Zum Inhalt der Seite

Amigo del alma

Boston Boys 5
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Tímido acercarse

Mat schrieb mir später tatsächlich noch, ob ich ihn auf dem Rückweg mitnehmen könnte. Da war ich jedoch schon lange wieder daheim und mit Chico unterwegs. Daher schrieb ich ihm, dass ich ihn durchaus abholen könnte, er jedoch mit der Bahn vermutlich schneller wäre. Wie vermutet bedankte er sich und fuhr allein. Dafür drohte er an, noch bei mir vorbeizuschauen und etwas zu Essen mitzubringen. Ihm zu widersprechen, wäre unnötig gewesen.

Daher sammelte ich Chico ein und verabschiedete mich von Leonardo. Er hatte zum Glück nichts von meiner negativen Reaktion wegen seines Freundes bemerkt und Kamila hatte mich auch nicht verraten. Der Gedanke war zwar immer noch komisch, ich fand ihn aber nicht mehr ganz so abartig wie zuvor. Vermutlich weil ich selbst endlich eingestehen konnte, auf Männer zu stehen. Das hieß jedoch nicht, dass ich mit ihm darüber reden musste. Dafür kannte ich ihn nicht gut genug.

Zu Hause schaffte ich es noch gerade so, etwas Ordnung im Bad zu schaffen, bevor sich meine Wohnungstür öffnete und Mat hereinkam. Er steckte den Kopf hinein und grinste breit. »Du hast vergessen, dir eine Schürze umzubinden.«

Ich schnaufte. »Am besten noch vorher alles andere ausziehen, oder wie?«

»Nee, ich will ja keinen Augenkrebs bekommen.« Er verzog angewidert das Gesicht, schaffte es jedoch nicht ganz, das Grinsen dabei aufzugeben.

»Vorsicht, was du sagst!« Ich schlug ihm das Putztuch gegen den Hinterkopf.

»Hey. Im Gegensatz zu deinem Bad bin ich sauber!« Er strich mit dem Finger über die Heizung und hielt mir dann den staubbedeckten Finger unter die Nase. »Du hast auch immer deine Frau putzen lassen, oder?«

Ertappt zog ich den Kopf ein. »Ich musste eben arbeiten.«

»Ja klar, und deine Frau nicht. Macho!«

Ich zuckte mit den Schultern. So war es eben schon immer gewesen, ich hatte es nie anders gelernt. Meine Mutter hatte den Haushalt allein gemacht, bis Noemí alt genug gewesen war, ihr zu helfen. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, meinen Vater, Lázaro oder mich um Hilfe zu bitten. Dass ich zumindest allein etwas Essbares zustande bekam, lag nur daran, dass mich Kochen interessierte. Mit dem restlichen Haushalt hatte ich mich nur zwangsweise auseinandergesetzt und vieles erst in den letzten Monaten aus dem Internet gelernt.

»Wann hast du Geburtstag?«

Überrascht über diesen plötzlichen Themenwechsel brauchte ich einen Moment, um ihm zu antworten: »27. März, warum?«

Er schien mit der Antwort nicht zufrieden. »Na gut, dann bekommst du den Haushaltskurs eben zu Weihnachten.«

Ich schlug ihm leicht gegen die Brust, konnte mir aber ein Lachen nicht verkneifen. Vermutlich hatte ich das wirklich nötig. »Spielst du solange für mich die Frau?«

»Pft! Vergiss es! Dafür bezahlst du mich nicht gut genug.«

»Na gut, dann muss ich das eben doch allein machen«, gab ich nach. Dabei wusste ich ganz genau, dass Mat manchmal heimlich putzte. Es wäre ihm peinlich, wenn ich ihn darauf ansprach, aber er hatte schon ein paar Mal Ordnung geschaffen, während ich nicht da war, wenn es ihm zu schlimm wurde. Aber meistens waren wir eh bei ihm, weil er dort ungestört rauchen konnte. »Was hast du denn mitgebracht?«

»Pizza. Wir waren mit Glow noch essen, um einiges in Ruhe zu besprechen, und ich hab dir eine mitgebracht.«

»Oh, danke. Aber ich dachte, wir essen zusammen?«

Er grinste. »Keine Sorge, ich bleibe hier und unterhalte dich während des Essens.«

Schulterzuckend stimmte ich zu, auch wenn es mir nicht ganz gefiel.

Ich handelte mir einen tadelnden Blick ein, weil ich die Putzhandschuhe einfach nur ins Waschbecken warf und ging in den Flur, wo ein Pizzakarton auf der Kommode stand.

Chico hatte sich genau davor platziert und sabberte vor sich hin.

Das war mutig von Mat. Der Hund hätte sich den locker von dort runterholen können.

Nachdem ich mir Teller und Besteck besorgt hatte, setzte ich mich auf die Couch. »Wann hast du Geburtstag?«

Diesmal schien Mat einen Moment zu brauchen. Vielleicht überlegte er sich auch, ob er mir nur mit einem dummen Kommentar antwortete, wer wusste das schon. »27. November. Also dieses Jahr genau ein Tag vor Thanksgiving.«

Ich nickte und war mir nicht sicher, ob ich deshalb traurig sein sollte. Ich hatte meinen Eltern versprochen, an Thanksgiving zu ihnen zu fahren und es tatsächlich so drehen können, dass ich frei bekam. Dafür hatte ich freiwillig an Ostern und Independence Day gearbeitet und würde auch Weihnachten Schicht schieben. Aber die Tage waren mir auch nicht ganz so wichtig, wie Thanksgiving mit der ganzen Familie auf Noemís und Jonathans Farm zu verbringen. Gleichzeitig hieß das nun aber auch, dass ich Mats Geburtstag nicht mit ihm feiern konnte.

Ich stockte. Dachte ich wirklich darüber nach, ihn mitzunehmen? Das war doch Unsinn! Niemals würde ich mit ihm zu meiner Familie fahren!

Er musterte mich neugierig. »Was ist los?«

Ich schüttelte den Kopf. »Mir fiel nur gerade ein, dass ich noch keine Flugtickets gebucht habe. Ich fliege Thanksgiving zu meiner Familie, ich sollte mich langsam darum kümmern.«

»Solltest du. Erfahrungsgemäß sind die ja sehr schnell weg.«

Während er antwortete, behielt ich ihn genau im Auge. Was dachte er darüber? Doch ich konnte nichts erkennen. Offenbar interessierte es ihn nicht, dass ich nicht da war.

Ich öffnete den Karton und fand darin eine Pizza mit BBQ-Sauce, Hackfleisch, roten Zwiebeln, Jalapeños und Baconstreifen. Okay, da hatte er tatsächlich sehr gut meinen Geschmack getroffen. »Willst du, dass ich noch vor dir an Herzversagen sterbe?«

»Da müsste ich mir schon deutlich mehr Mühe geben.«

Der ernste Tonfall ließ mich aufblicken. Dass er nicht im Geringsten grinste, machte mir Angst. »Hast du nicht gesagt, durch die Medikamente kannst du gut leben?«

»Ja, kann ich auch. Solange sie wirken.«

»Willst du mir damit sagen, dass sie es nicht mehr tun?«

»Nein. Es ist alles gut. Ich fühl mich nur in letzter Zeit nicht so gut. Aber mit den Werten ist alles in Ordnung. Vielleicht brüte ich auch nur wieder etwas aus.«

Nachdenklich nickte ich. Vermutlich. Zumindest wurde der Husten in den letzten Wochen wieder stärker. »Sag Bescheid, wenn ich dir irgendwas besorgen kann.«

Er schmunzelte. »Wirst du jetzt zum korrupten Cop? Hab ich dich so versaut? Dass du mich privat angerufen hast, war sicher auch nicht nach den Regeln, oder?«

»Tristan wollte nicht, dass ich dich anrufe. Aber als er vor Weinen nicht mehr reden konnte und etwas von einer Leiche gestottert hat, blieb mir nichts anderes übrig.«

Mat nickte nachdenklich. »Er hatte vermutlich Angst, dass ich meckere, weil sie mit jemandem nach Hause gegangen sind.«

»Warum? Ich meine ... Nein, egal, ich will es nicht wissen.« Ich nahm mir endlich ein Stück Pizza.

»Wenn ich dir etwas verraten würde, müsstest du deswegen ermitteln, oder?«, fragte Mat und klang dabei wirklich neugierig. Ernst nickte ich. Ja, müsste ich. »Dann ... Danke.«

Ich winkte ab. Ich wollte dafür keinen Dank. Es ging mir gehörig gegen den Strich, wegzusehen. Ich fand es nicht gut, dass er die Jungs weiter auf der Straße ließ, statt sie dort wegzuholen.

»Wegen deiner Frage: Ich halte es für gefährlicher, wenn sie bei jemandem unterkommen. Meistens sind dann Drogen im Spiel, manchmal kommen die Jungen nie wieder, sie verschwinden einfach ... Oder tauchen als Leichen wieder auf ... Habt ihr Shawn gefunden?«

Ich seufzte. »Ja, haben wir ... Nein, ich werde dir keine Fragen dazu beantworten. Tristan wird morgen noch einmal verhört, du wirst da einiges erfahren. Aber ich darf mit dir nicht privat darüber reden.«

»Bist du dann wieder dabei?«

Ich schüttelte den Kopf. »Eine andere Kommission übernimmt den Fall. Es wäre mir auch nicht recht, erneut mit dir in der Art zu arbeiten.« Ich hoffte einfach, dass er das nicht falsch verstand. Seine Idee, die Jungs zu mir zu schicken war sicher gut gemeint, aber ich konnte nichts für sie tun. Und gleichzeitig hatte ich Angst, dass meine Kollegen hinter unser Verhältnis kamen.

Besorgt sah Mat mich an. »Hast du Ärger bekommen wegen mir?«

»Nein. Ich will aber auch nicht, dass es so weit kommt. Ich hab dem Kollegen gesagt, dass wir Nachbarn sind und du auf Chico aufpasst. Er hat versprochen, das nicht an die große Glocke zu hängen.«

Er nickte. »Du wirst mir also auch nicht sagen, wie Shawn gestorben ist?«

»Nein, Mat. Bring mich bitte nicht in diese Zwickmühle. Ich darf es dir nicht sagen. Frag morgen den Kollegen, der das Verhör führt. Du wirst den Jungen doch dabei unterstützen, oder nicht?«

»Ja, natürlich. Ich hoffe, Chico verzeiht es uns, wenn er den ganzen Tag allein bleibt.«

Ich sah zu ihm rüber, der in seiner Ecke seelenruhig schlief. »Er wird das schon überstehen. Ich versuche, pünktlich Feierabend zu machen, und du musst ja auch nicht so früh los wie ich. Das wird schon gehen.«

Mat lachte. »Klar, du machst pünktlich Feierabend. Ich verwette meinen Arsch, dass du wieder mindestens ’ne Stunde länger machst.«

»Boah, du bist ja schlimmer als Maria!«

»Maria ist deine Exfrau, oder?«

»Hmm?« Was war das für eine komische Frage?

»Du hast nie ihren Namen genannt. Aber ich vermute mal, dass es Maria ist.«

»Ach so, ja. Eigentlich heißt sie Esther, aber bis auf meine Familie nennt sie jeder bei ihrem zweiten Vornamen.«

»Ist deine Familie echt so konservativ, dass sie nicht einmal Spitznamen zulässt?«, fragte Mat überrascht.

»Nein, eigentlich nicht. Meine Eltern mögen sie auch, sie ist fast wie ihr viertes Kind. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass meine Schwester auch mit Zweitnamen María heißt.«

»Moment. Du heißt mit Zweitnamen José und deine Schwester María?« Mat versuchte, das Grinsen zu verbergen.

Ich stöhnte genervt. Diese Reaktion kannte ich schon zu genüge. Die Namen waren weit verbreitet, aber mit der Kombination hatten uns unsere Eltern sicher keinen Gefallen getan. »Ja. Und unser kleiner Bruder heißt Jesús.«

Nun brach Mat in schallendes Gelächter aus, bis er meinen strengen Blick sah. Er riss sich zusammen. »Sorry.«

»Schon gut, meine Eltern sind eben sehr religiös«, winkte ich ab. »Sie hatten die Hoffnung, dass mit diesen Namen fromme Menschen aus uns werden würden.«

»Hey.« Mat legte seine Hand vorsichtig auf meinen Arm. »Nur weil du schwul bist, heißt das nicht, dass du kein frommer Mensch sein kannst.«

»Ich weiß. Aber meine Eltern würden das anders sehen.«

Verstehend nickte er und streichelte mit dem Daumen über meinen Oberschenkel, bis ich ihn leicht anlächelte und meine Hand auf seine legte, als Zeichen, dass es genug war. Er verstand und nahm sie weg.

»Wie ist es eigentlich bei deiner Familie?«, versuchte ich, das Thema zu wechseln.

Er zuckte mit den Schultern. »Sie ist nicht vorhanden. Ich bin mein ganzes Leben von einer Pflegefamilie zur nächsten gewandert.«

»Das tut mir leid.«

Er zuckte die Schultern. »Muss es nicht.«

»Ist dein Bruder aus einer Pflegefamilie?« Wenn ich ihm zu viele oder zu private Fragen stellte, würde er mir das hoffentlich sagen. Vermutlich wieder auf seine ihm eigene Art.

»Nein, nicht ganz.« Mat zögerte einen Moment, erzählte dann jedoch weiter. »Ich hab ihn auf der Straße kennengelernt und wir haben uns zusammengetan. Das ist meistens sicherer. Später sind wir dann zusammen zu einem Pflegevater gekommen.«

Ich nickte. Es war schon ein paar Mal durchgeklungen, dass sie zusammen auf der Straße waren, ich war mir jedoch nicht sicher gewesen, ob sie sich dort oder in einer Familie kennengelernt hatten.

Ohne, dass ich fragte, erzählte er weiter, was mich überraschte. »Früher hat Peter auch noch mit den Jungs geholfen aber ... Sagen wir es so: Er hat sich einen Fehler erlaubt, den ich ihm nicht verzeihen kann. Darum möchte ich ihn nicht in der Nähe der Jungs wissen.«

»Was für einen Fehler?«

»Er hat bestätigt, dass alle Männer Schweine sind. Tut mir leid, mehr möchte ich darüber nicht sagen.« Er griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. »Kommt heute was Interessantes?«

»Keine Ahnung, schau doch selbst nach.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Schüchterne Annäherung Komplett anzeigen

Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück