Broken Birdie von MyHeartInTheAttic ================================================================================ Kapitel 1: Blätter im Wind -------------------------- Der Herbst hielt in diesem Jahr früh Einzug in Konohagakure und blies bereits Anfang September die ersten bunt gefärbten Blätter von den Bäumen. Sakura Haruno rieb sich fröstelnd über die nackten Oberarme, während sie konzentriert ihren Aufsatz über die vier Gesetze der Iryōnin Korrektur las, als ihr plötzlich eine Serviette mitten ins Gesicht klatschte. Die junge Kunoichi kniff erschrocken die Augen zusammen und schlug panisch nach dem gebleichten Stück Stoff. Ino Yamanaka brach in schallendes Gelächter aus. „Prima Reaktionsvermögen“, feixte sie. „Halt die Klappe“, sagte Sakura schmunzelnd, klaubte die Serviette von ihrem Schoß und warf sie zurück auf Ino, die sie mit eleganter Leichtigkeit aus der Luft fing und ihr demonstrativ grinsend damit zuwinkte. „Bist du wenigstens wieder auf der Erde eingetroffen? Ich habe bestimmt zehn Minuten lang versucht, deine Aufmerksamkeit zu bekommen.“ Die deutliche Übertreibung ließ Sakura leicht mit den Augen rollen. „Was ist denn, Ino?“ Schlagartig wurde Ino ernst. „Ich wollte wissen, was du zu Regel drei geschrieben hast: Ein Iryōnin soll immer als Letzter seines Teams sterben. Das ist doch bescheuert, als könnte ich das irgendwie beeinflussen“, ereiferte sie sich. Auf ihren blassen Wangen erblühte eine fleckige Röte und sie zog ein Gesicht, als wäre sie kurz davor, ihren Aufsatz zusammenzuknüllen und Lady Tsunade an den Kopf zu werfen. „Ich bin da echt nicht scharf drauf, aber wenn ich tödlich verwundet werde, wird meinen Vitalfunktionen schnuppe sein, ob sie schlappmachen dürfen oder nicht.“ „Du darfst es nicht zu wörtlich auslegen“, sagte Sakura und schob Ino ihren Aufsatz über den kleinen Bistrotisch zu. Die Blonde stöhnte gequält auf, als sie die zahlreichen Seiten, die dicht mit Sakuras winziger Handschrift beschrieben waren, durchblätterte. „Ich habe mich hauptsächlich darauf bezogen, dass Iryōnin sich zwar bei Kämpfen im Hintergrund zu halten haben, aber dennoch kampferprobt genug sein müssen, um feindliche Angriffe abwehren zu können. Ein Iryōnin, der dazu nicht in der Lage ist, fällt seinem Team zur Last, da es ihn zusätzlich beschützen muss, wird selbst verletzt oder getötet, wodurch er seine Teamkameraden nicht mehr unterstützen kann. Außerdem bin ich auf den moralischen Aspekt eingegangen, dass man kein Teammitglied dem anderen vorziehen darf, also sich nicht zu Ungunsten des Teams in Gefahr bringen darf, um Familie oder Freunde zu retten.“ „Hm?“, machte Ino abwesend, was Sakura amüsiert den Kopf schütteln ließ. Das war typisch für die Blonde, erst fragte sie etwas, hörte dann aber doch nicht zu. Wahrscheinlich würde es wieder einmal darauf hinauslaufen, dass Ino ihre Hausaufgaben abschrieb, doch solange sie den Inhalt mit eigenen Worten wiedergab und Lady Tsunade nichts bemerkte, hatte Sakura kein Problem damit. Ino Yamanaka war schließlich nicht dumm, nur lagen ihr schriftliche Ausarbeitungen so gar nicht. Während die Blondine den Aufsatz aufmerksam studierte, nippte Sakura an ihrem Bancha¹, der unterdessen kalt geworden war und einen unangenehm pelzig-bitteren Geschmack über ihre Zunge spülte, und ließ die Augen durch die Gegend schweifen. Schon den ganzen Tag lang lag Konoha unter einer stahlgrauen Wolkendecke verborgen, sodass sich kaum Menschen auf den Straßen aufhielten. In dem an das Café angrenzenden Park konnte sie Hidan hören. Der silberhaarige Unruhestifter war laut und vulgär und seine Stimme schwappte in anrollenden Wellen immer wieder zu den beiden jungen Frauen herüber. In einiger Entfernung saß ein schwarzhaariger Junge unter einem Baum und las. „Sag mal, darf ich mir das bis morgen ausleihen?“, fragte Ino erwartungsvoll. „Ja klar, kein Problem“, sagte Sakura und wandte ihr das Gesicht zu. „Wollen wir noch was trinken?“ „Geht leider nicht, mein Vater versucht sich mal wieder an einer neuen Blumenkreuzung und ich habe versprochen, ihm dabei zu helfen.“ Ihr Tonfall klang genervt, als wüssten sie nicht beide, wie sehr Ino die meist von vornherein zum Scheitern verurteilten Experimente mit ihrem Vater liebte. Sie verstaute die Aufsätze in ihrer Tasche und verabschiedete sich mit einer kleinen La-Ola-Welle ihrer Finger von der Rosahaarigen. Sakura sah dem wippenden Pferdeschwanz nach, bis er aus ihrem Sichtfeld verschwunden war, dann winkte sie den Kellner heran, bestellte eine frische Tasse Tee und holte eine Ausgabe von Die Legende des mutigen Ninja aus ihrer Tasche. Shizune, die gelegentlich zur Geschwätzigkeit neigte, hatte ihr erzählt, dass der alte Perversling, der Naruto trainierte, nicht nur der Autor jener Schmuddelromane war, die Kakashi so liebte, sondern auch ein ehemaliges Teammitglied Lady Tsunades, und da war sie neugierig geworden. Tatsächlich gefiel ihr die Geschichte gut; deren Tiefgründigkeit überraschte sie nicht weniger als die Similarität der Charaktere zu Team 7. Es war ihr sogar ein bisschen unheimlich, wie parallel ihre realen Leben zu denen der Romanfiguren verlaufen waren. Da gab es Naruto, den Protagonisten, der, nun ja, genau wie ihr Naruto war, ein gutmütiger Trottel, mit dem man erst mal warm werden musste. Sakura grinste verstohlen. Da gab es Tsuyu, die taffe Iryōnin, die Naruto zur Seite stand und ihn gelegentlich vermöbelte. Natürlich war Naruto bis über beide Ohren in Tsuyu verliebt, doch die liebte den coolen Renge, der eines Nachts plötzlich aus ihrem Dorf verschwunden war. Das Grinsen verging Sakura. *~*+*~* Sakura saß da, bis es ihr zu kalt und zu dunkel zum Lesen wurde, bezahlte und machte sich auf den Heimweg. Hidans durchdringendes Lachen war seit geraumer Zeit nicht mehr erklungen, aber sie überlegte trotzdem, ob sie vorsichtshalber auf die Abkürzung durch den Park verzichten sollte. Begegnungen mit Hidan waren meistens unangenehm; der Typ war ein unausstehlicher Proll, an dem keine Frau vorbeigehen konnte, ohne blöd von der Seite angemacht zu werden. Gleich im darauffolgenden Moment tadelte sie sich für ihre Feigheit. Sie war eine Kunoichi, sie wollte und durfte sich nicht von so einem Hampelmann einschüchtern lassen. Sie verstaute den Roman in ihrer Tasche, die sie über die Schulter warf, und betrat die Dunkelheit des Parks. Früher am Tag hatten sich hier noch zahlreiche Sonnenanbeter getummelt, doch inzwischen war der Park wie ausgestorben. Der Wind raschelte durch die Baumkronen, die ersten Nachtinsekten zirpten, und dann gellte ein anzüglicher Pfiff durch die Stille. Steifbeinig schritt Sakura voran. Zu ihrer Linken hockte Hidan breitbeinig auf einer Steinbank, mehrere leere Bierflaschen lagen auf dem Boden. Neben ihm saß jemand, dessen langes Haar im rasch schwindenden Abendlicht wie eine goldene Kaskade um seinen Oberkörper wehte. Für einen Sekundenbruchteil hielt sie diese Person für Ino, dann blökte Deidara: „Glotz nicht so.“ „Tschuldigung“, nuschelte Sakura, obwohl sie nicht mal eine halbe Sekunde zu ihm geblickt hatte und auch nur, weil sie aus dem Augenwinkel heraus sehr viel blondes Haar gesehen hatte. Einfach ignorieren und weiterlaufen, dachte sie, doch in ihrer Magengegend braute sich eine ungute Vorahnung zusammen. „Setz dich mal ein bisschen zu uns, du Süße“, höhnte der silberhaarige Yu-Nin und verbaute ihr plötzlich mit seiner breiten Statur den Weg. Schaler Biergeruch kroch ihr in die Nase und sie ermahnte sich, nicht das Gesicht zu verziehen, um ihn nicht unnötig zu provozieren. „Willst‘n Bier?“ „Nein, danke“, sagte sie bemüht höflich und versuchte, an ihm vorbeizugehen. „Nein, danke“, äffte Hidan Sakura mit verspottender Piepsstimme nach und rempelte sie dermaßen grob mit der Schulter an, dass sie zwei Schritte zurückstolperte. „Mach dich mal locker, Puppe.“ „Hör auf mit dem Unsinn und lass mich vorbei“, forderte sie selbstbewusster als sie sich fühlte, sah Hidan dabei fest in die Augen, der seine Lippen nur zu einem unbeeindruckten Halbschmunzeln verbog. Deidara gluckste vor sich hin, als hätte er einen urkomischen Witz gehört. „Ich hab gesagt, du sollst dich hinsetzen.“ In Hidans Augen lag ein wahnsinniger Glanz, der ihre Kopfhaut unangenehm prickeln ließ, dann kickte er ihr so kräftig die Füße weg, dass sie für einen Moment waagerecht in der Luft hing. Sakura knallte mit einer Wucht auf den Rücken, die ihr mit einem langgezogenen Uff sämtliche Luft aus dem Körper presste. Für eine schreckliche Sekunde konnte sie nicht einatmen. „Braves Mädchen“, feixte er. „Das reicht, Mann“, sagte Deidara, während seine Augen nervös durch den Park huschten. „Ist doch nicht meine Schuld, dass die Weiber in diesem Drecksdorf alle solche Zicken sind“, schnauzte er den Blonden selbstgerecht an. „Lass die jetzt in Ruhe, hm. Das gibt nur Probleme.“ „Du hast mir gar nix zu sagen, du Pisser“, keifte Hidan. Sakura nutzte den Moment der Ablenkung, drückte sich mit den Schulterblättern kraftvoll vom Boden ab und wollte Hidan einen ihrer berühmt-berüchtigten Kinnhaken verpassen, doch sie hatte nicht genug Geschwindigkeit und er wehrte ihre Faust mühelos ab, packe ihr Handgelenk und drehte ihren Arm brutal auf den Rücken. „Das war nicht nett, kleine Maus“, spöttelte er und kickte ihr die Füße abermals weg, sodass sie auf die Knie sackte. In ihrem Schultergelenk knackte es widerwillig, ein stechender Schmerz schoss bis in ihren Nacken. „Willste dich etwa mit mir anlegen?“ „Lass mich los“, forderte sie gepresst, damit man ihrer Stimme weder die Angst noch den Schmerz anhörte. Ihre smaragdgrünen Augen suchten Deidaras nebelblaue, weil sie sich Unterstützung von ihm erhoffte, doch obwohl der blonde Iwa-Nin nicht glücklich über Hidans Verhalten wirkte, schien er aber auch nicht eingreifen zu wollen. „Sag bitte.“ „Lass mich gefälligst los oder ich…“ Der Yu-Nin riss ihren Arm hoch, wodurch der restliche Satz in einem langgezogenen Keuchen endete. „Willste mir drohen?“, zischte er und brachte sein Gesicht nahe an ihres. Sie konnte die Wut darin sehen und seinen heißen Bieratmen riechen. „Niemand droht mir, kapiert? Oder soll ich dir zeigen, was ich mit solchen wie dir mache?“ Sakura spürte einen Windhauch ihre Wange streifen, hörte das helle Surren eines Kunai, das die Luft dort zerschnitt, wo nur einen Sekundenbruchteil zuvor Hidans Kopf gewesen war, und sich mit einem dumpfen Laut in den Erdboden bohrte. Der Silberhaarige war dem Wurfmesser mühelos mit einem Satz nach hinten ausgewichen, hatte sie dabei jedoch freigeben müssen. „Bist du sicher, dass du diesen Gedanken näher ausführen willst?“, fragte eine kalte Stimme in ihrem Rücken. Sasuke Uchiha trat aus dem Schatten eines Ahornbaums hervor, die Hände nonchalant in den Hosentaschen vergraben und fixierte den Silberhaarigen mit seinen emotionslosen onyxfarbenen Augen. „Ein Uchiha?“, schnarrte Hidan. Deidara gab ein Geräusch wie eine beleidigte Katze von sich. „Du bist doch der Bruder von diesem Itachi. Hast zumindest die gleiche hässliche Visage.“ „Wenn du Stress suchst, kannst du den haben.“ „Ich schlottere“, sagte Hidan gespielt bestürzt. „Solltest du Trottel auch.“ Der Schwarzhaarige nickte mit dem Kinn in Sakuras Richtung. „Das ist eine Schülerin von der Hokage und die schmeißt euch schneller aus dem Dorf, als eure Erbsenhirne begreifen können.“ „Mir doch scheißegal.“ „Dann kannst du es ja drauf ankommen lassen“, sagte Sasuke ruhig. Seine Lippen zierte der Hauch eines hämischen Lächelns und seine ganze Haltung war provozierend lässig. Hidans Ausdruck veränderte sich; sein Grinsen verzerrte sich, wurde zu seiner Fratze und seinen Hals kroch eine fleckige Röte empor. „Fühlst dich wohl toll, weil du der Bruder vom großen Itachi Uchiha bist, aber ich wette, du hast nix drauf.“ „Bist du in meinen Bruder verknallt oder wieso redest du die ganze Zeit von ihm? Itachi ist nicht hier und ich brauche ihn nicht, um mit einem Loser wie dir fertigzuwerden.“ „Sasuke“, wisperte Sakura erschrocken und schlug sich die Hand vor den Mund. Sie war dankbar, dass er ihr zu Hilfe gekommen war, aber wenn er diesen Proll weiterhin reizte, würde die Situation definitiv eskalieren, und hitzköpfig wie er sein konnte, würde er nicht damit aufhören. „Deidara!“, knurrte Hidan gefährlich und streckte die Hand aus, damit der Iwa-Nin ihm seine Sense zuwarf, die noch immer neben der Bank lehnte. Deidara nahm die Sense, machte jedoch keine Anstalten, Hidan diese zu überreichen. An Sasuke gewandt sagte er: „Hidan wollte sich bloß mit dem Mädchen da unterhalten, hm. Offenbar ist es dabei zu einem kleinen Missverständnis gekommen. Ist doch so, oder?“ Hidan knurrte gefährlich. „Sah von da, wo ich saß, anders aus.“ Sasukes indifferenter Tonfall gab wenig Aufschluss darüber, was er dachte. Die nebelblauen Augen des Blondhaarigen rutschten auf Sakura, die, verdattert über die plötzliche Wendung, nicht sofort begriff, was er von ihr wollte. „Er hat recht“, stimmte sie schließlich mit einem zittrigen Lächeln zu, obwohl sich die Worte eklig in ihrem Mund anfühlten. Sasuke schnaubte lediglich. „Dann wäre das geklärt, hm“, sagte Deidara und nickte Hidan auffordernd zu. Der Yu-Nin hatte einen mörderischen Ausdruck in den Augen. Wir sind hier noch nicht fertig, sagten sie klar und deutlich, doch dann fuhr er sich über sein streng zurückgekämmtes, silbergraues Haar und lächelte maliziös, als ginge ihn das alles nichts an. „Was is‘, Mutti, krieg ich mein Spielzeug zurück?!“, sagte er zu Deidara. Der Blonde reichte ihm die Sense und Hidan warf einen letzten süffisanten Blick auf Sakura, der dafür sorgte, dass ihr Magen wie eine Bleikugel absackte, ehe er in einem Blätterwirbel verschwand. Deidara tat es ihm nach. Sakura hatte unbewusst die Luft angehalten, die sie nun mit einem Seufzen aus ihrer Lunge entweichen ließ, und drehte den Kopf zu Sasuke, der weiterhin die Stelle anstarrte, an der Hidan gerade noch gestanden hatte. Sie ahnte, wie unbefriedigend die Situation für ihn sein musste. Sasuke spürte ihren Blick auf sich und sah ihr ins Gesicht, sah ihr zum ersten Mal in die Augen. Sie konnte nicht verhindern, dass sie heftig errötete. Natürlich sah er immer noch überwältigend gut aus und strahlte eine überlegene Coolness aus, die kein Frauenherz gänzlich unberührt ließ, egal wie wehrhaft es zu sein versuchte. Dem gegenüber stand jedoch der kalte Ausdruck in seinen Augen, der sie sich unweigerlich wie Dreck fühlen ließ. Sakura räusperte sich verlegen, rappelte sich auf und klopfte notdürftig den Schmutz von ihrer Kleidung. Ihre Wangen fühlten sich noch immer warm an. „Du hast gekuscht wie ein Feigling“, sagte er plötzlich und betrachtete sie geringschätzig. „Dabei sollte man meinen, Tsunades Meisterschülerin hätte mehr drauf.“ Seine Kritik traf da, wo es richtig wehtat, wahrscheinlich weil sie enttäuscht genug von sich selbst war. Hidan mochte ein Jōnin Yugakures sein, dennoch hätte sie sich nicht derart vorführen lassen dürfen. „Ich wollte nicht, dass es mitten im Dorf zu einem Kampf kommt, nicht wegen so einer Lappalie“, rechtfertigte sie sich. Außerdem hatte sie nicht gewollt, dass Sasuke ihretwegen bestraft wurde, aber das sagte sie nicht, denn dann würde er ihr bloß vorwerfen, sich in seine Angelegenheiten einzumischen. „Lappalie nennst du das?“ Seine Brauen schnippten nach oben. „Naja, musst du wissen.“ Er wandte sich zum Gehen und sie kam sich schlagartig undankbar vor. „Danke“, rief sie ihm hinterher, doch er reagierte nicht auf sie, ließ nicht erkennen, ob er sie überhaupt gehört hatte. Sakura überlegte, ob sie ihm nachlaufen sollte, entschloss sich dann jedoch dagegen. Zu viele Jahre war sie ihm nachgelaufen und ihr Dank bedeutete ihm ohnehin nichts. Frustriert seufzte sie auf und machte sich endgültig auf den Heimweg. Ihre Gedanken hingen bei Sasuke und sie verachtete sich ein bisschen dafür, wie leicht sie in alte, längst abgelegte Muster zurückfiel. Sie war felsenfest überzeugt, ihre alberne Kindheitsschwärmerei hinter sich gelassen zu haben, doch in diesem Moment fühlte sie sich wieder wie ihr zwölfjähriges Ich, das dem Uchiha schafsköpfig hinterhergehechelt war und sich eine demütigende Abfuhr nach der anderen abgeholt hatte. Und es fühlte sich nicht gut an. Ihre Verliebtheit in Sasuke hatte sich nie gut angefühlt, wenn sie ehrlich mit sich war. Sie kannte Sasuke, seit ihrer gemeinsamen Akademiezeit, war als Genin sogar demselben Team zugeteilt worden, und ja, auch sie war einst – wie fast alle Mädchen – unsterblich in ihn verknallt gewesen, aber richtig angefreundet hatten sie sich nie. Seit sie unter Lady Tsunade trainierte und die ehemaligen Mitglieder von Team 7 alle ihrer eigenen Wege gingen, hatte sie nicht mal mehr wirklich mit ihm gesprochen. Dieses Mädchen wollte sie nicht mehr sein. Sie war Sakura Haruno, vielversprechendste Iryōnin-Schülerin der großen Tsunade Senju, dafür hatte sie hart trainiert und fleißig gelernt. Das kleine Mädchen, das bei Gefahr zu Stein erstarrte, schnell losflennte und sich immerzu auf ihre männlichen Teammitglieder verließ, gab es nicht mehr. *~*+*~* Sakura betrat ihr Elternhaus, streifte sich die Sandalen ab und wollte ins Badezimmer schlüpfen, ehe ihre Mutter sie und ihre verdreckte Kleidung entdecken konnte, als Mebuki Haruno auch schon aus der Küche rief: „Sakura, bist du das?“ „Ja, Mama, wer denn sonst?“, rief die Rosahaarige genervt zurück. „Rede nicht in diesem Ton mit mir, Fräulein“, schnauzte Mebuki und riss die Fusuma² energisch auf. „Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Ich warte und warte, du hättest ruhig mal anrufen können. Wo warst du die ganze Zeit?“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich mit Ino treffe.“ Mebukis Lid zuckte. „Ino ist schon seit Stunden zuhause. Ich habe vorhin Frau Yamanaka getroffen, die sich darüber beschwert hat, dass ihr Mann und ihre Tochter mit irgendeinem stinkenden Spezialdünger experimentieren. Also, wo hast du dich herumgetrieben? Und wie siehst du überhaupt aus?“ „Ich bin hingefallen.“ „Hingefallen?“, echote Mebuki spitz. „Ja, hingefallen. Das kann doch mal passieren“, entgegnete Sakura zunehmend wütend. Sie liebte ihre Mutter wirklich, doch deren überfürsorgliche Art, gepaart mit dem strengen, teils rauen Umgangston ließ sie sich wie ein unartiges Kind fühlen und das konnte sie jetzt nicht auch noch gebrauchen. „Ich geh mich waschen, wenn’s recht ist.“ „Mach aber nicht alles dreckig und tu deine schmutzigen Sachen in den Wäschekorb, anstatt die wieder überall rumliegen zu lassen“, mahnte ihre Mutter. „Ich mache dir in der Zwischenzeit was vom Abendessen warm.“ „Ich habe keinen Hunger“, fauchte Sakura, während sie die Treppe in die obere Etage hochstampfte. „Was, wieso nicht? Machst du etwa schon wieder Diät?“ Sakura knallte die Badezimmertür hinter sich zu, dass die Wände erzitterten, und sperrte das Genörgel ihrer Mutter aus dem Raum. Sie wusch sich und ließ sich anschließend in das angenehm heiße Badewasser gleiten, das ihre Muskeln wohlig seufzen ließ. Mit einem kühlen Waschlappen über den geschlossenen Augen versuchte sie an nichts, vor allem nicht an Sasuke zu denken, doch ihre Gedanken kreiselten immer wieder zu ihm zurück. Sie wollte seine Vorwürfe zurückweisen, wollte ihm mit stolz erhobenem Haupt entgegentreten, aber er hatte recht damit, denn es ließ sich nicht leugnen, dass sie bei der Konfrontation mit Hidan auf ganzer Linie versagt hatte. Sakura riss sich den Waschlappen vom Gesicht, weil die Blindheit sie sich plötzlich schutzlos fühlen ließ, und schleuderte ihn wütend ins Wasser, das bis zur Decke spritzte. Wut war besser als Enttäuschung. Sie zog die Beine an, bettete ihre Stirn auf die Knie und dachte schon wieder an Sasuke. „Sakura!“, rief Mebuki plötzlich, begleitet von einigen donnernden Faustschlägen gegen die Tür, die in den Angeln erzitterte. Die Rosahaarige versenkte sich bis zum Kinn im Wasser. Konnte man in diesem Haus keine fünf Minuten Ruhe haben?! „Was ist denn schon wieder?“, schrie sie zurück. „Meisterin Hokage will dich sprechen.“ „Was? Jetzt noch?“, fragte sie. „Natürlich jetzt noch. Sie ist hier. Sieh also gefälligst zu, dass du aus der Wanne kommst.“ Was wollte Lady Tsunade zu dieser späten Stunde bei ihr zu Hause? Sakura sprang aus dem wohlig warmen Wasser, wobei sie den Badezimmerboden flutete, und wickelte sich fest in ein Duschtuch ein. Tropfnass hastete sie in ihr Zimmer, um sich frische Kleidung anzuziehen, stürmte dann polternd die Treppe hinab und fand Lady Tsunade mit einer dampfenden Tasse Tee am Kotatsu³ vor. Mebuki quasselte aufgeregt auf sie ein, was für eine Ehre es sei, sie in ihrem bescheidenen Heim begrüßen zu dürfen. Lady Tsunades Schläfenarterie war bereits bedrohlich angeschwollen. Sakura betrat das Wohnzimmer und beide Frauen sahen auf. „Das hat aber gedauert. Du kannst unsere verehrte Hokage doch nicht so lange warten lassen“, schimpfte Mebuki und sagte an Lady Tsunade gewandt: „Bitte entschuldigen Sie das Benehmen meiner Tochter.“ „Es gibt nichts zu entschuldigen, schließlich bin ich unangemeldet hergekommen“, erwiderte sie. „Ich hoffe, ich störe nicht“, sagte sie zu Sakura. „Keineswegs“, beteuerte Mebuki energisch. Sakura runzelte leicht die Stirn. Sie hasste diese Gedanken, doch das Verhalten ihrer Mutter war ihr peinlich, gleichzeitig ärgerte sie sich darüber, da sie die Ranghöhere von beiden war und die Bevormundenden ihre Autorität untergruben. Sie verneigte sich vor der blonden Frau, die auf eine Antwort von ihr wartete, und fragte: „Was kann ich für Sie tun?“ „Ich muss in einer dringenden Angelegenheit mit dir sprechen.“ Ihre Augen streiften Mebuki, die ihr mit gespitzten Ohren gegenübersaß. „Es ist vertraulich.“ Mebuki, die den Wink mit dem Zaunpfahl nach einem langen, unmissverständlichen Blick Lady Tsunades nicht länger ignorieren konnte, zog einen gekränkten Schmollmund, verabschiedete sich jedoch unter vielen Verbeugungen aus dem Raum. Sakura nahm den Sitzplatz ihrer Mutter ein und horchte einen Moment auf das übertrieben laute Geschirrgeklapper aus der Küche. Sie hatte geahnt, dass sie das Gespräch zu belauschen versuchen würde, und kniff die Lippen ärgerlich zusammen. Mebuki sprach zwar oft über die Ehre und das Pflichtgefühl eines Ninja, sah sich selbst jedoch offenbar davon befreit. Lady Tsunade verdrehte die Augen, ehe sie ihre junge Schülerin aufmerksam musterte. „Geht es dir gut?“, fragte sie mit gesenkter Stimme. „Du siehst bedrückt aus.“ Mist, der blonden Frau entging wirklich gar nichts. Sakura lächelte unverbindlich. „Ich bin bloß müde; Ino und ich haben den ganzen Tag gelernt.“ „Du meinst, du hast Ino deine Hausaufgaben abschreiben lassen“, sagte Lady Tsunade trocken. „Sie hat nicht…“ „Natürlich hat sie! Und du lässt sie, was genauso schlimm ist“, unterbrach Lady Tsunade sie streng. Sakura senkte den Blick ertappt auf die Tischplatte, was der älteren Frau ein heiseres Lachen entlockte. „Ihr haltet mich wohl für blöd, dass ich sowas nicht merke. Diese Tricks waren schon uralt, als ich noch jung war. Aber deswegen bin ich nicht hier.“ Sakura warf einen flüchtigen Blick Richtung Küche, als könnte sie durch die Tür sehen, ob ihre Mutter noch lauschte, dann lehnte sie sich gespannt näher an Lady Tsunade heran. „Warum sind Sie denn hier?“ Lady Tsunade nippte an dem Tee, den Mebuki ihr aufgebrüht hatte, und faltete anschließend die Hände unter dem Kinn. „Wie du weißt, ist es mein Ziel, jedem Team einen Iryōnin an die Seite zu stellen, allerdings haben wir derzeit nicht genügend qualifizierte Kräfte, um dieses Vorhaben zeitnah in die Tat umzusetzen, deswegen hatte ich ein Treffen mit dem Ältestenrat, um ihnen den Vorschlag zu unterbreiten, dass jeder Shinobi eine Grundausbildung in den Heilkünsten durchlaufen soll und medizinische Jutsu künftig bereits auf der Akademie unterrichtet werden sollen. Dadurch könnten die Teams kleinere Verletzungen eigenständig behandeln, Verletzte ausreichend stabilisieren, um sie zu transportieren, und bei den Anwärtern könnte es den Grundstein für das Interesse an einer medizinischen Laufbahn legen.“ Ihr Gesicht verfinsterte sich. „Du kannst dir vermutlich denken, dass mein Anliegen keine Begeisterungsstürme ausgelöst hat.“ Sakura nickte verstehend. Ihr war unbegreiflich, weshalb die Heilkünste bei der breiten Masse so wenig Ansehen genossen. Kaum einer wollte sich zu einem Medizin-Ninja ausbilden lassen und ihre Anwesenheit in den Teams galt als überflüssig, zumindest so lange, bis der Ernstfall eintrat. Der Job der Sanitäter war wichtig, doch sie arbeiteten nun mal im Hintergrund, während sich die meisten ihr Prestige lieber an vorderster Front verdienen wollten. Zudem war die Ausbildung schwierig und langwierig. Vielen war es vermutlich zu viel Arbeit für einen Beruf, in dem man zumeist nur wenig Ruhm erlangte. „Was wollen Sie nun machen?“ „Tja… Ich gebe die Hoffnung nicht auf, den Ältestenrat von der Sinnhaftigkeit dieser Teamkonstellation zu überzeugen.“ Die Hokage widmete sich dem Tee und für einige Augenblicke war nur ihr Schlürfen zu hören. Das Geklapper in der Küche war verstummt. „Sag mal, hast du eigentlich noch Kontakt zu deinem alten Team?“ Die junge Kunoichi runzelte die Stirn über den unerwarteten Themenwechsel. Wie kam Lady Tsunade darauf? Es kam Sakura wie ein arger Zufall vor, dass sie ausgerechnet heute nach ihrem alten Team befragt wurde, wo sie das erste Mal seit Monaten mit Sasuke gesprochen hatte. Hatte ihre Mentorin von dem Vorfall im Park erfahren? „Geht so“, antwortete sie ausweichend. „Manchmal gehe ich mit Naruto eine Nudelsuppe essen.“ „Und Sasuke Uchiha, war der nicht auch mit euch in einem Team?“ „Ähm, ja, tatsächlich habe ich ihn erst heute getroffen“, antwortete sie wortkarg. „Welchen Eindruck hat er auf dich gemacht?“ Welchen Eindruck er auf sie gemacht hatte? Sie blinzelte irritiert ob Lady Tsunades plötzlichem Interesse an Sasuke „Naja, er war wie immer.“ Was auch immer das heißen mochte. Die Sannin brummte unzufrieden, was die Rosahaarige schnell nachschieben ließ: „Wir sind uns nur zufällig über den Weg gelaufen und haben uns nicht lange unterhalten.“ Die Blonde verzog missmutig das Gesicht. „Ich hatte gehofft, dass ihr euch näherstündet. Nun, da kann man nichts machen.“ Sakura biss sich leicht auf die Unterlippe, um nicht zu verletzt auszusehen, doch die andere hielt ihre Aufmerksamkeit ohnehin auf den Inhalt ihrer Tasse gelenkt. „Sasuke Uchiha gehört zu unseren besten Shinobi; er ist talentiert, intelligent und kann schnell auf unerwartete Situationen reagieren. Er ist nicht so begabt wie andere aus seinem Clan, liegt aber dennoch deutlich über dem Durchschnitt, allerdings sind mir in letzter Zeit immer mehr Beschwerden über ihn zu Ohren gekommen.“ „Beschwerden?“, echote Sakura und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, weil sie ihren Händen etwas zu tun geben musste. Lady Tsunade machte ein finsteres Gesicht. „Bei seiner letzten Mission wurden zwei seiner Kameraden aufgrund seines rücksichtslosen Vorgehens fast getötet. Seine Teammitglieder sagten später aus, dass er ihnen unkonzentriert und überdurchschnittlich gereizt vorkam. Sowas kann und werde ich nicht dulden. Es ist unprofessionell und gefährlich, wenn persönliche Befindlichkeiten Auswirkungen auf Missionen haben. Ich kann ihn nicht einsetzen, solange er sich nicht wieder im Griff hat.“ Sakura wurde eiskalt. „Bitte, das dürfen Sie Sasuke nicht antun. Ninja zu sein, bedeutet ihm alles. Wenn Sie ihm das wegnehmen, dann… dann…“ Sie suchte verzweifelt nach den richtigen Worten, doch Lady Tsunade winkte ab. „Ich nehme ihm nichts weg, denn das hat er sich selbst zuzuschreiben“, meinte sie streng. „Aber ich hatte gehofft, du könntest ihn vielleicht wieder auf den richtigen Weg bringen.“ „Ich?“, fragte sie stirnrunzelnd nach. „Tut mir leid, aber ich verstehe nicht, wie ausgerechnet ich helfen könnte.“ „Schade“, sagte Lady Tsunade langgezogen. „Gerade kamst du mir noch sehr eifrig vor.“ „S-so habe ich das nicht gemeint“, stammelte sie knallrot werdend, was Lady Tsunade sichtlich amüsierte. Sie presste die Lippen zu weißen Strichen aufeinander. „Ich kann nicht die Verantwortung für Sasukes Zukunft als Ninja übernehmen.“ „Das erwarte ich auch gar nicht, schließlich kann niemand die Verantwortung für das Schicksal eines anderen Menschen in die Hand nehmen, aber wir können einander die Hände reichen.“ „Und wie stellen Sie sich das vor? Wenn Sie glauben, dass er meine Hilfe ohne Weiteres annehmen wird, haben Sie ein falsches Bild von Sasuke.“ „Die Uchihas wollen immer alles mit sich selbst ausmachen, nicht wahr?!“ Es war keine Frage und ihre Stimme nahm eine Härte an, die Sakura gruselte. „Wir müssen seine Defensive unbemerkt von hinten durchbrechen. Du wiegst ihn in Sicherheit und dann – zack.“ Sie hieb mit der Faust auf den Tisch, dass die inzwischen leere Teetasse einige Zentimeter in die Luft hüpfte, und faltete anschließend erneut ihre langen, schlanken Finger. „‚Zack‘ ist kein besonders ausgeklügelter Plan“, gab Sakura mit milder Ironie zu bedenken. „Oh, aber den habe ich“, sagte Lady Tsunade listig lächelnd. „Deine offizielle Mission ist, dass du Sasuke in den Heil-Jutsu ausbildest, und ich übertrage dir die Entscheidungsgewalt, wann er wieder einsatztauglich ist. Da du meine beste Schülerin bist, ist nur logisch, dass ich diese Aufgabe an dich delegiere. Dein inoffizieller Auftrag wird sein, ihm ein bisschen auf den Zahn zu fühlen.“ „Ich soll ihn ausspionieren“, fasste Sakura trocken zusammen. Ein verhaltenes Lächeln umspielte Lady Tsunades Lippen. „Spionagemissionen gehören zum Alltag eines Ninja.“ „Wieso ich? Ich bin doch selbst noch im Training. Wäre es nicht besser, wenn Shizune…?“ „Unmöglich“, schnitt sie ihr barsch das Wort ab. „Shizune würde er sich nicht anvertrauen, aber bei einer alten Kameradin, an deren Seite er trainiert und gekämpft hat, sieht das vielleicht anders aus. Außerdem kennst du ihn und du besitzt das nötige Fingerspitzengefühl, um mit jemandem wie ihm umzugehen.“ Sakura, die sich vermutlich geschmeichelt fühlen sollte, senkte lediglich betreten den Blick auf ihre auf dem Schoß verknoteten Finger. Lady Tsunade seufzte. „Da ich um deine gemeinsame Vergangenheit mit Sasuke weiß, werde ich dich nicht zwingen.“ Sakura biss sich überlegend auf die Unterlippe. Sie bezweifelte, dass es nach der Blamage im Park leicht werden würde, von ihm akzeptiert zu werden. Er hatte sie immer für einen Schwächling gehalten und sie hatte sich nicht gerade von einer Seite gezeigt, die ihm das Gegenteil bewies. Sie konnte ihn förmlich höhnen hören, wie ausgerechnet sie ihm etwas beibringen können sollte. Andererseits stachelte genau das ihren Ehrgeiz an. Es war die Gelegenheit, sich endlich seine Anerkennung zu verdienen, denn offenkundig war Anerkennung von Sasuke Uchiha noch immer etwas, wonach sie sich insgeheim sehnte. „Ich mach’s“, stimmte sie nach kurzem Zögern entschlossen zu. Auch wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie sie sein Vertrauen gewinnen oder ihn von einer Kooperation überzeugen sollte. „Ich hatte nichts anderes von dir erwartet“, sagte Lady Tsunade lächelnd und klatschte enthusiastisch in die Hände. Aus den Tiefen ihrer Haori⁴ zog sie eine versiegelte Schriftrolle, die sie vor Sakura auf dem Tisch platzierte. „Gib die Sasuke; darin stehen die Bedingungen für seine Wiedereinsetzung und dass du die Leitung überantwortet bekommen hast.“ „Ich werde Sie nicht enttäuschen.“ „Darauf zähle ich“, erwiderte Lady Tsunade und verabschiedete sich anschließend von ihr. Sakura begleitete sie nach draußen und als sie die Tür hinter ihr schloss, stand Mebuki bereits im Flur. „Was wollte Lady Tsunade von dir?“, verlangte ihre Mutter zu wissen und streckte die Finger neugierig nach der Schriftrolle aus. Sakura presste die Schriftrolle fest gegen die Brust, was ihre Mutter erneut einen Schmollmund ziehen ließ. „Das kann ich dir nicht sagen, Mama.“ „Kannst nicht oder willst nicht?“, hakte sie mit einer steilen Falte zwischen den Brauen nach. „Beides“, entgegnete Sakura patzig. „Also wirklich! Ich bin deine Mutter, ich habe das Recht, solche Dinge zu erfahren.“ „Ich bin ein Ninja und kein Kind mehr“, sagte Sakura ärgerlich. Unzählige Male hatten sie diese und ähnliche Diskussionen geführt, seit sie die Akademie vor fast vier Jahren abgeschlossen hatte, und seit vier Jahren drehten sie sich immer nur im Kreis. Sakura wollte sich nicht mehr bevormunden lassen und ihre Mutter wollte mit der Bevormundung nicht aufhören. „Ich gehe jetzt ins Bett, ich muss morgen früh raus.“ Mebuki schimpfte vor sich hin, doch Sakura ignorierte sie und ging an ihr vorbei. Sie war schon fast so groß wie Mebuki. Sakura betrat ihr Zimmer und ging auf den kleinen halbkreisförmigen Balkon, über ihr hing ein kalter blauer Vollmond. Die Nachbarschaft lag bereits in völliger Dunkelheit, der Wind hatte aufgefrischt, riss an ihrem kurzen rosa Haar und fegte heulend durch die enge Straße. Ihr ganzes Leben hatte sie hier verbracht, doch in nicht allzu ferner Zukunft würde sie dieses Haus, diese Nachbarschaft verlassen. Sie war kein Kind mehr, sie galt als volljährig, seit sie mit vierzehn zum Chūnin befördert worden war, aber sie war trotzdem noch lange keine vollwertige Erwachsene vor dem Gesetz. Ihre Finger verkrampften sich um die Schriftrolle. Diese Mission, die erste, die sie vollkommen auf sich allein gestellt zu planen und zu bewältigen hatte, war der bisher vielleicht entscheidendste Schritt Richtung Erwachsenwerden. Sie fühlte sich wie ein Blatt im Wind, orientierungslos und doch wunderbar leicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)