Caught Cold von Komori-666 ================================================================================ Kapitel 24: ------------ Er verfolgte jede kleinste Bewegung aufmerksam, beobachtete, musterte alles bis ins Detail. Vielleicht könne sein Besucher ihm sagen, was ihm entgangen war oder ihm Auskunft über all jenes verschaffen, an was er sich nicht erinnerte. Er war die Ablenkung, die er brauchte. Die Einsamkeit fraß ihn innerlich auf, ließ ihm keine Ruhe. Denn so hatte er nur noch mehr Zeit, langsam den Verstand zu verlieren. Fragen in den Raum zu stellen, auf die er doch keine Antwort bekam. "Lange nicht gesehen." Er grinste Kakashi neckend an, setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett stand. Jedoch war es dem Hatake ein Rätsel, was ihm die Ehre verschaffte diesen Besuch zu bekommen. Wer war er überhaupt? Er erinnerte ihn an jemanden. Aber wem könnte er ähnlichsehen? Ob es mit der Mission zu tun hatte? Bestimmt, anders konnte er es sich nicht erklären. Er konnte im Grunde genommen nichts erklären. Eigentlich wusste er nichts, aber er konnte sich gut vorstellen, dass die Mission schon längst erledigt war. Eine Mission, von der er annahm, dass sie stattgefunden hatte. Was machte diese Person also in Konoha? Noch dazu im Krankenhaus? Er war doch in Konoha, … oder? Es war eine weitere Frage in seinem Chaos. In dem, was er derzeit wohl als ‚Leben‘ betiteln musste, obwohl es dem nicht einmal nahekam. Aber in diesem speziellen Fall wusste er ganz klar: Er hasste diese Frage. Diese Hilflosigkeit, der man dadurch Ausdruck verlieh. Die gesetzte Standartmäßigkeit, der man sich hingab. Diese Frage, die von jedem in ähnlicher Situation wohl gefragt werden musste, zumindest in all den schlechten Filmen. Das Geständnis, verloren zu sein … Aber: Wo war er? Im Krankenhaus, so viel ihm klar, nur wo? ~~ „Kannst du mir mal verraten, was ein alter Perversling, wie du, von mir will? Müsstest du um diese Uhrzeit nicht deinen Rausch ausschlafen oder sabbernd an einem Guckloch hängen, Spanner?“ „Reg dich doch bitte nicht so auf“, beschwichtigend hob er die Hände, lächelte entschuldigend. Wenn er sie verärgerte, dann hatte das nicht nur für ihn Konsequenzen. Dann hatte er eine auf den ersten Blick einfache und vor allem harmlose Mission mit Bravour zum Scheitern gebracht. Nur war sie so harmlos gar nicht. Und erschwerend hinzukam, dass er ihre Nerven schon früher etwas überstrapaziert hatte. „Raus mit der Sprache, was willst du?“, sie hatte nicht ewig Zeit und ihre Zeit war wertvoll. Wie viel wollte er davon noch vergeuden? Ausgerechnet er… sie wollte weder mit ihm etwas zu tun haben noch mit etwas, das mit ihm in Verbindung stand. Oder eher, wer hinter ihm stand. Mit all dem hatte sie abgeschlossen. „Schön zu sehen, dass du immer noch so... temperamentvoll wie damals bist... na ja, also wie soll ich sagen… nun… also die Sache ist die...“, wie sollte er nur anfangen? Wenn er sie nicht überzeugen würde, dann… Nein. Er würde das schaffen, immerhin hatte er auf dem Weg reichlich Zeit darüber gegrübelt, wie er ihre Aufmerksamkeit gewinnen konnte. Nur die Sache mit dem Gefallen war eine andere. Und um nichts anderes handelte es sich im Grunde genommen. „Nun mach schon, ich hab‘ noch was zu erledigen!“ Und dieser Satz gab mehr über sie preis, als ihr wahrscheinlich lieb war. Ob es wirklich immer so guttat, wenn sich manche Dinge einfach nie änderten? Aber diese Information konnte er für sich nutzen, so wie er es eigentlich auch vermutet hatte. Selbstverständlich war sie schlecht gelaunt, wenn sie wieder einmal ihre Schulden zu begleichen hatte. „Ich mache dir einen Vorschlag. Ich zahle deine Schulden in dem hiesigen Casino ab und dafür begleitest du mich?“ Tsunade sah ihn einen Moment lang an, drehte sich dann um und ging weiter. „Abgelehnt.“ „Was?!" „Du hast mich schon verstanden und nun sieh zu, dass du weiterkommst!", sie winkte salopp mit der Hand ab, würdigte ihn keines weiteren Blickes. Wieso sollte sie auch. Seine Probleme waren nicht die ihren. Als hätte es nicht gereicht, dass er sie damals heimlich beobachtet hatte, dieser Perversling. Es bestand kein Zweifel daran, dass er es jederzeit ohne zu zögern wieder tun würde. Da war sie sich sicher. „Du würdest damit nicht mir einen Gefallen tun, sondern Minato." Er sah, wie die blonde Frau stehen blieb. Ihr Blick war kritisch, ihre Augenbraue zweifelnd nach oben gewandert. „Fassen wir das mal zusammen. Du willst, dass ich dich wohin-auch-immer begleite. Du hast keine Lust mit der Sprache herauszurücken, was du eigentlich willst. Das heißt, dass Sensei dich schickt. Und jetzt schiebst du Minato vor? Red‘ keinen Mist. Minato erfüllt seine Aufgaben ordnungsgemäß, denn im Vergleich zu dir besitzt er Anstand. Obwohl anderweitiges bei dem Vorbild ja irgendwann zu erwarten war. Bevor du mir nun also weiter auf die Nerven gehst, sieh zu wie du diesen Mist allein ausbadest, wenn du schon als Sensei versagt hast!“ Jiraiya hatte sich wirklich den besten Tag ausgesucht, um Tsunade aufzusuchen. Zwar hatte er sie gefunden, aber diese Vorwürfe hätte er sich auch sparen können. Dennoch musste er sie über sich ergehen lassen und, zugegeben, ihre Worte trafen ihn tiefer, als es ihm lieb gewesen wäre. ~~ Er sah seinen unbekannten Besucher abwartend an, der gerade nach etwas Bestimmten Ausschau zu halten schien. "Das muss ganz schön bedrückend für dich sein…", sein Blick schweifte kurz über die Gegebenheiten und richtete sich anschließend wieder auf Kakashi. Dessen vielsagenden Blick bemerkte er, aber er wusste nicht so recht wie er anfangen sollte. Oder wo? Was stand ihm zu dem Jungen zu erzählen? Er konnte in Kakashis Blick sehen, dass neben Schmerz und Verzweiflung vor allem Fragen da waren, auf die er sich keinen Reim zu machen wusste. Und so makaber es in dieser Situation auch schien, es beruhigte ihn. Es war ein gutes Zeichen. Kakashi konnte ihm folgen. Er war ansprechbar und sich seiner mehr bewusst, als viele es noch erwartet hätten. "...Entschuldige bitte“, sein Lächeln war freundlich, wenn auch bedauernd, „Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Wie's dir geht muss ich kaum fragen. Ich kann dir auch schlecht erzählen, was heute so in der Zeitung stand, was die Ärzte alles für dich anordnen, oder der neueste Klatsch und Tratsch. Ich könnte dir natürlich auch erzählen, was du für Glück hast, dass deine Geschmacksnerven nicht der Krankenhausküche ausgesetzt werden... und das alles, um dich nicht mit dem herkömmlichen Gelaber von wegen Schweregrad der Verletzungen, Heilungschancen und Abwarten zu überhäufen. Darauf versteift man sich doch zu gern." Er redete mit diesem seltsam freundlichen Lächeln einfach weiter vor sich hin. Ein Lächeln, dass man meinen könnte es wäre ein normaler Tag, ein normales Leben, eine normale Situation mit einer noch normaleren Unterhaltung. Ein Zusammentreffen von alten Bekannten. Und Kakashi fragte sich allmählich, ob er dem Fremden für die Abwechslung danken sollte? Und dennoch konnte er dieses Gefühl nicht ablegen, dass sie wegen ihm auf dieser Mission waren. Dass sie wegen ihm angegriffen wurden und alles unklar wurde. Man könnte fast sagen, wegen ihm lag er eigentlich hier. Und irgendwie war er es auch nicht. Irgendwie hatte dieser Fremde doch nichts mit all dem zu tun. Aber höchstwahrscheinlich war es ihm selbst und auch Obito zu verschulden, was passiert war. Aus Gewohnheit. Weil es immer so war. Doch das war jetzt auch egal. Wie gerne hätte Kakashi seine Augenbraue zweifelnd gehoben. Wie in alten Zeiten infrage gestellt, was sein Besucher denn nun eigentlich wollte. Ihn während seinen Erzählungen diskret darauf hingewiesen auf den Punkt zu kommen. Und Heilungschancen hörte sich als Anfang doch gar nicht so schlecht an. Doch seine Muskeln gehorchten ihm nicht, also war es belanglos was er wollte. Er konnte es ohnehin nicht zum Ausdruck bringen. „Mir ist klar, dass du das alles gerade nicht hören möchtest. Dass du Fragen hast. Ich kann deinen Blick durchaus etwas deuten. Ich bin mir nur nicht sicher, was ich dir alles an Informationen geben darf. Es ist nicht ganz so leicht, aber wem sage ich das?“, er lächelte Kakashi entschuldigend an. „Also gut, fangen wir klein an.“, er machte es sich auf dem kleinen Hocker bequem, zog die Beine in den Schneidersitz. Und irgendwie wusste Kakashi, dass alles, was er jetzt hören würde, von immenser Bedeutung war. ~~ Es hatte mehr gebraucht als vernünftige Worte. Es hatte mehr gebraucht als Anerkennung ihrer Fähigkeiten. Kein Kompliment der Welt war zu ihr durchdringen. Es hatte mehr als nur einen Moment gedauert und es waren wohl die meisten seiner Geduldsfäden dieser Diskussion zu Opfer gefallen. Doch vor allem hatte es Bestechungen gebraucht. Und schlussendlich hatte sich Tsunade dazu überreden lassen mit ihm zurück nach Konoha zu reisen. Und auch nur, weil es laut ihrer Aussage ‚auf dem Weg lag‘. Dem Hokage Folge zu leisten? Das käme für sie gar nicht infrage. Sie würde zum ‚Hallo sagen‘ schnell vorbeischauen und dann hätte sie ihre Pflicht erfüllt. Er konnte nur hoffen, dass ihr Sensei das regeln würde. Denn akzeptieren würde er ihren Eigenwillen nicht. Nicht dieses Mal. So gutmütig der Hokage auch war, so gelassen er auch wirkte, seine Schüler hatten auch andere Seiten kennengelernt. Die Lehrenden, die Tadelnden, die Strengen, und die Seiten, bei denen Kompromisse nicht mehr als Option zur Verfügung standen. Shizune, die die ganze über Zeit schweigend neben den beiden Streithähnen gestanden hatte, folgte gehorsam. Irgendwie hatte sie das Gefühl, sie könne in dieser Angelegenheit nichts ausrichten. Vor allem nicht, solange sie nicht wussten worum es überhaupt ginge. Also hielt sie jeglichen Kommentar zurück. Wenn sie jedoch wirklich nach Tsunade verlangten, dann konnte es sich um keine Kleinigkeit handeln. Das machte ihr Sorgen, hoffentlich war es nicht ganz so schlimm. Hoffentlich würde Tsunade in einem solchen Falle nachgeben, hoffentlich könnten sie etwas ausrichten. ~~ „Ich weiß nicht, an was du dich erinnern kannst. Dein Name ist Kakashi Hatake und du kommst aus Konohagakure. Du warst mit deiner Einheit auf Mission, auf welcher es eure Aufgabe war, einen Jungen deines Alters namens Ren in dieses Dorf zu begleiten. Erinnerst du dich an Ren?“, er sah in Kakashis Augen, dass er ihm folgen konnte. Dass er ihm eine ersehnte Gewissheit zu geben schien. Wahrscheinlich hatte Kakashi all das vermutet, wenn nicht gar gewusst. „Mein Name ist Shuichi, ich bin hier in diesem Krankenhaus in der Ausbildung. Ren ist mein kleiner Bruder, daher weiß ich ein paar Hintergründe eurer Mission.“ Shuichi holte tief Luft, atmete angestrengt wieder aus, „Kakashi, wir sind uns zum ersten Mal begegnet als dein Kamerad mit dir hier im Dorf aufschlug. Du warst schwer verletzt. Ich habe euch beide hier in die Klinik gebracht. Das Ganze ist jetzt ungefähr zwei Wochen her.“ Shuichi konnte sehen, welche Schwierigkeiten sein Patient hatte, gefoltert von Schmerz die Augen schloss. All das aufzunehmen und zu verarbeiten musste schwer sein. Und sicherlich klärte das noch nicht einmal ansatzweise, was Kakashi zu verstehen versuchte. Aber er wollte ihn nicht überfordern. Durfte es nicht. Nach und nach mussten sie sich voran arbeiten. Und er wusste, dass er nicht in der Position war Informationen preis zu geben, für die er nicht autorisiert war. Aber Kakashi hier allein zu lassen, nur weil es keine offizielle Besuchszeit war, schien ihm nicht richtig. Die konnte er durch seine interne Stelle zwar umgehen, aber die Stille zu brechen und Kakashi abzulenken war gar nicht so leicht. Shuichi wusste, dass es Obito zu schwer fiel mit Kakashi zu reden, auch wenn dieser nicht bei Bewusstsein war. Er seufzte ergeben und auch Kakashi konnte erkennen, dass ihn etwas plagte. Irgendwie wirkte Shuichi erschöpft. Und dennoch war Kakashi dankbar. Dankbar, dass er etwas Ablenkung bekam. Dass er für einen Moment nicht allein war. Dass es ihm etwas Klarheit gab, einen Anhaltspunkt. Doch all diese Informationen… zum einen bestätigten sie seine Vermutungen. Zum anderen brachten sie nur noch mehr Fragen auf. Welcher Kamerad brachte ihn hier her? War es wirklich Obito? Und wenn es nicht Obito war, wer dann? Und... ging es Obito gut? Was war mit dem Rest seines Teams? Sein Sensei konnte bestimmt gut auf sie aufpassen, doch… wo war Minato Namikaze? Und hatte er auf sie aufgepasst? Wie konnte er dann Kakashi so aus den Augen verlieren? Ging es Sensei Minato gut? Was war mit Rin? Sie war immer so bedacht darauf, dass es allen gut ging. Wo war Rin? Und... dieser Ren. Aber seinem Besucher nach zu urteilen, schien die Mission abgeschlossen zu sein, dessen kleiner Bruder wohl auf. Wo waren also alle? Minato, Rin… Obito? Was hatte es mit den Stimmen auf sich, an die er sich erinnert hatte? Waren sie real, waren das echte Erinnerungen? Wochen… seit Wochen war er hier. Es waren Wochen vergangen. Und erst jetzt hatte er die Augen geöffnet? Wochen, in denen maschinell Sauerstoff durch seinen Körper gejagt wurde. Wochen, von denen er nichts wusste. Wochen, in denen sein Körper nicht geheilt war. Oder doch? Er merkte nichts davon. Er spürte die Fäden, das Brennen jeder einzelnen Faser seines Körpers und diese Hölle. Wochen, und alles, an das er sich erinnern konnte waren Fetzen. Nichts war klar. Das Dickicht, durch das Kakashi zu waten schien, wurde mit jedem Satz nur dicker, undurchsichtiger, schwerer. Es war ein ewiger Teufelskreis. Einer der vielen, denen er nicht zu entkommen schien. Und dennoch… Shuichi konnte sich nicht vorstellen, wie sehr Kakashi es trotz allem genoss, einmal nicht diese erdrückende Stille ertragen zu müssen. Dass endlich die Laute der Geräte übertönt wurden. Doch auch Shuichis Schilderung verstummte kurze Zeit später und als Kakashi nun die Augen öffnete und zu ihm lugte, sah er, dass dieser ernster als vorher aussah. Das Lächeln war für kurze Zeit verschwunden. „Kakashi, sei gewiss, dass sich alle Sorgen um dich machen. Deine Teamkameradin wirkte ziemlich aufgelöst, als sie zusammen mit eurem Sensei zurück in euer Dorf reisen musste. Sie freut sich bestimmt, wenn sie hört, dass du die Augen aufgemacht hast.“ Sein Sensei war wieder nach Konoha zurückgekehrt. Und Rin. Und er war hier zurückgeblieben. Irgendwie… irgendwie ergab es Sinn. Rational betrachtet mussten sie zurück in ihr altes Leben kehren. Eines, in das er nicht zurückkonnte. Doch… was war mit Obito? Ob er es nicht erwarten konnte zurück nach Konoha zu reisen? Doch Shuichi hatte ihn nicht erwähnt… oder war Obito doch mit inbegriffen gewesen? Hatte es ihn einfach so wenig gejuckt, dass es nicht weiter erwähnenswert war? Vielleicht hatte er sich gefreut, Kakashi endlich los zu sein. Jetzt war da niemand mehr, der ihn aufhielt. Ihn niedermachte oder tadelte. Ja, so war es wahrscheinlich gewesen. Für Obito musste es eine Erleichterung gewesen sein. Eine Last weniger. Und er war hier. Allein. Und so logisch es doch klang, Kakashi konnte nicht leugnen, dass sich irgendetwas seltsam anfühlte. Irgendetwas stimmte nicht, aber er wusste nicht was und bislang hatte es alles Sinn ergeben. Die Fetzen seiner Erinnerung, die Erklärung Shuichis… Eben dieser sah ihn abwartend an. Was erwartete ihn jetzt noch? Da war so viel, was er nicht wusste. Aber er erinnerte sich auch an Shuichis Unbehagen ihm überhaupt etwas zu erzählen. Es war alles irgendwie seltsam... und falsch. Und wenn Shuichi es ihm nicht erzählen wollte, wieso hatte er ihm dann doch alles gesagt? War das alles, oder doch nur ein Bruchteil? Ein Bruchteil von was? Wie viel war da, was sein Verstand ihm verwehrte? Das alles sollte nicht passieren. Er sollte nicht hier sein. Nicht davon abhängig, dass diese Geräte mit Strom versorgt wurden und ihn am Leben hielten. Dass andere sich seiner annahmen. Ihm sein Leben erklärten. So wie Shuichi gerade eben. Es war ein Kampf mit sich selbst. Ein Zwiespalt, den er zu balancieren versuchte. So sehr er sich wünschte mehr zu wissen, mehr zu hören und in Erfahrung zu bringen, so sehr spürte er auch, dass er mit der Information, die er gerade bekommen hatte, kaum zurechtkam. „Weißt du eigentlich, dass Obito bis jetzt jeden Tag hier war?“ Wollte der Kerl ihn jetzt hochnehmen? Obito sollte hier gewesen sein?! Jeden Tag? Natürlich. Ausgerechnet Obito, das ergab keinen Sinn. Nicht im Entferntesten. Für Obito war es doch gelegen gekommen, dass sein Rivale aus dem Rennen war. Eventuell sogar endgültig. Was hätte Obito davon jeden Tag herzukommen? Obito, der ewige Weltverbesserer. Der, der nie jemanden im Stich lassen wollte und trotzdem jedes Mal zu spät war. Ausgerechnet… Kakashi gestand sich insgeheim selbst ein, dass es doch gar nicht so abwegig war. Obwohl Kakashi nicht wusste, ob er es wahr haben wollte. Obito hätte nichts davon hier zu sein. Nicht mit Sensei Minato trainieren zu können, auf Missionen zu gehen, Rin heimlich im Auge zu behalten. Und wieso sollte er davon nie etwas mitbekommen haben? Gestern? Vorgestern? Heute? Er war ja nicht nur seit ein paar Minuten wach... oder? Er war doch wach gewesen. Als ihn der Schmerz übermannte, als er es nicht ertragen konnte und sich wünschte wieder abzudriften. Wieso hatte er Obito dann nicht gesehen? Vielleicht wollte der Uchiha auch nur sein Gewissen bereinigen, seine Pflicht erfüllen und seinen großen Worten pflichtgemäß nachkommen. So, wie der Hatake ihn kannte, machte er sich bestimmt auch wieder nur Vorwürfe als Uchiha nicht rechtzeitig vor Ort gewesen zu sein, oder was auch immer die Situation war. Darauf konnte Kakashi verzichten. Obito konnte es sich ruhig sparen hier aufzukreuzen. Obito konnte mit seinem Gewissen machen was er wollte, jetzt da sein großes Hindernis endlich aus dem Weg geräumt war. Jetzt hatte der Uchiha keine Probleme mehr, niemanden, der in tadelte und auf seine Mängel hinwies. Jetzt ging es nur noch darum, dass der Uchiha seinen hohen Tönen nachkam. Dass er Rin beweisen konnte, dass er für seine ‚Freunde‘ da war. Das konnte er sich sparen. Weder interessierte Obito sein Zustand wohl wirklich ernsthaft noch konnte es Obito belieben hierher zu kommen. Vor allem, da Rin wohl bereits abgereist war. Eine Frage konnte Kakashi jedoch nicht abschütteln. So sehr er es auch versuchte, so viele Dinge durch seine Gedanken rasten. So viele Fragen, die keine Antworten fanden. Fetzen, die keinen Sinn ergaben. Eine Frage hallte unentwegt in seinem Inneren wider und übertönte letztendlich alle anderen. Was war passiert? ~~ Hier stand er wieder. Mit Respekt. Unterworfen. Bittend. Und innerlich flehend. Vor dem Hokage. Dieser hatte ihm nur gesagt, er hätte sich der Angelegenheit angenommen und Jiraiya bereits losgeschickt. Minato Namikaze war klar, dass der Hokage damit nichts anderes meinte, als dass nach Tsunade gesucht wurde. In jenem Moment, als er sich nach der Suche erkunden wollte, flog die Tür lautstark auf, unterbrach mit einem lauten Knall jegliches ausgesprochene und unausgesprochene Wort. Gereizt und mit den Armen vor der Brust verschränkt stand Tsunade vor ihnen. Hinter ihr drückte sich Jiraiya in den Raum, ihre Begleiterin Shizune blieb schüchtern und unangenehm berührt hinter der San-Nin stehen. Jiraiya spürte die Anspannung, die in der Luft lag. Er sah seinen Schüler, wie er reumütig seiner Schuld beigab und es tat ihm leid. Er hatte am Rande mitbekommen, wie sein Sensei Minato durch die Mangel genommen haben musste. Er selbst hatte dafür bis jetzt noch keine Worte gefunden. Nicht, weil er schockiert, sprachlos oder gar entsetzt über das Handeln seines ehemaligen Schülers war. Nein, eher, weil er sich fragte, ob er nicht ganz genauso gehandelt hätte. Er wusste, Minato würde niemals das Leben anderer riskieren. Niemals. Und genau deswegen konnte er hier nicht mitreden. Weil er nicht wusste was passiert war – und so wie Minato wirkte, wusste dieser es selbst nicht. Tadel wäre das Letzte was Minato von ihm als seinen Sensei zu erwarten hatte. Nur leider konnte er ihn auch nicht in Schutz nehmen. Eben weil so vieles nicht klar war. Also war die einzige Möglichkeit, die er sah, um seinem ehemaligen Schüler zu helfen, Tsunade zurück ins Dorf zu bringen. Ob sie kooperieren würde? Er hoffte es. Und so herzlos war Tsunade nicht und war es auch nie gewesen. „Abgelehnt.“ „Tsunade.“ Eine Drohung. Minato kannte diese Tonlage des Hokage mittlerweile zu gut. „Ich weiß nicht, was genau ihr von mir wollt, aber ich werde es nicht tun.“ „Ich denke nicht, dass diese Entscheidung bei dir liegt.“ „Oh doch. Sie liegt sogar nur bei mir.“ „Tsunade.“ Wieder. Wie viele mehr würde Tsunade wohl bekommen? In was würde sich das hineinsteigern? Sie durften nicht streiten, das durfte nicht eskalieren. Je weiter es ging, desto höher waren ihre Chancen Tsunade zu verlieren. Wenn sie jetzt ging, dann war vielleicht Kakashi verloren. Sie war die Beste auf ihrem Gebiet. Die Beste in Konoha, die Beste, die sie kannten. Eine San-Nin. Sie stritten. Die Positionen waren ganz klar. Er war der Hokage, Oberhaupt des Dorfes und ihr Lehrmeister. Sie war eine San-Nin, sie hatte Kriege überlebt und sie war ungebunden. Und dennoch, das Dorf wollte etwas von ihr. Und sie wusste das, sie nutzte ihre Position. Sie sah keinen Mehrwert darin, ihm seinen Willen zu gönnen und eine Mission anzunehmen. Und nichts anderes war es. Eine Mission. Eine weitere von vielen. Eine Mission, um eine andere wiedergutmachen zu können. „Oh je…“, leise seufzte Jiraiya, hielt sich bedacht aus dem Streit raus. Er konnte beobachten, wie in Konohas Gelben Blitz die Anspannung wuchs. Der Druck auf ihm lastete schwer. Das sonst so leichte Wesen, der Optimist, den sie alle kannten, war nicht da. Diskret wandte sich Jiraiya an Shizune, hielt bedacht sie Hand vor seinen Lippen. „Sag mal Shizune, kann es sein, dass Tsunade in diesem Dorf bereits war?“. Sein Blick verriet der Angesprochenen genau, worauf der Eremit hinauswollte. Und sie konnte es nur mit einem Nicken bestätigen. Tsunade kannte dieses Dorf sehr gut. Und sie kannte die Konsequenzen, die es mit sich bringen würde, dort aufzutauchen. „Von wie viel reden wir?“ – „Ich befürchte, dass ich dir darauf keine Antwort geben darf, Jiraiya.“ Jiraiya konnte sich nicht vorstellen, von welchen offenen Angelegenheiten sie sprachen, aber es konnte nicht ganz ohne sein. Tsunade hatte sich noch nie so geweigert jemanden zu helfen. Sie musste sich in diesem Dorf tatsächlich Feinde gemacht haben. Das hatte gerade noch gefehlt… „Es war nicht mein Fehler. Ich habe damit nichts am Hut.“ „Überlege dir gut, ob du meine Autorität untergraben möchtest, Tsunade.“ „Sagen wir, ich reise in dieses Dorf. Was soll ich dort machen? Feststellen, dass es vorbei ist? Merken, dass die ganze Reise umsonst war? Verkauft mich nicht für blöd, mir ist bewusst, dass es sich hier nicht nur um harmlose Kratzer handeln kann. Solange du mir keinen klaren Lagebericht verschaffen kannst, ist diese Diskussion hier beendet!“ „Wir sind hier noch nicht fertig.“ „Ich sage es noch einmal, Sensei. Ich habe hier keinen Fehler zu verantworten.“ „Aber ich, Tsunade.“, unterbrach Minato den Streit seiner Übergeordneten. „Ich habe einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der so folgenschwer ist, dass ich…“ er stockte, wie sollte er das nur in Worte fassen? Wie konnte er hier stehen und Tsunade darum bitten seinen Fehler geradezubiegen? „Mein Team besteht aus Kakashi Hatake, Rin Uzumaki und Obito Uchiha. Ich kann nicht erklären, was genau passiert ist – das weiß ich selbst nicht. Ich habe eine Entscheidung getroffen, von der ich dachte, dass die Situation sie verlangte. Und jetzt sind die einzigen beiden, die dir Näheres schildern könnten, nicht hier. Kakashi Hatake kämpft um sein Leben und keiner weiß, wie es weitergehen wird. Ob er denn überhaupt noch ein Leben haben wird. Obito Uchiha ist in meinen Armen weinend zusammengebrochen, weil er dem Grauen nicht länger Widerstand leisten konnte. Ich kann mir nicht vorstellen, was auf diesem Kampffeld passiert sein muss, dass ich meinen sonst so tapferen Schüler in meinen Armen halten und beruhigen musste. Und Rin, du kennst sie. Sie lebt für das Wohlergehen anderer. Ich habe in ihren Augen ihre Welt zusammenbrechen sehen. Und das ist alles meine Schuld.“ Es war Stille eingekehrt. Die angeheizte Diskussion, die vor einem Moment noch die vier Wände erfüllt hatte, war wie vom Erdboden verschluckt. Alle Augenpaare waren auf Minato gerichtet. Jiraiya wusste nicht, ob er beeindruckt oder stolz war, oder ob es vielleicht tiefstes Bedauern war? Aber er war sprachlos. Der Hokage selbst beobachtete kühl die Lage, er konnte sehen, wie Tsunade mit sich rang. Natürlich wollte sie helfen. Und natürlich hatte er Jiraiyas Randgespräche mitbekommen. Und er konnte es nicht verhindern, aber das hatte seine Laune nur noch mehr angeheizt. Dass sie wegen solcher Sachen eine derartige Diskussion um das Wohlergehen einen der ihren führten war unglaublich. „Es ist Krieg. Was du da bei deinem Team erlebt hast, was ihnen passiert ist. Das ist Krieg, Minato. Es ist grausam, brutal und es wird sie ihr Leben lang verfolgen – ganz gleich, was als nächstes passiert.“, Tsunade sah Minato fest in die Augen, verlieh ihren Worten mehr Nachdruck. Sie wusste, dass er es verstanden hatte. All die kleinen Details, all die Grausamkeiten, die das mit sich zog. All das, was er nicht mehr ändern konnte. Selbst, wenn er es wollte… „Und ich soll dir deine Schuld erleichtern?!“ „Nein, das kannst selbst du nicht. Das kann niemand. Ich bitte dich um der jungen Shinobi Willen um Hilfe. Weil Kakashi nicht die Konsequenzen meiner Fehler tragen darf.“ Sarutobi, der die Situation gewissenhaft verfolgt und auch die Reaktion seiner Schülerin zu interpretieren wusste, ließ lautstark eine Mappe auf seinen Schreibtisch fallen. Die Aufmerksamkeit galt nun wieder ganz ihm. „Du wolltest Details, Tsunade, hier sind sie. Lies dir alles genau durch und entscheide dann, ob du wirklich weiterdiskutieren möchtest.“ „Ich habe mit keinem Wort zugesagt.“ „Jetzt.“ Und dieses Mal hatte er seine Wirkung nicht verfehlt. Dieses Mal hatte er seine Schülerin im Griff, sie auf ihre Stellung hingewiesen. Dieses Mal gehorchte sie. Langsam kam sie auf ihn zu, griff nach der Mappe. „Womit deiner Forderung nach einer genauen Beschreibung der Lage vor Ort nachgekommen sein sollte.“ Genervt ließ sich auf einen der Stühle fallen, öffnete die Mappe und begann in den Unterlagen zu blättern. Für ein paar Minuten war es still, man hörte nur das Geräusch der Zettel, die Tsunade in der Hand hielt und Seite für Seite auf den Tisch ablegte. Es waren Arztunterlagen. Sie alle drehten sich um ein und denselben Patienten. Kakashi Hatake. Es waren Einschätzungen der Ärzte, verschriebene Medikamente und eine detaillierte Beschreibung der Verletzungen. Es war gerade so, als hätten man für jede Wunde ein neues Dokument verwendet. Man hätte es bestimmt auch zusammenfassen können. Dennoch, dieser Bericht verfehlte seine Wirkung nicht. Jedes Detail, welches hier beschrieben war, ließ es ihr mehr und mehr kalt den Rücken runterlaufen. Allein bei dem Gedanken, solchen Verletzungen zu erliegen… wie hatte er das überlebt? Und jetzt? Ihr wurde schlecht beim Gedanken daran, was alles notwendig sein musste, um Kakashi am Leben zu halten. Aber dieser Bericht war bereits alt. Wie wohl die derzeitige Situation war? Ob sie überhaupt etwas ausrichten konnte? Alles, was sie tun könnte, wäre das große Ausmaß der Wunden zu verringern. Ob das alles helfen würde, wäre wieder eine andere Sache. Natürlich waren dies alles nur ungefähre Berichte, so detailliert sie auch sein mochten. Wie es um den jungen Hatake wirklich stand, musste sie in der Tat selbst sehen. Und genau hier kam es zu ihrem Konflikt. Und Kakashi zu verlegen war völlig ausgeschlossen, nicht in diesem Zustand. Nicht, bevor sie ihn nicht gesehen hatte. Und sie wollte ihn sehen, sie wollte versuchen ihm zu helfen. Aber das würde sie vor dem Hokage nicht zugeben. Aber Minato zuliebe könnte sie sich durchringen, weil seine Worte und der Schmerz in seinen Zügen, sie an Personen erinnerte. Personen, die sie so sehr liebte. Personen, für die sie alles getan hätte, wäre es ihr nur vergönnt gewesen. Nun denn, dann mussten sich eben die Rahmenbedingungen ändern. „Was bekomme ich dafür?“ „Wie bitte?“ „Ich möchte wissen, was für mich dabei rausspringen würde. Ich mach das doch nicht umsonst.“ Jiraiya stöhnte laut auf, dessen Sensei atmete nur tief ein. Und dennoch glomm in Minato ein Funke Hoffnung auf. Wenn Kakashi doch nur die Chance bekäme, von Tsunade untersucht zu werden. Vielleicht konnte sie ihm helfen, den Schmerz lindern und vielleicht... vielleicht konnte sie ihn heilen? Eine weitere Stunde hatten sie unermüdlich gestritten, versucht den jeweils anderen mit ihren Argumenten zu überzeugen. Der Hokage war zwischenzeitlich dazu geneigt, seinem Frust Raum zu geben. Doch er hielt sich zurück, riss sich zusammen. In diesem Streit war er nicht der Hokage, sondern Tsunades Sensei. Und dennoch hatte er gleichzeitig das Dorfoberhaupt zu sein. Manchmal fiel ihm das sichtlich schwer. Vor allem, als sich weitere Stimmen in den Belang einmischten. Es mussten Kompromisse gefunden werden, Kompromisse, die er nicht tragen dürfte, die das Dorf nicht tragen dürfte. Kompromisse, die eindeutig zu weit gingen. Dennoch, letzten Endes willigte Sarutobi doch ein, zumindest einen Großteil Tsunades Schuld vorrübergehend anzunehmen und ihren Besuch in seinem Namen ankündigen. Den Rest musste sie schon selbst regeln. Selbstverständlich würde dies alles Namikaze abarbeiten dürfen und das, so wie es sich anhörte, könnte eine Weile dauern. Aber auch er stimme mit Minato zu, Kakashi durfte nicht die Konsequenzen ihrer aller Versagen tragen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)