Wochenende in Manitoba von Vampyrsoul ================================================================================ Kapitel 11: ------------ »Trag ihn doch hoch«, flüsterte Gail mir zu. »Nein.« Ich wollte Steve nicht das Gefühl geben, wie ein Kind behandelt zu werden. Es war zwar wirklich schön, ihn schlafend in meinem Arm zu halten, aber ich würde ihn so nicht ins Schlafzimmer tragen und dann vielleicht auch noch ausziehen. Zumal er sicher noch seine Piercings wechseln wollte. Zärtlich streichelte ich ihn wach und erklärte ihm, dass der Film, den wir uns alle im Wohnzimmer angesehen hatten, zu Ende war und wir ins Bett gehen sollten. Nicht nur er war eingeschlafen, auch Channing schlief in den Armen leines Freundes. Leise erklärte er Gail, dass sie noch eine Weile unten blieben. Nach einem kurzen Kuss folgte sie ihrer Freundin und Summer nach oben, ich wartete noch einen Moment, bis Steve so weit wach war, laufen zu können, dann folgten wir. Oben gingen wir beide ins Bad, bevor wir uns gemeinsam ins Bett kuschelten. Da Steve sich das Make-up vom Gesicht waschen musste, wirkte er nun wieder etwas wacher. Das zeigte sich auch, als er seine Hände unter mein Shirt schob und lachte, als ich zurückzuckte, weil er mich kitzelte. Da er nicht aufhörte, schnappte ich mir seine Hand und hielt sie fest. »Wolltest du nicht gerade noch schlafen?« »Ja und nein. Eigentlich mag ich die letzten Stunden mit dir noch ausnutzen.« »Wenn du magst, können wir noch ein wenig reden, aber denk daran, dass wenigstens ich morgen fahren muss.« Er wirkte ein wenig traurig, nickte aber. »Vielleicht sollten wir dann direkt schlafen?« Zärtlich strich ich ihm mit den Fingerspitzen über die Wange und lächelte. »Ist schon okay, eine Weile bin ich sicher noch wach. Und du bist viel zu aufgedreht, um jetzt zu schlafen.« »Ja, vermutlich hast du recht.« Er kuschelte sich an mich. »Danke, dass du mich gefragt hast, ob ich mitkomme. Das Wochenende war unglaublich schön.« Zärtlich legte ich einen Arm um ihn. »Freut mich, dass es dir so gefallen hat. Ich hatte schon Angst, dass es dir zu viel werden könnte.« »Nein, überhaupt nicht! Ich mag deine Freunde. Ich wünschte, ich hätte auch solche.« Mit der Hand wanderte ich über seinen Oberarm. »Die hast du doch jetzt. Du solltest nur nicht vergessen, sie morgen noch nach ihren Nummern zu fragen. Ich bin sicher, besonders Abby freut sich darüber.« »Abbys hab ich schon«, verkündete er stolz. »Sie wollte mir, wenn ich wieder zu Hause bin, noch ein paar Links schicken.« »Darf ich fragen worüber?« »Ehm ...« »Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht möchtest«, schob ich schnell hinterher. Er sollte nicht das Gefühl bekommen, mir alles sagen zu müssen. »Doch, schon ... Also sie wollte mir ein paar Infoseiten über trans Personen schicken.« Verstehend nickte ich. »Dich interessiert das Thema also?« »Na ja, ja. Also, ich glaub ... ich bin nicht ganz männlich. Aber auch keine Frau! Nur eben nicht wirklich ein Mann. Also, wenn das überhaupt Sinn macht.« »Klar macht das Sinn.« Zärtlich streichelte ich über seinen Nacken. »Du weißt aber schon, dass du nicht weniger männlich bist, nur weil du Nagellack magst, oder?« »Ja, natürlich!« »Tut mir leid, ich wollte es nur angemerkt haben, nicht, dass du meinst, dass du deshalb ... ach, du weißt, was ich sagen möchte, oder?« Er nickte, küsste mich dann zärtlich. »Ja, weiß ich. Aber nein, das ist es nicht. Es ist irgendwie ... Ich kann’s nicht wirklich erklären. Als ich gestern mit Channing und Abby geredet habe, da fühlte sich einiges recht vertraut an, was sie erzählt haben. Also gerade bei Channing. Ein paar Sachen kann ich total nachempfinden und ... Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Vielleicht ist es auch nur Einbildung, weil ich die beiden so mag, oder irgendwas. Aber ... Ach, keine Ahnung. Ich weiß ja nicht mal, was ich stattdessen bin.« Da er zum Ende hin immer unsicherer geworden war, erklärte ich ihm: »Es ist vollkommen in Ordnung, wenn du dir unsicher bist oder noch nicht die richtigen Worte hast. Ich weiß nicht, was sie dir genau erzählt haben und es geht mich auch nichts an, aber auch sie brauchten Zeit, sich selbst zu finden. Niemand erwartet von dir, das direkt zu wissen. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst und wenn du Fragen hast, Channing und Abby beantworten sie bestimmt gern, wenn du lieb fragst.« Er nickte. »Ja, das haben sie mir schon angeboten. An uns ändert das aber nichts, oder? Ich meine, du hast doch gesagt, du stehst nicht nur auf Männer.« Ein leichtes Lachen konnte ich mir nicht verkneifen. »Natürlich nicht. Ich mag dich, wie du bist, und, nur weil du dich selbst entdeckst, ändert das an dir als Person nichts. Also klar, kann so eine Selbsterkenntnis etwas an dir verändern, aber sicher nicht zum Schlechten. Ich würde mich freuen, wenn ich dich auf deinem Weg begleiten dürfte. Und wenn ich dir irgendwie helfen kann, und sei es nur zum Reden, kannst du jederzeit zu mir kommen.« »Danke.« Steve schlang den Arm um meine Taille und drückte das Gesicht dichter an meine Brust. Zärtlich streichelte ich über den Kopf. Schade, dass Steve glaubte, sich dafür bedanken zu müssen. Dabei war es für mich selbstverständlich. »Gibt es denn etwas, was ich im Moment ganz konkret für dich tun kann? Zum Beispiel dir mit Sachen aushelfen oder dich, wenn wir allein sind, mit einem anderen Namen und/oder Pronomen ansprechen?« »Ich weiß nicht. Vermutlich sollte ich etwas ändern, oder? Aber ich hab das Gefühl, dass es noch zu früh ist, mich festzulegen.« »Niemand verlangt von dir, dich festzulegen. Du kannst jederzeit ausprobieren, was sich für dich gut anfühlt. Und wenn du erstmal oder für immer bei deinem jetzigen Namen und Pronomen bleiben möchtest, dann ist das auch in Ordnung. Es ist deine Entscheidung, wie du dein Geschlecht ausdrücken möchtest. Ich wollte dir nur die Möglichkeit bieten, dich in einem vertrauten Rahmen auszuprobieren. Tut mir leid, wenn du dich dadurch bedrängt fühlst. Das war überhaupt nicht meine Absicht.« Da war ich wohl etwas voreilig gewesen. Dabei wollte ich doch nur zeigen, dass ich, so gut es ging, helfen wollte. »Nein, so hab ich das doch gar nicht verstanden. Es ist nur: Ich würde schon gern einiges probieren, aber ich weiß nicht genau wie. Also zum Beispiel Pronomen. Geh ich dann einfach hin und sag: ›Die nächsten drei Wochen sprecht ihr mich bitte mit le an‹ oder wie? Und was ist, wenn mir das dann doch nicht gefällt?« »Ja, so in etwa kannst du das machen. Wenn du ein Pronomen für dich ausprobieren willst, dann kannst du das denjenigen sagen, denen du damit vertraust, und die tun das dann. Und wenn du merkst, dass es dir doch nicht gefällt, dann sagst du ein anderes. Genauso mit dem Namen. Aber du kannst es genauso gut auch erstmal für dich im Kopf ausprobieren, bis du dir sicher bist. Dafür gibt es keine Regeln, du solltest das tun, was sich für dich richtig anfühlt.« »Wenn ich also sage, dass ihr mich als nicht-binäre Person ansprechen sollt, dann sag ich euch das einfach und ihr sprecht dann von ›le‹?« »Oder eben mit einem anderen Pronomen, das du gerne möchtest, ja.« »Es gibt noch mehr?« Steve riss die Augen auf. »Klar.« Lachend zählte ich ihm die Pronomen auf, die mir spontan einfielen. »Aber du kannst auch bei ›er‹ bleiben, wenn es sich für dich besser anfühlt. Oder sogar ›sie‹ oder sagen, dass du gar kein Pronomen für dich möchtest.« »Nein, ›sie‹ fühlt sich komisch an. Und ›they‹ kenn ich, wenn man nicht weiß, welches Geschlecht jemand hat, aber hab ich noch nie für eine Person explizit gehört. Aber das klingt interessant!« Es war süß, wie aufgeregt Steve plötzlich wurde. Das war schon ziemlich ansteckend. »›They‹ ist sogar ziemlich gängig. Soll ich es mal für dich versuchen, damit du weißt, wie es sich anfühlt?« »Ja, gern!« Kurz überlegte ich, bis mir passende Sätze einfielen. Hoffentlich war das nicht zu viel des Guten. »Ich mag Steve. They ist sehr nett und besonders mag ich their lustige und neugierige Art. Ich verbringe gern Zeit mit them.« Steve lachte und their Wangen färbten sich rot. »So hab ich mir das jetzt nicht vorgestellt.« »Wie denn sonst?« Lächelnd strich ich them eine Strähne hinters Ohr. »Weniger kitschig? Ich meine ... ich find es süß und bin mir sicher, du meinst es ernst, aber es ist trotzdem etwas peinlich.« »Tut mir leid. Ich wollte nicht kitschig sein. Aber das war das Erste, was mir zu dir einfiel.« »Ist in Ordnung.« They küsste mich. »Soll ich es nochmal probieren und etwas sachlicher?« They schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaub, das ist nichts für mich. Das fühlte sich nicht an, als würdest du über mich reden, sondern über jemand anderes mit dem Namen Steve.« »Magst du ein anderes Pronomen versuchen?« »Nein, ich glaub, für heute lass ich es. Ich muss mir das nochmal überlegen. Vielleicht wissen ja auch Channing und Abby noch ein paar oder können mir sagen, wie ich das machen kann, dass es sich auch so anfühlt, als würdest du wirklich über mich reden und nicht über andere.« »Klar, kein Problem. Niemand hetzt dich. Dann bleibst du vorerst bei ›er‹?« »Ja.« Er nickte bekräftigend und küsste mich dann noch einmal. »Dennoch: Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast.« »Nicht der Rede wert. Ich würd es jederzeit wieder tun. Wenn du magst auch weniger kitschig.« Grinsend kuschelte er sich dichter an mich. »Danke. Wollen wir dann schlafen?« »Sicher.« Ich griff über ihn hinweg und schaltete das Licht aus, bevor ich meine Arme um ihn schlang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)