Zum Inhalt der Seite

Du mußt weitermachen, John!

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Momente des Schreckens

John stürzte sich wieder in den Alltag. Kam seinen Pflichten nach. Machte seinen Job mit all der Hingabe und all dem Pflichtbewusstsein, das ihm eigen war.

Und anschließend brachte er jeden Tag Stunde um Stunde beim Yard zu.

Drei Tage lang lief das so, und er hatte das Gefühl, dass noch immer alles in ihm Kopf stand, dass er aber dennoch irgendwie zurecht kommen würde.
 

John hatte sich gerade einen weiteren Becher Kaffee aus dem Automaten im Flur geholt und war wieder zurück in das kleine Büro gegangen, das ihm beim Yard zur Verfügung gestellt worden war.

Er verzog ein bisschen das Gesicht, als er den ersten Schluck nahm. Das Zeug schmeckte genauso grauenvoll, wie man sich das vorstellte. Trotz Milch und Zucker. John war eigentlich eher ein Teetrinker, und er legte dabei wert auf qualitativ hochwertige Sorten. Aber Tee aus dem Automaten war noch schlimmer, da konnte man gleich Spülwasser trinken, also kam das erst recht nicht in Frage. Und der Kaffee würde ihn immerhin munter erhalten.
 

Er wollte gerade noch einen Schluck nehmen, als mehrere Dinge gleichzeitig geschahen.

Zuerst klingelte sein Handy. Er nahm ab und hatte eine völlig aufgelöste, schluchzende Mrs. Hudson in der Leitung.

Er versuchte sie zu beruhigen, denn er verstand kein Wort von dem, was sie zu sagen versuchte. Also sagte er:

„Bleiben Sie wo Sie sind, ich komme sofort nach Hause.“

Dann wurde die Tür zu seinem Büro aufgerissen und Lestrade stürmte herein.

„John, eben ist ein Notruf reingekommen, in der Baker Street bei Mrs. Hudson liegt ne Leiche im Flur!“
 

John hatte den Kaffeebecher umgestoßen und die braune Brühe floss über den Fußboden, aber er scherte sich nicht darum.

Er rannte hinter Greg her, sprang mit ihm in das Polizeifahrzeug. Sie sausten durch die Stadt und hatten eine erstaunliche grüne Welle auf dem Weg zur Baker Street. Ob Mycroft seine Finger im Spiel hatte? Nun egal, wenn dem so sein sollte, wäre es ihm im Augenblick nur Recht, wenn das bedeutete, dass sie schneller ankämen als das normalerweise der Fall gewesen wäre.
 

John sprang aus dem Wagen. Mrs. Hudson stand vor der Haustür. Sie hatte die Arme eng um sich geschlungen und schluchzte. John stürzte auf sie zu und zog sie in eine tröstende Umarmung.

Sie ließ sich in seine Arme fallen und zitterte.

Die alte Dame war mit Sicherheit kein Blümlein im Winde. Sie hatte in ihrem Leben mehr mitgemacht als manch anderer und hatte auch schon kräftig ausgeteilt. Sie hatte es faustdick hinter den Ohren und fürchtete sich nicht so schnell. Aber ein Toter auf der Treppe im Haus, das war denn auch für sie erst einmal ein bisschen viel gewesen.

Nachdem sie sich jedoch einigermaßen beruhigt hatte, sah sie John mit großen Augen an und sagte:

„John, mein lieber, wer auch immer dahinter steckt. Sie sind jetzt Sherlocks Erbe. Schnappen sie ihn und führen sie ihn seiner gerechten Strafe zu.“
 

John schluckte. Soviel Vertrauen von der Lady, die ihm wie eine Großmutter geworden war und ihm wirklich viel bedeutete, überwältigte ihn ein wenig.

Und er beschloss, dass er sie nicht enttäuschen würde. Pfeif auf die Presse. Pfeif auf den ganzen Yard.

Aber Mrs. Hudsons Meinung war ihm wichtig.
 

Gemeinsam mit Lestrade sah er sich den Tatort an. Zum Glück waren weder Donovan noch Anderson vor Ort, denn John konnte nicht dafür einstehen, dass er nicht auch was die Beleidigungen dieser beiden betraf Sherlocks Erbe angetreten hätte. So konnte er sich auf die Leiche und das Tatgeschehen konzentrieren.

Der Mann war erstochen worden. Mitten ins Herz.

Er lag auf den untersten Stufen der Treppe. John überprüfte ein paar Dinge und sagte dann:

„Tot seit etwa zwei Stunden. Stich ins Herz. Er war, wie es aussieht, auf dem Weg zur Arbeit. Arbeitet ... nun, ich würde sagen in einer Zoohandlung oder etwas vergleichbarem. Verheiratet ... aber die Ehefrau war es wahrscheinlich nicht. Ich schätze allerdings dass er kein Zufallsopfer war ...“
 

Ein scharfes einziehen von Atemluft, das zu hören war, ließ John aufblicken. Er sah direkt in Lestrades völlig verblüfftes Gesicht.

„Was?“, fragte John unsicher.

„Du ... hast dich gerade angehört wie Sherlock.“

„Oh.“

Ja, jetzt wurde John bewusst, dass er da gerade ein paar Dinge zusammen ... deduziert hatte. Er hatte wohl mehr von Sherlock gelernt, als er selber geglaubt hatte, denn diese Dinge waren ihm geradezu in die Augen gesprungen.

Das Dauerticket für eine bestimmte Linie der Tube und das Lunchpaket, die beide implizierten, dass er auf dem Weg zur Arbeit gewesen war.

Die Haare von verschiedenen Kleintieren auf seiner Jacke sowie die Rechnung eines Tiernahrungs- Großhändlers, der seine Ware nicht selbst vertrieb sondern ausschließlich an en-Detail-Händler lieferte. Was bewies, dass er nicht einfach nur ein Haustierbesitzer war sondern in einem entsprechenden Geschäft tätig war.

Der Ehering, dessen Zustand bewies, das der Tote glücklich verheiratet gewesen war.

Und zu guter Letzt: die Art und Weise wie er drapiert worden war. Wie der Ausweis des Toten in seine Hand gedrückt worden war. Das wiederum machte klar, dass er ein gezielt ausgewähltes Opfer gewesen war.

Alles ganz offensichtlich, dachte John und schmunzelte leicht. Wie es aussah, hatte er tatsächlich Sherlocks Erbe angetreten.
 

„Mickey Clifton“, sagte er Ausweis. Ein paar Telefonate später durch Lestrade, und sie wussten dass er der Inhaber der Tierhandlung „Cat's Paradise“ war.

Und während John über all das nachdachte, nachdem der arme Kerl abtransportiert und der Tatort aufs genaueste untersucht und anschließend wieder freigegeben worden war, machte sich Lestrade an die unschöne Aufgabe, die Witwe des Ermordeten zu informieren.
 

John hatte erst mal noch mit Mrs. Hudson einen Tee getrunken und der alten Dame versichert, sie könne sich jederzeit an ihn wenden, wenn sie jemanden zum Reden brachte. Sie hatte ihn umarmt mit Tränen in den Augen, denn in diesem Augenblick hatten sie beide Sherlock besonders vermisst.

Er hatte bei ihr gewartet, bis ihre Schwester eingetroffen war, um sie für eine Weile zu sich zu holen. Mrs. Hudson wollte nicht im Hause bleiben, solange der Mörder nicht gefasst wäre, der es immerhin geschafft hatte, eine Leiche auf der Treppe IM Haus zu deponieren. John konnte das gut verstehen.
 

Und nun saß er wieder in seinem Wohnzimmer und grübelte.

Irgendwas an der Sache ließ ihn nicht los. Da war etwas, was er eigentlich sehen sollte, aber es wollte nicht in sein Bewusstsein vordringen.

Er grübelte und grübelte. Draußen war es inzwischen dunkel geworden.
 

Das ganze überwältigte John, und er dachte:

'Hoffentlich habe ich mir nicht zu viel vorgenommen. Ich bin da in Fußstapfen getreten, die zu groß für mich sind. Dieser Aufgabe bin ich doch niemals gewachsen, ich fürchte, ich werde sie alle enttäuschen.'

Er seufzte.
 

„Ich wünschte“, sagte er zu sich selbst, „ich wünschte so sehr, Sherlock wäre jetzt hier.“

Und in diesem Augenblick hörte er die Türglocke läuten.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück