Mosaik von Alaiya (Urban Fantasy Thriller) ================================================================================ [23.09.2011 – F05 – Machtspiele] -------------------------------- Noch drei Tage, dann würden sie nach Johannisburg fliegen. Bis dahin musste sie sich bemühen, alles normal wirken zu lassen. Sie war in der Firma, schlug Zeit tot. Eigentlich hätte sie Arbeit für Heidenstein erledigen sollen, hätte sich um die Security in seinem Krankenhaus kümmern sollen. Sie hatte es ihm versprochen, doch wollte sie Michael keinen weiteren Grund geben, sauer auf sie zu sein. Deswegen stand sie hier. Wieder einmal im Schießstand. Schießen half ihr, sich zu konzentrieren, half ihr, nicht alles tausendfach zu hinterfragen. Sie musste sich gänzlich auf ihre Waffe und das Ziel konzentrieren. Auf die Waffe, das Ziel und ihre Atmung. Pakhet atmete ein, aus, schoss. Beinahe ein Volltreffer. Aber nicht gut genug. Im Ernstfall konnten wenige Zentimeter den Unterschied machen. Wenn sie verfehlte, dann konnte es den Unterschied machte, ob der Gegner noch einmal feuern konnte. Noch einmal! Einatmen, ausatmen, schießen. Die Tür ging auf. „Pakhet“, sagte jemand. Sie sah sich um. Sie trug die vorgeschriebene Schutzkleidung nicht einmal. Warum? Sie hatte es nie eingesehen. Sie konnte gut genug mit den Waffen umgehen. Im Feld trug sie weder Ohrenschutz noch eine Schutzbrille. Agent war in den Raum gekommen. Sie hatte ihn ewig nicht mehr gesehen. Er hatte eine neue Narbe, offenbar von einem Job, der nicht ganz nach Plan verlaufen war. Aber es hätte schlimmer sein können. Die Narbe war am Rand seines Halses. Das hätte schnell tödlich sein können. „Agent“, meinte sie. Wirklich gut konnte sie ihn nicht leiden. „Ich war eben bei Mr Forrester“, erwiderte er. „Er will mit dir reden.“ Sie musterte den Hacker. Gerne hätte sie etwas erwidert. Sie besann sich jedoch eines besseren. Michael. Was wollte er jedoch schon wieder? Es war ein Powerplay. Eine Vorführung seiner Macht. Anstatt sie zu nerven, wie er es früher immer getan hätte, wollte er ihr zeigen, dass er sie zu sich rufen konnte. Sie wollte ihm diese Genugtuung nicht gönnen, doch was für eine Wahl hatte sie schon? Sie nickte. „In Ordnung.“ Damit sicherte sie ihre Waffe, steckte sie ins Holster an ihrem Gürtel. Agent musterte sie, sagte jedoch nichts weiteres. Kein Abschied. Gar nichts. Auch gut. Sie konnten beide einander nicht leiden. Gegenseitigkeit war doch etwas angenehmes. Missmutig ging sie zum Treppenhaus, ging in das oberste Stockwerk. Michael. Sie konnte ahnen, was er von ihr wollte. Es gefiel ihr nicht, doch zumindest konnte sie sich innerlich darauf vorbereiten. Endlich war sie vor seiner Tür, klopfte, wartete aber auf keine Antwort. „Du hast mich rufen lassen“, sagte sie voller Sarkasmus. „Also, was willst du?“ Michael saß vor seinem Rechner, schien etwas auf dem Bildschirm zu lesen und sah zu ihr hinüber. Berechnung lag in seinem Blick. Herablassung. „Ah, da bist du ja, Jojo. Ich dachte, ich habe mal wieder ein kleines Gespräch mit dir.“ Er zeigte auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisch. Sie blieb mit verschränkten Armen in der Nähe der Tür stehen. „Dann rede.“ „Ich habe gehört, du hast neue Hobbys.“ „Vielleicht? Und?“ Er konnte sie nicht davon abhalten, etwas zu tun. „Bist du nicht der Meinung, dass das etwas gefährlich ist?“, meinte Michael. Wieder wandte er sich dem Rechner zu. Eine deutliche Geste: Er musste keine Angst vor ihr haben. Sie würde ihn nicht erschießen. Wie sehr sie es doch hasste, dass er Recht hatte. „Wenn ich etwas gefährliches mache, ist es meine Entscheidung, Michael.“ Er zuckte mit den Schultern. „Deine. Ja. Und die, deiner ganzen neuen Freunde. Hmm.“ Er stützte den Kopf auf seiner Hand auf. „Wie geht es deinem Mitbewohner?“ Aus den Augenwinkeln sah er zu ihr. Natürlich wusste er es. Sie hatte es nicht wirklich geheim gehalten, doch sie wollte es ihm nicht aufbinden. „Gut genug.“ „Du bist selbst erstaunlich gut, dem Tod zu entgehen, Joanne“, meinte Michael. „Aber willst du wirklich darauf bauen, dass es dem guten Doktor und dem Straßenjungen ähnlich geht? Ihr legt euch mit ziemlich mächtigen Leuten an.“ „Was weißt du darüber?“ Ihre Muskeln spannten sich an. Dabei konnte sie nichts tun. Michael zuckte mit den Schultern. „Nun, wer zehntausend für deinen Kopf bieten kann, hat Geld und wer Geld hat, hat Macht.“ Er grinste. „Du kennst die Regeln.“ Wenn sie mehr Informationen wollte, sollte sie zahlen. Auf die Gefahr hin, dass er ihr falsche Informationen gab, um sie in eine Falle zu locken. „Nun, bisher hat es niemand auf mich angelegt.“ „Noch nicht. Aber wenn du so weitermachst … Stell dir vor, jemand würde etwas über den guten Doctor herausfinden. Oder über den Jungen. Was würde dann wohl passieren?“ „Ist das eine Drohung?“ Es klang ganz danach. „Es ist nur eine Feststellung. Gänzlich neutral.“ Nun wandte er sich wieder ihr zu. „Aber, Joanne. Willst du es wirklich darauf ankommen lassen. Was ist hier überhaupt dein großes Ziel? Willst du dich beweisen?“ Sie antwortete nicht. Er würde es ohnehin nicht verstehen. Stattdessen zwang sie sich zu einem kühlen Lächeln, bemüht das Pochen ihres Herzens zu ignorieren. „Wie du es sagst, Michael. Ich brauche einfach ein Hobby.“ Dann hielt sie inne. „War das alles?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)