Zum Inhalt der Seite

Break to Breathe

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

I can't forget it

Der Nara Wald war in zarte Nebelschleier gehüllt und erfüllt von der nächtlichen Symphonie zirpender Zikaden am Boden und dem Rauschen bunter Ahornblätter in den Baumkronen. Glühwürmchen jagten oder schwirrten träge durch die Dunkelheit, glitten wie fallende Sterne in und aus dem Nebel. 

 

Neji beobachtete ihren Tanz durch halb geschlossene müde Augen, seine Fingerspitzen verteilten sachte eine Heilsalbe auf den Brandwunden an seinem Arm.

 

Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so erschöpft gewesen war. 

 

Doch es fühlte sich anders an als die übliche Müdigkeit, die aus exzessiv verbrauchtem Chakra resultierte. Er hatte nicht gelogen, als er vorhin gesagt hatte, er wäre am Ende. Sein Chakra war so niedrig, dass es sich anfühlte, als hätte ihm jemand all sein Blut und sämtliche Mobilität aus dem Körper gesaugt. Die Lebenskraft, über die er immer mit der arroganten Gewissheit verfügt hatte, sie wäre stets da, war vollkommen ausgezehrt.  

 

Seine Müdigkeit resultierte allerdings aus etwas anderem. 

 

Es war ein dumpfer Schmerz, der tief ging, tief bis in seine Knochen und seine Rippen zusammenzog. Er ließ den Hyūga mit dem Gefühl dieser gefährlichen Atemlosigkeit zurück, die er vor zwei Monaten zurückgekämpft hatte. 

 

Nicht jetzt…nicht heute Nacht…ich denke nicht, dass ich mich heute Nacht dagegen wehren kann…

 

Seine Finger verharrten kurz auf seinem Arm, bevor sie den Ärmel des Yukatas wieder nach unten zogen. Der Hyūga saß draußen auf der niedrigen Veranda, getaucht in die Pfütze weichen Lichtes, das dämmrig aus genau dem Gästezimmer fiel, aus dem er vor zwei Monaten spurlos verschwunden war. 

 

Ich sollte nicht hier sein…

 

Er hätte Shikamarus Angebot überhaupt nicht annehmen sollen; aber eine sicherere Alternative hatte er nicht. Doch in jedem Fall verblasste sein geistiges Unbehagen völlig neben dem Schmerz, der sich schleichend in seinen Muskeln ausbreitete. In dem Augenblick, in dem er über die Türschwelle des Nara Anwesens getreten war, hatte sein Körper letztendlich damit begonnen, ihm den Dienst zu versagen. Seine Finger hatten mit diesem beleidigenden Zittern angefangen; es waren kleine, kaum wahrnehmbare Bewegungen. Doch Shikamaru musste es bemerkt haben, denn der Schattenninja hatte sich sofort schweigend – und dankbarerweise ohne eine Szene zu machen – um eine einfache medizinische Versorgung gekümmert. Die ganze Zeit über erschien er dabei beiläufig und unbekümmert.

 

Er sollte sich überhaupt nicht darum kümmern…

 

Doch das tat er. Und Neji wollte nicht daran denken, warum. 

 

Stattdessen ließ der Hyūga etwas die Schultern fallen und schob den Yukata nach unten, um so gut wie möglich etwas Salbe auf seinen geschundenen Rücken aufzutragen. Es war kein kleiner Segen, dass der Nara Clan über eine Fülle an therapeutischen Mitteln und Salben verfügte. 

 

Neji konnte nicht anders, als ein wenig überrascht zu sein. 

 

Immerhin war den meisten Nara Männern diese lustlose Attitüde zu eigen. Sie machte es beinahe unmöglich zu glauben, dass sie wirklich über die nötige Konzentration verfügten, der es bedurfte, um sich solch engagierter Heilungsforschung zu widmen. 

 

Vielleicht sollte er auch eher Shikamarus Mutter danken –  es war schließlich ihr Vorrat an sorgfältig aufbewahrten Medikamenten, den Shikamaru aus ihrem Schrank stibitzt hatte. Dabei kam ihm ein gemurmelter Kommentar über den Lippen, wie lästig die Angewohnheit seiner Mutter war, die Döschen und Salben nicht zu kennzeichnen. Rasch überprüfte Neji die Creme, nur um sicherzugehen, dass er sich nicht irgendetwas Fragwürdiges auf die Schulter rieb. 

 

Ein dumpfer Schlag erscholl von irgendwo aus dem Haus. 

 

„Mist…“

 

Der leise Fluch ließ Neji den Kopf drehen. Die Shoji Tür wurde etwas weiter aufgeschoben und Shikamaru schlüpfte seitwärts nach draußen, ein Tablett präzise auf einer Hand balancierend. 

 

„Du hast Tee gemacht.“, bemerkte Neji, bevor er seinen Blick auf den Garten und anschließend auf die nahen Bäume richtete. „Ich dachte du wolltest nicht den aufmerksamen Gastgeber spielen.“

 

„Du solltest auch kein Drei Gänge Menü erwarten.“, erwiderte Shikamaru gedehnt und stellte das Tablett auf dem sauber gefegten Holz der Veranda ab. „Tee ist das höchste der Gefühle, wenn es um meine Gastfreundlichkeit geht.“

 

Der Hyūga schmunzelte schwach und stellte die Salbe beiseite. „Ich weiß deinen offenkundigen Aufwand zu schätzen.“

 

„Solltest du auch.“ Träge setzte sich Shikamaru, ein Bein ließ er über den Rand der Terrasse baumeln, das andere blieb aufgestellt, um seinen Arm darauf ablegen zu können. „Meine Mom wäre so stolz…“

 

Auch wenn es nicht nötig war, wusste Neji den Humor irgendwie zu schätzen. Es war schon schwer genug für ihn, sich in dieser Position zu befinden – schon wieder. Es störte den Hyūga mehr als alles andere, dass Shikamaru von seinen gefährlichen Ausrutschern in seiner sonst so stoischen Miene wusste. Hätte er die Energie dazu, hätte Neji vermutlich versucht, sich von der Veranda zu entfernen. Doch zu seiner persönlichen Verärgerung und Verwirrung war ihm im Moment die Abwesenheit von Schmerz wichtiger als sein Stolz. 

 

Seine Gedanken mussten sich auf seinem Gesicht widerspiegeln, denn Shikamaru lachte leise. „Entspann dich, Neji.“

 

Da waren sie wieder…diese beiden Worte.

 

Neji ließ seine Augen von dem Spiel der Glühwürmchen nach unten gleiten, um den flachen Steinen zu folgen, die zu den stillen Wassern des Gartenteichs führten.

 

Entspann dich.

 

So etwas konnte er sich nicht leisten, selbst wenn er es wollte. Doch er redete sich selbst ein, dass dem auch nicht so war; er wollte sich nicht entspannen. Er durfte sich nicht entspannen, nicht für eine einzige Sekunde. Jedes Mal, wenn er versuchte, die Spannung in seinem Innersten etwas zu lösen, begann eine rasselnde Synkope seine Atmung zu beeinträchtigen. Als würde Loslassen etwas in ihm entfesseln, für das ihm jegliche Energie fehlte, um sich ihm entgegenzustellen. 

 

Nicht heute Nacht…nur nicht heute Nacht…

 

Entspannung stand sehr weit unten auf der Liste seiner Ziele. Was im Moment wirklich zählte, waren Genesung und der Versuch, ein gewisses Maß an Würde zusammenzukratzen. 

 

Leise atmete Neji aus und griff nach dem Tee. Seine blassen Finger fächerten für einen Moment durch den wirbelnden Dampf des Getränks, bevor er den kleinen Becher anhob und einen Schluck des wohltuenden Gebräus nahm. Eine Bewegung lenkte seine Aufmerksamkeit auf Shikamaru. Der Chūnin hatte leicht den Kopf geneigt und den Hals gestreckt und musterte mit dunklen Augen Nejis freiliegendes Schulterblatt.

 

„Sieht übel aus.“

 

„Fühlt sich auch nicht viel besser an.“ Neji verzog leicht die Lippen und versuchte so die Schwere der Wunde herunterzuspielen, die er zwar nicht sehen, aber mehr als deutlich spüren konnte. Die einstürzende Tunneldecke hatte seinem Rücken nicht wirklich gutgetan. „Aber es wird verheilen.“

 

„Hn. Du solltest wirklich zu einem Arzt gehen!“

 

„Wären wir auf einer Mission, hätte ich diesen Luxus auch nicht.“

 

„Naja, du bist aber nicht auf einer Mission.“, erwiderter Shikamaru leichthin und griff nach seiner Teetasse, während er mit dem Kinn in Richtung der Wunde nickte. „Das könnte sich böse entzünden.“

 

„Ich vertraue darauf, dass die Wundsalben, die du mir gegeben hast, eine Infektion verhindern.“

 

„Na dann lass uns mal hoffen, dass ich dir auch das richtige Zeug gegeben habe und kein Waffenfett oder sowas.“
 

Neji erstarrte, seine Lippen schwebten über dem dünnen Rand seiner Tasse. Er warf dem Nara einen Seitenblick zu. „Das ist nicht witzig…“

 

Shikamaru schürzte die Lippen auf eine Weise, die deutlich machte, dass er sich alle Mühe gab, nicht zu schmunzeln. „Schätze nicht.“

 

Neji wollte nicht das geringste Risiko eingehen. Er linste hinunter auf die Salbe, die er neben sich gestellt hatte und kämpfte den Drang nieder, sein Byakugan zu aktivieren, um durch den Behälter blicken zu können. Er konnte Shikamaru giggeln hören und sein Blick schnellte erneut nach oben, sein Unbehagen kaschierte er mit einer finsteren Miene.

 

„Du wirst das nicht mehr so lustig finden, wenn ich das Zeug benutze, um die Waffe einzufetten, mit der ich dich erstechen werde, sollte sich wirklich herausstellen, dass das…“

 

„Vorsicht, Hyūga, das klingt unangemessen suggestiv…“ Der Nara versteckte sein Lächeln hinter einer Wand aus Dampf von seinem Tee. 

 

„Shikamaru.“, warnte Neji.

 

„Scheiße, woher nimmst du überhaupt noch die Energie für Drohungen?“ Shikamaru grinste und ein weiches Kichern nahm seinem Sarkasmus den Biss. „Bist du gar nicht müde?“

 

Doch.

 

Neji konnte spüren, wie sich seine Verärgerung verflüchtigte und er brachte sogar ein leises Summen als Antwort zustande. ‚Müde‘ war eine Untertreibung. Er drehte den Oberkörper, nur um auf halben Weg zu der Salbe innezuhalten, als sich ein scharfer Schmerz wie eine Lanze in seine Hüfte bohrte. 

 

Müde, angefressen und unter Schmerzen – das traf schon eher zu. 

 

Er schluckte mühsam seinen Frust hinunter und machte sich daran, erneut die Wunden zu versorgen, die er erreichen konnte. Die ganze Zeit über hielt er seinen Blick angestrengt von dem anderen Ninja fern. 

 

„Wir haben irgendwo noch ein Sedativum rumliegen.“, sagte Shikamaru. „Sollte dir helfen, trotz der Schmerzen zu schlafen.“

 

„Willst du damit sagen, dass du mich anders als das letzte Mal nicht bewusstlos schlagen willst?“, schnaubte Neji, doch in seinen blassen Augen tanzte eine verschleierte Belustigung. „Wie rücksichtsvoll von dir!“

 

„Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, wäre das vermutlich weniger lästig.“ Shikamaru grinste und setzte sich etwas aufrechter hin, bis sein Profil in fahles Mondlicht getaucht wurde. 

 

Das unheimliche Leuchten höhlte seine Gesichtszüge aus und ließ die braunen Iriden des Nara schwarz wie Onyx erscheinen. Das Licht der schwirrenden Glühwürmchen spiegelte sich tanzend in ihren dunklen Tiefen. Rasch wandte Neji den Blick ab und runzelte die Stirn; Shikamaru missinterpretierte seinen Ausdruck als Schmerz.

 

„Weiter links.“

 

Der Hyūga blinzelte angesichts der seltsamen Worte, sah aber nicht auf. Er war viel zu beschäftigt damit, sich darauf zu konzentrieren, seinen Arm nach oben und hinten zu bewegen, um mit den Fingern über den tiefen Schnitt in seinem Schulterblatt zu fahren. 

 

„Wie bitte?“

 

Shikamaru rollte mit den Augen und stellte seine Tasse mit einem leisen Klacken auf dem Tablett ab.

 

„Ugh…was für ein Drama…“, grummelte der Schattenninja und rutschte näher, um sich hinter den Hyūga zu knien. 

 

Nejis Bewegungen erstarrten; sein ganzer Körper versteifte sich, als hätte ihn soeben ein eisiger Windhauch erwischt. „Was machst du da?“

 

„Entspann dich, ich werde dir schon nicht die Haare flechten oder sowas…außer du fängst jetzt an, dich wie ein Mädchen zu benehmen, indem du mir das hier schwer machst.“

 

Neji empörte sich leise über die Beleidigung und warf einen scharfen Blick über die Schulter. Doch Shikamaru grinste nur und streckte die Hand aus, um die Salbe aus den Fingern des Hyūga zu pflücken. Um Erlaubnis zu fragen schien für den Chūnin offensichtlich nicht von geringster Bedeutung zu sein; was Neji aber wirklich nicht hätte überraschen sollen. Der Hyūga lenkte sich mit seinem Tee ab und nippte vorsichtig daran, während er lauschte, wie Shikamaru den Deckel von der Cremedose drehte. 

 

Für einen furchtbaren Augenblick war es, als würde die Welt den Atem anhalten. 

 

Eine unbehagliche Spannung hatte Nejis Körper ergriffen, als würde er sich selbst darauf vorbereiten, jeden Moment erdolcht zu werden. Shikamarus rauchiges Kichern geisterte sanft über seine nackte Schulter und sorgte dafür, dass sich seine Brauen zusammenzogen. Warum lachte er?

 

„Du hältst schon wieder den Atem an.“ Das Lächeln des Nara schwang in seiner Stimme mit. „Lass das.“

 

„Das mache ich nicht!“, schnappte Neji zurück, wissend, dass es eine glatte Lüge war, aber genauso unfähig, nicht darauf zu reagieren. 

 

Warum beiße ich bei dem Bastard immer wieder an?

 

Zu Nejis Entsetzen begann seine Haut unter der weitschweifenden Berührung von Shikamarus Fingerspitzen zu prickeln, als sie sanft über sein Schulterblatt glitten und sein Haar beiseite schoben. Glücklicherweise brachte er genug Selbstkontrolle auf, um nicht zu zappeln.

 

„Könntest du aufhören, dich so anzuspannen und einfach atmen wie eine normale Person?“

 

„Oh halt die Klappe, Nara!“

 

Shikamarus erschöpfter Atem schwebte erneut über seine Schulter. „Du bist so verdammt anstrengend.“

 

„Dann hör auf, dir die Mühe zu machen.“

 

„Wie zur Hölle kann es eigentlich sein, dass dir deine Haare nicht bei allem, was du machst, im Weg umgehen?“

 

„Ich bin daran gewöhnt.“ Neji nahm einen weiteren Schluck von seinem Tee. Er wagte es nicht, sich umzudrehen und Shikamaru anzusehen, als er fertig war, besagtes Haar über eine Schulter zu streichen, sodass es schwer über seine Brust fiel. 

 

„Also willst du keinen Haarschnitt, wenn ich eh schon hier hinten bin?“

 

„Shikamaru…“

 

„Ganz ruhig, Hyūga.“

 

Neji lächelte ganz leicht und schüttelte den Kopf. Dankbarerweise konnte Shikamaru seinen Gesichtsausdruck nicht sehen – der sich abrupt veränderte, als eine kühle sanfte Berührung die rohen Ränder der Wunde an seiner Schulter entlangfuhr. Neji holte kurz und scharf Luft und hielt sie, als er spürte wie Shikamarus leicht schwieligen Fingerkuppen zaghaft über seine Haut glitten. 

 

Ein elektrisierendes Kribbeln explodierte entlang seiner Wirbelsäule.

 

Das ist die Salbe.

 

Zumindest versuchte Neji sich selbst von dieser logischen Begründung zu überzeugen. Es gab absolut keinen Grund, aus dem es irgendetwas anderes sein sollte. Er blinzelte, als sich Shikamarus Handfläche sachte zwischen seine Schulterblätter drückte und sie so zwang, etwas nach hinten zu fallen und seinen Brustkorb etwas auszudehnen. 

 

„Atme.“, wies Shikamaru ihn sanft an.

 

Neji löste die verkrampfte Blockierung seines Kiefers und ließ die Luft lautlos von seinen Lippen fließen. Beinahe verfing sie sich jedoch sofort wieder in seiner Kehle, als Shikamarus Handballen die Länge seiner Wirbelsäule entlang fuhr. Es war, als wollte der Nara mit der Bewegung alle Anspannung vertreiben und den Hyūga dazu zwingen, einen weiteren Atemzug auszustoßen. 

 

„Gar nicht so schwer, oder?“, neckte Shikamaru ihn.

 

Ich wünschte, dem wäre so…

 

Neji gab keine Antwort darauf und schloss stattdessen einfach die Augen. Er setzte seine Teetasse ab, um sich mit der Hand auf dem Boden der Veranda abzustützen. Die Wärme, die von Shikamarus Hand ausging reduzierte sich zu einer leichten Berührung von Fingerspitzen, die sich vorsichtig über die verletzte Haut bewegten und dabei eine großzügige Lage an Heilsalbe darauf verteilten. 

 

„Hoffentlich vernarbt es nicht zu schlimm.“, murmelte Shikamaru. 

 

Neji brummte und versuchte, sich nicht zu sehr auf diese seltsamen Empfindungen zu konzentrieren, die durch sein Inneres wogten. Er tat es einfach als Erschöpfung ab, denn er konnte sich keinen anderen Grund dafür vorstellen, warum es sich so beruhigend anfühlte, auf diese Weise berührt zu werden. Das sanfte Gleiten von Shikamarus Fingern hielt an wie der stete Schwung eines weichen Pinsels und wiegte ihn sachte in eine Ruhe, die er trotz seiner routinemäßigen Meditation nie erreichen konnte. 

 

Er spürte, wie sein Geist abschweifte und sich seine Atmung beruhigte.

 

Shikamaru strich weich über seine Wirbelsäule. „Hey, schläfst du etwa ein?“

 

Nejis Wimpern flatterten, als er die Augen öffnete, seine Stimme war leise. „Mach dich nicht lächerlich…“

 

„Ist ja keine schlimme Sache, nur nicht unbedingt der beste Platz, um ein Schläfchen zu machen.“

 

„Ich schlafe nicht ein. Als ob ich das könnte, wenn ich so dasitze.“

 

„Hey, das ist schon möglich. Ich hab‘ das schon gemacht.“

 

„Glaub ich dir sofort.“, murmelte Neji und klang dabei belustigter, als er beabsichtigt hatte. „Ich würde dir glatt zutrauen, sogar im Stehen einzuschlafen.“

 

„He, es ist nichts falsch daran, ein Nickerchen zu machen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.“ Der Nara streckte erneut seine Hand nach der Salbe aus. 

 

Neji ließ seine Lider zufallen und versuchte die Kühle zu ignorieren, die über seine Haut tanzte, bevor sie von Shikamarus streichelnden Fingern verjagt wurde. Er räusperte sich und gab sich Mühe, nicht auf dieses befremdliche Gefühl zu reagieren. Es war ja schon allein lächerlich, dem generell Aufmerksamkeit zu schenken. 

 

„Warum schläfst du überhaupt so viel?“, fragte der Hyūga, da er irgendeine Art von Ablenkung brauchte. „Ist ja nicht so als würdest du Anstrengungen auf dich nehmen, die das rechtfertigen würden.“

 

Statt den erwarteten Konter zu liefern wurde Shikamaru still, als würde er über die Frage nachdenken. Neji dachte schon, er würde sich gar nicht mehr die Mühe machen zu antworten. Doch natürlich überraschte der Nara ihn.

 

„Asuma-sensei hat da eine Theorie, dass es daran liegt, dass sich mein Verstand nicht ausschalten lässt…daher das Bedürfnis, jede Möglichkeit zu nutzen, um ihn zum Schweigen zu bringen.“

 

Neji blinzelte und hob eine Braue, während er seinen Kopf minutiös drehte. Die scharfe Linie seines Kiefers wurde sichtbar, als er einen Blick auf den Schattenninja warf. „Aha?“

 

„Jo…“ Shikamaru neigte sich aus seinem Sichtfeld und richtete seine Aufmerksamkeit auf Nejis anderes Schulterblatt. „Aber das ist nur eine Theorie. Für mich klingt das nach einer Menge Bullshit.“

 

Der Hyūga dachte für einen Moment darüber nach. Es machte eigentlich vollkommen Sinn. Geistige Ermüdung wirkte sich durchaus auch in Form physischer Strapazen auf den gesamten Körper aus. Sollte also die Geschwindigkeit, in der Shikamarus Hirn operierte, irgendetwas damit zu tun haben, war es wenig verwunderlich, dass der Schattenninja schlief, wann immer sich ihm die Möglichkeit dazu bot.

 

Neji brummte. „Nun, wenn dein Verstand das Problem ist, kannst du auch einfach jemanden bitten, dich bewusstlos zu schlagen. So wie du es höflicherweise mit mir gemacht hast.“

 

„Ugh, das wirst du nie auf sich beruhen lassen, oder?“ Shikamaru kicherte dumpf, der Klang rollte warm über Nejis Haut. 

 

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das gemacht hast.“ Unter anderem…, ergänzte er im Stillen. 

 

„Ja was soll ich sagen, bring mich einfach nicht dazu, das noch einmal zu tun.“ Shikamarus Handfläche presste sich fest gegen seine Wirbelsäule und zwang ihn dazu, den Rücken durchzudrücken und einen weiteren flachen Atemzug zu entlassen. „Atme!“

 

Nejis Brust zog sich schmerzhaft zusammen. „Bitte hör damit auf.“

 

Shikamaru erwiderte nichts, zog aber die Hand zurück und machte sich wieder daran, die Verletzungen auf den Schultern des Hyūgas zu untersuchen. Gelegentlich neigte er sich in ulkiger Weise von einer Seite auf die andere und Neji vermutete, dass er es tat, um das Licht aus dem Gästezimmer seinen Rücken beleuchten zu lassen. 

 

Der Nara nahm sich noch ein paar Minuten mehr Zeit, die tiefen Schnitte zu examinieren, bevor er das Verbandsmull aufhob, um die Wunden zu verbinden. „Wahrscheinlich wird es ziemlich unangenehm für dich sein, auf dem Rücken zu schlafen.“

 

„Mmn.“ Neji schloss erneut die Augen und lauschte dem leisen Rascheln von ruhigen Bewegungen, als Shikamaru den Verband mit medizinischem Klebeband sicherte. „Ich habe dir gar nicht gedankt…dafür, dass du Hinata zu Gai-sensei gebracht hast…“

 

„Kein Problem.“

 

Der Jōnin zögerte kurz, bevor er seine nächste Frage stellte: „Hatte sie starke Schmerzen?“

 

Er spürte, wie die Bewegung von Shikamarus Hand für einen Augenblick leicht ins Zaudern geriet, bevor sie sich auf seine Schulter legte. „Sie war mehr um dich besorgt.“

 

Neji fühlte sich, als würde sich ein Messer in sein Herz bohren. „Das hätte sie nicht sein sollen.“

 

„Tja weißt du, das passiert aber meistens, wenn man jemandem etwas bedeutet.“

 

„Dass ich ihr etwas bedeute, hätte sie beinahe umgebracht.“ Nejis Kehle schnürte sich zu, kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen. Er hatte das eigentlich nicht laut aussprechen wollen; oder seine nächste Bemerkung. „Sie hätte sterben können.“

 

„Ja…so wie du.“

 

„Das ist nicht der springende Punkt, Shikamaru.“ Neji versuchte seine Schulter aus Shikamarus Griff zu befreien, doch die Finger des Nara ließen nicht los. 

 

„Ich habe dir gesagt, dass Sterben keine Option war. Und jetzt lass es gut sein.“

 

Ich kann nicht. Es ist meine Aufgabe, sie zu beschützen.

 

Neji biss die Zähne zusammen, allerdings mehr gegen den verdammten Schmerz, der seine Brust zusammenzog. Er neigte sich leicht zur Seite; es war die einzige jämmerliche Möglichkeit für die er die Energie aufwenden konnte, um etwas Abstand zwischen sich und Shikamaru zu bringen. 

 

„Wie kannst du das nur so leichtnehmen, Nara?“

 

„Weißt du, nur weil ich keine Energie dafür verschwende, mir Sorgen über etwas zu machen, das hätte sein können, aber nicht passiert ist, bedeutet das nicht, dass ich es ‚leichtnehme‘.“

 

Der Hyūga konnte spüren, wie sich Shikamarus Blick in seinen Hinterkopf bohrte, doch dann strich der Daumen des Nara mit sanftem Druck über seine Haut. Irgendwie schaffte es diese Bewegung allein, ihn ebenso schnell zu beruhigen, wie ihn die Worte verärgert hatten. Solch eine simple Berührung und Nejis Inneres verknotete sich in einem unbeschreiblichen Widerspruch von Gefühlen. Bevor er jedoch versuchen konnte, daraus schlau zu werden, verschwand der Kontakt, als würde sich die Wärme der Sonne hinter eine dunkle Wolke zurückziehen. 

 

Shikamaru verlagerte das Gewicht und setzte sich Neji gegenüber, er griff nach seiner Teetasse. Der Hyūga nutzte die Gelegenheit, um seinen Yukata wieder über die Schultern zu ziehen und ordentlich zurecht zu rücken, während er den Blick abgewandt hielt. Seine Augen folgten dem vergänglichen Schimmern von Licht, das sich auf der Oberfläche des Teiches kräuselte. 

 

„Außerdem.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln. „Sich schuldig zu fühlen ändert gar nichts.“

 

Neji versteifte sich. „Ich habe nicht gesagt, dass ich mich schuldig fühle.“

 

„Du hast auch nicht gesagt, dass du wie Scheiße aussiehst, aber das tust du. Manche Dinge müssen nicht ausgesprochen werden, Hyūga.“

 

Neji fand keine Erwiderung auf Shikamarus Worte, da er ehrlich gesagt nicht die geringste Ahnung hatte, wie er im Moment aussah. Hätte er sich die Mühe gemacht, die Kondensation vom Spiegel im Badezimmer zu wischen, um sich selbst zu betrachten, hätte er die tiefen Schatten der Erschöpfung gesehen, die sich in den Mulden seiner Wangen festgesetzt hatten und unter seinen Augen hingen. Er hätte festgestellt, dass die eleganten, scharfen Züge seines Gesichtes hager und eingefallen geworden waren. 

 

Stille schlich sich zwischen die beiden. Sie wurde nur von den gelegentlichen Atemzügen des Chūnin unterbrochen, die über die Teetasse wehten und den verschwindenden Dampf zerstieben. Neji bemühte sich, die Augen auf den Teich gerichtet zu halten und versuchte, in den sicheren Zustand meditativer Ruhe überzugehen, die Shikamaru ihm irgendwie durch eine einzige einfache Berührung gewähren konnte. 

 

Es war lächerlich. 

 

Warum ist das so schwierig? Früher war es nie schwierig…

 

Der Hyūga schloss die Augen und versuchte wieder zusammenzusetzen, was sich furchtbar verstreut anfühlte, während er mit jedem Herzschlag noch weiter aus den Grenzen seiner Kontrolle driftete. Niemals zuvor hatte er sich in der Stille unwohl gefühlt. Sie war stets ein Rückzugsort gewesen. Doch nun lenkte sie nur seine Aufmerksamkeit auf den Lärm, der hinter seinen Schläfen pochte, auf den Knoten in seiner Brust und auf den dumpfen Schmerz, den er offensichtlich nicht kontrollieren konnte. 

 

Kontrolle…

 

Seine Lider glitten einen Spalt breit auf und er wurde sich schmerzlich bewusst, wie verdammt kontrolliert Shikamaru zu sein schien, ohne es überhaupt versuchen zu müssen.

 

Dieser Mistkerl.

 

Neid explodierte heiß und entsetzlich in Nejis Brust und kroch wie Galle seine Kehle hinauf, bevor sie sich in einem bitteren Schnauben bemerkbar machte.  

 

„Es muss so einfach für dich sein…“, hörte sich Neji laut sagen, während ein Teil seines Verstandes beschämt und wild versuchte, seine Zunge zum Schweigen zu bringen. 

 

Shikamaru hielt inne, als er den Tee halb an seine Lippen geführt hatte. „Was?“

 

„Nichts.“

 

Eine Braue des Nara wanderte nach oben und seine dunklen Iriden richteten sich auf den Hyūga. „Was zur Hölle soll das heißen?“

 

„Vergiss es. Es tut mir leid.“ Neji schüttelte den Kopf, wütend auf seinen unreifen Ausrutscher und noch wütender auf Shikamaru, weil er es war, der selbigen provoziert und mitbekommen hatte. 

 

Im völligen Kontrast zu dem unberechenbaren Gemüt des Jōnin, seufzte Shikamaru einfach nur leise, legte den Kopf in den Nacken schloss für einen Moment die Augen. 

 

Und in diesem Moment hasste Neji ihn…

 

Er hasste seine blasierte Gelassenheit, seine absolute Lässigkeit und seine träge Fähigkeit, sich selbst zusammenzuhalten, ohne es überhaupt versuchen zu müssen – ohne sein Inneres so verkrampfen zu müssen, dass es schmerzte, oder sein Äußeres zu stählen, bis es zerbrach.

 

Einst hatte Neji es auch nicht versuchen müssen. 

 

„Ach komm schon, Hyūga.“, triezte Shikamaru mit einer schwachen Spitze in seinem täuschend trägen Tonfall. „Was zur Hölle ist so verdammt einfach für mich?“

 

„Nichts. Ich habe doch gesagt, du sollst es vergessen.“ Neji starrte ihn finster an und versuchte, so viel Gift wie möglich in seinen Blick zu legen, bevor er auf schmerzhafte Weise auf die Füße kam und sich dem Gästezimmer zuwandte. 

 

Vage hörte er das Rascheln einer Bewegung hinter sich und nahm an, dass Shikamaru den vernachlässigten Tee abräumte. Dann strichen Finger über sein Handgelenk. Augenblicklich zuckte er vor der Berührung zurück und wirbelte mit einem finsteren Blick herum, bewaffnet mit einer vernichtenden Bemerkung, um den Schattenninja in seine Schranken zu weisen. 

 

Doch der bittere Kommentar erstarb auf seiner Zunge. 

 

Shikamaru war ihm sehr nah – zu nah. In seinen dunklen Augen schwammen namenlose Schatten, ebenso unlesbar wie seine Stimme, die wie warmer Rauch durch die Stille der Nacht rollte.

 

„Ich kann es nicht vergessen.“

 

Nejis Wut verflog und Verwirrung schlich in seine Züge. Er versuchte die seltsame Flexion zu verstehen, die Shikamarus üblichen ausdruckslosen Tonfall veränderte. 

 

Kami, er war viel zu müde, um nachdenken zu können, ganz zu schweigen davon, sich ein Manöver auszudenken, um diesem Spiel entgegenzuwirken. 

 

Er hatte weder die Energie, noch das Verlangen zornig zu werden, sondern einfach nur das tiefe Bedürfnis danach, alles zu stoppen. Vor allem diesen gefährlichen Ausdruck in Shikamarus Augen…er zog Empfindungen aus den Tiefen von Nejis Brust, die viel zu empfindlich waren, um deren Misshandlung jetzt ertragen zu können.

 

„Willst du, dass ich mich noch einmal entschuldige, Nara?“ Neji wollte einen Hauch von Verärgerung in seinen formalen Tonfall legen, doch er war schwach, müde.

 

Shikamaru schüttelte den Kopf. „Nein.“

 

Neji starrte zurück und versuchte, ihn anzufunkeln. Versuchte, eine stumme Bitte an den Nara zu senden, das alles einfacher zu machen und etwas zu sagen, das ihn zornig machen würde. Eine Bitte, ihm einen Grund zu geben, Wut in seine Stimme drängen zu können statt dieser verwirrten Müdigkeit. Ihm eine Ausrede dafür zu liefern, eine weitere Verteidigung mit einer Energie aufbauen zu können, die er nicht besaß.

 

Gib mir einen Grund, dich zu hassen, Nara…nur einen…das ist alles, was ich im Moment brauche.

 

Neji ließ seine Augen über Shikamarus Gesicht wandern und versuchte zu entschlüsseln, was sich in den Schatten dieser Augen verbarg. Verzweifelt suchte er nach etwas, das die Annahme, der andere Ninja würde es darauf anlegen, ihn zu verärgern, rechtfertigen würde.

 

Doch das tat er nicht.

 

Diese dunklen Iriden beobachteten ihn mit einer zermürbenden Ruhe und intensiver Aufmerksamkeit, von der Neji sicher war, dass Shikamaru sie bisher nur einem Shogibrett entgegengebracht hatte. Doch er sah nicht aus, als würde er ein Spiel spielen. Neji hatte nicht die geringste Ahnung, was hinter diesen Augen vor sich ging – und dieses mangelnde Verständnis zerrte an seinen Nerven. 

 

„Sieh mich nicht so an.“ Neji kleidete seine Worte in einen dünnen Mantel aus Eis. „Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es.“

 

„Witzig, ich könnte verfickt nochmal dasselbe zu dir sagen.“

 

Neji trat einen Schritt nach hinten, ohne dabei den Anschein zu erwecken, sich zurückzuziehen – sein Kinn hob sich ein wenig. „Hast du wirklich vor, mich in die Enge zu treiben, Shikamaru?“

 

Sag ja.

 

„Nein.“

 

Bastard.

 

„Was zur Hölle machst du dann da?“

 

„Ich warte darauf, dass du deinen Hintern nach drinnen bewegst. Es mag dir ja vielleicht entgangen sein, aber es wird kalt.“

 

Der blasierte Kommentar überrumpelte Neji völlig und ließ ihn sprachlos zurück. 

 

Was?

 

Shikamaru musterte ihn weiterhin ruhig. „Und außerdem muss ich nach diesem Sedativum suchen…“

 

Neji blinzelte und versuchte immer noch, den plötzlichen Themen- und Stimmungswechsel zu verarbeiten. „Was?“

 

„Außer natürlich, du bevorzugst einen erneuten Druckpunkt Knockout? Wir wissen ja beide, wie sehr dir das das letzte Mal gefallen hat.“ Shikamaru schmunzelte. Der schattenverschleierte Ausdruck verschwand von seinem Gesicht, allerdings nicht aus seinen Augen. „Oder Sake, davon haben wir immer was da.“

 

Nejis Lider senkten sich mit einem müden Seufzen, seine Stimme wurde unglaublich weich. „Du bist ein Idiot, Shikamaru.“

 

„Danke.“, war Shikamarus ebenso leise und sanfte Antwort. Doch seine Stimme enthielt eine seltsame Schwere. 

 

Der Hyūga musste nicht die Augen öffnen, um zu wissen, dass der Nara ihn mit einem Stirnrunzeln musterte. Genauso wie er wusste, dass wenn er sich nicht an dem letzten Bisschen seiner Kontrolle festhalten würde, er direkt zurückstarren würde – gleichermaßen verwirrt.

 
 

oOo
 

 
 

Das schwelende Ende einer Zigarette glomm in der Dunkelheit auf. Rauchfahnen waberten nach oben und hingen in Schwaden über Shikamarus Kopf, im schwachen Licht, das in das Zimmer fiel, wirkten sie beinahe milchig. 

 

Er legte seinen Kopf auf dem Kissen ein wenig in den Nacken und suchte nach Mustern in dem Qualm, ganz ähnlich wie er es tat, wenn er die Wolken beobachtete. Der Schlaf wollte nicht kommen und er wollte sich nicht die Mühe machen, etwas zu lesen oder sich auf irgendetwas zu konzentrieren, das von ihm verlangen würde, sich von seinem Futon zu erheben. Also hatte er sich eine Zigarette aus der Packung angezündet, die er eigentlich Asuma hatte bringen sollen. 

 

Nur um ein paar behelfsmäßige Wolken zu erschaffen.

 

So war es auch überhaupt erst zu diesem mysteriösen Mist mit den Zigaretten gekommen. 

 

Wenn er keine Wolken finden konnte, dann erschuf er sie eben selbst. 

 

Gelegentlich führte er die Zigarette an die Lippen und nahm einen Zug; nur um das Toxin gleich wieder in sanften Ringen auszustoßen und so noch mehr Muster zu erschaffen, die er beobachten konnte. Es ging nicht darum, von dem Nikotin einen Kick zu bekommen; es sei denn, er brauchte die Ablenkung.

 

Er wusste, dass es total dämlich war, damit anzufangen, nur um den Rauch zu beobachten. Aber wenn man bedachte, wie unglaublich klug er die meiste Zeit über sein sollte, konnte es nur gesund und menschlich sein, auch eine schädliche Angewohnheit zu haben. 

 

Dieser Hyūga wird langsam zu einer schädlichen Angewohnheit…

 

Der Gedanke ließ ihn schmunzeln und er schüttelte den Kopf, während ein dünner Rauchfaden von seinen Lippen waberte. Neji hatte das Sedativum abgelehnt und sich stattdessen für ein wenig Meditation vor dem Schlafengehen entschieden. Shikamaru hatte nicht weiter darauf bestanden und sich für einen Waffenstillstand in ihrem strategischen Geplänkel entschieden. So sehr er sich gegen Konfrontationen sträubte, es war mindestens ebenso schwer für ihn, dem intelligenten Schlagabtausch mit dem Hyūga zu widerstehen. Neji konnte mit seinem intellektuellen Niveau mithalten und während Shikamaru keine Vorliebe oder Motivation für physische Kämpfe hatte – außer er wurde dazu gedrängt – geistige Herausforderungen waren seine Stärke und er liebte sie. 

 

Das ist immer noch keine Entschuldigung dafür, in diesen Bullshit verwickelt zu werden…

 

‚Diesem Bullshit‘ fehlte im Moment allerdings eine nähere Definition. Doch er hatte nicht die Absicht, ihm einen Namen zu geben. 

 

Shikamaru seufzte tief und drehte das Handgelenk, um auf die Zigarette starren zu können, die zwischen seinen schlanken Fingern steckte. Das glühende Ende spiegelte sich in den Tiefen seiner Iriden wider, als er die schrumpfende Asche studierte und schließlich den Blick zurück zu der wirbelnden Rauchwolke hob.

 

Fahl und rätselhaft.

 

Nejis Augen kamen ihm urplötzlich in den Sinn.

 

Wie lästig…

 

Diese verdammten Augen; so schwer zu lesen und dennoch war es ihm gleichzeitig unmöglich, sie nicht verstehen zu wollen. Genau wie Wolken – im einen Moment noch ungestüm und im nächsten völlig gelassen. Hauchdünne Emotionen, die kaum die Oberfläche streiften, bevor sie von einem Sturm des Stolzes oder Anstandes fortgepeitscht wurden.

 

Er konnte nicht anders, als selbstironisch zu lächeln, denn die Menge an Adjektiven, die ihm im Kopf herumwirbelten, deutete schon beinahe auf Donquichotterie hin – was vermutlich das absolut unpassendste Wort in Bezug auf seine Persönlichkeit war. 

 

Wann zur Hölle habe ich damit angefangen, wie ein verdammtes Mädchen zu denken?

 

Er strich mit einem Finger über das brennende Ende der Zigarette, das ihm beinahe die Haut versengte. Gut. Es war eine kurze, dämliche Ablenkung von einem anhaltenden, umso dämlicheren Gedanken.

 

Neji. Verdammt.

 

Er wusste beim besten Willen nicht, was schlimmer war; die Tatsache, dass er noch immer Nejis Haut unter seinen Fingerspitzen spüren konnte, oder die Tatsache, dass dies wahrscheinlich irgendetwas zu bedeuten hatte. Beides waren gleichermaßen lästige Gedanken; und der gemeinsame Nenner all dieser Probleme war Nejis verfluchte Fähigkeit, genau dann eine Reaktion in ihm auszulösen, wenn er eigentlich nichts weiter wollte als müßige, faule und vertraute Ruhe.

 

Und nicht so eine Schererei…

 

Er hätte ja Hinata die Schuld dafür in die Schuhe geschoben, doch er wusste, dass das erbärmlich wäre. Er hatte nichts und niemanden, den er für diesen kleinen masochistischen Teil seines Hirns verantwortlich machen konnte. Der Teil, der ihn immer wieder dazu veranlasste, genau das zu tun, was er unter normalen Umständen hassen würde – seinen Kopf zu riskieren, wenn es eigentlich vermeidbar war. 

 

Jep. Ich habe ganz offiziell den Verstand verloren. Zu schade…ich hätte mir so schön meinen Weg zum Jōnin schlaumeiern und mir jeden vom Leib halten können, der was von mir will…Mann, was für ein Drama…

 

Doch er hatte keine Zeit, den müßigen Gedankengang zu beenden, denn ein seltsames Gefühl breitete sich unangenehm ziehend in seiner Magengegend aus. Die sonderbare Empfindung ließ ihn den Atem anhalten. Shikamaru konnte keine Erklärung dafür finden, was vermutlich auch der einzige Grund war, weshalb er dem Gefühl überhaupt Aufmerksamkeit schenkte. 

 

Asche fiel vom Ende der Zigarette auf seine Brust. 

 

Das verschwommene Blinken des Weckers zog seinen Blick in dem Moment auf sich, als sich die Nummern veränderten. 

 

Vier Uhr morgens.

 

Und dann hörte er es. 

 
 

oOo
 

 
 

Schmerz riss ihn aus dem Schlaf, als würden stumpfe Klauen seine Lungen aus der Brust reißen. 

 

Nejis Augen flogen auf, als er erstickt an einem Keuchen würgte. 

 

Nein! Nicht schon wieder…

 

Er rammte die Ellbogen in die Matratze und drückte seine Brust von dem Futon fort. Ein schmerzhaftes blutiges Husten brach aus ihm heraus und verteilte rote Spritzer über Kissen und Futon. 

 

Nein…

 

Er schob sich hinauf auf die Knie und der graue Yukata fiel offen, als er eine Hand gegen seine Brust hämmerte. Lange Finger gruben sich in blasse Haut; es wirkte fast, als würde er sich an sich selbst fest krallen in dem verzweifelten Versuch, die Qualen zu beenden, die wie ein reißender Blitz durch sein Nervensystem jagten. 

 

Stop. Stop. Stop!

 

Er konnte einen Hauch von Kupfer auf seiner Zunge schmecken und die blutigen Flecken auf dem Kissen versetzten sein Herz in Panik. Ein wilder Versuch, Chakra, das er nicht mehr hatte, in seine Fingerspitzen zu zwingen, riss einen erstickten Schmerzschrei aus seiner Kehle, der jedoch von dem lauten Knallen der aufgerissenen Fusama Tür übertönt wurde.

 

Doch Neji hörte es nicht.

 

Sein Sichtfeld verengte sich zu kleinen roten Punkten und weiße Explosionen flackerten in der sich ausbreitenden Dunkelheit auf, bevor sie gleich darauf wieder erstarben. Er konnte spüren, wie Bewusstlosigkeit versuchte, ihn in die eine Richtung zu reißen, während Schmerz ihn in die andere zog. 

 

Stop…

 

Und dann erschien eine andere Empfindung; direkt an der Peripherie des absoluten Chaos. 

 

Es fühlte sich nach Händen auf seinen Schultern an…sie zogen ihn zurück gegen die starke Stütze eines Körpers…

 

Finger fuhren zaghaft durch sein Haar…der Geruch von Nikotin…und Worte, die wie ein sanftes Mantra weich und warm gegen sein Ohr strichen…

 

„Atme, Neji…atme…atme…“

 

_______________________

Hach ich muss sagen, ich mag dieses Kapitel irgendwie sehr :) Wie sieht es bei euch aus, hat es euch auch gefallen? Reviews, Anmerkungen und Anregungen wie immer sehr willkommen, ich freue mich wie immer wie ein kleines Kind über jedes Wort! :) 

Danke wie immer an alle Reviewer! 

Sollten im Übrigen irgendwelche Fragen aufkommen, irgendwelche Begriffe oder Szenen unverständlich sein, dann scheut euch bitte nicht, mich zu fragen! :)



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SasukeUzumaki
2021-03-24T05:37:03+00:00 24.03.2021 06:37
Hey Scatach:-D

Ich weiß ich schreibe immer das gleiche aber wow einfach nur wow, dieses Kapitel ist echt richtig schön, die Unterhaltung von den beiden bringen mich immer wieder zum schmunzeln:-)

Ich frage mich echt was es mit Neji auf sich hat und wie Shika ihm da hilft, hoffentlich erfährt man bald mehr ;-)

Mach weiter so <3

Liebe Grüße

SasukeUzumaki

Antwort von:  _Scatach_
24.03.2021 11:17
Hey SasukeUzumaki :)

Ach, das macht überhaupt nichts, wenn du das Gleiche schreibst! Ich freue mich einfach immer mega, wenn du mir einen Kommentar da lässt! :)
Freut mich sehr, dass dir das Kapitel wieder so gut gefallen hat! ;)

Ja das mit Neji ist auf jeden Fall ein größeres Rätsel, ich hoffe, es bleibt weiterhin spannend ;)

Vielen Dank wieder mal für deine Unterstützung und Liebe Grüße,
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-03-23T21:19:23+00:00 23.03.2021 22:19
Ich frag mich immer wieder, was ist mit Neji los ,warum hat er diese Abfälle ?Hat er such die Verketzungen selbst zugefügt ,die zu den Anfällen führen oder ist er ernsthaft krank.
Shika scheint auf den richtigen Weg zu sein, um an Neji ranzukommen und sein Vertrauen zu erhalten.
Irgendwie ist es spannend, auch wenn Du in allen bisherigen Kapiteln nur Andeutungen zu den Beiden machst .
Antwort von:  _Scatach_
23.03.2021 23:24
Hey :)
Ja das ist noch ein ziemliches Rätsel, ich weiß ;) Aber immerhin scheint Shikamaru etwas mehr zu ihm durchdringen zu können. Vielleicht kann er dem Hyūga ja wirklich helfen ;)
Die beiden brauchen einfach ein bisschen, um sich aneinander zu gewöhnen ;)
Vielen Dank wieder für deinen Kommentar und deine Unterstützung!


Zurück