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Du mußt weitermachen, John!

von

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augenblicklich stockt der Atem

John gewöhnte sich erstaunlich schnell an „Sherlocks“ Gesellschaft.

Er sprach mit ihm, auch wenn er weiterhin keine Antworten erhielt. Nun, das stimmte nicht so ganz, Sherlock antwortete, jedoch nicht mit Worten. Seine Augen, seine Mine, seine Gesten jedoch waren beredt genug.

John fühlte sich wohl in „Sherlocks“ Gegenwart. Der Alltag, der sich einbürgerte, war angenehm. Wenn John morgens aus dem Haus ging, stand Sherlock mit vom Schlaf verstrubbelten Locken neben der Wohnungstür und verabschiedete ihn mit einem Lächeln.

Wenn er vom Dienst zurückkam, wartete er ebendort und begrüße ihn, wiederum mit einem Lächeln.

„Sherlock“ war an seiner Seite, wann immer John sich daran machte, die Akten, Unterlagen etc. durchzusehen, die den Fall Moriarty betrafen. Er fuhr nicht mehr zu Yard, er arbeitete das alles zu Hause durch. Lestrade gegenüber hatte er das damit begründet, dass er zu erschöpft sein, dass das alles ihn zu sehr mitgenommen hatte. Und das war ja nicht mal falsch.
 

Von „Sherlocks“ Gegenwart hatte er natürlich nichts erzählt. Das hatte er wohlweislich nicht nur Lestrade verschwiegen. Denn es war klar, dass seine psychischen ... Unzulänglichkeiten nicht an die Öffentlichkeit dringen sollten. Jedenfalls nicht jetzt.

Wenn es ihm tatsächlich gelingen sollte, Moriarty zu packen, dann sähe die Sache anders aus.
 

Hin und wieder kam Besuch in die Wohnung in der Baker Street. Als allererstes Mrs. Hudson. Sie hatte einfach nach ihm sehen wollen. Allerdings hatte sie sich, nachdem er sie einmal ganz gegen seine Gewohnheit lautstark angeschrien hatte (er hatte sich hinterher sofort entschuldigt...) angewöhnt, zu klopfen und sich zu melden und nicht mehr einfach so bei ihm hereinzuplatzen.

Lestrade kam regelmäßig vorbei, brachte neue Akten und nahm durchgearbeitete mit.

Stamford sah nach dem rechten.

Einmal hatte sogar Mycroft höchstpersönlich geruht ... der war allerdings von John recht kurz abgefertigt worden und hatte kein weiteres Mal versucht, hier aufzutauchen.
 

Wenn Besuch da war, war „Sherlock“ nicht hier. Nun, das war ja auch logisch, denn dann war Johns Psyche mit der Realität beschäftigt und hatte keine Zeit für ihre „Spinnereien.“ Aber sobald er wieder allein war, tauchte „Sherlock“ wieder auf und setzte sich zu ihm.
 

Wenn John die Akten durchging, tat er das laut. Er las vor, sprach seine Gedankengänge aus, teilte „Sherlock“ seine Schlussfolgerungen mit.

Das Trugbild hörte ihm dabei interessiert zu und ließ ihn deutlich wissen, was er davon hielt.

Er schüttelte den Kopf, krauste die Stirn, zog die Augenbrauen hoch, setzte diesen „Wirklich! John! Sei doch kein Idiot!“ Blick auf.

Und erstaunlicherweise half ihm das. Es brachte ihn in seinen Forschungen wirklich voran, das ganze mit „Sherlock“ durchzugehen. Seine Gedanken wurden dadurch fokussierter, seine Schlussfolgerungen logischer, seine Erkenntnisse klarer.

Sie diskutierten regelrecht, wobei John sprach und Sherlock mit Körpersprache und Gestik reagierte. Das ganze war fruchtbar und John genoss diesen Austausch.
 

Selten nur ließ er den Gedanken aufblitzen, dass das nicht gesund für ihn sein könne ...

Es war ihm egal. Er wollte es nicht ändern, und insgeheim fürchtete er den Tag, an dem er sich den Tatsachen stellen müsste und auch „Sherlock“ würde hergeben müssen, nachdem er Sherlock ja nun schon verloren hatte. Und deswegen blendete er diese Gedanken aus, so gut er konnte und genoss es einfach wie es war.
 

Die „Diskussionen“ mit „Sherlock“ brachten ihm nach und nach eine Erkenntnis, die ihn mit großem Unbehagen erfüllte:

Moriarty musste deutlich näher an Sherlock dran gewesen sein, als sie es bisher vermutet hatten.

Die bisherige Annahme, all das, was Moriarty über Sherlock wusste hätte daher gerührt, was Mycroft Moriarty, wenn auch in bester Absicht, mitgeteilt hatte, erwies sich als unzureichend. Sherlock und Mycroft liebten sich zwar auf ihre eigene, verquere Holmes'sche Weise, standen sich aber nicht sehr nahe. So dass Mycroft viele der Details aus Sherlocks aktuellem Leben, Überwachung hin oder her, einfach nicht gewusst haben konnte.

Nein, Moriarty hatte ganz offensichtlich Dinge über Sherlock gewusst, die so sehr persönlicher Natur waren, dass seine Kenntnisse weit darüber hinaus gegangen sein mussten.

Und das ließ nur eine Schluss zu:

Moriartys Informant musste ganz nah an Sherlock dran gewesen sein.
 

John hatte gerade einen Schluck Tee nehmen wollen, als er diesen Gedanken fasste und auch den Gedanken, der sich als Folge dessen geradezu aufdrängte.

Er begann zu zittern.

Nein. Oh Gott. Nein. Das konnte nicht sein. Nicht das.
 

„Sherlock“ sah ihn fragend an. Dieser Blick bedeutet: 'Was ist los, John?'

„Nichts“, stotterte John, „es ist ... nichts ...“

„Sherlock“ zog auffordernd die Augenbrauen hoch.

Und zum ersten Male, seit er da war, berührte er John.

Er streckte vorsichtig die Hand aus und legte sie auf Johns Arm. Es stand schlimm um John, denn der glaubte diese Berührung auch wirklich zu spüren.

Er schluckte. Er hatte einen dicken Kloß im Hals.

Er riss die Augen auf, und sagte mit zitternder Stimme:

„Was ... wenn ich ... wenn ich selber ... ohne es zu ahnen ... Moriartys Informant gewesen bin ... und meinen besten Freund ans Messer geliefert habe?“

John bebte am ganzen Körper.
 

„Sherlock“ sah ihn mit großen Augen an. Dann schüttelte er energisch den Kopf.

„Aber ...“ stotterte John, „wenn meine Psyche nun nicht erst seit ... seinem ... Tod ... so verrückt spielt? Was wenn ich schon vorher ... unter einer ernsthaften mentalen Störung litt? Eine gespaltene Persönlichkeit? Oder unter so etwas wie Fernhypnose stand ...?“ John war kurz davor, in hysterisches Schluchzen auszubrechen.

„Sherlock“ rang verzweifelt die Hände. Er schüttelte immer noch energisch den Kopf.

Dann beugte er sich vor und legte vorsichtig die Arme um John. John vermeinte die Umarmung zu spüren. Er ließ sich hineinsinken, völlig egal, dass sie ja nur eingebildet war und versuchte, langsam zu atmen.

Und da hörte er eine leise Stimme. Diesmal nicht nur in seinem Kopf.

Sie klang an sein Ohr. Ein weiteres Zeichen dafür, dass er kurz davor war, völlig überzuschnappen, denn außer ihm war nun mal niemand hier im Raume, Trugbilder hin oder her.

„Nein“, klang die eingebildete Stimme leise.

„Nicht du, John. Niemals du.“
 

Und so merkwürdig das auch war:

Er glaubte „Sherlock“. Eine gewisse Ruhe überkam ihn.

Er glaubte es, auch wenn das jeglicher Logik widersprach.

Er beschloss, ein wenig Joggen zu gehen um den Kopf frei zu bekommen.

Und sich danach wieder an seine Nachforschungen zu machen.

„Sherlock“ würde ihm dabei helfen.



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