Dead End von Lichtregen (Endeavor x Hawks) ================================================================================ Kapitel 3: Bad Luck ------------------- „In zehn Minuten sind wir da“, sagte Enji schließlich und ließ das Fahrzeug an der Ampel zum Stehen kommen. „Und was genau ist unser Ziel?“, fragte Hawks mit wissbegierig funkelnden Augen. „Wir haben einen Tipp bekommen, der uns nach Meguro führt. Genauer gesagt zu einem kleinen Restaurant. Unserem Informanten sind Gerüchte zu Ohren gekommen, dass ein Mann, der sich selbst „Spinner“ nennt, dort regelmäßig ein- und ausgeht, ohne etwas zu bestellen.“ Hawks legte stirnrunzelnd den Kopf zur Seite und Enji fuhr rasch fort, um dessen Fragen zuvorzukommen. „Dieser Mann ist unserer Kontaktperson vom Schwarzmarkt bekannt, wo er illegal mit Reptilien handelt. Wir haben zwar noch nichts gegen ihn in der Hand, aber aufgrund seiner sonstigen Aktivitäten und Verbindungen hegen wir zumindest den Verdacht, dass er Schutzgelder für die Yakuza eintreibt... eben in diesem Restaurant in Meguro.“ „Ich verstehe“, warf Hawks nickend ein, während die Lichtanlage auf Grün wechselte und Enji das Gaspedal betätigte. „Dann werden wir diesem Spinner in dem Restaurant auflauern, um ihn auf frischer Tat zu ertappen, wie er zum Beispiel im Hinterzimmer verschwindet. Und wenn er das Restaurant mit einer Tasche, die er vorher nicht dabei hatte, verlässt, heften wir uns an seine Fersen, verpassen seinem Fahrzeug – sofern er eines benutzt – einen Peilsender und finden so heraus, ob er uns zu anderen Mitgliedern bringen oder weitere Informationen liefern kann.“ Enjis Augen weiteten sich überrascht. Er musste zugeben, dass er dem Grünschnabel solche Ausführungen nicht zugetraut hatte. Entgegen seinen Erwartungen und dem bisher flapsigen und unverschämten Verhalten des anderen schien dieser sein Handwerk doch zu beherrschen, wie er mit einem Hauch von Respekt für diesen anerkennen musste. „Korrekt“, erwiderte Enji. „Unseren Informationen nach zufolge trifft die Zielperson alle zwei Wochen entweder dienstags oder donnerstags zwischen 17 und 18 Uhr ein und hält sich dann etwa 5 bis 10 Minuten in dem Laden auf. Wir sollten uns daher –“ „Wir sollten uns am besten aufteilen“, fiel Hawks ihm ins Wort und strich sich nachdenklich mit der Hand über seinen Kinnbart. „Einer von uns sollte drinnen als vermeintlicher Kunde auf Spinner warten, während der andere draußen die Stellung hält und mitteilt, sobald sich die Zielperson nähert. Da du eher aussiehst wie ein abgekämpfter Arbeitnehmer, der sich nach einem anstrengenden Arbeitstag noch schnell was zwischen die Kiemen schiebt, schlage ich vor, dass du den wartenden Kunden mimst und ich draußen Wache schiebe.“ Enji überging den kleinen Seitenhieb auf sein Äußeres, wusste er doch selbst gut genug, dass sich seine prekäre häusliche Situation langsam auch auf seinem Gesicht abzeichnete, und knurrte: „Das wäre auch mein Vorschlag gewesen.“ „Obwohl...“, warf Hawks zögernd ein. „Gibt es in dem Laden auch Yakitori?“ „Was spielt das für eine Rolle?“ „Hast du mir vorhin nicht zugehört?“, fragte Hawks empört. „Meine Leibspeise ist Hähnchen! Und mein Magen hängt echt auf halb acht...“ Wie zum Beweis ertönte ein lautes Knurren von Hawks‘ Körpermitte, was diesen leicht beschämt grinsen ließ, während er seine Hand in den Nacken legte. „Ups...“ Enji schnaubte kurz ob des plötzlichen Wandels des Blonden zu seinem vorigen Selbst und brummte: „Zum einen steht es außer Frage, dass ich als älterer und erfahrener Polizist und zudem Leiter der Ermittlungen die wichtigere und gefahrenträchtigere Aufgabe der direkten Beschattung übernehme. Und zum anderen ist der Laden auf Ramen spezialisiert, also bezweifle ich, dass er auch Yakitori anbietet.“ „Och, schade“, resignierte Hawks leicht schmollend und ließ sich in den Beifahrersitz zurückfallen. „Aber dann bring mir wenigstens was Leckeres mit, Endeavor-san!“ „Wir werden sehen...“ Fünf Minuten später hatten sie das Auto zwei Straßen vom Restaurant entfernt geparkt und liefen durch den jetzt nunmehr nur noch leichten Regen in Richtung ihres Zielortes. Zum Glück schien das Wetter die meisten Hungrigen abgeschreckt zu haben, vor die Tür zu gehen, denn vor dem Laden wartete derzeit niemand, um eingelassen zu werden. Die Chancen, dass Enji direkt einen guten Sitzplatz bekam, von dem aus er die Machenschaften der Zielperson beobachten konnte, waren also gar nicht so schlecht. „Wie sieht dieser Spinner eigentlich aus?“, wollte Hawks wissen, zog den Kragen seiner Jacke gegen den eisigen Wind noch ein Stück höher. „Ich habe auch kein Foto, aber die Beschreibung des Informanten ist recht detailliert, also solltest du keine Probleme haben, ihn zu erkennen, sobald er sich nähert“, erklärte Enji, wich dabei mit einem großen Schritt einer Pfütze aus, in die Hawks, der einen halben Schritt hinter ihm ging, prompt hineinstolperte. „Iih! Jetzt sind meine Füße ganz nass...“ „Dann pass halt auf, wo du hintrittst“, murrte Enji, der keine Lust hatte, dem Gezeter des anderen mehr Aufmerksamkeit als nötig zu schenken. „Jedenfalls“, fuhr er fort, Hawks ignorierend, der ein angewidertes Gesicht ob seiner durchweichten Schuhe machte, „soll Spinner ca. 1,75 m groß sein, lange, violett gefärbte Haare haben und oft einen roten Schal tragen.“ Enji blieb stehen, als sie noch etwa 50 Meter vom Restaurant entfernt waren, und drehte sich zu Hawks um. „Du weißt, was du zu tun hast?“ „Klar“, entgegnete Hawks, plötzlich wieder mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich halte mich im Hintergrund und schreibe dir eine Nachricht, sobald er sich dem Laden nähert. Deine Nummer habe ich ja jetzt“, fügte er zwinkernd hinzu. „Gut“, brummte Enji nur und sah ihn erwartungsvoll an. „Und während du das Geschehen drinnen verfolgst, schaue ich mir sein Auto näher an, sofern er mit einem ankommen sollte. Und falls nicht, warte ich darauf, bis er wieder herauskommt, und beschatte ihn weiter unauffällig, bis du zu mir stößt.“ Enji nickte und war gegen seinen Willen erneut beeindruckt von der schnellen Auffassungsgabe des Jüngeren. Vielleicht musste er sich doch eingestehen, dass Yagi mit diesem einen guten Fang gemacht hatte. Aber noch war es nicht aller Tage Abend... Schweigend gingen sie die letzten Meter nebeneinander her, ehe Hawks an einer Ecke stehen blieb, von der man den Eingang des Restaurants im Blick behalten konnte, ohne selbst von dort gesehen zu werden. Enji drehte sich nicht um, sondern hob nur kurz die rechte Hand und sagte „Bis später.“, bevor er die Eingangstür öffnete und im Inneren verschwand. Drinnen war es stickig, die warme Luft gesättigt von wohlriechenden Essensdämpfen, wie üblich in einem Ramen-ya. Enji zog den Mantel aus und hängte ihn über einen Stuhl am Tresen. Dieser stand zwar mit dem Rücken zum Gang, aber von ihm konnte er sowohl aus dem rechten Augenwinkel die Eingangstür als auch aus dem linken Augenwinkel die Tür, die offensichtlich zu den hinteren Zimmern führte, im Blick behalten. Er warf einen Blick auf die Uhr. 16:55 Uhr. Entweder sie hatten Glück oder Pech... vielleicht war Spinner auch schon am Dienstag hier gewesen. Das würde sich zeigen. Einen Versuch war es jedenfalls wert. Er nahm auf dem Barhocker Platz, studierte die kurze Karte, die auf einer Tafel über dem Tresen angebracht war, und entschied sich – um seiner Tarnung eines einfachen Gastes gerecht zu werden und, wenn nötig, einen Grund zu haben, länger zu bleiben – für Age Gyouza und eine würzige Karai Tokusei Miso mit einer extra Portion Chaashuu. Wo er so darüber nachdachte, waren seit seinem Mittagessen auch bereits einige Stunden vergangen und bei ihm meldete sich langsam der Hunger. Er gab seine Bestellung bei dem Mann Mitte Vierzig auf, der sowohl Koch als auch Kellner in einem war, und wartete, jede Faser seines Körpers angespannt, das Handy verkrampft in seiner schwitzigen Hand. Als er merkte, dass dies einen ziemlich auffälligen Eindruck machen könnte, wenn er nicht gleichzeitig darauf herumtippte – wozu er gerade wirklich nicht die Nerven hatte –, legte er es vor sich auf dem Holztresen ab und ließ stattdessen den Blick unauffällig durch den Raum schweifen. Außer ihm waren noch drei weitere Gäste anwesend, die sich auf die insgesamt zehn Sitzplätze verteilten und alle in ihre eigenen Angelegenheiten oder Schüsseln vertieft waren. Da die anderen Gäste wenig Spannendes zu bieten hatten, beobachtete er schließlich den Koch bei der Arbeit. Nach nicht einmal zehn Minuten standen eine heiße Schüssel Suppe und ein Teller mit frittierten Teigtaschen vor ihm auf dem Tisch. Das japanische Fast Food machte seinem Namen in dieser Hinsicht alle Ehre. Enji nahm sich ein Paar Einweg-Holzstäbchen und begann zu essen, das Smartphone dabei nicht aus den Augen lassend. Jeden Moment... Doch weitere fünf Minuten vergingen und nichts passierte. Enji stocherte verkrampft in seiner Suppe, stierte gebannt sein Handy an, als ihn plötzlich ein eisiger Luftzug erfasste und er hörte, wie die Tür aufging. Er hob den Blick und sah, wie eine Person den Laden betrat, den Türrahmen in der linken, ein Mobiltelefon, das laut dem kleinen Klingeln gerade eine Nachricht erhalten hatte, in der rechten Hand. Im gleichen Moment vibrierte sein eigenes Handy. Enjis Pranke griff nach dem Gerät, ehe sowohl er als auch der violetthaarige Fremde auf ihr Telefon schauten. Die Nachricht war kurz und reichlich spät: „Er kommt.“ Enji hob erneut den Kopf, der andere tat es ihm gleich und für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke. Er wusste sofort, dass etwas gewaltig schief gegangen war, denn der Mann namens Spinner versteifte sich, erstarrte mitten in der Bewegung und stierte ihn an. Noch ehe Enji reagieren oder überhaupt das soeben Geschehene verarbeiten konnte, hatte seine Zielperson bereits auf dem Absatz kehrt gemacht und war aus der Tür gestürmt. Enji, der sich einen Wimpernschlag später aus seiner Starre lösen konnte, sprang von seinem Stuhl auf, warf zwei 1.000 Yen-Scheine – viel zu viel, aber das war ihm in diesem Moment gleichgültig – auf den Tisch und preschte, seinen Mantel in der Hand, Spinner hinterher. Enji stolperte aus der Ladentür, suchte mit seinem Blick hektisch die Umgebung ab, bis dieser schließlich Spinner erfasste, der in etwa 20 Metern Entfernung gerade in ein kleines weißes Auto sprang. Er sprintete los, jede Vorsicht außer Acht lassend – denn was würde diese jetzt noch bringen, wo zum einen seine Tarnung aufgeflogen zu sein schien und zum anderen damit zu rechnen war, dass Spinner das Restaurant bestimmt nicht ein weiteres Mal aufsuchen, sondern seine Aufgabe an jemand anderen abgeben würde? Während er rannte, schmiss der Flüchtende die Fahrertür zu und startete den Motor. Just in dem Moment, als er das Fahrzeug erreichte, die Hand schon zum Griff der Fahrertür ausgestreckt, heulte dessen Motor auf und Spinner, auf dessen Gesicht Enji die nackte Angst sah, raste davon. „Verdammt!“, schimpfte Enji und blanker Zorn wallte in ihm auf, den er jetzt, wo ihm seine Beute so knapp vor der Nase entkommen war, nicht mehr zu zügeln vermochte. Wo war eigentlich Hawks, wenn man ihn brauchte? Sollte dieser nicht aufpassen und ihm nicht nur rechtzeitig die Ankunft der Zielperson ankündigen, sondern auch Maßnahmen ergreifen, um das Ziel weiter verfolgen zu können? Doch von dem Burschen war keine Spur zu sehen, obwohl Enji ihm doch eindrücklich klar gemacht hatte, dass er in der Nähe bleiben sollte. Spinners Auto war gerade um die nächste Ecke gebogen, als er hinter sich ein weiteres Geräusch vernahm. Immer noch vollgepumpt mit Adrenalin reagierte er blitzschnell, drehte sich um und sprang intuitiv einen Schritt zur Seite, als er den Toyota Auris mit quietschenden Reifen auf sich zufahren sah. Einen knappen Meter vor ihm kam der Wagen leicht schlitternd zum Stehen. „Spring rein, Endeavor-san!“, rief Hawks, der auf dem Fahrersitz saß und sich über den Beifahrersitz beugte, durch das geöffnete linke Fenster. Das ließ er sich nicht zweimal sagen, hechtete zur Beifahrertür und noch ehe er sich richtig hatte hinsetzen und die Tür hinter sich schließen können, drückte Hawks bereits wieder auf das Gaspedal und raste dem anderen Auto hinterher, das sie, kaum hatten sie die gleiche Kurve wie dieses zuvor genommen, in einiger Entfernung ausmachen konnten. „Wolltest du mich umbringen?“, blaffte Enji, als er wieder zu Atem gekommen war, und warf Hawks einen vernichtenden Blick aus seinen eisblauen Augen zu. „Nicht doch!“, wiegelte Hawks ab und beschleunigte vor der nächsten abknickenden Kreuzung so stark, dass Enji fürchtete, sie würden gegen die Häuserwand krachen. Instinktiv krallte er sich an dem Griff über dem Seitenfenster fest, um den Ruck, der durch das Auto ging, abzumildern. „Du hast mich gerade fast überfahren, Hawks!“, donnerte Enji, dessen Stimme sich fast überschlug, als sie die nächste Haarnadelkurve mit einer Affengeschwindigkeit nahmen. „Und mit deinem Fahrstil bringst du uns auch noch um!“ „Was denn, ist doch alles gut gegangen!“, meinte Hawks achselzuckend und lenkte, scheinbar mühelos, aber leichtsinnig, das Fahrzeug mit einer Hand. „Hände ans Lenkrad!“, bellte Enji und fürchtete das erste Mal – seitdem er sich vor so vielen Jahren die Narbe im Gesicht zugezogen hatte – um sein Leben. „Ist ja gut, Chef.“ Hawks gehorchte und nahm das Lenkrad nun in beide Hände, ohne aber seinen halsbrecherischen Fahrstil zu ändern. Entweder war Hawks ein echtes Naturtalent beim Fahren oder er hatte nicht nur – wie er behauptete – bei seiner allgemeinen Ausbildung, sondern auch beim Fahrsicherheitstraining der Polizeiakademie Bestnoten erzielt. Sie hatten die kurvenreichen, engen Gassen des vom Verkehr wenig berührten Bereichs, in dem das Restaurant lag, verlassen und steuerten gerade mitten auf die Hauptstraße zu. Diese war zur Rushhour mit Fahrzeugen überfüllt, was eine Verfolgung geradezu unmöglich machen würde. Hawks hatte zwar den Abstand zu dem weißen Kleinwagen dank seiner gewagten Fahrmanöver auf etwa 50 Meter reduzieren können. Doch wenn sie ihn in dem Getümmel auf der Hauptstraße verloren, war es vorbei. „Wo warst du, als Spinner das Restaurant fluchtartig verlassen hat? Du solltest doch Wache schieben“, grollte Enji und sein Zorn kochte wieder hoch, jetzt, wo er sich langsam an Hawks‘ Fahrstil gewöhnt hatte. „Als Spinner reingegangen ist, aber nicht die Tür hinter sich geschlossen hat, habe ich ein komisches Gefühl bekommen und bin gleich losgelaufen, um das Auto zu holen. Hätte ich das nicht getan, hätten wir ihn nie rechtzeitig einholen können.“ „Wenn du vor der Tür gewartet hättest, hättest du ihn auch ohne Auto schnappen können“, wandte Enji grimmig ein. „Und mit welcher Berechtigung?“, konterte Hawks. „Bis zu dem Zeitpunkt hatte er ja noch nichts gemacht, was eine Festnahme gerechtfertigt hätte.“ Enji brummte missgelaunt. Da musste er dem anderen Recht geben. „Hast du wenigstens einen Peilsender am Auto angebracht? Und wieso hast du mir nicht früher Bescheid gesagt?“ „Es ging alles so schnell, ich hatte nicht einmal genug Zeit, um dir die Nachricht zu schreiben. Er kam mit seinem Auto an, stieg aus und kaum war er drinnen, war er auch schon wieder draußen. Und dann hat mein Touchscreen auch nicht funktioniert, da er vom Regen nass geworden war, und ich musste ihn erst mal trocknen, um dich zu informieren.“ Enji knurrte missmutig. Nicht umsonst hegte er eine Abneigung gegen diesen neumodischen Technik-Schnickschnack. Aber Hawks‘ Erklärung konnte weder seine Wut besänftigen noch seine Skepsis mildern. „Was ist drinnen überhaupt passiert?“, fragte Hawks, als er auf seine Ausführungen nicht reagierte. „Spinner kam rein, dann haben unsere Handys gleichzeitig eine Nachricht empfangen. Als sich unsere Blicke dann gekreuzt haben, ist er in Panik geraten und getürmt“, erklärte Enji finster. „Er muss von jemandem gewarnt worden sein.“ „Mmh... ich denke, das mit den gleichzeitigen Nachrichten war eher ein Zufall“, meinte Hawks nur und setzte zu einem Überholvorgang an einem Stadtbus vorbei an, ehe er hinzufügte: „Wenn du Spinner mit so einem Blick angesehen hast, wie du mich gerade ansiehst, dann wundert es mich nicht, dass er davongelaufen ist.“ „Mein Blick? Was soll damit sein?“, blaffte Enji, dessen Augen eiskalte Funken sprühten, während sein ob dieser Anmaßung, er sei für das Scheitern ihrer Mission verantwortlich, vor Wut bebender Körper Hitzewellen auszuströmen schien. „Genau so einen!“, rief Hawks, der ihm einen flüchtigen Blick zuwarf, ehe er sich wieder dem Verkehr vor ihm widmete. „So einen durchdringenden, misstrauischen Blick mit einer gehörigen Portion Wut drin... So typisch Bulle halt... Und gerade schießen deine Augen förmlich Feuerblitze ab, Endeavor-san!“ Enji klappte kurz die Sonnenblende hinunter und schob den kleinen Spiegel auf, in dem er sich kurz betrachtete, bevor er diesen wieder schloss. „Das überzeugt mich nicht.“ „Wer sollte Spinner denn gewarnt haben?“, stellte Hawks die offensichtliche Gegenfrage, während er ihr Auto geschickt zwischen zwei Lastwagen einfädelte, den weißen Kleinwagen sich nie mehr als zwei Autolängen entfernen ließ. Enji lag ein „Du.“ auf der Zunge, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Auch wenn er Hawks erst seit wenigen Stunden kannte, hatte er keinen vernünftigen Grund – außer seinem generellen Misstrauen gegenüber jedermann –, an diesem zu zweifeln und ihm zu unterstellen, ihn und damit die Ermittlungen zu sabotieren. Hawks war ihnen immerhin von der Polizei aus Fukuoka empfohlen worden und ohne vernünftigen Hintergrundcheck hätte Yagi ihn mit Sicherheit nicht ins Team aufgenommen. Und würde er sein Leben in so einer halsbrecherischen Verfolgungsfahrt riskieren, wenn er nicht voll und ganz ihrer Mission verschworen war? Womöglich hatte Hawks sogar Recht und das Ganze war nur ein ungünstiger Zufall. Wenn er so darüber nachdachte, war es nicht das erste Mal, dass Fremde, die er gerade erst kennengelernt hatte, schnell vermutet hatten, dass er von Beruf Polizist war. So ungern er es sich eingestand, aber die Worte des Jüngeren hatten etwas Wahres an sich. „Vorsicht!“, brüllte Enji und kam somit umhin, die Frage zu beantworten, als ihr Auto dem Heck eines anderen gefährlich nahe kam. „Keine Panik, gleich habe ich ihn!“, rief Hawks zurück und wich gekonnt dem vorausfahrenden Fahrzeug aus, indem er die Spur wechselte. Hawks‘ Manöver wurden immer tollkühner, je näher sie dem weißen Kleinwagen kamen, das Ziel zum Greifen nah. Sobald sie ihn eingeholt hatten, würden sie ihn nur noch zum Stehen bringen müssen, indem sie sich vor ihn setzten oder ihn rammten und von der Fahrbahn abdrängten. Wobei dies leichter gesagt war als getan. Denn nicht nur war das andere Fahrzeug kleiner und damit wendiger, aufgrund seiner Größe und Farbe war es in dem abendlichen Verkehr und der bereits einsetzenden Dunkelheit auch nur schwer von den restlichen Fahrzeugen zu unterscheiden. Zudem waren sie auf sich allein gestellt, da selbst, wenn sie Verstärkung rufen würden, sich diese niemals rechtzeitig durch die Fahrzeugmassen zu ihnen vorkämpfen würde. Hawks setzte erneut rechts zum Überholen an, legte dazu einen niedrigeren Gang ein und zog in einer explosionsartigen Beschleunigung an dem für Tokyo so typischen, weißen Kastenwagen vorbei, der ihnen die Sicht auf ihr Ziel versperrt hatte. Sie waren nunmehr auf einer Höhe mit dem anderen Wagen, Enjis Fenster direkt neben demjenigen der Fahrerseite, als sich Enjis eisblaue Augen für einen kurzen Moment mit Spinners trafen, in denen Enji – zu seiner Verblüffung – nicht Angst, sondern Triumph aufblitzen sah. Im nächsten Moment bremste Spinner seinen Wagen so abrupt ab, dass die Fahrzeuge hinter ihm notgedrungen nach rechts ausweichen mussten, um nicht mit ihm zu kollidieren. Hawks schien von diesem Manöver so überrascht und abgelenkt, dass er bei ihrer hohen Geschwindigkeit nicht rechtzeitig abbremsen konnte und frontal auf das ihnen vorausfahrende Fahrzeug auffuhr. Es krachte und sie beide wurden in ihren Sicherheitsgurten zuerst nach hinten und dann nach vorne geschleudert. In Enjis Kopf drehte sich alles und ehe er sich orientieren, geschweige denn sie hätten weiterfahren können, hatte Spinner bereits die nächste Ausfahrt genommen und war aus ihrem Blickfeld verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)