Amigo del alma von Vampyrsoul (Boston Boys 5) ================================================================================ Kapitel 2: Las mujeres a las que amo ------------------------------------ Ich parkte meinen Ram auf dem Parkplatz des kleinen Restaurants am Hafen. Hoffentlich hielt Stevenson Wort und es gab wirklich auch etwas anderes als Fisch, sonst würde es für mich ein sehr sparsamer Abend. Tat meinem Bäuchlein sicher auch ganz gut. Ich richtete Hemd und Jackett, dann stieg ich aus. Kurz bevor ich mich vom Wagen entfernte, fiel mir noch ein, dass ich etwas vergessen hatte, und fischte den kleinen Strauß vom Rücksitz. Als ich mich auf dem Parkplatz umsah, entdeckte ich Stevensons Fiat, der gerade in eine Parklücke fuhr, und ging darauf zu. Kaum stand der Wagen, stiegen er und zwei Damen aus. Auch sie hatten sich herausgeputzt, mein Kollege trug ebenfalls ein Jackett. Gut, sonst hätte ich meines noch eben ins Auto gebracht. Stevenson entdeckte mich, legte den Arm um die blonde Frau, die aus der Beifahrertür gestiegen war, und dirigierte dann beide Frauen in meine Richtung. »Hi«, grüßte er, dann deutete er nacheinander auf die Frauen. »Das sind Angelica, meine Freundin, und Monika, dein Date für heute Abend.« »Abend. Ich bin Eloy.« Ich lächelte beide Frauen an, reichte erst Monika, dann Angelica die Hand. Dann überreichte ich meinem Date den Strauß mit einem unverbindlichen Lächeln. »Danke.« Die kleine, braunhaarige Frau lächelte mich offen und ehrlich geschmeichelt an. Stevenson zwinkerte mir zu. Offenbar wollte er mir mitteilen, dass ich bereits Pluspunkte gesammelt hatte. Ich hatte zwar nicht viel Erfahrung mit Frauen, aber das hätte ich auch allein mitbekommen, danke. »Wollen wir dann reingehen?« Nachdem alle ihre Zustimmung gegeben hatten, hakte sich Monika bei mir ein und gemeinsam liefen wir zum Restaurant hinüber. Am Eingang wurden wir von einem Kellner im schwarzen Anzug begrüßt, der uns zu unserem Tisch führte, nachdem wir ihm unsere Reservierung genannt hatten. Es war nicht sehr voll und der Stil der Einrichtung gefiel mir; elegant, ohne protzig zu wirken. Hier und dort waren ein paar schöne Details versteckt, doch alles in allem verzichtete das Ambiente auf unnötigen Schnickschnack. Monika setzte sich mir gegenüber, Stevenson besetzte den Stuhl neben mir und saß damit seiner Freundin gegenüber. Wir erhielten jeder eine Karte, dann fragte der Kellner an Monika gewandt: »Soll ich Ihnen eine Vase bringen lassen?« Monika stimmte mit einem Lächeln zu und der Kellner entfernte sich eilig. Der Blick in die Karte verriet, dass Stevenson nicht zu viel versprochen hatte. Natürlich gab es viele Fisch- und Meeresfruchtspezialitäten, aber auch ich wurde schnell fündig. Einem guten Steak mit Ofenkartoffel und glasierten Karotten konnte ich nicht widerstehen. Während die Anderen noch grübelten, was sie essen wollten, sah ich mich im Raum um. Die Kellner schienen eifrig, aber nicht aufdringlich. Immer wieder gingen sie die Tische ab, nahmen aber von jenen Abstand, an denen noch gegessen wurde. »Was nimmst du denn?«, fragte mich meine Begleiterin und lenkte damit meinen Blick wieder zu sich. »Ich werde das Steak versuchen.« Sie verzog das Gesicht, als hätte ich ihr gesagt, dass ich mir ein Baby braten ließ, und fragte dann: »Warst du schon mal hier und kannst mir etwas Vegetarisches empfehlen?« »Nein, tut mir leid.« Haha, sehr witzig Stevenson. Verkuppeln wir den Nicht-Trinker mit einer Vegetarierin, das muss ja gut passen. Ja nee, ist klar. »Ich war noch nie hier.« Ich hätte sie gern an Stevenson weitergeleitet, doch mir fiel in dem Moment auf, dass ich nicht einmal wusste, wie er mit Vornamen hieß. Doch seine Freundin sprang schon ein. »Tut mir leid, Scott hat vermutlich nicht daran gedacht. Die Ofenkartoffeln sind hier aber wirklich gut, genau wie die Salate. Ansonsten frag doch mal den Kellner, ob er etwas empfehlen kann.« Monika schien noch immer wenig zufrieden, nickte jedoch. Stevenson erntete einen anklagenden Blick seiner Freundin, nahm ihn jedoch gelassen hin, während er die Karte vor sich ablegte und verkündete, dass er noch eine gemischte Vorspeise für alle ordern würde. Kaum hatte auch Angelica die Karte zugeklappt, stand ein junger Mann neben unserem Tisch, präsentierte eine Vase, die er an Monika reichte, und fragte dann: »Was darf ich Ihnen bringen?« »Können Sie mir etwas Vegetarisches empfehlen?« »Natürlich.« Er strich sich die etwas längeren schwarzen Locken hinters Ohr, als müsste er einen Moment überlegen. »Wir haben heute Gemüselasagne auf der Tageskarte, die ist sehr beliebt.« »Dann nehme ich die. Und dazu einen Roten«, verkündete Monika freudig. Während er die Bestellungen aufnahm, beriet der Kellner jeden in der Wahl seines Getränkes. Er schien Ahnung von seinem Job zu haben und nicht nur gut auszusehen in seinem perfekt sitzenden Anzug. Je länger er sprach, desto deutlicher wurde sein mexikanischer Akzent und das ein oder andere Mal blieb er an einem Wort hängen, bevor er fortfuhr, was mich wehmütig lächeln ließ. Am Ende richteten sich seine überraschend hellen Augen auf mich. Ich gab ebenfalls meine Bestellung auf, die er mit einem Nicken notierte. Als ich ihm sagte, dass ich dazu ein Wasser wollte, stockte er, fand dann aber schnell zu seinem professionellen Lächeln zurück. Nachdem der Kellner sich abgewandt hatte, fand Monika wohl, dass es an der Zeit wäre, mich näher kennenzulernen. »Du bist also ein Arbeitskollege von Scott?« Meine Einstellung bezüglich des Kennenlernens hatte sich nicht geändert, doch unhöflich wollte ich auch nicht sein. Daher antwortete ich ihr knapp und stellte dann die Gegenfrage. »Ich arbeite als Bibliothekarin.« Wow, das klang nach einem wirklich spannenden Job ... So richtig schön zum Einschlafen. Dennoch biss ich die Zähne zusammen und ließ mir erzählen, was man denn als Bibliothekarin den lieben langen Tag machte. Leider wurde es genauso öde wie befürchtet und ich war mehr als froh, als der Kellner mit unseren Getränken zurückkehrte. Das verschaffte mir eine kurze Pause, um mir ein hoffentlich spannenderes Gesprächsthema zu überlegen. Der junge Mann verteilte die Weingläser und öffnete dann meine Wasserflasche, um mir einzugießen. Dabei stieß er leicht gegen meine Schulter, schaffte es jedoch, nichts zu verschütten. Entschuldigend lächelte er mich an. Ich tat es mit einem leichten Schulterzucken und Lächeln ab, die anderen hatten es vermutlich nicht einmal bemerkt. »Was machst du denn in deiner Freizeit?«, fragte ich, sobald wir wieder zu viert am Tisch waren. Ich hoffte, dass vielleicht etwas mehr kam als das Offensichtliche. »Ich lese gern.« Ja toll, danke. Das hatte ich mir schon gedacht bei der Berufswahl. Abwartend sah ich sie an, ob nicht vielleicht doch noch etwas kam. »Auch wenn Monika das nicht gern zugibt, aber sie spielt ziemlich gut Klavier«, rettete Angelica die Situation. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu, den sie mit einem Lächeln beantwortete. Dann wandte ich mich wieder an mein Date. »Was spielst du denn? Lieber Modernes oder doch eher klassische Stücke?« »Ich versuch beides, aber das Klassische liegt mir etwas mehr. Wobei ich gar nicht so gut bin, wie Angelica behauptet. Eher nur unterer Durchschnitt.« »Ich bin mir sicher, du bist besser, als du glaubst.« Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, dass mich dieses stockende Gespräch nervte. Ich hatte keine Lust, ihr alles aus der Nase zu ziehen. Hoffentlich hatte sie auf die nächste Frage etwas mehr zu antworten. Wenigstens eine kleine Gemeinsamkeit musste sich doch finden lassen. »Ich mag klassische Musik. Welches ist denn dein Lieblingsstück?« Nicht nur Monika, sondern auch Stevenson und Angelica sahen mich verwundert an. Ja, was?! War das jetzt so eine erstaunliche Entdeckung? Nach einem Moment fasste sich meine Begleitung wieder. »So gut kenn ich mich nicht aus. Ich spiel nur das, was mir mein Lehrer aufgibt. Aber ich mag Mozart.« Wenn man keine Ahnung hatte, ging Mozart wohl immer. Ich unterdrückte das genervte Stöhnen und nickte stattdessen. »Ich mag die Romantik etwas lieber. Vor allem MacDowell hat es mir angetan. Seine Klavierstücke sind auch sehr bekannt.« Der Blick aus Monikas Augen sprach Bände: Sie hatte noch nie von ihm gehört. Wie war Stevenson darauf gekommen, sie und ich könnten gut zusammenpassen? Ach ja, die Sache mit dem Anti-Alkoholiker und der Vegetarierin. Übrigens nett von Stevenson, nicht einmal bei der gemeinsamen Vorspeise daran gedacht zu haben. Diese wurde nämlich gerade mittig auf den Tisch gestellt. Immerhin hatten Monika und ich da mal etwas gemeinsam: Auch ich würde davon nichts essen. Auf der Platte befanden sich nur kleine Fisch- und Meerestierhäppchen. Innerlich schüttelte es mich. Wie konnte man so etwas nur essen? Auch den anderen fiel das wohl irgendwann auf und Stevenson fragte mich: »Isst du gar keinen Fisch?« Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich mag diesen typisch fischigen Geschmack nicht.« Wie so häufig, wenn ich das sagte, fingen sie an, mit mir zu diskutieren, dass es keinen typischen Fischgeschmack gäbe. Mochte ja sein, dass das alles unterschiedlich schmeckte, ich fand trotzdem, dass der Geschmack recht ähnlich war. Während wir noch diskutierten, räumte der Kellner den leeren Teller weg und brachte das Besteck für den Hauptgang. »Hast du irgendwelche Hobbys?«, forderte Monika wieder meine Aufmerksamkeit und hielt mich davon ab, unserem Kellner erneut nachzuschauen. »Zu Hause bin ich nach dem Dienst gern in den Franklin Mountains wandern gegangen. Aber hier komm ich nicht wirklich dazu. Es ist alles recht weit weg, sodass sich das nach dem Dienst kaum lohnt.« Das war etwas, was ich wirklich vermisste. Hier war nichts nah genug für einen solch kurzen Ausflug, rundherum gab es nur Meer und weitere urbane Gegenden. »Zu Hause? Woher kommst du denn?« Es schwang deutliche Skepsis in ihrer Stimme mit. »El Paso«, machte ich es kurz. Dann fiel hoffentlich nicht ganz so auf, wie sehr mich der Unterton störte. War ja nicht so, als hätte man das wissen können, hätte man in Geographie aufgepasst. Außerdem konnte ich meinen texanischen Dialekt kaum verbergen, was auch nach vier Monaten noch oft für Erheiterung unter den Kollegen sorgte. Stevenson grinste. Es hatte sich wohl mittlerweile herumgesprochen, dass ich etwas ungehalten reagierte, wenn man auch nur andeutete, ich sei kein Amerikaner. »Stimmt, viel Natur gibt es hier nicht. Aber du kannst doch auch in der Stadt wandern gehen. Der Freedom-Trail ist unglaublich faszinierend. Bist du den schonmal gelaufen?« Warum mischte er sich eigentlich die ganze Zeit in mein Gespräch ein? Hatte er kein eigenes Date? Warum war ich überhaupt mitgekommen? Ich verbat mir, frustriert zu seufzen. Das hier war eine ganz blöde Idee. »Nein, war ich noch nicht. Vielleicht lauf ich ihn die nächsten Wochen mal, wenn ich einen freien Tag hab.« »Kann ich mitkommen?« Monika lächelte mich freudig an. Moment! War ich gerade voll in eine Falle gelaufen? Ach, verdammt! Okay, jetzt hieß es ruhig bleiben. Ich konnte entweder jetzt ein Arschloch sein und eine große Szene riskieren oder mich später aus dem Staub machen. Die Wahl fiel nicht schwer. »Klar. Gib mir deine Nummer, ich meld mich dann, wenn ich frei hab.« Sie nickte sofort, und als ich mein Smartphone aus der Tasche gezogen hatte, musste ich sie bremsen, da ich erst ihren Namen eingeben musste. Danach diktierte sie mir die Nummer noch immer viel zu schnell, aber das kam mir entgegen. Ich hatte sowieso vorgehabt, mir die Nummer falsch zu speichern. Außerdem verschaffte mir der Kellner eine weitere gute Ausrede, da er währenddessen mit dem Hauptgang an unseren Tisch kam. Denn auch wenn er höflich neben dem Tisch wartete, bis wir fertig waren, meinte Stevenson, ihn anfahren zu müssen, dass er gefälligst mehr Abstand zu wahren habe. Der junge Mann nahm es zum Glück gelassen auf. Entschuldigend lächelte ich ihn an, als ich wieder aufsah. Während wir aßen, erzählten Monika und Angelica, wo sie mit ihrer Clique schon überall ›Abenteuerurlaub‹ gemacht hatten. Sprich: An welchen Stränden sie sich den Pelz verbrannt und zwischendurch mal ein paar Touristentouren mitgemacht hatten. Scheinbar interessiert hörte ich zu, nickte hier und dort und fragte nach, ließ aber im Grunde lieber meinen Blick durch den Raum schweifen, wenn ich mich nicht gerade dem vorzüglichen Steak widmete. Da sich Stevenson rege am Gespräch beteiligte, fiel mein Desinteresse nicht weiter auf. Leider funktionierte das nur so lange, wie wir aßen. Danach war Monika der Meinung, es wäre mal wieder an der Zeit, dass ich etwas über mich erzählte. »Warst du schon einmal im Ausland?« »Ja, aber nicht im Urlaub.« Kurz sahen mich alle drei skeptisch an, als wollten sie noch mehr wissen, doch sie beließen es zum Glück dabei. Ich hatte keine Lust, über die Army zu sprechen. Entweder endete das in einer politischen Diskussion oder Sensationsgier. Für beides sollten sie sich jemand anderen suchen. »Wollt ihr noch Nachtisch?«, fragte Angelica in die langsam unangenehm werdende Stille. Gemeinschaftlich schüttelten wir den Kopf. »Wollen wir dann noch woanders hin?« Ich warf einen kurzen Blick auf meine Uhr. Kurz vor zehn. Spät genug, dass mir keiner böse sein konnte, wenn ich mich absetzte. »Ich würde eher nach Hause fahren.« »Schon?« Monika versuchte es mit einem Hundeblick, der bei mir überhaupt nicht zog. »Ja, ich muss morgen vor dem Dienst noch einiges erledigen.« Kurz überlegte ich, ob mir noch etwas einfiel, was ich vorschieben konnte. »Außerdem muss ich noch meine Familie zurückrufen, die haben heute Nachmittag angerufen.« Die anderen drückten noch einmal ihr Bedauern aus, versuchten jedoch nicht, mich zu überreden. Stattdessen überlegten sie, was sie unternehmen wollten. Währenddessen kam der junge Kellner wieder und räumte den Tisch ab. Ich legte meine Hand leicht auf seinen Arm, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen, und verlangte leise nach der Rechnung. Wenn ich schon das Arschloch spielte, wollte ich wenigstens zahlen. Der Kellner lächelte und nickte dann zum Zeichen, dass er mich verstanden hatte. Recht flink war er wieder da und hielt mir die Rechnungsmappe entgegen. Kurz prüfte ich den Betrag und legte meine Kreditkarte hinein. Als sie wieder mitgenommen wurde, bekamen meine Begleiter doch mit, was los war. Stevenson sah mich mahnend an. »Du musst nicht für alle zahlen.« »Das passt schon. Wenn du nicht gefragt hättest, hätte ich vermutlich den ganzen Abend allein zu Hause gehangen.« Nicht, dass mir das etwas ausgemacht hätte, aber ein wenig Gesellschaft war ab und zu auch ganz angenehm. Sollte er es als Entschädigung dafür sehen, dass er sich vermutlich in den nächsten Wochen von Angelica würde anhören dürfen, wie scheiße ich war. Eher widerwillig ließ er sich darauf ein, während sich die Damen bei mir bedankten und besonders Monika mich mit einem Blick bedachte, der vermutlich niedlich sein sollte. Gerade als die Diskussion beendet war, stand der Kellner wieder neben mir. Sein Lächeln hatte etwas Schelmisches, was mich verwirrte. Ich nahm die Mappe wieder entgegen, um die Rechnung zu unterschreiben und das Trinkgeld einzutragen. Als ich sie aufschlug, stockte mir der Atem. Eilig sah ich mich um, ob einer der anderen zu mir sah, doch sie waren wieder mit der weiteren Abendplanung beschäftigt. Mein Blick glitt zum Kellner, der mir frech zuzwinkerte. Schnell wandte ich mich ab, trug alles auf der Rechnung ein und schnappte mir dann möglichst schnell meine Kreditkarte und die Rechnungskopie, bevor doch noch jemand einen Blick darauf warf. Ich sah den jungen Mann nicht an, während ich die Mappe zurückreichte, doch ich spürte für einen Moment seine Hand auf meiner Schulter. Nachdem er abgedackelt war, standen wir auf. Da ich die Rechnung noch immer in meiner Hand versteckt hielt, ließ ich sie kurzerhand in der Tasche meines Jacketts verschwinden. Als wir an den Autos ankamen, verabschiedete ich mich von den anderen und stieg schnell ein. Bis sie ebenfalls im Auto saßen, riss ich mich noch zusammen, dann brach es aus mir heraus. Wütend schlug ich auf das Lenkrad. »¡Mierda!« Fluchend startete ich den Motor. Das war doch nicht möglich! Wie hatte er das mitbekommen können? Und wenn er es bemerkt hatte, hatten es dann auch die anderen mitbekommen? Es blieb nur zu hoffen, dass es für sie nicht offensichtlich gewesen war. Sonst konnte ich mir direkt einen neuen Job suchen. Zu Hause warf ich mein Jackett über die Couchlehne, lümmelte mich hin und nahm meinen Laptop auf den Schoß. Auf dem Weg hatte ich beschlossen, tatsächlich noch bei meiner Familie anzurufen, immerhin hatte ich mich das letzte Mal an Weihnachten bei ihnen gemeldet. Das war auch schon wieder ein paar Wochen her. Also schaltete ich Skype an, sobald der Laptop hochgefahren war. Meine Schwester war zum Glück noch online, und noch bevor bei mir angezeigt wurde, dass es bei ihr klingelte, hatte sie den Videoanruf schon angenommen. »Hallo Bruderherz«, begrüßte sie mich wie immer freudig auf Spanisch. Es war zu schön, mal wieder meine Muttersprache zu hören. Das vermisste ich hier am meisten. »Hallo Schwesterchen. Du siehst phantastisch aus«, antwortete ich ihr mit einem breiten Grinsen. Offenbar war das Wetter zu Hause etwas besser, denn sie trug nur ein Shirt. Ihre dunkelbraunen Augen leuchteten bei dem Kompliment, obwohl es nur von mir kam. »Du bist ein alter Schmeichler, Eloy. Dabei siehst du selbst so aus, als hättest du heute noch etwas vor.« Lachend fuhr ich mit den Fingern durch meine dunklen Haare und entfernte das Gel. »Nein, ich hab nichts mehr vor. Ich komme nur gerade vom Essen.« »Allein?«, fragte sie lauernd. »Nein. Mit einem Kollegen, seiner Freundin und dessen bester Freundin, mit der sie mich verkuppeln wollten.« Ich nahm den Laptop mit in die Küche, um mir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank zu holen. Sie sah zur Seite, schien etwas zu suchen, bevor sie sich wieder mir zuwandte. »Na das scheint ja nicht so gut gelaufen zu sein, wenn du jetzt schon wieder zu Hause bist.« »Doch, es war ganz nett. Aber ich bin nicht interessiert.« »Warum nicht, wenn es doch nett war?« »Sie ist mir zu jung. Und zu weiß.« Vorwurfsvoll blickte sie mich durch die Kamera hindurch an. »¡Eloy!« »Sorry.« Dabei wusste sie ganz genau, was ich meinte. Das hatte nichts mit Monikas Hautfarbe zu tun, sondern damit, wie sie sich gab. Gerade Noemí sollte das eigentlich wissen. Immerhin hatte ich sie auch vor unseren Eltern verteidigt, die überhaupt nicht begeistert gewesen waren, als sie plötzlich mit einem weißen Cowboy vor unserer Tür gestanden und ihn uns als den Mann ihres Lebens vorgestellt hatte. Mittlerweile waren die Wogen geglättet und unsere Eltern hatten sich mit der Wahl meiner Schwester abgefunden, dennoch war es wohl an Lázaro, unsere Eltern zufriedenzustellen. Seine beiden älteren Geschwister waren für sie in der Hinsicht eine herbe Enttäuschung. »Ich bin dennoch nicht an ihr interessiert«, machte ich noch einmal deutlich. »Du genießt also lieber dein Junggesellendasein?« Nun lächelte Noemí doch wieder. »Kann man so sagen, sí.« Die meisten stellten sich sicher etwas anderes als mein derzeitiges Leben, darunter vor, aber das war schon in Ordnung. Ich genoss es wirklich, auch mal mein eigener Herr zu sein. »Wie geht es euch denn?« »Sehr gut. In den nächsten Tagen sollten die letzten Bauarbeiten endlich erledigt sein.« Erleichtert atmete sie aus. »Wow, das ist klasse!« Jonathan, den sie mittlerweile geheiratet hatte, hatte schon immer den Traum von einer eigenen Ranch gehabt. Vor zwei Jahren hatten sie dann eine alte, ziemlich verfallene in der Nähe von El Paso gekauft, die sie mühevoll neben der täglichen Arbeit herrichteten. »Ich hoffe doch, ihr habt dann auch ein Gästezimmer für mich frei, wenn ich euch besuchen komme.« »Natürlich, für meinen großen Bruder doch immer.« Ich lächelte. »Und wie geht es unserem kleinen Bruder?« »Der ist mit Jonathan draußen. Eine der Stuten soll in den nächsten Tagen fohlen, aber es gibt wohl irgendein Problem.« Ich seufzte. Jeder von uns war auf seine Weise eine Enttäuschung für unsere Eltern. Lázaro hatte sich trotz Zeter und Mordio ihrerseits nicht davon abbringen lassen, Tiermedizin zu studieren, um sich nun auf Farmen wie der von Jonathan und Noemí um die Tiere zu kümmern. »Dann hoffe ich, dass alles gut geht. Wann ist es denn bei dir soweit?« »Ich hoffe in den nächsten Wochen. Der Kleine ist schon sehr ruhig geworden.« Zärtlich streichelte sie sich über den runden Bauch. Ich war froh, dass meine Schwester schon immer eine große Kinderschar gewollt hatte, so war es für unsere Eltern nicht ganz so schlimm, dass Maria und ich keine hatten. Nicht, dass wir es nicht versucht hätten, aber es hatte einfach nicht geklappt. Ein Umstand, den ich nicht wirklich bedauerte. »Und bevor du fragst: Mamá und Papá geht es auch gut und sie sind noch immer sauer, dass du abgehauen bist.« »Ja, hab ich mir schon gedacht, dass sie das nicht so schnell ablegen.« Ich seufzte. Hätte ich eine Wahl gehabt, ich wäre auch lieber in El Paso geblieben. Aber die hatte ich nun einmal nicht. »Eloy, ich versteh es noch immer nicht. Ich weiß, du hast gesagt, dass du nicht über die Scheidung reden möchtest, weil du meinst, dass es nur dich und Esther etwas angeht, aber wir sind eure Familie. Natürlich sind Papá und Mamá wütend über die Scheidung, aber indem du abhaust, machst du es doch auch nicht besser.« Ich schüttelte frustriert den Kopf und lief zurück ins Wohnzimmer. Sagte es nicht alles, dass sie sich nicht nur als meine, sondern auch als Marias Familie sahen? Auch wenn ich noch immer nicht verstand, warum sie auf ihren ersten Vornamen bestanden. Schon als ich Maria in der High School kennengelernt hatte, war sie lieber beim zweiten genannt worden. Vermutlich befürchteten sie, dass man sie sonst mit meiner Schwester verwechselt hätte, die ebenfalls als Kind eine Phase gehabt hatte, in der sie lieber María genannt werden wollte. Allerdings war das auch die Phase gewesen, in der sie liebend gern mit mir und Lázaro Mutter-Vater-Kind gespielt hatte. Oder ›Weihnachten spielen‹, wie sie es damals genannt hatte. Noch heute tat mir mein kleiner Bruder leid, wenn ich daran dachte, wie oft sie ihn als Baby in den großen Bräter gesteckt hatte, der als Krippenersatz herhalten musste. Ich wusste, wenn ich sie heute darauf ansprach, wäre ihr das unglaublich peinlich. Etwas verspätet schüttelte ich den Kopf. Ich vertraute meiner Schwester, aber ich wollte sie nicht mit meinen Geheimnissen belasten. »Nein, wirklich nicht.« »Mensch, wenn du uns wenigstens sagen würdest, mit wem du sie betrogen hast, dann hätten wir zumindest eine Chance, deine Entscheidung zu verstehen.« Ich stockte. »Woher ...?« Noemí lächelte milde. »Esther hat dich geliebt. Sie hätte sich niemals scheiden lassen, wenn nicht wirklich etwas Gravierendes zwischen euch vorgefallen wäre. Na komm schon, großer Bruder. Rede mit mir. Ich versprech auch, es erfährt niemand.« »Nein, wirklich, ich will nicht darüber reden«, lehnte ich ab. Ich wusste, dass sie es ehrlich meinte, dennoch war das nichts, worüber ich reden wollte. Sie seufzte. »Wie du meinst. Wenn du es dir anders überlegst, kannst du jederzeit anrufen.« »Ich weiß.« Ich lächelte, um sie zu besänftigen. Dann wechselte ich das Thema, fragte sie nach Jonathan, den Kindern und ihrer Arbeit. Ich wollte nicht, dass das Gespräch negativ endete. Auch wenn meine Familie meine Entscheidung nicht verstand, ich liebte sie und wollte sie das nicht vergessen lassen. Nach dem Gespräch ging ich kurz ins Bad, um mir die Zähne zu putzen und mich zu waschen. Ich wollte ins Bett, damit ich am nächsten Morgen vor der Schicht noch ein paar Einkäufe erledigen konnte. Als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, bemerkte ich das Jackett, das noch immer über der Lehne hing. Wenn ich es hängen ließ, würde ich mich morgen darüber ärgern, also nahm ich es und hängte es im Flur an die Garderobe. Dabei fiel etwas aus der Tasche, das ich verwundert aufhob. Verdammt, die Rechnung hatte ich völlig vergessen! Ich faltete sie auseinander. ›Hoffentlich tippst du sie nicht auch falsch ab und rufst mal an. Knackarsch Marco‹ Darunter stand eine Handynummer. Ich seufzte frustriert. Warum musste er mich noch zusätzlich in Versuchung führen? Schon sein Hintern war in dem passgenauen Anzug einfach verführerisch gewesen, aber den hätte ich schnell vergessen. Die Rechnung musste ich behalten. Ich warf sie in der Küche auf die Arbeitsplatte. Darum würde ich mich später kümmern. Im Moment wollte ich nur noch ins Bett. Ich schlug die Augen auf und sah mich suchend um, dann wurde mir klar, dass mein Wecker mich geweckt hatte. Stöhnend erhob ich mich und schaltete ihn ab, bevor ich mich wieder zurückfallen ließ und die Hände vors Gesicht schlug. Verdammt! Dieser Lockenkopf hatte sich tiefer in meinen Kopf eingegraben als zuerst gedacht. Noch immer hatte ich die Bilder meines Traumes im Kopf, konnte die Locken zwischen meinen Fingern spüren. Dabei hatte ich noch nicht einmal vor, ihn anzurufen. Was hatte er sich überhaupt dabei gedacht? Als würde ein Mann ihn wirklich anrufen! Ich schleppte mich ins Bad und wusch mir den Schlaf aus dem Gesicht. Einen kurzen Blick in den Spiegel werfend stellte ich fest, dass ich einfach nur scheiße aussah. Das war immerhin nicht der erste Traum, aus dem ich in dieser Nacht aufgewacht war. Meinen müden braunen Augen war das deutlich anzusehen. Genervt murrte ich und ging zurück ins Wohnzimmer. Duschen würde ich erst, wenn ich zur Arbeit musste, bis dahin hatte ich noch etwas Zeit. Doch ich würde sie anders nutzen als geplant. Während ich den Laptop aufklappte und die Kopfhörer aufsetzte, war ich wirklich froh, dass mir einer der Kollegen erzählt hatte, dass es in Boston tatsächlich eine kleine spanische Gemeinde gab. Der Pfarrer war sehr nett und kümmerte sich gut um seine Schäfchen. Ich würde am Sonntag einiges zu erzählen haben. Kurz beschlich mich die Angst, dass der Lockenkopf auch Teil der Gemeinde sein könnte, doch dann machte ich mir klar, dass so jemand wie er, der anderen Männern seine Nummer mit einem eindeutigen Angebot übergab, nichts in einer christlichen Gemeinde zu suchen hatte. »Eloy José Meléndez, tu nicht so, als wärst du besser«, mahnte mich eine Stimme in meinem Kopf. Mit einem frustrierten Seufzen warf ich einen Blick auf den Laptop, wo sich ein graziler, junger Mann nackt gegen die Box lehnte, in die ich meine Logindaten zur Website eingegeben hatte. Nein, ich hatte kein Recht, diesen Mann zu verurteilen. Was ich hier tat, war nicht besser. Aber ich belästigte mit diesen gotteslästerlichen Gedanken wenigstens keine anderen Menschen! Hätte dieser Kerl meine Blicke nicht einfach ignorieren können, so wie es sich gehörte? Ich wartete, bis die Seite meine Daten angenommen und fertig geladen hatte, dann klickte ich wahllos einen der Filme an, die mir vorgeschlagen wurden. Was ich mir ansah, war doch völlig egal. Nichts war besser oder schlechter als das andere. Ich musste einfach nur Frust abbauen, bevor ich zur Arbeit fuhr. Der Film hatte geladen und ich richtete meinen Blick darauf, während ich den Laptop zur Seite stellte, damit ich die Hände frei hatte. Hoffentlich verstieß mich der Priester nicht gleich wieder aus der Gemeinde, wenn er am Sonntag in der Beichte von diesen Gelüsten erfuhr. Padre Herrera hatte es nur deshalb nicht getan, weil er mich von klein auf kannte und wusste, dass dieses Verlangen nicht meine Schuld war und ich alles tat, um nicht auf den falschen Pfad zu geraten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)