Du mußt weitermachen, John! von DieLadi ================================================================================ Kapitel 2: Zeit des Hasses -------------------------- John hasste die Presse. Die hatten die ersten Gerüchte aufgebracht, die Sherlock letztendlich dazu gebracht hatten, vom Dach des St. Barts zu springen. Sie hatten damals begonnen, bösartige und gemeine Fragen zu stellen. Annahmen aufzustellen. Immer unter dem Deckmantel der Vermutung. Sherlock sei nicht der große Detektiv, der er vorgäbe zu sein. So schlau könne ja niemand sein. Er würde die Verbrechen selber begehen, um sie lösen und sich als den großen Retter präsentieren zu können, hatte es geheißen. Oh, keiner hatte das jemals wirklich behauptet. Immer hatten sie es mit Fragezeichen versehen, hatten geschrieben: „Kann es sein ...?“ oder „Ist es vielleicht so, dass ...?“ Aber es hatte seine Wirkung gehabt: Die Menschen auf der Straße, die diese Sensationsblätter lasen, hatten angefangen, die Lügen über Sherlock zu glauben. Und dann waren auch seriösere Blätter mit ebensolchen Fragen gefolgt. John hasste die Polizei. Sie hatte den Gerüchten geglaubt. Nein, das zu behaupten, war vielleicht unfair, aber sie hatte auf Grund der Gerüchte Ermittlungen angestellt. Hatte falschen Hinweisen geglaubt. Hatte falsche Vermutungen für bare Münze genommen. Und dann hatte es sich hochgeschaukelt, denn als die Presse davon Wind bekommen hatte, dass nun schon gar Scotland Yard ermittelte, war ein noch größeres Rauschen durch den Blätterwald gegangen. Und schließlich war es der Polizei nicht gelungen, genügend Beweise gegen Moriarty, den großen Verbrecher, zu finden, sodass man ihn hatte freisprechen müssen ... und wieder waren da Gerüchte gewesen, es würde Moriarty gar nicht geben. Sherlock hätte ihn erfunden ... Und die Polizei hatte nun wiederum Sherlock verdächtigt und weiter gegen ihn ermittelt. John hasste Gregory Lestrade. Was sehr schade war, denn vor Sherlocks Tod war Lestrade für ihn gerade zu einem angenehmen Kumpel geworden, mit dem man mal ein Bier trinke konnte und über die Welt als solche und das Leben im allgemeinen und das Leben mit Sherlock Holmes im besonderen zetern konnte ... Aber Lestrade hatte gezweifelt. Er hatte den Einflüsterungen von Anderson und Donovan, die sich gierig auf die Berichte der Pressen gestürzt hatten, nicht mit aller Entschiedenheit widerstanden und hatte den Schwanz gegen über seinen Vorgesetzten eingekniffen, die von ihm verlangten, Ermittlungen anzustellen. Ach ja, Anderson und Donovan hasste John auch. Ganz besonders sogar. So sehr, dass ihm schlecht wurde, wenn er an die beiden nur dachte. John hasste Moriarty. Natürlich tat er das. Moriarty, dessen dreckige, verbrecherische Finger das alles hier in Gang gesetzt hatten. Dessen Hang zur Dramatik, dessen Gier und Arroganz und Selbstverliebtheit, dessen Unmenschlichkeit und Machtbesessenheit das alles erst möglich gemacht hatten. John hasste Mycroft. Der war es immerhin gewesen, der Moriarty so viel an Informationen über Sherlock hatte zukommen lassen. Sicher hatte er damit nichts böses gewollt, das wollte John ihm nicht einmal unterstellen. Aber in seiner eiskalten Arroganz hatte der ach so kluge Mr. Holmes schlicht übersehen, welche Möglichkeiten er einem Meisterverbrecher wie Moriarty in die Hände gab. Und als es zu spät war, hatte Mycroft nicht schnell genug reagiert. Er, der ganze Länder ins Verderben stürzen oder aus dem Ruin erretten konnte, je nachdem wie ihm sein Frühstück geschmeckt hatte, war im entscheidenden Moment nicht für seinen Bruder dagewesen. Und deshalb hasste ihn John. John hasste Molly. Molly konnte für die ganze Geschichte nichts, das wusste John auch. Aber er hasste einfach mal jeden, der Sherlock gekannt hatte und die Tragödie nicht verhindert hatte. Na ja, vielleicht mit Ausnahme von Mrs. Hudson. Die liebe alte Dame konnte man nicht hassen. Aber Molly konnte man hassen. Mike Stamford konnte man hassen. Sherlocks Eltern konnte man hassen. Und das tat John auch. Und John ... hasste sich selbst. Er hasste sich für seine Unfähigkeit, Sherlocks Absichten zu erkennen und ihn von dieser Dummheit abzuhalten. Er hasste sich dafür, dass er ein so schlechter Freund gewesen war. So unfähig, zu erkennen, was los war. Und er hasste sich für seine Feigheit, die ihn davon abhielt, seinem Freund nachzueifern und diesem „Leben“, dieser Existenz ein Ende zu bereiten. Einige Male hatte er die alte Armeewaffe in den Händen gehalten, jene Waffe, mit der er in den ersten vierundzwanzig Stunden ihrer Bekanntschaft einen Serienmörder erschossen hatte, um Sherlock zu retten. Die Waffe, die auch danach das ein oder andere Mal zum Einsatz gekommen war. Verbotener Weise, denn eigentlich hätte er diese Waffe gar nicht mehr besitzen dürfen. Er hatte sich immer gefragt, ob Lestrade von ihr wusste. Nun, vermutlich nicht, denn sonst hätte er sie ihm spätestes jetzt abgenommen um zu verhindern dass ... Er konnte es nicht, denn jedes mal, wenn er sich entschlossen hatte, die Waffe zu benutzen, sah er vor seinem geistigen Augen Sherlock, der ihn mit diesen hochgezogenen Augenbrauen anschaute und sagte: „Also wirklich, John!“ Ja, Sherlock hätte nicht gewollt, dass er es sich so einfach machte und den Kampf beendete. Und wenn er ehrlich sein sollte, hasste er Sherlock dafür. Dafür, dass er seinem, Johns, Leben den Sinn genommen hatte und dass er ihn nun allein durch die Erinnerung an ihn daran hinderte, diesem sinnlos gewordenen Dasein ein Ende zu machen. Er hasste Sherlock dafür, und hasste sich selber, weil er sich darüber klar war, dass es doch eigentlich nicht stimmte und er in Wirklichkeit Sherlock liebte. Geliebt hatte. Nun, noch immer liebte ... Er hasste alles und jeden. Und es wurde nicht besser an jenem Tag, als die polizeilichen Ermittlungen endlich zu einem überraschenden Ergebnis gekommen waren, und die Presse nicht anders konnte und auch gar nicht anders wollte, als in großen Lettern und reißerischen Artikeln zu verkünden, dass Sherlock vollkommen rehabilitiert sei: Er war gewesen, wer er behauptet hatte zu sein. Moriarty gab tatsächlich, und ja, er hatte all die Verbrechen begangen bzw. begehen lassen. Und ja, es täte ihnen alles sehr leid, aber sie hätten nun mal die Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren, das könne man ihnen nicht vorwerfen, Pressefreiheit ... blaaa blaaa blaaa ... Und dann kam der Tag, als die Polizei heraus fand, dass der, der sich auf dem Dach des Barts erschossen hatte, nur ein kleiner unbedeutender Schauspieler gewesen war und dass Moriarty sie alle an der Nase herum geführt hatte und in Wahrheit noch lebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)