Chroniken der Unterwelt von stardustrose (Das Geheimnis des feuerroten Drachen) ================================================================================ Kapitel 2: Alpträume -------------------- //Yusei// Ich wurde allmählich wach und spürte noch immer diese wohlige Wärme. Dieser vertraute Duft, der mich wissen ließ, dass ich zu Hause war. Ich öffnete meine Augen und starrte an die Decke über mir. Wie spät es wohl ist? Mein Blick wanderte zu der Uhr auf meinem Nachttisch. Ich muss langsam aufstehen, oder ich komme zu spät. Ich seufzte leise und sah meine zukünftige Frau an. Ein Lächeln überkam mich. Zukünftige Frau. Wie sehr ich mich auf die Hochzeit freute, konnte ich nicht in Worte fassen. Sie hatte ihr Gesicht an meiner Brust vergraben und schlief friedlich weiter. Ich strich ihr sanft durchs Haar und genoss noch eine Weile ihre Nähe. Ihren gleichmäßigen Atem. Aber langsam musste ich mich beeilen. Vorsichtig schob ich sie etwas von meinem Oberkörper. Sie murrte und drehte sich auf die andere Seite. Ich unterdrückte ein Lachen. Sie war wirklich kein Morgenmensch. Ich gab ihr einen sanften Kuss auf die Stirn und machte mich fertig. Am Reaktor angekommen, ging ich ins Büro, um noch einige Unterlagen und Mails durchzusehen. In einer Stunde würde eine weitere Konferenz stattfinden. Das Ganze lief via Großbildmonitor, bei der die einzelnen Teilnehmer gleichzeitig zugeschaltet wurden. Da diese Wissenschaftler alle aus den verschiedensten Ländern kamen, fanden alle Konferenzen auf Englisch statt. Diese Leute waren die Leiter der jeweiligen Reaktoranlagen im asiatischen Raum. Ich war der führende Wissenschaftler und Vorstand in Asien, also standen die Leute, mit denen ich gleich sprechen würde, unter meiner Leitung. Diese Besprechungen beraumte ich einmal im Quartal ein, damit mich alle auf den aktuellen Stand bringen konnten und auch, um die Daten zu kontrollieren. Ich hatte es lieber sie von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, statt mir nur endlos lange Datenlisten anzusehen. Ein kurzer Blick in meinen Kalender verriet mir, dass das digitale Treffen mit den Doktoren Adams, Vorstand im Raum Nordamerika, Chandrek, Vorstand im Raum Südamerika, Naru, Vorstand im Raum Afrika und Australien, und Roland, Vorstand im Raum Europa morgen um 15 Uhr stattfinden würde. Ich ging in den Konferenzraum, gab ein paar Daten ein, blickte auf den riesigen Monitor und sah zu, wie meine Kollegen sich nach und nach zuschalteten. „Schön, wie ich sehe, sind wir alle vollzählig“ begann ich und blickte in die Gesichter der Doktoren. Sie waren alle weit älter als ich, mit Ausnahme einer Mitte 30-jährigen, bebrillten Frau mit kurzen, braunen Haaren. Ihr Name war Dr. Tailea Chang und sie war die Leiterin des neuen Reaktors in Peking. Ich erinnerte mich daran, als Dr. Chang die Stelle vor einem Jahr übernahm. Bis auf mich hatte sie keiner meiner Kollegen wegen ihres Alters und Geschlechts ernst genommen. Sie war ein brillanter Kopf und wusste was sie tat, doch fehlte ihr oft das Selbstvertrauen sich den älteren Kollegen zu stellen und sich zu behaupten. „Ich habe mir Ihre Unterlagen durchgesehen und konnte nur Unregelmäßigkeiten in Seoul, Hanoi und Peking entdecken“ sagte ich und ging die Liste der Anwesenden durch. Dabei fragte ich auch jeden einzeln nach dem aktuellen Stand ab. Als ich mich an Dr. Lien Mosh, einem etwa 60-jährigen Mann mit grauen Haaren, aus Vietnam wandte, gab mir dieser sogleich eine Erklärung: „Es gab eine kleine Explosion im Nebengebäude. Dadurch wurden die Daten bedauerlicherweise gefälscht. Die Ursache war eine defekte Gasleitung, aber wir haben alles wieder unter Kontrolle.“ Ich nickte und bedeutete dem Koreaner Dr. Jusako Du-Jul weiterzusprechen. „Wir werden einige Tests durchlaufen lassen, aber es sind nur geringe Abweichungen der Normwerte, kein Grund sich Sorgen zu machen“ sagte er in seinem gewohnt hochnäsigen Tonfall. Meine Augen verengten sich leicht. Ich mochte ihn nie besonders. Wann immer Dr. Du-Jul sprach, wirkte er blasiert, mit seiner Hakennase, der hohen Stirn und dem schleimigen Lächeln. Das schlimmste jedoch war die Handhabung der Arbeitsverteilung in Seoul. Sie war so konfus, dass es bei einem Fehler nie herauskommen könnte, wer ihn begangen hatte. Ich sah ihm ernst in die Augen, und antwortete ihm bestimmt: „Jede Abweichung, die nicht kontrolliert wird, kann zu einer Katastrophe führen. Sie stimmen mir gewiss zu, dass es töricht wäre, Menschenleben zu riskieren, nur, weil man einige kleine Fehler übergangen hat.“ Wieder drangen die Bilder vergangener Alpträume in meinen Kopf. Ein überhitzter Reaktor, eine gewaltige Explosion, Menschen, die ihr Leben verloren. Schnell schüttelte ich diese Bilder ab und fixierte meinen Blick wieder auf meinen Kollegen. „Und noch etwas: Ihre Protokolle sind unvollständig. Es macht Ihnen sicher nichts aus, sie mir bis morgen früh zukommen zu lassen, nicht wahr?“ Mein Blick ließ keine wiederworte zu. Dr. Du-Jul antwortete mit einem Schnauben. „Sicher doch“ sagte er knapp. Die letzte Person die sprach war Dr. Chang. „Ich habe diese Unregelmäßigkeiten vor vier Tagen überprüft. Ich bin mir sicher, dass das Programm fehlerfrei läuft, es muss ein Problem bei den Generatoren geben. Mein Ingenieurteam hat aber leider nichts gefunden.“ „Sicher, dass es an den Maschinen liegt, Mädchen? Vielleicht hast du etwas übersehen, wenn dein Team nichts finden konnte, schließlich --“ meldete sich der Leiter des Reaktors in Riad. Allerdings erstarb er mitten im Satz, als er auf meinen Blick traf, der ihm das Wort abschnitt. „Sicher ist Dr. Chang besser befugt eine Aussage zu ihrem Problem, ihrem Reaktor und ihrem Team zu treffen nicht wahr?“ sagte ich streng. An die Wissenschaftlerin gewandt fügte ich, jedoch freundlicher, hinzu: „Wenn es ein maschinelles Problem ist, muss es schnell behoben werden, bevor die Werte sich auf einen kritischen Bereich heben und wir den Reaktor wieder abschalten müssen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mir das gern ansehen. Könnten Sie mir Fotos von den Bereichen A8 bis G3 schicken? Ich melde mich, sollte mir etwas auffallen. Lassen Sie Ihr Team verstärkt dort suchen. Vielen Dank, das war alles“ fügte ich nun an die anderen hinzu. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.“ Mit diesen Worten beendete ich die Konferenzschaltung und ging zurück in mein Büro. Etwa eine Stunde später bekam ich eine E-Mail auf dem gesicherten Sever. Darin waren die angeforderten Bilder. „Das ging ja schnell“ murmelte ich und nahm mir jedes Bild einzeln vor und auf einem Foto entdeckte ich etwas Merkwürdiges. Augenblicklich rief ich Dr. Chang an und besprach mit ihr das weitere Vorgehen. Sie schlug mir vor, dass ich mir die Sache aus nächster Nähe ansehen sollte. Aber ich konnte doch nicht eine Woche vor meiner Hochzeit noch eine Geschäftsreise antreten. Leider war es jedoch ein vernünftiger Vorschlag. Eigentlich wollte ich am Dienstag meinen Urlaub antreten und mich auf Akiza und die Hochzeit konzentrieren, aber dieser Zwischenfall musste vorher noch geklärt werden. Also erklärte ich meinem Team grob die Situation und machte mich auf den Heimweg, um meine Tasche zu packen. Auf dem Weg hielt ich noch an einem kleinen Laden, um Lebensmittel zu besorgen. Wenn ich sie schon enttäusche, indem ich kurz vor der Hochzeit noch eine Geschäftsreise mache, dann kann ich ihr wenigstens noch eine kleine Freude bereiten. Also holte ich noch die Zutaten für Akizas Leibspeise und eine Rose. Daheim angekommen, packte ich schnell die Tasche, kochte das Abendessen für sie und schrieb ihr eine kleine Notiz. Ein schneller Blick auf die Uhr: 45 Minuten bis zu meinem Abflug. In Peking angekommen wurde ich gleich von Dr. Chang persönlich abgeholt. „Vielen Dank, dass sie so schnell kommen konnten, Dr. Fudo!“ sagte sie und verbeugte sich. „Kein Problem, haben sich Ihre Leute den seltsamen Abschnitt in E9 angesehen?“ entgegnete ich und stieg in das Auto. „Ja, und Sie hatten Recht. Es war wie Sie es gesagt haben. Unglaublich, dass sie das Anhand eines Fotos erkennen konnten! Ich habe mich genau an Ihre Anweisungen gehalten und wir versuchen den Reaktor im Simulator aufgrund der Daten neu zu kalibrieren, doch treten ständig Probleme in der Testphase auf.“ Ich lächelte zuversichtlich. „Das bekommen wir schon hin.“ Wir saßen eine ganze Weile an dem Problem, und als ich endlich im Hotel eincheckte, war es bereits kurz nach Mitternacht. Ich rief Akiza an und wir unterhielten uns noch eine Weile. Irgendwie wirkte sie aufgeregt, aber sie wollte nicht erzählen, warum. Da ich aber verdammt müde war, konnte ich nicht lange darüber nachdenken, und schlief fast augenblicklich ein. Der Traum, den ich in dieser Nacht hatte, kam mir seltsam verstörend vor. Es war einer dieser real wirkenden Träume, in denen man nicht zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden kann. Ich war auf meiner Hochzeit, und wir hatten uns gerade das Ja-Wort gegeben, als es einen Knall gab. Ich blinzelte, drehte mich um und als ich die Augen wieder öffnete, sah ich unsere Gäste. Aufgestapelt zu einem großen Leichenberg. Oben auf der Spitze saß eine Frau mit schulterlangem, gewelltem, rabenschwarzem Haar, bleicher Haut und Augen mit einer Farbe flüssigen Karamells. Sie war zierlich und sehr hübsch, wären da nicht diese schrecklichen Flügel auf ihrem Rücken, die aussahen, wie die eines Drachen. Blutüberströmt saß sie auf der Spitze mit überkreuzten Beinen, die Flügel angelegt und einem mörderischen Lächeln auf ihren blutroten Lippen. Ich stand mit angstgeweiteten Augen vor dieser schrecklichen Szenerie. Neben dem Berg aus Leichen standen Kalin, Misty und Carly. Sie blickten in die Leere. Ich schrie sie an sie sollten fliehen und ging einige schnelle Schritte auf sie zu, doch es war als käme ich nicht von der Stelle. Plötzlich blickten die drei auf, schauten mich an und brachen dann schreiend zusammen. Umhüllt von einem schwarzen Nebel. Als dieser sich verzog standen sie auf und grinsten mich an. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Sie sahen wieder aus, wie in ihrer Zeit als finstere Auserwählte. Hinter mir hörte ich ein boshaftes Lachen. Ich drehte mich um und sah Akiza, Jack, Crow, Leo und Luna gefesselt auf dem Boden. Von ihren Fesseln aus führte eine schwere Eisenkette zu den Händen eines Mannes. Er war sicher zwei Köpfe größer als ich. Dünn, aber muskulös. Er hatte hüftlange, dunkelblonde Haare und blutrote Augen. Sein langer, schwarzer Mantel bewegte sich in einer dunklen Aura, die seinen Körper umhüllte. Er hatte, ebenso wie die Frau, diese abstrusen Flügel. Sein bedrohliches Lächeln wirkte teuflisch und er schwebte über meinen gefesselten und verletzten Freunden. Akiza holte mich mit einem leisen Wimmern zurück aus meinem Schockzustand. „Yusei, es tut so weh!“ sagte sie mit zitternder Stimme und krümmte sich. Ich sah, dass irgendetwas mit ihrem Bauch nicht stimmte. Doch als ich verzweifelt versuchte, zu ihr zu gelangen, kam ich nicht vom Fleck. „Akiza…“ wisperte ich. Aus dem Schleier meiner Tränen sah ich zu Jack, Crow, Leo und Luna. „Armer kleiner Auserwählter. Sei schön brav und lass dich gefangen nehmen, dann passiert deinen Freunden nichts“ sagte der Fremde mit einem irren Grinsen. Ich hatte Panik. Ich konnte nicht zulassen, dass ihnen etwas passiert. „Bitte!“ schrie ich ihn an. „Was willst du von uns? Nimm mich, aber lass meine Freunde gehen!“ Der Mann lachte auf und mir gefror das Blut in den Adern. Plötzlich wurde Alles um mich herum in feuerrotes Licht getaucht. Ich saß aufrecht im Bett, meine Augen geweitet, mein Körper zitterte, ich war schweißgebadet. Keuchte, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Mein Herz raste. Mir war übel. Was war das? Vollkommen verwirrt, und noch immer mit Angst in den Knochen, setzte ich mich auf den Bettrand und vergrub mein Gesicht in den Händen. Versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Meinen Herzschlag. Das war kein normaler Traum. Ich sah aus dem kleinen Fenster meines Hotelzimmers. Es war stockdunkel. Vermutlich war es noch mitten in der Nacht. Stunden später wartete ich vor meinem Hotel auf Dr. Chang, die mich mit zum Reaktor nahm. Nach diesem Traum konnte ich nicht mehr schlafen. Ich war zu aufgewühlt. Es fühlte sich einfach zu real an, nicht wie andere Alpträume. Ich sah aus dem Autofenster und betrachtete die vorbeiziehenden Häuser, Menschen und Fahrzeuge doch nicht wirklich. Die Arbeit würde mich vielleicht ablenken. Bis 14:30 Uhr arbeitete ich mit meiner Kollegin an der Simulation, dann verabschiedete ich mich wegen der Konferenzschaltung mit den Vorständen. Zu diesem Zweck hatte Tailea einen Raum mit einer gesicherten Verbindung für mich vorbereitet. Die Konferenzschaltung startete pünktlich 15 Uhr. Zuerst schaltete sich Dr. Tayu Naru zu. Der dunkelhäutige Südafrikaner war um die 40, groß gebaut und muskulös. Seine Gesichtszüge waren kantig und seine braunen Augen waren undurchdringlich. Er nickte mir kurz zu und wartete auf den Rest. Einige Sekunden später kam Dr. Sarah Roland dazu, eine dünne Frau Mitte 40 mit einer schmalen Brille und strengem Blick. Die blonden Haare hat sie nach hinten gesteckt und sie Blickte mich durchdringend an. Ich schluckte und war erleichtert, als sich Dr. Brian Adams zuschaltete. Der 54-jährige stämmige, braunhaarige Mann schwatzte gleich drauf los: „Oh! Hallo Yusei, mein Guter! Du siehst aber gar nicht gut aus! Miss Sarah! Bezaubernd wie eh und je. Hallo Mister Naru. Nun, ich will die Sache hier gleich abkürzen: Es gab einen kurzen Zwischenfall in Ottawa, doch wir haben es schnell unter Kontrolle bekommen. Sonst läuft hier überall alles glatt!“ „Doktor Adams. Plappern sie nicht gleich drauf los, Sie sehen doch, dass noch jemand fehlt!“ sagte die Frau mit dem strengen Blick. „Oh! Sie haben Recht, meine Liebe! Wo steckt denn unser guter Aram?“ Gute Frage. Wo steckte er? Normalerweise war er immer zehn Minuten vorher in der Schaltung und hat sich oft noch kurz mit mir unterhalten. Ich mochte den Brasilianer mit seinem ruhigen, höflichen Wesen. Er hatte stechend grüne Augen und kurze, schwarze Haare, im Nacken waren sie jedoch länger und zu einem geflochtenen Zopf zusammengebunden. Er behielt selbst in schwierigen Situationen immer einen kühlen Kopf. 15:13 Uhr schaltete er sich dazu. Er sah genauso erschöpft aus, wie ich und wirkte extrem beunruhigt. „Es tut mir sehr leid, aber es gibt große Komplikationen in Peru“ sagte er und wischte sich mit einem Tuch über die Stirn. „Was ist passiert? Wo bist du?“ fragte ich. Hinter ihm erkannte ich die Sitze eines Flugzeugs. Dr. Chandrek sammelte sich einen Moment und atmete tief durch. „Letzte Nacht gab es ein Erdbeben. Keines der Geräte hat eines dieser Stärke vorausgesagt, außerdem ist es mehr als nur ungewöhnlich, dass es in Peru überhaupt dazu kommt. Jedenfalls wurde dabei ein Teil des Nationalheiligtums, drei der Nazca Linien, stark beschädigt. Der dortige Geheimdienst versucht die Sache bis zur Aufklärung zu vertuschen, aber es wird angenommen, dass der 87km entfernte Reaktor etwas damit zu tun hat. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin, um mir die Sache genauer anzusehen. Dr. Sath, der dortige Leiter, ist seitdem nicht zu erreichen und auch sonst keiner in der Anlage.“ Ich war wie erstarrt. Letzte Nacht? Hat das mit diesem Alptraum zu tun? Könnte das sein? Als ich meine Stimme wiedergefunden hatte, redeten Dr. Roland und Dr. Adams aufgeregt durcheinander. Dr. Naru beobachtete die Situation bisher unkommentiert. „Welche?“ sagte ich zitternd. Stille trat ein. Meine Kollegen musterten mich. Dr. Adams sah irritiert aus. „Was meinst du mit welche?“ „Welche der Nazca Linien wurden zerstört?“ fragte ich erneut mit Nachdruck. Dr. Rolands Blick wurde zunehmend skeptisch. „Warum ist das von Belang?“ Ich ignorierte sie und starrte das Bild des Brasilianers an. „Welche drei der Nazca Linien wurden beschädigt?“ fragte ich wieder mit einem nervösen Zittern in der Stimme. Dr. Chandrek erkannte meine Besorgnis. „Soweit ich weiß sind es der Riese, der Kolibri und die Eidechse.“ Für einen kurzen Moment hörte ich nicht ein einziges Geräusch. Alles um mich herum bewegte sich wie in Zeitlupe. Meine Augen weiteten sich. Die Linien von Kalin, Carly und Misty. Das konnte kein Zufall sein. „Ich glaube … das hat nichts mit dem … Reaktor zu tun …“ wisperte ich. „Wie kommen Sie darauf, Dr. Fudo?“ meldete sich plötzlich Dr. Narus tiefe Stimme. Seine Stimme war nur ein dumpfes Geräusch im Hintergrund. Wenn es wirklich diese drei Linien waren, und es tatsächlich mit meinem Alptraum zu tun haben könnte, dann waren meine Freunde in Gefahr! Ich musste ihnen irgendwie helfen, aber dazu brauchte ich mehr Informationen. Dr. Naru wiederholte seine Frage. Dieses Mal hatte ich ihn verstanden. Ich musste mich etwas sammeln, ehe ich antworten konnte. „Es tut mir leid. Wenn sie mich entschuldigen, ich muss etwas überprüfen. Könnten wir diese Unterhaltung morgen um dieselbe Zeit fortsetzen? Bis dahin hat Dr. Chandrek vermutlich neue Informationen.“ Dr. Adams nickte. „Informationen zu sammeln ist im Moment wohl das Beste. Nun denn, meine Herren, die Dame. Bis morgen. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.“ Dann unterbrach er die Verbindung. „Na schön, meinetwegen. Auf Wiedersehen“ sagte Dr. Roland und trennte die Verbindung. Auch Dr. Narus Bild wurde schwarz. „Yusei, warte“ sagte Dr. Chandrek, bevor ich die Verbindung unterbrechen konnte. „Was denkst du, geht hier vor?“ „Ich weiß es nicht. Nenn es eine böse Vorahnung, aber ich glaube dieses Problem ist weit größer, als nur ein defekter Reaktor. Versuch bitte in Erfahrung zu bringen was du kannst, ich mache dasselbe und melde mich morgen.“ „Na schön. Viel Glück!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Brasilianer von mir und ich versuchte eine neue Verbindung nach Peru aufzubauen, um Greygor zu kontaktieren. Er wohnte in einem Dorf in der Nähe der Linien. Wenn mir jemand etwas über den Vorfall in Peru sagen konnte, dann er. Aber leider konnte ich einfach keiner Verbindung herstellen. Frustriert schlug ich mit der Faust auf den Tisch. Sie zitterte. Hoffentlich geht es ihnen gut. Was ist, wenn es schon zu spät ist? Schnell wählte ich Kalins Nummer und starrte auf den Monitor. Mein Herz schlug so schnell gegen meine Rippen, dass ich dachte es würde an ihnen zerschellen. Doch dann erschien das Bild meines weißhaarigen Freundes und mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich atmete erleichtert aus. Er sah aus, wie immer. „Hey Yusei, was ist denn los?“ fragte er und seine olivgrünen Augen musterten mich mit Neugier und Freude. „Wenn es um nächste Woche geht: Ich werde am Freitag ankommen. Pünktlich zum Junggesellenabschied. Wir haben schon was vorbereitet“ fügte er grinsend hinzu. Ich versuchte mich an einem Lächeln, doch ganz gelang es mir vermutlich nicht. „Nein, deswegen rufe ich nicht an.“ Ich stockte. Da das Erdbeben vom peruanischen Geheimdienst unter Verschluss gehalten wurde, konnte ich Kalin nichts davon sagen, sonst würden wir beide Schwierigkeiten bekommen. Stattdessen stellte ich eine andere Frage: „Sag mal, Kalin… Geht es dir gut?“ Das war nicht gerade die unauffälligste Frage, denn wir telefonierten regelmäßig miteinander. Er schien überrascht und überlegte, ehe er mir antworten konnte. „Misty sagte, du bist gerade in China. Sie trifft sich im Moment mit Akiza. Du rufst doch nicht wirklich an, nur um mich zu fragen, wie es mir geht.“ „Nein, aber beantworte die Frage bitte“ sagte ich und wurde nervös. „Mir geht es gut. Wie immer. Hier passiert nicht allzu viel. Aber wie geht es dir denn? Du siehst verdammt fertig aus. Ist wohl nicht nur der Jetlag.“ Erleichterung machte sich in meinem Körper breit. Meine Muskeln waren nicht mehr so angespannt. Kalin war also nicht, wie befürchtet, erneut zum finsteren Auserwählten geworden. Wenn er nicht besessen war, dann würde es Carly und Misty auch gut gehen. Vielleicht sind das alles nur makabre Zufälle. Die Nerven gehen wohl mit mir durch. „Viel zu tun“ sagte ich müde lächelnd. „Ich bin bald wieder daheim und habe dann erst mal drei Wochen Urlaub. Ich befürchte, den habe ich auch bitter nötig. Ich wollte dich nicht stören. Wir sehen uns am Freitag.“ Mit diesen Worten legte ich auf, ohne eine Antwort abzuwarten. Der Rest des Tages verlief ohne Zwischenfälle. Dr. Chang schaffte es, mich mit der Arbeit und ihrer ungezwungenen Art abzulenken. Die Simulation war kniffliger als angenommen. Der Fehler wurde noch immer nicht behoben und ohne die Reparatur konnten wir nicht weiterarbeiten. Den restlichen Sonntagabend verbrachte ich damit, Greygor anzurufen. Oder es zumindest zu versuchen. Dann versuchte ich es bei Akiza und erkundigte mich bei dieser Gelegenheit gleich nach Misty und Carly, doch auch ihnen schien nichts zu fehlen. Nach kurzer Zeit beendete ich das Telefonat. Ich war furchtbar müde, also zog ich mich aus, legte mich hin und fiel fast Augenblicklich in einen unruhigen Schlaf. Und dann kam wieder dieser Traum. Es war der Gleiche, wie letzte Nacht und erneut wachte ich schweißgebadet und in Panik auf. Schnell nahm ich mir mein Handy zur Hand und rief Akiza an. Dummerweise bevor ich meine Gedanken gesammelt und mich beruhigt hatte. Es tat gut ihre Stimme zu hören, auch wenn sie sich Sorgen zu machen schien. Sie beruhigte mich ein wenig und die Panik wich aus meinem Körper. Auf einmal klopfte es an der Tür. Ich beendete schnell das Gespräch und öffnete sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)