Amigo del alma von Vampyrsoul (Boston Boys 5) ================================================================================ Kapitel 16: Cobarde ------------------- »Achso, Mat, warte mal kurz. Magst du Sonntag zum Essen runterkommen? Ich wollte Steaks machen.« »Was willst du dafür?«, fragte er mit unverhohlener Skepsis und drehte sich an der Tür zum Flur noch einmal um. Natürlich, ihm war klar, dass ich ihn nicht nur aus Nettigkeit einlud. Immerhin waren wir mit dem Essen bereits quitt. In der Woche nach dem Anschlag hatte er jeden Tag für mich mitgekocht, in der letzten Woche hatte ich mich dann revanchiert. Meine Schulden waren also beglichen. Ich haderte noch, doch im Grunde blieb mir nichts anderes übrig, als ihn danach zu fragen. Alles andere wäre unverantwortlich. »Ich wollte dich bitten, morgen Abend auf Chico aufzupassen.« Er zuckte mit den Schultern. »Von mir aus. Musst du schon wieder Sonderschichten schieben? Gönnen die dir gar keine freien Tage?« »Nein, ich hab ein Date.« Es fiel mir schwer, ihm das zu sagen, doch ich hatte keine Lust, ihn anzulügen. Er sollte es wissen. Genau darum tat ich das doch! »Ein Date?« In seiner Stimme lag etwas bemüht Kontrolliertes. Er versuchte, irgendetwas zu verbergen. Doch auch in seinem Gesicht konnte ich nicht erkennen, was er fühlte. Er hatte es perfekt drauf, seine Gefühle zu verbergen. »Wie heißt denn der Glückliche?« »Sie! Ich bin keine Schwuchtel!« Niemals würde ich mich mit einem Mann treffen! So schnell wie der Punk plötzlich direkt vor mir stand, konnte ich gar nicht schauen. Seine Haltung machte tatsächlich einen drohenden Eindruck. Damit hatte ich nicht gerechnet. Breit baute er sich vor mir auf und funkelte mich an. »Ein scheiß Kinderficker, das bist du!« Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit, etwas zu erwidern, da schubste er mich an den Schultern zurück. »Ein widerlicher Feigling! Keinen Arsch hast du in der Hose!« Ich packte seine Hände und hielt ihn fest, bevor er richtig handgreiflich werden konnte. »Halt die Fresse! Dich geht es gar nichts an, mit wem ich mich treffe.« »Nichts werd ich tun! Wenn du zu viel Schiss hast, zuzugeben, dass du jedem Männerarsch hinterherschaust, der dir über den Weg läuft, und dich deshalb an kleinen Kindern vergreifst, dann geht es mich sehr wohl etwas an!« Er riss seine Hände los, starrte mich noch einem Moment feindselig an, dann drehte er sich um. In seinen Augen glitzerte es vor Wut. Bevor er zur Tür hinaus verschwand, murmelte er gerade laut genug, damit ich es verstand: »Ich hab geglaubt, du bist nicht so ein perverses Schwein wie die anderen.« Frustriert ließ ich mich auf die Couch sinken. Sofort kam Chico angelaufen, setzte sich dicht neben meine Beine und schubste meine Hand mit einem leisen Fiepen an. Er hatte uns von seiner Ecke aus beobachtet und es war mehr als deutlich, dass ihn die Auseinandersetzung verunsicherte. Zärtlich kraulte ich ihn hinter den Ohren. »Ich versteh es doch auch nicht, mein Junge.« Noch einmal fiepte er leise, dann legte er den Kopf auf meinem Bein ab. Offenbar beruhigte ihn die vertraute Sprache. Zumindest mir tat es gut. Es erinnerte mich daran, woher ich kam, wo ich hingehörte und was von mir erwartet wurde. Es sollte mich nicht interessieren, was dieser Mann von mir dachte. Ich musste diese Phase endlich hinter mich bringen. Anfänglich hatte ich noch gehofft, dass sich das von selbst erledigte, wenn ich nicht mehr jeden Tag zwölf bis achtzehn Stunden arbeitete. Solange hatte ich mir noch einreden können, dass ich einfach nur seine Nähe suchte, weil ich überarbeitet war. Doch auch nachdem wir die Attentäter gefasst hatten und langsam wieder Normalität einkehrte, verbrachten wir immer mehr Zeit miteinander und schliefen im Bett des anderen. Das musste ein Ende haben! Ich rechnete ihm die Hilfe hoch an, doch das war nicht die Art von Trost und Zuneigung, die sich gehörte. In mein Bett gehörte eine Frau, kein Mann! Und das möglichst schnell. Ich kraulte Chico noch einen Moment, dann stand ich entschlossen auf. Ich hatte vor morgen noch einiges zu erledigen und er musste auch noch raus. Über alles andere würde ich Sonntag mit dem Pater sprechen. Auch wenn es unangenehm war, hoffte ich, dass er einen Rat für mich hatte.   Grinsend beobachtete ich Chico, wie er gemeinsam mit Pepper über die Wiese jagte. Als dieser plötzlich stehenblieb und nach dem Spieltau schnappte, das ich geworfen hatte, rannte Chico ihn fast über den Haufen. Ich war froh, dem Jüngling und seinem Hund mal wieder zu begegnen. In den letzten Tagen war von ihnen nichts zu sehen gewesen, obwohl ich zur üblichen Zeit an der Wiese war, und ich hatte mir schon Sorgen gemacht. Nun erfuhr ich, dass das Herrchen sich lediglich eine üble Erkältung eingefangen hatte. Noch immer sah er etwas verschnupft aus, aber er versicherte mir, dass er frische Luft brauchte. Mir machte es nichts aus, die beiden Hunde allein zu beschäftigen. Sie hatten schon gut zehn Minuten gebraucht, bis sie sich fertig begrüßt hatten. Es war offensichtlich, dass sie ihren liebsten Spielgefährten vermisst hatten. Chico landete unsanft auf der Nase, rappelte sich aber schnell wieder auf und verfolgte Pepper, bis er nach dem anderen Ende des Taus schnappen konnte. Knurrend verbiss er sich darin und zerrte daran. Pepper hatte nicht damit gerechnet und ließ das Tau los, woraufhin nun Chico damit über die Wiese preschte, bis Pepper ihn eingeholt hatte. Mit lautem Getöse zogen und schüttelten sie an den Enden. Keiner von ihnen wollte loslassen. Der junge Mann neben mir lachte vergnügt. Ich konnte mich ihm nur anschließen, die beiden waren einfach tolle Spielkameraden. Auch wenn wir uns nicht so häufig treffen konnten, hatten sie sehr schnell gelernt, sich auf das Spielverhalten des anderen einzustellen. Während Pepper hatte lernen müssen, dass Chico keine so große Fettschicht besaß, in die er beißen konnte, musste Chico lernen, dass Pepper es nicht mochte, in die Hinterflanke gebissen zu werden. Nach zwei Spieltreffen hatten sich beide daran gewöhnt. Während wir ihnen zuschauten, kam plötzlich ein fuchsfarbener Blitz von der Seite angeschossen und verbiss sich in der Mitte des Seils. Lachend suchten der Junge und ich mit den Blicken nach den Besitzern des Hundes. Die kleine, blonde Frau, die etwa im selben Alter wie Peppers Herrchen war, kam winkend auf uns zu. Offenbar war sie heute dran, mit Hachiko rauszugehen. Hachiko spielte gerne mit Pepper und Chico, auch wenn es ihm ab und zu zu wild wurde. Allein mit Chico kam er da schon etwas besser klar und verwies meinen Hund durchaus auch mal an seinen Platz, wenn dieser sich zu viel herausnahm. Während ich den Jungen nie nach seinem Namen gefragt hatte, hatten sich Hachikos Besitzer sofort vorgestellt, bevor die Hunde auch nur eine Chance hatten, miteinander zu spielen. Daher reichte ich Kamila auch wie immer erst einmal die Hand, dann tat es mir der Junge gleich. »Die beiden sind ja heute wieder in Topform. Hoffentlich wird es Hachiko nicht zu viel«, stellte sie mit einem dicken polnischen Akzent fest. Wie wir hielt sie den Blick auf die Hunde gerichtet. »Pepper und ich werden bald gehen. Ich bin noch immer sehr angeschlagen«, erwiderte der Junge mit verschnupfter Stimme. Kamila legte ihm mitleidig ihre Hand auf seine Stirn. »Warum bleibst du dann nicht zu Hause im Bett. Du machst es doch nur schlimmer.« Ich grinste in mich hinein. Etwas anderes als solch eine mütterliche Reaktion hatte ich gar nicht erwartet. So war sie nun einmal. Hätte ich nicht gewusst, dass sie glücklich mit ihrem Mann verheiratet war, hätte man manchmal meinen können, sie hätte es auf den Jungen abgesehen. Während die beiden noch darüber diskutierten, ob der Junge nicht vielleicht doch etwas frische Luft brauchte, wandte ich den Blick wieder zu den Hunden, denn ich hatte unschönes Knurren vernommen. Hachiko schnappte gerade nach Chicos Schnauze, welche sich mit drohenden Gebärden seinem Ohr genähert hatte. Offenbar waren sich die beiden im Gerangel in die Quere gekommen und wollten nun klären, wer an dem Spieltau zerren durfte. Da es bei Drohgebärden und In-Die-Luft-Schnappen blieb, mischte ich mich nicht ein. Sobald sich Pepper mit dem Seil aus dem Staub machte, war diese Meinungsverschiedenheit sowieso vergessen und sie hetzten ihm hinterher. Freudig übergab Pepper das Seil an sein Herrchen, da es die anderen beiden nicht mehr schafften, ihn einzuholen. Sofort bremsten sie ab und warteten geduldig darauf, dass das Spielzeug wieder für alle freigegeben wurde. Ihnen allen war klar, dass sie nicht ran durften, solange sie nicht die Aufforderung dazu erhielten. Der junge Mann wedelte immer wieder mit dem Tau vor der Nase seines Hundes herum. Drei paar Hundeaugen waren gebannt darauf gerichtet, doch nur Pepper konnte danach schnappen und versuchte es auch ein paar Mal vorsichtig, um seinem Herrchen nicht in die Hand zu beißen. Die anderen beiden saßen unruhig auf ihren Hintern und zappelten hin und her. Mehrmals erhob sich Chico von seinem Platz und robbte ein kleines Stück vorwärts. Dennoch hatte er zu viel Respekt, um sich ganz zu nähern. Das Tau wurde mir zugeworfen und nur einen Augenblick später saß Chico direkt vor meinen Fußspitzen und erhoffte sich, es direkt zu erhalten. Ich grinste ihn an und warf es weit auf die Wiese hinaus. Es brauchte einen Moment, bis er bemerkte, dass meine Hand leer war, dann sprintete er den anderen beiden hinterher. Obwohl er am weitesten entfernt gewesen war, kam Chico zuerst an, schnappte sich das Seil und rannte davon. Sichtlich verwirrt sah er Pepper hinterher, der plötzlich einen Zahn zulegte und an ihm vorbeisprintete. In der Hoffnung, bei seinem Kumpel etwas Spannenderes zu finden, ließ er das Tau fallen und rannte hinterher. Aus Angst, sie würden sich in Schwierigkeiten bringen, suchte ich die Umgebung nach etwas ab, was Peppers Aufmerksamkeit erregt haben könnte. Offenbar hatte er es auf einen Mann in etwa meinem Alter abgesehen, der am anderen Ende der Wiese in unsere Richtung lief. Schnell rief ich Chico zurück. Er blieb nach ein paar Schritten stehen, drehte sich um, als wollte er sichergehen, dass ich das ernst meinte, dann trottete er mit hängendem Schwanz zurück. Ich wollte gerade auch Pepper zurückrufen, damit der Junge seine Stimme nicht belasten musste, da hob der Mann die Hand zum Gruß. Fragend sah ich zu Peppers Herrchen, dessen Gesicht erstrahlte. Ohne auf Kamila und mich zu achten, lief er quer über die Wiese auf den anderen zu. War das etwa sein Vater? Ganz schön jung. Fragend sah ich zu Kamila, die Hachiko nicht zurückgerufen hatte und Peppers Herrchen grinsend hinterherschaute. Sie bemerkte es und sah mich an. »Keine Sorge, John hat sicher nichts dagegen, wenn Chico ihn auch begrüßt.« Besagter kam gerade bei mir an und sah fragend zu mir auf. Ihm schien noch immer nicht klar, warum er zurückkommen sollte, während Pepper und Hachiko den Mann ausgiebig begrüßten und dabei hinreichend Streicheleinheiten erhielten. An Kamila gerichtet fragte ich: »John?« »Ach, du kennst John noch gar nicht?« Schnell schüttelte ich den Kopf. »Na ja, kein Wunder, John ist auch schon lange nicht mehr mit Pepper hier gewesen. Offenbar hat er viel Stress auf der Arbeit. John ist Leonardos Mann.« Leonardos ... Was?! Ungläubig sah ich zu dem jungen Mann mit der Nerdbrille hinüber. Alles in mir krampfte sich zusammen, als gerade in dem Moment der ältere Mann seine Arme um den schmächtigen Kerl legte und ihn küsste. Das durfte doch nicht sein! Ich riss mich von dem Anblick los, als Kamila mir leise lachend den Ellenbogen in die Rippen stieß. »Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen. Aber deiner ist doch auch nicht zu verachten.« »Meiner?!« »Ich hab deinen Freund ein paar Mal mit Chico in der Stadt gesehen. Der ist wirklich süß, auch wenn ...« »Ich hab keinen Freund!«, unterbrach ich sie aufgebracht. »Das ist nur mein Hundesitter. Wie kommst du darauf?« Sie musterte mich eine Weile eingehend aus ihren grauen Augen. Offenbar zweifelte sie an dem Wahrheitsgehalt meiner Aussage. Gerade als ich dem noch einmal Nachdruck verleihen wollte, zuckte sie mit den Schultern und lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich dachte nur, das könnte dein Freund sein, weil Chico ihn scheinbar genauso gern hat wie dich.« »Ich steh nicht auf Männer!«, machte ich ihr unmissverständlich klar. Hatte mir heute jemand ein riesiges Schild mit der Aufschrift ›Schwuchtel‹ auf den Rücken geklebt? Beschwichtigend hob sie die Hände. »Wie gesagt, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Es tut mir leid, wenn ich von etwas Falschem ausgegangen bin.« Ich sah sie fest an und war mir sicher, sie sprach nicht die Wahrheit. Sie war noch immer der Meinung, ich ginge denselben Perversitäten nach wie Peppers Herrchen. Ich ballte die Fäuste und bemühte mich, in eine andere Richtung zu sehen. Nicht, dass sie noch bemerkte, dass sie gar nicht so weit daneben lag. Sie drückte mit einer Hand etwas fester gegen meinen Oberarm und fragte, als ich mich ihr wieder zuwandte, leise: »Eloy, ist alles okay? Bist du böse?« Energisch schüttelte ich den Kopf und griff nach Chicos Halsband, um ihn anzuleinen. »Nein. Es wird nur langsam frisch. Wir sollten gehen.« Da wir gerade mal Ende April hatten, entsprach es immerhin der Wahrheit. »Wir sehen uns hoffentlich bald wieder.« Der mitleidige Blick, den sie mir zuwarf, brachte mich fast zur Weißglut. Ruppig riss ich an Chicos Leine und holte das Spieltau. Ohne noch einmal den jungen Mann oder Kamila anzusehen, verließ ich die Hundewiese. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)