Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [20.10.2011 – J08 – Hinterhalt] ------------------------------- Die Wellen trafen rauschend auf die Felsen unterhalb der Promenade. Eine Welle nach der anderen wurde gebrochen. Der nächtliche Seewind wehte angenehm in Pakhets Gesicht. Wie lange war sie schon nicht mehr einfach hier gewesen? Einfach in der Nähe des Strandes. Sie hatte es als Jugendliche, als sie hier gewohnt hatte, bevor sie für das Militär in die USA zurückgekehrt war, häufiger gemacht. Gerade hier in Green Point hatten sich Jugendliche öfter getroffen. Jedenfalls, wenn man ein wenig mehr Taschengeld bekam. Die Sachen hier waren nicht zu teuer und dabei cool genug. „Du hattest Recht“, gab sie zu und sah zu Jack hinüber, der neben ihr ging. „Das hier ist nett.“ „Nett, sagt sie.“ Er schmunzelte. Es war Abend, knapp nach zehn, Donnerstag. Sie hatte sich mit Jack zum Abendessen getroffen, weil er sie gefragt hatte – als Freund. Sie konnte es gebrauchen, mit jemanden als Freund zu reden. Speziell mit jemand anderen als Heidenstein, mit dem es doch immer wieder seltsam wurde. Sie lächelte milde. „Was soll ich sonst sagen?“ „Es war eine wunderbare Idee hierher zu kommen. Vielen Dank für den Vorschlag, Jack.“ Er lachte, schüttelte dann aber den Kopf. „Wenn es nicht klar ist: Ich mache dumme Scherze.“ Pakhet zuckte mit den Schultern, lächelte. „Es ist klar.“ Sie schaute aufs Meer, das sich als schwarze Ebene in die Dunkelheit erstreckte. „Willst du mich aufmuntern?“ Er stellte sich neben sie. „Du wirktest angespannt. Ich dachte, ich versuche, dass du etwas entspannter wirst.“ Er klopfte auf ihre Schulter in einer wirklich freundschaftlichen Geste. „Ich habe gehört, dass du Ärger mit deinem Chef hattest.“ „Murphy?“ Sie fragte sich, was er mit Jack zu tun hatte. „Siobhan“, erwiderte Jack. „Beziehungsweise ihr seltsamer Möwengeist.“ „Was hast du mit ihrem Möwengeist zu tun?“ Pakhet musterte ihn, unsicher ob sie amüsiert oder besorgt sein sollte. „Der Möwengeist ist bereit erstaunlich viel zu tun, wenn man ihn mit Fisch bezahlt.“ „Viel? Will ich genaueres Wissen.“ Er gluckste. „Möwen sind unauffällig, wenn es darum geht Situationen zu überwachen. Man bemerkt sie praktisch gar nicht.“ Und um seine Worte zu unterstreichen flogen drei krächzende Möwen in genau diesem Moment über ihn hinweg. Er sah hinauf, lachte. „Du meinst eher, dass man ihnen meistens keine Beachtung schenkt“, erwiderte sie. Sie setzte ihren Weg fort. „Ja, das stimmt wohl.“ Sie atmete tief durch. Tatsächlich tat es gut, hier zu sein. Die Meeresbrise tat ihrem Gemüt gut, half ihr, sich zu entspannen. Es tat auch gut zusammen mit Jack zu lachen. Offenbar hatte er tatsächlich akzeptiert, dass sie ihn nur als Freund sah. Jedenfalls nahm sie von ihm keinerlei andere Andeutungen mehr wahr. Er wirkte offen, nett, aber eher freundschaftlich. Locker. Es tat gut mit ihm zu reden, selbst wenn sein Blick zwischenzeitlich immer wieder in die Ferne schweifte. Für einen Moment schwieg er, dann ging er neben ihr her. „Und, was ist sonst so?“ Sie hatten schon den ganzen Abend geredet, wenngleich oberflächlich. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Also zuckte sie mit den Schultern. „Was soll sein?“ Auch er zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Neue Entwicklungen in deinem Leben. Du hast mir noch gar nicht gesagt, wie es dem Doc geht.“ „Dem geht es wunderbar. Er hat in letzter Zeit immer mehr in seinem Krankenhaus zu tun und ich nehme an, dass das eine gute Sache ist. Er macht dafür weniger für die Firma und … Ja. Je seltener er sich in die Nähe von Feuerwaffen begibt, desto besser.“ „Vertraust du ihm nicht?“, fragte Jack. „Natürlich vertraue ich ihm.“ Sie warf ihm einen irritierten Seitenblick zu, schüttelte dann den Kopf. „Nein. Ich bevorzuge nur zu wissen, dass er sicher ist.“ „Ah, ja. Natürlich.“ Sein Blick war vielsagend. „Natürlich?“ Er grinste verschmitzt, wich ihrem Blick aus, sah gen Himmel. „Nichts, nichts.“ Pakhet verdrehte nur die Augen. Sie wollte besser nicht wissen, was er wieder dachte. Es war wahrscheinlich dasselbe, dass auch Murphy dachte und sowieso … Jeder. Sie selbst wollte nicht darüber nachdenken. „Und bei dir?“ „Was?“ Er sah zu ihr. „Was macht das Leben bei dir?“ „Dasselbe wie immer. Ich lebe. Und hey, ich bin seit beinahe zwei Wochen nicht mehr angeschossen worden.“ „Oho. Große Fortschritte.“ Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Riesige Fortschritte“, erwiderte er. Dann holte er tief Luft. „Ansonsten? Ich habe zwei kleine Jobs gehabt. Informationsbeschaffung. Dafür auch die Möwe.“ „Aha.“ „Ja.“ Er verfiel in Schweigen. „Ansonsten … Ich war Abends häufiger weg.“ „Weg?“ „Bars. Sowas.“ Er setzte gedankenverloren einen Fuß vor den anderen, blickte weiter zum Himmel hinauf. Die Nacht war größtenteils sternenklar. Nur einzelne Wolken hingen am Himmel. Rötlich reflektierten sie das Licht der Stadt, das wie ein Kegel über ihnen zu hingen schien. „Was machst du in Bars?“, fragte sie, vorrangig um das Gesprächsthema bei ihm zu halten. Ein vages Schulterzucken. Er ging zum Geländer der Promenade, lehnte sich hinüber, um auf das Meer zu schauen. Da war wieder der verlorene Blick in seinen Augen. „Was man in Bars macht“, antwortete er schließlich. „Trinken. Leute kennenlernen.“ „Partnersuche?“, schloss Pakhet. Jack holte tief Luft. Es schien ein halbes Seufzen zu sein. „Na ja. Ja. Ein wenig. Aber irgendwie auch nicht. Ich glaube nicht, dass ich so leicht jemanden finde, der zu mir passt und mit dem ich …“ Er wandte ihr seinen Kopf zu. „Du weißt schon.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sag schon.“ „Na ja, mit dem ich wirklich zusammen sein könnte. Manchmal rede ich mit den Leuten, aber irgendwie … Es klickt nicht, weißt du?“ Sie versuchte vage reinzuschauen. Was war die angemessene Antwort auf diese Frage. „Nicht wirklich“, gab sie schließlich zu. „Ich bin nicht wirklich eine Beziehungsexpertin.“ „Bist du aromantisch?“, fragte er. Nun zuckte sie mit den Schultern. „Vielleicht so etwas, ja. Keine Ahnung. Habe einfach … Besseres …“ Weiter kam sie nicht, als der gedämpfte Knall eines Schusses die Nacht durchschnitt. Pakhet dachte nicht lang. Sie schreckte zur Seite, stieß Jack mit sich. Sie sah die Kugel nicht, meinte aber etwas zu spüren, dass knapp von ihr entfernt die Luft durchschnitt. Wenn es eine Kugel war, landete sie wohl im Meer hinter ihnen. Sie fuhr herum, suchte ihre Umgebung mit den Augen ab. Es bestand keine Frage: Die Kugel war für sie bestimmt. Der Lautstärke und allem nach, war ihr Gegner auf mittlerer Distanz. Gewehr, aber kein Scharfschützengewehr. Sie waren mitten im Offenen. Zwischen ihnen und den nächsten Gebäuden waren knapp hundertfünfzig Meter Grasebene, auf der nur vereinzelte, kleine Bäume standen. Auf ihrer anderen Seite waren Felsen und das Meer. Ja, ein möglicher Notfallplan, doch ein beschissener, wenn sie bedachte, wie schlecht sie schwimmen konnte. Es war mit der Prothese einfach nicht leicht. Ein weiterer Schuss. Dieses Mal traf er deutlich auf den Boden vor ihnen, ließ einen der Pflastersteine zersplittern. „Pakhet?“, fragte Jack angespannt. Baum. Die kleine Baumgruppe auf der Mitte des Grünstreifens war die beste Möglichkeit. „Renn. Baum.“ Mehr sagte sie nicht, als sie selbst lossprintete. Fuck. Das war ein Assassine. Das war jemand, der wegen ihr hier war. Für sie bestand daran kein Zweifel. Warum auch sonst? Wahrscheinlich war er auf einem der Apartmenthäuser. Mit einem üblichen Jagdgewehr hätte er damit fast die optimale Distanz. Es war eventuell ein bisschen zu weit – deswegen hatte er auch noch nicht getroffen. Fuck. Wie sollte sie ihren Angreifer erreichen? Sie hatte ihre Pistole dabei, sowohl ihre normale, als auch die Pfeilpistole, doch keine davon hatte die effektive Distanz, um jemanden auf dem Dach eines zehn oder zwölfstöckigem Gebäude zu treffen. Nicht, wenn sie auf dem Boden war. Und zehn Stockwerke konnte sie nicht springen. Sie hatte ein paar Kräfte, aber sie war nicht Superman. Fuck. Ein weiterer Schuss. Dann hatten sie die Baumgrenze, die den kleinen Park von der Straße trennte erreicht. Wenn sie richtig über die Position des Schützen lag, so sollte dieser keine Sicht mehr auf sie haben. Der Winkel war nun auch nicht mehr optimal. Ein Fluchen hinter ihr. Sie sah sich um. Jack hielt sich die Hüfte. Er hatte echt nicht gescherzt, oder? „Erschossen?“, fragte sie. „Streifschuss“, zischte er. Sie schloss die Augen und fluchte leise. „Bleib hinter dem Baum.“ Damit schaute sie über die Straße zu den Gebäuden. Wo war er? Wo? Da. Sie sah eine Bewegung. Sie schloss das rechte Augen, um rein mit dem magischen Auge zu sehen, das von der Dunkelheit und dem blendenden Straßenlicht weniger eingeschränkt war. Ja. Jemand war aufgestanden. Er sah auf sie hinab. Er hatte das Gewehr in der Hand, versuchte sie wahrscheinlich zu sehen. Verdammt. Sie musste verrückt sein. Dennoch rannte sie auf die Straße. Es war nicht mehr viel Verkehr. Sie musste den Typen ablenken, möglichst vielleicht auch einschüchtern. Das Gebäude war U-förmig. Und es hatte Balkone auf der Seite. Das konnte sie nutzen, zumal die Balkone versetzt angebracht waren. Sie hoffte nur, sie hatte genug Energie. Ausdauer. Sie lief. Ein weiterer Schuss, doch er traf die Straße weit hinter ihr. Sie machte einen Satz, der sie gute fünf Meter weiter nach vorne beförderte, auf die andere Seite der Straße. Jetzt müsste er zum Rand des Gebäudes kommen, um sie zu treffen. In der Ferne ertönten Sirenen. Jemand musste die Polizei gerufen haben. Sie sah am Gebäude hinauf. Er sah hinab. Es war dunkelhäutig oder trug dunkles Camouflage, doch genaues konnte sie nicht erkennen. Er zielte, doch als sie ihre Waffe zog, fluchte er, stolperte vom Rand des Daches zurück. „Feigling“, zischte sie. Sie rannte um das Gebäude, als weitere Schüsse erklangen. Pistolen, dieses Mal. Zusammen mit dem Quietschen eines driftenden Wagens. „Oh Fuck.“ Sie ging hinter einem der am Straßenrand packenden Wagen in Deckung, kauerte sich zusammen. Hatten sie sie gesehen? Weitere Schüsse, offenbar blind in die Gegend gefeuert. Arschlöcher. Unprofessionelle Arschlöcher. Einige Autoalarme gingen los. Ohrenbetäubender Lärm erfüllte die Straße. Da hinten kam der Wagen um die Ecke. Es war ein Landrover. Zwei Leute hingen aus dem Beifahrerfenster heraus. Einer von ihnen ziemlich sicher ein Asiat. Sie sollte sie aufhalten, sie erschießen, doch war es das wirklich wert? Nein. Die Polizei war hierher unterwegs. Sie wollte nicht hier mit einer Waffe bei sich gefunden werden, schon gar nicht, wenn sie bedachte, dass es da Nel gab. Nel, der Einfluss bei der Polizei ausübte. Und da war noch Jack. Sie blieb in ihrem Versteck. Sie fuhren vorbei. Schossen wild in die Gegend. Verschwanden um die Ecke. Etwas wurde gerufen. Sie hörte es über den Lärm nicht gut genug, um zu verstehen. Dann entfernten sich die quietschenden Reifen des Wagens. „Fuck“, murmelte sie. Sie wandte sich ab und lief zurück zu Jack, der mit dem Rücken zum Baum, der zwischen ihm und der Straße war, auf den Boden gesunken war, sich nun sein Hemd gegen die Seite drückte. Sie hockte sich neben ihn. „Lass uns schauen, dass wir hier wegkommen.“ Er sah sie an, versuchte ein verwegenes Grinsen. „Aber sicher, Sweetheart.“ Sie verdrehte die Augen, half ihm auf. „Ich dachte darüber wären wir hinweg.“ Jack lachte leise. Offenbar konnte selbst ein Streifschuss ihn seinen Humor nicht nehmen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)