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Du mußt weitermachen, John!

von

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Tage der Forderungen

Mit einem wütenden Stöhnen ließ sich John aufs Sofa fallen.

Er war fix und fertig. Die letzten Tage hatten echt an seinen Nerven gezerrt. Die Medien gingen ihm hochgradig auf die Nerven. Konnten die ihn nicht bitte einfach in Ruhe lassen?
 

Kurz, nachdem klar war, dass Moriarty, dieser Mistkerl, noch lebte, waren erste Stimmen in der Presse laut geworden, dass er, Dr. John Watson, sich der Sache annehmen und Sherlocks Ermittlungen fortsetzen solle. Zuerst waren es nur diese Schmierblätter aus der Yellow Press gewesen. Inzwischen jedoch hatten auch einige seriösere Zeitungen entsprechende Artikel gebracht, und die waren, anders als das Geschrei der Regenbogenblätter, durchaus fundiert.

Man wies auf Johns unbestreitbare Qualitäten hin.

Er war nicht nur Arzt, sondern auch Army- Captain. Er hatte in Afghanistan gedient und dort medizinische Einsätze unter schwierigsten und stressigsten Bedingungen gehabt. Er war also durchaus in der Lage, mit komplizierten Situationen umzugehen und unter großem Druck erfolgreich zu arbeiten.

Darüber hinaus hatte er mehrere Jahre mit Sherlock gemeinsam Fälle gelöst, und man ging davon aus, dass er viel von dem Consulting Detektiv gelernt habe. Seine Methoden aus nächster Nähe studiert habe. Wer also, wenn nicht er, würde in der Lage sein, Moriarty zur Strecke zu bringen?

So war die allgemeine Meinung der Presse und damit inzwischen auch der Öffentlichkeit, und die Forderungen, er möge dazu Stellung beziehen, wurden lauter.
 

So ein Unsinn, dachte John, während er sich mühsam aus seinem Sessel drückte und in die Küche ging, um sich einen Tee zu machen. Das mochte ja alles zutreffen, aber dennoch. Er war nie mehr gewesen, als Sherlocks Gehilfe. Er war längst nicht so klug wie der Detektiv, nun gut, vielleicht ein wenig praktischer veranlagt. Ziemlich viel sogar. Aber dennoch. Sherlocks Ermittlungsarbeiten fortzuführen – nein. Das traute er sich einfach nicht zu.
 

Wieder klingelte das Telefon. Verdammt noch mal, jetzt reichte es aber bald. John beschloss, das klingeln zu ignorieren.

Seit Tagen schon riefen immer wieder Reporter an. Schreiberlinge von irgendwelchen Zeitungen, aber auch Fernsehsender und Radiostationen. Selbst vor der Tür wurde ihm aufgelauert. Die arme Mrs. Hudson war auch schon mit den Nerven am Ende. John hatte angeboten, die Einkäufe für sie mit zu erledigen, weil die Gute einfach völlig genervt war und nicht mehr vor die Tür gehen wollte.

Das Klingeln verebbte fürs erste und John schnaufte.

Er würde irgendetwas unternehmen müssen.

Und nicht zum ersten Male in den letzten Tagen erwog er, Mycroft Holmes anzurufen. Er hasste Mycroft noch immer, aber er musste schon zugeben, dass der doch eben manchmal im Leben ganz nützlich sein konnte. Und jetzt brauchte er einfach seine Hilfe.
 

Er nahm, nachdem er seine Tasse Tee in aller Ruhe ausgetrunken hatte, sein Smartphone zur Hand und wählte Mycrofts Nummer.

Erstaunlicherweise ging der andere sofort dran.

„John, mein Lieber. Wie überaus erfreulich, von Ihnen zu hören.“

John schnaufte. Zwar hatte er sich erst vor kurzem eine neue Rufnummer zugelegt. Aber die Presse hatte sie schnell herausbekommen, und selbstredend auch Mycroft Holmes.

„Mycroft, tun wir beide nicht so, als würde ich Sie aus Freundschaft anrufen, und als wüssten Sie das nicht. Ich kann Sie noch genau so wenig leiden wie letzte Woche, aber ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.“

„Ach, John“, hörte er den anderen sagen. „Jetzt verletzen Sie aber meine Gefühle.“

Pah, dachte John, Gefühle. Als ob der so etwas überhaupt kennt.

Im Hintergrund begann das Festnetztelefon zu klingeln. Und die Türklingel erschallte auch.

Verdammt.
 

„Hören Sie, Mycroft. Ihre Gefühle sind mir gerade egal. Aber da Sie Ihrem Bruder schon nicht geholfen haben, als es darauf ankam, könnten Sie wenigstens mir jetzt helfen. Ich denke, das sind Sie mir schuldig.“

Hörte er da ein winziges Zittern in Mycrofts Stimme, als der antwortete? Nein, vermutlich bildete er sich das nur ein.

„Also, John, was kann ich für Sie tun?“
 

John schilderte ihm das Problem.

„Wahrscheinlich“, sagte er schließlich, „können nicht mal Sie verhindern, was diese Schmierfinken so drucken ...“

„Nun ...“

„... aber Sie könne sicher dafür sorgen, dass man uns in Ruhe lässt. Also keine dauernden Anrufe, selbst zu nachtschlafender Zeit. Und das Auflauern hier vor dem Haus. Das muss aufhören.“

„Selbstverständlich werde ich sofort das nötige veranlassen“, sagte Mycroft und John war sich sicher, dass seine Maßnahmen so schnell wie wirkungsvoll sein würden.

„Aber“, fuhr der ältere Holmes fort, „John, auch wenn die Presse mit der Wahl ihrer Methoden weit über ein erträgliches Maß hinaus geht. Mit dem Inhalt ihrer Forderungen haben sie Recht.
 

John kniff die Augen zusammen.

„Was soll das denn nun wieder heißen?“

„Das soll heißen, mein lieber Dr. Watson, dass auch ich der Meinung bin, dass Sie die Ermittlungen aufnehmen sollten. Sie haben lange mit Sherlock zusammen gearbeitet, haben dabei viel von ihm gelernt. Und wo mein Bruder nur Kopf war, sind Sie das Herz. Sie sehen die Dinge aus einem lebensnaheren Blickwinkel.“

„Dumm, aber gutmütig, was?“, knurrte John verärgert.

„Mein lieber John, Sie sind alles andere als dumm. Sie haben vielleicht nicht Sherlocks – oder meinen – Intellekt. Aber Sie haben einen ausgeprägten praktischen Verstand, und wir wissen doch beide, dass Sie damit mehr als einmal maßgeblich zur Lösung eines Falles beigetragen haben. Sie sollten wirklich aufhören, Ihr Licht unter einen Scheffel zustellen.“
 

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte John.

„Gut, und ich werde dafür sorgen, dass Sie und die gute Mrs. Hudson nicht mehr belästigt werden.“

„Danke“, sagte John und beendetet das Gespräch.
 

Er machte sich tatsächlich in den folgenden Tagen Gedanken darüber. Schon am gleichen Tag hatten die Anrufe aufgehört, und auch vor die Tür treten konnte man wieder, ohne von einer Meute belagert zu werden. Mycroft hatte also sein Versprechen gehalten.

Und je mehr John über alles nachdachte, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass er zwar immer noch nicht glaubte, wirklich etwas erreichen zu können. Aber ... vielleicht könnte er es wenigstens versuchen?

Es war unwahrscheinlich, dass nun ausgerechnet er tatsächlich Moriarty auf die Schliche kommen würde.

Aber er würde zumindest keinen Schaden anrichten.
 

Also sprach er mit Mycroft, der sich hocherfreut zeigte.

Mycroft schien ein paar Fäden gezogen zu haben, denn als John mit Lestrade über sein Vorhaben sprach, zeigte auch der sich entgegenkommend, und, was noch mehr für Mycrofts Einmischung sprach, auch seine Vorgesetzten hatten nichts dagegen.

Und so kam es, dass er drei Tage später das erste mal nach seiner Schicht im Krankenhaus (von irgendwas musste er ja schließlich leben), bei Scotland Yard saß über einem Stapel Akten und den Fall Moriarty noch einmal aufrollte.
 


 

Als er an diesem Tag schließlich mit der Tube nach Hause fuhr, da passierte es zum ersten Mal.



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