Der letzte Sieg von BuchTraumFaenger (Böse Vorahnung) ================================================================================ Kapitel 27: 27. Unter der kalten Gnade eines Lords -------------------------------------------------- Sie wussten nicht wie lange sie an dieser Stelle verweilten, doch irgendwann hielt Shen die Umarmung nicht mehr länger aus. Er schob den Panda sachte, aber auch bestimmt, von sich. Po war ihm deswegen nicht böse. Als beide wieder knapp einen Meter voneinander entfernt standen, schien ihnen erst jetzt wieder bewusst zu werden, weshalb sie eigentlich hierhergekommen waren. Doch der Lord wollte nichts Weiteres hören oder sagen. Wortlos hob er sein Lanzenschwert wieder auf und beide gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Die ganze Bootsfahrt über schwiegen beide. Po wagte keine Fragen zu stellen. Shen wollte mit seinen Gedanken einfach alleine sein. Dass der Panda selbst am Sterbeort seiner Mutter ihn nicht angefallen hat, hatte ihn doch sehr verwirrt. Und um das in seinem Gedanken-Universum einzuarbeiten, würde es noch eine ganze Weile dauern. Im Hafen von Gongmen stiegen sie wieder ab. Der Bootsführer verlangte zum Glück keine Gebühr, sodass Shen seine Gedanken in Ruhe weiter mit sich tragen konnte. Po folgte ihm mit langsamen Schritten. Die Sonne war inzwischen schon so tief, dass sie den Horizont in ein milchiges Rot tauchte. Unterwegs kamen sie an dem zerstörten Stadtteil vorbei. Doch Shen schenkte dem Trümmerfeld keine Beachtung. Auch Po hielt besser den Mund. Stattdessen rief eine andere Stimme zu ihnen rüber, gefolgt von einem schrillen Pfiff. „Hey!“ Beide drehten die Köpfe in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Es war Wang. Er stand auf einer umgestürzten Hauswand und winkte sie zu sich rüber. „Hier drüben! Wir haben ihn!“ Po rutschte das Herz in die Hose. Ängstlich sah er zu Shen, der auf seinem Lanzenschwert gestützt immer noch an Ort und Stelle stand. Er schien unschlüssig zu sein. Doch dann schwang er sein Schwert mit festem Griff und ging auf den Hunnenkönig zu. Doch noch ehe er den Mund aufmachen konnte, schaltete sich Po schnell ein. „Oh, gut, habt ihr ihn Dingfest gemacht?“ Wang schnaubte. „Darüber würde ich mir keine Sorgen machen. Der kommt sowieso nicht weit.“ Er deutete mit einem Nicken zur Seite. Panda und Pfau folgten seinem Kopfzeig. Etwas weiter weg kroch etwas über den Schutt. Jedoch so langsam, dass es sich kaum von der Stelle bewegte. Mit jeder Bewegung begann das Wesen zu zittern. Po musste mehrere Male die Augen zusammenkneifen, um die verbrannte Gestalt von Xiang nur annährend erkennen zu können. Der verunstaltete Pfau gab sich alle Mühe sich mit seinen verletzten Flügeln vorwärtszubewegen. Doch so sehr er sich auf bemühte, er kam höchsten mit jedem Kriechen nur einen Zentimeter weit. Wenn überhaupt. Selbst eine Schnecke wäre schneller als er. Po seufzte mitleidig. Er erinnerte sich, wie er sich mal die Tatze verbrannt hatte. Und das war nicht gerade eine angenehme Erfahrung gewesen. Seine Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als Shen sich in Bewegung setzte und auf dem kriechenden, mehr liegenden Pfau, zuging. Po war kurz davor ihm zu folgen, doch ein mahnender Wink von Wang ließ ihn verharren. Mit langsamen Schritten marschierte Shen über die Trümmer. Es war ein heilloses Durcheinander, die hauptsächlich aus zersplitterten Hauswänden und Dachziegeln bestand. Als er nur noch knapp drei Meter von Xiang entfernt war, merkte er, wie der verbrannte Pfau innehielt. Shen verengte die Augen. Jetzt trennten sie nur noch wenige Zentimeter voneinander. Xiang drehte sich nicht um. Er spürte den vernichtenden Blick im Rücken. Mühsam und keuchend stützte er sich auf seinen beschädigten Flügeln ab und senkten den Kopf. Es sah fast schon so aus, als machte er sich dafür bereit, dass der weiße Lord ihm den Messerstich in den Rücken verpasste. Shen schwang etwas sein Lanzenschwert, sodass es ein sirrendes schauriges Geräusch in der Luft erzeugte. Es wunderte ihn, dass sein Rivale sich überhaupt noch aufrichten konnte. Es war nicht ersichtlich wie schwer sein innerer Körper wirklich beschädigt war. Auf einmal warf Xiang sich nach vorne und versuchte weiter zu kriechen. Shen hob die Augenbrauen. Plötzlich warf er ein Federmesser, das sich durch die angesenkte Robe des ehemaligen blauen Pfaus bohrte. Das verbliebene Kleidungsstück war teilweise mit den Federn verschmolzen, sodass der Arzt es noch nicht vollständig entfernten konnte. Neben den umgebundenen Bandagen, war dies noch das letzte was Xiang am Leib trug. Als Xiang merkte, dass der Lord ihn mit dem Messer auf den Boden festgenagelt hatte, versuchte er sich loszureißen, wobei sein Zittern sich nur noch verstärkte. Aber seine Kräfte waren zu extrem aufgebraucht, als dass er die volle Leistung hätte aufbringen können. Shen, der immer noch mit verengten Augen auf Xiang herabblickte, hob den Fuß und drückte ihn auf den Rücken seines kampfunfähigen Gegners. Xiang rang laut nach Luft, versuchte oben zu bleiben, doch für den weißen Pfau war es ein Leichtes ihn mit dem Bauch auf den Boden zu drücken. Xiang knickte unter der niedrigen Last einfach zusammen. Ein weiterer erstickter Schrei entkam den gefallenen Lord, als Shen seine Krallen in seinen Rücken grub. Dann riss er ihn zur Seite und Xiang rollte auf den Rücken. Und noch ehe er etwas anderes machen konnte, drückte Shen seinen Fuß jetzt auf Xiangs Brustkorb. Der schwarze Pfau sog scharf die Luft ein. Es fiel ihm schwer zu atmen. Vergeblich versuchte er sich zur Seite zu rollen. Shen übte zwar wenig Druck auf ihn aus, doch das genügte um Xiang an Ort und Stelle zu fixieren. Als Shen schließlich sein Schwert vor sich hielt, unternahm der andere Pfau alles Mögliche die Flügel oder die Beine zu heben, um ihn wegzustoßen. Doch alles was er zustande brachte, war nur ein mickriges Zucken der Gliedmaßen. Die Klinge wanderte zu seinem Hals. Xiang wandte sich unter dem Fuß des weißen Lords, stets die Schwertspitze im Auge behaltend, die allmählich zu seiner Kehle wanderte. Es trennten jetzt nur noch ein paar Millimeter, um seinen Kehlkopf zu zerstören, der ohnehin schon bereits beschädigt war. Als Po das sah, wandte er sich ab. Er konnte Shen nicht zwingen, aber gleichzeitig konnte er es auch nicht mitansehen. Einzig Wang beobachtete die Szenerie. Ein lauter schriller, schmerzerfüllter Pfauenschrei zerriss die Luft, dicht gefolgt von einem wimmernden Jammern. Po kniff die Augen feste zusammen. Das Wimmern wurde zwar etwas leiser, klang aber in seinen Ohren immer noch furchtbar genug, dass sich in ihm sämtliche Haare sträubten. Ein paar Sekunden später hörte er Schritte, die auf ihn zukamen. Zögernd blickte Po neben sich. Shen war gerade dabei mit seinen weißen Fingerfedern über die Klinge seines Schwertes zu wischen, die etwas blutig war. Po sah ihn mit großen Augen an. „Was hast du getan?“, hauchte er. „Ich habe ihm die Flügelsehnen durchtrennt“, antwortete Shen tonlos. Anschließend wanderte sein Blick zum Panda. „Das ist meine milde Bestrafung.“ Po blieb der Mund offen. Doch Shen schenkte ihm keine weitere Beachtung, sondern wandte sich König Wang zu. „Jetzt könnt ihr euch um ihn kümmern“, bemerkte der Lord abfällig. „Er ist in deiner Hand. Tu mit ihm, was du für richtig hältst.“ Damit entfernte sich der weiße Lord. Po sah zu Wang hoch, der ihm mit verschränkten Armen hinterher sah. „Was willst du jetzt mit ihm machen?“, erkundigte Po sich vorsichtig. „Erst einmal wegsperren“, antwortete Wang mürrisch und winkte die Wachen zu sich. Dann deutete er hart auf den am bodenliegenden wimmernden Pfau. „Schafft ihn weg! Ich habe zwar keinen Respekt vor ihm, aber seid dennoch etwas vorsichtig mit ihm. Nicht das er noch auseinanderfällt.“ Unter den Blicken von Wang und Po, zerrten die Soldaten den immer noch winselnden Pfau mit sich mit, der sich unter ihren Griffen vor Schmerzen wandte. Po gab sich Mühe nichts dazuzusagen. Schweigend entfernte er sich von dem Ort, ständig immer noch den Schmerzensschrei im Hinterkopf. Der Rückweg in die Gast-Residenz war mühsam. Zumindest für Po. Während Shen mit dem Lanzenschwert auf der Schulter durch die Gassen schritt, schlurfte der Panda mehr als das er ging. „Heißt das, er wird nie wieder fliegen können? Falls er überleben sollte?“, fragte Po zaghaft. „Vielleicht“, antwortete Shen gleichgültig. „Wenn doch, dann wird das eher schmerzhaft.“ Auf der Treppe der Gast-Residenz hielt er kurz inne und drehte sich zum Panda um. Beide sahen sich an. Po machte einen geknickten Eindruck, während Shen ernst seinen Blick erwiderte. Doch der weiße Pfau verzichtete auf eine Diskussion und beide zogen sich in die Gast-Residenz zurück, wo sie schon besorgt von Yin-Yu erwartet wurden. Sie hatte sich in den Aufenthaltsraum zurückgezogen, von wo aus man einen schönen Ausblick über die Stadt und auf das Meer hatte. Der Raum selber war bestückt mit allerlei Sitzgelegenheiten und Tische. Doch die Pfauenhenne nahm keines dieser Möbelstücke wahr. Stattdessen ging sie die ganze Zeit unruhig auf und ab. Nur die Furiosen Fünf hatten sich zusammen in einer Runde zusammengesetzt und erwarteten ebenfalls die Rückkehr ihres bestens Freundes. Sheng stand am Fenster und besah sich nachdenklich das vom Abendrot beleuchtete Meer. Xia stand an einer Wand gelehnt und starrte Löcher in die Luft. Erst als Schritte von der Tür zu hören waren, kam wieder anderes Leben in den Raum. Alle drehten die Köpfe zum Eingang des Saals. Zuerst blieben Shen und Po stehen und betrachteten die fragenden Gesichter, die sie empfingen. Die Augen des weißen Lords blieben letztendendes über Yin-Yu hängen. Ohne ein Wort ging er auf sie zu und schmiss sein Schwert auf den Boden. Seine Frau wagte nicht sich zu rühren. Sie wartete geduldig bis er zu ihr kam und sie an den Flügeln fasste. Shen flüsterte ihr ein paar Worte zu, die Po nicht verstehen konnte, ahnte aber, dass Shen sie von seinem Urteil unterrichtete. Die beiden sahen sich zuerst tief und ernst in die Augen. Dann fielen sie sich in die Arme. Yin-Yus Fingerfedern krallten sich fast in Shens Rücken, während der Lord ihr beruhigend über den Rücken streichelte. Sheng und Xia traten neugierig an Po heran. Schüchtern betrachtete der Panda sah Geschwisterpaar. Dann berichtete auch er ihnen in kurzen Sätzen, was sich zuvor mit ihrem Ex-Vater ereignet hatte. Xia konnte das nicht verstehen. „Aber wieso? Er hat uns doch soviel angetan. Wieso hat er ihn nicht beseitigt?“ „So ist Vergebung“, meldete sich die Stimme der Wahrsagerin neben ihr zu Wort. Po wunderte sich, dass sie so schnell wie aus dem Nichts aufgetaucht war, doch im Moment war ihm eh alles egal. Es war zumindest niemand von Shens Familie verletzt worden. Bis auf… Das Gesicht des Drachenkriegers wechselte wieder in tiefe Trauer. Er hätte sich so sehr gewünscht, dass es doch noch anders gekommen wäre. „Po, alles in Ordnung?“ Der Panda drehte sich zu seinen fünf Freunden um und wischte sich schnell eine Träne aus dem Auge. „Hey, Leute, ich brauche eine richtig große Umarmung.“ Er breitete die Arme aus. Zuerst waren die Furiosen Fünf unschlüssig. Doch dann warf sich Tigress als Erstes nach vorne und legte feste ihre Arme um ihn. Po war etwas überrumpelt, doch dann schlang er ebenfalls froh seine Tatzen um sie. Dann folgten auch die Arme von Monkey und Crane, während Viper sich um Pos Hals ringelte und Mantis sich an sein Ohr klammerte. „Entschuldigen Sie?“ Verwundert hoben die sechs Freunde die Köpfe. Hinter ihnen waren ein großer Yak und ein kleiner Widder aufgetaucht. Der Yak hatte ziemlich langes Fell und trug einen großen Strohrucksack auf den Rücken. Der kleine Widder steckte in dicken Jacken und betrachtete die Furiosen Sechs mit prüfend musternden Blick. „Ist hier irgendwo ein Lord Shen und eine Lady Yin-Yu?“, fragte er mit zusammengekniffenen Augen. Po löste sich schnell aus den Umarmungen seiner Freunde und starrte die zwei Fremden verwundert an. „Äh… j-jaaa.“ „Warum wollen Sie das wissen?“, hackte Tigress nach. Der Widder zuckte die Achseln. „Nun, wir wollten fragen, ob diese hier ihnen gehören.“ Mit diesen Worten griff er hinter sich und holte etwas hervor. Es war ein Korb – mit vier Eiern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)