[Beta Ver.] CONDENSE von YukihoYT (An jenem schicksalhaften Regentag) ================================================================================ Kapitel 36: Vol. 2 - "Tomodachi" Arc: Die Menschen, denen etwas an dir liegt. ----------------------------------------------------------------------------- Zu Hause angekommen finde ich Taiyo auf der Couch fernsehend wieder. "Hi, Elvis, wie war Schule und-", "Ich muss gleich wieder los, nur zur Info.", unterbreche ich seine lockere Begrüßung. "Aber wieso das denn? Ah, und hallo Chika-chan.", brummt er und wechselt den Sender. "Hi, Onii-sama.", antwortet Chika matt. Sie wirkt wirklich müde. "Lass uns etwas zum essen einpacken und dann verschwinden, der Heimweg ist doch schon immer so lang.", sage ich Chika und wieder nickt sie bloß. Nachdem wir also unsere Schuluniformen gegen Alltagskleidung getauscht, etwas zu trinken von zu Hause und ein paar Sandwichs beim Kombini eingekauft haben, waren wir also beim besagten Treffpunkt. Ich habe nicht vergessen, dass Chika heute nicht bester Gesundheit ist und nehme eine Planänderung vor. "Ich hab`s mir anders überlegt, lass uns Zweiergruppen bilden. Chika und Hanako, Kaishi und ich. Okay, wer wird wo suchen?", rattere ich runter, was ich denke. "Oder wir gehen erst zusammen und trennen uns, wenn wir ungefähr, aber genauer wissen, wo wir jetzt suchen müssen.", wirft Kaishi noch ein. "Du hast recht, taktisch macht das vielleicht sogar mehr Sinn, danke dir.", es ist erstaunlich, wie er nach dem Tod seines besten Freundes wieder so normal bleiben kann. Kaishi ist unglaublich. "Übrigens, ich bin mit meinem Auto hier, wir können also notfalls damit fahren, falls er weit weg sein sollte." Dazu sagt keiner etwas, auch wenn offensichtlich jeder Anwesende in diesem Moment dankbar für Kaishi selbst und seinen Reichtum ist. "Nun, da wir alles geklärt haben, sollten wir unseren Plan noch einmal besprechen. Wie und wo sollen wir suchen. Und wie können wir dafür sorgen, dass Akira nicht vor uns-", "Waaaaaartet!", eine altbekannte Stimme, nicht nur das, auch noch die von Tante Akane, ruft uns entgegen. "Ich glaube, ich weiß, wo Egaoshita-sa... euer Freund sich aufhalten könnte! Ich hab ihn gesehen. Er ist in den Nachbarbezirk gerannt. Ich wollte joggen und da sah ich ihn, ich wollte Hallo sagen, aber da war er auch schon weg.", erzählt uns meine Tante völlig außer Atem. Ich bin nicht blöd, ich habe gehört, dass sie beinahe seinen Namen gesagt hat, als würde sie ihn kennen oder so, auch wenn ich das für unwahrscheinlich halte. Und Hallo sagen, weshalb denn das jetzt? Aber jetzt werde ich nichts tun, was uns Hilfe oder Tour versauen könnte. "Ich danke Ihnen.", meldet sich Kaishi zu Wort, auch wenn ich mich frage, ob er ihr denn auch wirklich so über den Weg traut, wie er gerade tut. Das gehört wohl alles zu einem seiner Pläne, die ich jetzt noch nicht zu kapieren brauche. "Macht es gut.", verabschiedet sie sich, aber ich halte sie ihm letzten Moment zurück. "Tante Akane, bist du sicher, dass Akira es war? Hat er wirklich die Stadt verlassen für fast vier Tage übers Wochenende? Bist du sicher?", frage ich leise und bemerke erst nach dem Aussprechen, wie unnötig dieser Satz gewesen ist. "Ja. Denn ich habe mir erlaubt, den Ort, an dem ich ihn zuletzt gesehen habe, zu beobachten. Er kam nicht mehr. Höchstwahrscheinlich ist er noch immer in diesem Bezirk, irgendwo an einer Stelle, die wir uns nicht vorstellen können, wo auch immer er ist, ihr könnt ihn zu viert bestimmt finden!", feuert sie uns leer klingend an. Ich beschließe, sie ein anderes mal nach Akira auszufragen und mit Kaishi machen wir uns also auf den Weg zum Akane genannten Bezirk nicht weit von hier. Auf dem Rücksitz mit Chika habe ich noch etwas Zeit zum Nachdenken. War ich denn der Grund, weshalb er die Stadt verlassen und die Schule geschwänzt hat? Weil er nicht wissen wollte, was ich auf sein Geständnis antworten würde? Er wirkte doch so unsicher und verwirrt, ich hab es gesehen, er sehnt sich nicht wirklich nach einer Liebschaft zwischen uns beiden und er ist auch nicht geflohen, weil er ein Angsthase ist. Zumindest will ich das am liebsten glauben. Es ist etwas anderes. Eine weitere Sache, die ich entweder verloren oder von vornherein schon nie besessen habe. Das hier ist die Kategorie Nummer zwei. Im Auto schweigen alle und das einzig Hörbare ist Chikas schweres Atmen, der ein wenig nach einem Stöhnen klingt. Ich frage mich im Nachhinein, warum Tante Akane nicht mitgekommen ist, wo sie doch dem Anschein nach von allen am Besten Bescheid weiß. Obwohl eigentlich war das wieder einer dieser Fragen im Kopf, die man sich nur stellte, um die andere noch viel wichtigere Frage, zu verdrängen. Die Frage, was zur Hölle nur mit Chika nicht stimmt. Ich meine, selbst, wenn es nur harmloses Fieber wäre, sie wirkt nicht einfach bloß erkältet oder so, nein, ich meine vorher ging es ihr doch auch ziemlich gut, zumindest würde ich das gerne glauben, wenn ich den Fakt, dass ihre Sportnoten nicht besonders gut und sie nicht besonders fit ist, ausschließe. Wann hat das alles angefangen? Vorher konnte ich das ja noch nicht so gut einschätzen, immerhin kannte ich sie noch nicht so gut und habe sie nicht so intensiv beobachtet. Und jetzt? War das seit dem Autounfall? Hat sie sich von dem denn immer noch nicht genug erholen können? In der Woche nach ihm und die Nacht, in der sie zum ersten Mal bei mir übernachtete schien doch alles gut, wir hatten mehr oder weniger unsere Zweisamkeit genossen und einander berührt. Wir waren beide verschwitzt und heiß, denn so ist das beim Rummachen nun einmal, man wird heiß. War das damals bei ihr denn etwa Fieber? Ich glaube das nicht, immerhin hatten wir gegenseitig die Zunge des anderem im Hals und ich hätte mich angesteckt, wenn dem so wäre. Zu welchem Zeitpunkt genau wurde sie also so krank? Ich zucke kurz auf als Chikas Kopf auf meine Schulter trifft. Es fühlt sich so an als könnte ich die fiebrige Hitze ihrerseits schon schmecken und das passt mir gar nicht. Verdammt, was kann ich nur für sie tun? Ihre Augen sind nach wie vor mit einer glasigen Schicht überzogen und ihr Gesicht war so ungesund rötlich. Für eine Sekunde hätte ich schwören können, sie zittern gesehen zu haben. Ich lege meine Hand auf ihre andere Schulter und drehe ihren nach vorne gerichteten Blick in meine Richtung. "Chika, du hast doch irgendwas!", zische ich fast schon sauer über diese Erkenntnis. "Vielleicht habe ich wirklich etwas Fieber, ich weiß es nicht. Aber ich kann trotzdem helfen, Akira zu suchen, ist ja nicht schlimm.", teilt sie mir ruhig mit, auch wenn ich den Geruch nach Fieber trotzdem nicht leugnen kann. "Bleib bei Hanako und hol uns, wenn du uns brauchst.", das wievielte Mal habe ich schon wieder vermieden, ihr zu helfen und bin geflüchtet? Sie ist krank, sie könnte etwas Ernstes haben! Und ich Trottel warte nur darauf, bis es ganz schlimm wird. Wovor hab ich eigentlich Angst?! "Wir sind da.", teilt Kaishi uns unvermittelt mit. "Gehen wir.", sagt er und wir steigen aus. Draußen angekommen stellten wir dann die Zweierteams auf, bestehend aus Chika und Hanako, Kaishi und mir. Jetzt haben wir uns aufgeteilt, um den kleineren Bezirk nach Akira abzuklappern. Wir sind mindestens schon anderthalb Minuten dabei, die Leute nach einem weißhaarigen Jungen zu befragen, da ist uns die Kraft ausgegangen und wir machen eine Pause. Ich bin sicher nicht der einzige von uns, der das Gefühl hat, dass wir kein Stück vorankommen. Wir sitzen auf einer Bank und trinken Redbull aus dem Automaten. Ich habe keinen Bock mehr und gleichzeitig bin ich bereit, nie wieder daran zu denken, die Suche aufzugeben. "Kaishi?", frage ich ihm nach geschlagenen fünf Minuten im Schweigen. "Was gibt`s?", will er wissen. "Also, was Shuichiro angeht, was war denn da eigentlich los?", taste ich mich vorsichtig an ihn ran. "Er ist nicht mehr ganz klar im Kopf, ich glaube er hat wirklich eine Störung.", meint Kaishi. "Borderline Syndrom oder so, so ist er schon echt lange, wenn mal alle weg sind.", "Wenn alle weg sind?", wiederhole ich langsam. Er ist also auch einer dieser Leute, die nicht viel von sich preisgeben. Er ist einsamer als er zugibt, so sieht es aus. "Ich hatte des Öfteren den Verdacht, er könnte an Depressionen leiden, aber ich habe mich nie an ihn rangetraut. Er hat seine Gründe, aber das macht es nicht harmloser. Ich habe es gesehen. Gesehen, wie Shuichiro zu der Person wurde, die er jetzt ist, alles, was ich gesehen habe, könnte ein Auslöser für seine Handlung sein.", spricht er und ich denke an die wahnsinnige Verzweiflung in Shuichiros Stimme, bevor er sich vom Dach stürzte. "Was ist denn passiert? Ich werde mit dieser Information auch ganz sicher nicht Shuichiro bedrängen, ich tue so als wüsste ich es nicht.", bestehe ich darauf, die Wahrheit zu erfahren. "Er hat den Doppelsuizid seiner Eltern miterlebt, die vorher einer Sekte Satanisten beigetreten waren. Sie waren laut Aussage Außenstehender scheinbar hochgradig depressiv und haben sich nicht mehr um ihn gekümmert. Ich kam damals zum Spielen vorbei und da sah ich Shuichiro, seine Eltern auf dem Fußboden und eine riesige Pfütze Blut.", fasst er viel zu sachlich für den Inhalt für mich zusammen. "Seine Eltern haben sich umgebracht?", stammele ich und die Redbull-Dose droht, mir aus den Händen zu fallen. "Wie ich bereits sagte.", bestätigt er. "Das tut mir leid. Und ich habe ihn blutig geschlagen und gesagt, er solle sich ficken. Ich bin ein grauenhafter Freund.", bedaure ich die Lage von Herzen, denn daran zu denken, wie ich mich so dermaßen daneben benommen habe, tut weh. Ich wollte ihn nicht schlagen. Und ich wollte ihn auch nicht beleidigen. Ich hab das alles nie gewollt. Wir nehmen noch einen letzten Schluck von unseren Getränken und entsorgen diese anschließend im Mülleimer neben uns und erst, wenn ich aufstehe, bemerke ich, die schön dieser kleine Bezirk eigentlich ist. Da ist eine Brücke. Und Gras. Und ein Fluss der durch all das hindurch fließt. Ein netter Anblick, auch wenn die aufziehenden Wolken, dem klaren blauen Wasser die Schönheit ein Stück weit verschwinden lassen. "Kyokei-san, wenn es dir nichts ausmacht, ich gehe kurz aufs Klo. Bist du so gut und wartest hier?", ohne auf mich zu warten, lässt er mich hier allein und wartend zurück. Ich nutze die Gelegenheit und gehe noch etwas näher an den Fluss. Die Fische darin beobachte ich und von ihnen fühle ich mich ebenfalls beobachtet, auch wenn ihre Kopfform ihnen das nicht erlauben würde. "Hach...", seufze ich und weiß wieder nicht, wo genau mir der Kopf steht. Was Akira jetzt wohl gerade macht. Sogar ob Hanako ihre Gefühle für Chika vergessen kann, auch das frage ich mich. Es fühlt sich an wie eine Ewigkeit, seit ich das letzte Mal, allein gewesen bin. Vielleicht ist es wirklich lange her, vielleicht denke ich das aber auch nur. Ist doch eigentlich egal, ob diese Zeitspanne jetzt kurz oder lang war, sie existiert und das ist alles was für mich zählt. "Akira, wo bist du nur hin?", flüstere ich fragend den Karpfen zu. Irgendjemand hatte wohl anscheinend die Nase voll von seiner Verantwortung für seine Haustiere und das arme Tier hier reingetan. Ich frage mich, was für ein Mensch erst so viel riskiert und sich solche Mühe gibt, für etwas, an dem er, wenn nicht schon morgen, in zwei Wochen komplett das Interesse verliert? Wie in der Menschenwelt. Geht es für manche von uns in unserer Welt denn nicht auch nur um Sex für eine Nacht, und darum am nächsten Tag so schnell wie es geht hinterhältig im Morgengrauen zu verschwinden, egal was die andere Person fühlt oder eventuell ausbaden muss? Das ist doch traurig. Was sind das für Menschen? Frage ich mich und verspüre auf einmal eine riesengroße Abneigung für sie. Und dann denke ich an Akira und mich. Sind wir auch solche Menschen? Die nur an ihr eigenes Wohl denken und wenn es darum geht, sich zu entscheiden, im Morgengrauen verschwinden? Möglicherweise, aber eins sag ich dir, ich will das nicht. Ich hab nur noch nicht ganz kapiert, was ich zu wollen habe und was nicht. "Was ich will und was nicht...", murmle ich zu dem jetzt komplett in Wolken gehüllten Himmel und höre wieder eine Stimme hinter mir. Ich bin in Gedanken zu weit weg, um auf die Worte und deren Bedeutung zu reagieren, als hätte ich dieses Wort im Leben noch nie gehört. Da sind Arme, die sich um mich schlingen und uns beide in den Fluss reißen. Ich schreie erschreckt auf, als das kalte Wasser mich erfasst und bin völlig fassungslos. Da liegt etwas Schatten auf mir. Und schwerer Atem, ähnlich dem von Chika. Da ist ein durchnässtes mit einer Platzwunde an der Stirn verziertes Gesicht, das ich so nass noch nicht einmal im Schwimmbad gesehen habe. Der Mund dieses Gesichts hat etwas gesagt und erst jetzt entziffere ich die zugehörigen Buchstaben. Sein Arm ist unter meinem und sein eines Bein liegt zwischen meinen eigenen. Mein Gehirn lässt sich all diese Fakten zusammenfügen und spricht mir nun klar und deutlich mit Worten in Gedanken aus, mit wem ich es jetzt zu tun haben werde. Diese Person, so nass und blutverschmiert, so sprachlos wie ich selbst es bin. Jetzt werde auch ich, genau wie diese Person, sie beim Namen nennen. Ich sage etwas: "Akira. Akira, bist du`s?" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)