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Die Götter hassen mich

von

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In Ketten

Hicks wurde vom Singen seiner eisernen Gitterstäbe unsanft aus dem Schlaf gerissen.

„Guten Morgen, Drachen-Bursche. Ich hoffe du bist heute etwas redseliger als gestern.

Aber für den Fall, dass es nicht so sein sollte, hab ich heute Sieglinde als kleine Motivation für dich mitgebracht.“ Mit einem breiten Grinsen, das seine schiefen, ungepflegten Zähne freilegte, hielt er Hicks die glänzende Klinge eines frisch geschliffenen Dolchs vor die Nase.

„Normalerweise bevorzuge ich ja etwas gröberes Werkzeug, aber du bist so ein hageres Kerlchen und ich muss darauf achten, dass du nicht aus Versehen zu früh den Geist aufgibst.“ Hicks' Augen weiteten sich vor Angst, doch er biss die Zähne zusammen und schluckte seine Furcht so gut es ging hinunter. „Sehen wir doch erstmal, ob Sieglinde überhaupt von Nöten ist“, fuhr Alvin in einem unheilvollen Singsang fort, während er Hicks an die Gitter seines Käfigs fesseln ließ.

Alvin verhöhnte ihn zwar als halbe Portion und hageres Bürschchen, aber er würde sich dennoch nicht zu Hicks in die Zelle begeben, solange der nicht gefesselt war.

Einige von Alvins Leuten hatten diesen Fehler gemacht, als sie ihn aus dem Wasser gezogen und vorübergehend unter Deck eingesperrt hatten.

Hicks hatte noch immer seine Klauen und die Besatzung des Schiffs hatte es gewagt, Hicks davon abzuhalten ins Wasser zurück zu springen und nach Ohnezahn zu suchen. Also hatte er sich verbissen gewehrt und dabei dem ein oder anderen Verbannten eine gehörige Lektion erteilt.

Hicks war nicht stolz auf diesen Umstand, aber immerhin brachte es ihm ein wenig Respekt unter den Verbannten ein – einschließlich Alvin.

Die Fesseln schnitten Hicks in die Haut, doch das würde sein kleinstes Problem sein, da war er sich sicher.

„Wie löse ich den Fluch aus?“, begann Alvin das Verhör erneut, doch Hicks bewahrte eisern sein Schweigen und bereitete sich darauf vor die Konsequenzen dafür zu tragen.

Die Faust, die ihm daraufhin gnadenlos ins Gesicht geschlagen wurde, traf ihn dennoch überraschend. Alvin verlor anscheinend wirklich schnell die Geduld.

Erneut wiederholte er jede seiner Fragen und Theorien vom Vortag und strafte Hicks' Schweigen jedes mal mit einem weiteren Faustschlag in sein Gesicht oder die Magengrube, bis er irgendwann begann Blut zu spucken.

„Starrköpfig wie dein Vater, was? Aber dir fehlt sein Format.

Du wirst schon noch brechen und ich hab auch schon die nächste Idee, wie wir das anstellen könnten.“ Alvin löste die Fessel um Hicks' Oberkörper, packte seinen Haarschopf und riss ihn brutal nach vorn. Gewaltsam drückte er den schmalen Jungen nach unten und kam so problemlos an dessen oberen Rücken heran.

„Ich sollte einfach versuchen dir deine Flügelchen abzuschneiden und sie jemand anderem aufzusetzen. Vielleicht springt so ja auch der Fluch über.“ Hicks Augen weiteten sich vor Angst und Entsetzen, das Blut in seinen Adern gefror und verfiel in vollkommene Panik. Die Schmerzen waren eine Sachen, aber seine Flügel zu verlieren, würde er nicht ertragen.

Verzweifelt wand sich Hicks in seinen Fesseln, schrie aus voller Kehle und schlug wild mit seinen Flügeln um sich.

„Da hab ich wohl einen wunden Punkten getroffen“, prustete Alvin triumphierend hervor. „Du bist wohl doch schon mehr Drache als Mensch, wenn dir deine Flügelchen wichtiger sind als der Rest deines Körpers.

Eigentlich schade. Das wird dem armen Haudrauf das Herz brechen.“ Belustigt zückte der ruchlose Anführer der Verbannten seine Sieglinde, als er endlich eine von Hicks' schwarzen Schwingen zu packen bekam.

„NEIN!“ Hicks' Schreie hallten durch die gesamte Arena, als er die Schärfe der Klinge an seinem Schulterblatt spürte.

„Alvin! Chef!“

„WAS?“ Alvin fuhr wutentbrannt zu der Wache herum, die ihn so impertinent bei seiner Folter störte.

„Die Schiffe werden angegriffen.“

„Wer zur Hölle soll denn meine Schiffe angreifen? Ganz Berk sitzt in seinen eigenen Käfigen.“

„Eine Handvoll Drachen, Chef. Sie lassen sich einfach nicht vertreiben.

Wir schießen auf sie, aber sie bleiben außer Reichweite und greifen wieder an, sobald sich ihnen die Gelegenheit bietet.“

„Was? Drachen?“ Ruckartig zog Alvin Hicks' Kopf wieder hoch, nur um ein wissendes Schmunzeln darin zu sehen. „Du. Wie hast du das angestellt?“

„Und da ist noch etwas, Chef.“

„Was denn noch?“

„Die Männer sagen, sie hätten heute schon den ganzen Tage über immer wieder einen Nachtschatten in der Nähe des Dorfes herumschleichen gesehen.

Ich war in der Gruppe, die bei dem Überfall von dieser Bestie angegriffen wurde, und -“ Der Verbannte deutete auf seinen rechten Arm, der fast vollständig von einem Verband eingehüllt wurde. „Mit dem Vieh ist nicht zu spaßen. Wir sollten es loswerden oder so schnell wie möglich von hier verschwinden.“

„ICH entscheide, was getan wird und wann wir abreisen. Ist das klar?“

„Natürlich, Chef.

Mein Fehler, Chef.

Kommt nicht mehr vor, Chef.“ Als Alvin sich nun erneut Hicks zuwandte, konnte der seine Erlcihterung nicht mehr verbergen. Ohnezahn lebte und bei dieser 'Handvoll Drachen' musste es sich um Astrid und die anderen handeln. Es ging ihnen allen gut und sie hatten noch nicht aufgegeben.

Alvin gefiel dieser Ausdruck auf dem Gesicht seines Gefangenen allerdings gar nicht, also setzte er erneut seinen Dolch an Hicks Rücken an und brachte sein Gesicht so an Hicks', dass der den schlechten Atem des Wikingers riechen konnte als er sprach.

„Wir beide sind noch nicht fertig. Deine kleinen Tricks werden dich nicht ewig retten.

Dein Geheimnis wird mir gehören, ob du es willst oder nicht!“ Mit diesen Worten stieß er Hicks' Kopf nach hinten gegen die Gitterstäbe, setzte Sieglinde an die Wange des Jungen und zierte sie durch eine schwungvolle Bewegung mit einem schmerzhaften Schnitt von seiner Schläfe bis zum Unterkiefer.

„Lasst ihn noch ein paar Stunden hängen und sperrt ihn anschließend in die Zelle neben seinem Vater. Vielleicht kocht ihn ja der liebe Haudrauf für mich weich, oder die unvermeidliche Ablehnung seines Vaters bricht seinen Willen.

So oder so – ich kriege was ich will! Das tue ich immer.“

Hicks war völlig klar, was Alvin vorhatte – er setzte darauf, dass Hicks seinem Vater verraten würde, was er ihm die ganze Zeit verschwieg, und er nur einen seiner Männer das Gespräch belauschen lassen musste.

Entweder das, oder er wartete wirklich darauf, dass Haudraufs pure Anwesenheit Hicks' Kampfwillen brechen würde. Und bis zu diesem Zeitpunkt hätte er damit vielleicht sogar Erfolg gehabt, doch nun wusste Hicks, dass er nicht allein war. Und diese Gewissheit schenkte ihm neuen Mut.
 

Als Alvins Leute nach Stunden endlich kamen um Hicks' Fesseln zu lösen, konnte er seine Gliedmaßen schon kaum noch spüren. Sie kribbelten und brannten, wie verrückt. Seine Arme, Beine und Flügel waren in dieser erzwungenen Haltung eingeschlafen und dementsprechend fiel Hicks ungebremst nach vorne über, als die Lederriemen, die ihn hielten, geöffnet wurden.

Eilig nutzen die Verbannten die Gelegenheit um Hicks von diesem in den nächsten Käfig zu schleifen, so wie Alvin es befohlen hatte.

Unsanft wurde er in die Zelle gestoßen und schlug dort hart auf dem Boden auf, als seine Beine der Belastung noch nicht standhielten.

Hicks brauchte eine kleine Ewigkeit, bevor er seine Gliedmaßen wieder spüren und zuverlässig bewegen konnte. Und die gesamte Zeit über ruhten die Augen seines Vaters unablässig auf ihm.

In Horror betrachteten sie die schwarzen Flügel, die so fremdartig aus Hicks' Rücken erwuchsen und die seinem Sohn doch so vertraut zu seien schienen. Routiniert faltete sein Junge die Schwingen mehrfach zusammen und wieder ein Stück auseinander um wieder Gefühl darin zu bekommen.

Haudraufs Entsetzen steigerte sich ein weiteres mal, als Hicks sich endlich mühselig aufrappelte und zu ihm umdrehte.

Erschrocken zog Haudrauf scharf die Luft ein und starrte mit geweiteten Augen das Gesicht seines Sohnes an, auf das Alvin so engagiert eingeprügelt hatte.

Der Schnitt auf seiner Wange hatte lange Blutschlieren auf Hicks' linke Gesichtshälfte und seinen Hals gezeichnet. Seine Lippen waren aufgesprungen, sein rechtes Auge fast völlig zugeschwollen und die ersten Hämatome begannen bereits sich dunkel auf der ungesund blassen Haut abzubilden.

„Hicks...“ Haudrauf brachte nicht mehr als ein sorgenvolles und ratloses Flüstern heraus.

„Hi, Vater“, antwortete Hicks kleinlaut und versuchte unbeholfen zu lächeln, doch der Schnitt in seiner Wange legte ein schmerzhaftes Veto dagegen ein.

Eine Weile saßen sie sich nur schweigend gegenüber. Jeder in seiner Zelle. Jeder mit einer Entschuldigung auf den Lippen. Jeder unfähig die passenden Worte zu finden um den Anfang zu machen.
 

„Also...“, brach Haudrauf schließlich die unerträgliche Stille zwischen ihnen. „Du... hast Flügel...“ Erneut ließ ein unwillkürliches Schmunzeln Hicks' Schnittwunde schmerzen.

„Ja. Sogar zwei.“ Demonstrativ zuckten seine Schwingen ein wenig und ein schweres Seufzen entfuhr Hicks. „Vater, es tut mir so leid. Ich wollte nicht, dass das so läuft. Ich hab nur -“

„Versucht alles richtig zu machen?“ Überrascht sah Hicks zu ihm auf. „Genau das ist es, was ich jeden Tag in meiner Rolle als Anführer tue. Und eigentlich auch in meiner Rolle als Vater, aber wie es aussieht habe ich in beidem versagt.“

„Es ist nicht deine Schuld, Vater. Ich... Das hier lag weder in meiner noch in deiner Hand.“ Hicks deutete flüchtig auf seine Flügel.

„Was hast du getan Hicks? Warum haben die Götter dich damit gestraft? Oder ist es doch um mich zu bestrafen?“

„Ich würde es nicht unbedingt als Strafe bezeichnen. Nicht mehr.

Aber die Sache ist etwas komplizierter und so ganz hab ich sie auch noch nicht verstanden.“ Eine kurze, unangenehme Pause entstand und Haudrauf wechselte erstmal das unangenehme Thema.

„Sag mal, Hicks. Was ist eigentlich mit Astrid, Rotzbakke und Fischbein? Die drei waren genau wie du verschwunden als der Angriff losging und sie sind auch jetzt nicht hier.

Die Zwillinge waren bei den Evakuierten – wo du auch hättest sein sollen – aber von den beiden fehlt seitdem ebenfalls jede Spur.

Ihre Eltern machen sich Sorgen und liegen mir bei jeder Gelegenheit in den Ohren.“

„Den anderen geht es gut. Sie sind in guten Händen, glaub mir.“ Mehr würde Hicks zu diesem Thema erstmal nicht sagen können. Alvins Wachen waren in der Nähe und er wollte nicht versehentlich etwas sagen, was die anderen in Gefahr bringen oder die Umstände seines 'Fluchs' näher erläutern würde.

„Du wirst Alvin nicht sagen, was er wissen will, oder?“

„Nein! Ich kann nicht.“ Haudrauf nickte zwar, aber in Gedanken schien er schon ganz woanders zu sein. Er hatte einen Entschluss gefasst und wenn Haudrauf der Stoische eine Entscheidung fällte, dann war sie unumstößlich.
 

Zielstrebig stand er auf, lief zur Tür seiner Zelle und rief einen der Wachen zu sich. Hicks hievte sich einer Eingebung folgend ebenfalls vom Boden hoch und beobachtete verwirrt, was sein Vater vorhatte.

„Was soll denn der Krach? Sei still, sonst werd ich -“ Gekonnt griff Haudrauf durch das Gitter, bekam den Kragen des Wachen zu fassen und zog einmal beherzt daran. Die Wache stieß mit dem Kopf gegen die Eisenstangen, verlor das Bewusstsein und sank in sich zusammen.

Hastig angelte Haudrauf den Schlüssel von dessen Gürtel, öffnete seine Zelle und schloss anschließend auch die Tür zu Hicks' Gefängnis auf.

„Ich lasse nicht zu, dass Alvin meinen Sohn zu Tode foltert.“ Als wäre damit alles gesagt, zog er Hicks mit sich durch die Arena, warf im Vorbeirennen den Schlüssel in eine der Zellen, in der die Bewohner Berks zusammengepfercht waren, und machte sich bereit, den ersten Wachen abzuwehren, der sich ihnen pflichtbewusst in den Weg stellte.

Sein Fluchtplan war zum Scheitern verurteilt. Das Dorf wimmelte von Alvins Leuten und auch hier in der Arena waren einige als Wachen positioniert, aber wenn Haudrauf und die Leute aus der Zelle, denen er den Schlüssel zugeworfen hatte, einen Aufruhr verursachten, könnte das Hicks genügend Zeit verschaffen um zumindest aus der Arena zu entkommen. Also zog er diesen Plan genau so durch. Es war nicht die beste Entscheidung als Anführer, aber die beste als Vater.

Mit wildem Kampfschrei warf Haudrauf sich mit bloßen Händen in den Kampf, stieß Alvins Verbannte mühelos beiseite und eröffnete Hicks so eine Möglichkeit zur Flucht.

„Flieh!“

„Aber -“

„Uns kriegt Alvin nicht klein. Und jetzt mach das du hier wegkommst!“ Hicks zögerte, doch aus dem Dorf strömten bereits weitere Verbannte zur Arena. Hier und jetzt konnte er nichts ausrichten, also biss Hicks die Zähne zusammen, drehte sich um und schwang sich nach einem kurzen Anlauf in die Luft.

Sein malträtierter Körper rebellierte, seine Kopfschmerzen hämmerten gegen seine Schädeldecke und sein Kreislauf schickte ihm einen Schwindelanfall.

Trotzdem flog Hicks unbeirrt weiter. Er musste es nur bis in den Wald schaffen. Dort würde ihn Alvin nicht rechtzeitig vor Einbruch der Nacht finden können, aber Ohnezahn oder Sturmpfeil würden ihn gewiss zuverlässig aufspüren.

Der Schwindel und das geschwollene Auge trübten seine Sicht und sein Körper nahm ihm den Schlafmangel und die Erschöpfung der letzten drei Tage verdammt übel, aber Alvins Leute waren dermaßen mit Haudraufs Aufstand in der Arena beschäftigt, dass sie Hicks zu spät bemerkten und es niemand rechtzeitig zu seinem Bogen oder Katapult schaffte um ihn vom Himmel zu schießen, und erreichte er den rettenden Wald.
 

Ungeschickt stolperte Hicks bei seiner versuchten Landung über die Lichtung, die er angesteuert hatte. Sie lag viel weiter östlich als die Bucht, die er eigentlich zum Ziel hatte, aber Hicks wollte nicht riskieren versehentlich den Standpunkt ihres Verstecks preiszugeben, also war er nicht direkt in dessen Richtung geflogen.

Erschöpft schleppte er sich unter das schützende Blätterdach und sank in sich zusammen. Ihm tat alles weh und er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er seinen Vater und die anderen einfach zurückgelassen hatte. Aber was hätte er tun sollen?

Wäre er geblieben, hätte er auch nicht viel ausrichten können, Alvin hätte ihn wieder eingesperrt und vermutlich innerhalb der nächsten paar Tage zu Tode gefoltert. Da hatte sein Vater schon recht. Trotzdem fühlte er sich feige und wie ein Verräter.

Müde lehnte er sich an den Stamm einer alten Eiche und döste ein wenig. Er durfte hier nicht einschlafen, aber er musste etwas Kraft sammeln um seinen Weg zur Bucht fortsetzen zu können.



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