Wochenende in Manitoba von Vampyrsoul ================================================================================ Kapitel 2: ----------- In Bismarck fuhr ich von der Interstate. Abby, Gail und Steve hatten bereits vor einer halben Stunde angefangen zu quengeln, dass sie Hunger hätten. Ich war zwar kein Fan von Fastfoodketten, aber wenigstens konnten wir uns dort sicher sein, dass wir alle etwas zu Essen fanden. Also hatte ich mich dazu breitschlagen lassen, zum McDonald’s zu fahren, der vom Navi angezeigt wurde. »Geht ihr schon mal vor, ich tanke bei der Gelegenheit gleich.« Bis zu unserem Ziel schaffte ich es mit der Tankfüllung nicht mehr. Dann mussten wir seltener halten und kamen früher an. »Ich komm mit!«, meldete sich Gail von hinten. »Du willst ja nur wieder Benzin schnüffeln!«, neckte ihre Freundin und kassierte dafür einen Knuff gegen den Oberschenkel. Ich suchte ihren Blick im Rückspiegel. Gut, offenbar wollte sie ein paar Minuten mit mir allein haben. »Sucht am besten schon einen Platz für uns, hier scheint es echt voll zu sein.« »Sollen wir auch gleich bestellen?«, bot Steve an. »Ist lieb gemeint, aber ich hab überhaupt keine Ahnung, was ich möchte. Ich bin viel zu selten in solchen Dingern.« »Das überlass mal uns, wir finden schon was für dich.« Ich war nicht sicher, ob Abbys Grinsen aufmunternd oder hämisch war. Dennoch nickte ich. So schlimm konnte es nicht werden. Ich setzte sie und Steve vor der Tür ab und fuhr dann mit Gail, die sich schnell auf dem Beifahrersitz platzierte, zur Tankstelle. »Oh mein Gott! Ist der niedlich!«, platzte es aus ihr heraus, sobald ich anfuhr. »Warum hast du ihn mir bisher nicht vorgestellt?« »Weil ich Angst hatte, dass du ihn mir wegschnappst«, witzelte ich. »Niemals! Das weißt du doch.« Ich sah kurz zu ihr und grinste, während ich auf das Gelände der Tankstelle einbog. Natürlich wusste ich das. »Ich war einfach unsicher, ob er sich nicht doch als Arschloch entpuppt.« Die Angst musste ich nun nicht mehr haben. Er, Abby und Gail hatten sich hervorragend verstanden. Die gesamte Fahrt über waren sie nur am Quatschen. »Du hattest richtig Schiss, wie er auf Abby reagiert, oder?« Wahrheitsgemäß nickte ich und hielt. »Er hat mich sogar am Auto noch gefragt, ob er etwas falsch gemacht hat. Ich hab ihm gesagt, dass ich das Starren nicht so toll fand, aber sonst nichts wüsste.« Meine beste Freundin lachte. »Ach, deshalb hat er sich bei ihr entschuldigt und versichert, dass er nicht starren wollte, sondern nur nicht wusste, was er antworten soll. Außerdem meinte er, sie sollte ihm ruhig gehörig den Kopf waschen, wenn er etwas Verletzendes sagt oder tut.« Überrascht drehte ich den Kopf zu ihr. »Echt, hat er?« Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er sich sofort entschuldigte, wo doch sein Ansatz mir gegenüber eher nach Herausreden klang. »Ja! Total süß.« Gails Stimme rutschte eine Oktave nach oben. Ich lachte fröhlich, als ich ausstieg. Nun machte ich mir überhaupt keine Sorgen mehr, dass es ein Fehler gewesen sein könnte, ihn mitzunehmen, wenn er sogar explizit darum bat, ihn auf Fehltritte aufmerksam zu machen, und darauf nicht mit Ausreden reagierte. »Was meinst du, wird es mit Channing genauso einfach?«, wollte ich von Gail wissen, die das Fenster herunterfuhr und die Nase in die Luft hielt. »Klar, warum denn nicht?«, antwortete sie, nachdem sie die Luft einmal tief eingesogen hatte. »Mach dir doch nicht so viele Gedanken. Das wird ein richtig schönes Wochenende.« Ich nickte und befüllte dann schweigend den Tank. Als ich mich nach dem Bezahlen wieder ins Auto setzte, fuhr Gail das Fenster hoch und musterte mich dabei aus den Augenwinkeln. »Sag mal, kann es sein, dass du dir vor allem wegen dir selbst Gedanken machst?« »Hä? Was meinst du?« Ich startete den Motor und fuhr los. »Ach, Izzy«, sie wuschelte mit der Hand durch meine kurzen Haare und grinste, »du machst dir von uns allen am meisten Sorgen, wie Steve wohl reagieren wird. Kann es sein, dass du dir vor allem Sorgen machst, ob er dich akzeptiert?« Genervt stöhnte ich und schob ihre Hand weg, sobald ich es mir erlauben konnte, meine eigene vom Lenkrad zu nehmen. »Also hab ich recht! Mensch, mach dich deshalb doch nicht fertig. Er scheint echt klasse zu sein, ich wüsste nicht, warum sich das im Bezug auf dich plötzlich ändern sollte. Lass ihm nur einfach Zeit, wenn er sie braucht.« Ich brummte, steuerte auf den Parkplatz des Fastfoodrestaurants und stellte das Fahrzeug auf den ersten freien Platz. Das sagte sie so einfach. Bisher hatte ich in der Hinsicht eher schlechte Erfahrungen gemacht. Gail legte ihre Hand auf meine, als ich den Schlüssel aus dem Schloss zog. »Gib ihm eine Chance. Wenn du es nicht wenigstens versuchst, wird es erst recht nicht klappen. Sei einfach ehrlich und erklär es ihm in Ruhe.« Genervt verdrehte ich die Augen. »Ja, Mama!« »Guter Junge.« Grinsend kniff sie mir in die Wange. Im oberen Stock fanden wir Abby und Steve, die an einem vollgepackten Tisch saßen. Lachend stocherte Steve in einem Salat und sagte dann etwas zu Abby, was ich nicht verstehen konnte. Diese bemerkte mich und winkte uns zu. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich Gail neben ihre Freundin auf die Bank geschmissen und suchte unter dem Haufen an Burgern ihren geliebten McRib. Als ich mich setzte, biss sie bereits herzhaft hinein. Steve starrte sie einen Moment vollkommen perplex an, doch dann nahm Abby wohl ihr Gespräch wieder auf. »Welche magst du denn am liebsten?« »Wenn ich mich wirklich nur auf eine festlegen muss, dann DoReMi.« Er griff nach einem Burger und einer Schachtel Pommes und legte beides vor mich. »Abby hat gesagt, das sollte dir schmecken.« Während ich einen Blick darauf warf, stellte Abby noch einen Getränkebecher dazu. »Danke.« Filet-O-Fish? Na gut, damit konnte ich mich wohl anfreunden. Es hätte schlimmer laufen können. Andererseits war es nicht meine beste Freundin, die für mich bestellt hatte. Sie hätte sicher irgendwas geholt, mit dem sie mich nerven konnte. Ich packte den Burger aus und biss hinein. Er schmeckte wie erwartet nach Pappe, aber wenigstens bekam ich ihn runter. »Sag mal, hast du eine Ahnung, worüber die beiden reden?«, fragte Gail und deutete auf ihre Freundin und Steve, die sofort wieder ihre Diskussion aufgenommen hatten. Ich zuckte mit den Schultern. »Steve steht auch total auf Magical-Girl-Animes!«, quietschte Abby ihre Freundin fröhlich an. »Auf was?« Gail half mir augenrollend auf die Sprünge: »Sowas wie Sailor Moon, glaub ich.« »Ah.« Ich erinnerte mich, Abby hatte lauter Zeug mit Zeichentrickmädchen in Schuluniformen. Ich sah, dass sie in unterschiedlichen Stilen gezeichnet waren, interessierte mich aber nicht genug dafür, um sie unterscheiden zu können. Skeptisch sah ich zu Steve. »Und du magst diese Filme auch?« »Serien!«, fiel mir Abby mit genervten Unterton ins Wort. Er zuckte leicht verlegen mit den Schultern. »Ich mag allgemein Animes ganz gern. Und ab und zu kann man sich auch mal ein Magical-Girl-Anime ansehen.« Gerade hatte das aber noch ganz anders geklungen. Auch Abbys Blick zeigte, dass sie den Tonwechsel bemerkte. War es ihm peinlich? So war meine Nachfrage doch gar nicht gemeint! Es interessierte mich einfach, was er sich ansah. »Kannst du mir einen empfehlen? Ich bin bisher noch nicht damit warm geworden, aber vielleicht hast du ja einen guten Tipp?« Überlegend verzog er das Gesicht, dann hatte er eine Idee: »Ich hab ein paar Filme, vielleicht sind die ja eher was für dich als Serien. Ich kann dir die mal ausleihen.« Bevor ich das Angebot annehmen konnte, schlug Gail vor: »Warum schaut ihr euch die nicht zusammen an?« »Dann kann dir Steve auch ein paar Sachen erklären«, half Abby nach. Steve wich meinem Blick aus und murmelte: »Klar, wenn wir Zeit finden.« Genau darum hatte ich das Angebot direkt annehmen wollen. Jedes Mal, wenn es darum ging, dass wir etwas bei ihm oder mir machten, wich er aus. Es hatte mich schon sehr gewundert, dass er so bereitwillig beim Wochenende zugesagt hatte. Dennoch bekräftigte ich mein Interesse: »Ich würde mich wirklich freuen.« Er lächelte leicht und nickte. »Wohin genau entführt ihr mich denn nun eigentlich? Müssen wir noch lange fahren?« Da ihr Oberkörper leicht vibrierte, wackelte Abby wohl mit den Beinen. Wie immer, wenn sie nervös war. Ich grinste. Es wunderte mich, dass sie so lange ausgehalten hatte, ohne neugierig nachzufragen. Ich sah meine beste Freundin fragend an. Wollten wir es ihr endlich sagen? Spätestens an der Grenze hätte sie doch sicher eine Ahnung. Doch Gail schüttelte eisern den Kopf. »Du erfährst es, wenn wir da sind.« »Mensch! Ihr seid so gemein. Sag du’s mir doch wenigstens!«, bettelte sie Steve an. »Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich es auch nicht weiß.« Als er kurz zu mir sah, zwinkerte ich ihm zu.Ich hatte ihm auch nur gesagt, dass wir in Richtung Kanada fuhren und er seinen Ausweis brauchte. Abby zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen, beließ es jedoch dabei und verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann sagt mir doch wenigstens, wie lange wir noch fahren!« »So fünf, sechs Stunden musst du dich wohl noch gedulden«, gab Gail etwas nach. Ihre Freundin riss die Augen auf. »Wollt ihr nach Alaska?!« »Ja natürlich«, erklärte ich lachend. Zumindest mit der Richtung hatte sie recht. Wir waren bisher ziemlich gerade in Richtung Norden unterwegs. »Uff. So dicke Sachen hab ich gar nicht mit«, murmelte Steve. »Ich auch nicht. Wir müssen nochmal zurück!«, stieg Gail ein. »Nicht dein Ernst!?«, protestierte ich. »Wir haben schon mehr als die Hälfte hinter uns. Ich fahr jetzt nicht mehr zurück. Egal, was du meinst, vergessen zu haben!« »Soll ich dich eigentlich mal ablösen beim Fahren?«, bot Steve an. »Nein, ich glaub nich...« »Das ist eine gute Idee!«, fiel mir Gail ins Wort und sah mich mahnend an. »Ein oder zwei Stunden Pause tun dir sicher gut. Immerhin wollen wir doch alle heil ankommen.« Ich verdrehte die Augen. Leider musste ich einsehen, dass sie recht hatte. Ich sollte nicht so lange am Stück fahren. Und wenn Steve sich anbot, warum nicht? Mit Gail hatte ich schon im Vorfeld ausdiskutiert, dass sie mir das Fahren überlassen und lieber die Zeit mit ihrer Freundin genießen sollte. Und Abby als Geburtstagskind die Arbeit überlassen kam für mich nicht in Frage. »Ist ja gut, Mama.« »Ach, was hab ich nur für einen gut erzogenen Jungen«, schwärmte Gail und streckte mir dann die Zunge raus. Steve lachte und wandte sich dann an Abby: »Sind die beiden immer so?« »Ja. Das ist sogar noch recht harmlos. Sie halten sich noch zurück, weil du dabei bist und wir in der Öffentlichkeit sind.« »Oh, wegen mir müsst ihr euch nicht zurückhalten.« »Hast du gehört?«, fragte Gail mit einem süffisanten Grinsen. »Du musst dich wegen ihm nicht zurückhalten.« Ich warf ihr einen bösen Blick zu und schnipste gegen ihr Ohr. Sie sollte diese Anspielungen lassen! Steve schien sie nicht bemerkt zu haben, er war mit den Resten seines Salats beschäftigt. Als er damit fertig war, stapelte er die Verpackung. Dabei fiel sein Blick auf meine Pommes. »Magst du die nicht?« »Bedien dich«, bot ich an. Ich kämpfte noch immer mit dem Burger, mehr als ein paar bekam ich davon sowie nicht runter. Ich verstand nicht, was so viele an diesem Fraß fanden. »Danke.« Begeistert griff er zu und nahm sich eine Hand voll. »Dürfen wir eigentlich auch im Auto essen?«, erkundigte sich Abby, die mittlerweile ebenfalls fertig war. »Wenn ihr nicht kleckert, ja. Also Gail nicht.« Ich deutete auf den Soßenfleck auf ihrer Brust. Sie streckte mir die Zunge heraus und wischte ihn erst mit dem Finger, dann der Servierte weg. »Schön, dann hol ich mir gleich noch einen Milchshake.« Steve sah auf, schien kurz zu hadern, dann rief er: »Ich auch!« »Sind die gut?« Ich hatte sie noch nie probiert und konnte mir das daher überhaupt nicht vorstellen. »Auf jeden Fall! Weißt du was? Ich lad dich auf einen ein«, beschloss Steve. »Schoko, Vanille oder Erdbeere? Ich würde Schoko empfehlen.« »Dann nehm ich den doch.« Ich erwiderte sein Grinsen und sah ihm nach, als er mit Abby nach unten lief, um sich anzustellen. Gail sah ihnen ebenfalls nach, bevor sie die Tabletts stapelte und mit mir gemeinsam zu einem der Wagen brachte. »Uff. Sorry. Ich hätte wirklich gedacht, dass er die Gelegenheit ergreifen würde, mit dir zusammen einen Film zu schauen. Ich meine, er hat dich im Auto die ganze Zeit angehimmelt.« Ich zuckte mit den Schultern und ging mit ihr nach unten. »Das verstehe ich eben auch nicht. Er reagiert darauf, wenn ich mit ihm flirte, scheint auch Spaß daran zu haben und macht mit, aber sobald ich ihm ein Angebot mache, Zeit zu zweit zu verbringen, schrickt er sofort zurück.« Aber gut, dass sie das auch sah, ich hatte schon Angst, dass ich mir das einbildete. »Er weiß aber schon, dass du pan bist, oder?« »Ja, sicher. Er müsste schon echt hinterm Mond leben, um das nicht mitbekommen zu haben.« Wenn man sich in einer Gegend wie Deadwood-Lead für LGBTIQ+-Rechte einsetzte, dann konnte man davon ausgehen, dass die Leute einen dafür kannten. Vor allem, wenn man dann auch noch als Moderator für den örtlichen Radiosender arbeitete. »Warum?« Sie zuckte mit den Schultern. »Es hätte ja sein können, dass er Angst hat, dass du beleidigend wirst, wenn er versucht, sich dir zu nähern. Aber eigentlich hast du recht, es ist fast unmöglich, nicht mitzubekommen, dass du unter anderem auf Männer stehst. Vielleicht magst du es trotzdem nochmal im Laufe des Wochenendes einfließen lassen? Kann ja sein, dass er es wirklich nicht mitbekommen hat.« »Klar, es kann sicher nicht schaden.« Es würde sich sicher eine Gelegenheit dafür ergeben. Wenn er dann immer noch so reagierte, musste ich einfach davon ausgehen, dass er selbst nicht mitbekam, dass er mir ständig schöne Augen machte, und es daher nicht absichtlich tat. »Hier, das ist deiner.« Steve und Abby stießen wieder zu uns und er hielt mir einen Pappbecher entgegen. »Abby hat Erdbeere und ich Vanille, du kannst also alle mal kosten, wenn du magst.« Ich nahm den Becher entgegen und probierte einen Schluck. Das war gar nicht so schlecht! Da mich Steve erwartungsvoll anstarrte, tat ich dies auch kund, was er mit einem Strahlen zur Kenntnis nahm. Wenn es ihn so glücklich machte, probierte ich gerne noch viele weitere Dinge, die er mir empfahl. »Dann lasst uns mal weiterfahren. Wir haben noch einen langen Weg vor uns«, mahnte Gail und griff nach dem Arm ihrer Freundin, um sie zum Ausgang zu zerren. Steve und ich folgten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)