Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 6: 4 AM --------------- Ich bin absolut nicht betrunken genug dafür.    Shikamaru setzte das Tablett mit der Kanne Kabusecha Tee auf dem niedrigen Tisch ab und schüttelte den Kopf.    Verfickt nochmal wann bin ich so häuslich geworden?   Der Gedanke ließ ihn schnauben und er meckerte leise über den Aufwand, den es brauchte, um sich um solche Dinge zu kümmern. Er lief quer durch den Raum zu einem Schrank und holte einen einfachen grauen Yukata für Neji daraus hervor, den er auf den Futon fallen ließ. Gleich darauf wandte er den Kopf und lauschte angestrengt nach würgenden Geräuschen aus dem Badezimmer. Doch er hörte nichts und runzelte angesichts der seltsamen Stille die Stirn. Er richtete sich etwas mehr auf – nur um sich gleich wieder zu entspannen, als er das sanfte Rauschen fließenden Wassers und raschelnde Bewegungen vernahm.   Wenigstens liegt er nicht völlig verpeilt auf dem kalten Boden…   Shikamaru rieb sich den Nacken und drehte sich der Wand zu. Er schaltete eine Lampe in der Ecke des semi-traditionellen Gästezimmers ein und kreierte so eine Aura von sanftem und zurückhaltendem Licht. Leis schob er eine der Shoji Türen auf und lehnte sich mit der Schulter gegen den Rahmen. Schweigend starrte er auf den Wald, der den Distrikt des Nara Clans umgab.    Das Mondlicht schimmerte in milchigen Strahlen durch die Bäume und warf Pfützen aus Licht auf den Boden unter dem dichten Blätterdach. Das abendliche Lied der Zikaden wurde nur von den Geräuschen aus dem Badezimmer unterbrochen; doch zum Glück waren es keine besorgniserregenden Klänge.    Ja, dieses Glück soll bitte noch länger anhalten.   Er hatte es fertig gebracht, Neji ohne Kollateralschäden bis zum Nara Anwesen zu navigieren. Ihre lästigsten Probleme waren Nejis Getorkel und die Notwendigkeit gewesen, abrupt anzuhalten, als der Jōnin gegen seine Übelkeit ankämpfen musste. Doch alles in allem waren die Stimmungen des Hyūga kontrollierbar gewesen. Er hatte immer wieder zwischen hysterischem Lachen und nachdenklichem Schweigen gewechselt; eine bipolare Kombination, die Shikamarus Schläfen pochen ließ. Letztendlich hatte er den langhaarigen Ninja in das Badezimmer geschoben und ihm aufgetragen zu duschen, um etwas auszunüchtern.    Schon das allein war einer Mission gleichgekommen. Doch glücklicherweise hatte Neji genug Koordinationsvermögen und räumliches Bewusstsein zusammengekratzt, um eigenständig die Dusche anzumachen und – zumindest hoffte Shikamaru das – sich auch darunter zu stellen.    Doch bevor er es soweit geschafft hatte, hatte der Hyūga gute zwanzig Minuten damit verbracht, auf dem Boden zu hocken und zu lachen – das Gesicht in der Beuge eines Armes vergraben, den er über den Badewannenrand gelegt hatte. Seine andere Hand war hart auf seine Rippen gepresst.   Shikamaru hatte nicht die geringste Ahnung gehabt, was verdammt nochmal so witzig gewesen war.   Für einen kurzen amüsanten Moment hatte er in Erwägung gezogen, ein Foto davon zu machen; nur um dieses seltene Ereignis festzuhalten. Er hatte diese Szene miterleben dürfen, von der er sicher war, dass niemand sonst so etwas jemals zuvor gesehen hatte. Und diese Tatsache löste ein schwer verständliches, warmes Gefühl in seiner Magengegend aus. Energisch redete er sich ein, dass es sich dabei nur um den Alkohol handelte.   Wie lästig…   Shikamaru rieb sich schläfrig die Augen und drehte seinen Kopf, als das Rauschen des Wassers erstarb. Sofort lief er hinüber zu dem Futon, griff nach dem Yukata und schritt dann zur Badezimmertür. Für einen Moment blieb er einfach dort stehen und wartete mit einer Geduld davor, von der er gar nicht gewusst hatte, dass er sie überhaupt besaß. Er hatte die Arme verschränkt und seinen Kopf zurück gegen die Tür gelehnt, um mitzubekommen, sollte es dort drinnen zu irgendeinem Desaster kommen.    Nachdem sich der Nara anhand der Geräusche versichert hatte, dass Neji offenbar nicht aus der Badewanne gestolpert und hingefallen war, klopfte er sachte mit den Fingerknöcheln gegen die Schiebetür. „Hey, ich werde dir jetzt ein paar Klamotten durch die Tür schieben, ok?“   Ein kaum vernehmbares Murren war seine Antwort.   Shikamaru rollte mit den Augen und krümmte seine Finger in die Mulde der Shogi Tür, um sie aufzuschieben. Kaum stand sie weit genug offen, schob er seinen anderen Arm um den Raumtrenner herum und ließ den Yukata von seinem Ellbogen bis zur Hand rutschen. „Hier.“   Er hörte Neji durch das Bad stolpern und fühlte, wie ihm das Kleidungsstück aus der Hand gerissen wurde. Hastig zog er seinen Arm zurück, als die Tür formlos und mit einem lauten Knall zugeschlagen wurde.   „Bitte.“, rief er noch über seine Schulter, während er zu dem niedrigen Tisch hinüber schlenderte und in die Hocke ging, um diesem undankbaren Bastard einen Tee einzuschenken.    Ich hätte das nie zu meinem Problem machen dürfen…   Doch noch bevor er diesen Gedankengang beenden konnte, hörte er, wie die Badezimmertür aufgeschoben wurde und hob den Blick. Neji stand im Rahmen, seine Schulter spannte sich an, als er sein beeindruckend langes Haar ungeschickt in einem Handtuch ausdrückte. Er hatte es aber geschafft, den Yukata zumindest annähernd vernünftig zuzubinden, abgesehen von einem Spalt an seiner linken Seite, der die scharfe Kante seines Schlüsselbeins freilegte. Das Gewand passte zu ihm, wie vermutlich zu jedem Hyūga; nur wirkte das Ganze durch Nejis gegenwärtigen Mangel an Anmut etwas amüsant.    Der Jōnin schwankte leicht und war sich Shikamarus prüfenden Blickes nicht bewusst, als er versuchte, das Handtuch zu einem ordentlichen Rechteck zu falten; am Ende sah es eher wie eine Raute aus.    „Irgendwas stimmt mit deinem Handtuch nicht…“ Er starrte besagten Stoff finster an, ganz so, als hätte er sich gegen ihn verschworen.    „Ich hätte mir denken können, dass du immer noch total verpeilt bist.“ Shikamaru grinste und schüttelte den Kopf.    „Hmmn?“ Neji blinzelte ein paar Mal, um seine Augen an das dämmrige Licht zu gewöhnen, bevor sie sich auf Shikamaru richteten. Die feinen Züge des Hyūga waren noch immer gerötet, seine viel zu hellen Augen leicht glasig und eindeutig müde.    Shikamarus Aufmerksamkeit richtete sich auf das Stoffband, das Neji über seiner Stirn trug, um sein Fluchmal zu verbergen. „Hast du es denn geschafft, wirklich unter die Dusche zu gehen? Oder muss ich knöchelhoch durch Wasser waten, wenn ich jetzt da rein gehen würde?“   „Nein…“ Neji legte den Kopf schief und machte sich – in seiner Auffassung vermutlich geradlinig – auf den Weg zu dem Nara hinüber. „Du hast Tee gemacht.“   „Jo, ist fast schon beängstigend, wie häuslich ich werden kann, wenn ich es mir in den Kopf gesetzt habe.“ Shikamaru setzte sich auf eines der Zabuton Kissen, die neben dem niedrigen Tisch lagen. „Trink ihn oder du wirst noch dehydrieren – sollte dir auch gegen deine Kopfschmerzen helfen.“   Neji schaffte es, die kurze Distanz zu überbrücken, ohne einen Unfall zu verursachen und kniete sich auf ein Zabuton, bevor er das Handtuch neben sich auf den Boden legte. Er schielte auf seine Teetasse.     „Ich habe keine Kopfschmerzen.“   „Morgen wirst du welche haben, vertrau mir. Wie fühlst du dich?“   Neji starrte für einen weiteren Moment auf den dampfenden Becher, bevor er eine Hand ausstreckte. Seine Finger strichen zweimal über das Porzellan, bevor er letztendlich danach griff. „Müde.“   „Gut.“ Shikamaru nippte an seinem Tee. „Dann sieh zu, dass du dir das Zeug einverleibst und dann deinen Hintern ins Bett schwingst!“   Der Hyūga nahm zögerlich einen Schluck und drehte leicht den Kopf, um über die Schulter hinweg auf den großen Futon zu blicken. „Wo bin ich?“   „Bei mir zuhause.“   „Das…ist niemals dein Schlafzimmer.“   Der Nara schnaubte und setzte seine Tasse ab. „Hey, nach allem, was du weißt, könnte es das schon sein.“   „Ist es nicht.“   Shikamaru giggelte. „Es ist das Gästezimmer. Es wird selten benutzt, aber meine Mum ist stolz darauf. Wunderliche Frau. Aber ihr Hyūgas seid nicht die Einzigen mit einem Sinn für Tradition, weißt du.“   Er beobachtete, wie Nejis Blick durch den Raum schweifte und die eleganten Zeichnungen von Hirschen betrachtete, die sich wie eine Geschichte über Fusuma-Paneele erstreckten. Und Shikamaru musste feststellen, dass seine eigenen Augen in ganz ähnlicher Weise über den Jōnin wanderten. Sie glitten von den Enden seines langen dunklen Haares hinauf zu den Sehnen an seinem blassen Hals, über die Schultern und wieder den Saum des Yukatas hinunter bis zu…der dunklen Hautverfärbung, die gerade so unterhalb von Nejis freigelegtem Schlüsselbein zu sehen war.    Was zum…?   Shikamaru runzelte die Stirn, sein Kopf neigte sich zur Seite.   „Ich muss nach Hause.“, murmelte Neji und unterbrach damit urplötzlich sein Starren.     „Ja, solltest du wohl.“, antwortete Shikamaru sofort und versuchte so, seine Verwirrung zu überspielen. „Aber ich habe echt keine Lust darauf, dass du mich morgen zur Schnecke machst, weil dein Onkel mitbekommen hat, dass du heute Nacht keine gerade Linie mehr laufen konntest.“   Nejis Miene wurde düster, seine Augen verengten sich; er könnte nicht weiter von der entspannten und lachenden Person entfernt sein, die er noch eine halbe Stunde zuvor gewesen war. Jetzt sah er einfach nur noch bestürzt aus; als hätte er einen Teil seiner verlorenen Kontrolle wieder erlangt, was ihn zwar nicht völlig klar, aber auch nicht komplett betrunken zurückließ. Er sah aus, als säße er zwischen zwei Stühlen und müsste sich entscheiden, was er sein oder fühlen sollte.    Ich will ganz sicher nicht hier sein, wenn er sich dafür entscheidet angepisst zu sein.   Es war höchste Zeit zu verschwinden.    „Na schön.“ Shikamaru schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, ganz so als würde er eine Unterhaltung beenden, die sie überhaupt nicht geführt hatten. „Ich werde jetzt auch noch unter die Dusche gehen und dann ist Schluss für heute. Mein Zimmer ist direkt den Gang runter, solltest du irgendetwas brauchen. Wobei ich höchstwahrscheinlich nicht aufwachen werde, außer es ist wirklich dringend…also solltest du an deiner Zunge ersticken oder sowas in der Art – versuch das bitte möglichst zu unterlassen.“   Neji starrte ausdruckslos vor sich hin, nickte aber. Shikamaru kam auf die Beine und prüfte mit einem raschen Blick, ob die Shoji Türen, die in den Garten führten, verschlossen waren. Er winkte lustlos, bevor er leise zur Tür schritt.    „Nacht.“, murmelte er noch über die Schulter und zwang sich dazu, nicht zurückzusehen.    xXx   Ein würgendes Geräusch weckte ihn.    Shikamarus müde Augen glitten einen Spalt breit auf und seine Stirn legte sich irritiert in Falten, da er aus dem Schlaf gezogen wurde. Er blinzelte, um seine Sicht zu klären und sein Blick glitt zu dem verschwommenen Blinken seines Weckers.    Vier Uhr morgens.    „Ugh…“ Er streckte eine Hand aus, griff nach der beleidigenden Uhr und knallte sie mit dem Ziffernblatt nach unten auf den Nachttisch, bevor er sich stöhnend aufsetzte.    Mit viel zu viel Anstrengung schaffte er es, nicht aus dem Bett zu kriechen oder zu fallen, sondern sich auf seinen Beinen aufzurichten. Er schlurfte durch sein Zimmer und rieb sich die Augen. Es war einfach viel zu früh für Bewegungen welcher Art auch immer und soweit es ihn betraf, gab es so eine Stunde wie ‚Vier Uhr morgens‘ gar nicht. Sie existierte auf seiner Uhr einfach nicht.    Das ist hoffentlich wirklich wichtig…oder wirklich schlimm…   Er tapste schläfrig den kurzen Flur entlang zum Gästezimmer. Er schob die Shoji Tür zurück und blinzelte rasch, während er seinen Blick durch den dämmrigen Raum schweifen ließ. Das wenige Licht fiel durch die Fenster herein oder durch den Schlitz in der Badezimmertür.    „Neji", rief er, seine Stimme noch immer schläfrig heiser. "Ich schwör dir Hyūga...du erstickst gerade besser nicht an deiner Zunge..." Shikamaru lenkte seine Schritte in Richtung des erstickten Keuchens des anderen Ninjas. Er schob die Tür gerade weit genug auf, um sich mit der Schulter gegen den Rahmen lehnen zu können – nur um mitten in der Bewegung innezuhalten. Seine Augen weiteten sich. Neji stand über das Waschbecken gebeugt und umklammerte das Emaille so hart, dass seine Knöchel weiß hervortraten.  Rotes Blut hob sich in krassem Kontrast von dem leuchtenden Weiß des Beckens ab. „Verschwinde…“, krächzte Neji, sein langes Haar schirmte sein Gesicht wie ein Vorhang ab. Eine Eiseskälte breitete sich in Shikamarus Innerem aus.   Er riss die Tür komplett auf und schritt vorwärts, erstarrte aber abrupt, als der der Jōnin herumwirbelte. Nejis Unterarm traf ihn hart an der Brust und versuchte ihn weg zu stoßen, doch Shikamaru taumelte nur einen einzigen Schritt zurück.    „Geh weg von mir!“ Nejis feindseliges Knurren wurde von einem rasselnden Husten unterbrochen.    Für einen flüchtigen Moment glaubte Shikamaru, er würde träumen. Doch die Realität stürzte wieder über ihn herein, als Nejis Handballen ungeschickt gegen seine Schulter schlug. Dennoch hatte der Hieb genug Kraft, um ihn einen weiteren Schritt zurückzucken zu lassen.    „Verschwinde, Shikamaru!“, keuchte der Hyūga abgehackt, seine Augen waren vor Schmerz zusammen gekniffen.    „Hör auf!“, grollte der Nara und wischte den nächsten Hieb mühelos beiseite.    Seine vorherige Schläfrigkeit wurde durch die Situation vollkommen weggefegt, sein scharfer Verstand fiel automatisch in seinen analytischen Modus. Nejis linke Hand krallte sich noch immer in den Rand des Waschbeckens, seine rechte hielt er sich vor den Mund, während er hustete. Der graue Yukata hatte sich leicht geöffnet und legte einen Teil des sehnig gebauten Körpers des Hyūgas frei.    Sofort fiel Shikamarus Blick auf die dunkelvioletten Flecken, die sich auf Nejis Brust verteilten.    Scheiße.   Es war unmöglich, diese Male zu missinterpretieren. Er hatte solche schon einmal gesehen. Es waren die tiefgreifenden, tödlichen Male, die von der Sanften Faust verursacht wurden – die auf Vitalpunkte in der Brust gezielt hatte.    Krankenhaus. Jetzt!   Shikamaru schritt nach vorne und traf wie erwartet auf Gegenwehr. Neji versuchte ihn weg zu schieben, doch die Reflexe des Jōnins waren schwerfällig und es war ein leichtes für den Nara, die Attacke zu vereiteln; er packte Nejis Arm und drückte ihn nach oben.    „Krankenhaus.“   „Nein!“   „Das war kein Vorschlag!“   „Keine…Option.“   „Zwing mich nicht, mein Jutsu einzusetzen…“   Neji schüttelte heftig den Kopf, dichte dunkle Strähnen schwangen wild hin und her, als er hart die Zähne zusammenbiss. „Ich werde sicher nicht zulassen, dass man mich so sieht …Ich schwöre, ich bring dich um…solltest du es versuchen…“   „Dann erklär mir verdammt nochmal, was hier los ist!“, knurrte Shikamaru. Besorgnis brachte eine unbändige Frustration dazu, an seinem dünnen Geduldsfaden zu zerren. „Was zur Hölle ist passiert?“   Fuck. Ich muss aufhören zu schreien. Beruhige dich.   Er ignorierte Nejis willensstarken aber unfokussierten Blick und setzte erneut an, ruhiger diesmal. „Neji…“   Der Hyūga schluckte schwer und blinzelte heftig mit seinen weit aufgerissenen Augen. „Ich kann nicht…klar denken…“   „Verdammt.“ Shikamaru trat näher an Neji, drehte sie beide herum und brachte Neji dazu, sich auf den Rand der Badewanne niederzulassen. „Das ist, weil du immer noch betrunken bist, Idiot.“   Der Schattenninja glitt unbewusst in eine Art Autopilot; irgendwie wusste sein Körper, was zu tun war, ohne dass er überhaupt darüber nachdenken musste. Vorsichtig strich er Nejis Haare aus seinem gefährlich blassem Gesicht und wich dem Stoß aus, der wahrscheinlich ohnehin daneben gegangen wäre.   „Hör auf! Das sind Verletzungen von der Sanften Faust.“ Shikamaru ging in die Hocke und deutete auf Nejis Brust. „Verschwende nicht meine Zeit damit, mir zu erzählen, es wäre etwas anderes! Was ist passiert? Hat dein Onkel das getan?“   Er erhielt keine Antwort. Nejis Lider erschlafften und sein Körper fiel leicht in sich zusammen, sein Atem wandelte sich zu einem dumpfen Rasseln. Shikamaru fing ihn an den Schultern ab, bevor er nach hinten fallen konnte.    „Wage es ja nicht, jetzt bewusstlos zu werden! Hey!“ Er schüttelte ihn heftig. „Neji!“   „Was…?“, grollte der Hyūga schwerfällig und versuchte, seinen Kopf aufrecht zu halten.    „Hat dein Onkel das getan?“   „Nein.“, schnappte Neji, seine Züge zuckten gleichermaßen verärgert und verwirrt. „Er würde nie…ich würde niemals…irgendjemandem erlauben…“ Der Rest des Satzes erstarb in einem Stöhnen.    „Verdammt, Neji…“ Shikamaru tastete nach einem Handtuch, während er den Hyūga weiterhin mit einer Hand festhielt.    „Spar es dir, Nara…“, krächzte Neji, griff nach dem Handtuch, das Shikamaru ihm unter die Nase hielt und tupfte sich den Mund ab. „Wo…bin ich?“   Der Nara seufzte und kurz befielen ihn Schuldgefühle, weil er den verdammten Sake bestellt hatte.    Das ist hier nicht das Problem. Konzentrier dich!   „Ich muss dich ins Krankenhaus bringen.“   „Nein…“ Nejis Finger gruben sich in den Stoff und er zog ihn von seinen Lippen fort. „Es geht mir gut…es hat aufgehört…ich brauche nur…eine Minute.“   „Ok, ich habe überhaupt keine Ahnung, womit ich es hier gerade zu tun habe!“   „Nichts…es hat aufgehört…“ Neji ließ das Handtuch fallen, atmete pfeifend ein und packte den Saum des Yukata, um ihn wieder an seinen Platz zu ziehen. „Es geht mir gut…“   Shikamaru seufzte erneut, seine Augen glitten zu den verfärbten Flecken, bevor Neji sie verdecken konnte. „Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass man es nicht einfach aussitzen kann, wenn man Blut hustet, Hyūga…“   „Ich weiß…was ich tue…“   Shikamaru zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Du hast dir das angetan?“   Neji versteifte sich angesichts des Tonfalls und seine Augen wurden trotz ihres fehlenden Fokus für einen Moment klar und kalt, seine Stimme tief. „Ich weiß, was ich tue!“   Der Nara legte die Stirn in Falten, der Griff um den Arm des Jōnin verstärkte sich. „Steh auf! Ich bring dich ins Krankenhaus.“   Neji schüttelte stur den Kopf. „Nein!“   „Du hustest Blut!“   „Es hat aufgehört…ich habe es gestoppt…lass es gut sein…“   „Ugh. Du nerviger sturer Bastard…“ Shikamaru hob Nejis Arm und schlang ihn sich um die Schulter. Mit seinem anderen Arm griff er um dessen Taille, um ihn besser stützen zu können. „Lehn dich an mich und atme durch die Nase…tief atmen!“   „Bevormunde…mich nicht…“, knurrte der Hyūga.    „Halts Maul, Neji!“, schnappte Shikamaru gleichermaßen verwirrt und besorgt. „Ich bin wirklich verdammt nah dran, mehr als nur ein bisschen angepisst zu sein. Bewegung!“   Vorsichtig zog er den Hyūga auf die Beine und manövrierte sie beide durch die Tür zurück ins Gästezimmer. Als sie den Futon erreichten, beugte er sich leicht nach vorne und ließ den langhaarigen Ninja zaghaft auf die Matratze gleiten. Neji hatte nicht einmal mehr die Energie, um sich zu beschweren und um ihn herauszufordern fehlte ihm die Koordination. Doch er packte Shikamarus Handgelenk, als der nach dem Yukata griff.    Das Gesicht des Naras verfinsterte sich und er kniete sich kopfschüttelnd neben den Futon. „Ich muss sehen, wie schlimm es ist. Hör endlich auf, das Ganze so schwer zu machen.“   Neji blinzelte langsam, seine Lider hingen auf Halbmast, während er den Nara für einen Moment schweigend betrachtete. „Es hat aufgehört…“   Shikamarus Miene wurde noch düsterer; doch zu seiner Erleichterung war Nejis Atmung weder in ein panisches Hyperventilieren, noch in ein flaches Keuchen übergegangen. Sie blieb bei einem leisen Rasseln, das stetig ruhiger wurde.   „Warum?“ Shikamarus Augen glitten von Nejis Brust zu den weißen Iriden, die ihn musterten. „Warum verfickt nochmal hast du dir das angetan?“   Der Ausdruck heftigen Abscheus in Nejis Blick bestätigte seine Vermutung, dass es nicht die Intention des Hyūga gewesen war, sich selbst zu verletzen.   Also WAS zur Hölle wollte er damit erreichen?   Neji schluckte und seine Stimme klang brüchig. „Ich habe die Koordination…falsch eingeschätzt…das ist alles…“   Shikamaru seufzte und befreite sein Handgelenk. „Du bist so ein verdammter Idiot, Neji!“   Der Hyūga runzelte schwach die Stirn, offensichtlich war er viel zu müde, um zu kontern.    Der Schattenninja ließ sich zurück auf die Fersen sinken und rieb sich mit einer Hand über das Gesicht. Er konnte die fundierte Vermutung anstellen, dass was auch immer Neji versucht hatte irgendetwas damit zu tun hatte, etwas in seinem Chakranetzwerk zu unterbrechen oder zu verändern. Doch natürlich hatte ihm die Trunkenheit seine makellose und angeborene Präzision geraubt.    Jetzt im Moment sorgte sich Shikamaru jedoch nicht so sehr um das, was Neji hatte treffen wollen, sondern um das, was er letztendlich getroffen hatte.   Ausgehend von den Malen und dem Blut hat er Chakrapunkte getroffen, die entweder mit der Lunge oder dem Herz zusammenhängen.    Shikamarus Verstand war bereits eifrig dabei, die Teile zusammenzusetzen, als er seine Hand von seinem Gesicht nahm. Bevor Neji ihn aufhalten konnte, griff er nach dem Kragen des Yukata und schob den Stoff von der blassen und mit Hämatomen übersäten Brust.    Die Lider des Hyūga flatterten etwas weiter auf, die Muskeln in seinem Hals strafften sich und seine Stirn legte sich in Falten.    „Bleib einfach ruhig.“, murmelte Shikamaru abgelenkt; seine Augen studierten aufmerksam Nejis Brust und folgten dem Muster der Male. „Verdammt.“   Die Wege des Chakrasystems waren viel zu verworren, um sie ohne den Besitz des Byakugans verstehen zu können. Die 361 Chakrapunkte bildeten ein kompliziertes Netzwerk, das einzig und allein die Hyūga verstanden und zu manipulieren oder lahmzulegen wussten.    Was ich wirklich brauche, ist noch ein verfluchter Hyūga.   Shikamaru strich mit den Fingerspitzen das Muster der Hautverfärbungen nach. Doch sein Fokus lag auf den Organen, die darunter lagen, denn dabei handelte es sich um etwas, das er verstehen konnte.   Herz oder Lunge, das muss es sein.   Er schob Nejis Hand beiseite, die versuchte, seine Berührung wegzuwischen und lehnte sich nach vorn, um ein Ohr über die Brust des Jōnins zu halten. Aufmerksam lauschte er nach Unregelmäßigkeiten in der Atmung oder des Herzschlags. Das stete Pochen von Leben beruhigte ihn ein wenig, doch da war eine deutliche Spannung in Nejis Atemzügen.    Okay. Also sind es die Lungen. Wenn er auf diesen Bereich gezielt hat, bedeutet das, dass er schon wieder eine Panikattacke hatte? Scheiße, ist das überhaupt der richtige Begriff für so etwas…?   „Ich habe es gestoppt…“, murmelte Neji schläfrig.    „Herzlichen Glückwunsch.“, erwiderte Shikamaru gedehnt, sein Atem geisterte über Nejis Brust.    Er richtete seinen Oberkörper wieder auf und bemerkte, dass die Augen des Hyūga geschlossen waren. Seine Züge wirkten weniger angespannt, als er langsam in den Schlaf hinüber zu gleiten schien.    Ruhig begann Shikamaru die Situation neu einzuschätzen.    Neji jetzt zurück in die Hyūga Siedlung zu bringen, würde die Sache nur noch komplizierter machen. Ihn hier zu behalten machte das Problem nicht wirklich weniger lästig oder sicherer, aber wenigstens könnte es etwas von Nejis Würde retten, die dem Hyūga ganz offensichtlich mehr bedeutete als seine Gesundheit.   Und so dämlich es klingen mochte, Shikamaru schuldete ihm diese verfluchte Würde.   Darüber hinaus würde das Einbeziehen weiterer Personen – insbesondere von Nejis Familie – den Jōnin nicht nur verärgern, sondern auch jeglichen Fortschritt zerstören, den Shikamaru mit ihm gemacht hatte. Und was noch wichtiger war, es würde jede Chance ruinieren, sich weiteren lästigen Involvierungen mit dem Hyūga zu entziehen. Was er eigentlich von Anfang an hätte tun sollen.    Wann bin ich nur so dumm geworden?   Shikamaru rieb sich erneut mit einer Hand über das Gesicht. Er wollte nicht die geringste Rolle dabei spielen, den wie auch immer gearteten Knoten zu lösen, in den Neji sich selbst verknüpft hatte. Er hätte wahrscheinlich mehr Glück darin, sich selbst einen Strick zu knüpfen, an dem er sich aufhängen konnte.   Das erklärt aber immer noch nicht, warum es mich dann überhaupt gekümmert hat…und nicht nur einmal…Mann, es ist viel zu früh, um über sowas nachzudenken…   Energisch schob er seine Gedanken beiseite und drehte sich, um direkt neben Neji zu sitzen. Er lehnte den Rücken gegen die Wand und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen; er würde nicht gehen, sondern bleiben und über den schlafenden Hyūga wachen. Nicht zum ersten Mal kam dachte er daran, wie sehr ihn Neji für das alles hassen würde.    Das passiert, wenn man sich nicht einfach nur um seinen eigenen Kram kümmert…   Shikamaru rieb sich den Nacken und seufzte gedehnt, während er gegen seine eigene Müdigkeit ankämpfte und Nejis Atemzügen lauschte. Er überwachte aufmerksam den schwachen unregelmäßigen Rhythmus und versuchte seine Gedanken davon abzuhalten, schon wieder in eine rote Zone abzudriften.    Zum Beispiel darüber, was hätte passieren können, wenn Neji mehr Schaden angerichtet hätte…   Oder was Nejis Reaktion auf seine letzte Mission über seine Denkweise aussagte…   Oder was es bedeutete, dass er so vehement seinem Onkel auswich…   Nicht zu erwähnen all die anderen ‚Warums?‘ oder ‚Was‘?‘, die sich gleich dahinter einreihten.    Shikamarus Blick senkte sich, als die Bewegung von Nejis Brust stoppte. Der Hyūga versteifte sich, seine Finger krallten sich in die Laken. Ohne überhaupt darüber nachzudenken, streckte Shikamaru eine Hand aus, um sie auf den Kopf des Jōnin zu legen und sanft über das dunkle Haar zu streichen und zaghaft zu massieren.    „Entspann dich!“, wisperte er.    Im beinahe selben Augenblick lösten sich Nejis Finger aus dem Stoff und die Spannung fiel von ihm ab. Shikamaru summte leise und drückte noch einmal sanft mit der Hand gegen Nejis Schopf, um ihn seine Anwesenheit spüren zu lassen. Und dann glitten seine Finger aus irgendeinem unerklärlichen Grund weiter nach unten und fuhren über das verdeckte Fluchsiegel auf Nejis Stirn.    Nach einem kurzen Moment zog er seinen Arm zurück, als würde er gerade erst realisieren, was er da eigentlich tat.    Shikamaru wusste, dass dies eine weitere Sache sein würde, über die er nicht nachdenken würde. Genauso wie er wusste, dass dieser gesamte Vorfall ein weiteres Thema sein würde, über das er und Neji nicht miteinander sprechen würden. Es war besser so. Vorausgesetzt er schlief nicht ein und würde von Nejis Fingern um seine Kehle geweckt werden.    Doch das wurde er nicht.   Es war das sanfte Spiel von Sonnenlicht auf seinen Lidern, das ihn Stunden später weckte.   Neji war bereits fort.    Der graue Yukata lag ordentlich gefaltet auf dem Platz, an dem der Hyūga geschlafen hatte. Das Tablett mit dem Tee und den Tassen war gesäubert und zur Seite gestellt. Shikamaru hegte keinen Zweifel daran, dass das Badezimmer makellos aussah. Alle Spuren von Nejis Anwesenheit waren verschwunden.    Shikamaru schloss die Augen und lehnte seinen Kopf zurück gegen die Wand.    Von draußen drang das Gezwitscher von Vogelgesängen herein.    Er konnte nicht anders, als daran zu denken, dass Vögel wirklich nicht Käfige gehörten…   _______________ So, es geht weiter mit dem 6. Kapiteln und es wird wieder etwas ernster als im letzten ;) Ich hoffe doch sehr, dass es euch gefallen hat?! :)  Vielen Dank an SasukeUzumaki und Scorbion1984 für eure Kommentare, das motiviert mich so sehr! :)  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)