Priester und Mörder von Gubenko-Verlag ================================================================================ Kapitel 8: Gespaltene Persönlichkeit ------------------------------------ Eros fühlte sich wie erstarrt. Selbstsicher und erregt lag der Priester vor ihm auf dem Bett. Der Ausdruck im Gesicht, die Art zu reden, alles hatte sich verändert. Cartan, ein anderer Name, was sollte das bedeuten? Und warum hatte Eros weiter gemacht, als der andere ihn angefleht hatte. Seine Hände verkrampften sich. Es gab von Anfang an keinerlei Grund für die Folter. Das Wahrheitsserum hätte den Priester ohnehin gezwungen ihm alles zu sagen. Und doch hatte er seine Fassade bröckeln sehen wollen. Er mochte es, mochte es Schmerzen zuzufügen. Diesmal einvernehmlich und ohne tödliches Ende. Es war aufregend, aber er musste damit aufhören. Warum starrte er Castus, oder Cartan, noch immer an. Gerötete Wangen, geschwollene Brustwarzen. Ein schöner und definierter Körper, Muskeln und die Männlichkeit, die sich deutlich in der Hose abzeichnete. Er musste schlucken. Der Schoßhund der Kirche lag gefesselt vor ihm und sah einfach nur heiß aus. Mehr als alles andere faszinierten ihn jedoch die Augen des Priesters. Endlich spiegelte sich Leben in ihnen wider. Erregung und Ungeduld. Beinahe vergaß Eros warum er an diesem Ort war, was der Zweck all dessen gewesen war. Er schloss die Augen, ging in eine Ecke des Raumes und warf schließlich eine Leinendecke über den Priester. Es reichte, er musste aufhören. Das war nicht das Ziel gewesen. Es ging um Marie und Elisa, um Gerechtigkeit, nicht, um irgendwelche niederen Bedürfnisse. Er musste die Wahrheit aufdecken. „Ist das schon das Ende unseres schönen Spiels?“, schnurrte Cartan beinahe. Eros bebte. Die Wut galt mehr ihm selbst, als dem vermeintlichen Priester. „Was hat das alles zu bedeuten? Warum sagst du, du seist Cartan? Wer ist dann Castus? Was geht hier vor?“ „Ich weiß es nicht. Ich wurde einst von dunklen Wesen angegriffen, die Kirche nannte sie Dämonen. Ich habe einige Dinge getan, die mich glauben ließen, ich müsste mich der Verdammnis der Hölle stellen. Die Kirche nahm mich auf, sie gaben mir einen neuen Namen, Castus de Serrant, und das heilige Wasser. Sie versprachen meine Seele würde gerettet werden, wenn ich Gottes Willen folgen würde. Doch irgendwann verlor ich mich selbst. Ich wurde zum Beobachter. Castus entstand, gottesfürchtig, langweilig und gehorsam. Teilweise gab es für mich nur Schwärze. Sein heiliges Wasser ließ mich zeitweise gänzlich verschwinden. Ich kann ihm nur Dinge zuflüstern. Er nennt mich Dämon und sagt ich sei Tod. Doch du hast mich offenbar befreit.“ Cartan sah irritiert aus, offenbar war es nicht sein Ziel gewesen Eros so viel zu offenbaren. Doch das Wahrheitsserum zwang ihn dazu. Aber der Attentäter verstand es nicht. Nicht gänzlich. Cartan war also das wahre Ich des Priesters? Er war ein Sünder gewesen, der zur Kirche gelockt worden war. Und dann hatten sie irgendwie seine Persönlichkeit verändert oder gar gespalten? „Was hast du getan?“, fragte Eros kühl. Cartans Gesicht zuckte, doch er sprach: „Ich verführte eine verheiratete Frau. Und schlussendlich führte das dazu, dass ihr eigener Ehemann sie tötete.“ Eros schüttelte den Kopf. Gut, Ehebruch war nicht ehrenhaft. Doch das war nicht die Sünde nach der er gesucht hatte. Zu solchen Dingen gehörten immer zwei Menschen. Auch die Frau hatte sich darauf eingelassen. Schuldig waren beide. Doch der Tod der Frau lastete aus Eros Sicht nicht auf Castus, nein, Cartans Gewissen. „Und was hat Castus getan? Was ist ‘Gottes Wille‘?“ „Ich erinnere mich nicht an alles. Doch es geht darum Dämonen zu töten. Die Menschen verkaufen ihre Seele. Wenn das geschehen ist, kann nur der Tod sie befreien. Doch vor jeder Mission trinkt Castus sein heiliges Wasser. Daher ist alles verschwommen.“ Je mehr Eros hörte, desto klarer wurde das Bild in seinem Kopf. Der Böse in dieser ganzen Geschichte war nicht Castus. Nein, es war die Kirche. Auf irgendeine Art und Weise hatten sie einen Schwerenöter, Cartan, gefügig gemacht und ihn dazu gebracht ihr Werkzeug zu werden. Daher erschien Castus ihm immer so falsch, beinahe zu perfekt und ehrlich, weil die Kirche all seine Fehler ausgesperrt hatte. Eine Spaltung, die alles Sündhafte ausklammerte. Das Wahrheitsserum brachte Cartan, das eigentliche Ich, des Kirchenjägers zum Vorschein. Doch das hieß auch, dass er Castus Wissen so nicht erlangen konnte. Die Machenschaften der Kirche konnte er also nicht über das Wahrheitsserum aufdecken. „Ich weiß nicht was du planst, aber ich bitte dich. Gib mir mehr von dem Serum. Ich will nicht wieder verschwinden. Ich will nicht zurück zur Kirche. Ich will frei sein!“ Eros betrachtete Cartan irritiert. Er hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Einem Impuls folgend zog er die Decke von Cartans Körper und betrachtete ihn erneut. Die Erregung war gewichen. Doch die Brustwarzen waren noch immer geschwollen und bluteten. Er hatte übertrieben. Er war viel zu weit gegangen. Dieser Mann war kein eiskalter Mörder, kein Schoßhund, sondern ein Opfer. Die Kirche war der Verbrecher in dieser Geschichte, für Eros bestand daran kein Zweifel. Doch er wusste nicht genug, um etwas zu bewegen. Er brauchte Beweise. Das Grinsen kehrte auf Cartans Gesicht zurück. „Wir können auch ein wenig Spaß haben. Mit einem Mann wäre das zwar etwas Neues für mich, aber es ist viel zu lange her.“ Er leckte sich über die Lippen und betrachtete Eros gierig. Der Attentäter wünschte dieser Blick würde ihm nicht so tief unter die Haut gehen. Er wusste nicht wieso er auf Cartan reagierte. Männer hatten ihn nie interessiert. Und noch dazu hatte er bis vor kurzem keinerlei Respekt oder Zuneigung für den anderen Mann empfunden, ganz im Gegenteil. Er hatte den Schoßhund der Kirche immer gehasst. In gewisser Weise tat er das wohl auch noch immer. Wer war Cartan, wer Castus? Was genau konnte er von dem anderen Mann erwarten? „Weißt du, ich stehe auf Fesselspielchen, wirklich. Aber, wenn du nichts weiter tun willst, wäre es mir lieber, wenn du mich einfach befreist!“ Eros war überrumpelt. Bisher hatte immer er die Oberhand gehabt. Er hatte Pläne geschmiedet und den einfältigen Priester getäuscht. Doch dieser Mann, Cartan, war jemand gänzlich anderes. Sein Verstand begriff den Widerspruch nicht. Er kam nicht hinterher. Weder mit den Geschehnissen, noch mit den Gelüsten, die sie in ihm auslösten. Ein Teil von ihm wollte die Folter fortsetzen. Das Betteln des anderen hören und seine Erregung beobachten. Und dann… Eros schüttelte den Kopf. Etwas lief ganz gewaltig schief und es war Zeit das er wieder zu Sinnen kam. Er wandte sich ab und kramte erneut in seiner Truhe, doch diesmal nicht um Folterwerkzeuge zu holen. Eros suchte nach einem Stück Leinen, das er kurz darauf in Händen hielt. Als er auf Cartan zuging sah er ihn die ganze Zeit direkt an. Er würde keine Schwäche zeigen. Reue kannte er nicht. Ob Castus nun unschuldig war oder nicht, diese Aktion war seine einzige Möglichkeit gewesen Antworten zu erhalten. Dafür würde er sich nicht schämen. Auch, wenn er zu weit gegangen war. Vom Nachttisch schnappte er sich eine Ampulle mit Alkohol und schüttete sie über das Leinentuch. Cartans Augen weiteten sich, doch noch bevor der Priester irgendetwas sagen konnte strich Eros das Tuch bereits über die Brust des anderen Mannes. Die Wunden könnten sich entzünden und das wollte der Attentäter verhindern. Cartan biss die Zähne zusammen und seine Hände verkrampften sich. Und dennoch, Eros wurde das Gefühl nicht los, dass der Wahnsinnige auch diese Schmerzen genoss. „Wir sind also doch noch nicht fertig, hm?“, grollte Cartan, während sein Körper bebte. Eros ging nicht darauf ein. Er ignorierte seine eigene Erregung. Er wandte sich den Fesseln zu und löste einen Knoten nach dem anderen. Cartan richtete sich auf und rieb die vermutlich schmerzenden Handgelenke. „Wo ist das Serum?“, fragte der Fremde, denn nichts anderes war Cartan für Eros. Diesen Mann kannte er nicht. Es war nicht der gottesfürchtige Priester. Auch, wenn sein Verstand all das nur schwer begreifen konnte. „Alles was ich hatte, hast du getrunken.“ Cartan fuhr sich mit der Hand durchs Haar, wollte es, doch die Haare waren kurz geschoren. Sein Ausdruck sprach von Verwirrung und einer gewissen Verzweiflung. „Alles was ich hatte liegt in Scherben. Ich weiß nicht mal wie viel Zeit vergangen ist, vermutlich Jahre. Ich hatte immer Locken, schöne braune Locken. Nichts. Wenn ich das Serum nicht kriege, werde ich gleich wieder verschwinden. Das weiß ich.“ Er sprach wirr und durcheinander und Eros würde lügen, wenn er behauptete zu verstehen, was der andere gerade durchmachte. Sich selbst zu verlieren, einfach zu verschwinden, der Körper gesteuert von etwas anderem. Es erschien ihm grotesk. Doch auch Castus war real oder nicht? War er nur ein Scheinbild geschaffen von der Kirche? Sicher war für Eros gar nichts, außer, dass er sich in dem Priester getäuscht hatte. Er war kein eiskalter Mörder. Seine Persönlichkeit war offenbar gespalten. Castus Gottesfurcht und Reinheit war ehrlich, da all seine vermeintlich sündhaften Charakterzüge sich in Cartan bündelten. Wie und weshalb, das begriff er jedoch nicht. Und um ehrlich zu sein, wusste er auch nicht, was er mit diesen Informationen anfangen sollte. Niemand in der Kirche würde ihm Rede und Antwort stehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)