Break to Breathe von _Scatach_ ================================================================================ Kapitel 3: To be seen ---------------------   Lärm zerrte ihn aus der Schwärze in seinem Kopf; es war ein tiefes, wildes Grollen aus weiter Ferne, gefolgt von einem stürmischen Heulen und dem Klang berstender Bäume.    Nejis Augen flatterten auf, Schlitze von schimmerndem Weiß versuchten sich in der Dunkelheit zu fokussieren.    Wo bin ich?   Er atmete leise ein und runzelte angesichts der schmerzenden Spannung in seiner Brust die Stirn. Er fühlte sich, als hätte man ihm mit voller Wucht mitten aufs Brustbein getreten - mehrmals. Er blinzelte langsam und lauschte dem Trommeln, das sich nach heftigem Regen anhörte. Schatten huschten durch sein Sichtfeld und für einen Moment fragte er sich, ob er schon wieder das Bewusstsein verlor. Doch als er beobachtete, wie sich die Dunkelheit zusammenzog und wieder ausbreitete, wurde ihm bewusst, dass es sich um das Schattenspiel von Kerzenlicht handelte. Verzerrte dunkle Formen tanzten über die Wände.    Moment. Wände?   Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube und brachte einen fürchterlichen Augenöffner mit sich. Neji versteifte sich, seine Finger krallten sich in zerschlissenen Stoff. Er lag schräg auf einem zerlumpten Futon, sein Oberkörper war leicht aufgerichtet, als hätte man die Belastung von ihm nehmen wollen, um ihm das Atmen zu erleichtern. Er wollte sich selbst nicht daran erinnern, warum diese Position womöglich wirklich nötig war.    Eine Bewegung links neben ihm zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Er drehte leicht den Kopf und richtete den Blick auf das glühende Ende einer schwelenden Zigarette.    „Du hast mich echt zu Tode erschreckt.“, sagte Shikamaru leise; bläulicher Rauch verließ in einer trägen Spirale seinen Mund und verflüchtigte sich in der kalten Luft. „Schätze mal, wir sind jetzt quitt.“   Neji blinzelte, wandte den Blick ab und zwang sich dazu, die dunklen Augen zu ignorieren, die ihn mit trügerischer Ruhe examinierten. Zu sagen, dass er sich unwohl fühlte, spottete der Wahrheit so sehr, dass es schon fast zum Lachen war.    Das Mal…   Rasch hob Neji eine Hand und berührte zögerlich mit den Fingern seine Stirn. Sie strichen über das kühle glatte Metall seines Stirnbandes und er atmete leise und erleichtert aus. Mit den Fingerkuppen fuhr er ganz leicht ein Muster darauf nach – nicht das des Blattsymbols, sondern das des verfluchten Siegels, das sich darunter befand. Nach einem kurzen Moment ließ er die Hand sinken; er spürte noch immer Shikamarus Blick auf sich ruhen.    Hör auf, mich anzustarren…im Ernst, was erwartest du eigentlich? Meine Dankbarkeit?   Neji schloss die Augen. Unbehagen fraß sich durch sein Inneres und zog gleich darauf einen gedemütigten Zorn nach sich. Doch die ganze Zeit über verharrte sein Gesicht als ausdruckslose Maske; fest dazu entschlossen, diese Art der Verteidigung aufrecht zu erhalten.   Wenige Herzschläge später räusperte er sich.    „Wo sind wir?“, krächzte er. Er war alles andere als stolz darauf, dass er entweder viel zu sehr mit Hyperventilieren beschäftigt gewesen war oder aber damit, bewusstlos über der Schulter des Nara zu hängen, um überhaupt mitzubekommen, wie und warum sie hier gelandet waren.   Er öffnete wieder seine Augen und sah sich um. Der Raum, in dem sie sich befanden, wirkte wie ein ziemlich heruntergekommenes Gästezimmer. Die dünnen Wände ächzten unter dem steten Druck des starken Windes und peitschende Zweige und Regen kratzten an den gesprungenen und klappernden Fenstern. Neji war überrascht, dass ihn das Getöse nicht schon viel früher geweckt hatte.    „In einem alten Gasthaus.“, erwiderte Shikamaru und klopfte mit seinem Zeigefinger Asche von seiner Zigarette. „Naja…sowas in der Art zumindest.“   „Wo?“   „Weit genug weg von der Stelle, wo die anderen das Lager aufgeschlagen haben.“   Neji versteifte sich und seine Stimme wurde hart. „Ich habe es nicht nötig, dass du meine Würde verteidigst, Nara.“   „Hn.“ Er hörte, wie Shikamaru knapp durch die Nase einatmete. „Mach dir keine falschen Hoffnungen. Das Gasthaus war näher.“    Nejis Kiefer verkrampfte sich und langsam, ganz so als wollte er nicht zu dramatisch erscheinen, rollte er sich auf die Seite. Er stützte sich auf einem Ellbogen ab und wandte Shikamaru seinen Rücken zu. Sofort bereute er es, diese Position eingenommen zu haben, denn sie fügte ihm an der Brust unerwartete Schmerzen zu. Sein Stolz verbot es ihm allerdings, seine Beschwerden nach außen hin zu zeigen.   Warum habe ich solche Schmerzen?   Er ließ seine Handfläche zu seinen Rippen gleiten und strich mit den Fingerspitzen über die empfindliche Stelle. Entschlossen kämpfte er den Drang nieder, Shikamaru zu fragen, ob er ihn ‚aus Versehen‘ fallen gelassen hatte – vermutlich sogar auf einer Treppe und sämtliche Stufen hinunter. Doch letztendlich störte ihn der Schmerz weniger als die Tatsache, dass er von der Hüfte aufwärts nackt war. Das schwache Ziehen heilender Schnitte erinnerte ihn rasch wieder an die Shurikendrähte. Doch da war auch noch ein seltsames Pochen an seinem Hinterkopf. Er fuhr mit den Fingern über die geschwollene Stelle und ein scharfer Schmerz durchzuckte ihn. Es fühlte sich an, als hätte man ihm auf den Hinterkopf geschlagen – heftig.    Dieser Dreckskerl!   Das schwache Scharren einer Bewegung zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Nur einen kurzen Moment später nahmen seine Sinne den Geruch von Nikotin viel zu nah bei sich wahr.    „Hey.“ Shikamaru legte ihm sanft die Hand auf ein Schulterblatt.    Nejis Miene verdunkelte sich und er wandte sich um. Er riss seinen Ellbogen scharf nach oben und ließ seine Hand nach vorne schnellen, erwischte Shikamarus Kiefer und schlug dem Nara so den widerlichen Sargnagel aus dem Mund. Obwohl Shikamaru ihn finster anstarrte, wehrte er sich nicht. Er hob nur schweigend seine zu Boden gefallene Zigarette auf und drückte sie an der schimmeligen Wand aus.    Über die Schulter hinweg begegnete Neji seinen dunklen Augen.   „Wie nett. Schön zu sehen, dass du dich immer noch voreilig aggressiv benimmst.“   „Fass mich noch einmal an und du bist vorzeitig tot!“   Aus irgendeinem Grund lächelte Shikamaru schief. Neji starrte ihn düster an. Das hatte nicht witzig sein sollen – nicht im Mindesten. Zorn brodelte in seinem Inneren auf. Die Situation war bereits demütigend genug, ohne dass Shikamaru seinen körperlichen Verletzungen auch noch eine Beleidigung hinzufügte. Der Nara schien seine Gedanken gelesen zu haben und schüttelte den Kopf; Neji ging davon aus, dass es sich dabei um eine Art Entschuldigung handeln sollte. Oder zumindest eine Abmilderung seiner nächsten Frage.   „Also…“, begann der Schattenninja gedehnt und zog das Wort unnötig in die Länge. „Wie geht’s deinem Kopf?“   „Wenn man bedenkt, dass du mich offenbar hart genug geschlagen hast, um mich komplett auszuknocken, ist es vielleicht keine allzu gute Idee, mich daran zu erinnern, findest du nicht?!“ Trotz des unterschwelligen Giftes in seinen Worten konnte Neji nicht anders, als sich zu wünschen, der andere Ninja hätte ihn noch härter geschlagen.    Hart genug, um die Erinnerung an diesen haarsträubenden, Verstand stoppenden Kuss aus seinem Hirn zu hämmern.    Bastard.   Als befürchtete er, seine Gedanken würden sich auf seinem Gesicht widerspiegeln, drehte Neji abrupt den Kopf weg. In dem schwachen Licht wäre zwar jeder Ausdruck irreführend und ließe sich kaum deuten, doch er wollte nicht das geringste Risiko eingehen, irgendetwas preiszugeben. Er hatte bereits mehrere empfindliche Risse in seiner Verteidigung einstecken müssen – das würde auf gar keinen Fall noch einmal passieren.     Schon allein die Tatsache, dass er die Frechheit besitzt, mich auf diese Weise zu berühren…   „Naja, du hast mir ja nicht wirklich eine Wahl gelassen.“ Shikamaru zuckte mit den Achseln und rieb sich mit der Hand die wunde Stelle an seinem Kiefer. „Sorry.“ Es schien ihm nicht wirklich leid zu tun.    Es dauerte einen Moment, bis Neji begriff, dass Shikamaru darüber sprach, ihn ausgeknockt zu haben. Seine Worte zielten nicht auf die Tatsache ab, dass er ihn einen Baum gefesselt, dann einfach so ihre Münder aufeinander gedrückt und ihm auch noch auf gar nicht so subtile Weise ein Knie zwischen die Beine gepresst hatte.   Nicht, dass Neji selbst immer noch daran dachte.   Lächerlich.   „Hn.“ Der Hyūga machte Anstalten, sich wieder auf die Seite zu drehen.    „Du solltest dich nicht auf deine Seite legen, es wird dir nicht wirklich beim Atmen helfen.“, riet Shikamaru ihm, legte seinen Unterarm auf einem aufgestellten Knie ab und war im Begriff, sich eine weitere Zigarette anzuzünden.    Neji hob spöttisch eine Braue. „Aber ich bin mir sicher, dass mir stattdessen Passivrauchen helfen wird.“   „Touché“, grinste Shikamaru und schob seine Zigarette zurück in die Packung. „Zufrieden?“   Nicht mal annähernd.   Neji ließ seinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen. Von den in den Ecken aufgestellten Kerzen tropfte Wachs und die Flammen zuckten auf ihren Dochten, während ein eisiger Luftzug durch die Risse in den Fenstern und Wänden pfiff. Seine Augen wanderten nach oben zu den Sparren, die ein verräterisches Knarzen von sich gaben.   Das wird nicht halten.   „Mach dir keine Sorgen. Es ist zwar eine ziemlich stümperhafte Konstruktion, aber es wird schon halten.“ Shikamaru gähnte und rieb sich die Augen.    Neji grunzte, er teilte die Zuversicht des Schattenninjas überhaupt nicht. Bevor sich eine unangenehme Stille zwischen ihnen ausbreiten konnte, entschied er sich, seinen Stolz hinunterzuschlucken und sprach das Unvermeidbare an; einfach weil er es wissen musste.   „Wie lange war ich…“ Er verstummte und biss wütend die Zähne zusammen.    Doch aus irgendeinem Grund ersparte Shikamaru ihm eine weitere Demütigung, bei der Neji seinen hilflosen Zustand offen hätte zugeben müssen.    „In etwa eine Stunde schätze ich.“ Der Nara wedelte träge mit der Hand, als ob er das Thema beiseite schieben wollte. „Ruh dich einfach aus.“   „Ich bin nicht krank.“, schnappte Neji.   Shikamaru ignorierte ihn geflissentlich. „Ist ja nicht so, als könnten wir während des Sturms irgendwo hin. Wir treffen uns einfach mit den anderen, sobald es aufklart; wenn wir Glück haben, ist das Unwetter bis zum Morgen vorbei.“   Neji hielt den Blick weiter auf die Decke gerichtet.   Bis zum Morgen…   Die Dämmerung hatte sich für ihn noch nie so verdammt weit weg angefühlt. Normalerweise störte sich Neji nicht an ruhigen Zeitabschnitten, in denen nicht allzu viel passierte und die viele andere mit Sicherheit als ermüdend erachtet hätten. Im Gegenteil, er fühlte sich in solchen Momenten sogar wohl – doch das würde eine qualvoll lange Nacht werden. Für einen flüchtigen Augenblick wünschte er sich, er wäre immer noch ohnmächtig. Allein der Gedanke an seinen Anfall vor ein paar Stunden löste eine plötzliche Übelkeit in seiner Magengegend aus. Puren Abscheu. Wie hatte er etwas so Lächerlichem gestatten können, seine Kontrolle zu übernehmen?    Erbärmlich.   Neji runzelte die Stirn, drehte sich langsam wieder auf den Rücken und zog dabei die zerschlissenen Laken über seine nackte Brust. Die ganze Zeit über tat er so, als würde er nicht diese dunklen Augen bemerken, die jeder seiner Bewegungen folgten. Shikamaru erhob in seiner Observation nicht den geringsten Anspruch auf Subtilität und musterte ihn offen mit täuschend schläfrigen Augen. Soweit Neji das beurteilen konnte, machte der Bastard das mit Absicht.   Will er mich schon wieder provozieren?   Der Hyūga begann sich ernsthaft zu fragen, ob Shikamaru wirklich über diese berühmte Intelligenz verfügte – was ihm ehrlich gesagt langsam zweifelhaft erschien; besonders wenn man den harschen und völlig untypischen Angriff auf Nejis Mund bedachte.    Es war nur eine Schocktaktik. Ein Trick…Warum denke ich überhaupt darüber nach?   „Ich wusste gar nicht, dass du rauchst.“, murmelte Neji und versuchte damit die Aufmerksamkeit von sich selbst und diesen zermürbenden Gedanken abzulenken, die er gar nicht erst haben sollte.    Shikamaru zuckte mit den Schultern. „Ich wusste gar nicht, dass du an Panikattacken leidest.“   Neji schloss die Augen. Das hätte er eigentlich kommen sehen müssen. Er hatte sich selbst viel zu offen gelassen, ohne Verteidigung und mit viel zu breiter Angriffsfläche – und es war nicht so als würde der Nara diese Möglichkeit für einen Gegenschlag nicht nutzen. Letztendlich war ein rücksichtsloser Taktiker. Die Manipulationen, die er vorhin in seinen Handlungen genutzt hatte, machten das mehr als deutlich.    Neji atmete leise durch die Nase aus und versuchte, sich selbst in einen meditativen Zustand zu versetzen. Sollte er es schaffen, seine Energie zu zentrieren und sein Chakranetzwerk gründlich zu studieren, könnte er vielleicht herausfinden, was für ein nerviger Anfall von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Möglicherweise könnte er das Problem sogar beheben.    Sein Versuch war jedoch nur von kurzer Dauer.    „Hast du Hunger?“ Shikamaru gähnte und rollte eine Schulter, um verspannte Muskeln zu lockern.    Neji unterdrückte den Drang ihn finster anzustarren. Er antwortete nicht. Es war eine dumme, sinnlose Frage. Und so entschied er sich für Schweigen statt Sarkasmus; es war eine effektive Taktik, die keinem von beiden auch nur die geringste Anstrengung abverlangte. Der Hyūga setzte auf Shikamarus wohlbekannte Faulheit – und war mehr als überrascht, als der Schattenninja die Frage wiederholte.    „Du warst doch mal intelligent.“, schnappte Neji letztendlich. „Also denk darüber nach, was es bedeutet, wenn sich jemand dazu entscheidet, dir nicht zu antworten oder dich überhaupt zu beachten.“   Shikamaru kicherte nur. „Reg dich ab, Hyūga, ich wollte nur sicher gehen, dass du immer noch atmest.“   Neji warf ihm aus den Augenwinkeln einen vernichtenden Blick zu, der einen klugen Mann augenblicklich zum Schweigen gebracht hätte. Shikamaru sollte eigentlich ein kluger Mann sein. Und außerdem hätte er selbstgefällig, amüsiert oder zumindest semi-überlegen aussehen, oder sich so benehmen sollen.    Doch das tat er nicht.    Er sah nicht einmal gereizt aus. Diese dunklen Augen beobachteten ihn ruhig. Neji runzelte die Stirn und wandte erneut den Blick ab; er mochte diese forschende, geduldige Ruhe in Shikamarus Augen nicht. Sie brachte ihn aus der Fassung. Nicht vieles schaffte das; und schon gar nicht ein simpler Augenkontakt. Wenn er sich die Mühe machte, auf das häufige Starren der Menschen zu reagieren, brachten seine blassen, geisterhaften Iriden die Leute meistens dazu, den Blick abzuwenden. Auch nur einen kurzen Augenkontakt herzustellen war normalerweise genug, um jemanden dazu zu bringen, sich zurückzuziehen.    Aber nicht bei Shikamaru.   Im Gegenteil; irgendwie schaffte es der Schattenninja, dem Eis in Nejis Augen zu widerstehen und die ganze Zeit über auch noch unbeeindruckt und gelassen zu erscheinen. Es wirkte fast so, als würde Shikamaru im klar machen, dass es die Mühe nicht wert wäre, jetzt deswegen defensiv zu werden. Neji spürte, wie sich seine Brauen heftig zusammenzogen – es war ein feiner Riss in seiner Maske.    Er war es gewohnt, dass ihn die Leute betrachteten, aber nicht gesehen zu werden.   Aus irgendeinem Grund sorgte Shikamarus Blick dafür, dass er sich fühlte, als würde er wie ein offenes Buch vor dem Nara liegen. Was aber total lächerlich war. Hyūgas gaben sich diese Blöße nicht – jeder, der versuchte, hinter ihre Verteidigung zu blicken, scheiterte zwangsläufig. Auf schmerzhafte Weise. Die Hyūgas waren ein Schlag Mensch, der sich nicht leicht interpretieren oder einschätzen ließ.   Im Grunde hatte Neji niemals an seiner Fähigkeit gezweifelt, unergründlich zu bleiben; zumindest nicht bis vor ein paar Stunden. Nicht bis Shikamaru - der eigentlich viel zu faul dafür sein sollte, sich überhaupt um so etwas zu kümmern - darauf bestanden hatte, eine Lösung für etwas zu finden, das undechiffrierbar sein sollte.    Es hätte alles so anders laufen sollen.   Der Gedanke an seinen Kontrollverlust sorgte dafür, dass sich Nejis Brust noch mehr zusammenzog. Diese ganze Situation fühlte sich an, als hätte sich eine natürliche Ordnung auf den Kopf gestellt, auf die er sich stets verlassen hatte und von der er angenommen hatte, sie wäre unumstößlich. Und nun war diese kostbare Ordnung gefährlich ins Wanken geraten – genau wie seine Atmung.    Verdammt.   Nejis lange Finger krallten sich unbewusst in den Futon und formten sich beinahe zur Faust, bis er sich wieder fing und zwang, sie auszustrecken.    Ich werde das unter Kontrolle halten. Es gibt einen Grund, weshalb ich nicht scheitere. Das darf hierbei nicht anders sein. Gegen mich selbst zu verlieren wäre jämmerlich.   „Bist du ok?“ Shikamaru verlagerte sein Gewicht.   „Ja!“, schnappte Neji.    Wann zur Hölle bin ich so durchschaubar geworden? Er biss sich auf die Zunge, um das Knurren zu unterdrücken, das ihm bereits in der Kehle hing und kniff fest die Lider zusammen.    „Es geht mir gut.“, fügte er noch mit leiserer Stimme hinzu.    Er sah nicht, wie der Ausdruck in Shikamarus Augen weich wurde.    Draußen hielt das Unwetter donnernd und wild an.   xXx   Neji erwachte lange vor der Dämmerung.   Der Lärm hatte ihn erneut geweckt; das unaufhörliche Klappern der Scheiben und der hämmernde Regen hatten ihn aus einem traumlosen Schlaf gerissen. Seine Stimmung hätte besser sein können, wenn man bedachte, dass ihn seine innere Uhr ohnehin geweckt hätte. Diese lästige Schwere auf seiner Brust war nicht verschwunden, doch es ließ sich aushalten. Er war sich sicher, dass er den Druck auf seiner Lunge ignorieren konnte, wenn er seinen Fokus auf irgendetwas anderes lenken könnte.    Später würde er Zeit dafür finden, um der Sache auf den Grund zu gehen und dieses Ärgernis unter Kontrolle zu bekommen.    Der Sturm war vorüber, doch der Regen hielt noch immer an. Er prasselte heftig wie ein Hagelschauer nieder und schmetterte dichte Bahnen aus Wasser gegen die gesprungenen Scheiben. Doch trotz dieses Getöses; Shikamaru rührte sich nicht. Nejis Blick wanderte von seiner eigenen verzerrten Reflexion im Fenster zu der zusammengerollten Gestalt, die unter mehreren abgenutzten Decken begraben war.    Wie kannst du bei diesem Lärm nur schlafen?   Neji legte den Kopf leicht schief und sein dunkles Haar schwang in der Bewegung mit, als er in aller Ruhe weiter in die Mitte des kleinen Raumes schritt. Die Kerzen waren während der Nacht zu flachen Wachspfützen zerschmolzen, in denen die Dochte versunken und beinahe erloschen waren.    Statt einfach nur untätig herumzustehen, schlüpfte Neji in seine matschverkrustete und blutbesudelte Kleidung und in seine Sandalen. Leise verließ er das Zimmer. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass es sich bei dem ‚Gasthaus‘, in dem sie sich befanden, eher um einen verlassenen Schuppen handelte. Die von Wind und Wetter gezeichnete Hütte stand ganz offensichtlich schon eine sehr lange Zeit leer, um in so einen entsetzlichen Verfallszustand geraten zu sein.   Es gab kleine Anzeichen dafür, dass die Unterkunft bereits von anderen für denselben Zweck genutzt worden war – als letzte Zuflucht vor den Elementen. Kami sei Dank handelte es sich um ein ebenerdiges Gebäude ohne weitere Stockwerke oder einen Keller, sodass man nicht Gefahr lief, durch den morschen Boden zu fallen. Trotzdem bewegte sich Neji vorsichtig durch das Gebäude. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen und mied einen bedenklich erscheinenden Raum, der aussah, als wäre er ausgebrannt – er nahm an, dass es vor langer Zeit einmal die Küche gewesen war.    Er suchte nach Kerzen, fand stattdessen aber ein paar Öllampen. Zu irgendeinem Zeitpunkt während seiner beschämenden ‚In etwa eine Stunde oder so‘-Bewusstlosigkeit, hatte Shikamaru Vorkehrungen getroffen, um den Ort zu sichern. Er hatte einige einfache aber wirkungsvolle Fallen aufgestellt. Neji gab sich alle Mühe, die Fürsorge des Schattenninjas nicht zu würdigen. Er war mehr als zufrieden damit, noch für eine Weile länger angepisst zu bleiben.    Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alles, was noch von irgendeinem Interesse hätte sein können, entweder gestohlen oder bis zur Nutzlosigkeit zerstört worden war, lenkte er seine Schritte zurück zu ihrem Zimmer. So leise wie er gegangen war schlüpfte er durch die Tür.    Shikamaru hatte sich nicht bewegt.    Neji machte sich daran, seine linke Sandale abzustreifen und verlagerte das Gewicht auf sein rechtes Bein.    Ganz leicht knarzte eine Diele unter seinen Füßen.   „Hinterhältig…“, grummelte Shikamaru aus dem Kokon seiner vielen Laken heraus.    Neji rollte in einer absolut untypischen Gefühlsregung mit den Augen, wohlwissend, dass der Schattenninja es nicht sehen konnte. Shikamaru konnte während eines höllischen Sturmes schlafen, regte sich aber bei dem kleinsten Knacken des Dielenbodens? Neji schritt hinüber zu dem dösenden Ninja und warf dabei einen schwachen Schatten über die zusammengerollte Gestalt unter den Laken.   „Der Sturm ist vorbei.“ Neji hob etwas die Stimme, um die klappernden Scheiben zu übertönen. „Wir sollten uns auf den Weg machen.“   Shikamaru rührte sich nicht und gab auch keine Antwort. Im Geiste ließ Neji einen Countdown ablaufen. Dann verengten sich seine Augen.   „Steh auf, Nara.“   Nichts.   Neji ließ den Blick durch den Raum wandern und seine blassen Augen richteten sich auf einen verbeulten Eimer. Shikamaru musste ihn in die Ecke des Zimmers geschoben haben, um den das Regenwasser aufzufangen, das aus einem Leck im Dach tropfte.    Die Lippen des Hyūgas verzerrten sich zu einem schwachen Grinsen.   Kindisch, aber perfekt.   Geräuschlos wandte er sich auf seinen nackten Füßen um und schritt hinüber zu dem halbvollen Eimer. Seinen Blick hielt er weiterhin auf Shikamaru gerichtet; keine Regung. Das Gefühl eines anstehenden Triumphes erfüllte seine Augen mit einem sadistischen Glimmen. Oh, wie sehr er doch Spaß daran haben würde, Shikamaru von seinem hohen Ross zu holen. Neji achtete sorgfältig darauf, nicht auf die knarzende Diele zu treten und ging in die Hocke, um nach dem Eimer zu greifen.    Das süße Gefühl von verdienter Rache pulsierte durch seine Adern, als er sich erhob.    Und augenblicklich wünschte er sich, er hätte es nicht getan.    Wasser und Holzsplitter brachen wie ein Eisregen über ihn herein. Instinktiv krümmte er den Rücken und erstarrte an Ort und Stelle; ein ersticktes Japsen fiel von seinen Lippen.    Das Bündel aus Laken begann sich zu bewegen.   Die scharfen wirren Zacken eines Pferdeschwanzes erschienen, gefolgt von dem Rest von Shikamarus Kopf. Die verschlafenen Augen des Nara wanderten träge von dem Eimer in Nejis verkrampften Händen zu dem mörderischen Ausdruck auf seinem Gesicht und dann weiter zu dem kaum wahrnehmbaren Funkeln des Drahtes, der von dem Eimer hinauf zu einer Falle direkt über Nejis Kopf führte.    „Ja…wirklich hinterhältig…“   Nejis Blick wurde eisig. Doch in seinem derzeitigen Zustand war es quasi unmöglich, einschüchternd zu wirken. Shikamaru gähnte einfach nur und zuckte mit den Achseln, bevor er sich mit einem Grummeln wieder unter den Decken vergrub.    „Ugh. Weck mich, wenn es aufhört zu regnen.“   Neji stierte ihn unverwandt und finster an. Das dunkle Haar, das sein Gesicht einrahmte, klebte wie eine feuchte Ohrfeige in den Mulden seiner Wangen. An seinen langen Wimpern hingen glitzernder Wasserperlen und seine Kleidung tropfte mit dem Loch im Dach um die Wette.    Und schließlich zuckte ein Muskel in Nejis Kiefer.    Er zog langsam die Luft ein und richtete sich ach so ruhig auf. Dann trat er würdevoll aus der kalten Pfütze zu seinen Füßen, drehte sich einige Grade nach links – und warf den Eimer und seinen Inhalt mit aller Kraft nach Shikamaru…nur um festzustellen, dass ein weiterer Draht am Griff befestigt war. Die dünne Metallschnur ruckte an einem weiteren strategisch angeritzten Balken, der nach unten krachte und so den Weg für noch mehr eisiges Wasser freimachte, das auf den ohnehin schon völlig durchweichten Hyūga stürzte.    Dem lauten Platschen folgte ein durchdringendes Schweigen, das nur von den klappernden Fenstern unterbrochen wurde.    Der verräterische Eimer hüpfte höhnisch an dem gespannten Draht und schien mitten in der Luft zu schweben. Glucksend verteilte er noch mehr Wasser über Nejis Füßen und vergrößerte die Pfütze, die sich auf dem Boden ausbreitete; in sehr sicherer und bis auf den Zentimeter genau kalkulierter Entfernung zu der Stelle, an der Shikamaru lag.    Der Haufen Decken über dem Nara begann zu zittern. Und zwar nicht vor Angst.    Nejis Auge zuckte. Obwohl er sich alle Mühe gab es zu ignorieren, konnte er Shikamarus leises gedämpftes Lachen hören.    Und aus irgendeinem Grund beleidigte es ihn nicht annähernd so sehr, wie er es sich gewünscht hätte.   xXx   „He! Da seid ihr ja!“ Das heftige Kreischen von Narutos Stimme schreckte alle Vögel im Umkreis auf.    Shikamaru schlug sich mit einem Knurren die Hand vors Gesicht. „Was für ein Trottel.“   Neji kam abrupt neben ihm zum Stehen und blickte hinauf in die Richtung, aus der die Stimme des Uzumaki gekommen war.    „Heeeey!“ Narutos Brüllen hallte erneut über die Lichtung.   Shikamaru seufzte. So viel dazu, dass das Team sich während seiner Abwesenheit bedeckt halten sollte. Und als wäre Narutos Gebrüll nicht schon nervig genug, entschied sich Lee in diesem Moment dafür, wie ein wild gewordenes Tier aus dem Unterholz zu brechen. Er stürzte mit gebeugtem Oberkörper auf sie zu, um Neji an der Taille zu packen und von den Füßen zu reißen – verfehlte ihn aber komplett, da der Hyūga in letzter Sekunde einen eleganten Schritt zur Seite wich und prallte stattdessen gegen Shikamaru.   „Hey!“ Während er in den nächsten Busch taumelte, schob Shikamaru den grüngekleideten Ninja mit einem genervten Knurren von sich. „Jetzt mal im Ernst, woher zur Hölle nehmen Naruto und du eigentlich diese Energie?“   Er beobachtete, wie Lee eulenhaft blinzelte, bevor der Ninja mit den buschigen Augenbrauen Shikamarus Handgelenk packte und ihn viel zu enthusiastisch aus dem Gestrüpp zerrte.    „Meine ehrliche Entschuldigung, Shikamaru-kun!“   „Ugh. Wie auch immer.“ Der Nara schüttelte den Kopf und klopfte seine Kleidung ab.    „Neji-kun!“ Lee wirbelte mit einem hoch erhobenen Daumen zu dem gelassen wirkenden Hyūga herum. „Wie gut zu sehen, dass deine wunderbaren Reflexe so schnell wie immer sind!“   „Ja, was ist nur mit deinen passiert?“, raunte Shikamaru leicht außer Atem. Ernsthaft, woher nahmen Lee und Naruto diese Energie?   Lee lachte verlegen. „Ich muss mich wohl etwas schneller bewegen!“   „Naja, hätte Naruto nicht gekreischt wie eine Banshee“, sagte Neji ruhig und richtete seinen Blick himmelwärts auf den orangenen Blitz, der in den Baumkronen von Ast zu Ast sprang. „dann hättest du mich vielleicht sogar überrumpeln können.“   Neji verzog seine Lippen zu einem matten Lächeln, das Lee mit einem breiten Grinsen erwiderte. Shikamaru musterte die beiden und fragte sich, ob dies ein seltsames Friedensangebot vonseiten Nejis an seinen Teamkollegen war. Er war sich sicher, dass keiner von beiden die Aktion von gestern Abend diskutieren würde. Genauso wenig wie Shikamaru und Neji ein Wort darüber verloren hatten, was zwischen ihnen vorgefallen war.   Es ist besser so. Zumindest vorerst.    „HEY!“, quäkte Naruto und landete in der Hocke neben dem Nara. „Shikamaru!“   Die Frequenz und Lautstärke ließen den Schattenninja winseln. „Hör endlich auf zu plärren!“   „Wo zur Hölle wart ihr beide?“, schrie Naruto unbeirrt. „Ich hab‘ überall im Wald Schattenklone rumrennen lassen!“   „Mann, hältst du auch irgendwann mal die Klappe?“ Shikamaru rieb sich genervt den Nacken und schritt hinüber zu dem Feuer, neben dem Tenten hockte. „Ich werde euch alles beim Essen erzählen.“   Und das tat er auch.    Indem er eine überzeugende Lüge ersann, die Neji mit gelegentlichem Kopfnicken oder einem zustimmenden Brummen zwischen den Bissen unterstützte. Lee und Tenten lauschten, als würde er die spannendste Abenteuergeschichte erzählen und Naruto warf hin und wieder eine Frage ein.    „Ein Ablenkungsmanöver, huh?“ Naruto runzelte die Stirn.    „Wow, Neji, das war echt ziemlich schnell gedacht!“, lobte Tenten und stützte ihr Kinn in eine Handfläche.    Neji mied ihren Blick und brummte nur leise, bis er sich beinahe verschluckte, weil Lee im kameradschaftlich aber hart auf den Rücken klopfte.    Shikamaru versuchte nicht zu lachen.    „Ein brillanter Plan, Neji-kun!“, kommentierte Lee, als sich Neji wieder aufrichtete. „Den Gegner glauben zu lassen, dass sich unsere Gemeinschaft zerstritten und aufgeteilt hat! Du hast dich selber als Köder angeboten!“   „Ja wie auch immer, brillanter Plan hin oder her…“ Naruto schüttelte den Kopf und mampfte einen Mund voll Reis, während er weitersprach: „es wäre nett, wenn du uns das nächste Mal einweihen würdest, weißt du?!  Oder uns zumindest vorwarnen würdest.“   „Es war eben ein spontaner Gedanke, Naruto!“ Tenten sprang sofort zu Nejis Verteidigung ein und zog eine finstere Miene. „Frag doch Shikamaru. Es war eine gute Taktik.“   Schweigend linste Shikamaru zu Neji hinüber. Der langhaarige Ninja hielt seine Aufmerksamkeit starr auf sein Essen gerichtet, in dem er schon seit einigen Minuten herumstocherte.    „Jo.“, sagte Shikamaru nur und zuckte mit den Achseln.    „Also wer zur Hölle war denn nun eigentlich der Kerl, gegen den ihr kämpfen musstet? Es muss ein ziemlich unangenehmer Gegner gewesen sein, wenn er so nah ran gekommen ist, um das zu tun!“ Naruto deutete mit seinen Essstäbchen auf Nejis zerrissene und blutbefleckte Robe.    „Ja, bist du soweit ok?“ Tentens Gesichtsausdruck wurde besorgt und sie streckte eine Hand aus, um den zerfetzten Stoff zu berühren.  „Der Kerl ist Geschichte.“, unterbrach Shikamaru ihre Bewegung und lenkte so die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich, um Neji die Gelegenheit zu geben, sich von Tentens Hand weg zu lehnen. „Dein Krötenöl war wirklich sehr nützlich, Naruto. Danke.“   „Nah, kein Problem!“ Naruto grinste und sein Lächeln wischte rasch den bisherigen misstrauischen Schatten aus seinem Gesicht. Mit einem Daumen deutete er über die Schulter hinweg zu seiner Ninja Tasche. „Der kauzige Bergeremit hat mir ein ganzes Arsenal mitgegeben.“   „Du solltest wirklich aufhören, ihn so zu nennen, weißt du Naruto.“, tadelte Tenten ihn und drehte sich immer noch sitzend zu dem Blondschopf um. „Tsunade-sama hat dir doch gesagt, dass du ein bisschen mehr Respekt gegenüber…“   „Oh Mann, gönn mir `ne Pause. Wenn du wüsstest, was für ein Perversling der alte Mann ist, würdest du dich auch nicht darum kümmern, was Oma Tsunade sagt.“   Shikamaru erahnte bereits den Beginn einer hitzigen Debatte und verließ unter dem Vorwand, seine Sachen zu packen, rasch den Kreis um das Feuer; er hatte wirklich Besseres zu tun, als sich das anzuhören.    Neji war bereits damit beschäftigt Lee zu helfen, ihr Lager abzubrechen. Während er das Segeltuch eines Zeltes zusammenrollte, informierte Lee Shikamaru über den Ausgang der Mission, die er zusammen mit Naruto und Tenten erfolgreich abgeschlossen hatte. Es hatte sich herausgestellt, dass der Akatsuki Imitator, den sie verfolgt hatten, im Grunde nur ein Angeber gewesen war. Er hatte sich auf einige Söldner verlassen, die den Großteil des Kampfes für ihn übernommen hatten – gerettet hatte ihn das jedoch nicht.    „Offenbar hat er auf einen bestimmten Ruf gehofft, wenn man ihn mit Akatsuki in Verbindung bringen würde.“, erklärte Lee und hüpfte zurück auf die Füße. „Quasi um Angst in den Herzen seiner Feinde hervorzurufen. Auch wenn er weder die Fähigkeiten noch den Eifer dazu hatte, diesem Ruf gerecht zu werden, als es darauf ankam!“ Er warf sich eine völlig unnötige dramatische Pose, um seinen Standpunkt noch klarer zu machen. „Ein Feigling und Betrüger!“   Shikamaru brummte abgelenkt. „Alles klar. Habt ihr ihn gesichert?“   Lee nickte knapp und deutete quer über die Lichtung. Shikamarus Augen zuckten zu dem angewiesenen Platz. Ihr Gefangener war sicher an den Stamm eines Baumes gefesselt. Und zu Shikamarus Überraschung war die auserwählte Wache des Mannes niemand anderes als das Hausschwein der Hokage, Tonton.    „Was macht das Schwein hier?“ Shikamaru runzelte die Stirn und wischte ärgerlich Lees Hand zur Seite, als der versuchte, ihn zum Schweigen zu bringen.    „Ssshh! Nenn sie nicht so!“, raunte Lee. „Sie kann dich hören. Ihr Name ist Tonton.“   „Was macht das Schwein hier?“, fragte Neji, als er an Lees Seite trat.    „Sie ist als Tsunade-samas Gesandte hier.“ Lee schlug beinahe die Hacken zusammen und seine Stimme nahm einen militärischen Klang an, als er die Nachricht überbrachte. „Die Hokage ruft uns zurück nach Konoha. Wie es aussieht bedarf sie deiner Dienste, Shikamaru!“   „Das klingt irgendwie unanständig.“, lachte Naruto, was ihm einen harten Schlag von Tenten einbrachte. „Hey! Nicht meine Schuld, wenn er Oma Tsunade zu Diensten sein muss!“   „Oh werd erwachsen, Naruto!“, knurrte Tenten. „Du bist so ein Schwein!“   Shikamaru konnte Tonton angesichts der Beleidigung quieken hören.    „Beleidige Tonton nicht, Tenten.“ Lee fuchtelte mahnend mit dem Zeigefinger durch die Luft.    „Hey! Wie wäre es denn damit, dass sie nicht mich beleidigen soll?“, maulte Naruto.   „Wie auch immer…“, knurrte Shikamaru gedehnt. Er rümpfte die Nase und blies die Backen mit einem tiefen Seufzen auf. „Das wird wahrscheinlich noch mehr langweilige Gespräche über Verteidigungsstrategien beinhalten, huh?“   Lee nickte. „Völlig richtig. Die Hokage vertraut dabei deinem Urteil.“   Dachte ich mir. Wie nervig…   „Ich nehme an, dass wir diesen Betrüger mitnehmen werden.“ Neji ruckte mit dem Kinn in Richtung des Gefangenen, seine melodiöse Stimme wurde etwas leiser, als er weitersprach: „Es wäre klug, wenn Ibiki ihn befragen würde. Nur um sicher zu gehen, ob er doch mehr weiß, als es scheint.“   „Klingt nach einem guten Plan.“ Shikamaru streckte sich und warf sich seinen Rucksack über die Schuler. „Dann lasst uns mal aufbrechen.“   Neji nickte und machte sich daran, seine eigene Tasche aufzusammeln. Shikamaru beobachtete ihn für einen langen Moment, bevor sein Blick zurück zu dem gefesselten Mann wanderte.    „Okay. Naruto, du trägst den Gefangenen.“   „Was?!“ Der Blondschopf begann zu jammern. „Warum ich?!“   Shikamaru grinste.    Naruto zog eine finstere Miene.   Lee meldete sich beinahe schon mit einem enthusiastischen „Nimm mich!“ freiwillig, doch Shikamaru war dem Ganzen bereits wieder zwei Schritte voraus.    Mann, drei Jahre und es ist immer noch so, als wären sie kein bisschen reifer geworden.   Shikamaru hielt ein Bündel Gutscheine zwischen den Fingern nach oben und wedelte damit herum. „Nun, ich wollte eigentlich alle meine ‚All you can eat‘-Gutscheine von Ichiraku darauf wetten, dass du es nicht bis zurück nach Konoha schaffst, ohne ihn fallen zu lassen, Naruto.“   Narutos weit aufgerissene Augen stierten auf die Coupons, seine Stimme war ein ehrfürchtiges Wispern. „All you can eat?“   Shikamaru zuckte mit den Achseln und schwang seine Hand lässig in Richtung Lee. Narutos Blick folgte den Gutscheinen wie ein Hund einem Knochen.   „Aber wenn du sie nicht willst, gebe ich sie eben Lee.“, erklärte Shikamaru gedehnt und mit geübtem Desinteresse. „Ich weiß, dass er bei so einer Herausforderung immer dabei ist.“   „Bei meiner Ehre, das bin ich!“ Lee hämmerte sich seine Faust gegen die Brust und schien vor einem Enthusiasmus zu vibrieren, der absolut nicht ansteckend war. Ihm nur zuzusehen machte Shikamaru bereits schläfrig.   „Auf keinen Fall!“ Naruto lieferte sich quasi ein halsbrecherisches Wettrennen mit dem grüngekleideten Ninja hinüber zu dem Gefangenen.    Sehr schön, Ärger vermieden.   „Diese Gutscheine sind abgelaufen.“, bemerkte Neji und hob eine Braue. Seine Pastellaugen wanderten von den Coupons zu Shikamarus Gesicht.    Der Nara ließ die Wertmarken in seiner Tasche verschwinden. „Jo, aber das müssen die beiden ja nicht wissen.“   Neji ließ ein sanftes spottendes Schnauben hören, bevor er sich entfernte. Shikamaru beobachtete ihn durch dichte Wimpern und seine Aufmerksamkeit wurde nur abgelenkt, als Tenten mit einem Kichern an seine Seite trat.    „Shikamaru, du Fuchs.“, lachte sie. „Die zwei so gegeneinander auszuspielen ist fast schon grausam.“   „He, ich werde den Typen ganz sicher nicht tragen und Neji ist nunmal die Augen der Gruppe.“ Shikamaru zuckte in typischer Manier mit den Achseln und seine Stimme wurde etwas stichelnd. „Und außerdem könnte ich niemals das Mädchen darum bitten, den Bösewicht zu tragen. Das wäre dann wirklich grausam von mir.“   „Was?! Denkst du, ich kann das nicht?“ Tenten stemmte in Verteidigung ihres Geschlechts die Fäuste in die Hüften und marschierte hinüber zu Lee und Naruto.   Lief ja wie am Schnürchen.   In dem eintretenden Moment der Ruhe, ließ Shikamaru seine Augen flüchtig über die Lichtung schweifen. Ein rascher prüfender Blick bestätigte ihm, dass jedes erkennbare Zeichen ihrer Anwesenheit verwischt worden war. Zufrieden schlang er sich eine weitere Tasche über die Schulter und wandte sich zu seinen zankenden Teamkollegen um. Das Trio befand sich mitten in einer hitzigen Debatte darüber, wer von ihnen die bewusstlose Fracht tragen durfte. Tsunades Schwein schien währenddessen mehr als glücklich darüber zu sein, dass sie den Gefangenen nicht länger bewachen musste.   Tonton kam zu Shikamaru herüber getrottet und oinkte ihm etwas entgegen, das vermutlich irgendeinen Sinn ergeben sollte. Dann lief sie los, um ihnen den Weg zu zeigen.   „Ugh, na schön.“ Shikamaru lächelte matt. „Dann lasst uns mal losgehen!“   „Pfoten weg!“, plärrte Naruto und seine Stimme wurde um einige Dezibel lauter, als Lee Anstalten machte, ihm den Gefangenen zu ‚stehlen‘. „Ich trage diesen Hampelmann!“   „Hey!“ Shikamaru nickte mit dem Kopf zu Tonton, die unbeeindruckt dahintrottete. „Kommt schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“   Als sich die Truppe endlich in Bewegung setzte, spürte Shikamaru etwas gegen seine Schulter streichen. Er brummte fragend und wandte den Kopf.    Nejis Hand verschwand von seiner Schulter. „Shikamaru…“   „Ja?“   Der Hyūga traf seinen Blick und hielt ihn. „Was gestern passiert ist. Wir lassen es hier hinter uns. Wo es hingehört.“   Shikamaru erwiderte den Blick ruhig. „Ich verstehe.“   Und ich durchschaue dich.   Auch wenn er die letzten Worte nicht laut ausgesprochen hatte, aus irgendeinem Grund wusste er, dass Neji sie gehört hatte. Eine stumme Kommunikation fand zwischen ihnen statt. Sie war nicht kryptisch, doch genauso wenig war sie völlig klar. Etwas seltsames spielte hinter Nejis Maske. Doch bevor Shikamaru entschlüsseln konnte, was es war, zerriss Narutos Geplärre die Stille der Lichtung und die Gesichtszüge des Hyūgas verhärteten sich erneut zu Stein.    „Hey Shikamaru! Beeil dich! Anscheinend haben wir ja nicht den ganzen Tag Zeit!“   „Jaja, schon gut!“, rief der Schattenninja über die Schulter.   Als er sich wieder umwandte, lief Neji bereits davon.  ___________________________________ Und hier ist es schon viel früher als gedacht: Das dritte Kapitel. Ich hoffe, es hat euch so viel Spaß beim Lesen gemacht wie mir beim Schreiben! Ja? Nein? Seid ihr schon gespannt, wie es mit ShikaNeji weiter gehen wird? ;)  Anmerkungen und Feedback ist wie immer hoch willkommen! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)