Wochenende in Manitoba von Vampyrsoul ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Steve wartete, wie abgemacht, bereits vor seinem Haus auf mich. Ich konnte es selbst kaum glauben, aber tatsächlich hatte er sich auf das Abenteuer eingelassen und fuhr mit uns für das Wochenende weg. Das wurde sicher nicht nur für ihn spannend. Wie immer trug er die Jeansjacke, auf deren Rücken ein Totenkopf mit gekreuzten Säbeln gestickt war, darunter trug er, soweit ich das an der Kapuze ausmachen konnte, einen grünen Hoodie. Hoffentlich wurde ihm das nicht zu kalt, wenn wir bei unserem Ziel ankamen. Erschrocken sprang er zurück, als ich neben ihm hielt. Natürlich hatte er aus der anderen Richtung mit mir gerechnet. Einen Moment starrte er den SUV verwundert an, doch als ich ausstieg, erkannte er mich und lächelte. »Hallo. Neues Auto?« »Hi. Nein, von meinen Eltern geliehen. Mein Auto ist zu klein, um uns alle nach Westbourne zu bringen. Wir müssen auch noch meine Mitbewohnerin und ihre Freundin abholen. Den Rest treffen wir dort.« Ich ging um das Auto herum und öffnete ihm den Kofferraum. Leicht neigte er den Kopf, wobei seine schwarzen Haare auf die rechte, rasierte Seite fielen, und betrachtete das Innere. »Hast du deine Sachen vergessen?« »Nein, die sind noch zu Hause, ich wollte sie nicht unnötig spazierenfahren. Wie gesagt, wir müssen eh nochmal zu mir.« Er hievte seine Reisetasche hinein. Da er deutlich weniger trainiert wirkte als ich, hatte ich ehrlich damit gerechnet, dass ich das übernehmen müsste. Bevor ich den Kofferraum schloss, fragte ich vorsichtshalber: »Hast du deinen Pass griffbereit?« »Oh!« Er schlug sich die Hand vor die Stirn und wühlte noch einmal in seiner Tasche. Sobald er den Reisepass gefunden hatte, steckte er ihn sich in die Bauchtasche des Hoodies. »Danke.« »Kein Ding. Du hast dann alles?« Er überlegte kurz, dann nickte er. »Gut, dann steig mal ein.« Während er zur Beifahrertür ging, erklärte er: »Du hättest nicht extra wegen mir hier rausfahren müssen. Ich hätte mich auch nach Rapid City bringen lassen können. Oder ich hätte euch abgeholt und wir wären mit meinem Auto gefahren.« Ich stieg ebenfalls ein. »Mit deinem Auto?! Nimm es mir nicht übel, aber ich würde schon gern ankommen, ohne, dass das Auto auseinanderfällt.« Dann hätte ich mich doch lieber in meinen MINI gequetscht. Sein alter Jeep war sicher mindestens halb so alt wie er selbst. Während ich den Motor startete, schob ich hinterher: »Und es war kein Umweg, ich komm grad von meinen Eltern, ich hab dort übernachtet. Sie wohnen in Lead, es liegt also auf dem Weg.« Empört plusterte er die Wangen auf. »Sag nichts gegen Will! Er ist sehr zuverlässig und hat mich bisher überall hingebracht.« »Will? Du nennst dein Auto Will?!« Ich widerstand dem Drang, ihn anzusehen. Auch wenn ich die Strecke im Schlaf kannte, da ich in der Nachbarstadt aufgewachsen war, ich sollte mich dennoch konzentrieren. »Klar, warum nicht? Hat dein Auto etwa keinen Namen?« »Nein. Warum sollte mein Auto einen Namen haben?« »Das arme Auto. Es braucht ganz dringend einen. Bis du dir einen ausgedacht hast, nenn ich es Mausi!« Sollte mir recht sein, dann hieß mein Auto eben Mausi. »Hast du für noch mehr Gegenstände eigene Namen?« »Aber sicher! Jeder Gegenstand hat seinen eigenen Namen verdient! Das hier ist übrigens Agathe.« Als ich nach rechts sah, um auf die Hauptstraße in Richtung Rapid City einzubiegen, hielt er sein Handy so, dass ich es sehen konnte. Lachend schüttelte ich den Kopf. Ich mochte seine lockere Art. Ich war mir sicher, er würde viel Spaß mit der Clique haben. Dennoch hatte ich etwas Muffensausen, als ich vor unserem Haus hielt. Eigentlich hatte ich ihn und Gail noch vor dem Wochenende miteinander bekanntmachen wollen, aber leider hatte sich das nicht ergeben. So musste ich mich auf meine Einschätzung verlassen. Hoffentlich lag ich nicht daneben, sonst konnte es uns den ganzen Urlaub verderben. »Darf ich mit hochkommen?«, fragte Steve, als ich mich abschnallte. »Klar, komm mit. Ich weiß eh nicht, ob die beiden schon fertig sind.« Gemeinsam stiegen wir aus und gingen zum Wohnhaus. Bevor ich die Haustür aufschloss, klingelte ich, damit sie vorgewarnt waren. Es wäre Steve sicher peinlich, wenn sie gerade nackt durch die Wohnung rannten, wenn wir ankamen. Überraschenderweise waren sie komplett angezogen und es sah nicht aus, als wäre das in Eile geschehen – Wobei das bei Gail eh schwer auszumachen war, ihre Kleidung wirkte immer etwas zusammengewürfelt, wenn sie nicht gerade einen Gerichtstermin hatte. Ich hatte tatsächlich damit gerechnet, dass sie es bis zur letzten Minute auskosteten, die Wohnung für sich allein zu haben. Sie hatten sich schließlich seit drei Monaten nicht gesehen. Ich sollte versuchen, ein Zimmer zu erwischen, das nicht neben ihrem lag. »Izzy! Da bist du ja endlich.« Gail kam auf mich zugestürmt und fiel mir um den Hals. »Äh, ich bin doch sogar zu früh?« »Keine Sorge, Gail ist schon den ganzen Tag so aufgeregt und kaum auszuhalten«, erklärte Abby und begrüßte mich ebenfalls herzlich. »Ach so, also nichts Neues.« Ich drückte sie noch einmal fester an mich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, wobei ich darauf achtete, das Make-up, welches den Bartschatten abdeckte, nicht zu verschmieren. Scheinbar war auch sie wegen Steve etwas nervös gewesen, da sie das sonst eher für unnötig hielt. »Alles Gute zum Geburtstag!« »Danke! Ich bin so gespannt, was ihr ausgeheckt habt! Gail hat mich den ganzen Morgen genervt, ich soll endlich meine Tasche packen.« Diese hörte uns nicht einmal zu, sondern musterte Steve neugierig. Sobald sich ihre Blicke trafen, machte sie einen Schritt auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen. »Hi, ich bin Gail; sie. Die beste Freundin und Mitbewohnerin von unserem Schnucki hier.« Ich verdrehte die Augen. Das tat sie jedes Mal, seitdem wir uns in der Junior High kennengelernt hatten! Steve lächelte, wischte sich die Hand kurz an der Jeans ab und erwiderte den Handschlag. »Hi. Ich bin Steve. Das Anhängsel vom Schnucki.« Abby löste sich aus meiner Umarmung, jedoch nicht, ohne sich noch einmal mit einem Blick bei mir zu versichern, dass alles sicher war. Ich hoffte es so inständig! Dann ging sie auf Steve zu. »Hallo. Ich bin Abby; sie.« Dieser musterte sie einen Moment eingehend, zog nachdenklich die Stirn in Falten und erwiderte dann mit demselben Lächeln wie bei Gail: »Hi. Steve ... ähh ... er? Alles Gute zum Geburtstag! Aaron hat leider nicht gesagt, dass es ein Geburtstagskind gibt, sonst hätte ich eine Kleinigkeit besorgt.« »Überhaupt nicht schlimm.« Abby strahlte übers ganze Gesicht. Auch ich atmete erleichtert auf. Wenn er so problemlos auf Abby reagierte, dann wurde es sicher ein entspanntes Wochenende. Meine Menschenkenntnis hatte mich nicht im Stich gelassen. Gail schien ebenso erfreut. Sie nahm kurz die Hand ihrer Freundin in die ihre und drückte sanft zu, dann wanderte ihr Blick von mir zu Steve und wieder zurück. »Ihr seid noch bei Aaron?« »Ehm, ja, irgendwie hat sich das nie ergeben.« Ich wandte mich ihm zu. »Da Gail mich allen immer als Izzy vorstellt, nennen mich eigentlich alle meine Freunde so. Also wenn du magst, steht es dir frei. Aber Aaron ist auch okay.« Im Endeffekt hatte sie recht. Aaron nannten mich nur flüchtige Bekannte und Arbeitskolleg*innen. Für alle anderen war ich Izzy. Etwas verlegen sah er zu Boden. »Wenn es recht ist, bleib ich erstmal bei Aaron. Wenn dich sowieso alle Izzy nennen, wird sich das eh schnell erledigen.« »Ja klar, kein Problem.« Ich lächelte noch einmal, dann wandte ich mich an Abby und Gail. »Habt ihr dann alles und können wir los?« »Ich muss noch meine Sachen aus dem Bad holen!« Schnell rannte meine Mitbewohnerin los, während ihre Freundin in ihr Schlafzimmer eilte und dort noch etwas holte. Ich seufzte. War ja klar. So laut, dass sie mich hoffentlich verstanden, rief ich: »Ich bring meine Tasche schonmal ins Auto.« Zumindest aus dem Bad war ein bestätigender Laut zu vernehmen, daher ging ich in mein eigenes Zimmer, um meine Sachen zu holen. Meine Tasche stand fertig gepackt auf dem Bett. Vorsichtshalber holte ich noch einen zusätzlichen Parka aus dem Schrank, falls Steve wirklich die Temperaturen unterschätzte. Als ich mich umdrehte, um das Zimmer zu verlassen, erschrak ich. Steve war mir unauffällig gefolgt und sah sich unverhohlen um. Mir entging nicht, dass sein Blick dabei nicht nur an den drei Prideflaggen über meinem Bett, sondern auch an der Aktzeichnung an der gegenüberliegenden Wand hängen blieb. Ich hatte vor einiger Zeit einem Bekannten für Übungen als Modell zur Verfügung gestanden und als Bezahlung hatte er eines der Bilder für mich ausgearbeitet. »Na, neugierig?« Er grinste und fuhr sich mit den Fingern durch den Pony. »Klar. Deshalb bin ich ja mit hochgekommen.« Ich lächelte nur und ließ ihn sich weiter umschauen. Ich hatte nichts zu verbergen. Irgendwie hatte es sich nie ergeben, dass er zu mir kam oder ich zu ihm. Wie sich so vieles bisher nicht ergeben hatte. Vielleicht bot das Wochenende ja die ein oder andere Gelegenheit für Gespräche. »Ist das alles, was du mitnimmst?« Er deutete auf meine kleine Tasche. »Japp. Der Kofferraum ist zwar groß, aber auch nicht unendlich. Vor allem Abby hat eine große Tasche, weil sie auch nur hier zu Besuch ist.« »Hauptsache, du hast auch alles, was du brauchst.« Bevor er sich umdrehte, wanderte sein Blick noch einmal kurz zum Akt, dann verließ er das Zimmer. Kaum waren wir am Auto angekommen, sah er sich einmal kurz zur Tür um, dann rutschte er etwas dichter zu mir. Gerade laut genug, flüsterte er: »Darf ich dich etwas fragen?« Alarmiert horchte ich auf. Das klang nicht gut. »Sicher.« »Ich hab doch nichts Falsches gesagt, oder?« Ich haderte. Mir war durchaus klar, worauf er hinaus wollte. »Ich wüsste nicht, dass du etwas Falsches gesagt hättest. Sonst hätten wir dich schon darauf hingewiesen. ... Es wäre nur schön gewesen, wenn du Abby nicht so lange angestarrt hättest.« »Ich hab sie doch nicht angestarrt, ich hab nur ...« Er stoppte mitten im Satz, drehte sich um und lief auf die Haustür zu. Aus der Tür kamen gerade Abby und Gail, bei denen er stehenblieb. Er wandte sich direkt an Abby, welche ihn einen Moment verwirrt betrachtete und dann freudig nickte. Gail schlug sich die Faust in die offene Handfläche und erwiderte etwas. Da alle drei lachten, machte ich mir keine weiteren Sorgen. Ich kannte meine beste Freundin gut genug, dass es nur symbolisch gemeint war. Sie kamen zum Auto und ich verstaute auch die letzten beiden Taschen, während die drei darüber diskutierten, wer wo sitzen wollte. Letztendlich entschieden sie, dass vorerst Steve vorne saß und sie eventuell später tauschten. Sobald wir saßen, wandte ich mich nach hinten: »Alle anschnallen, es geht los!« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)