[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 83: Vol. 4 - Hinter den Kulissen ---------------------------------------- Elvis: "E-es ist nicht das, wonach es aussieht...", stammelt Akira, als ich ihn im Bett meiner Tante erblicke.   "Es ist genau das, wonach es aussieht.", korrigiere ich ihn und weiß um ehrlich zu sein gar nicht, wo ich hinschauen soll.   Noch nie hat mich der Anblick zweier Menschen auf so vielen Ebenen... überfordert. So was passiert doch wirklich nur in Filmen. Der beste Freund schläft mit der Tante und ich als Hauptcharakter werde mit diesem engelsgleichen Bild fürs Leben... verstört. Alles an dieser Szene fühlt sich so dermaßen falsch an, dass mir ganz schlecht wird.   Meine Tante wacht langsam auch auf und ich denke, wenn sie wüsste, wer da gerade im Türrahmen versucht, seinen Würgereflex zu unterdrücken, wäre sie froh, dass sie ihre Brille ausgezogen hat, um sich von meinem besten Freund durchvögeln zu lassen.   "Akira-san, wie spät ist es?", säuselt sie, als sie sich aufrichtet und Akira einen sanften Kuss auf die Wange haucht.   Dabei rutscht ihr die Decke vom Körper und ich kann ihre Brüste sehen. Ich würde weder meine Tante noch irgendeine andere Frau tatsächlich von Herzen als abstoßend aussehend bezeichnen, doch zu wissen, von wem sie sich die Dinger hat anfassen lassen, macht es mir schwer, meinen inneren Seelenfrieden zu bewahren. Mir geht es gar nicht gut.   Akira dagegen bewegt sich überhaupt nicht, während Akane über ihn hinweg ihre Brille greift und aufsetzt. Als sie wieder bebrillten Blickes in meine Richtung sieht, zieht sie nahezu reflexartig die Decke über ihre Brüste, als ob das Verdecken ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale diese Situation auch nur im Ansatz rettet. Sie schaut mich an, als müsste sie gleich weinen. Ihre Wangen haben die gleiche Farbe wie ihre Haare angenommen. Wie Taiyos Haare. Betrügerin ist das einzige Wort, dass in der Leere, die in meinem Kopf herrscht, noch aufzufinden ist.   "Elvis, was machst du hier?", fragt sie mich mit einer gebrochenen Stimme, so dünn, dass ich es nur beinahe hören kann. "Was hast du hier verloren?", fragt sie erneut und kämpft mit den Tränen.   "Ach, weißt du, Tante Akane, ich war zufällig in der Nähe, wollte vorbeischauen, einfach, weil man das so macht. Dann habe ich die Tür geöffnet und ich habe gefunden, was ich verloren geglaubt habe. Meinen Glauben an die Menschheit.", ihre Augen weiten sich und diesmal kann sie die Tränen wirklich nicht zurückhalten.   "Nimm deine Pfoten da weg.", unterbreche ich die Bewegung von Akiras Arm, als er den um meine Tante legen will. "Es tut mir leid... So leid, Elvis... Ich... wünschte, ich hätte es dir erzählt... Alles, meine ich... Von Anfang an... Über den Verlust meines Bruders... Über meine Haare, die nicht wirklich so aussehen... Über meine Gefühle für Akira-san... All das... Aber... es ist zu spät... Viel zu spät... Und das nur wegen der Tür die offen war...", sie schluchzt weiter und versagt weiter beim Versuch, nicht auszusehen wie das größte Haufen Elend, das ich je gesehen habe.   "Aber weine doch nicht, Tante Akane. Dich zusammen mit Akira in einem Bett zu erwischen gibt mir zwar übelste Bauchschmerzen, sowie Brechreiz, aber du bist trotzdem immer noch meine Tante. Die mir beim Lernen half. Die mir Anne auf Green Gables vorgestellt hat. Ich sollte nett zu dir sein und die Stimme erheben.", Tante Akane sieht mich an, wie man es fassungslos nennt. Ich glaube, ich mache ihr Angst.   "Wenn du glaubst, dass ich sauer bin, im Sinne davon, dass du mir die Affäre mit einem Typen verschwiegen hast, dessen Mutter du sein könntest, was bei mir das Gefühl von Enttäuschung auslösen sollte, dann nein. Dann bin ich nicht sauer. Und um enttäuscht zu sein, müsste ich erwartet haben, dass sowas nicht passiert. Habe ich das? Nicht wirklich. Man sieht sich dann.", ich mache auf dem Absatz kehrt, nicht besonders schnell, aber ich mache es.   Ich ziehe meine Schuhe an, nicht besonders schnell, aber ich ziehe sie an. Nicht wissend, warum um alles in der Welt ich nicht davonrenne, finde ich vor ihrer Wohnung wieder und schaue ins Leere. Mir geht es gar nicht gut. Also laufe ich einfach. Nicht besonders schnell, aber ich laufe. Glaub mir, wenn ich sage, dass ich froh bin, wenn ich aus dieser Gegend rauskomme. Es ist nur schwer, sich zu beeilen, wenn einem kein Grund einfällt, wieso man sollte. Stell dir vor, du bist der letzte Mensch auf Erden. Dir ist alles egal.   "Kyocchi, warte!", höre ich Akiras Stimme plötzlich hinter meinem Rücken. Eine Sache habe ich in meinem apathischen Abflug vergessen. Den Täter, der will, dass ich auf ihn warte, ihn ausreden lasse, ihm zuhöre. Auch, wenn nichts dergleichen etwas ändern würde.   "Sie wünschen?", ich drehe mich schwerfällig um. Akira ist noch immer außer Atem. Seine Haare sind noch zerzauster als sonst. Sein Hemd ist halbherzig zugeknöpft und sein Hosenstall ist offen. Er hat nicht einmal Schuhe an. Alles an ihm gibt Auskunft über sein Tun. Der "Ich fick deine Tante und fange dich anschließend ab"-Look steht ihm besser als er sollte.   Akira senkt den Blick und seufzt. Ich glaube, er weiß gar nicht, was er eigentlich sagen muss. Was er sagen will.   "Wenn dumm rumstehen alles ist, wozu du heute gut bist, dann sieht man sich morgen.", lasse ich ihn wissen und kehre ihm erneut den Rücken zu. Besonders weit komme ich aber nicht, als ich spüre, wie Akira gewaltsam nach meinem Handgelenk greift und mich davon abhält.   "Stehengeblieben!", schnauzt er, wobei ich es doch sein sollte, der wütend klingt.   Seine Fingernägel drücken sich in meine Haut. Ich glaube, er merkt nicht, dass mir das wehtut.   "Warum?", will ich wissen, sehe ihm ins Gesicht und siehe da, er sieht böse aus. Irrationaler Vollidiot.   "Gib es doch zu, dass du nicht so drüberstehst wie du tust. Du bist angewidert, ich sehe es dir doch an! Dir passt es nicht, dass zwischen Akane-san und mir etwas läuft und jetzt verschwindest du wieder einmal mit deinem Pokerface, damit sich Akane-san schön schlecht fühlen kann und du dich aus der Affäre ziehen kannst. Wenn du irgendwas zu sagen hast, dann sag es, Kyocchi!",   "Wieso bist du sauer?", fragt er vollkommen unberührt und zugleich mit knirschenden Zähnen, als wenn es ihn doch was ausmacht, dass ich wütend auf ihn bin, verdammt wütend.   "Du kannst nicht einfach mit meiner Tante schlafen, so... so läuft das nicht, das ist auf so vielen Ebenen einfach... nicht richtig. Ich meine, wieso muss es denn meine Tante sein? Du kennst sie doch gar nicht! Du hast keine Ahnung, wie zerbrechlich sie ist, oder was sie durchgemacht hat, du hast absolut keine Ahnung!", rufe ich und versuche mich, aus seinem Griff loszumachen. Aber Akira ist stärker als ich.   "Ich kann dir echt nicht folgen, Kyocchi. Ist es wirklich nur, weil es deine Tante ist? Und wenn schon, dann ist sie halt mit dir verwandt, aber... hast du dich mal gefragt, was sie denn wirklich will? Vielleicht weißt du, was mal passiert ist, aber hast du dich je gefragt, ob sie denn glücklich ist, oder wie sie das anstellen will? Ist doch wohl keine Überraschung für dich, dass sie seit Ewigkeiten kein Erfolg in der Liebe hat, dass ich da der Lückenfüller ist, tut doch wohl überhaupt nichts zur Sache. Außerdem... hast du mich doch abgewiesen, nicht wahr?", dieser Typ hat sie wohl nicht mehr alle!   "Du bist unmöglich, ein Vollidiot, absolut willkürlich und notgeil! Jetzt lass mich verdammt noch mal endlich los!", schreie ich, versuche mich diesmal noch stärker zu befreien, dabei rutscht mir meine Tasche von der Schulter und ich tue mich noch schwerer, mich zu verteidigen.   "Jetzt halt mal die Luft an, Kyocchi, was ist so schlimm daran, wenn ich mit deiner Tante zusammen bin. Wir sind bald keine Oberschüler mehr, dann bin ich erwachsen und dann ist es doch egal, mit wem ich zusammen bin. Dann kann ich machen, was ich will und dir kann es streng genommen doch auch egal sein, ich meine, du hast alles, was ich nicht habe und trotzdem willst du mich einkesseln.", Akira zeigt nach wie vor keine Empathie und das kann ich ihm nicht verzeihen.   Ich habe alles, was er nicht hat, dass ich nicht lache, wieso denkt jeder, mein Leben perfekt?!   "Ich-",   "Ich meine, du hast Eltern, die dich versorgen, ohne, dass du dich schlecht fühlen musst, einen Bruder, der mich deinetwegen umgebracht hätte, nur weil ich dich in Gefahr gebracht habe, hast gute Noten und überhaupt nichts zu befürchten.", knirscht er und ich hätte nicht gedacht, dass er mich noch mehr zur Weißglut bringen könnte.   "Da irrst du dich, Akira, da irrst du dich ganz gewaltig. Bei mir läuft gerade absolut nichts. Du hast keine Ahnung, die hattest du noch nie. Selbst, wenn Taiyo und ich nur Stiefbrüder sind, geht er so weit für mich und das will was heißen, ich habe einfach nur Glück. Aber das heißt nicht, dass ich auch jetzt gerade glücklich bin! Wieso machst du es dir denn auch so schwer? Wieso lebst du im Wohnheim und nicht bei deinen Eltern, die sich um dich sorgen? Warum lehnst du jeden ab, der dir helfen will?!", jetzt klinge ich schon verzweifelt.   "Weil ich es anders nicht ertrage!", übertönt er mich und auf einmal ist er doch auf Hundertachtzig.   "Ich kann nicht bei meinen Eltern leben, weil ich es nicht ertrage, ihnen Umstände zu bereiten, nicht mal den Nachnamen haben sie mir geändert, weil sie immer, wirklich immer gesagt haben, dass ich nicht vergessen darf, wer ich eigentlich bin! Sie lesen mir jeden Wunsch ab, obwohl ich nicht ihr Kind bin, sie konnten selbst nie eins haben, nur deshalb haben sie mich kurz nach der Geburt adoptiert, einen anderen Grund gibt es nicht! Ständig zu wissen, dass man nicht hier reingehört, ist einfach verdammt noch mal scheiße! Und ich kann nicht anders, als überall zu versagen, in der Schule, bei mir zu Hause, bei Menschen, überall, deshalb kann ich dort nicht mehr wohnen! Wegen der Polizeisache noch weniger. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht einfach verschwinden soll, wenn ich zu nichts tauge!", erst jetzt merke ich, wie heiser Akiras Stimme klingt, als wenn er es überhaupt nicht gewohnt wäre, zu sagen, was ihm so das Herz bluten lässt.   Aber das sagt ja genau der Richtige.   "Aber warum... warum sollte das den Beischlaf mit meiner Tante rechtfertigen? Sie kann doch nichts dafür! Und ich auch nicht!", bin ich jetzt der Laute, doch schon wieder packt mich Akira einfach, wie er lustig ist, an den Schultern, drückt mich an die Wand des Gebäudes, an das ich vorhin gekommen bin und küsst.   Nicht auf offener Straße, du Idiot! Doch weil er glaubt, mich damit nicht mehr festhalten zu müssen, nutze ich die Chance und schiebe ihn mit heißem Gesicht und nicht weniger entzürnt davon.   "Was zur Hölle stimmt nicht mit dir?! Ich dachte, du wolltest dich mir zuliebe von mir fernhalten! Du hast gesagt, dass du das nicht mehr machen wirst. Was willst du eigentlich von mir?!", jetzt ist die Grenze erreicht und ich weiß noch weniger weiter als ohnehin schon. Meine Lippen schmecken immer noch nach Akira, der einfach nur schamlos ist.   "Versuch bloß nicht, Akane und mich zu trennen, du hast mich doch schon ausgenutzt, obwohl du eine Freundin hast. Du wolltest nur deine Erinnerungen. Mehr hast du nie verlangt. Entscheid dich doch verdammt noch mal endlich für eine Rolle!", schimpft er und zieht wieder zurück in Richtung Tante Akanes Wohnung, um sich fertig anzuziehen und seine Sachen zu holen.   "Du verdammter Hypokrit! Wenn hier irgendwer jemanden ausnutzt, dann bist du das doch wohl! Du benutzt das Wort Liebe in dem völlig falschen Kontext, du weißt nicht einmal, was das ist! Also spiel bloß nicht das Opfer und reiß dich am Riemen!", werfe ich ihm nach, solange er noch in Hörweite ist, er dreht sich zu mir um, doch dreht sich wieder weg und denkt nicht daran, mir zu antworten. Bei Hide zu Hause angekommen, bin ich immer noch unwahrscheinlich wütend. Zumindest versuche ich es, ich fühle gerade das, was man fühlt, wenn die Wut am versiegen ist und man das eigentlich nicht möchte. "Kleiner, du kommst aber früh, hast du schon alles abgeklärt?", will er wissen, als er mir die Tür öffnet. "Tatsächlich nein, ich... es war ziemlich dringend, aber... jetzt kann ich. Und danke, dass du... mich bei dir schlafen lässt.", bedanke ich mich noch bei ihm. "Kein Ding, Mann, bist ja schließlich der Bruder meines besten Freundes, da ist es doch selbstverständlich, dass ich euch beiden helfe.", entgegnet er mir und ich trete ein. "Hallo? Elvis, wieso rufst du an? Und warum sind du und Taiyo nicht längst zu Hause, ich dachte, wir wollten von nun an mehr Zeit miteinander verbringen.", mein Vater am Telefon, als ich angerufen habe. "Tut mir leid, aber... wir mussten noch was machen, ist gerade kompliziert, ich kann heute nicht nach Hause, aber ich komme morgen, versprochen!", beschwichtige ich ihn und versuche weder, ihm zu sagen was vorgefallen ist, noch ihn anzulügen. "Seid ihr zwei in Schwierigkeiten?", will er mit etwas kalter und zugleich neutraler Stimme wissen. Nicht lügen, nicht lügen, nicht lügen! "So in etwa, aber... mach dir bitte keine Sorgen, kümmere sich lieber um Mama und so... sie braucht dich gerade ja so.", wechsle ich vorsichtig das Thema. "Sag mal, wissen Oma und Opa das schon? Also das mit dem Baby.", weiter so, tu so, als wäre alles in Butter. Richtig hochwertige Butter aus der Region, genau die verkaufe ich! "Ähm... also, um ehrlich zu sein... sie wissen es nicht. Setsuna will morgen hin und mit ihnen reden. Ich komme auch mit, aber Setsuna meinte, sie wolle vorher noch etwas mit den beiden allein klären.", er klingt etwas besorgt, aber das ist kein Wunder, der Adleraugenblick meines Großvaters ist ihm gegenüber auch wirklich ziemlich feindselig. "Wo ist Taiyo eigentlich, ist er nicht bei dir?", verdammt, jetzt muss ich mir was einfallen lassen! Oder die Wahrheit sagen... "Taiyo hat sich heute... verletzt, er kann deshalb auch nicht nach Hause, aber bitte, bitte, sag Mama nichts davon!", flehe ich ihn inständig an und er schwiegt. "Nun gut, ich werde nichts sagen. Setsuna wird es so oder so erfahren, aber zumindest für heute wäre es besser sie nicht allzu sehr zu stressen, sie schläft gerade, ich werde ihr einfach sagen, dass ihr zwei übernachten wart. Sei aber vorsichtig und pass auf dich auf.", meint er noch zum Schluss und ich verspreche es ihm, ehe ich auflege. Die Wohnung ist schon ziemlich dunkel, eine Studentenwohnung, in die ich eigentlich gar nicht hat rein dürfte, als ich mich auf die Couch lege und mich zudecke. Jetzt heißt es nur noch, einzuschlafen und diesen Tag zumindest für ein paar Stunden zu vergessen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)