Chroniken der Unterwelt von stardustrose (Das Geheimnis des feuerroten Drachen) ================================================================================ Kapitel 15: Ausbruch -------------------- //Yusei// Dunkelheit. Egal wo ich hinsah, mich umfing nichts als tiefste Schwärze. Kälte. Ich schlang meine Arme um meinen Körper um mich zu wärmen, die Ketten an meinen Fesseln raschelten und hallten wie ein Echo von den kühlen Steinwänden meiner Zelle. Das Zeug, das sie mir eingeflößt hatten, vernebelte meine Gedanken, zwang meine gesamte Aufmerksamkeit auf die pochenden Schmerzen in meinem Körper. Egal wie sehr ich versuchte an etwas anderes zu denken, sie waren zu stark, als dass ich mich länger hätte konzentrieren können. Nicht einmal die kühle Wand in meinem Rücken brachte mir Linderung. Mir war, als würde ich von innen verbrennen, und doch war mir eiskalt. Seit Wochen dachten sie sich täglich etwas Neues aus um mich zum Reden zu bringen. Zahllose Schläge, Peitschenhiebe, Knochenbrüche. Damit ich unter ihrer Behandlung nicht draufgehe, heilte Lillith meine gröbsten Verletzungen, nur um mich am nächsten Tag weiter zu quälen. „Scheiße“ stöhnte ich, presste meine Arme fester an meinen nackten Oberkörper. Bettete meinen Kopf auf meinen Knien ab. Versuchte gegen die Schmerzen zu atmen. Seit einer Ewigkeit war niemand mehr in meiner Zelle, wie lange genau, wusste ich nicht. Ein paar Tage? Mein Magen zog sich zusammen, meine Kehle brannte. Ich hatte schrecklichen Durst. Ob das ihre neue Strategie war? Nahrungsentzug? Ich lächelte bitter. Wenn sie mich damit umbringen, besteht zumindest nicht mehr die Gefahr, dass sie meine Freunde finden könnten. Mein einziger Lichtblick war, dass sie in der Geisterwelt in Sicherheit waren. Diese Dämonen durften mich nur nicht durch ihre Folter dazu bringen, ihren Aufenthaltsort zu verraten. Dann wäre alles umsonst gewesen. Ich hörte einen Schlüssel im Schloss kratzen. Das Knarzen der Zellentür. Ein Lichtschein im Augenwinkel blendete mich. Ich verharrte in meiner Position, wollte gar nicht wissen wer mich heute zum Reden bringen wollte. Schritte. Die Tür fiel wieder ins Schloss, ein warmer Lichtschein bewegte sich durch den Raum. Eine Fackel? Was kommt jetzt? Absätze klackerten über den Boden. Lillith? Aber es klang anders als sonst. Eine warme Hand legte sich auf meine Schulter. „Yusei?“ hauchte eine vertraute Stimme. Mein Herz raste. Schlagartig riss ich die Augen auf und hob meinen Kopf. Das kann nicht… Ich blickte in bernsteinfarbene Augen, in denen sich Tränen sammelten. „Yusei“ widerholte sie erleichtert und schloss mich in ihre Arme. „Du lebst! Ich hab dich endlich gefunden!“ „Akiza?“ vergewisserte ich mich verständnislos. Meine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen. Ich versuchte den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, die aufkommende Panik zu verdrängen. „Was machst du hier?“ Sie sollte doch bei den anderen sein. In Sicherheit. Nicht in dieser Hölle. Sie löste sich von mir, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Ich wurde in dem Portal von den anderen getrennt und bin in dieser Welt aufgewacht. Als ich herausgefunden habe, dass das die Dämonenwelt ist, habe ich nach dir gesucht. Ich hatte angenommen, sie würden dich hier her bringen, weil du bei ihnen zurückgeblieben bist.“ Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Panik stieg in mir auf. Wenn sie Akiza erwischen sollten und sie gegen mich ausspielen, hätte ich keine Ahnung was ich machen sollte. „Wir müssen hier weg!“ drängte sie, versuchte mir auf die Beine zu helfen. In diesem Moment bemerkte sie die Fesseln an meinen Handgelenken, die durch lange Ketten in der Mitte des Zellenbodens verankert waren. Ängstlich sah sie zu mir, doch ich konnte mich nicht rühren. Warum wurde sie von den anderen getrennt? „Bekommst du sie auf?“ fragte sie und deutete auf die Fesseln. Ich blinzelte verwirrt, brauchte einen Augenblick, ehe ich realisiert hatte, was sie meinte. „Ja“ sagte ich konfus. Ich hatte es vor einigen Tagen geschafft die Dinger mit einem Splitter aus dem Griff einer Peitsche zu knacken, aber genau in diesem Moment betrat Lillith die Zelle. Seitdem achteten sie peinlich genau darauf, dass nichts in meiner Zelle zurückblieb, womit ich mich befreien könnte. „Geht es damit?“ riss mich ihre Stimme aus meinen Gedanken. Einige ihrer Strähnen hatten sich aus ihrem Haarknoten gelöst und fielen in ihr Gesicht. In ihrer Hand hielt sie eine Haarnadel. Wieder brauchte ich einige Augenblicke, ehe ich verstand, was sie meinte. Dieses verdammte Zeug vernebelte meine Gedanken mehr, als ich befürchtet hatte. Ich griff mir die Haarnadel und versuchte unbeholfen die Fesseln zu knacken. Meine Hände fühlten sich taub an, als würden sie nicht mir gehören. Schließlich hörte ich das erlösende Knacken der Schlösser und streifte die Fesseln von meinen Handgelenken. Einige Male rieb ich über die raue Haut, um das Brennen etwas zu lindern. Akiza ergriff meine Hände, zwang meinen Blick in ihr besorgtes Gesicht. „Wir müssen hier weg“ wiederholte sie. Ich nickte und ließ mir auf die Beine helfen. Zog scharf die Luft ein. Mein gesamter Körper schmerzte, mein Herzschlag pochte in meinen Ohren. Ob ich es so überhaupt hier rausschaffen könnte? Ich hatte von dieser Welt nie mehr als die vier Wände dieser Zelle gesehen. „Wie hast du mich gefunden?“ war die erste Frage, die mir in den Kopf schoss. Sie schüttelte nur den Kopf. „Darüber können wir reden, wenn wir in Sicherheit sind. Hier, zieh das über.“ Sie reichte mir einen Mantel, den einige der Wachen trugen. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie den gleichen Mantel anhatte. Woher… Ich schüttelte den Gedanken ab und nickte. Sie hatte Recht. Erstmal mussten wir einen Weg hier raus finden. Während ich den Mantel überzog, fischte sie einen Ring, an dem zwei alte Schlüssel befestigt waren aus ihrer Tasche. Damit schloss sie die Zellentür auf und griff sich die Fackel, die in der Halterung steckte. Irritiert beobachtete ich sie. Woher weiß sie, dass die Tür sich automatisch verriegelt, wenn sie geschlossen wird? Und woher hatte sie die Schlüssel? Ich behielt die Fragen für mich, schließlich mussten wir erst hier raus. Wir traten in den Gang, Akiza lief voraus, doch ich brauchte eine Weile um mich an das helle Licht zu gewöhnen. „Vom Gefängnistrakt bis zum Ausgang des Schlosses ist es nicht sehr weit“ erklärte sie leise. „Und die meisten Wachen wurden wegen Unruhen in den nähergelegenen Distrikten abgezogen, deswegen haben wir freie Bahn.“ „Distrikte?“ fragte ich verwirrt. Und welche Unruhen? Es war mir noch immer unbegreiflich, woher sie das alles wusste. „Ich habe ein bisschen was über diesen Ort herausgefunden. Um ehrlich zu sein hatte ich Hilfe. Ich erkläre dir alles später, also komm!“ Hilfe? Von wem? Wir nahmen einige verschlungene Pfade, ließen Zelle um Zelle hinter uns. Angestrengt versuchte ich mit ihr Schrittzuhalten. Von außen sahen alle absolut gleich aus. Woher wusste sie in welcher ich gefangen war? Plötzlich blieb sie stehen und zog erneut den Schlüsselring aus ihrer Tasche. Wir standen vor einer Tür, die exakt so aussah, wie die anderen. „Was machst du da?“ Ohne mich anzusehen, gab sie mir ihre Antwort, während sie den Schlüssel in das Schloss steckte. „Der Ausgang aus dem Gefängnistrakt sieht genauso aus wie die Zugänge zu den Zellen.“ Mit einem Knarzen öffnete sie die Tür und sah mich amüsiert an. „Eigentlich ziemlich schlau, meinst du nicht?“ „Mhm.“ Ich wurde nicht ganz schlau aus ihr. Vielleicht lang das aber auch an diesem verdammten Zeug, das noch immer in meinem Blut war. Oder an der Tatsache, dass ich eine gefühlte Ewigkeit nichts zu mir genommen hatte. „Komm schon!“ riss mich ihre Stimme wieder aus meinen Gedanken. Ich muss mich besser konzentrieren. Zögerlich folgte ich ihr in einen dunklen Gang. Plötzlich hörte ich einen lauten Knall und drehte mich erschrocken um. Die Tür war hinter mir zugefallen. Einzig das Licht von Akizas Fackel warf tanzende Lichter an die Wände des schier endlos langen Weges. Unsere Schritte hallten wie ein Echo von den Wänden, wirkten unnatürlich laut. Ich hatte Mühe zu Akiza aufzuschließen. Als ich endlich bei ihr war, musterte ich sie von der Seite. Sie spürte meinen Blick und sah mich fragend an. „Wie hast du mich gefunden?“ wollte ich erneut wissen. Ihr Blick richtete sich wieder auf den Weg vor uns. „Wie gesagt, ich hatte Hilfe. Vor einigen Wochen bin ich in einem der Distrikte weit abseits des Schlosses aufgewacht. Glücklicherweise leben dort Menschen, die mir helfen konnten.“ „Menschen in der Dämonenwelt?“ fragte ich irritiert. „Ja und nein. Sie waren mal Menschen. Jetzt sind sie nur noch Geister, die in dieser Welt umherirren. Es ist ein bisschen wie das Jenseits. Ganz verstanden habe ich es nicht. Jedenfalls habe ich ihnen erzählt, was in Satellite passiert ist, und, dass du dortgeblieben bist. Sie haben angenommen du wärst im Schloss.“ Damit endete sie ihre Erzählung und machte keinerlei Anstalten weiterzureden. Aber ihre Geschichte erklärte nicht ansatzweise, woher sie wusste, wo genau ich war. Allein die optisch identischen Zellentüren, oder woher sie den Schlüssel hatte. Ich wollte gerade nachhaken, da hörten wir ein Geräusch und blieben stehen. Schritte. Sie wurden stetig lauter. In einiger Entfernung kam jemand auf uns zu. Mein Herzschlag erhöhte sich, ich suchte die Wände nach Seitengängen ab, aber da war nichts. „Was machen wir jetzt?“ flüsterte sie. Ihre Augen waren angstgeweitet, sie starrte den Gang entlang. Verdammt. Bei einem Kampf in meinem Zustand malte ich mir keine Hoffnungen aus, schon gar nicht, wenn unser Gegner Waffen bei sich trug. Da kam mir eine Idee. „Deine Dueldisk“ flüsterte ich und sah zu Akiza. Sie erwiderte meinen Blick fragend. „Hast du sie noch bei dir?“ Soweit ich mich erinnerte, hatten Akiza und Luna noch ihre Disks bei sich, als sie in dem Portal verschwanden. Ihr Rosententakel könnte uns im schlimmsten Fall hier rausholen. Sie schüttelte den Kopf. „Ist kaputt gegangen“ flüsterte sie ebenso leise. Na toll. „Was ist mit den Dornenranken?“ fiel mir ein. Wieder ein fragender Blick. Was ist nur los mit ihr? „Die Kraft deines Drachen“ versuchte ich ihr auf die Sprünge zu helfen. Sie senkte den Blick. „Das funktioniert in dieser Welt nicht.“ Ich seufzte lautlos. Na schön, dann müssen wir es darauf ankommen lassen. Ich stellte mich vor Akiza und zog die Kapuze ihres Mantels über ihren Kopf. Irritiert hob sie ihren Blick wieder. Die Fackel in ihrer Hand nahm ich an mich, meine andere Hand legte ich an ihre Wange und schenkte ihr ein Lächeln. „Bleib hinter mir“ flüsterte ich und legte meine Lippen sanft auf ihre. Es war nur eine flüchtige Berührung, aber irgendwas daran war… seltsam. Vermutlich wieder nur meine Einbildung. Als ich mich von ihr löste, zog auch ich meine Kapuze über den Kopf. Hoffentlich klappt es. Ich nahm ihre Hand und führte sie weiter den Gang entlang. Erst als ich einen Lichtschein sah, ließ ich sie los und lief unmittelbar vor ihr. Jemand kam aus einem Seiteneingang in unsere Richtung. Mein Herzschlag erhöhte sich vor Nervosität, ich musste trocken schlucken. Aber zumindest war ich das erste Mal seit Tagen wirklich fokussiert. Die Gestalt kam näher, es war eine einzelne Wache. In ihrer Hand trug sie eine Hellebarde*. Das hatte ich befürchtet. Die Reichweite von diesen Dingern könnte wirklich ein Problem werden, sollte der Kerl uns angreifen. Je näher wir der Wache kamen, umso deutlicher konnte ich Akizas Atem hören. Sie war nervös. So unauffällig wie irgend möglich reichte ich ihr meine Hand hinter meinem Rücken. Zögerlich ergriff sie sie. Ihre Hand war kalt und zitterte. Ich versuchte sie zu beruhigen und strich mit dem Daumen darüber. Ihr Atem beruhigte sich. Bevor die Wache etwas merken konnte, zog ich meine Hand unauffällig zurück. Als wir auf einer Höhe mit dem Kerl waren, hielt ich meinen Atem an. Mein Blut rauschte in meinen Ohren. Erst als wir an ihm vorbei waren, atmete ich wieder aus. „Wartet mal“ erklang eine tiefe Stimme. Mein Herz setzte einen Schlag aus, ehe es in einem wilden Tempo gegen meine Brust hämmerte. Ich blieb stehen und drehte mich um, hatte den Kopf jedoch gesenkt, damit er mein Gesicht nicht sehen konnte. Akiza lief einige Schritte weiter und kam erst hinter mir zum Stehen, was mich beruhigte. „Warum verlasst ihr beide eure Posten? Ich soll nur einen ablösen.“ Verdammt! Lass dir was einfallen, schnell! Was hat Akiza vorhin erzählt? „Wir… wurden von unseren Posten abgezogen und sollten die Truppen in den Distrikten verstärken.“ „Und wo sind eure Waffen?“ Mist, warum hätte er meine Lüge nicht einfach schlucken können? Der Griff um die Fackel in meiner Hand verstärkte sich. Je nachdem wie schnell der Typ rennen konnte und wie weit wir noch laufen mussten, könnten wir ihr kurz irritieren, indem ich ihm das Ding entgegenschleudere. „In Kammer sieben“ erklang plötzlich Akis überraschend feste Stimme hinter mir. „Sie wurden beim letzten Einsatz beschädigt, also holen wir uns neue aus der Waffenkammer im Südturm.“ „Kammer sieben, hm?“ sinnierte er und bekam plötzlich ein diabolisches Grinsen. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. „Hoffentlich habt ihr was übrig gelassen.“ Ich presste meine Zähne aufeinander, ballte meine Hände zu Fäusten. Widerliche Aasgeier. „An deiner Stelle würde ich noch etwas warten.“ Akizas Stimme war so… kalt. Berechnend. Ich drehte mich irritiert zu ihr, doch sie ging einfach weiter, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden. Hinter mir hörte ich ein Schnaufen. Die Wache drehte sich um und setzte ihren Weg fort. Was zum? Ich schloss zu Akiza auf, sie atmete angestrengt aus, sah mich nervös an. „Ob er es geschluckt hat?“ flüsterte sie heiser. Ich blinzelte irritiert, schließlich schmunzelte ich. „Ganz ehrlich, ich hätte dir fast selbst geglaubt.“ Auch sie schenkte mir ein kleines Lächeln. „Gute Lüge übrigens. Nur solltest du beim nächsten Mal überzeugender klingen.“ Jetzt musste ich doch etwas lachen. Die Anspannung fiel langsam von mir ab. „Ich werd‘s versuchen. Aber woher wusstest du eigentlich von den Räumen?“ „Ich habe mir den Plan des Schlosses gut eingeprägt.“ „Welchen Plan?“ „Die, die mir geholfen haben, haben mir einen exakten Plan des Schlosses gezeigt und ich sollte mir alles einprägen. Eine Weile habe ich mich als Wache ausgegeben. Deswegen wusste ich auch wo du steckst.“ Hm. Zumindest würde das einiges erklären. Aber warum hatte sie mir das nicht gleich erzählt? Und davon mal abgesehen, verhielt sie sich teilweise wirklich seltsam. Ich schüttelte den Gedanken ab. Erstmal mussten wir es hier raus schaffen. Und dann zu den anderen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)