Amigo del alma von Vampyrsoul (Boston Boys 5) ================================================================================ Kapitel 1: Invitación indeseable -------------------------------- Schwungvoll riss ich die Tür zur Sportsbar auf und trat ein. Ich musste nicht lange suchen, meine Kollegen saßen am selben Tisch wie sonst auch. Schnellen Schrittes machte ich mich zu ihnen auf den Weg. Murphy konnte was erleben! »Hey, da ist Meléndez ja endlich!«, wurde ich von Chang begrüßt, als er mich bemerkte. »Hat der Captain dir die Hölle heiß gemacht?« Ich ignorierte ihn und baute mich stattdessen vor Murphy auf. »Was fällt dir eigentlich ein?!« »Komm, beruhig dich, Eloy.« Stevenson, der dritte im Bunde, stand auf und legte mir die Hand auf den Unterarm. Sofort schüttelte ich sie wieder ab. »Was ist denn nun schon wieder passiert?« Unsere Kollegen waren es gewohnt, dass Murphy und ich nicht immer miteinander klarkamen. Er war ein Grünschnabel, der nicht die geringste Ahnung von Polizeiarbeit hatte. Doch diesmal hatte er es eindeutig zu weit getrieben! »Er hat meinen Verdächtigen laufen lassen!« »Weil du nichts gegen ihn in der Hand hattest. Du hättest ihn sowieso wieder laufen lassen müssen.« Dass er dabei die Augen hinter seiner Brille verdrehte, ließ meine Wut nicht abflauen. »Ich hätte ihn die Nacht schmoren lassen können! Dieser widerliche Junkie hätte schon noch ausgepackt. Aber der Herr musste sich ja einmischen und mich dann auch noch beim Captain anschwärzen!« Chang und Stevenson sahen etwas hilflos zwischen uns hin und her. Sie schienen nicht sicher, ob sie eingreifen mussten. »Gar nichts hätte er ausgepackt, weil er nichts getan hat«, erklärte Murphy in gelangweiltem Ton. »Und ob! Er hat dem Jungen das Geld abgenommen!« »Der Junge hat ihm das Geld zurückgegeben, das er ihm vorher geliehen hat.« »Selbst wenn!« Diese Geschichte, die der Perverse erzählt hatte, war so unglaubwürdig. Er hatte ganz genau gewusst, wo er auf den Jungen warten musste. »Es ändert nichts daran, dass er Geschäfte mit einem Stricher gemacht hat. Und du brauchst mir nichts erzählen, ich bin lange genug Polizist, um zu wissen, wie ein Stricher aussieht!« Noch immer ärgerte mich, dass ich zu spät realisierte, was geschah, sodass ich das Nummernschild des Autos, das den Jungen am Straßenrand abgesetzt hatte, nicht lesen konnte. Aber allein die Art, wie er sich von dem deutlich älteren Herrn verabschiedet und dann das Geld aus seiner Hosentasche gezogen hatte, um es diesem abgefrackten Wichser zu geben, der dort auf ihn wartete, war mehr als eindeutig. Ich hatte mich entscheiden müssen, ob ich dem Jungen hinterherrannte, der sofort Reißaus nahm, oder mir den Zuhälter schnappte. Ich hatte mich für den Zuhälter entschieden, der – abgesehen von seiner großen Klappen – anstandslos mitgekommen war. Aber ich hatte ihn noch nicht einmal wirklich verhören können, da war Murphy hereingeplatzt und hatte verkündet, dass der Scheißkerl gehen durfte. Nach dem Dienst durfte ich mir dann eine Standpauke beim Captain abholen, weil ich meinem Kollegen die Meinung gegeigt hatte. »Watkins?«, fragte Stevenson in den kurzen Moment der Stille hinein. Murphy nickte ernst. Chang verzog das Gesicht, als hätte er in etwas wirklich Widerliches gebissen, und schüttelte den Kopf. »Kumpel, lass die Finger davon. Das geht für dich nicht gut aus. Du kannst dabei nur verlieren.« Stevenson packte mich bei den Schultern und drückte mich auf einen freien Stuhl am Tisch. »Chang hat recht. Lass es gut sein. Du hast da eh keine Chance. Im schlimmsten Fall bekommst du es mit Watkins’ Anwalt zu tun; und glaub mir, das willst du nicht! Der ist zwar schon etwas in die Jahre gekommen, dennoch reicht dem im Großraum Boston keiner das Wasser.« »Das ist doch nicht euer Ernst?!« Ungläubig sah ich meine Kollegen an. Sie ließen diesen kleinen Pisser in Ruhe, weil er angeblich einen guten Anwalt hatte? War ich im falschen Film gelandet? »Doch.« Chang nickte bekräftigend. »Mann, glaub uns, das geht nicht gut aus.« »Außerdem hast du da ganz eindeutig den Falschen. Watkins ist zwar ein riesen Arschloch, aber er ist garantiert kein Zuhälter«, erklärte mir Murphy. »Konzentrier dich lieber auf die wichtigen Dinge. Ansonsten bist du deinen Job schneller wieder los, als dir lieb ist.« Ich schnaubte. Das hatte der Captain mir auch gesagt. Wenn sie jedoch glaubten, dass ich mich einschüchtern ließ, dann kannten sie mich schlecht. Ich würde diesen Punk dingfest machen! Im Notfall auch ohne ihre Hilfe. Murphy musterte mich einen Moment, schüttelte leicht warnend den Kopf, sagte jedoch nichts mehr dazu. Stattdessen machte er der Bedienung Platz, damit diese die leeren Gläser der drei einsammeln und – nach einem skeptischen Blick auf mich – die Bestellung aufnehmen konnte. Da ich durch die ganze Sache noch nicht zum Essen gekommen war, bestellte ich eine große Portion Chicken Wings und ein Dr. Pepper. Bis auf Stevenson orderten die anderen Bier. Offensichtlich hatte er den Fahrdienst übernommen, den normalerweise ich verrichtete. Während wir auf die Bestellung warteten, erzählte uns Chang von der angeblich ›heißesten Blondine Bostons‹, der er während des Dienstes begegnet war. Halb amüsiert, halb gelangweilt hörte ich zu. Diese Storys waren nichts Neues. Er hatte jede Woche eine andere zu erzählen und manchmal fragte ich mich, ob er überhaupt seiner Arbeit nachging. Die drei waren nett, ich traf mich gern nach der Arbeit mit ihnen, aber beruflich war Stevenson der Einzige, dem ich etwas zutraute. Chang war ständig auf Brautschau und Murphy war einfach nur unfähig. Leider hatte ich mich den ersten Monat, den ich hier in Boston gearbeitet hatte, ausgerechnet von ihm einarbeiten lassen müssen. Zum Glück war die Zeit vorbei. Häufig genug hatte ich das Gefühl gehabt, mehr auf ihn aufzupassen, als von ihm zu lernen. Als Chang mit seiner Geschichte fertig war, kam auch endlich mein Essen. Indem ich den Teller etwas in die Mitte schob, bot ich den anderen an, sich zu bedienen, und nahm mir dann selbst. Der Magen hing mir in den Kniekehlen. Murphy nahm sich, dann wandte er sich an mich: »Du bist doch Single, Meléndez, oder?« Ich sah auf und musterte ihn. Was interessierte ihn denn mein Beziehungsstatus? »Ich nehme das mal als Ja«, beschloss Stevenson und grinste, als hätte er mich in eine Falle gelockt. Offenbar hatte ich von vornherein keine Chance gehabt, etwas anderes zu behaupten. »Nein, ich gehe nicht mit euch in einen Stripclub!« Das fehlte mir gerade noch! Ich hatte keine Lust, mir mit ihnen halbnackte Weiber anzuschauen. Ich konnte mir daran nichts Erotisches vorstellen. »Jetzt tu mal nicht so, als wärst du jemals in einem gewesen. Dafür hat dich deine Ex viel zu gut unter Kontrolle gehabt. Außerdem bist du viel zu spießig«, mutmaßte Chang mit einem breiten Lächeln und schnipste mir gegen das Ohr. Ich schlug seine Hand weg. Musste er unbedingt auf meine Exfrau zu sprechen kommen? Es war ein Fehler gewesen, ihnen von Maria und der Scheidung zu berichten. Dennoch hatte er nicht ganz Unrecht: Privat war ich noch nie in einem Stripclub gewesen. Die Gründe waren jedoch nicht ganz richtig. Solche Bars interessierten mich schlichtweg nicht. Da es ihn aber nichts anging, zuckte ich nur mit den Schultern. Sollte er glauben, was er wollte. Stevenson sprang schnell dazwischen: »Ist doch egal. Was ich eigentlich fragen wollte: Meine Freundin Angelica und ich haben am Donnerstag unser Halbjähriges und ich wollte sie zum Essen ausführen. Jetzt hat sich aber ihre beste Freundin von ihrem Macker getrennt und hängt uns die ganze Zeit auf der Pelle. Angelica möchte unbedingt, dass sie mit zum Essen kommt, damit sie nicht allein rumsitzen muss.« Es war mehr als offensichtlich, was er von diesem Vorschlag hielt. »Da dachte ich mir, es wäre doch nett, wenn sie auch eine Begleitung hätte.« Ich wischte mir mit einer Serviette etwas Fett aus dem Henriquatre und erwiderte dann uninteressiert Stevensons Blick. Glaubte er wirklich, dass er sie auf diese Weise für mich interessant machte? Wohl kaum. »Warum fragst du nicht Chang, er mag bestimmt mit.« »Das ist Angelicas beste Freundin! Wenn ich der Chang vorsetze, seh ich Angelica nie wieder.« Bevor Chang sich darüber echauffieren konnte, was er nach seinem Gesichtsausdruck definitiv vorhatte, ergänzte Stevenson: »Außerdem muss er arbeiten.« Ich murrte leise vor mich hin. Normalerweise hätte ich ja auch einfach behauptet, dass ich arbeiten musste, aber das kaufte mir keiner ab. Sie kannten meinen Dienstplan. »Kennst du niemanden anderen, der mitgeht? Ich hab schon was vor.« »So? Was denn?«, fiel Murphy mir in den Rücken. Wohlwissend, dass ich natürlich nichts geplant hatte. Ich warf ihm einen bösen Blick zu. Ich hatte ihn heute sowieso schon gefressen, gerade machte er sich nicht beliebter. »Geht dich nichts an!« »Komm schon, Meléndez, hab dich nicht so. Du wärst ideal! Sie steht auf ältere Latinos. Du hast dafür auch was gut bei mir.« Stevenson klang fast schon bettelnd. Älter, ja? Na, er sollte mal ganz schnell die Klappe halten. So viel jünger war er auch nicht. »Wie alt ist sie denn? Das ist aber nicht so ein komplett unreifes Küken, oder?« »Nein. Sie ist Mitte dreißig. Glaub mir, sie wird dir gefallen. Sie sieht nicht nur gut aus, sie hat auch wirklich was im Köpfchen.« »Aha.« Ehrlich, mir war das total egal. Ich wollte sie nicht treffen. »Bitte! Du kannst für diesen kleinen Gefallen alles von mir verlangen, was du willst.« Flehend sah er mich an. »Auch, dass du mich endlich in Ruhe lässt?« Nun lächelte er siegessicher. »Sobald du zugestimmt hast.« Genervt stöhnte ich. »Wenn es denn unbedingt sein muss.« Er würde ja sowieso keine Ruhe geben. Und irgendwann würde ich einen Gefallen brauchen, wenn ich mich an die Sache mit diesem Watkins wagte. Dann setzte ich mich eben mit Stevenson und den beiden Damen in ein Restaurant und machte das Beste daraus. Es war nun wirklich nicht so, als hätte ich etwas Besseres zu tun. »Danke! Du hast wirklich etwas gut bei mir!« Er zückte sein Handy und begann zu tippen. »Wir treffen uns zwanzig Uhr am Hafen. Ich schick dir gleich noch die Adresse fürs Navi. Wegen dem Essen musst du dir keine Gedanken machen, ich lad euch ein.« Ich schüttelte den Kopf. So weit kam es noch! »Nein. Wenn ich schon mit ihr auf ein Date gehen soll, dann zahle ich auch. Wie sieht das denn aus, wenn du zahlst?« Chang pfiff. »Er hat Manieren, der Kerl.« »Irgendwer hier muss die ja haben«, konterte ich und hatte diesmal die Lacher auf meiner Seite. Erschöpft kam ich in der Nacht wieder zu Hause an. Wir hatten nicht weiter über Murphys unmögliche Aktion gesprochen und es wurde recht entspannt, dennoch stand mein Entschluss nach wie vor: Ich wollte diesem widerlichen Pisser das Handwerk legen! Dafür war ich Polizist geworden, nicht, um vor irgendwelchen Anwälten zu kuschen. Bei einem kurzen Blick auf mein Smartphone stellte ich fest, dass es ausgegangen war. Vermutlich hatte ich mal wieder vergessen, es zu laden. Machte aber nichts, ich brauchte es eh so gut wie nie. Schon gar nicht im Dienst. Nachdem es kurz geladen hatte, schaltete ich es an, nur um es gleich darauf wütend auf die Ablage zu schmeißen. Die hatte mir gerade noch gefehlt! Wenn sie etwas wollte, sollte sie sich an meinen Anwalt wenden! Immerhin war sie doch diejenige, die sonst nur noch über ihren mit mir kommunizierte. Ich hatte ihr nichts mehr zu sagen, geschweige denn noch mehr zu geben. Sie bekam doch bereits alles. Mehr hatte ich nicht! Statt zurückzurufen oder auf die unverschämte SMS einzugehen, nahm ich eine Flasche Dr. Pepper aus dem Kühlschrank und setzte mich ins Wohnzimmer. Nachdem ich den Fernseher angeschaltet hatte, um mir die Spätnachrichten anzusehen, nahm ich den Laptop auf den Schoß und startete ihn. Eigentlich hatte ich noch etwas spielen wollen, um mich zu entspannen, doch es wollte nicht gelingen. Meine Gedanken gingen immer wieder zu Maria und warum sie versucht hatte, mich zu erreichen. Es gab doch nun wirklich nichts mehr, was wir uns zu sagen hätten. Ich hatte ihr das Haus überlassen und zahlte regelmäßig den nicht geringen Unterhalt. Was wollte sie mehr? Oder hatte sie es sich anders überlegt? Nein! Das würde sie nicht tun! Wir waren fast zwanzig Jahre verheiratet und ich hatte sie immer gut behandelt, sie würde sich das jetzt nicht einfach so überlegen. Bitte nicht! Ich schlug den Laptop zu und lief zurück in die Küche. Schnell griff ich nach dem Handy. Ich musste herausfinden, was sie wollte. Wenn sie es sich jetzt doch anders überlegte, war ich geliefert! Gerade als ich den Anruf tätigen wollte, fiel mir auf, dass es viel zu spät war. Wir hatten es bereits weit nach Mitternacht. Trotz der Zeitverschiebung lag sie sicher schon im Bett. Ich konnte es mir nicht leisten, sie noch weiter zu verärgern, indem ich sie aus dem Bett klingelte. Ich schrieb eine halbwegs reumütige SMS, dass mein Akku leer gewesen war und sie es am nächsten Morgen noch einmal versuchen sollte, dann legte ich das Handy zurück, schaltete alle Geräte aus und ging ins Bad. Wenn ich wach blieb, würde ich mir nur weiter den Kopf zerbrechen. Sollte es wirklich wichtig sein, würde sie auf die Nachricht reagieren, und ansonsten musste ich hoffen, dass sie nicht so wütend war, mich nicht zu erreichen, wie es ihre SMS andeutete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)