Priester und Mörder von Gubenko-Verlag ================================================================================ Kapitel 10: Schuld ------------------ Eros war aufgewühlt und wütend. Das Wahrheitsserum war eine Sackgasse gewesen und doch konnte er die Bilder nicht vertreiben. Der Priester, so erregt, so viele Gefühle und Ängste. Endlich hatte er Menschlichkeit in dem anderen Mann gesehen. Und doch hatte es ihn seinen Zielen keinen Schritt nähergebracht. Er wusste gar nichts. Wessen Tod befahl die Kirche, wen jagte Castus, all das lag noch immer im Dunkeln. Der Attentäter schritt gezielt durch die Gassen von Lorring, die größeren Straßen mied er, wenn möglich. Ein Dasein als Mörder und Jäger verbrachte man besser im Schatten. Ungesehen und lautlos, selbst wenn er sich nicht im Einsatz befand, hielt er daran fest. Vielleicht war es Gewohnheit. Er erreichte sein Ziel schneller als gedacht, Relias Anwesen erhob sich vor ihm und wie immer ließ er sich von dem Bediensteten hineingeleiten. Den Prunk nahm er kaum noch wahr, es interessierte ihn auch schlicht und ergreifend nicht. Relia hatte das Gold ehrlich verdient, also sollte sie damit auch tun, was auch immer sie wollte. Eros wollte wissen, ob Relia irgendetwas über das verfluchte Schmuckstück hatte herausfinden können. Da er von Castus, oder eher Cartan, keine Informationen erhalten hatte, hielt er den Edelstein für seine beste Möglichkeit, mehr über die Machenschaften der Kirche zu erfahren. Laute Stimmen aus dem oberen Stockwerk ließen sowohl ihn, als auch den Diener innehalten. „Es ist bereits ein Kunde bei ihr, vielleicht sollten wir besser nicht stören.“ Eros betrachtete den Bediensteten aufmerksam . Die aufgebrachten Rufe ließen keinen normalen Kunden vermuten. Als schließlich eine schrille und verzerrte Stimme ertönte, stürmte er einfach nach oben. Relia war eine alte Freundin, wenn sie in Gefahr war, würde er nicht einfach tatenlos herumstehen. Die Proteste des Dieners ignorierte er. Oben angekommen bewegte er sich gezielt zu Relias Zimmertür. Kopflos hineinstürmen wollte er eigentlich nicht, doch da Relias Bediensteter ebenfalls die Treppen hinaufkam, hatte er nicht viel Zeit. Er stieß die Tür auf und verharrte. Sein Verstand begriff die Szenerie nicht. Zunächst analysierte er die Informationen die er verstehen konnte. Relia stand vor ihrem mit samt bespanntem Sessel und ihrem hölzernen Schreibtisch. Ihre Hand umklammerte ein Schmuckstück, welches verdächtig nach eben jenem Edelstein aussah, wegen dem er an diesen Ort gekommen war. Blut lief von ihrer Hand herab und tropfte auf den Boden. Ihre Augen waren schwarz, sämtliche Farbe war gewichen, sie sahen aus wie dunkle, unheimliche Höhlen. Ihr Gesicht hatte sich zu einem grotesken Grinsen verzerrt. Ein Stück weiter vorn und rechts von Eros stand Castus. Seine Hände umklammerten das große silberne Schwert, welches Marie Permonts Kopf mit nur einem Hieb abgetrennt hatte. Dem Mann rann Schweiß von der Stirn und er blickte direkt auf etwas, dass Eros nicht zuzuordnen vermochte. Ein abstoßendes Geschöpf, gehüllt in eine dunkle Priesterrobe. Eine dürre Hand, mit unnatürlich langen Fingern umklammerte eine Art hölzerne Sense. Der Stoff der Kutte war zurückgeworfen worden, sodass man das Gesicht sehen konnte. Oder vielmehr die Fratze. Ein kahler Schädel, ein weißlich trübes und ein rotes Auge, welches den Priester fixierte. Die Nase fehlte, an ihrer statt sah man nur zwei schwarze Höhlen im eingefallenen Schädel. Es sah zerfressen oder fast schon verwest aus. Irreal und falsch. Ein Monster, gar ein Dämon? In diesem Moment konnte er sich ob des abstrusen Gedankens nicht schämen. Mit Logik konnte er nicht erklären was sich vor ihm abspielte. Die Kreatur bewegte sich auf Castus zu und der Priester machte keine Anstalten sich zu rühren. Eros sah die Anstrengung im Gesicht des Mannes, der offenbar nicht dazu in der Lage war, auch nur den Blick von dem Wesen abzuwenden. Fast als hielte das verstörende dunkelrote Auge ihn in einer Art Bann gefangen. Auch die Kreatur blickte nicht zu Eros hinüber, einzig Relia hatte ihn bemerkt. Ihr Kopf bewegte sich ruckartig und seltsam. Von ihrer üblichen Eleganz war nichts mehr übrig. „Eros, das kleine Insekt, das glaubt, es könne Rache üben, um seiner jämmerlichen Existenz so einen Sinn zu geben.“ Die Stimme klang dunkel und kaum noch menschlich . Die Augen waren tiefschwarz. „Was geht hier vor?“, fragte er und ließ Castus und das Monster nicht aus den Augen. Eigentlich war er nach oben gestürmt um Relia zu retten, doch es erschien ihm, als müsse er stattdessen dem Priester helfen. Sie lachte. „Ich habe unendlich viel Macht, danke für dein Geschenk. Obwohl, du bist meines Dankes nicht wert. Unbedeutend, wie alle Menschen. Ich stehe über euch, über allen. Der Priester wird es verstehen. Und danach kann der Tod dich verschlingen. Ich bin die Herrin über Leben und Tod. Sollt ihr doch alle verrecken. Ihr und eure anstrengenden, sinnlosen Gefühle. Ich will das nicht mehr.“ Eros verstand überhaupt nichts mehr. Er wusste um Relias Gabe, er wusste, dass es ihr manchmal zu viel wurde. Sie fühlte das was diejenigen in ihrer Nähe empfanden. Nahm Verlust oder Trauer wahr, als wäre es ihr eigener Schmerz. Etwas, dass er sich kaum vorzustellen vermochte. Eros hatte genug mit sich selbst zu tun. Doch diese Worte konnten unmöglich die ihren sein. ‚Feuer und Seele‘ behauptete Dämonen zu bekämpfen, Marie Permont, sollte besessen gewesen sein. Doch Marie hatte keine schwarzen Augen gehabt, sie hatte nicht im Wahn geredet. Sie wirkte normal. Aber Relia schien wahrlich besessen. Das Wesen war nun schon viel zu dicht an Castus dran, es würde den anderen Mann töten. Eros Hände verkrampften sich. Er hatte das Gefühl, das Relia diejenige war, welche die Fäden zog, sie hatte den Befehl erteilt. Dennoch wollte er sie nicht verletzen, aber Zeit zu zögern blieb nicht. Er war erstklassig darin zu zielen, er könnte Relia aufhalten ohne sie ernsthaft zu verletzen. Seine Hand wanderte in seinen weiten, dunklen Mantel. Er zog zwei Messer heraus und warf eines in Relias Richtung und das andere auf die Kreatur. Er zielte auf den linken Arm der Magierin. Tatsächlich traf er. Relia schrie wutentbrannt auf, während das Monster den Stab hob und das Messer damit abwehrte. Der Stahl hinterließ seltsamerweise nicht mal eine Kerbe im Holz. Dennoch wandte es sich von Castus ab. Eros senkte den Kopf. Der Priester hatte dem Biest direkt in das rote Auge gestarrt und hatte sich nicht mehr bewegen können. Er konnte es nicht beweisen, doch es erschien ihm das sicherste dem Monster nicht in die widerliche Fratze zu schauen. Im Augenwinkel sah er, dass das Wesen sich nun auf Relia zubewegte. Das nutzte er und rannte zu Castus, dessen Schwert gerade zu Boden sank. Der Priester sah ihm erschüttert entgegen, wandte den Blick jedoch rasch wieder ab. „Was willst du hier?“, fragte Castus ihn, doch Eros schüttelte den Kopf. „Wir müssen verschwinden, jetzt!“ „Ich kann sie nicht entkommen lassen“, sagte Castus voller Entschlossenheit. Relia benetzte den Edelstein mit dem Blut aus der Wunde an ihrem Arm, ihr Gesicht hatte sich zu einer irren Fratze verzerrt. „Töte sie, beide. Eros hat sich gegen mich gewandt. Wie nur konnte er das wagen. Töte sie, töte alle!“, schrie sie schrill und fanatisch. Als das Monster sich wieder umwandte, packte Eros Castus Arm und zerrte daran. „Sieh es nicht an!“, warnte er den Priester, dessen Augen sich wieder auf Eros geheftet hatten. Kurz schien Castus nachzudenken, dann senkte er den Kopf, schüttelte Eros ab und stürmte blindlinks nach vorn. Nun, zu mindestens seinen Rat hatte er sich zu Herzen genommen. Er schwang das Schwert blind um sich, doch die Kreatur blockte den wilden Angriff erneut mit ihrer Sense. Auch Castus Schwert prallte einfach davon ab, sodass der Priester zurücktaumelte. Dann holte das Biest aus, die Sense traf nur Castus Robe, welche unter der Berührung zu verwittern schien. Es bildeten sich Löcher im Stoff und einzelne Fetzen fielen zu Boden. Castus Augen richteten sich wieder auf Eros. Der Priester biss sich auf die Lippe, er schien eine Art inneren Kampf auszufechten. Doch dann stürmte er plötzlich zu Eros. Der Attentäter fragte nicht zweimal, er rannte zusammen mit Castus aus dem Anwesen. Den Diener, der in einer Ecke kauerte und völlig verängstigt die eigenen Knie umklammerte, ignorierten sie beide. Ob das Monster ihnen folgte oder nicht vermochte Eros nicht zu sagen, auch nicht wie lange sie rannten. Es war bereits Nacht und auf den Straßen von Lorring waren nur noch vereinzelt Menschen unterwegs. Doch sein Geist zeigte ihm unaufhörlich das grausige Geschöpf, ein Monster, wie aus einem Alptraum. Fast wie ein Gemälde des Todes. Er verstand es nicht. Hatte er die ganze Zeit falsch gelegen? Jagte Castus tatsächlich Dämonen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)