Rescue me von Evi1990 (When a dragon saves a puppy - Seto x Joey) ================================================================================ Kapitel 13: Rescue me... from misunderstandings [ZENSIERT] ---------------------------------------------------------- Joey wurde von den Sonnenstrahlen wach, die ihn in der Nase kitzelten. Im ersten Moment musste er sich erstmal orientieren - wo war er hier? Dann hörte er plötzlich ein Geräusch neben sich - Seto, der sich auf die Seite drehte, sodass Joey nun sein Gesicht sehen konnte, die Augen aber noch immer geschlossen. Und plötzlich erinnerte sich Joey an alles, an jedes einzelne Detail.   Das war wohl der beste Start in seinen Geburtstag, den er jemals hatte. Schon bei dem Gedanken an all die Worte und Berührungen wurde ihm wieder heiß. Er legte sich ebenfalls auf die Seite und betrachtete den Braunhaarigen, der neben ihm noch seelenruhig schlief. Alles Arrogante oder Gebieterische war aus seinen Gesichtszügen verschwunden und machte einer Sanftheit Platz, die Joey einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Sein Mund war leicht geöffnet, und Joey konnte nicht anders, als zu denken, dass sein Drache einfach bezaubernd aussah. Und wunderschön. Und sexy. Ihm würden vermutlich noch eine Million andere Adjektive einfallen, aber keines wäre gut genug, um auch nur im Ansatz zu beschreiben, was er sah, wenn er ihn beobachtete.   Joey seufzte leise auf, ohne den Blick von dem Größeren zu lösen. Der Abend war wunderschön gewesen, und er rief sich noch mal den atemberaubenden Brief ins Gedächtnis, den Seto ihm geschrieben hatte. Er war sich sicher, Seto würde noch immer denken, der Brief war nicht so perfekt wie er ihn hatte schreiben wollen, aber für Joey war er einfach alles. Und noch viel mehr. Es war Ausdruck dessen, wie sehr sich Seto ins Zeug legte. Joey würde das niemals alles zurückgeben können, niemals.   Er schaute Seto an, dem in diesem Moment eine Strähne ins Gesicht fiel, die er sich, noch immer schlafend, selbst aus der Stirn strich. Er wollte ihn so gern berühren, aber er schlief so friedlich, also beherrschte er sich.   Joey seufzte auf. Es war alles ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Plötzlich wurde er von einem mächtigen Gedankenstrudel erfasst, von einem ganz bestimmten Gedanken gefangen genommen, der leider immer wieder auftauchte. Ja, alles, was sie getan hatten, war umwerfend gewesen. Aber je schöner es mit Seto wurde - und er konnte sich eigentlich nicht vorstellen, dass es zur letzten Nacht noch eine Steigerung gäbe - desto mehr besorgte ihn der Gedanke, das alles könnte fake sein. Alles nur Teil des Deals, des Plans, sich abzusichern, sollte Joey an seinem eigenen festhalten wollen.   Joey wollte so gern glauben, dass Seto sich verändert hatte. Aber stimmte das denn? Konnte sich ein Mensch in so kurzer Zeit um 180 Grad drehen? Oder steckte all das eigentlich schon in ihm, nur sah er es vorher einfach nicht? Seto hatte keine Probleme damit, in der Öffentlichkeit eine Fassade aufzusetzen, und Joey genoss es, dass nur er die andere Seite des Seto Kaiba kannte, aber was, wenn auch diese Seite, die er glaubte zu kennen, nur Fassade war? Wenn jemand eine harte Maske für die Öffentlichkeit erschaffen konnte, konnte derselbe Mensch nicht mit Leichtigkeit auch eine weichere, sanftere Version von sich selbst erschaffen, um andere Leute zu täuschen? Seto war immerhin bekannt dafür, alles zu tun, um seine Ziele zu erreichen. Aber würde er wirklich so skrupellos sein und Joey so etwas antun?   Es war noch früh am Morgen und Joey war schon total fertig mit den Nerven. Er war hin- und hergerissen, und am Ende stand die einfache Frage im Raum, ob das hier alles echt war oder doch Teil einer großen Lüge, eines großen Kaiba-Plans, und er tappte ihm ahnungslos in die Falle. Joey wollte einfach nur glücklich sein, das hier genießen, und er versuchte es mit aller Macht, aber die Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass er nicht wirklich sicher sein konnte, dass Seto es ernst mit ihm meinte, wurde von Woche zu Woche lauter. War es am Anfang nur ein dezentes Flüstern, so hatte Joey das Gefühl, sie schrie ihm jetzt direkt ins Ohr.   Als er wieder annähernd in der Realität ankam, sah er zwei strahlend blaue Augen, die ihn sanft ansahen, und schon wieder spürte ein Kribbeln in seiner Magengegend. Konnte jemand, der so wunderschön war, so schreckliche Dinge tun? Aber das war Seto Kaiba, der könnte dich mich einem einzigen Wort vernichten - und Joey wusste, Seto brauchte gar nichts sagen, um ihn den Abgrund hinunter zu schubsen. Und das würde Joey nicht ertragen.   Seto streckte den Arm nach ihm aus, und Joey versteifte sich. Er würde diese Gedanken jetzt erst mal für sich behalten, musste sie sortieren und die nächsten Tage abwarten. Er würde Seto genau analysieren, er wollte herausfinden, was das hier war. Und dann die Konsequenzen daraus ziehen.   ~~~~   Diese goldbraunen Augen machten ihn fertig. Seto war gerade erst wach geworden und hatte schon jetzt den unbändigen Drang, sein Hündchen zu berühren. Die letzte Nacht war mehr, als er sich je zu träumen gewagt hatte. Dabei hatte er von… so einer Art ‘Beziehung’ noch nie geträumt. Er war allein sehr gut klar gekommen, und dann kam der Blonde und hatte seine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Jede einzelne Pore verzehrte sich nach ihm und er konnte an nichts anderes mehr denken. Er wusste, wenn er bei ihm war, war alles gut, und auch wenn sie in der Öffentlichkeit die Fassade wahren mussten - zu ihrer beider Schutz - so hatte er das Gefühl, konnten sie einfach sie selbst sein, wenn sie zusammen waren.   Er sah die kleine Narbe am linken Nasenflügel seines Hündchens und musste seine Wut runterschlucken. Der Kleinere hatte schon so viel Schlimmes im Leben erfahren, also musste er ihm zeigen, dass er bei ihm sicher war. Er streckte die Hand aus, um Joey an der Wange zu berühren - und dieser zuckte ein wenig zurück. Was…   “Hündchen, was ist los?”, flüsterte er ihm sanft zu. Hatte er was falsch gemacht? Hatte er ihm letzte Nacht doch irgendwie weh getan? Er sah Joey in die Augen und konnte genau sehen, dass er gerade einen inneren Kampf führte. Er wusste nur nicht, wogegen.   “Guten Morgen. Es ist nichts, ich war nur in Gedanken und hab’ mich erschreckt.” Das war eine Lüge, das erkannte Seto sofort. Aber warum log er?   “Hab’ ich was falsch gemacht, Joey? Hab’ ich dir weh getan?”, sprach er seine Gedanken nun laut aus. Was war nur los? Gestern Abend und auch in der Nacht war er so ausgelassen gewesen, und plötzlich war alle Freude, alles Leben aus seinem Gesicht verschwunden. Der Glanz aus seinen Augen war mattem Braun gewichen.   Der Kleinere schüttelte den Kopf. “Nein, Seto, es ist wirklich alles okay. Ich bin vielleicht nur ein bisschen müde.” Joey berührte Setos Hand, die noch immer an seiner Wange lag, und sofort war die Hitze wieder da. Er wollte ihn näher an sich ziehen, aber der Blonde ging auf Distanz.   “Hey, ich muss heute noch ein bisschen was erledigen”, sagte Joey, zog die Bettdecke von sich und fing an, sich anzuziehen. Er machte Anstalten zu gehen, da stieg Seto aus dem Bett und umarmte ihn von hinten. “Ich weiß nicht, was los ist, mein Hündchen, aber wenn du reden willst, weißt du, wo du mich findest.” Er drehte ihn um und sah in schmerzvolle Augen. Hatte er ihm das angetan? Was nur war passiert? Joey zog ihn zu sich runter, um ihm einen kurzen Kuss auf den Mund zu geben, es war nur ein Hauch einer Berührung. Dann lief er los und war nur Sekunden später verschwunden. Was war hier gerade passiert?   Er bekam ihn auch den restlichen Tag nicht zu Gesicht, außer beim Essen, wo er sehr damit beschäftigt war, Mokuba in lange Gespräche zu verwickeln und Seto so auf Distanz zu halten. Er wusste nicht, warum Joey Abstand brauchte oder was sich plötzlich verändert hatte, aber er würde ihm Zeit geben, wenn es das war, was er wollte, auch wenn es ihm unheimlich schwer fiel. Sein Verlangen nach ihm wurde mit jeder Sekunde, die verstrich, größer, und damit meinte er gar nicht mal das körperliche Verlangen. Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie gefühlt, was er für diesen blonden Mann fühlte, noch nie solch tiefe Gespräche geführt, wie sie sie führten. Er wollte in jeder Minute seines Lebens einfach nur bei ihm sein, auch wenn er wusste, dass es nicht ging. Deswegen hoffte er, sein Hündchen würde wieder einen Schritt auf ihn zugehen, aber vor allem erklären, was er falsch gemacht hatte. Er würde alles tun, um das auszubügeln, wenn er nur wüsste, was es war.   Am nächsten Tag fuhren sie schweigend zusammen zur Schule. Seto wollte ihn nicht bedrängen und ließ ihm deshalb den Abstand, den er brauchte. Joey sah nur aus dem Fenster, aber Seto konnte seine Blicke nicht von ihm lassen.   “Hey, Joey!”, rief ihm Taylor zu, als sie aus dem Wagen stiegen, und Seto war schon wieder mehr als genervt von diesem ‘Kindergarten’. Der Braunhaarige war verwirrt und verstimmt, dieses dämliche Herumgeblödel von den Leuten, die Joey seine Freunde nannte, konnte er gerade wirklich nicht haben. Immerhin fiel es ihm jetzt nicht schwer, seinen üblichen Gesichtsausdruck aufzusetzen.   “Na, was hast du in deiner Geburtstagsnacht noch gemacht?”, fragte Yugi ihn in seiner typisch jugendlichen Unschuld, was Joeys Gesicht rot wie eine Tomate anlaufen ließ. Seto musste sich enorm zusammenreißen, bei seinem Anblick nicht lauthals loszulachen.    “Hab’ nur geschlafen, nix Besonderes”, hörte er den Blonden sagen. Auch wenn Seto absolut verstehen konnte, warum Joey das sagte, ging den dämlichen ‘Kindergarten’ ja auch überhaupt nichts an - es verpasste ihm einen Stich. Vielleicht war es für Joey wirklich nichts Besonderes gewesen? Innerlich wünschte er sich, dass er seinen Freunden da einen Bären aufgebunden hatte, dass es für Joey besonders gewesen war - für ihn war es das auf jeden Fall. Er hatte sich nie zu irgendjemandem hingezogen gefühlt, weder Mann noch Frau, und war immer davon ausgegangen, asexuell zu sein. Und dann kam Joey. Es brauchte nur einen Augenaufschlag von ihm und er war ihm verfallen.   Damit ließ er den ‘Kindergarten’ hinter sich und setzte seine übliche, teilnahmslose Miene auf. Joey wollte offensichtlich Distanz, und Seto hatte nicht das Gefühl, hier gerade viel ausrichten zu können. Auch wenn er nichts lieber tun würde als genau das.   ~~~~   Joey versuchte, die folgenden Tage zu nutzen, um Ordnung in sein Gefühlschaos zu bringen, aber er bemerkte, dass sich auch Seto zurückzog. War das die Bestätigung für seine Theorie, dass das alles nur ein Spiel für ihn war? Auf der anderen Seite sah er seine Blicke, im Wagen neben ihm, beim Frühstück, in der Kantine der Schule. Noch immer zog er seine ganze Aufmerksamkeit an. Joey verschanzte sich hinter Arbeit, legte Überstunden im Café ein, die er niemals bezahlt bekommen würde, oder ging an den Abenden einfach durch die Stadt. Aber nichts davon half auch nur im Entferntesten. Er wurde aus Seto einfach nicht schlau. Und er vermisste ihn, so sehr, dass es ihm die Luft zum Atmen nahm.   Es war ein Dienstagabend mitten im Februar und es hatte wieder angefangen zu schneien. Joey stand im Café und war gerade dabei, einige Gäste zu bedienen, als ihm die weißen Flocken, die vom Himmel rieselten, auffielen, und es erinnerte ihn sehr an Weihnachten, als er mit Seto am Fenster gestanden hatte. Seine Hände fühlten sich damals so warm an, und er konnte sich noch genau daran erinnern, dass er fand, dass er nach Orange roch. Joey sehnte sich nach diesem Moment zurück, als sein Herz so viel höher schlug. Wieso konnte es nicht immer so sein?   Er brauchte ihn. Es war jetzt knapp drei Wochen her seit dieser Nacht, nach der er so abrupt geflüchtet war, und wie viele Wörter sie seitdem gewechselt hatten, konnte man an zwei Händen abzählen. Aber Joey konnte nicht mehr. Je mehr er versuchte, sich von ihm fernzuhalten, desto mehr musste er an ihn denken. Überall gab es etwas, das ihn an den Braunhaarigen erinnerte - sei es auch nur ein Geruch. Er musste mit ihm reden, aber er wusste nicht, wie. Konnte er es denn riskieren? Immerhin konnte Seto doch einfach alles abstreiten und ihn dazu bringen, weitere Lügenmärchen zu glauben. Wenn es diese denn gab. Das war wie verhext!   Er musste es auf einen Versuch ankommen lassen. Er würde es nicht noch einen Tag ohne ihn schaffen, er musste einfach seine Stimme hören. Er ging in die Küche und holte sein Handy raus. Was sollte er ihm schreiben? Minutenlang überlegte er hin und her. Ihm wollten einfach nicht die richtigen Worte einfallen.   Er seufzte. So würde das nichts werden. Er durfte nicht so viel darüber nachdenken, welche Worte er wählen sollte, aber er wusste, wenn er jetzt eine Nachricht tippte, würde er sie wieder und wieder und dann wieder ändern, um am Ende vermutlich gar nichts zu schicken. Ob Seto das mit seinem Geburtstagsbrief auch so ergangen war?   Aus einem Impuls heraus drückte er die grüne Hörer-Taste neben Setos Namen und hielt sich das Handy ans Ohr. Mit klopfendem Herzen wartete er ab, und als er schon dachte, dass er vermutlich beschäftigt war und nicht rangehen würde, hörte er seine Stimme, und es fühlte sich an wie eine himmlische Erlösung. Er hatte sie so vermisst.   “Joey?”   Er signalisierte einem Kollegen, dass er mal kurz draußen sein würde, dann trat er vor die Tür und ließ den Schnee auf sich niederieseln, bevor er antwortete.   “Hey…” Mehr bekam er nicht raus. Er wusste noch immer nicht, was er tun, was er sagen sollte. Warum war das plötzlich so kompliziert zwischen ihnen? Es war doch immer irgendwie einfach gewesen, selbst als sie den ganzen Tag nur gestritten hatten.   “Ich hab’ das Gefühl, deine Stimme Jahre nicht mehr gehört zu haben”, hörte er Seto am anderen Ende sagen und traf damit präzise die Gedanken, die auch Joey hatte. “Wo bist du? Ist alles in Ordnung?”   “Ja, ich… ich stehe vor dem Café. Können wir uns sehen?”   “Natürlich, unbedingt. Ich bin noch in der Firma und befürchte, das wird ein langer Abend. Macht es dir was aus, herzukommen? Ich sage am Empfang Bescheid, dass sie dir die A-Berechtigung geben sollen.”   “Was soll das denn sein?”, fragte Joey verwirrt.   “Das heißt, dass du nicht abgewimmelt wirst, wenn du sagst, dass du zu mir willst und keinen Termin hast.”   “Ah, verstehe, und mit welchem Berechtigungsschein bekommt man einen Termin bei dir? Und wie oft muss man dafür mit dir Sex haben?” Joey musste kichern. Er hatte Setos Stimme so unendlich vermisst, und als er sie jetzt hörte, kamen all die Glücksgefühle zurück, die ihn in den letzten drei Wochen verlassen hatten, trotz all der Zweifel, die er noch immer hatte. Nein, es gab kein Zurück, er konnte sich nicht einfach weiter von ihm abschotten. Wenn er ein Spiel spielte, musste er es wissen, und dann würde er es auch schaffen, sich von ihm zu entfernen. Aber solange die Möglichkeit im Raum stand, dass er es ehrlich meinen könnte, würde er es nicht können. Niemals.   Am anderen Ende der Leitung hörte er ein leises, diabolisches Lachen. “Willst du’s rausfinden?” Oh, er würde nur zu gern, und trotz der eisigen Kälte hier draußen wurde Joey in diesem Moment heiß. Nur Seto hatte die Macht, ihn mit so wenigen Worten so sehr aus dem Konzept zu bringen, dass er sprachlos war.   “Wann kannst du hier sein, mein Hündchen?”, fragte Seto und sein Ton war liebevoll. Er sah zurück ins Café - er hatte die letzten Wochen so viele Überstunden geschrubbt, wenn er jetzt früher gehen wollte, würde ihm das keiner übel nehmen. “Ich mach’ mich sofort auf den Weg.” Mit diesen Worten legte er auf, ging erneut ins Café, um Bescheid zu geben - wie erwartet, kein Problem - und lief schnellen Schrittes in Richtung KaibaCorp.   Als er vor dem imposanten Glasgebäude stand, wurde er plötzlich nervös. Er hatte schon ein Foto von Seto aus seinem Büro bekommen und konnte daher ahnen, dass sein Büro ganz oben war. Wo auch sonst, alles andere würde dem großen Seto Kaiba ja auch nicht gerecht werden. Überheblicher Kotzbrocken. Er musste lachen, als er ihn wie in alten Zeiten in seinen Gedanken beleidigte. Das, gepaart mit ihrer einigermaßen witzigen Unterhaltung vorhin am Telefon, fühlte sich fast ein bisschen nach Normalität an. Außerdem war er sein überheblicher Kotzbrocken, und er hoffte, heute nichts zu erfahren, was daran etwas ändern könnte.   Er betrat die große Eingangshalle und ging auf den Empfang zu, als plötzlich eine blonde Frau auf ihn zutrat. “Mr. Wheeler, guten Abend. Mr. Kaiba erwartet Sie schon. Ich bin eine seiner persönlichen Assistentinnen, Miyako Watanabe. Ich begleite Sie nach oben.”   Joey staunte nicht schlecht. Seto hatte offenbar in Windeseile alles vorbereitet - so viel zu dieser ominösen A-Berechtigung, das hier sah Joey doch eher nach der Ich-hatte-Sex-mit-Seto-Kaiba-Berechtigung aus. Und er fragte lieber nicht, woher sie eigentlich wusste, wie er aussah. Sie führte ihn zu einem ebenfalls gläsernen Fahrstuhl und sie fuhren in den obersten Stock. Um dorthin zu gelangen, musste sie ihre Schlüsselkarte an einen Sensor halten, und Joey konnte nur vermuten, dass nur ausgewählte Personen Zugang zu seinem Stockwerk hatten. Oben angekommen, gingen sie einen langen Flur entlang, bis sie vor einer großen Holztür stehen blieben. “Mr. Kaiba hatte mich gebeten, Sie direkt bis zur Tür zu führen.” In diesem Moment hörte er ein Brüllen aus dem Zimmer. “Wie oft soll ich Ihnen das denn jetzt noch vorkauen, bis Sie es, verdammt noch mal, verstanden haben!” Ms. Watanabe sah ihn mitfühlend an, und mit den Worten “Viel Glück” verabschiedete sie sich.   Joey wusste nicht, was ihn erwarten würde. War Seto nicht allein? Er hatte keine andere Stimme gehört. Also telefonierte er wahrscheinlich? Wäre er wütend, wenn er jetzt reinkommen würde? Aber sie hatten es ja so verabredet…   Joey war schon wieder unheimlich genervt von sich selbst. Er ließ sich viel zu sehr von seinen Gedanken einnehmen. Aber er war hier, um endlich Klarheit zu schaffen. Also nahm er allen Mut zusammen, klopfte an und trat ein.   Der Raum war dunkel, die Schreibtischlampe die einzige Lichtquelle. Er sah Seto, wie er seinen Kopf auf dem Ellenbogen abstützte und energisch den Kopf schüttelte. Dann nahm er Joey wahr, hob seinen Kopf ein bisschen an und sein Blick wurde ein wenig sanfter, nur um direkt danach wieder wütend zu werden.   “Okay, ich sage das jetzt ein allerletztes Mal. Das ist nicht der Preis, den wir ausgehandelt haben. So schwer von Begriff sind doch sonst nicht mal Sie.” Joey war in dem Moment echt froh, dass er da nicht so von Seto in die Mangel genommen wurde. Wobei, nicht mehr, wenn er es sich recht überlegte. Gerade der letzte Satz war eigentlich ein Klassiker, und Joey amüsierte sich darüber, dass er wohl nicht der einzige Mensch in diesem Universum war, der von Seto so angegangen wurde.   Er sah sich ein wenig im Raum um. Hier sah es fast genauso aus wie in Setos Büro Zuhause, vielleicht ein bisschen moderner, und die große Glasfront hinter ihm bot einen fantastischen Ausblick über die Stadt. Die Menschen am Boden krabbelten wie kleine Ameisen durch die Gegend, und Joey wusste, er könnte hier nicht arbeiten, ohne ständig von irgendwas abgelenkt zu werden. Aber das galt ja eigentlich auch so schon, dafür brauchte er keine Glasfassade.   “Habe ich Ihnen nicht gestern gesagt, dass Sie das gefälligst bis heute erledigt haben sollten? Vielleicht sollte ich mir einen neuen Technikchef suchen, wenn Sie zu unfähig sind, auch nur die kleinsten Anweisungen zu befolgen!” Joey lehnte sich, die Arme vor dem Körper verschränkt, seitlich an die Wand und beobachtete Seto grinsend. Der beachtete ihn gar nicht, weil er sich immer mehr in Rage redete, und Joey konnte die Ader an seinem Hals pulsieren sehen.   “Oh, schön, hat denn vielleicht auch irgendwas geklappt, von dem Sie berichten können? Keiner braucht ausführliche Erläuterungen über Ihre dummen Misserfolge!”   Er konnte nicht so genau sagen, was es war, aber irgendwas faszinierte Joey unheimlich daran, wie Seto so sprach. Überhaupt war seine ganze Körpersprache so… dominant. Wenn er ihn da so reden hörte, vergaß Joey total, weswegen er eigentlich hier war. Er konnte sich nur auf diese leidenschaftlich-blauen Augen konzentrieren, die vor Wut aufloderten. Verdammt sexy...   “Was mischen Sie sich denn da jetzt ein? Sie sind Praktikantin, verdammt!” Der Blonde stand noch immer drei Meter weg von Seto, und dennoch war die Hitze des Braunhaarigen durch den gesamten Raum zu spüren, wahrscheinlich sogar noch auf dem Flur. Joey wollte näher ans Feuer, wollte sich verbrennen und komplett einnehmen lassen.  Er ging zu ihm, und als er sich vor ihn auf den Schreibtisch setzte, schaute Seto erstaunt auf. Er setzte sich bewusst nicht vor den Computermonitor, er wollte ja immerhin nicht auch von Seto zugeschnauzt werden. Aber er musste ihm nah sein und wollte diese Augen in voller Aktion erleben.   Seto legte ihm eine Hand auf den Oberschenkel, die Joey nahm und drückte. Seto sah ihn nur an und rollte mit den Augen. “Was soll das heißen, er steht nicht zur Verfügung? Haben Sie eine Ahnung, mit wem Sie hier reden?”   Oh, wie Joey diesen Tonfall liebte. Er musste ihn jetzt gerade vermutlich mit offenem Mund begaffen und konnte schon froh sein, wenn ihm keine Sabberfäden aus dem Mund liefen. Aber das war einfach so gut, und er wollte mehr, wollte, dass er weiter sprach.   “Hören Sie sich eigentlich gerade selbst zu? Das muss doch selbst in Ihren Ohren lächerlich klingen. Das war absolut perfekt ausgearbeitet, immerhin kam die Idee von mir höchstpersönlich.”   Mehr, mehr… an was anderes konnte Joey nicht denken. Er nahm Setos Hände - er trug ein Headset und hatte daher glücklicherweise beide frei - und zog sie noch ein Stück mehr seine Beine hoch, sodass sie an seiner Hüfte zum Erliegen kamen. Nein, das war nicht genug. Joey stand für einen kurzen Moment auf, nur um im nächsten Moment seine Knie neben ihm auf dem dankenswerterweise sehr breiten Bürostuhl abzulegen und sich auf seinen Schoß zu setzen, das Gesicht nun ganz dicht vor Setos. Seto legte eine Hand auf Joeys Wange und fuhr mit seinem Finger über seine Lippen, die sofort von der Hitze brannten, die die Berührung hinterließ.   “Sie dummer… Idiot…” Seto verhaspelte sich etwas, als Joey ihm, kaum hatte der Braunhaarige weiter gesprochen, in das Ohr stöhnte, das nicht vom Headset verdeckt wurde - denn nur Setos rechtes Ohr wurde von einem Ohrpolster verdeckt, sodass Joey freien Zugang zu seinem linken hatte. Dann nahm er Joeys Kinn in die Hand und sah ihm intensiv in die Augen. Gott, diese Augen machten ihn wahnsinnig. Seto drückte irgendeinen Knopf an seinem Headset, dann sagte er mit heißer, heiserer Stimme zu Joey: “Macht dich das an, Hündchen? Wenn ich so rede?” Setos leises Lächeln auf den Lippen verführte Joey dazu, an dessen Unterlippe zu knabbern. Wenn er ihm antwortete, würde er dann endlich weitermachen?   “Mhm… klingt so, als wenn da jemand nicht wüsste, wie er mit dir sprechen muss. Immerhin bist du Seto Kaiba… lass dich nicht so behandeln Seto… mach sie fertig…” Joey zog Seto in einen leidenschaftlichen Kuss, ihre hitzigen Zungen kämpften für einen Moment wild miteinander, doch dann löste er sich von ihm. Er drückte den Knopf, den Seto gerade an seinem Headset gedrückt hatte und zwang ihn damit dazu, weiter zu sprechen - und Joey konnte sehen, und fühlen, wie das den Größeren erregte. Setos Grinsen nach zu urteilen, würde er Joey den Wunsch gern erfüllen, die Menschen am anderen Ende der Leitung fertig zu machen.   ~~~~   Was passierte hier eigentlich gerade? Sein Hündchen war gekommen, um zu reden, jedenfalls war er bisher davon ausgegangen, und nun würde er ihn verführen, während er sich mal wieder mit absolut inkompetenten Mitarbeitern rumschlagen musste. Und er würde es zulassen. Er hatte ihn drei Wochen nicht berührt, kaum mit ihm gesprochen, und er brauchte ihn, wollte ihn spüren. Und wenn er seinem Hündchen geben konnte, was er wollte, und dafür auch noch mit Zärtlichkeiten belohnt wurde, dann konnte das ja nur eine Win-Win-Situation sein.   “Sie hören mir jetzt gefälligst mal genau zu! Ihre Probleme interessieren mich einen Scheißdreck!”   Oh Gott, schon spürte er Joeys Zunge überall an seinem Hals. Wie lange würde er das aufrechterhalten können, ohne dass seine Gesprächspartner was mitbekamen? Er versuchte, ein wenig Beherrschung zurück zu gewinnen, aber dann sah er in diese goldenen Augen und war verloren. Joey hatte noch seinen Mantel an, den er ihm hektisch vom Leib riss und in die nächste Ecke warf. Scheiß auf das Ding, wenn das kaputt ging, kaufte er ihm eben einen neuen. Er hatte einen Pullover mit Reißverschluss an, und auch der war schnell weg, wobei er den Reißverschluss langsam ziehen musste, um nicht allzu viele Geräusche zu machen, was Joey offensichtlich noch mehr erregte. Seto war verrückt nach ihm, und er würde es ihm jetzt zeigen.   Während seine Hände an Joeys Hosenbund zugange waren, brüllte er ins Telefon - sogar noch lauter, als er es sonst tat, um Joey noch mehr anzuheizen. “Wir sind hier nicht die Wohlfahrt! Wenn Sie mit meinem Geld nicht ordentlich umgehen können, sind Sie gefeuert!” Er konnte sehen, wie sehr Joey sich bemühte, nicht zu laut zu stöhnen, und wenn er an ihre erste gemeinsame Nacht dachte und die Lautstärke, mit der Joey immer wieder seinen Namen gerufen hatte, konnte er sich gut vorstellen, wie viel Selbstbeherrschung ihn das jetzt kosten musste. Seto zog seinem Hündchen das Shirt über den Kopf und konnte nun endlich wieder seinen nackten Oberkörper berühren. In Joeys Blick konnte er eine Bitte lesen, ein Flehen. Er wollte mehr, und oh, Seto wollte es genauso.   “Gibt es in diesem Call eigentlich auch jemanden mit ein wenig Restintelligenz, oder spreche ich hier nur mit Toastbrot?” In dem Moment nahm er ein lautes Geräusch wahr - Joey hatte Setos Hemd einfach aufgerissen, sodass alle Knöpfe mit dumpfen Geräuschen auf dem Boden landeten. Nichts konnte ihm gerade egaler sein. Er würde auch nackt nach Hause krabbeln, wenn er dafür seinem gierigen Hündchen Befriedigung verschaffen konnte. Wie besessen berührten Joeys Hände jede Stelle seines nackten Oberkörpers, während er heiße Küsse auf Hals und Schulter verteilte. Er musste den Kopf in den Nacken legen, um nicht laut aufzustöhnen. Dann spürte er Joeys Hände an seinem Hosenknopf, und er stoppte, ließ ihn zappeln. Sein Blick zeigte auf das Headset. Seto machte es kurz per Knopfdruck stumm.   “Willst du mehr, Joey? Sag mir, was ich tun soll.” Er fühlte, wie Joeys Hände leicht anfingen zu zittern, als er das sagte. Er setzte sich ein wenig auf, und während er den obersten Knopf von Setos Hose öffnete, sagte er, ihm direkt ins Gesicht blickend: “Nimm mich, Seto.”   Das war keine Bitte, das war ein Befehl, und Seto war mehr als bereit, ihm alles zu geben, was er zu bieten hatten.   Es dauerte ungefähr 30 Minuten, bis sie ihr Liebesspiel beendet hatten, das so intensiv und heiß war, dass es noch immer ihre kompletten Sinne benebelte. Seto hatte das Telefonat mit seinen Mitarbeitern irgendwann einfach beendet und bekam jetzt schon den Gedanken nicht aus dem Kopf, dass sie hier immerhin noch in seinem Büro waren. Er würde Business Calls nie wieder machen können, ohne an das zurückzudenken, was sie gerade geteilt hatten, so viel war sicher…   Als beide wieder einigermaßen im Besitz ihrer eigenen Sinne waren, lösten sie sich langsam voneinander. Seto drehte Joey um und küsste ihn innig. Als er sich löste, sagte er: “Da hinten ist ein Badezimmer.” Joey sah ihn total verblüfft an. “Du hast ein eigenes Badezimmer? In deinem Büro?”   Seto musste lachen. “Hast du vorhin nicht selber gesagt, ich bin der große Seto Kaiba, oder sowas? Und da wunderst du dich darüber, dass ich hier ein Badezimmer habe?”   Joey war so schnell verschwunden, so schnell konnte er gar nicht gucken, und das brachte ihn wieder zum lachen. Mit ihm war er so befreit und machte sich weniger Gedanken über all den anderen Mist. Er war einfach glücklich. Endlos und bedingungslos glücklich.   ~~~~   Joey kam aus dem Badezimmer und zog sich hastig seine Klamotten an. Deswegen war er bestimmt nicht hergekommen, aber er konnte sich nicht beherrschen. Er wurde von Seto einfach magisch angezogen. Er war wie eine Motte, und Seto war das Licht.   Als auch der Braunhaarige aus dem Bad kam, fragte Joey schüchtern: “Sag mal, hat… hat man uns hören können? Ich hab außerdem vergessen, die Tür zu verschließen.” Seto lachte laut, dann sammelte er seine Klamotten ein, zog sich an - wobei er das Hemd offen ließ, blieb ihm ja nicht viel übrig - und sah an seinem Computer nach.   “Keine Sorge, Ms. Watanabe hat dich nach oben gebracht und ist danach sofort wieder runtergefahren. Danach war niemand mehr hier. Sie ist auch die Einzige mit einer Karte hier hoch, neben mir natürlich, und ich habe vorhin gesehen, dass sie ihre Karte zur Runterfahrt wieder benutzt hat. Siehst du, ich kriege dann hier so ein Pop-up auf dem Laptop. Deswegen habe ich mir keine Sorgen gemacht.”   Joey atmete erleichtert aus. Er sah zu Seto hoch und war sofort wieder versunken in seinen Augen, seinem unglaublichen Lächeln. Aber er musste noch mit ihm sprechen, er musste einfach.   Doch bevor er anfangen konnte, roch Seto offenbar den Braten. “Ich nehme mal an, du wolltest mich eigentlich wegen was anderem sehen? Oder hast du mich so vermisst?” Dieses süffisante Grinsen gab ihm den Mut, offen zu reden. “Beides, ehrlich gesagt”, lachte Joey. “Aber es gibt eine Menge, worüber ich mit dir reden wollte. Ich.. hab’ mir Gedanken gemacht…”   Seto setzte einen ernsten Gesichtsausdruck auf. Er lehnte mit dem Po gegen den Schreibtisch und zog Joey nun an seinen Armen näher zu sich. Dann strich er ihm eine Strähne aus der Stirn und sagte: “Red mit mir, mein Hündchen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schwer es war, mich so lange von dir fernzuhalten. Aber ich habe gemerkt, dass du den Abstand brauchtest. Ich weiß nur nicht, warum. Habe ich was falsch gemacht?”   Joey hielt seinem Blick nicht stand. Er senkte den Kopf, atmete tief durch und sagte dann einfach, ohne groß nachzudenken, was Phase war.   “Nein, oder doch? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, Seto. Ich habe Angst. Angst, dass das hier alles nur Show ist, wegen diesem dämlichen Deal. Dass alles, was ich fühle, Teil eines abgefuckten Plans ist, mich am Ende doch nur zu vernichten.”   Seto hob sein Kinn wieder an und Joey konnte sehen, wie geschockt er war. Ehrlich geschockt. Nein, das war nicht gespielt, das war authentisch, das konnte er in seinen Augen ganz genau sehen. “Joey, was… wie kommst du darauf? Weißt du eigentlich, wie wichtig du mir bist? Weißt du, wie ich gelitten habe die letzten drei Wochen, weil du nicht wirklich bei mir warst? Ich hatte so Angst, dass ich dir weh getan hätte, in dieser Nacht, irgendwas nicht richtig gemacht habe, und du deswegen geflüchtet bist. Du hast recht, dieser Deal ist dämlich. Weil ich dich auch ohne irgendeinen formalisierten Rahmen glücklich sehen will. Wenn du mich anstrahlst, geht buchstäblich die Sonne auf. Und ich will das sehen, immer, überall. Gott, Joey, ich mag ja vor drei Monaten noch der Idiot gewesen sein, der dich nicht gesehen hat, aber jetzt sehe ich dich, und ich werde dich nicht wieder gehen lassen.”   Joey liefen bächeweise die Tränen an den Wangen hinab. Er konnte nicht glauben, dass er ihn, Seto Kaiba, jemals sowas sagen hören würde. Könnte er das alles bitte noch mal schriftlich kriegen?   Er wischte sich ein paar Tränen von den Wangen, die im Anschluss direkt wieder von neuen ersetzt wurden. “Aber in der Öffentlichkeit, da bist du so… distanziert. Ich weiß nicht, das stört mich eigentlich nicht unbedingt. Irgendwie finde ich es auch schön, diese Seite ganz für mich zu haben, aber... ich dachte, du setzt in der Öffentlichkeit diese Maske auf, zum Schutz oder so, und wenn wir allein sind, dann bist du… so. Na, eben so wie jetzt. Wie kann ich dir glauben, dass das nicht einfach eine neue Maske ist, die du dir gebastelt hast und jetzt immer aufsetzt?”   “Moment”, begann Seto stirnrunzelnd. “Ist das der Grund, warum du mich die letzten drei Wochen gemieden hast? Weil du denkst, ich hätte mir irgendeine verdammte Fassade zugelegt, die ich dann einfach auf Knopfdruck auflege, wenn wir zusammen sind?” Joey konnte sehen, dass der Größere etwas aufgebracht war. Joey nickte zögerlich und Seto ließ von ihm ab, ging hinter seinen Schreibtisch und sah für einen Moment aus der Glasfassade hinaus. Er seufzte, und Joey hatte Angst, jetzt irgendwas zwischen ihnen kaputt gemacht zu haben.   “Du vertraust mir nicht”, sagte Seto, noch immer in die nächtliche Stadt rausblickend, und Joey konnte genau hören, wie verletzt er war. Das hielt er nicht aus, er musste ihm in die Augen sehen. Mit schnellen Schritten ging er zu ihm und drängte sich zwischen ihn und das Glas, sodass sie sich nun wieder ganz nah waren.   “Doch, doch, das tue ich! Ich… ich weiß doch auch nicht. Du hast mir eigentlich nie Anlass gegeben, zu zweifeln, aber irgendwie… keine Ahnung, ich hab’ einfach so Angst, dass das nicht echt ist, dass ich am Ende verletzt werde. Verdammt, Seto, ich bin einfach so unheimlich verwirrt, vielleicht traue ich auch einfach meinen eigenen Gefühlen nicht. Vielleicht machen sie mir auch einfach Angst. Ich habe sowas noch nie gefühlt, und dann auch noch mit dir… keine Ahnung, ob das alles irgendwie Sinn ergibt.”   Dann hob Seto sein Kinn an, und er sah ihm tief in die Augen. Er sah ihn so sinnlich an, so voller Leidenschaft und Zärtlichkeit, dann sagte er: “Dann erzähl’ mir von deinen Gefühlen. Und ich sage dir, ob du ihnen vertrauen kannst.”   Joey musste schlucken. Wie zur Hölle sollte er das denn mit Worten beschreiben? Gab es dafür überhaupt die richtigen Worte? Würde auch nur irgendeines davon dem gerecht werden? Aber als Seto ihn so ansah, da musste er es einfach probieren.   “Ich weiß nicht, es ist… manchmal, da schaust du mich nur an und mir ist heiß, und dann wann anders, da ist mir heiß und kalt gleichzeitig. Oder ich kriege eine Gänsehaut, wenn ich deinen Blick in meinem Rücken spüre. Wenn ich dir in die Augen sehe, dann kann ich meinen Blick einfach nicht mehr lösen, egal wie sehr ich es auch versuche. Und wenn du mich berührst, dann… dann wird mir schwindelig und ich hab’ das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Dafür brauchst du eigentlich nur in den Raum kommen. Oh man, damals an Silvester, als du so dramatisch durch die Tür gekommen bist… ich hatte das Gefühl, ich kippe gleich um. Ich…”    Joey konnte nicht weiterreden, weil Seto ihn in einen zärtlichen Kuss verwickelte. Und da war es wieder, dieses Bauchkribbeln, das er nie los wurde, wenn er bei ihm war, es wurde nur besonders intensiv, wenn sie sich küssten. Setos Zunge bat um Einlass und Joey öffnete leicht seine Lippen. Ihre Zungen kämpften nicht so fordernd wie noch vorhin, es war eher eine sanfte Liebkosung, wie eine ständig wechselnde Umarmung. Als sie den Kuss wieder lösten, ergänzte Joey: “Und wenn du mich küsst, kann ich an nichts anderes denken. Nur an dich, immer nur an dich.”   Setos Augen waren ein Sturm aus verschiedenen Blautönen. Joey war ihm total verfallen, sich ihm entziehen zu wollen, war vollkommen zwecklos.   “Mein Hündchen…”, flüsterte er zärtlich, hörte aber nicht auf, ihn so intensiv zu betrachten. Dann sprach Joey weiter. “Ich meine, ist das normal, dass ich mich so fühle, Seto? Soll das so sein? Es ist so intensiv, dass ich Angst habe zu platzen.”   Seto streichelte ihm zärtlich über die Wange, dann sagte er: “Ich weiß nicht, ob das normal ist. Aber es klingt alles genau wie das, was ich fühle. Ich kann dir auch gar nicht sagen, ob das normal wäre, weil ich das auch noch nie so gefühlt habe. Der Einzige, für den ich immer was empfunden habe, war Mokuba. Aber bei dir, das ist einfach so…” Joey wusste, dass Seto das richtige Wort nicht finden würde. Und Joey würde es auch nicht. “Ich weiß nur nicht, wie ich es schaffen kann, dass du mir glaubst. Dass ich das nicht mache, weil wir diesen Deal haben, sondern weil ich es möchte. Verdammt, selbst wenn ich es nicht wollte, könnte ich mich nicht dagegen wehren. Was kann ich tun, Joey?”   Joey rannen schon wieder vereinzelte Tränen über die Wangen. Er war einfach so berührt von dem, was Seto ihm gerade erzählt hatte, und er wusste, das hatte ihn enorme Überwindung gekostet. Er musste ihm einfach glauben, es ging nicht anders. Er war einfach so überwältigt von seinem Drachen, dass es keine andere Möglichkeit gab, als ihm vollends zu vertrauen.   “Nichts, Seto, gar nichts. Ich glaube dir. Es tut mir leid, dass ich so dumm war, das anzuzweifeln. Tu’ mir nur nicht weh, in Ordnung?”   “Niemals, mein Hündchen. Weißt du, du hast vorhin doch gesagt, ich hätte da diese Fassade, in der Öffentlichkeit. Aber das bin auch ich. Mir ist das wichtig, zum einen, weil ich hier in der Firma einfach eine gewisse Persönlichkeit sein möchte.” Und plötzlich legte sich ein verschwörerisches Lächeln auf Setos Lippen, eher er weitersprach. “Und es sah mir vorhin auch nicht danach aus, als ob du da grundsätzlich viel dagegen hättest.”   Joey wurde leicht rot und musste nun doch verlegen den Kopf senken. Seto lachte leise, dann setzte er erneut zum Reden an. “Und zum anderen mache ich das zum Schutz. Jede Gefühlsregung ist für die Presse ein gefundenes Fressen, und ich habe keine Lust, mir ständig irgendwelchen Schmutz in der Schmuddelpresse von mir durchlesen zu müssen. Ich will lieber etwas über meine Firma und von deren Erfolgen in der seriösen Presse lesen.”   Joey nickte und sah ihn wieder an. “Ja, das verstehe ich.” Einen kurzen Moment lang sagten beide gar nichts. Auch Joey musste für einen Augenblick seine Gedanken sammeln. Dann fragte er: “Und wie geht es jetzt weiter? Was machen wir jetzt? Ich meine, wie gehen wir miteinander um? Ich will auf gar keinen Fall wieder drei Wochen von dir getrennt sein, wenn es nach mir ginge, nicht mal für eine Sekunde.”   Joey konnte Setos warmes Lächeln sehen und war sofort wieder in seinem Bann. “Also, in der Öffentlichkeit bleibt alles wie immer. Das ist das Beste, Joey, auch um dich zu schützen. Kannst du dir vorstellen, was passieren würde, wenn die Presse erfahren würde, dass ich eine Beziehung habe? Die stürzen sich wie die Aasgeier auf dich. Und… Joey, alles okay?”   Joey starrte ihn mit weit geöffneten Augen an, die Kinnlade fiel ihm runter. “Eine.. eine Beziehung?” Offensichtlich hatte Seto nicht so richtig über seine Worte nachgedacht, bevor er sie sagte, und sah ebenfalls geschockt aus, wenn auch vielleicht ein wenig milder als Joey. Zumindest fasste er sich schneller wieder. “Mir ist es eigentlich ziemlich egal, wie wir das nennen. Ehrlich, ich will wirklich nur bei dir sein. Und es ist jetzt auch nicht so, als ob ich viel Ahnung von Beziehungen hätte. Außer zu meinem Bruder vielleicht, für den ich aber auch oft der Vater sein musste, also ist das nun auch nicht gerade ein Paradebeispiel dafür.”   Mittlerweile brannte Joeys Magengegend, offenbar feierten die Schmetterlinge in seinem Bauch gerade eine fette Party. “Mir gefällt die Bezeichnung eigentlich ganz gut…”, sagte Joey schüchtern. Setos Lächeln verstärkte sich und Joey konnte sehen, wie sich die Wärme in seinen Augen nun sogar noch verstärkte. “Mir auch, mein Hündchen. Und irgendwann können wir es sicherlich auch öffentlich machen, aber dazu braucht es einen eng ausgearbeiteten Plan. Und vermutlich ein Dutzend mehr Sicherheitskräfte, mindestens.” Beide mussten in dem Moment lachen, und die Endorphine in Joeys Körper legten ein paar Überstunden ein.   Noch einmal streichelte Seto ihm sanft über die Wange und fragte ihn: “Ist das okay für dich?” Joey nickte lächelnd. “Ist es, unter einer Bedingung.” Erstaunen blitzte in Setos Augen auf. “Und die wäre?” Aus Joeys Lächeln wurde ein Grinsen. “Ich will nachts bei dir sein. Auch wenn du bis spät arbeitest, oder wenn ich spät von der Arbeit komme. Ich will bei dir sein. Deal?”   In dem Moment umarmte er Joey und flüsterte ihm ins Ohr: “Deal.”   Und während sie sich nach wenigen Momenten - oder waren es Stunden? - wieder voneinander lösten, fügte Seto hinzu: “Außer, wenn ich mal auf Geschäftsreise bin, dann bin ich nämlich nicht Zuhause. Jetzt schau nicht wie ein begossener Pudel, hast du nicht mal sowas geschrieben wie, ich wäre hier der CEO, oder so?” Und daraufhin mussten beide schon wieder herzlich lachen. Aber sie waren glücklich. Und es gab nichts, was daran etwas hätte ändern können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)