Midnight at Mio von FriePa (Sasuke x Sakura) ================================================================================ Kapitel 33: Goodbye ------------------- Mit einem Brummen zog sich Sasuke zurück. Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Da war er bereit sich ihr vollkommen zu öffnen und dann wurde er einfach unterbrochen? Wer auch immer hinter dieser Tür stand, hatte noch nie einen wütenden Sasuke Uchiha erlebt. Sakura blinzelte ihn atemlos an, schüttelte sich und sprang dann leichtfüßig von der Kommode herunter und öffnete die Tür. „Wa-…“, wollte sie losfeuern und dem ungebetenen Gast die Leviten lesen. Shikamaru stand wie ein Häufchen Elend im Flur. Seine ganze Körperhaltung wirkte wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Seine Schultern hingen eingeklappt nach unten, der Kopf gesenkt und die Hände in der Hosentasche vergraben. Sasuke trat unauffällig in den Hintergrund, was nicht so leicht war, da er über einen Schuh stolperte, versuchte sich an der Schale auf dem Schrank festzuhalten und samt Schale auf den Hosenboden fiel. Erschrocken richtete sich Sakura zu ihm. „Oh Gott! Alles okay?“ „Hn.“, brummte er, stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. Ein Schmerz durchschoss seinen Handballen. Er drehte die Hand und eine Pinnnadel hatte sich in sein Fleisch gebohrt. Er entfernte den störenden Eindringling und augenblicklich ließ der Schmerz nach. Sie stak nicht sonderlich tief und nur ein winziger, runder, roter Punkt zeugte von der Einstichstelle. Angesäuert drückte er auf die pochende Stelle. „Störe ich euch?“ „Nein, alles bestens.“ Sie schenkte Sasuke ein entschuldigendes Lächeln, dirigierte Shikamaru in ihr Wohnzimmer und hielt Sasuke zurück. Sie umfasste sein Handgelenk. „Tut mir leid. Bitte bleib.“ Ihr Blick war vielsagend und ging tief. Eigentlich wollte er nichts anderes, als so schnell wie möglich das Weite zu suchen, aber ihr sanftmütiger Blick und der Daumen der seicht über seine Hand glitt, hinderten ihn. Wortlos griff er nach seinem Rucksack, der noch vor der Tür gestanden hatte, stellte ihn neben das Schuhregal und trottete hinter Shikamaru ins Wohnzimmer. Erleichterung machte sich in Sakura bemerkbar. Was wollte er ihr gerade sagen? War es das, was sie dachte? Sie legte den Schalter in ihrem Kopf um, ansonsten würden ihre Gedanken sie gierig zerfressen. Seufzend warf sie einen Blick auf ihre Bilderwand, auf der Shikamaru die wohl am häufigsten abgebildete Person war und fokussierte ihre Aufmerksamkeit auf ihren besten Freund. Aus der Küche holte sie drei Gläser und eine Flasche Wasser, bevor sie das Wohnzimmer betrat, wo sie noch den ausgezogenen Esstisch samt Stühlen vorfand. Sasuke und Shikamaru saßen sich auf der Couch gegenüber und Sakura zog einen Stuhl beiseite, drehte ihn um 180 Grad und setzte sich rittlings darauf, bereit Shikamarus Worten zu lauschen. Eine leise Vorahnung beschlich sie und sie dachte an das Gespräch mit Temari, dass sie gestern geführt hatten. „Er wird Schluss machen. Das weiß ich. Die letzten zwei Monate haben wir in unserer eigenen kleinen Seifenblase gelebt.“ „Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Ich habe Shikamaru noch nie so glücklich gesehen.“ „Doch, Sakura. Ich wache manchmal nachts auf und dann ist seine Bettseite leer und kalt, als wäre er seit Stunden auf den Beinen. Meistens sitzt er auf der Feuertreppe und raucht. Und ich kenne seinen Blick, wenn ihn etwas Großes beschäftigt.“ Temari fuhr die Blumenranke auf der Serviette mit den Fingern nach, während Sakura nicht recht wusste was sie tun konnte. Auch sie verdrängte den Fortgang so gut es ging. Sie wusste, sie würde noch genug darunter zu leiden haben. Da wollte sie nicht wissen, wie schlimm es für Temari sein musste. „Weißt du…ich dachte immer jeder Mensch hat nur eine große Liebe. Und ich war immer der festen Überzeugung, dass Neji mein Hauptgewinn ist. Als unsere Ehe immer weiter in der Unendlichkeit versank wusste ich, dass ich mir nicht wieder ein Ticket in der Lotterie kaufen würde.“ Sie lachte bitter. „Bis ich Shikamaru getroffen habe. Da wusste ich, dass das Schicksal eine echt verräterische Person ist. Denn wer hat schon das Glück zwei Hauptgewinne zu erzielen?“ Eine einzelne Träne bahnte sich den Weg über Temaris Wange. Sie tropfte auf die helle Papierserviette und ein nahezu perfekter, dunkler Kreis bildete sich. „Ich bin echt eine dusselige Kuh oder?“, schniefte sie laut und wischte sich die Tränen an ihren Pulloversaum. Sakura legte ihre Arme um die Blondine und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Nein. Du musst nur versuchen das aus einer anderen Perspektive zu sehen. Andere Menschen sind ihr Leben lang auf der Suche nach dem, was du bereits mit 19 das erste Mal gefunden hast. Und das Schicksal war auf deiner Seite und du durftest eben ein zweites Mal in diesen Genuss kommen.“ „Ich bin ganz schön armselig oder?“, schluchzte sie und knüllte die Serviette zusammen, um hinein zu schnäuzen. „Dann bin ich auch armselig. Ich verliebe mich in einen Mann, der auf einer emotionalen Ebene absolut unerreichbar ist und der gleichzeitig ein notorischer Rumvögler ist.“ Temari grunzte tränenerstickt und schüttelte den Kopf. „Sakura, dein Problem ist nicht das Problem. Dein Problem ist deine Einstellung zu dem Problem. Ja, ich streite nicht ab, dass Sasuke ein Arsch sein kann, aber gleichzeitig ist er, wenn er sich für einen Menschen entschieden hat, zu 120 Prozent immer da. Sasuke beschützt was er liebt.“ „Glaubst du ihm, was er da gesagt hat?“ Sakura kam mit einer Zahnbürste in der Hand aus dem angrenzenden Badezimmer. Sie trug eine weite rot-grau karierte Pyjamahose und ein enges, graues Shirt mit den Worten ‚Fries Matter‘. Nachdem Shikamaru wieder weg war, auch wenn Sakura kein gutes Gefühl dabei verspürte ihn heute Nacht allein zu lassen, schaffte es Sasuke sie zu beruhigen. Er redete auf sie ein, hielt ihre Hand und schließlich bestellten sie sich noch eine Kleinigkeit zum Essen anlässlich ihres Geburtstages. Das war ihr erst wieder eingefallen, als Sasuke sie darauf aufmerksam machte und mit dem Flyer ihres Lieblingsasiaten wedelte. Zu ihrer Überraschung wusste Sasuke das sie die gebratenen Nudeln mit extra Sojasauce liebte und kein anderes Gericht auf ihren Tisch kommen würde. Sie hatte nie mitbekommen, dass er doch so aufmerksam ihr gegenüber war und kurzzeitige Sprachlosigkeit ihrerseits, kombiniert mit ganz üblem Herzklopfen veredelten dieses Gefühl. Obwohl um sie herum das reinste Chaos herrschte mit Shikamaru und Temari, fühlte sich Sakura in seiner Gegenwart einfach nur wohl. Sie liebte seinen Geruch, seine Haare, die Wärme seiner Hände. Es war verrückt wie schnell sie ihm letztlich verfallen war. Sie unterhielten sich über völlig belanglose Dinge und doch wusste Sakura, dass sie mit niemand anderen im Moment tauschen wollen würde. Der Uchiha saß an der Bettkante und dachte über Shikamarus Worte nach. Er griff sich in den Nacken und kniff die Augen leicht zusammen. „Ich weiß es nicht. Es macht schon Sinn, aber irgendwie macht es auch keinen Sinn. Ich bekomme langsam das Gefühl, dass sie sich mit Absicht gegenseitig mit allen Mitteln unglücklich machen wollen.“ „Das war auch mein Gedanke. Aber Shikamaru ist stur. Der wird seine Meinung nicht einfach ändern, wenn er der Meinung ist seinem Gegenüber dadurch das Leben leichter zu machen.“ Sie trocknete sich die feuchten Hände an ihrer Hose, setzte sich neben Sasuke und bettete ihren Kopf an seine Schulter. „Trotzdem ist das kein Grund gleich eine Beziehung zu beenden.“, flüsterte er. „Ich glaube, ich würde es auch so machen. Ich möchte meinen Freund nicht nur alle paar Wochen für 48 Stunden sehen und eine Distanz von knapp 3500 Kilometern dazwischen haben.“ „Da hast du ja Glück, dass ich in nächster Zeit nicht vorhabe die Stadt zu verlassen. Geschweige denn in so eine verdammte Todesmaschine zu steigen.“ „Bitte?“ Sakura riss den Kopf hoch und glaubte, sich verhört zu haben. Sasuke knetete seine Hände, bevor er sich ihr zuwandte. „Muss ich es wirklich nochmal wiederholen oder ist der daraus schließende Kontext eindeutig genug?“ „Ich glaube, ich muss es hören.“ „Du machst es einem echt nicht einfach, Sakura.“ „Das kann ich dir so zurück geben.“ Er lachte rau, legte die Hände auf ihre Schultern und drückte sie von sich weg. Sein Blick war unergründlich und Sakura konnte nicht verhindern, dass ihr Herz im Stakkato klopfte und sie automatisch die Luft anhielt. Seine schwarzen Haare fielen ihm in die Augen. Die breiten Schultern unter dem schwarzen T-Shirt. Sein wunderschönes Gesicht mit der makellosen Haut. „Sakura, ich hoffe dir ist mittlerweile klar, dass ich dich sehr gern mag, aber ich weiß nicht ob ich zu einer Beziehung wirklich fähig bin.“ Er schluckte schwer, nahm die Hände von ihren Schultern und stand auf. „Wo vor hast du so eine Angst?“ Es war kein Vorwurf, sondern eine ehrlich gemeinte Frage, denn sie verstand ihn einfach nicht. Seine Zähne malmten aufeinander, während er über dem flauschigen Teppich seine Runden drehte. „Vorm Versagen. Davor, dass ich dir nicht das geben kann was du verdienst. Das du eines Morgens aufwachst und um die vergeudete Zeit trauerst.“ Jetzt stand sie auf. „Das ist doch Quatsch Sasuke. Soll ich dir etwas gestehen? Ja, ich habe eine Heidenangst davor von dir verletzt zu werden. Aber ich sage mir, okay das wird irgendwann passieren. Und auch ich“, sie legte die Hand aufs Herz. „Kann dir nicht versprechen, dass ich dich niemals verletzen werde. Das ist doch das besondere an einer Beziehung. Man geht dieses Risiko bewusst ein. Und manchmal ist es gut Angst zu haben, denn es bedeutet, du hast da noch etwas, was du verlieren könntest.“ Einen Moment herrschte absolute Stille. In ihrem Hals bildete sich ein dicker Klumpen, das Blut rauschte ihr durch die Ohren und Sakura war der festen Überzeugung das ihr Herz jeden Moment aus ihrer Brust springen würde, wenn Sasuke nicht gleich eine Antwort gab. Sakura hatte bereits Mühe die aufsteigenden Tränen bei sich zu halten. Leise sagte sie in den Raum hinein. „Ich will diese Angst aber nicht verdrängen. Ich will sie besiegen.“ Sie machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Hand an seine Wange. „Verflucht Sakura! Es ist doch mein Part dich zu therapieren und nicht umgekehrt.“ Seine Unsicherheit überspielte er mit seiner gewohnten Lässigkeit, aber wenn Sakura wüsste wie es in seinem Inneren aussah würde sie einen Schreck bekommen. Jetzt musste sie lachen. „Du bist nicht halb so gut darin wie du denkst.“ Dann küsste sie ihn. Er schloss die Arme um sie und sie schmiegte sich an ihn. Er öffnete mit seiner Zunge ihre Lippen und spürte, wie Sakura unter seinen Händen erschauerte und in den Kuss seufzte. Seine Hände wanderten zu ihrem Gesicht, krallten sich in ihre Haare und streichelten ihren Nacken. Im nächsten Moment stolperten sie auf das Bett zu. Sakura kletterte auf ihn und presste ihre Lippen auf seinen Mund. Anschließend zog sie eine heiße Spur von sanften Küssen über seinen Hals und zurück zu seinen weichen, einladenden Lippen. Sasuke umschlang von hinten ihren Rücken und presste sie dichter an sich. Sakura wachte auf. Ihre Kehle war staubtrocken und gereizt. Bleierne Müdigkeit ließ sie die Augen wieder schließen und als sie die Augen ein zweites Mal öffnete hatte Sasuke seinen Arm noch immer um sie geschlungen. Sein warmer Atem berührte ihren Nacken und sein gleichmäßiger Herzschlag an ihrem Rücken gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Ihre Kehle war noch trockener als vorher und sie musste dringend etwas trinken. Gequält kroch sie unter Sasukes Arm hervor. Ihre nackten Füße berührten den flauschigen, weichen Teppich. Die Vorhänge waren notdürftig halb zu gezogen. Es war noch immer stockfinster draußen und weißes Licht von der Straßenlaterne unter ihrem Schlafzimmerfenster schien durch das Fenster. Sie griff sich blind ein Shirt, das auf dem Teppich lag und zog es eilig über. Es war Sasukes, denn es reichte ihr weit über den Po. „Was ist?“, fragte er schläfrig und mit einer Kraft die sie einem schlafenden Mann nicht zugetraut hätte, zog er sie einfach wieder an sich. „Ich brauche nur etwas zu trinken.“ Sie musste kichern, als Sasuke seinen Griff um sie verstärkte und trotzig den Kopf schüttelte, sich aber weiterhin weigerte die Augen zu öffnen. Liebevoll strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht. „Ich habe nur eine staubtrockene Kehle. Ich bin gleich wieder da.“ Sie küsste ihn und stand dann von der weichen Matratze auf. Leise schloss sie die Tür ihres Schlafzimmers und tapste barfüßig den Flur entlang in ihre Küche. Aus dem Küchenschrank angelte sie ein Glas und öffnete den Wasserhahn. Sie kniff die Augen zusammen, um den Füllstand in dem schummrigen Licht der Digitalzeige ihres Herdes zu erkennen. Als kaltes Wasser über ihren Handrücken lief knallte sie den Hahn schnell wieder nach unten. Sie schüttelte die nasse Hand über der Spüle und setzt das Glas mit der klaren Flüssigkeit an ihre Lippen. Mit gierigen Schlucken trank sie. Sie lehnte sich gegen den Tresen, einen Arm über die Brust geschlungen, als ihr der vergangene Abend in bunten Bildern durch den Kopf schwebte. Sakura war nicht blöd. Auch wenn sie für das Erste alle Sorgen aus der Welt geschafft hatten, würde Sasuke nicht plötzlich ein anderer Mensch werden. Sie wollte nicht schuld daran sein, dass er möglicherweise einging wie eine Blume. Aber allein der Gedanke, dass er keine zwei Räume weiter in ihrem Bett schlief ließ sie über die Tatsache hinweg sehen und ihren Herzschlag verdoppeln. Seufzend stieß sie sich von dem Tresen ab. Das leere Glas stellte sie neben die Spüle. Es hatte um diese Uhrzeit ja doch keinen Sinn sich den Kopf zu zerbrechen. Gähnend verschwand sie wieder in ihr Schlafzimmer, wo Sasuke sich ihr Kissen geschnappt hatte und gegen seine Brust drückte. Grinsend über den Anblick steckte Sakura ihre kalten Füße unter die Decke, eroberte sich ihr Kissen zurück und versank schnell in einen traumlosen Schlaf. Es war seltsam. Seltsam, seltsam, seltsam, dachte Sakura während sie hinter der Glasscheibe saß. Und umso öfter sie es zu sich selber sagte, desto seltsamer hörte es sich an. Seit einer Woche saß sie morgens allein im Studio. Der Platz ihr gegenüber leer. Sie vermisste bereits jetzt wie Shikamaru seine Jacke achtlos hinter sich auf die große schwarze Box warf, weil er mal wieder bis zu Letzt im Bett liegen blieb und nur mit Mühe pünktlich durch die Tür hinein stürmte. Wie er in der ersten kurzen Werbeunterbrechung in den Pausenraum trottete und ihnen einen frischen Kaffee holte. Ihren Rehbraun mit einem Stück Zucker, seinen Schwarz. Die Mittagspause, in der er sich über ihr mitgebrachtes Essen stürzte und dabei die besten Ideen für ihre Sendung austüftelte. Sie trommelte geistesabwesend mit dem Kugelschreiber auf den Tisch und musterte alles bis ins kleinste Detail. Das kleine, solarbetriebene Faultier, das sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte stand nicht mehr vor seinem Bildschirm. Alles was Sakura an ihren besten Freund erinnerte, war weg. Bereits in Kartons verpackt und bereit das Land zu verlassen. Es war nur noch eine Woche, bevor sie Lebewohl sagen musste. Am Mittwoch nächster Woche würde der Umzugswagen kommen, den Sunny Radio bezahlte und engagierte. So wie sie Shikamaru kannte, waren bisher die wenigsten seiner Sachen gepackt. Das einzige, was er bisher erledigt hatte war es einen neuen Mieter für seine Wohnung zu finden. Ein junges Studentenpärchen das in ihre erste gemeinsame Wohnung zog. Für das Wochenende waren sie verabredet, damit sie beim Packen helfen könnte. Es half ihr mit dem Umstand besser klar zu kommen. Sie musste auch noch dringend mit Temari ein ernstes Wörtchen reden. Wie sehr wollte sie, dass es zwischen ihr und Shikamaru wieder klappte und dann ließ sie ihn kampflos ziehen? Sakura schüttelte den Kopf. Nein, das konnte sie nicht akzeptieren. Beide machten sich doch nur unglücklich allein. Shikamaru war ein Schatten seiner selbst, auch wenn er es mit seiner gewohnten Gleichgültigkeit überspielte. Sakura kannte ihren besten Freund und wusste, dass es ihm alles andere als egal war. Sie hatte ihn gefragt, was denn gegen Fernbeziehung spräche. Zumal sie ja eine kleine Linie am Horizont in Form von zwei Jahren ihr eigen nennen konnten. Seufzend schob sie den Stuhl zurück, setzte die Kopfhörer ab und verließ das Studio. Sie war fertig mit der Sendung. Übernächste Woche fing ihr neuer Kollege an. Sie hatte ihn bisher nur dreimal gesehen und sich flüchtig mit ihm unterhalten. Der Kollege war nicht viel älter als sie, war frisch nach Chicago gezogen und schien eigentlich ganz nett. Aber er war nicht Shikamaru. Natürlich musste Ersatz her. Illinois International News wollten auch weiterhin Ergebnisse sehen die für sich sprachen. Dafür wurden sie immerhin überdurchschnittlich gut bezahlt. Sasuke hatte ihr allerdings direkt unmissverständlich klar gemacht, dass er ihre Kartei an Itachi abgab. Er wollte nicht in einen Interessenkonflikt geraten, weil er mit einer seiner Moderatorinnen eine Beziehung pflegte. Es kam Sakura noch immer wie im Traum vor, dass sie und Sasuke nun eine ganz offizielle Beziehung führten. Es wusste zwar bis auf Shikamaru, Ino, Hinata und Naruto niemand weiter Bescheid, aber wenn Naruto davon wusste, würde es nicht lange dauern bis auch der Rest ihrer Freunde davon erfuhr. Während der Arbeit, so einigten sie sich, taten sie weiterhin als würden sie keine tiefere Beziehung zueinander führen, aber die Gerüchteküche würde nicht lange auf sich warten lassen, da war Sakura sicher. Trotzdessen raste ihr Herz ganz wild, wenn sie daran dachte das Sasuke Uchiha unlängst ihr fester Freund war. Ein notorischer Casanova, dessen jüngste Vergangenheit mit anderen Frauen noch gar nicht lange her war und der Schnappatmung bekommt, wenn man über Gefühle spricht, dachte sie sarkastisch und klopfte an Tsunades Bürotür. Der Wind peitschte durch die Baumkronen und trug das Rascheln zu ihr hinüber. Das Sonnenlicht fiel durch das kleine Badfenster, während genervte Autofahrer Gebrauch ihrer Hupe in Anspruch nahmen, bevor sie das Gaspedal draußen auf der Straße durchtraten. Die Hände auf dem weißen Porzellan abstützend betrachtete sie ihr verschwitztes, etwas zu blasses Gesicht in dem großen Spiegel. Sie lachte gekünstelt. Das durfte einfach nicht wahr sein. Es konnte einfach nicht wahr sein. Sie hatte keine Ahnung wie sie ihm das erklären sollte. Es war ein einziges Mal. Sie wusste, wann sie verloren hatte. Und diesen Kampf hatte sie in dem Moment verloren, als er die Tür hinter ihr zu zog. Sie spürte eine Welle der Traurigkeit, die sie erfasste und sie presste verkrampft die Lippen aufeinander um nicht in laute Schluchzer auszubrechen. Gleichzeitig würde sie gerne alles heraus schreien oder ihrer Wut freien Lauf lassen und etwas zertrümmern. Sie registrierte wie sich Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten, während sie schwer atmend nach dem Behälter mit den Kosmetiktüchern griff. Sie konnte diese verweinten Augen nicht ertragen, drehte den Wasserhahn auf und ließ langsam das kühle Nass über ihr Gesicht gleiten. Sie genoss das Gefühl wie die perlende Flüssigkeit langsam durch ihre Finger rann. Schließlich vibrierte ihr Handy, das auf dem Fensterbrett neben dem, in Toilettenpapier gewickelten Stäbchen den Countdown zählte. Sie trocknete sich das Gesicht ab und machte die vier Schritte zum Fenster. Unbewusst hielt sie die Luft an, als sie vorsichtig mit zwei Fingern das Papier wieder entfernte und zwei blaue Linien sie förmlich ansprangen. Sie lachte bitter auf und ließ sich an der Heizung auf den Boden gleiten. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und laute Schluchzer schallten durch den kleinen Raum. „Brauchst du das noch oder kann das weg?“ Sakura drehte ein seltsames Holzkonstrukt in ihrer Hand und begutachtete es aus allen Winkeln. Es war eine glasierte, dunkelbraune Figur, die mit vielen Augen zusammen kneifen und Vorstellungsvermögen einen Wolf darstellen könnte. „Ja, was denkst du denn?“, schnaubte Shikamaru und riss ihr die Figur aus der Hand um sie, mit wenig Vorsicht, in einen Karton zu schmeißen. „Also so hätte ich das auch gekonnt.“ Chaos um sie herum war gar kein Ausdruck für das was sich alles in dieser kleinen Zweiraumwohnung an Kram und Trödel zusammen gestaut hatte über die Jahre hinweg. Die meisten Sachen lagerte er bei seinen Eltern im Kellerabteil ein. Immerhin bezahlte Sunny Radio eine schicke, voll möblierte Wohnung im berühmten Stadtteil North Beach von wo es nur ein Katzensprung zum Sender war. Das Schlafzimmer bot einen malerischen Blick auf die Bucht von San Francisco. Auf dem Tisch lag ein Stapel Zeitschriften. Sakura überflog grob die Titelseiten der Blätter. 10 Beweise das Vögel nur Drohnen der Regierung sind. 10 Merkmale warum Ziegelsteine die besseren Heilpflanzen sind. Wieso ist der Velociraptor nur der drittliebste Dinosaurier? Unkommentiert wischte sie den Stapel mit dem Arm in die Kiste die unter der Tischkante stand, setzte sich auf die freigewordene Stelle und betrachtete ihn. „Was?“ Shikamaru hielt in seiner Bewegung inne, seine Stirn zog tiefe Furchen. Sakura tat als wären ihre Fingernägel hochinteressant. „Du tust es schon wieder.“ „Was?“, fragte er und stellte den Karton mit dem Kleinkram neben die Tür. „Du läufst vor deinen Problemen weg.“ „Tu ich nicht.“ „Doch, tust du oder wie würdest du es hier nennen, was du gerade betreibst?“ „Ich würde es Verlagerung des Schwerpunktes um ungefähr 3500 Kilometer weit weg nennen.“ „Sag ich doch. Du läufst davon.“ „Du hast mit Temari gesprochen oder?“ Seine Augenbraue sprang eine Etage höher. „Exakt.“ Shikamaru schluckte. „Wie…wie geht es ihr?“ Sakura lachte bitter auf. „Was? Angesichts der Tatsache, dass der Mann den sie liebt und den sie bereits einmal verloren glaubte, jetzt ein zweites Mal verliert und sie nicht mehr weiß wo vorne und hinten ist? War das eine ernstgemeinte Frage? Wenn ja, ihr geht es absolut blendend.“ Ihre Stimme triefte vor Ironie. „Sie überlegt ob sie sich einen Hamster, einen Wellensittich oder ein Stinktier zulegt. Jemand, der nicht sofort die Flinte ins Korn wirft, wenn es schwierig wird. Also wie gesagt – ihr geht’s blendend angesichts ihrer strahlenden nächsten Monate.“ „Du bist sauer.“ „Nein. Wo denkst du denn hin? Siehst du nicht meinen freudigen, zufriedenen und unglaublich ausgeglichenen Gesichtsausdruck?“ Sakura umkreiste ihr Gesicht mit der Hand, dass keinerlei Regung zeigte. „Du bist sauer.“, stellte er ein zweites Mal fest. „Nein, ich bin nicht sauer. Ich bin fuchsteufelswild du Idiot. Wie konntest du sie einfach gehen lassen? Hab ich dir in all den Jahren denn gar nichts beigebracht?“ Shikamaru wusste, dass er gleich bis zur Nasenspitze in der Scheiße sitzen würde, aber es rutschte ihm raus ehe er darüber nachdachte. „Doch, du hast mir beigebracht das weibliche Tintenfische, wenn sie keinen Bock auf Sex haben, dass Männchen einfach erwürgen und anschließend verspeisen.“ Sakura seufzte und krallte die Hände in ihre Jeans. „Dafür, dass du einen IQ von über 200 hast, habe ich das Gefühl mich mit einem geistig zurückgebliebenen Pantoffeltierchen zu unterhalten.“ „Jetzt wirst du aber unfair.“ „Stimmt. Das ist gemein dem Pantoffeltierchen gegenüber.“ Sakura rutschte vom Tisch hinunter und fixierte Shikamaru wütend, der inzwischen vor ihr stand. „Was denkst du dir bitte dabei? Hast du auch nur eine Sekunde an alle anderen gedacht, als du dieses Jobangebot angenommen hast? Seit wann befindet sich deine Problemzone hinter der Stirn?“ Sie machte einen Ausfallschritt auf ihn zu und schlug ihm gegen Brust. Heiße Tränen bildeten sich in ihrem Augenwinkel, ein Kloß steckte in ihrem Hals, während sie immer weiter gegen seine Brust trommelte und wütend auf ihren besten Freund sein wollte. Dafür das er sie einfach allein ließ. Sie brauchte ihn! Ja, das war egoistisch, aber es war ihr egal. „Hassen ist ein schweres Wort, aber ja verdammt! Ich hasse dich dafür, dass du mich einfach allein hier lässt.“ Ihre Kondition schwand, während lauter werdende Schluchzer ihre Kehle verließen. Dicke Tränen glitten über ihre Wangen, die Augen rot unterlaufen, während Shikamaru den Anfall seiner besten Freund wortlos über sich ergehen ließ. Atemlos stand sie vor ihm. Ihre Arme sackten schwer wie Blei an ihre Seiten hinab. Immer wieder schüttelten krampfartige Schluchzer ihren Körper. „Geht es dir jetzt besser?“ Schniefend holte Sakura Luft. „Nicht wirklich, es bedarf noch ungefähr zehn weitere solche Ausbrüche, dann sollte ich über das Gröbste hinweg sein.“ Shikamaru löste die winzige Distanz zwischen ihnen, zog Sakura in seine Arme und streichelte beruhigend über ihren Rücken, während ihr Körper sich langsam abreagierte. Sie legte ihren Kopf an seine Brust und schlang die Arme um seinen kräftigen Brustkorb. Es vergingen bestimmt zehn Minuten in denen sie in dieser Position verharrten. Es war ein Abschied auf ihre ganz eigene, persönliche Art und Weise. „Es tut mir so leid.“, nuschelte er gegen ihre Stirn und kam nicht umhin den Griff um sie zu verfestigen. Dieser Moment gehörte nur ihnen beiden. Den besten Freunden, seit sie Kinder waren. Er war ihre Familie und sie war seine Familie. Und dann flüsterte Sakura in die Stille hinein. „Freunde und Vertrautes machen glücklich, nicht der Traum vom Glück.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)