenn es nur eine einzige dünne Schicht ist, unter der all der Schmerz noch immer klar und deutlich zu erkennen ist. Es wird ihn trotzdem wieder umso stärker zu Shikamaru ziehen. Und das beginnt ja jetzt schon. Zuerst hieß es nur "während des Sonnenuntergangs". Am Ende des Kapitels ist bereits "bis(s) zum Morgengrauen" (sorry, ich konnt's mir nicht verkneifen XD) daraus geworden. Klar, dann kommt erst mal die Mission dazwischen und Neji wird für zwei Wochen unterwegs sein. Aber sie werden danach definitiv wieder zueinander finden. Sie suchen viel zu sehr die Nähe des jeweils anderen, als dass tatsächlich einer der beiden auf Abstand gehen oder den anderen gar von sich stoßen könnte. In seinem Herzen hat Neji ja bereits wieder einen großen Schritt auf Shikamaru zugemacht und ist der Frage, wie er mit all dem, was zwischen ihnen ist, einen großen Schritt weiter: "Wenn ich dich nicht austreiben kann…dann werde ich in mir einen Ort für dich schaffen…" Ich war sehr beeindruckt, als ich das gelesen habe. Und das auch noch mit dem Zusatz, dass er diesen Ort selbst dann in seinem Herzen schaffen will, wenn er dafür einen Nagel in sein Herz rammen muss. Dass er dafür einen weiteren schlimmen Schmerz in Kauf nimmt, weil der Wert ihrer Verbindung und Erinnerungen trotz allem einfach so viel mehr wert ist. Es ist Nejis Pendant (und mehr) zu Shikamarus Entschluss, alles, was zwischen ihnen war und ist, so zu lassen, zu erhalten, ohne es analysieren und verstehen zu müssen. Generell fällt es ihnen nach dem ersten Schock, den ihre plötzliche Begegnung bei ihnen beiden verursacht hat, nun wieder deutlich leichter, miteinander zu interagieren. Sie bewegen sich wieder auf vertrauterem Terrain. Vor allem Nejis Erwiderung auf Shikamarus Kommentar, "Bin immer noch kein Hyuga", war episch. :D

Und: Neji hat die kurze Notiz, die Shikamaru ihm dagelassen hatte, nachdem Shikamaru sein Hitai-ate geklaut und versteckt hatte, behalten! Ich hätte nicht erwartet, dass diese Notiz noch einmal auftaucht. Aber wenn ich so hoffnungslos verliebt wäre wie Neji, hätte ich dieses kleine Stück Papier ebenfalls gehütet wie einen Schatz.

Übrigens finde ich das Motiv mit den Stirnen, das sich durch die ganze Beziehung der beiden zieht, auch wunderbar. Es ist eine so subtile und emotionale Geste. Genauso liebe ich aber auch das Bild des Feuers, wie es in so vielen Situationen und damit auch auf so unterschiedliche Arten zum Einsatz kommt - und jedes Mal wieder einfach unglaublich gut passt, wunderbar unterstreicht, welche Emotionen da zwischen ihnen aufflammen.

Und zum Schluss vielleicht noch: Ich bin gespannt, was Ino für Shikamarus Geburtstag plant, dass sie so hartnäckig an seine Haare rankommen muss. Wie Shikamaru rot geworden ist, als Ino ihn festgepinnt hat, war voll süß. Mit Neji zusammen hat er Dinge gemacht, von denen Ino mit Sicherheit nicht einmal zu träumen wagt, aber sobald es irgendeine andere Person ist, legt er solch eine jugendliche Unschuld an den Tag. ^^

Bei der Beschreibung von Tsunades Brüsten musste ich übrigens herzhaft lachen: "Tsunade streckte eine Hand nach dem Stempelkissen aus, wobei ihr Dekolleté über den Tisch zu fallen drohte wie eine der Schriftrollen." - Herrlich!
Antwort von:  _Scatach_
11.07.2021 13:46
So und hier muss ich natürlich auch noch antworten!! :)

Ahja, das mit Tsunade hat sie leider etwas unglücklich geplant...natürlich hat Tsunade Shikamaru nicht herbestellt um ihm zu sagen, dass er nichts zu tun soll. Eigentlich wollte sie mit ihm über die Nijū Shōtai und vor allem seine Aufgabe bezüglich des Akatsuki des Buches sprechen. Da Neji nun aber ungeplant gleichzeitig anwesend ist, ging das nicht mehr. Denn Shikamaru wollte ja ausdrücklich, dass erstens niemand von seinen Beweggründen für die Nijū Shōtai erfährt und er wollte auch nicht, dass Neji von seinem Handel mit Tsunade oder seiner Involvierung mit der Aufklärung zu den Akatsuki weiß. Was Tsunade dann hier aber nur die Option gelassen hat, ihm zu sagen, er solle keine Missionen annehmen und auf subtile Weise hingewiesen hat, dass er ja bestimmt sowieso genug im Kopf hat.
Shikamaru wollte sie aber nicht mit nach Hanegakure schicken.

Schön, dass dieses Unbehagen zwischen den beiden gut rüber gekommen ist und wie peinlich und unangenehm beiden diese Situation ist, vor allem, als sie die Hokage Residenz verlassen.
Ja und für Shikamaru ist es wirklich genau aus den Gründen, die du angesprochen hast, einfach unglaublich belastend...ausgerechnet er weiß nicht, was er tun soll...
Die Entscheidung, diese Grenze zu ziehen, fällt Neji auch alles andere als leicht, im Gegenteil, es schmerzt ihn extrem, was hier vielleicht gar nicht sooo gut rauskommt, weil diese Szene ja aus Shikamarus Sicht geschrieben ist. Aber Neji sieht einfach keine andere Möglichkeit, wie es anders gehen soll, ohne dass beide daran zugrunde gehen.

Es war zumindest als ein Abschied auf ewig beabsichtigt. Natürlich wissen beide, dass sie als Shinobi und dann auch noch im gleichen Alter sich arbeitsbedingt wiedersehen werden. Aber geplant war schon, dass sie das, was zwischen ihnen war hiermit beenden. Aber tief in ihrem Inneren wissen sie natürlich, dass das so einfach nicht gehen wird und dass sich dieses 'Bedürfnis' eben nicht einfach so beiseite schieben lässt. Es ist einfach mehr als Anziehungskraft.

Haha, ja ich habe irgendwie darauf gewartet, dass jemand das Wortspiel mit "Bis(s)" bringt ^^

Die Verbindung zwischen den Beiden ist für Neji tatsächlich etwas unsagbar kostbares und er würde es auch für nichts in der Welt hergeben und verlieren wollen. Was übrigens noch ein wichtiger Punkt für die kommenden Teile der Serie sein wird.

Bewusst hat Neji diese Notiz hier noch nicht behalten. Das war eher unterbewusst oder ein Zufall. Aber er wird sie jetzt auf jeden Fall bewusst aufheben! Sie bedeutet ihm viel und hat für ihn viel Symbolkraft.

Freut mich, dass dir die Symbolik mit dem Feuer so gut gefällt und auch diese Geste mit den Stirnen! :)

Haha, ja Ino und ihre wahnsinnige Planerem ;) Das wird sich dann früh genug bei OtC zeigen ;) Auch, warum sie seine Haare abmessen wollte.
Ja mit Körperlichkeit mit anderen Personen kommt Shikamaru nicht so wirklich gut klar, das stimmt ^^

Haha, freut mich, dass dir das mit Tsunade Brüsten so gut gefallen hat :D

Vielen vielen Dank auch hier wieder für deinen tollen Kommentar!! Habe mich sehr sehr gefreut! <3
Ganz liebe Grüße,
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-07-09T19:09:26+00:00 09.07.2021 21:09
Nach diesem Ende bin ich auf das letzte Kapitel sehr gespannt. Was wird es geben Abschied oder Happy End ?
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 21:20
Ah, diese Frage kann ich dir jetzt leider nicht beantworten :/ Das wäre ja mehr als fies, wenn ich jetzt das Ende vorweg nehmen würde ;)
Von:  SasukeUzumaki
2021-07-09T15:52:09+00:00 09.07.2021 17:52
Hey Scatach 😄

Sorry aber ich kann heute nicht so viel dazu schreiben außer wow ein wirklich tolles Kapitel, der Schluss hat mich einfach nur berührt, das muss ich erstmal verdauen 🥲

Bin gespannt auf das letzte Kapitel 😭❤

Liebe Grüße

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 20:57
Hey :)

Das macht doch nichts, ich freu mich über jedes deiner Worte!! <3 Freut mich sehr, dass dir das Kapitel wieder gefallen hat! Ja, das kann ich verstehen, dass der Schluss dich mitgenommen hat :/

Ich bin schon sehr gespannt, was du zum Abschluss der Geschichte sagen wirst!
Ganz liebe Grüße,
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-07-08T18:40:14+00:00 08.07.2021 20:40
Also ich fasse mich kurz ,Du hast es super hinbekommen, die Gedanken und Gefühle aller Beteiligten aufzuzeichnen.
Nun treffen sie wieder aufeinander und gehen ,von Tonton geführt ,zur Hokage .
Mal sehen was sie mit den Beiden vorhat .
Antwort von:  _Scatach_
09.07.2021 15:30
Awww vielen Dank, es freut mich, dass die Emotionen und Gedankengänge gut rüber gekommen sind!!
Ja diese Tonton...ich muss ehrlich sagen, dass ich sie irgendwie nicht leiden kann xD


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