Chroniken der Unterwelt von stardustrose (Das Geheimnis des feuerroten Drachen) ================================================================================ Kapitel 5: Erklärungen ---------------------- //Akiza// Ein leiser, stetiger Herzschlag. Sein Duft. Er war wieder bei mir. Er hielt mich im Arm. Zufrieden kuschelte ich mich noch ein wenig näher an ihn heran und genoss den Augenblick. Ein kleines Lächeln legte sich auf meine Lippen. Heute werde ich es ihm sagen. Ich öffnete meine Augen und betrachtete ihn. Er schlief noch immer friedlich. Von seiner sorgenvollen Miene vom Vortag war nichts mehr zu sehen und er sah vollkommen entspannt aus. Ein leises Seufzen entwich mir und ich genoss diesen Augenblick, der leider viel zu schnell Enden musste. Denn schnell meldete sich schon wieder mein Magen. Oh nein! Nicht jetzt! Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung, um ihn nicht zu wecken, und verschwand im Bad. Darauf könnte ich wirklich verzichten! Als es mir wieder besser ging, machte ich mich etwas frisch und öffnete anschließend die Tür. Ich hatte mich unglaublich erschrocken, als Luna plötzlich vor mir stand. Ich hatte ganz vergessen, dass die Zwillinge bei uns übernachtet hatten. Ich legte mir eine Hand auf die Brust und atmete geräuschvoll aus. „Meine Güte Luna, mit dir habe ich um die Uhrzeit nicht gerechnet.“ „Entschuldige!“ erwiderte sie und wurde rot. Ich lächelte sie an und wünschte ihr einen Guten Morgen. Das war knapp! Ein paar Minuten eher, und sie hätte mich gehört. Zusammen bereiteten wir in der Küche das Frühstück vor und unterhielten uns dabei leise, um die anderen nicht zu wecken. Als wir alles vorbereitet hatten, hörten wir Schritte. Leo stand mit zerzausten Haaren gähnend vor uns. „Guten Morgen!“ sagte er und streckte sich. „Morgen!“ erwiderte ich und lächelte. Wir hatten wirklich ewig keine Gäste mehr über Nacht. Leo sah sich um und rieb sich die Augen. „Wo ist denn Yusei?“ Ob er noch schläft? Ich huschte zum Schlafzimmer, öffnete es und sah meinen Verlobten seelenruhig schlafend im Bett liegen. Er war noch immer in der gleichen Position wie vor einer halben Stunde, als ich mich davonstahl. Er war wohl gestern wirklich müde. Leise schloss ich die Tür und ging wieder in die Küche. „Der schläft noch. Wir können ja schon ohne ihn anfangen. Ich glaube, er braucht noch etwas Ruhe.“ „Was war denn gestern mit ihm los?“ fragte Luna. Wenn ich das nur wüsste. Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, das wird er uns schon erzählen, wenn er wach ist.“ Im Augenwinkel konnte ich sehen, dass das Display meines Handys aufleuchtete. Eine Nachricht. Ich nahm mir das Telefon zur Hand und öffnete sie. Sie war von Crow. Hey Akiza, wir sind gestern gut angekommen, liebe Grüße von Martha! Jack ging mir auf dem Heimweg noch tierisch auf den Keks wegen Yusei. Sag mal, was war denn mit ihm los? Wir wollten gegen zwei noch mal bei euch aufschlagen, damit er uns das Ganze mit den Typen von gestern mal erklären kann. Passt euch das oder ist da diese Mizuki da? „Was ist denn, Akiza?“ fragte Luna. Ich schaute auf. „Hm. Crow wollte gegen zwei mit Jack vorbeikommen. Ich werde sie auf um drei vertrösten müssen. Mizuki kommt vorher noch vorbei und ich weiß nicht, wie lange wir brauchen werden.“ Ich tippte eine Antwort, legte das Handy beiseite und wandte mich lächelnd an die Zwillinge. „Was habt ihr denn heute schönes vor?“ Leo schien hellauf begeistert. „Ich wollte eine kleine Spritztour machen. Mein D-Wheel ist endlich von den Typen am Flughafen freigegeben worden. Aber wenn die Jungs heute Nachmittag hier ankommen, bin ich wieder da, versprochen! Ich will auch wissen, was das gestern war!“ Kaum hatte er den Satz beendet, nahm er erneut einen großen Bissen von seinem Brötchen. „Ich weiß noch nicht, was ich mache. Kann ich euch irgendwie bei der Hochzeitsvorbereitung helfen?“ „Wenn du willst, gern“ antwortete ich und seufzte. Ob ich wohl heute wirklich noch die Gelegenheit habe es ihm zu erzählen? Nach dem Frühstück bot ich Leo an, ihn mit dem Auto zum Flughafen zu fahren, was er dankend annahm. Ich hinterließ eine Notiz für Yusei in der Küche und ging los. Auf dem Rückweg erledigten wir noch den Einkauf und einige Zeit später kamen Luna und ich wieder in der Wohnung an. Wir spähten ins Wohnzimmer aber sahen niemanden. „Ob er immer noch schläft?“ fragte Luna. Sonst ist er eigentlich immer ein Frühaufsteher. Ich stellte die Einkäufe in der Küche ab und sah nach. Er lag noch immer regungslos da. Ob ich ihn wecken sollte? Ich ging zu ihm, setzte mich auf die Bettkante und streichelte sanft über sein Haar. Er zuckte leicht zusammen, drehte sich zu mir und sah mich verschlafen an. Ich lachte gedämpft. Er bot wirklich einen süßen Anblick. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist schon nach elf und ich dachte, vielleicht sollte ich dich wecken“ sagte ich leise. Yusei richtete sich auf und sah mich mit diesen herrlich klaren, blauen Augen an. „Guten Morgen“ sagte er, legte mir eine Hand auf die Wange und küsste mich zärtlich. Unwillkürlich fuhr ich mit der Hand zu seinem Nacken und erwiderte diesen. Als er sich wieder von mir löste, schenkte er mir ein warmes Lächeln. Ebenjenes breitete sich auch auf meinem Gesicht aus. Ich zog mich zurück und stand auf. „Luna ist draußen auf der Terrasse, ich werde ihr wieder Gesellschaft leisten. Kommst du mit?“ Yusei nickte. „Ich verschwinde kurz noch im Bad, dann komme ich.“ Ich ging in die Küche, kochte Kaffee und machte ihm noch ein kleines Frühstück zurecht. Nebenbei räumte ich die Zutaten für das Mittagessen in den Kühlschrank. Von hinten spürte ich eine Umarmung und Yuseis vom Duschen feuchte Haare kitzelten mich im Gesicht als er mir einen Kuss auf die Wange hauchte. Ich lachte. Gemeinsam gingen wir auf die Terrasse, wo wir schon von Luna erwartet wurden. „Hallo Yusei!“ sagte sie erfreut. „Hallo“ erwiderte er und setzte sich mit seinem Kaffee auf den Stuhl neben sie. „Ich hoffe …“ setzte Luna an und spielte mit den Fingern an dem Saum ihres rosafarbenen Kleides. Neugierig musterte ich sie. „Ich hoffe, ich störe euch nicht.“ Bei diesen Worten wurde sie rot. Ich gab einen belustigten Laut von mir. „Nein, warum denn? Wir freuen uns, dass du hier bist!“ Ich sah Yusei an und redete weiter. „Luna will uns heute mit den Hochzeitsvorbereitungen helfen. Mizuki will in knapp zwei Stunden hier auftauchen.“ Dieser stellte die Tasse, aus dem er eben getrunken hatte, ab und legte lächelnd den Kopf etwas schief „Lieb von dir, Luna. Danke.“ Luna war eine wirklich tolle Hilfe. Mit ihr zusammen dauerte das Treffen nicht ganz so lang, wie ich erwartet hatte. Yusei verhielt sich zwar recht still, und driftete hin und wieder in seine Gedankenwelt ab, doch hatten wir alle Punkte innerhalb der Zeit abgehakt. Mizuki verabschiedete sich und verließ die Wohnung. Dann packten wir die Unterlagen, die sie uns gegeben hatte, zusammen und warteten auf dem Sofa auf den Rest. Yusei holte seinen Arbeitslaptop, verband ihn mit einem Kabel mit dem Fernseher, setzte sich in den Sessel, stellte das Gerät auf seinen Beinen ab und tippte in schneller Abfolge etwas ein. „Was machst du da?“ fragte ich und linste über seine Schulter. Auf dem Bildschirm war irgendein Artikel zu sehen. Aber die Schrift war chinesisch, nicht japanisch. Was hat er denn vor? Das Klingeln an der Tür ließ uns aufsehen. „Ich geh schon! Das ist Leo“ sagte Luna und verschwand im Flur. Yusei sah mich über seine Schulter an. „Naja, ihr wolltet Antworten und es verkürzt sie Sache etwas, wenn ich euch einiges zeige.“ Er nahm sich die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein, dann ging er wieder in das Arbeitszimmer. Ich bin wirklich gespannt, was er uns erklären will… //Yusei// Ich öffnete in schneller Abfolge einige Seiten und Videos auf meinem Laptop um mich auf das Folgende vorzubereiten. Mittlerweile hatte ich genug Informationen gesammelt, um meinen Freunden die Situation zu erklären. Es war an der Zeit sie einzuweihen, auch wenn ich noch immer nicht alle Antworten hatte. Aber sie mussten davon erfahren. Leos aufgeregte Stimme ließ mich aufschauen. „Schaut mal, wen ich gefunden habe!“ Im Schlepptau hatte er Jack und Crow. Die letzte, die den Raum betrat war Luna, da sie noch die Wohnungstür geschlossen hatte. „Und?“ fragte Jack, sah mich durchdringend an und verschränkte seine Arme. Anscheinend wurde er ungeduldig. Ich atmete noch einmal tief durch, stellte den Laptop mit den geöffneten Fenstern auf den Couchtisch und stand Jack gegenüber. „Ich habe dir Antworten versprochen und die bekommst du, aber wie schon gesagt wird das eine etwas längere Geschichte. Setzt euch“ sagte ich und deutete auf die L-förmige Couch. Während meine Freunde Platz nahmen, holte ich meine Tasche aus dem Schlafzimmer, die ich am Tag zuvor noch darin verstaut hatte, stellte diese neben meinem Platz ab, holte ein kleines Gerät heraus, dass aussah wie ein USB-Stick, und drückte auf einen dort angebrachten Knopf. „Was ist das?“ fragte Luna neugierig. „Das ist ein Störsender. Er wird alle Satelliten- und Datenübertragungen für 90 Minuten verhindern. So kann uns niemand zuhören.“ Crow zog die Augenbrauen zusammen. „Seit wann bist du so paranoid?“ „Das wirst du schon noch verstehen.“ Ein letztes Mal noch, sammelte ich mich und ging alle Schritte noch einmal genau durch. „Zuerst Folgendes“ setzte ich an und bedachte jeden der Anwesenden mit einem ernsten Blick. „Fast Alles, was ich euch gleich sagen werde, steht unter Verschluss und darf diesen Raum nicht verlassen. Ich habe gestern verdammt lang mit einigen Behörden diskutiert und an ein paar der Materialien bin ich nicht auf ganz legalem Weg gelangt. Die Typen, die euch gestern belästigt haben, sind vom peruanischen Geheimdienst. Sie waren… sagen wir mal ‚nicht einverstanden‘, dass ich wieder in Japan bin.“ „Peru?“ fragte Leo und sah mich verwirrt an. „Das versteh ich nicht. Ich dachte du warst in China.“ Ich nickte zögerlich, nahm den Laptop, der mit dem Fernseher verbunden war, wieder auf meinen Schoß und übertrug den Bildschirm über ein Kabel auf das Gerät. Bevor ich das erste Video öffnete, zögerte ich noch einen Augenblick. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte. Schließlich atmete ich noch einmal tief durch und startete das Video. „Das ist eine Aufnahme eines Amateurfilmers, der mit dem Flugzeug die Nazca Linien filmen wollte. Sie entstand vor fünf Tagen.“ „Was soll das?“ An Jacks Stimme erkannte ich, dass er langsam ungeduldig wurde, aber ich hatte einen Plan und darum würde es mit seiner Ungeduld auch nicht schneller gehen. Ohne aufzublicken, gab ich meinem Freund eine Antwort. „Sieh hin!“ Alle Augen waren auf den Bildschirm gerichtet. Er zeigte die Linie des Kolibris und in der rechten, unteren Ecke konnte man einen Zeit- und Datumsstempel sehen. Einige Stimmen waren zu hören, doch sie waren in einer anderen Sprache. Eine der Stimmen wurde ganz aufgeregt. Plötzlich begann das Bild zu wackeln und die Stimmen wurden zunehmend panisch. Im nächsten Moment tat sich ein gewaltiger Riss, quer über den Kolibri auf. Der Riss nahm kein Ende, wurde immer breiter und das Bild begann zu flackern. Zum Schluss hörte man einen Schrei, bevor die Aufnahme beendet war. Ich sah wieder von meinem Laptop auf. Luna hatte sich die Hände vor dem Mund zusammengehalten. Leo und Crow lehnten sich nach vorn, als könnten sie dadurch besser begreifen, was sie gesehen hatten. Akizas Augen weiteten sich. Sie vergrub ihre Finger in den Falten ihres Rockes und ballte sie zu Fäusten. Jack schien erstaunlich gefasst zu sein, doch auch er verstand vermutlich nicht, was er da sah. „Was war das?“ fragte er. „Mein Kollege hat es mir kurz vor meinem Abflug von China nach Japan geschickt. Ich habe es aber schon am Tag nach der Katastrophe von ihm erfahren. Die Behörden gingen von einem Erdbeben aus, hervorgerufen durch den Reaktor in der Nähe. Nicht nur der Kolibri wurde dadurch zerstört, sondern auch die Eidechse und der Riese.“ Ich versuchte die ungläubigen Blicke zu meiden. Schnell öffnete ich die nächste Datei. Es war eine Satellitenaufnahme vom zerstörten Reaktor. „Das ist der vermeintliche Ausgangspunkt für das Erdbeben, aber bis zu seiner Zerstörung hatte es nie Probleme gegeben. Mein Kollege war Vorort und bemerkte später durch das Video, dass die Explosion des Reaktors erst 20 Minuten nach dem Erdbeben stattfand. Da die Daten zeigten, dass er zu diesem Zeitpunkt fehlerfrei lief, konnte er als Quelle der Zerstörung ausgeschlossen werden. Der Grund ist den Behörden immer noch unklar.“ Ich schluckte trocken und betrachtete das Satellitenfoto. Meine Stimme wurde ungewollt leiser als ich die totenstille des Raumes erneut durchbrach. „276 Menschen verloren an diesem Tag ihr Leben. Mein Kollege war mit einigen von ihnen befreundet.“ Wieder war es still. Nur das leise surren meines Laptops war zu hören. „Aber …“ setzte Akiza an als sie ihre Stimme wiederfand. „Wie wurde der Reaktor dann zerstört?“ Die Antwort auf diese Frage kannte ich selbst nicht, aber ich hatte eine Vermutung. „Es war nicht menschlich“ sagte ich ohne von meinem Bildschirm aufzusehen. Sie klang traurig und ich wusste nicht, ob ich ihrem Blick standhalten würde. Während ich die nächsten Bilder öffnete, war das Tippen auf der Tastatur das einzige Geräusch im Raum. „Ich habe versucht Greyger zu erreichen, er lebt in einem Dorf in der Nähe des Unglücksortes. Zwei Tage später rief er mich zurück und erzählte mir sein Dorf sei bei der Katastrophe zerstört worden. Er überlebte nur knapp, fuhr zum Ort des Geschehens und dokumentierte alles. Nach unserem Telefonat schickte er mir das hier.“ Auf dem Fernseher erschienen Bilder von der zerstörten Landschaft. In dem Riss, der sich gebildet hatte, erkannte man einen bläulich violetten Nebel. „Dieser Schleier sieht auf dem ersten Blick aus wie ein Bildfehler, aber Greyger meinte, dass er denselben Nebel gesehen hatte, kurz bevor er zum finsteren Auserwählten wurde.“ „Warte mal!“ Jack stand mit geballten Fäusten auf. Ich sah erschrocken zu ihm und auch die Blicke der übrigen Anwesenden galten unserem blonden Freund. Er schlug den rechten Arm zur Seite. „Willst du damit sagen, dass das Siegel gebrochen wurde und Carly, Kalin und Misty wieder zu finsteren Auserwählten werden könnten?!“ Damit sprach er tatsächlich meine größte Befürchtung aus, aber ich versuchte ruhig zu bleiben. „Warte bitte bis ich fertig bin, Jack. Aber ja, das könnte unter Umständen passieren, und das wäre nicht mal das Schlimmste an der ganzen Sache.“ „Wie kannst du dabei so ruhig bleiben?! Was sollte denn schlimmer sein als das?!“ schrie er und machte einen Satz nach vorn. Ehe er mich am Kragen packen konnte, hielt Crow ihn zurück. „Jetzt beruhig dich wieder! Lass ihn doch ausreden.“ Ich mied Jacks Blick. „Ich hatte einige Tage Zeit um das sacken zu lassen. Ich wollte euch nicht beunruhigen, bevor ich nicht mehr rausgefunden habe. Außerdem steht alles, wie gesagt, unter strengster Geheimhaltung. Es wäre einfach zu gefährlich gewesen, es euch nicht persönlich zu sagen.“ Jack schnaubte. „Na schön, red weiter!“ presste er zwischen seinen Zähnen hervor und setzte sich wieder. Ich atmete schwer aus. „Seit dem vermeintlichen Erdbeben hatte ich jede Nacht den gleichen Traum.“ Ich versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben, aber es gelang mir nicht. Augenblicklich hatte ich das Gefühl als würde meine Brust zugeschnürt. „Die Hochzeit endete in einem Massaker, ihr wurdet von zwei dämonischen Wesen gefangen genommen und die übrigen Gäste waren… tot.“ Meine Stimme brach kurz ab. Noch nie hatte ich laut ausgesprochen, was mich in den letzten Tagen so sehr verfolgte. Ich räusperte mich, zwang mich weiterzusprechen. „Ihre Verletzungen waren dem, was den Wissenschaftlern in Peru passierte, sehr ähnlich. Kalin, Misty und Carly wurden wieder zu finsteren Auserwählten und ich konnte nichts ausrichten.“ Ich schluckte schwer und hatte das Gefühl an dem Kloß in meinem Hals zu ersticken. „Jedes Mal… kurz bevor ich aufwachte… sah ich dieses Licht.“ Ein Schluchzen ließ mich Aufsehen. Es kam von Luna. Ihr Bruder hielt ihre Hand. Auch Akiza kämpfte mit den Tränen. Ich versuchte mich wieder auf den Bildschirm zu konzentrieren und schüttelte die Gedanken ab. Schnell öffnete ich die nächste Datei. Sie zeigte einen chinesischen Zeitungsartikel, datiert auf den Abend vor zwei Tagen, doch was geschrieben stand, war nicht von Belang. Das Bild zeigte den feuerroten Drachen über dem Reaktor in Peking. „Er ist zurück“ sagte ich leise und musterte meine Freunde. „Aber…“ fing Crow an, brach jedoch ab. Jack stutzte. „Tz. Und wo sind dann bitte unsere Male? Vielleicht war das nur ein Hologramm! Vielleicht hattest du einfach nur einen beschissenen Traum! Wir haben diese Dinger vor zehn Jahren versiegelt! Das kann unmöglich wahr sein!“ Während er sprach gruben sich seine Finger immer weiter in seine verschränkten Arme. In seinen violetten Augen blitzten Zorn und ein wenig Verzweiflung, die er zu verbergen versuchte. Ich seufzte. Natürlich wollten sie mir nicht glauben, aber dieses Mal hatte ich zumindest einen greifbaren Beweis. Wir konnten die Macht des feuerroten Drachen beim letzten Mal nicht kontrollieren, wurden nur von ihr geleitet. Überraschenderweise war es dieses Mal anders. Langsam legte ich den Laptop auf den Tisch, stand auf, streckte meinen rechten Arm mit der Handfläche nach oben aus und versuchte mich zu konzentrieren. Ich spürte, wie sich das Mal auf meinem Rücken aktivierte und den geschockten Blicken meiner Freunde nach zu urteilen, begann es auch zu leuchten. Die Energie pulsierte durch meinen Körper. Ich versuchte die Macht des feuerroten Drachen in meiner Handfläche zu konzentrieren. So wie diese Blasen in meiner Vision nur konzentrierte Energie waren, war es auch die Kraft des Drachen. Meine Bemühungen zahlten sich aus, denn langsam materialisierte sich diese kleine, blassrote und leuchtende Kugel aus meiner Vision tatsächlich in meiner Handfläche. Nur vage bekam ich mit, dass meine Freunde aufgesprungen waren und einen Schritt zurückgewichen sind. Plötzlich teilte sich die Kugel in fünf kleinere Blasen auf und diese flogen blitzschnell zum jeweils rechten Arm meiner Freunde. Als sie platzten, starrten Jack, Crow, Leo, Luna und Akiza fassungslos auf die Stelle an der die Kugel sie berührte. Genau dort tauchten ihre Drachenmale auf. Ich ließ meinen Arm wieder sinken und beobachtete meine Freunde. Das Leuchten auf meinem Rücken erlosch, und stattdessen tauchte auch mein Drachenmal wieder auf meinem Arm auf. „Was… Was ist denn… jetzt los?!“ stotterte Crow ungläubig. „Unsere Male“ sagten die Zwillinge gleichzeitig. „Unmöglich“ hauchte Jack. Akiza sah verwirrt von ihrem Drachenmal zu mir. „Wie… Wie hast du das gemacht?“ fragte sie mit zitternder Stimme. Ich konnte es selbst nicht beschreiben und schüttelte langsam den Kopf. „Ich weiß es nicht. Dieses Mal ist es anders. Ich kann die Macht jetzt kontrollieren. Und ich glaube, ihr seid dazu auch imstande. Der feuerrote Drache erzählte mir, dass dieser Traum eine Vision war, eine mögliche Zukunft. Und… dass wir sie ändern könnten. Zusammen. Mit seiner Hilfe. Das Problem ist, dass ich nicht weiß, was diese Monster für ein Ziel verfolgen.“ Ich kniete mich vor den Laptop und startete erneut ein Amateurvideo. Dieses Mal zeigte es einige Touristen in China. Im Hintergrund sah man die Reaktoranlage. „Das passierte etwa drei Stunden, nachdem ich den Reaktor verlassen hatte und etwa 18 Stunden, nachdem der Drache dort aufgetaucht ist. Achtet auf den Hintergrund.“ Sie sahen Richtung Fernseher. Die Touristen erzählten irgendetwas in die Kamera und schienen glücklich. Dann gab es einen lauten Knall und das Bild wackelte. Der Kameramann ist vermutlich in Deckung gegangen und hielt dann die Kamera auf den Reaktor. Die Wolken über ihm bildeten einen grau-violetten Strudel und blaue Blitze zuckten vom Himmel herab. Ich vergrößerte einen Ausschnitt an der Wolkendecke. Das Bild war schlecht und verpixelt aber man konnte ganz deutlich eine Person inmitten der Blitze am Himmel erkennen. „Das ist eines der Monster, die ich in meinem Traum gesehen habe“ Die Gestalt hob die Arme und das Bild wurde plötzlich weiß. Ich wechselte die Perspektive wieder in ihre Ausgangslage. Ein gewaltiger Blitz schlug in den Reaktor ein und es gab eine verheerende Explosion, die sich immer weiter ausbreitete. Einen Augenblick später wurde das Bild schwarz. „Das löschte etwa 1.500 Quadratmeter Pekings aus.“ Meine Stimme wurde leiser. All diese Menschen starben, ohne dass ich etwas hätte ausrichten können. „Zu diesem Zeitpunkt startete mein Flieger. Es gab tausende Opfer. Aus offizieller Sicht war es eine Gasexplosion.“ Ich seufzte. „Auf dem Rückflug habe ich mit dem Heimatschutzministerium Japans telefoniert. Die Chinesen glauben, ich habe etwas mit der Explosion zu tun, da ich die einzig außenstehende Person war, die Zugriff auf alle Daten hatte. Darum haben sie mich auf dem Zielflughafen festnehmen lassen. Sie zweifeln die Echtheit dieser Aufnahmen an, obwohl sie sie selbst aus den Trümmern geborgen haben. Sie wissen nicht, dass ich mir die Aufnahmen ‚ausgeliehen‘ habe, aber ohne die habe ich keine Beweise, die für mich sprechen würden. Die Kerle haben mich nur unter Sanktionen wieder gehen lassen. Meinem Kollegen, der den Reaktor in Peru untersucht hat, ergeht es auch nicht viel besser.“ Mein Blick senkte sich. Mit vielen Menschen, die dabei gestorben sind hatte ich vor nicht einmal 34 Stunden gearbeitet. Auch Tailea ist jetzt tot. Betretenes Schweigen legte sich über uns. Während ich meine Ausführungen beendet hatte, hatten sich alle wieder auf das Sofa gesetzt. „Wir müssen es Carly und den Anderen sagen“ ertönte eine leise Stimme. „Erinnerst du dich nicht, Jack?“ fragte ich und sah ihn mit traurigen Augen an. „Sie müssen erst sterben, bevor sie zu finsteren Auserwählten werden. Wir müssen sie beschützen, so wie alle anderen auch.“ „Aber sie verdienen die Wahrheit!“ platzte es aus ihm heraus. Seine Hände ballten sich erneut zu Fäusten und er sah mich wütend an. Crow seufzte schwer. „Und was wollen sie damit anfangen? Sie können sich nicht schützen vor diesen Dingern. Wir würden sie nur unnötig verängstigen. Und Außerdem“ sagte er, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ sich in die Rückenlehne sinken. „Hat Yusei vermutlich gut ein Duzend Gesetze gebrochen, damit er uns davon erzählen kann. Je mehr davon erfahren, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er in den Knast wandert.“ Ich nickte. „Ich habe mit dem Bürgermeister geredet. Mistys Leibwächter wurden verdoppelt, Kalin wird von Greyger beobachtet und Carly vom Sicherheitsdienst überwacht. Sobald es auch nur das kleinste Anzeichen gibt, sie könnten in Gefahr sein, schlagen sie sofort Alarm.“ Akiza starrte mit leerem Blick auf den schwarzen Bildschirm. Die Zwillinge sahen nicht weniger fertig aus. Ich konnte sie so gut verstehen. Ich hatte die Informationen nach und nach sacken lassen können, doch sie mussten mit Allem auf einmal zurechtkommen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf die von Akiza und versuchte sie etwas zu beruhigen. Langsam neigte sie den Kopf zu mir und ich musste feststellen, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten. „Es tut mir leid“ wisperte sie. Ich nahm sie in den Arm und sie fing furchtbar an zu schluchzen. „Mir tut es leid“ sagte ich kaum hörbar und schloss die Augen. Jack erhob sich, noch immer wutentbrannt, und ging auf die Wohnungstür zu. „Und wo willst du jetzt hin?“ fragte Crow mit verschränkten Armen und schaute seinen Freund hinterher. Dieser stoppte kurz, spannte seine Fäuste an und erwiderte mit zusammengebissenen Zähnen, ohne sich umzudrehen: „Ich werde nach Carly suchen.“ Danach lief er weiter und wenige Augenblicke später hörten wir, wie die Tür ins Schloss fiel. „Der wird sich nie ändern“ stöhnte Crow auf und musterte mich. „Was ist jetzt dein Plan?“ Noch immer hatte ich Akiza im Arm und versuchte sie zu trösten. Einen genauen Plan hatte ich nicht, aber zumindest eine Idee. „Ich habe gehofft… für den Anfang könnte uns Luna helfen.“ „Ich?“ fragte sie verwirrt. Eine Träne lief ihr über die blassen Wangen und sie sah betreten zu Boden. „Aber ich… Ich weiß nicht wie…“ „Der feuerrote Drache erwähnte unsere Drachen. Vielleicht könntest du mit Antiker Feendrache sprechen, möglicherweise weiß sie mehr.“ Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen, aber jede weitere Information könnte uns helfen, diesen Alptraum abzuwenden. Leo legte seiner Schwester eine Hand auf die Schulter. „Ich begleite dich!“ sagte er und versuchte zuversichtlich zu klingen. Er schenkte ihr ein aufmunterndes lächeln. Sie wischte sich die Tränen weg. „Danke.“ Mit einem entschlossenen Blick sah sie nun von Leo zu mir. „Ich werde in die Geisterwelt gehen und Antiker Feendrache fragen!“ Erleichtert atmete ich aus und Akiza löste sich aus der Umarmung. „Bist du sicher?“ Ich nickte. Einen anderen Anhaltspunkt hatten wir nicht. Luna und Leo traten in die Mitte des Wohnzimmers. Sie sah ihrem Bruder in die Augen. „Bereit?“ Er grinste. „Logisch!“ „Bitte passt auf euch auf!“ sagte ich und betrachtete die Zwillinge mit Sorge. „Wir wissen nicht, ob es in der Geisterwelt ebenfalls irgendwelche Vorfälle gab.“ Akiza klammerte sich an meinen Arm und fügte hinzu: „Wir werden hier auf euch warten.“ Crow grinste und hob seinen Daumen in ihre Richtung. „Ach was, wird schon schief gehen! Lasst euch nicht zu lange Zeit!“ Die beiden nickten, hielten sich an den Händen und wurden in eine weiße Lichtsäule gehüllt. Einen Augenblick später waren sie verschwunden. Der Störsender piepte. Die 90 Minuten waren um. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)