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Die Götter hassen mich

von

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Die Legende von Platon

„...und so kämpfte ich mich durch den Sturm. Allein, auf mich gestellt, doch ich schaffte es und vor mir lagen die Küsten eines mir unbekannten Archipels.“ Alle lauschten gespannt Händler Johann, der seine fantastischsten Geschichten von fernen Meeren und ungesehenen Inseln zum Besten gab. „Und was ich an diesen Ufern vorfand, werdet ihr guten Leute von Berk mir nicht glauben, doch ich verspreche euch bei meiner Ehre als Seefahrer, dass alles der Wahrheit entspricht.

Mein Schiff trieb über das unruhige Wasser und ich steuerte die erste Insel an, in der Hoffnung dort meine Vorräte auffüllen und meine Waren anbieten zu können.

Doch schon bevor ich den Anleger erreichte, sah ich sie – Drachen, die in Schwärmen über der Insel kreisten. Unter ihnen auch solche mit Flügeln so schwarz wie die dunkelste Nacht.“ Viele Wikinger zogen erschrocken die Luft ein, Grobian verschluckte sich an seinem Getränk und auch Hicks wurde hellhörig.

„Schwarze Flügel? Du willst uns doch nicht etwa erzählen, dass du eine Insel voller Nachtschatten gefunden hast? Diese Drachen sind so selten, dass wir hier auf Berk innerhalb der letzten 20 Jahre nur einen einzigen gesehen haben. Zum Glück“, erklärte Kotzbacke vorlaut und alle Umstehenden nickten zustimmend.

„Ich weiß und es wird noch verrückter“, fuhr Johann fort. „Da das Dorf auf der Insel eindeutig bewohnt war und die Drachen Abstand hielten, legte ich – todesmutig und wissensdurstig, wie ich bin – dennoch an.

Ich hätte auch keine andere Wahl gehabt, wenn ich nicht verhungern wollte. Oh die See ist ja eine so grausame Geliebte. Einmal hab ich in einer stürmischen Nacht auf dem Meer sogar...“ Johann begann abzuschweifen.

„Was ist jetzt mit der Insel?“, fragte Astrid mit einer Mischung aus Neugierde und Skepsis und holte den Händler somit wieder zu seiner eigentlichen Erzählung zurück.

„Ach genau. Die Insel.

Ich steuerte mein Schiff also in die Bucht und wurde dort freudig von den Bewohnern empfangen. Sie brachten mir neue Vorräte, sahen sich meine ausgezeichneten Waren an und luden mich zu einem Fest in ihrem Dorf ein. Niemanden schienen die Drachen am Himmel über ihnen zu beunruhigen.

Noch absurder wurde es, als ich mein Schiff verließ und den Dorfplatz betrat.

Die Hybride – sie waren nicht nur über sondern auch IN dem Dorf.“ Der erfahrene Geschichtenerzähler ließ seine Worte einen Moment lang wirken.

„Das ist doch Irrsinn. Johann, du erzählst uns Seemannsgarn. Wenn ein Nachtschatten in dem Dorf gewesen wäre, hätte dort niemand mehr gelebt. Wer einmal Auge in Auge mit dieser Bestie steht, kommt nicht zurück um davon zu berichten.“ Kaum merklich schrumpfte Hicks auf seinem Platz ein wenig zusammen.

„Ich war genauso überrascht wie ihr alle. Doch es ist wahr.

Die Dorfbewohner erzählten mir, dass sie einen Weg gefunden hatten mit den Drachen zu sprechen und nun mit ihnen zusammenleben konnten.“ Rufe voll Unglaube, Entrüstung und Abfälligkeit wurden laut ob dieser Geschichte, die so sehr gegen die alle Prinzipien der Wikinger verstieß.

„Ruhe! Lasst den Mann doch ausreden“, rief Grobian die Masse zur Ordnung. Er stimmte ihnen zwar zu, wollte aber dennoch wissen wie Johanns Geschichte weiterging, und Hicks war ihm mehr als dankbar dafür.

„Zu gütig, Meister Grobian.

Also wie ich bereits sagte: Die Bewohner hatten einen Weg gefunden mit den Drachen zu kommunizieren.

Laut ihren Worten, lebten die Menschen und Drachen dadurch schon seit Generationen Seite an Seite und wurden so zu einer nahezu unbesiegbaren Macht in ihrem Archipel.“

„Wenn man Drachen tatsächlich als Waffen nutzen könnte, würde sich einem kein Gegner mehr in den Weg stellen“, dachte Astrid laut und mit ein wenig zu viel Enthusiasmus in der Stimme. „Das würde einen Wikinger fast unschlagbar machen.“

„Selbst Alva der Schreckliche würde sich nicht mal mehr in die Nähe von Berk wagen“, schaltete sich auch Grobian ein und erntete bei Erwähnung dieses Namens mahnende Blicke von Haudrauf.

„Ganz richtig“; bestätigte Johann und zog so die Aufmerksamkeit aller wieder auf sich. „Diesem Umstand hatten sie es zu verdanken, dass die Insel seit dutzenden von Jahren nicht mehr angegriffen worden war.“

„Aber wie soll man denn mit einem Drachen reden? Die können nicht mal sprechen und verstehen einen doch gar nicht“, unterbrach nun auch noch Raffnuss flapsig den Redefluss den Händlers.

„Wenn ihr mich denn endlich ausreden lassen würdet, könnte ich zu diesem Punkt kommen!“ So langsam wurde Johann grantig, doch er fand seine innere Ruhe wieder und fuhr mit seiner Erzählung fort.

„Der Häuptling des Stammes – eine weise, hochgewachsene Frau, die außerdem ausgesprochen attraktiv war, wie ich zugeben muss – erklärte mir -“

„EINE FRAU?“

„Meister Rotzbacke, HALTET DIE KLAPPE bevor ich sie Euch stopfe!

Ja, eine Frau. Also sie erklärte mir, dass Drachen laut ihren Legenden früher nur ihre vollwertige Drachenform besaßen. Doch dann entschieden die Götter, dass die Drachen zu mächtig waren, und spalteten ihre Seelen in zwei.

Dadurch muss nun jeder Drache erst denjenigen finden, der das Gegenstück zu seiner Seele in sich trägt, um sein wahres Potenzial und seine wahre Gestalt zu entfalten. Dieses Gegenstück nannten die Insulaner 'Paratei'.

Meiner bescheidenen Meinung nach ein reichlich seltsamer Begriff.

Ein Drache, der seinen Paratei noch nicht gefunden hat, ist immer ein Hybrid.

Ein Drache mit Gegenstück kann zwischen den beiden Gestalten wechseln.

Und wenn Drache seinen Paratei verliert, dann bleibt er von diesem Moment an für immer in seiner wahren Gestalt gefangen.“ Johann ließ seinen Zuhörern genug Zeit um das Gesagte zu verarbeiten, aber nicht genug um ihn erneut so impertinent zu unterbrechen.

„Von Zeit zu Zeit kam es dann wohl vor, dass ein Mensch mit der Seele eines Drachen geboren wurde und dieser Mensch dann zu einem Paratei wurde, und so unter anderem die Fähigkeit erlangte, mit den Drachen zu sprechen.

Allerdings hat diese Verbindung wohl auch gewisse Nebenwirkungen.“ Händler Johann setzte eine nachdenkliche Miene auf und wirkte fast so, als würden ihm diese 'Nebenwirkungen' erst jetzt so richtig bewusst werden. „Der Häuptling erzählte mir, dass die meisten Hybride, die einen Menschen als Paratei hatten, sich niemals in einen vollwertigen Drachen verwandeln konnten.

Und sie erwähnte gewisse 'Effekte', die sich auch auf den menschlichen Part auswirkten, die sie aber als Geheimnis bewahren wollte.

Und das obwohl ich sehr vertrauenswürdig bin, möchte ich anmerken.

Wenn ich so recht darüber nachdenke, hatte sie sich auch strickt dagegen geweigert mir einen dieser Drachenflüsterer einmal vorzustellen. Was es damit wohl auf sich hatte?

Das erinnert mich an die eine Zeit, als ich das Geheimnis um den König der Meere aufgedeckt hatte und seine Diener mir...“ Und schon rutschte Johann in die nächste Geschichte, doch Hicks hing geistig noch immer bei der Insel der Drachen.
 

Am nächsten Tag hatte Hicks wieder Dienst in der Schmiede. Er arbeitete hier schon seit er 8 Jahre alt war. Haudrauf hatte gehofft, sein dürrer Sohn würde dadurch etwas an Muskelmasse zulegen, und konnte ihn auf diese Weise auch gleich unter Grobians wachsamen Augen wissen.

„Glaubst du an der Geschichte von Händler Johann ist was dran?“

„Die über den das zweiköpfige Riesen-Yak, das ihn heiraten wollte? Schon möglich. SO unähnlich sieht er einem Yak ja nicht.“ Hicks verdrehte die Augen, während er das fertig geschliffene Schwert an seinen Platz in der Schmiede brachte.

„Nein. Ich meine die Sache mit den Drachen. Das es Leute gibt, die mit ihnen sprechen und zusammenleben können.“

„Meen Jung, der alte Johann hat nur mal wieder Seemannsgarn gesponnen. Glaubst du, wenn das möglich wäre, hatten wir das nicht schon längst gemacht?

Mit Drachen als Waffen wäre Berk vor allen Angreifern gefeit und unbesiegbar. Ganz zu schweigen von den Verlusten, die wir einsparen würden, wenn wir nicht gegen die Drachen kämpfen müssten.

Aber das sind nur Märchen und Fantastereien. Lass dich davon nicht von deinem Training ablenken, wenn du am Ende der Ausbildung den Drachen vor den Augen des Dorfes töten willst.“ Hicks warf seinem Lehrmeister einen vielsagenden Blick zu.

„Ja genau. Weil ich darauf ja auch so große Chancen habe.“

„Na mit der Einstellung wohl kaum.“

„Was ist das hier eigentlich?“; frage Hicks und deutete auf eine Ansammlung an Bauteilen aus einem fremdartigen Metall und einigen ungewöhnlichen Seilen.

„Eine neuartige Drachenfalle, die ich Johann abgekauft hab. Er meinte er hätte sie von professionellen Drachenjägern. Mal sehn, ob die zu was taugt.“

Sofort sprangen Hicks' Gedanken zu seinem Nachtschatten.

„Wo willst du die denn aufstellen?“, versuchte er möglichst beiläufig zu klingen.

„Oh das hab ich schon. Ich hatte 3 gekauft. Bei der hier ist ein Bolzen gebrochen und hat sich in der Halterung verkeilt. Also muss ich sie erst reparieren.

Also von wegen 'professionelle Drachenjäger'. Da muss der alte Grobian doch wieder persönlich ran.“ Fahrig schilderte er Hicks, wo genau er die restlichen zwei Fallen platziert hatte. „Pass bloß auf, dass du da nicht selbst rein gerätst, wenn du dich mal wieder gegen den Willen deines Vaters im Wald rumtreibst. Ich hab mir wirklich Mühe beim Verstecken gegeben.“
 

Hicks beeilte sich mit seiner Arbeit fertig zu werden. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache und wusste, dass er es sich nicht verzeihen könnte am Tod des Drachens, der ihm zuvor in der Höhle das Leben rettete, beteiligt zu sein.

Wegen ihm konnte der Nachtschatten nicht mehr fliegen und saß auf dieser Seite der Bergkette, die die Insel in der Mitte teilte, fest.

Es gab zwar etliche Geschichten darüber, wie gefährlich und grausam Nachtschatten seien, doch wenn Hicks darüber nachdachte, war solange er lebte noch kein Bewohner Berks von einem Nachtschatten getötet worden.

Andererseits brauchte er nicht lange zu überlegen um ein Liste an Wikingern aufzählen zu können, die im Laufe der letzten paar Jahre von einem verletzt worden waren – und auf ganz Berk gab es nur diesen einen Vertreter seiner Art.

Trotzdem hatte er es nicht verdient zu sterben. Hicks schuldete diesem Drachen etwas. Er würde die Fallen entschärfen und sichtbar machen, so seine Schuld begleichen, und damit wäre die ganze Sache dann erledigt und er brauchte sich nicht mehr verantwortlich für den jungen Nachtschatten fühlen. Das war zumindest sein Plan.
 

Am späten Nachmittag machte Hicks sich auf den Weg. Er hatte, unter dem Vorwand Grobian bei der Reparatur helfen zu wollen, den Mechanismus der Falle genau studiert und sich gemerkt wie man sie entschärfte ohne dabei selbst verletzt zu werden.

Zielsicher und in zügigem Schritt schlug er sich durch das Dickicht zum Standpunkt der ersten Falle und tatsächlich hatte Grobian nicht gelogen.

Hicks wäre bei seiner Suche sogar fast selbst hineingetreten, so gut hatte er die Einzelteile zwischen Ästen und Gestrüpp und unter Blättern versteckt.

Vorsichtig befreite er die Konstruktion von Laub und Erde und legte den Mechanismus frei. Er war so aufgebaut, dass ein Drache beim Auslösen in einem beschwerten Netz aus verstärkten Seilen gefangen und zwischen zwei Metallplatten eingeklemmt wurde.

So konnte das Opfer nicht mehr fliehen und wurde ihm schlimmsten Fall von den schweren Platten verletzte oder sogar getötet.

Geschickt durchschnitt Hicks mit seinem Messer (ein Neues von seinem Vater, da er sein altes seit dem Zwischenfall in der Höhle nie wiedergefunden hatte) und machte die zerstörerische Falle dadurch erstmal unschädlich.

„Eine geschafft. Auf zur nächsten.“
 

Als Hicks in die Nähe des Ortes kam, an dem die zweite Fallen sein sollte, bestätigte sich die ungute Vorahnung, die er schon in der Schmied gehabt hatte.

Sein Nachtschatten lag eingeschnürt in die fremdartig gearbeiteten Seile auf dem Waldboden und rührte sich nicht.

Vorsichtig nährte sich Hicks ihm. Er hatte es allem Anschien nach grade noch geschafft, den schweren Platten zu entgehen und war nicht eingequetscht worden. Das wäre bei dem vergleichsweise schmalen Körper des Hybriden auch übel für ihn ausgegangen.

Einige lose Strähnen der schwarzen Haare hingen dem Drachen im Gesicht und wippten schwach in dessen Atem. Er sah jung aus. Höchstens so alt wie Hicks selbst.

„Okay. Ganz ruhig. Ich hol dich da raus. Aber bitte bring mich nicht um“, versuchte er eher sich selbst als den Hybriden zu beruhigen, während er seinen Mut zusammen nahm und sich neben ihn auf den Boden kniete.

Gewissenhaft suchte Hicks nach einem Seil, das nicht ganz so eng um den Körper des Nachtschattens geschlungen war, und begann damit es vorsichtig durchzutrennen.

Mit jedem Schnitt lockerten sich die Fesseln und entblößten blutige Striemen, die wohl entstanden waren als der Drache sich hatte aus den Seilen winden wollen und sie dadurch nur noch enger um sich gezogen hatte.

Hicks zerteilte ein weiteres Seil und im nächsten Augenblick richtete sich der Hybrid ruckartig auf, sprang in an und riss ihn erneut zu Boden.
 

Schon wieder saß der Nachtschatten auf seinem Körper und drückte ihn gewaltsam nach unten. So langsam schien diese Situation zum Normalzustand für die beiden zu werden.

Die klauenbesetzten Hände des Hybriden ruhten auf Hicks' Schultern, aus seinem Mund knurrten ihm zwei Reißzähne entgegen und die giftgrünen Augen fixierten die von Hicks.

Der junge Wikinger rechnete bereits damit, dass ihn erneut die Welle an Eindrücken überrollen würde, doch dieses mal war es anders.

Die Verbindung baute sich auf, die wirren Bilder und Gefühle strömten auf ihn ein, aber traten so weit in den Hintergrund, dass Hicks sie nur noch als Rauschen wahrnahm.

Für einen kurzen Moment vergaß Hicks wer und wo er war. Das einzige, was er sah, waren diese beiden stechend grünen Augen und er fühlte sich auf eine seltsame Art und Weise von dem Drachen verstanden.

Doch dieser Augenblick der Verbundenheit wurde jäh unterbrochen.

Hicks Körper begann sich seltsam zu verhalten. Es fühlte sich an als würden seine Knochen sich unter seiner Haut neu ausrichten und genau so klang auch das Knacken, von dem die Bewegungen begleitet wurden.

Seine Schulterblätter wanderten von ganz allein ein Stück über seinen Rücken und im nächsten Moment erfüllten Hicks wahnsinnige Schmerzen.

Ein Schmerzensschrei klang aus seiner Kehle und ließ den Nachtschatten erschrocken wegspringen.

Hicks drehte sich auf dem Boden um und krümmte sich vorne über.

Die anschwellenden Schmerzen zogen sich durch seine gesamte Wirbelsäule, bis sie ihren Höhepunkt mit einigen lauten Knack-Geräuschen erreichten und anschließend sofort abklangen.



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