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Ein Leben wert

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Einen schönen Samstagmorgen,

ich hoffe ihr habt alle ein schönes Wochenende und wünsche euch jetzt einfach viel Spaß mit dem nächsten Kapitel.

Ganz liebe Grüße^^ Komplett anzeigen

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Kapitel 3 - Zeit

Kapitel 3 – Zeit

 

„Noch etwas Tee?“

„Nein danke, mach dir keine Umstände“, entgegnete er und beobachtete Law, der an dem kleinen Herd stand und Fisch briet. Mittlerweile war es draußen dunkel und Mücken tanzten vor dem Fenster, zum Glück hatte Law das Fenster wieder in den Rahmen hängen können.

Es war schwierig eine Unterhaltung am Laufen zu halten. Law vermied es immer wieder ihn anzusehen und Rocinante fürchtete sich vor den Antworten, die seine Fragen bringen würden. Aber er wusste, dass er nicht davonlaufen konnte.

„Also“, meinte er schließlich und beobachtete Law weiterhin, während er auf der Küchentheke saß, die von der Höhe her deutlich angenehmer war als jeglicher vorhandene Stuhl, „ich denke, es ist Zeit, dass wir die letzten 17 Jahre aufarbeiten.“

Der andere nickte, ohne aufzusehen.

„Was willst du wissen?“

„Alles.“

Nun sah Law mit hochgezogener Augenbraue zu ihm hinüber. „Du müsstest es schon etwas präzisieren.“

Rocinante hatte seine Ellenbogen auf den Oberschenkeln abgestützt und seinen schweren Kopf auf seinen Handflächen abgelegt.

„Wie bist du von Minion geflohen? Wie bist du dem Vogelkäfig entkommen?“

Law konzentrierte sich wieder auf seinen Fisch.

„Ich bin nicht entkommen. Ich habe gewartet, bis dein Bruder weg war, und dann habe ich mich… uns in Sicherheit gebracht; das war knapp eine Woche später, so lange habe ich uns auf Minion versteckt.“

„Niemand hat uns entdeckt? Und du hast dich ganz allein um dich selbst und um mich gekümmert?“ Der andere entgegnete nichts, nickte nur und drehte seinen Fisch erneut um, obwohl dieser langsam gut sein musste. „Kein Wunder, dass du so schnell erwachsen werden musstest.“

Nun zuckte Law mit den Achseln. Ihm war das Thema offensichtlich unangenehm und Rocinante wollte ihn nicht noch mehr quälen, also entschied er eine andere Frage zu stellen, die ihn ebenfalls, seit er wusste was passiert war, nicht mehr losgelassen hatte.

„Und was ist mit meinem Bruder?“

Für einen Moment verharrte Law bei seiner Tätigkeit den Fisch endlich aus der Pfanne zu heben.

„Er ist zum Samurai aufgestiegen und hat Dress Rosa eingenommen“, antwortete er schließlich.

„Was?“ Leiser Horror breitete sich in ihm aus, als Rocinante bewusst wurde, dass er ihn hätte aufhalten können, wenn er doch nur geschossen hätte.

„Ja, aber mach dir keine Sorgen, er sitzt mittlerweile in Impel Down, Level sechs. Während des Kriegs vor zwei Jahren hat er zwar versucht auszubrechen, aber das konnten wir verhindern.“

Wir?“, fragte er nach während Law einen Stuhl heranzog und sich neben ihn an die Theke setzte und zu essen anfing.

„Naja, es waren welche aus der Allianz. Ich selbst war gar nicht vor Ort, hatte ja dem Strohhut versprochen an seiner Seite zu kämpfen.“

Verwundert sah er zum anderen hinab.

„Also das musst du jetzt etwas näher erläutern, Law. Welcher Krieg und welcher Strohhut?“

Der andere sah zu ihm auf.

„In den letzten Jahren hatte sich die Situation immer mehr angespannt. Ich muss dir ja nichts von der Gewalt und der Ungerechtigkeiten erzählen, die diese Welt kontrolliert haben. Die klaren Linien zwischen den guten Marinesoldaten und den bösen Piraten sind mehr und mehr verschwommen und naja, irgendwann ist es eskaliert.“ Law zuckte mit den Schultern und aß weiter. „Glaub mir, ich hatte nicht beabsichtigt Teil des Großen Krieges zu sein, aber es ist wie ich sage, der Strohhut ruft und wir kommen.“

Law nickte in die Tiefen des Raumes hinein und Rocinante erkannte eine friedlich schlummernde Teleschnecke mit einem Strohhut auf einem kleinen Beistelltisch neben einem Sofa, auf dem Decke und Kissen lag.

„Und wie ging dieser Große Krieg aus?“

„Na, wie schon“, murmelte Law, doch seine Stimme klang nun seltsam hohl, „am Ende haben wir gewonnen.“

„Gegen die Marine?“

„Nein, gegen die anderen. Gegen die, die von der alten Weltordnung profitiert hatten und sie nicht ändern wollten. Einige waren Marinesoldaten, andere Piraten und wieder andere weder noch, genau wie auf unserer Seite. Wir waren am Ende die Stärkeren. Wir waren die Siegreichen. Wir waren diejenigen, die eine neue Gerechtigkeit gestalten konnten.“ Für einen Moment schwieg der andere. „Aber manchmal frage ich mich, ob es all die Leben wert war, die dafür gestorben sind.“

Schon lange aß er nicht mehr, starrte etwas an, das nicht in diesem Raum zu finden war und Rocinante kannte diesen Blick, kannte ihn viel zu gut.

„Was denkst du ist ein Leben wert, Cora? Was denkst du ist es wert dafür zu sterben?“

Lange schwieg er und betrachtete die leere Pfanne vor sich, in der das letzte Fett noch vor sich hinarbeitete. Bilder der Menschen, die er verloren hatte, flammten vor seinem inneren Auge auf. Ihr Lächeln, ihre Taten, ihre Tode. Dann dachte er an die Menschen, die sein Leben beeinflusst hatten und hoffte, dass manche von ihnen noch am Leben waren, dachte an den Jungen, der der Mann neben ihm bis zum vergangenen Tag noch gewesen war. Traurig holte ihn die Wahrheit ein, dass er nicht in der Lage gewesen war Law nach dessen furchtbarer Kindheit vor einem brutalen Aufwachsen hatte bewahren können. Die Worte des anderen machte deutlich, dass Law wohl noch schlimmere Dinge erlebt hatte als Rocinante sich womöglich vorstellen konnte.

„Diese Frage kann wohl nur jeder für sich selbst beantworten“, antwortete er schließlich ehrlich. „Für mich ist es ganz klar, dass ich dich jederzeit mit meinem Leben beschützen würde und ich kann nur hoffen, dass die mutigen Kameraden an deiner Seite eure Beweggründe als wichtig genug angesehen haben, um für diese Überzeugung zu sterben.“

„Und was, wenn es nicht ihre Überzeugungen waren? Was, wenn sie es nur getan haben für die Überzeugungen anderer?“

„Dann bleibt uns nur noch der Glaube, dass ihnen die Menschen, die diese Überzeugungen getragen haben, wichtig genug waren, um ihr Leben für diese zu lassen.“

Langsam sah Law zu ihm auf und wieder erkannte Rocinante, dass der andere in seinem Leben mehr hatte durchleiden müssen als er ihm je gewünscht hatte. Dann wandte Law sich wieder seinem Essen zu.

„Kriege sind nie einfach“, meinte er schließlich und schien die Trauer wieder zu vergraben, „auf beiden Seiten gab es viele Verluste, aber wir haben ein neues Zeitalter angebrochen und ich hoffe nur, dass jetzt bessere Menschen an der Macht sind als vorher.“

Rocinante entgegnete nichts, sondern blickte wieder zur kleinen Teleschnecke hinüber. So wie er Law verstanden hatte, würde dieser wohl auch heute noch aufspringen, sobald diese klingeln würde.

„Und wer ist dieser Strohhut?“, fragte er und hoffte für den anderen leichtere Erinnerungen anzusprechen.

„Er ist auch ein Pirat, mittlerweile wohl der Mächtigste der Welt. Aber er ist ein verdammter Vollidiot und wirklich strohdumm. Vor vier Jahren hat er mir geholfen deinen Bruder zu besiegen, ohne ihn hätte ich es wohl nicht geschafft.“ Leise lachte Law auf, schien tatsächlich die dunklen Gedanken für einen Moment zu vergessen. „Ach was sage ich da. Ich bin beinahe gestorben. Den Arm abgerissen hat de Flamingo mir.“

„Was?! Aber… aber du hast doch noch beide?!“

Nun sah Law ihn mit einem leichten Augenrollen an.

„Operationsfrucht?“, entgegnete er nur, als würde diese Aussage alle Fragen beantworten, ehe er weitersprach: „Aber allein hätte ich gegen deinen Bruder wirklich keine Chance gehabt, aber unser Herr Strohhut mit seiner Crew von Wahnsinnigen… tze… du würdest sie mögen.“

Mittlerweile aß der andere seinen Fisch wieder.

„Magst du sie denn?“

„Ich? Ach, Schwachsinn. Der Kapitän ist verrückt, sag ich dir, und sein Vize ist genauso furchtbar, trinkt wie ein Fass ohne Boden und beide sind Kindsköpfe, die jede noch so dumme Herausforderung annehmen, egal wie unbesiegbar der Gegner ist. Und die Navigatorin erst… aber am schlimmsten von allen ist der Koch!“ Law zielte mit seinen Stäbchen genau auf Rocinante. „Gefühlt backt der nur Brot! Als könnte ein Koch nichts anderes machen.“

Leise lachte Rocinante auf, als er sich an diese kleine Abneigung erinnerte, die sie beide teilten und die Law offensichtlich nicht abgelegt hatte. Zumindest eine Kleinigkeit, die sich trotz all der Zeit nicht geändert hatte.

„Was?“

Er lächelte seinen kleinen, erwachsenen Law an. „Es scheint ein bunter Haufen zu sein, und mit denen hast du eine Allianz gegründet?“

Law nickte nur.

„Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, hätte ich es wohl nicht getan“, murrte er und stocherte etwas zu enthusiastisch in den Resten seines Fisches.

„Aber“, sprach er dann langgezogen weiter, „ich kann wohl nicht leugnen, dass sie Großes vollbracht haben und ich kann auch nicht leugnen, dass ich ohne ihre Hilfe heute nicht mehr leben würde.“

Nun lächelte Law wieder ein bisschen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mit einem Haufen Vollidioten anfreunden würde, aber…“

„Freunde? Du hast Freunde gefunden?“

Erneut rollte Law mit den Augen und stand auf, um sein Geschirr abzuspülen.

„Sei nicht so überrascht. Ich bin…“

„Oh, mein kleiner Law hat tatsächlich Freunde! Ich bin ja so froh!“ Er konnte nicht mehr an sich halten und riss den anderen von hinten in eine Umarmung. Die Erleichterung übermannte ihn für eine Sekunde. Nach all den schrecklichen Dingen, die wohl in den letzten Jahren geschehen waren, konnte er nicht anders als tiefe Dankbarkeit für diesen Strohhut und dessen Crew zu empfinden, die sich allem zum Trotz es wohl nicht hatten nehmen lassen, sich mit Law anzufreunden, obwohl er nicht unbedingt ein Sympathieträger war, wie Rocinante nur zu gut wusste.

„Könntest du aufhören mich klein zu nennen? Ich bin rein technisch gesehen älter als du“, grummelte der andere zwischen Rocinantes Armen hindurch und bestätigte seine leisen Gedanken.

„Das mag sein, aber rein technisch gesehen bin ich immer noch größer als du, daher kann ich dich auch klein nennen“, entgegnete er nur mit einem breiten Grinsen und entschied sich seine kleine Freude nicht von dem anderen trüben zu lassen.

„Du und deine Riesengene“, knurrte der andere und befreite sich, um weiterzuarbeiten.

„Erzähl mir mehr von ihnen, Law“, forderte Rocinante hingegen wissbegierig, froh zu sehen, wie sich die Schatten fast gänzlich verzogen hatten, froh zu sehen, dass Law wieder Emotionen zeigte, zumindest wenn er über diesen Strohhut und seine Crew von Wahnsinnigen sprach. „Erzähl mir mehr!“

„Es gibt nicht so viel zu erzählen“, meinte der andere nur mit einem Schulterzucken.

„Ich bin eher so gezwungener Maßen mit den Strohhüten befreundet. Lange Geschichte“, winkte er dann ab, als er Rocinantes fragenden Blick sah, „und meine Crew habe ich vor dem Großen Krieg aufgelöst, weil ich nicht wollte, dass sie mitkämpfen.“

„Warum?“ Er hatte bisher nicht gewusst, dass Law selbst Leute um sich geschart hatte. Es kam ihm beinahe noch unwahrscheinlicher vor, als dass Law generell Freunde gefunden hatte. Hoffentlich würde er sie bald kennen lernen, diese Leute, die bereitwillig seinem Law gefolgt waren.

„Ist das nicht offensichtlich?“ Law schenkte die Pfanne in einer Hand hin und her, verteilte Wassertropfen und Spülmittel in der ganzen Kochnische. „Ich wollte nicht noch jemanden, der mir wichtig ist verlieren.“

Rocinante schwieg. Die Leichtigkeit, welche ihr Gespräch endlich für ein paar wenige Minuten erhellt hatte, verflog augenblicklich. Für einen kurzen Moment hatte Rocinante vergessen, dass 17 lange Jahre ins Land gegangen waren, in denen er Law allein gelassen hatte. 17 Jahre, die vielleicht spurlos an ihm selbst vorbeigegangen waren, aber das galt nun mal nicht für Law.

Zwar hatte Law ihn nicht verloren, aber dafür hatte er ihn jeden Tag doch verloren, jeden Tag, an dem er nicht aufgewacht war. Law hatte jeden Tag damit rechnen müssen, dass dies der Tag war, an dem Rocinante endgültig sterben würde, und das für ganze 17 Jahre lang, neben all den anderen Verlusten, die er hatte durchleiden müssen.

„Und deine Freunde waren damit einverstanden?“

„Ich habe ihnen keine Wahl gelassen. Ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will“, entgegnete der andere nur hohl. „Aber es war besser so. Ich habe noch ab und an mit ihnen Kontakt und sie alle führen ein glückliches, zufriedenes Leben. Wie sie es verdient haben.“

Law nahm einen nassen Lappen und wischte schnell über die Arbeitsflächen, wobei die Küche schon sauber genug wirkte, um eine Operation durchführen zu können. Rocinante auf der anderen Seite ging zurück zu seiner Anrichte und ließ sich wieder darauf nieder.

„Aber was ist mit dir, Law? Lebst auch du ein glückliches und zufriedenes Leben?“

Der andere verharrte in seiner Tätigkeit, dann warf er den Lappen ins Spülbecken und drehte sich zu Rocinante um.

„Was ich dir jetzt sagen werde, wird dir nicht gefallen“, entgegnete er dann sachlich und verschränkte die Arme.

„In Ordnung.“

Für einen Moment sahen sie sich nur wortlos an, Rocinante nicht gewillt den Augenkontakt zu unterbrechen. Es war Law, der schließlich wegsah.

„Die ersten 13 Jahre nach deinem Tod habe ich damit verbracht mir auszumalen, wie ich Rache üben würde. Ich hätte sie nutzen sollen, um mir einen Plan zu überlegen, deinen Willen in die Tat umsetzen zu können, aber auch wenn ich das als Ausrede genutzt habe, so wollte ich doch einfach nur deinen Bruder umbringen für das, was er dir angetan hat.“

Einen Moment lang schwieg Rocinante. Es gierte ihm nach einer Zigarette, aber er wusste, dass er den Arzt vor sich wohl kaum um eine bitten konnte.

„Aber du hast eben gesagt, dass er in Impel Down gefangen gehalten wird. Du hast ihn also nicht getötet.“

Law nickte.

„Habe ich nicht, ich sag’s ja, verdammter Strohhut. Ich selbst war zu schwach, um das zu tun, was ich mir vorgenommen hatte, aber der Strohhut ist niemand, der tötet, wenn er es irgendwie vermeiden kann und selbst deinen Bruder hat er am Leben gelassen.“ Dann seufzte er. „Nachdem wir ihn besiegt hatten, haben die Ereignisse angefangen sich zu überschlagen und wir sind gefühlt von einer Schlacht in die nächste reingerutscht. Ich hatte gar keine Zeit mir darüber bewusst zu werden, was ich mit meinem Leben eigentlich anfangen wollte. Ich hatte eh nicht mehr daran gedacht, heil aus der ganzen Sache rauszukommen.“

Tief atmete er ein und zuckte dann mit den Schultern.

„Aber am Ende habe ich überlebt, trotz allem, und mir ist bewusst geworden, dass…“ Er biss sich auf die Unterlippe und sah dann weg. „… dass ich nur am Leben bin, weil du mich damals beschützt hattest und dass ich diese Leben deshalb nicht einfach so wegwerfen konnte. Nicht nachdem so viele in unserem Namen - in meinem Namen - gestorben sind. Nicht, nachdem du damals… beinahe gestorben bist… und natürlich wurde mir auch bewusst, dass wenn ich aufgeben würde, dass dann keine Chance mehr bestehen würde, dass du wieder aufwachen würdest.“

Zum Ende hin hatte er deutlich schneller gesprochen als zum Anfang noch, doch nun schien er sich wieder gefangen zu haben.

„Nach dem Krieg hatte ich entschieden, dieser ganzen Welt den Rücken zu kehren. Ich war diesen Kämpfen, diesem ganzen Leid und dem ganzen Hass einfach nur müde“, murmelte er und nun sah er Rocinante wieder klar an. „Ich möchte nicht mehr in dauernder Angst um die Menschen leben, die mir wichtig sind.“

Dann ging er zurück zu seinem Stuhl am Tresen und setzte sich neben Rocinante.

„Und was hast du dann gemacht? Nach dem Großen Krieg?“, fragte Rocinante und sah zu ihm hinab. Auch das konnte er nur zu gut verstehen. Auch er war einst jenem Leben aus Verrat, Lügen und Gewalt müde gewesen und hatte sich nichts mehr gewünscht als ein friedliches Leben, in dem er die Augen schließen konnte, ohne Angst davor zu haben, dass er sie womöglich nicht wieder öffnen würde.

Law hatte die Ellenbogen auf dem Tresen abgestützt und Mund und Kinn hinter gefalteten Händen verdeckt.

„Ich bin gereist“, murmelte er dann und sah in den leeren Raum hinein, „ohne ein wirkliches Ziel. Dann bin ich durch Zufall über diese Inseln hier gestolpert und so kam eins zum anderen. Sie brauchten einen Arzt und ich… brauchte eine Aufgabe.“

Für einen Moment schwieg der andere, dann tippte er mit einem Finger leicht gegen seine Nase und Rocinante meinte ein kleines Griemeln in den grauen Augen zu erkennen.

„Ninnin, die Tochter der ehemaligen Ärztin dieser Praxis, ist eine gute Studentin, aber sie hat noch wenig praktische Erfahrung und ich dachte mir, dass ich sie etwas unterweisen könnte. Ich dachte vielleicht ist dieses einfache Leben auf einer Insel mit einem geregelten Tagesablauf, mit einem geregelten Einkommen, mit einer Aufgabe Menschen zu helfen, genau das, was ich brauche, was ich möchte. So wie meine Eltern gelebt haben.“ Nun neigte Law seinen Kopf leicht und sah Rocinante aus den Augenwinkeln an. „Vor kurzem habe ich entschieden, mich hier niederzulassen, und als wäre es ein schlechter Zufall, wusste ich dann, wie ich dich aufwecken kann.“

„Es war ein Zufall?“

„Nein, natürlich nicht“, schüttelte Law den Kopf, als hätte Rocinante etwas Dummes gefragt. „Ich gehe davon aus, dass ich meine eigenen Kräfte blockiert habe, durch das Leben auf der Flucht, als Pirat und so weiter, und als ich hier anfing meine Ruhe zu finden, da hat sich die Blockade gelöst.“

„Hört sich logisch an“, murmelte Rocinante, der von solchen Dingen nicht wirklich viel verstand und daher nur auf Laws Worte vertrauen konnte.

„Wie dem auch sei. Während der Jahre der Unruhen hatte ich dich sicher versteckt, aber die sind nun vorbei und nun bist du hier. Das ist so in etwa die Kurzfassung der letzten 17 Jahre.“

Es fiel ihm immer noch schwer das alles zu glauben, gleichzeitig hatte er den lebendigen Beweis vor sich sitzen. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig, als die Wahrheit anzuerkennen.

Law stand auf und streckte sich.

„So, ich weiß du hast bestimmt noch eine Menge Fragen, aber wenn ich ehrlich bin, bin ich echt müde. Können wir morgen weiterreden?“

Nun fiel Rocinantes Blick auf die kleine Uhr neben dem Herd; es war bereits mitten in der Nacht und so wie er den anderen verstanden hatte, würde er am nächsten Morgen arbeiten müssen.

„Natürlich, du musst ganz erschöpft sein.“

Der andere schenkte ihm ein so wertvolles, schiefes Lächeln und ging an ihm vorbei, streifte kurz seine Hand über Rocinantes Oberschenkel.

„Ich habe 17 Jahre auf diesen Tag gewartet, Cora, ja, ich bin erschöpft, aber endlich bist du wieder da und endlich scheint diese unerträgliche Last von mir abgefallen zu sein. Jetzt, wo du wieder da bist, möchte ich nicht mehr als bei dir sein und schlafen, endlich schlafen.“

„Das solltest du aber in einem vernünftigen Bett“, entgegnete er schnell als der andere sich anschickte, einfach auf dem kleinen Sofa niederzusinken, ohne sich auch nur umzuziehen.

„Mach dich nicht lächerlich“, meinte Law nur unter einem Gähnen, „ich habe nur das Bett nebenan, und du müsstest dich viermal falten, um auf das Sofa hier zu passen, also…“

„Also legst du dich ins Bett, du hattest einen anstrengenden Arbeitstag!“, unterbrach er den anderen, schritt auf ihn zu und griff ihn am Arm. „Eine jahrelange Anspannung ist heute von dir abgefallen, das heißt du wirst viel und guten Schlaf brauchen.“

„Aber…“

„Nichts da!“, polterte er weiter und zog den anderen in den Raum, in dem er aufgewacht war, und warf Law aufs Bett. „Ich habe 17 Jahre geschlafen und nachdem, was du mir gerade alles gesagt hast, kann ich eh kein Auge zu machen. Also schlaf jetzt, zumindest diese eine Nacht möchte ich derjenige sein, der über dich wacht.“

Ein ihm ungekanntes zärtliches Lächeln glitt über Laws Gesicht, erhellte diese dunklen Züge wie selbst die Erwähnung des Strohhutes nicht gekonnt hatte, und er nickte.

„Nun gut, wie du willst.“ Er zog sich die Jeans im Liegen aus, warf sie unbeachtet zur Seite und zog dann die Decke über sich. „Aber nur damit du Bescheid weißt, ich habe überhaupt kein Problem damit jetzt zu schlafen, also beschwer dich später nicht.“

Seine Augen flackerten bereits und Rocinante wurde bewusst, dass der andere vermutlich wirklich eine Last von 17 Jahren heute abgeworfen hatte und sein Körper sich nun das zurückforderte, was er die letzten Jahre hatte aushalten müssen.

Ungelenk schob er zwei Bücherhaufen zur Seite und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden neben das Kopfende des Bettes.

„Keine Sorge, das werde ich nicht. Also schlaf etwas, mein kleiner Law.“

Der andere grub eine Hand aus der Decke hervor und legte sie kurz auf Rocinantes Brust, als wollte er sichergehen, dass das Herz darunter noch schlug, dann sah Law ihn an.

„Cora, darf ich dich küssen…, bitte?“

Er wusste, dass diese Frage gefährlich war, dass er sie durch geschickte Worte umschiffen musste, aber die Sehnsucht in den Augen des anderen machte ihn schwach. Er hatte Law all die Zeit allein gelassen, hatte dieses Kind ein zweites Mal erleben lassen, was es hieß geliebte Menschen zu verlieren, den Schutz dieser Liebe zu verlieren. Er konnte diese Sehnsucht nach Liebe, dieses Verlangen nach der Wärme eines anderen Menschen so sehr wahrnehmen, dass sein Herz darunter beinahe brach.

Vorsichtig nahm er die Hand des anderen von seiner Brust, lehnte sich vor und legte seine Lippen auf Laws, nur für einen kurzen Moment, ehe er sich zurücklehnte.

„Und nun schlaf etwas, mein kleiner Law.“

Wie auf Kommando schlossen sich die strahlenden Augen des anderen und mit einem feinen Lächeln schien er innerhalb von Sekunden einzuschlafen, Rocinantes Hand fest umklammert, als hätte er Angst ihn auch nur eine Sekunde loszulassen.



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