Caught Cold von Komori-666 ================================================================================ Kapitel 22: ------------ Die Zeit stand still. Keine Uhr tickte. Kein Geräusch drängte ins Innere der kahlen Wände. Kein Windhauch bewegte die Luft. Nichts bewegte sich. Und er auch nicht. Er stand einfach nur da. Was... was hätte er tun sollen? Was sollte er jetzt tun? Wie sollte er reagieren? Seine Atmung (und gefühlt auch sein Herz) stand still. Wie in Vakuum verpackt. Da waren sie. Starrten ihn an. Sie waren geöffnet. Sie wirkten schal und schwach. Milchig und getrübt. Und doch glänzten sie. Und nahmen ihn gefangen. Ließen ihn nicht los. Kakashis Augen hielten ihn an Ort und Stelle, fingen jede Faser seines Seins ein. Das taten sie doch, oder? Das bildete er sich doch nicht ein? Nein, das durfte kein Traum sein. Es musste real sein. Sonst hätte er letztendlich doch den Verstand verloren. Im Kampf untergegangen und das sogar noch eher als Kakashi. Dabei wollte er ihm doch jetzt helfen. Er wollte es sein, der jetzt stark war. Der wartete. Nein. Das hier war real. Unfreiwillig bahnten sich Laute aus seiner Kehle. Des Entsetzens, das sich ihm nun aufzubürden versuchte, des Unglaubens, der Hilflosigkeit. Noch immer starrten sie ihn an. Noch immer waren sie da. Im Hier und Jetzt. Das war kein Traum. Und dennoch wollte er für keinen Moment seine Augen schließen oder sie gar von Kakashi abwenden. Nicht blinzeln. Er vermochte es nicht sich zu bewegen. Vielleicht fürchtete er sich doch davor, dass dies alles nur ein Traum sein könnte. Dass er den Moment zerstören könnte. Dass er mit auch nur einem Zucken mehr Schaden als Gutes anrichten könnte. Schon wieder. Wenn er auch nur einen Moment seine Augen der Dunkelheit hingeben würde, sie nur ganz kurz schließen würde... würde ihm dann klar, dass es alles doch nur eine irrsinnige Illusion war? Dass die kalte Wirklichkeit doch grotesker war, als seine Psyche ihm vorzumachen versuchte? Wenn eigentlich das Gegenteil eingetreten war? Wenn Kakashi nun tot war? Er spürte das Kalt, dass sich entlang seiner Wirbelsäule seinen Weg nach unten bahnte. Er hatte nicht die Kraft dem Stand zu halten und brach zusammen. Hart sackte er auf seine Knie, der eisige Schweiß wurde von seiner Kleidung aufgesogen. In seinem Kopf drehten sich die Gedanken, sein Bild verschwamm. Nur seine Verfolger, deren Schwärze ihm so vertraut war und die er doch so vermisst hatte, verblieben an Ort und Stelle. Starr blieb ihr Blick geradeaus gerichtet. Wo er gerade noch stand. Wo sie ihn gerade noch erfasst und festgehalten hatten. Er konnte seinen Blick nicht abwenden. Noch immer fühlte er sich gefangen, traute seinen Bewegungen nicht. Atmete er? Füllten sich seine Lungen mit dem notwendigen Sauerstoff? Er wusste es nicht. Er wusste nichts. Er konnte nur weiter in Kakashis Augen starren. Unfähig Illusion von Wirklichkeit zu unterscheiden. Ungewollt sich der Realität zu stellen. Obito spürte die Tränen von seinen Wangen tropfen, manche sammelten sich an seinem Kinn, vereinten sich und fielen auf seine Brust. Warm und kalt. Nass und erdrückend. Sie hielten ihn hier. Sie gaben ihm keine Chance zu fliehen. Wieso konnte er den Druck nicht standhalten? Was genau gab ihm diesen Druck? Warum weinte er? Warum brannten seine Lider so? Warum hatte er keine Kraft? Wo war sie, die Stabilität, die ihn bislang auf den Beinen hielt? Wieder all diese Fragen... Wie lang hatte er darauf gewartet, dass genau dies passierte? Dass Kakashi seine Augen öffnete? Dass er der Welt zeigte, dass er noch lebte! Wie oft wünschte er sich, dass die dunklen Iriden ihn wieder erblickten - und sei es abwertend und tadelnd? Und jetzt waren es genau diese Augen, die ihn in den Wahnsinn trieben. Er wusste nicht, ob er atmete. Ob er imstande war sich zu bewegen. Ob die Zeit ihren Lauf wieder aufgenommen hatte. Ob das versiegte Ticken wieder da war. Ob die medizinischen Geräte ihre Arbeit noch mit regelmäßigen Lauten Kund taten. Er wusste nicht, was er denken sollte. Ob er vielleicht gleich aufwachte und es nur ein weiterer irrwitziger Streich seiner Gedanken gewesen war. Sollte er etwas sagen? Sollte er etwas tun? Wenn ja, was? Was sollte er denn sagen? Was könnte er denn nur tun? Und wieder drangen diese kehligen Geräusche aus seiner Kehle, die sich mehr und mehr zu einem Schluchzen formten. Das sollte aufhören. Als diese Fragen... sie sollten aufhören. Sollten ihre Klappe halten. Er wollte doch nur Ruhe. Wieso hörte es denn nicht auf?! Aber er wurde nicht erhört. Es war eine Tortur, eine Folter seiner selbst am eigenen Leib, die er nicht stoppen konnte. Vor seinem inneren Auge spielten sich immer wieder die gleichen Szenen ab. Es waren Bilder aus den Ruinen, Augenblicke, Situationen. Er sah immer wieder das Gleiche. Wieder und wieder. Der anklagende Blick Kakashis, wie er zusammenzuckte, seine Augenlider langsam herabfielen. Immer wieder das Selbe. Der vorwurfsvolle Blick und wie der Maskierte langsam die Augen schloss, seinen Vorwurf bis zuletzt widerspiegelnd. Bis zum letzten Moment klagten Kakashis Iriden ihn an. Als er seine Augen öffnete, wusste er erst nicht, wo er sich befand. Bemüht blinzelte er gegen das grelle Licht, richtete sich langsam auf. Was war passiert? Wieso lag er in einem Krankenzimmer? Langsam sah er sich um. Sein Blick wanderte an sich hinab und an der Matratze entlang bis zum Ende des Bettgestells. Seine Kleidung hatte er weitgehend noch an. Langsam und immer noch mit der Helligkeit kämpfend überflog er mit den Augen den Raum. Er war allein. Schritte waren im Gang zu hören und auch in diesem Zimmer zerstörte das Ticken der Uhr grausam die Stille. Lange stierte er die Zeiger an, versuchte herauszufinden was sie ihm sagen wollten. Doch irgendwie funktionierte sein Gehirn noch nicht ganz so, wie er sich das vorgestellt hatte. Nur langsam wurden seine Gedanken klarer und ordneten sich. Und die Zeiger der Uhr ergaben endlich Sinn. Es schien noch früh morgens zu sein. Zu früh... aber...?! Was war denn in der Zwischenzeit passiert? Wie war er in dieses Zimmer gekommen und... war es nicht gerade eben noch Nachmittag? Wieder erklangen Schritte, nur wurden sie dieses Mal lauter, kamen vor der Tür zur Ruhe. Er hörte ein leises Klopfen und beobachtete, wie sich die Tür langsam einen Spalt breit öffnete. „Ah, du bist wach. Wie schön! Ich dachte schon, man müsse sich Sorgen um dich machen. Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ Es war Misami. Müsste sie nicht eigentlich an der Rezeption sein? Außer undeutlichem und vor allem verwirrtem Stottern bekam er keinen Laut heraus. Nichts, was nur annähernd einem Wort ähnlich klang. „Wie geht es dir?“ Misami wartete geduldig auf seine Antwort, jedoch vergebens. Obito verstand gerade die Welt nicht mehr, wandte seinen Blick von der Frau ab, sah erst stur gerade aus, dann aus dem Fenster. So langsam formten sich die Worte auf seiner Zunge. So langsam fing sein Verstand an zu arbeiten, seine Handlungen zu koordinieren. „Was ist denn passiert?“, Es war eine leise Frage, doch sie forderte ganz klar eine Antwort. Es war endlich eine Frage, die er an jemanden richten konnte. Für die es irgendwo vielleicht auch eine Antwort gab. „Nun, ich dachte, das könntest du uns sagen. Gestern Abend fanden wir dich bewusstlos auf der Intensivstation. Im Zimmer deines Freundes.“ Seines Freundes... Misami musste von Kakashi sprechen. Kakashi Hatake. Freund. War er das wirklich noch? Irgendjemandes Freund bestimmt, aber sein Freund? Hatte er noch das Recht dies zu behaupten? Hatte er jemals das Recht Kakashi einen Freund zu nennen? Er sah ihn als einen. Sogar mehr als das. Aber ob es dem Hatake genauso erging? Unwahrscheinlich. Letzteres ganz und gar ausgeschlossen. Kakashi Hatake. Der Funke, der das Licht entzündete war geflogen. Der Schlüssel zu seinem Gedankenwirrwarr, das ihm verschlossen war. Mit einem Schlag waren alle seine Erinnerungen zurückgekehrt. Der gestrige Tag ereignete sich Revue, die Ereignisse überschlugen sich mit einer Wucht, die ihm die Luft aus dem Brustkorb drückte. Gestern... Kakashi... Wie eine Pein überschlug es sich in seinem Inneren. War das seine Strafe? Die Strafe für seine Unachtsamkeit und seine Gefühle? Seine unkontrollierten Emotionen, die mit ihm spielten und bislang nichts als Schaden angerichtet hatten. Würde er Kakashi je wieder in die Augen sehen können, ohne diese zu fürchten? Ohne mit diesem Wall an Gefühlen konfrontiert zu werden? Angst, Schuld, Reue, Schmerz... Aber er wusste bereits jetzt, dass all seine Gedanken, seine Überlegungen und Gedanken auch heute wieder zu keinem Ergebnis führen würden. Es war seine gerechte Strafe. „In Kakashis Augen…“, murmelte er, als wäre da noch irgendetwas, dass ihm verwehr blieb. Eine letzte Tür, die sein Verstand öffnen musste, eine Erinnerung, die fehlte… Plötzlich traf es ihn wie ein Schlag. Sein ganzer Körper reagierte ruckartig, sodass auch Misami erschrocken einen Schritt von ihm zurückwich. „Was ist denn los? Was hast du denn, Obito?“ „Was ist mit Kakashi?“, fragte Obito wie aus der Pistole geschossen und konnte die Panik und die Hektik nicht länger versteckt halten, die ihn überfiel. Doch er bekam nicht gleich eine Antwort, sah Misami an, die ihn verblüfft anblickte und sich erst sammeln musste. Doch dann merkte Obito, dass sie lächelte. Sie lächelte. Hieß das...? Ja... Moment. Was konnte das heißen? „Beruhige dich erst einmal, Junge. Er schläft gerade. Wieder.“, Letzteres hatte Misami mit Nachdruck und einem bestärkenden Lächeln gesagt. Sie wollte den Uchiha beruhigen. Nicht nur das - sie wollte ihm zeigen, dass es keinen Grund für seine Panik gab. Was auch immer die Ärzte sagten, Misami war optimistisch. Sofern dies das richtige Wort dafür war. Sie glaubte nicht daran, dass es mit dem Hatake bergauf gehen könnte. Sie wusste es. Sie hatte in diesem Krankenhaus so viel gesehen. So viel miterlebt. So viele Patienten in ihren letzten Augenblicken begleitet und Zurückgelassene in ihren Armen gewogen, bis sie wieder dazu in der Lage waren auf ihren eigenen Beinen zu stehen. Auch wenn die Ärzte zweifelten. Sie waren Statisten. Sie glaubten an ihre Zahlen, Werte und den Geschichten ihrer Lehrbücher. Misami kannte sie alle. Jede Erzählung über Krankheitsverläufe, Behandlungen und Aussichten. Aber sie vertrat sie nicht. Beruflich, ja. Aber von ganzen Herzen vertrat sie die Patienten, die sie hier beherbergten. Um die sie sich kümmerten. Und dazu gehörten unter anderem sowohl Kakashi Hatake als auch Obito Uchiha. Und sie war zuversichtlich. Sie hatten es so weit geschafft, sie würden auch den Rest noch überstehen. Sie hatte Zuversicht und Vertrauen, dass Kakashi, der sich bis jetzt so hart durchgekämpft hatte, auch noch weiterkämpfen würde. Sie war sich sicher, dass er die Kraft hatte. Und deswegen konnte sie Obito jetzt mit einem guten Gefühl ein Lächeln schenken. „Du kannst ruhigen Gewissens darauf warten, dass er wieder aufwacht. Also beruhige dich. Selbst die Ärzte rechnen fest damit.“ Es dauerte ein paar Augenblicke. Atemzüge, die davon zeugten, dass ihre Worte verarbeitet wurden. Und tatsächlich: Misami hatte es geschafft, den jungen Uchiha etwas zu beruhigen. Auch wenn er sie etwas ungewiss und flehend ansah. Flehend, dass sie recht haben möge. Und mit der Entspannung kam auch die Kontrolle über seinen Körper zurück. Obito wusste, was er jetzt machen wollte. Schnell strampelte er die weiße Decke von seinen Füßen, sprang auf und rannte barfuß über den kalten Boden aus dem Zimmer in den Flur hinaus. Er spürte die Kälte an seinen Sohlen, spürte die bedrückende Enge der Wände und diesen Horror, den die Flure dieses Krankenhauses für ihn bereithielten. Jederzeit. Doch es war egal. Er musste zu Kakashi. Er musste ihn sehen. Er musste wissen, wie es ihm ging und vor allem musste er sich Gewissheit verschaffen, dass das keine Illusion war. Kein Alptraum und auch kein mieser Streich seiner Wahrnehmung. Er brauchte Gewissheit. Und er wusste, was er sich demnach stellen musste. Und wem. Seiner Schuld, seiner Strafe... er würde sich all dem stellen. Es war gerecht, er hatte kein Recht davor davon zu laufen. Er hatte es sich verdient. Und er durfte auch nicht vor Kakashi weglaufen. Das war er ihm schuldig. Jetzt musste er nur noch testen, wo seine Grenzen lagen. Und er konnte nur hoffen, dass sie sich verschoben hatten, in die Ferne gerückt waren. Er hatte nicht vor, gleich wieder mit ihnen Bekanntschaft zu machen. Oder hatte er die Kraft seine Grenzen selbst zu überschreiten? Er wusste es nicht. Aber er würde sich notfalls selbst in diesen Raum prügeln. Dieses Mal ohne Zögern. Als er durch den Flur rannte spürte er den Wind an seinen Wangen. War er schneller geworden? Seine Muskeln arbeiteten von selbst, seine Beine flogen über den kühlen Grund, seine Schnelligkeit war nicht länger von Erschöpfung geprägt. Ob sein Körper ihm sagen wollte, dass jede Faser seiner selbst bereit war? Ob ihm damals auch der Schock in seinen Gliedern die Geschwindigkeit verliehen hatte, mit der er in dieses Dorf kam? Er fühlte ihn immer noch tief in ihm sitzen. Es war ein Wunder, dass er hier ankam. Dass er das Dorf gefunden hatte. Dass er rechtzeitig (?) angekommen war. Wenn dieser Schreck es war, der ihn antrieb, dann würde er es auch in Zukunft tun. Denn Obito war sich sicher, was auch immer passieren würde, vergessen würde er es nicht. Und auch nicht verzeihen. Nur noch eine Kurve, dann hatte er es geschafft. Haltsuchend griff er an die geflieste Wand des Flurs, um sich mit Schwung und ohne abzubremsen in die Gangabzweigung zu manövrieren. Doch noch als er um die Kurve schwang, sah er den Aufprall mit seinem Gegenverkehr schon kommen. Mit Wucht landete er auf dem harten Untergrund, jaulte kurz auf. Warum passierte ihm das nur immer? „En- Entschuldigung! Das war wirklich keine Absicht!“, mit verzogenem Gesicht rieb er sich die schmerzenden Stellen des Aufpralls, erwartete innerlich eine Predigt, aus der er sich gewiss nicht so schnell verdrücken konnte, wie ihm lieb wäre. O weia…. Die arme, über den Haufen gerannte Person, die schwachen Patienten, ausgerechnet hier in einem Krankenhaus, die dreiste Jugend von heute, ein Benehmen, das gänzlich zu wünschen ließe. Ohne aufzusehen wartete er einfach ab, dass der Vortrag begann. „Obito?“, doch es kam anders als gedacht. Verwundert horchte er auf. Diese Stimme kannte er doch?! Allein die Stimme hatte schon ausgereicht, um etwas Vertrautes in ihm zu wecken. Langsam wanderte sein Blick entlang der Person hoch, mit der er gerade noch zusammengeprallt war. „Sensei!“. Er blickte in das vertraute Lächeln, das ihn so oft morgens begrüßt hatte. Das ihm immer suggeriert hatte, alles sei in Ordnung – und das war es damals noch. Da war es, diese vertraute altbekannte Lächeln aus einer Welt, die noch nicht in Stücke gerissen wurde. Und diese helfende Hand, die ihn wie in alten Zeiten gereicht wurde. Vor ihm stand sein Sensei. Ihr Sensei. Noch immer reichlich überrascht über diese unerwartete Begegnung griff Obito nach der dargebotenen Hand, ließ sich von Minato zurück auf die Beine ziehen. „Was machen Sie denn hier?“ „Na, du hast es ja ganz schön eilig!“, Minatos optimistisches Grinsen, dass in diesem Moment einzig und allein seinem Schüler galt, ließ keinerlei Schlüsse darüber, was in dem Erwachsenen wohl gerade vor sich ging. Obito sah ihn immer noch aus großen Augen an, wusste nicht so recht, wie er mit dieser Überraschung umgehen sollte. „Aber um deine Frage zu beantworten: Ich bin gekommen, um nach euch zu sehen! Aber mir scheint, dass du gerade ganz andere Pläne hast?“, er sah den jungen Uchiha an, der ihn nach wie vor völlig überrumpelt ansah und sich anscheinend nicht ganz sammeln konnte. Zwar sah es so aus, als würde sein Schüler zu einer Antwort ansetzen wollen, aber mehr als ein Krächzen verließ seine Kehle nicht. Obito wirkte hilflos. So hatte er den jungen Shinobi aber nicht in Erinnerung, aber auch darauf hatte er sich eingestellt. Minato war sich während seiner Anreise unschlüssig gewesen, was ihn wohl erwartete. Zu einem Ergebnis war er allerdings nicht gekommen. Ergeben seufzte er, legte den Kopf schief und beäugte den Uchiha zweifelnd. Er wusste ganz genau, wohin der Weg hätte gehen sollen. Und er wusste auch, was Obito dort erwartete. Und er hatte eine grobe Vorstellung, warum Obito so dringend diesen Weg zu Ende gehen wollte. Er hatte ein großes Herz, ihm gingen Dinge nah. Und das hier… das musste ihn innerlich zerreißen. Minato war bewusst, dass er sich keine Vorstellung davon machen konnte, wie es wohl in Obitos Inneren aussah. Aber… was hätte es dem Jungen gebracht? Was brachte es Obito sich dieses Leid immer und immer wieder anzusehen? Dasselbe Bild? Es ging ihm davon nicht besser. Und ob Kakashi überhaupt bemerkte, dass…? Letztendlich war doch der einzige Unterschied, dass sich zwei junge Kämpfer in dem Raum aufhielten und litten. Aber er verstand seinen Schüler, sah in Obitos Augen eine Welt, die nur aus dem Wunsch Bestand jetzt bei seinem Kameraden zu sein. Um dort zu sein. Um mit eigenen Augen die Bestätigung zu sehen. Diese Bestätigung für etwas, was man nicht in Worte fassen konnte. Also schritt Minato zur Seite, wies Obito mit einem angedeuteten Nicken den Weg. Er hätte an Obitos Stelle nicht anders gehandelt. Wie von selbst verfielen Obitos Beine in einen Laufschritt, der schnell sein altes Tempo zurückerlangt hatte. Und zurück blieb Minato Namikaze, wissend, dass er sich noch immer um das Wohlergehen seiner beiden Schüler sorgen musste. Einer nach dem anderen. Einander folgend. Immer nur einer. Nach und nach schlossen sich Obitos Finger um die Türklinke. Mit jedem weiteren versuchte er seinen gerade noch neu gewonnen Mut zurückzuholen. Ihn in seinem Inneren zu suchen, während er sich fragte, wo er seinen Mut auf dem kurzen Weg wohl verloren hatte. Aber es war fast, als würde diese Tür selbst jeglichen Mut und all seine Entschlossenheit einsaugen. Sein Wille, dieses Zimmer zu betreten, war ins Wanken geraten. Was ihn wohl erwartete? Ob es das Richtige war? Was war das Richtige? Was sollte er machen, was sollte er sagen, wenn… wenn…? Gab es noch etwas zu sagen? Eigentlich, und das wusste er, gab es einiges zu sagen. Vor allem, dass es ihm von Herzen leidtat. Auch, wenn das Kakashi nicht half. Auch, wenn er es aus purem Egoismus sagte. Aber er erwartete nicht, dass es ihm selbst danach besser ging. Dennoch! Er musste es Kakashi sagen, er meinte es ernst! Aber er hatte auch schon ganz andere Dinge ernst gemeint. In den denkbar schlechtesten Momenten. Seine Zweifel in diesem Moment, jetzt vor dieser Tür, waren nicht ganz unberechtigt. Ob ihm diese innere Rechtfertigung nun weiterhalf? Die Antwort kannte Obito, und dennoch rührte er sich keinen Fleck. Dennoch stand er hier und überlegte. Zögerte. Zweifelte. Er sah Kakashis Vorwurf in dessen Augen. Dessen Vorwürfe. Nur sah er dieses Mal nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft. Wie Kakashi ihn… er biss sich auf die Lippen. War es nicht das, was er wollte? Dass Kakashi ihn wieder ansah? Dass er ihn weder ansehen konnte? Und nichtsdestotrotz stand er hier und hatte Angst vor eben dieser Zukunft. Wie schäbig. Was... was wäre, wenn Kakashi nie wieder ein Shinobi sein könnte? Was, wenn das noch nicht einmal das Schlimmste war? Wenn er ganz andere Folgen zu ertragen hatte? Wenn… wenn… er schluckte hart, fühlte Schmerz in seiner trockenen Kehle. Und umgriff den Türgriff stärker, Halt suchend und mit der Hoffnung Mut zu schöpfen. Nein. Nein! So durfte er ganz einfach nicht denken. Er musste das Wesentliche sehen. Er würde diese Tür öffnen und seinen Teamkameraden sehen. Kakashi Hatake. Kakashi, der am Leben war. Kakashi, dessen Herz schlug. Und das war das einzige, was jetzt wichtig war. Es war egoistisch zu denken, was er fühlen würde, wenn Kakashi in welcher Weise auch immer mit ihm umgehen würde. Das war doch völlig egal. Hauptsache, Kakashi lebte. Und wenn er ihn hasste, dann sollte es so sein. Und das war in Ordnung, solange der Hatake nur weiterlebte. Sekunden der Unendlichkeit, Minuten des Wartens und Stunden der Verzweiflung. Wie oft saß er nun schon hier? Hier, neben Kakashis Krankenbett. Neben den Geräten, die unentwegt Geräusche von sich gaben. Die seinen besten Freund am Leben hielten, nachdem er es war der… weiter wollte er nicht denken. Wie viele Male hatte er geweint? Vor Schmerz. Vor Angst. Unwissenheit. Schwäche. Weil er die Schuld nicht länger ertragen konnte. Weil er das alles nicht ertragen konnte. Die Last auf seinen Schultern. Diese Schwere, die ihn nicht atmen ließ. Weil er all dem einfach nicht entkommen konnte. Es gab keinen Ausweg und es gab auch keinen Knopf, der die Zeit zurückdrehen konnte. Und jedes Mal sah er, wie Kakashi hier lag und dem Totenreich näher zu sein schien als dem der Lebenden. Und das war alles seine Schuld. Er hatte Kakashis Leben wahrscheinlich auf immer zerstört, wenn er es ihm nicht sogar genommen hatte. Und nun war er wieder hier an Kakashis Seite. Und er würde es wieder sein. Er würde hier bei seinem Kameraden sein und ihn nicht allein lassen. Das hatte er sich vorgenommen. Er hatte Kakashi in diese Lage gebracht, er ließ ihn jetzt auch nicht allein. Auch, wenn er nicht die geringste Ahnung hatte, wie das alles wohl weitergehen würde. Ob Kakashi das überhaupt zulassen würde, geschweige denn von wollen… Obito seufzte tonlos, seine Schultern sackten nach unten. Was sollte er nur machen? Sekunden des Grübelns, Minuten der Hoffnung und Stunden, die mit Warten vergingen. Aber Kakashi hatte doch die Augen geöffnet. Das war keine Illusion. Das war kein Zufall. Er war sich sicher: Kakashi kämpfte. Also musste er nur hierbleiben und warten. Darauf warten, dass Kakashi die Augen öffnete. Dass er zurückkam. Obito hatte wieder Grund zu hoffen. Grund, an etwas zu glauben, dass real zu sein schien. Es war nicht mehr das verzweifelte Hoffen auf ein Wunder. Denn das schien bereits geschehen zu sein. Immerhin lebte Kakashi. Und er hatte die Augen geöffnet. Das alles schien so irreal, dass der junge Uchiha es sich immer wieder vorhalten musste. In seinem Inneren war diese penetrante Stimme, die ihn kontinuierlich an diese eine Sache erinnerte: Kakashi hatte die Augen geöffnet. Dinge würden sich wieder ändern. Es war nicht die Zeit in Selbstmitleid zu zerfließen. Sich selbst mit Vorwürfen zu plagen. Nicht jetzt. Dies könne später immer noch der Hatake übernehmen – und das würde er. Himmel, nichts würde er an Obito heil lassen. Und so sehr es ihm davor graute, denn er wusste Kakashi hatte recht, so sehr wünschte er es sich auch. Und wenn Kakashi es zuließ, dann würde er auch dann noch da sein. Er konnte nichts rückgängig machen, aber er wollte dafür geradestehen. Wie auch immer das aussah. Er wollte helfen, er wollte da sein. Obwohl… Obito lächelte bitter, als er sich vorstellte Kakashi zu helfen. Wie würde das aussehen? Wäre er eine wirkliche Hilfe? Würde er nicht noch versehentlich über Bett und Stuhl stolpern oder wichtige Kabel und Infusionen ausreißen? Etwas über Kakashi verschütten? Er wusste durchaus über sein Talent. Er wusste, er war etwas … tollpatschig. Und die Wahl des richtigen Zeitpunkts… nun ja, die hatte sie alle hierher gebracht. Er hätte Kakashi fast umgebracht. Damals wollte er auch nichts Böses. Er wollte nur… Am liebsten hätte er gesagt ‚Hättest du mich doch nur nicht dazu gedrängt Kakashi‘, doch das war nicht wahr. Sein eigenes Verhalten hatte das alles erst eingeleitet. Kakashi wollte nur, dass sie wieder funktionstüchtig waren. Dass sie kämpfen konnten. Allein nach seinem Geständnis hätte er seine inoffizielle und verquere Freundschaft zu Kakashi schon nur erhoffen vermocht. Aber jetzt… das war ein Alptraum. Er würde dafür geradestehen wollen, sofern das möglich war. Aber auf irgendeine Art der Zuneigung – und sei es nur Freundschaft – durfte er in seinem Leben nicht mehr hoffen. Aber… sie waren doch wirklich Freunde gewesen, oder? Auch wenn der Hatake es nicht zugegeben hätte. Er selbst wahrscheinlich auch nicht. Und dennoch, das, was sie verband, das war doch Freundschaft? Nicht wahr?! Als er plötzlich etwas an seiner Schulter spürte, durchfuhr es ihn. Wie vom Blitz getroffen zuckte er zusammen und wäre um Haaresbreite vom Stuhl gefallen. „Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken“, vernahm er eine sanfte Stimme. Weiblich, wenn auch unbekannt. Obito drehte sich ihr entgegen und sah auf. Vor ihm stand eine der Krankenschwestern und lächelte ihn sanft an. „Ich wollte dich nur bitten zu gehen. Die Besuchszeit ist schon vorbei, weshalb du jetzt leider gehen musst.“ „Aber…“, war wirklich so viel Zeit vergangen? Er war doch gerade eben noch aufgewacht, durch den Gang geeilt und hatte sich hier hingesetzt. Hatte er so lange gewartet? War er so in Gedanken, dass ihm die Zeit völlig entgangen war? Aber wenn er tatsächlich so viel Zeit hier verbracht hatte, warum hatte Kakashi seine Augen nicht geöffnet? Nicht einmal gezuckt? Nein, das war unmöglich. Völlig überfordert und vor allem ungläubig sah er die junge Krankenschwester an, leistete jedoch nur wenig Widerstand als sie ihn behutsam, aber bestimmt aus dem Raum führte. ~~ Es war nur ein einziger Laut. Ein kehliges Stöhnen, dass unter Zwang seine Lippen verließ. Irgendetwas zwang ihn dazu, sich zu bewegen. Seine Lungen zu bewegen. Und allein dieser einzige Laut jagte in durch die Hölle. Es war wie ein Feuer, dass durch seine trockene Kehle fegte und alles verletzte was es berührte. Es brannte, es schmerzte. Überall, und es benebelte sein Denken. Seine Wahrnehmung. Alles. Es war das einzige was er spürte. Es war das, was ihn tiefer in die Dunkelheit jagte und irgendwie auch aus ihr heraus. War es Dunkelheit? Irgendwie schon. Und irgendwie auch nicht. Er hatte das Gefühl, die ganze Zeit von Dunkelheit umgeben zu sein – nur von einer viel angenehmeren. Mehr wusste er nicht. Mehr konnte er nicht greifen. Kein Gedanke wollte sich fassen lassen. Es war einfach dunkel. Und da war dieses Feuer. Und diese Bewegungen. Er bewegte sich… irgendwie. Und irgendwie auch nicht. Und dann kamen die Schmerzen. Und er wünschte sich zurück in diese Dunkelheit zu fallen. Hier weg, wo auch immer er war. Nur weg. Und dennoch spürte er einen weiteren Feuerschwall in sich hinaufkriechen. Er wollte schreien, er wollte hier weg. Er wollte rennen und konnte sich nicht bewegen, doch sein Körper reagierte nicht. Doch irgendwie… er schien sich zu bewegen, ohne auch nur den geringsten Einfluss zu haben. Was war dieses Feuer? Es brannte höllisch und fraß sich durch jede Zelle seines Körpers. Er fühlte sich, als würde er innerlich zerbersten, jede einzelne seiner Zellen zerplatzen. Dieser Druck, der ihn ans Äußerste drängte und dann wieder nachließ. Unnachgiebig. In einer unerträglichen Regelmäßigkeit. Feuer. Schmerzen. Es war das einzige, was er in dieser Dunkelheit wahrnahm. Unerträgliche Schmerzen. Wie lange würde es dauern, bis ihn die Dunkelheit zerfraß? Oder würde sie ihn in dieses angenehme Nichts hinübergleiten lassen? Er hoffte es inständig. Und wieder fühlte er, wie sein Inneres bis ans Äußerste nach außen gepresst wurde, wie sich sein Körper dagegen wehrte, wie ihn der Schmerz einnahm. Er hielt es nicht aus. Wann würde es aufhören? Es brannte, es fraß an ihm und es ließ nicht nach. Es war ein Teufelskreis. Erst der Druck, die Spannung, das Gewebe, welches sich gegen seinen Willen zum Zerreißen spannte. Dann flaute es ab und dieser andere Schmerz, dieses schmerzende Ziehen, wenn lose Enden auf einander trafen. Wenn sich die Flammen mit Wucht aufeinanderpressten und er fühlte unter dem Gewicht zerquetscht zu werden. Bis es sich wieder hob, so sehr bis alles zerbarst. Es raubte ihm den Atem, es nahm ihm jegliche Kraft, kein klarer Gedanken ließ sich fassen. Es war die Hölle. Und dennoch bewegte er sich. Dennoch atmete er. Irgendwie. Und irgendwie auch nicht. Es sollte aufhören. Er hielt das nicht aus. Wieder hob sich alles an, wieder fühlte es sich an, als würden kleine Teile platzen, bis es im Großen und Ganzen in sich zusammenfiel. Da war dieser kleine Moment. Dieser Moment, wenn er nicht unter dem Druck zu zerbersten fürchtete und bevor er von dem Gewicht erdrückt wurde. Dieser Moment, indem er sank. Nach unten, oder hinten? Wohin sank er? Was war das alles hier? Was war das für eine Finsternis, die ihn umgab? Was versuchte ihn in tausend Stücke zu zerfetzen? Er fühlte etwas Weiches. Irgendwie, irgendwo. Aber etwas Weiches konnte ihm doch keine Schmerzen zufügen? Was war hier los? Wo war er? Was passierte hier? Er versuchte Antworten zu finden, doch nichts war greifbar. Kein Gedanke. Kein Bild, keine Erinnerung. Nichts. Nur ein kurzes Aufflimmern von Dingen. Von Schmerzen. Von Bewegungen. Von etwas Weichem. Von Fragen. Keine Antworten, nichts Konkretes. Keine Worte, keine Gefühle, nichts. Nur dieses unsichere Hinabgleiten. Und diese Hölle. ~~ Obito schlich langsam den langen Gang entlang, bog hier und da mal ab, bis er zur Rezeption kam. Es war doch tatsächlich schon dunkel geworden. Aber das war es nicht, was ihm so unbegreiflich war. Wieso musste er jetzt gehen? Hatte Sensei Minato etwas mit den Verantwortlichen vor Ort besprochen? Entscheidungen getroffen? Sonst hatte er doch auch bleiben dürfen. Nein, eigentlich zweifelte er nicht an seinem Sensei. Er würde so etwas nicht machen, dazu hatte er keinen Grund. Und immerhin wirkte er so, als würde er Obito unterstützen wollen. Nein, es war viel mehr so, dass es vorher niemanden interessiert hatte. Vielleicht weil sie Kakashi abgeschrieben hatten und es daher egal war, ob in seinem Zimmer die Regeln befolgt wurden. Oder wurden sie durch Minato wieder an ihre Pflichten erinnert? War das so eine Sache zwischen Dörfern in Zeiten der Krise? Hatte Konohagakure seine Position klar gemacht? War Kakashi deswegen nicht mehr egal? Oder… oder hatten nun auch die Ärzte wieder Aussichten auf Erfolg? Den Erfolg ein Leben gerettet zu haben. Immerhin hatte Kakashi seine Augen geöffnet. Egal, wie er es drehte und wendete, von welchem Blickwinkel er es auch betrachtete. Es gefiel ihm alles nicht. Es fühlte sich so falsch an, verwerflich. Es sollte um Kakashi gehen. Nur um Kakashi. Nicht um Politik, Druck, Krisen, Erfolg und all die anderen Gründe, die sie haben könnten. Es war so falsch… und es bedeutete, dass Kakashi Hatake selbst eigentlich egal gewesen war. Wie konnte das sein? Er war doch das Wichtigste. Sein Leben war es doch, das am seidenen Faden hing. Wegen und für Kakashi waren sie alle hier. Auch wenn er nicht direkter Verursacher der ganzen Misere war, war er trotz allem der Mittelpunkt. Wie konnte er so lange egal gewesen sein?! Wie konnten sie ihn so schnell abgeschrieben haben? Waren diese ganzen Arztbesuche dann nur zum Schein? War es dann egal, dass Kakashi litt? Dass er kämpfte? Dass Geräte versuchten sein Leben zu erhalten? War es dann nur ein nicht anderweitig nutzbares Zimmer? Obito schalt sich innerlich. Er sollte nicht so denken. Er wusste es nicht. Er wusste nicht, ob es wirklich so war. Und fairerweise musste er zugeben, dass er in letzter Zeit nicht viel mitbekommen hatte. Und überhaupt war es immer Rin gewesen, die ihn auf den neuesten Stand gebracht hatte. Oder eben auch Kakashi – auf seine ganz eigene, zuvorkommende Weise eben. Wortlos zog er an Misami vorbei, ohne sie überhaupt bemerkt zu haben. So sehr er es auch versuchte, es ging ihm ging aus dem Kopf. Er war fassungslos über den Gedanken, der in seinem Kopf langsam die Überhand gewann: Die Ärzte hatten Kakashi eventuell seit längerem offiziell als verlorenen Fall erklärt. Doch dann hatte Kakashi Hatake die Augen geöffnet. ~~ Wo war er hier? Wieso konnte er nichts außer Schwärze sehen? Was war passiert? Wieso war er von völliger Finsternis umgeben? War er allein hier? Ja, vermutlich war er allein. So fühlte sich das doch an, oder? Müsste es sich nicht anders anfühlen, wenn noch jemand hier war? Wieso sollte er hier jemanden antreffen, wenn er doch nicht einmal wusste, wie er hier her kam. Was geschehen war. Diese Dunkelheit, diese Hölle. Die Qualen, die in einer gnadenlosen Regelmäßigkeit abliefen. Aber er war allein, so musste es sein. Er hatte das Gefühl, Einsamkeit zu kennen. War er schon immer allein gewesen? War da eine Mutter, die auf ihn wartete? Ein Vater, der ihn beschützte? Irgendjemand anderes? Er wusste es nicht, er konnte sich an nichts erinnern. Er wusste nichts und es gelang ihn nicht in seinen Erinnerungen danach zu suchen. Aber ihn beschlich dieses seltsame Gefühl, dass dem nicht so war. Dass er allein war und es schon immer gewesen zu sein schien. Und dennoch war da so ein seltsames Etwas, das versuchte sich an die Oberfläche zu drängen. Was war das? Es störte, es wollte ihm etwas sagen. Doch was? Er konnte sich nicht konzentrieren, er konnte sich nicht erinnern. Alles war schwarz. Und dann war da dieses Brennen. Dieses Feuer, das ihn in die Hölle schickte und doch nichts erhellte. Wieso war er allein? Wieso hörte das alles nicht auf? Wo kamen diese Schmerzen her und was bedeutete das alles? Die Qualen, die Finsternis… wo waren seine Erinnerungen? Was passierte hier? Was war passiert, dass er solche Schmerzen erleiden musste? Es fühlte sich so unendlich qualvoll an, an diesem Ort allein zu sein… Wieso musste er diese Schmerzen erleiden? Wieso musste er hier allein sein? Wie lange würde dieser Zustand noch anhalten, ob er flüchten konnte? All diese Fragen schwebten um ihn herum in dieser Schwärze. Einer Dunkelheit, in der er nichts sah. Nicht einmal sich selbst. Es war wie ein Teufelskreis. Er wollte das nicht länger ertragen. Er konnte nicht einmal sagen, welche Pein die Schlimmere war. War es das Gefühl zu zerbersten… oder war es dieses seltsame Gefühl von Einsamkeit und Hilflosigkeit? Er versank in dieser seltsamen Welt, als wäre er gefangen in Treibsand. Würde das alles ein Ende haben, wenn er sich einfach verschlingen ließ? Wenn er einfach nachgab, keine Fragen mehr stellte. Wenn er sich dem Schmerz hingab und es einfach geschehen ließ. Doch da war dieses etwas, dass sich in den Vordergrund zu drängen versuchte. Dieses Etwas, dass weder Namen noch Form hatte. Er wusste nur, dass da etwas war. Irgendetwas. Oder jemand? War er doch nicht allein? Das Gewicht, dass ihn die Tiefe zog, wurde leichter. Und dann folgte auch schon der Druck, der sich berechnend langsam aufbaute, bis er das Gefühl hatte zu platzen. Bis er wich und ein Höllenfeuer durch jede einzelne seiner Zellen loderte. Und dann war da ein Bild. Es sollte ihm bekannt vorkommen. Er wollte es greifen, sich einprägen und es nicht loslassen. Es durfte nicht in der Dunkelheit verbleichen. Es musste bleiben. Es war alles, was er hatte. Es war vielleicht das Einzige, was ihm helfen konnte. Ein Anker, etwas Reales. Etwas, das ihn hielt. Dieses Bild. Dieses Gesicht, dass aufblitzte. Ein Gesicht, dass ihm so vertraut vorkam. Seltsam vertraut. Er spürte die Zweifel. Und die Verzweiflung. Er sollte sich an diese Person erinnern, er müsste wissen, zu wem dieses Gesicht gehörte. Welche Rolle diese Person hatte. Wieso gelang es ihm nicht? Wieso…?! War das ein Fetzen seiner Vergangenheit? Waren da noch mehr? Er musste sich erinnern. Er musste sich an etwas festhalten können, bevor die nächste Welle von Schmerzen über ihn hineinbrach. Dieses Gesicht, diese vertrauten Züge… woher kannte er sie? Und wieso waren diese Züge so… traurig? Nein, nicht Trauer. Es war etwas anderes, was sich in den Tiefen dieser Augen spiegelte. Verzweiflung. Pure Verzweiflung. Und Angst. Was hatte das zu bedeuten? Wovor hatte diese Person Angst? Was war dieser Person passiert? Etwa das Gleiche, wie ihm? War diese Person auch allein? Oder hatte sie ihn allein gelassen? Hatte sie ihn diesen Schmerzen ausgeliefert, dieser Finsternis? Wo war dieser Mensch jetzt? Was war passiert? Und wieder dieses Brennen, welches sich wie Fegefeuer seiner Sinne beraubte. Und dieses Nass, welches an ihm hinablief. Nur ein einzelner Tropfen, dann merkte er, wie er sich der Ohnmacht hingab. Seine Gedanken sich auflösten und er langsam zurück in die Dunkelheit sank. So war es besser. So sollte es bleiben... so sollte es enden. Schmerzlos. Bitte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)