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Flashlight

von

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Jack Rivière

Kaum hatten sie sich gesetzt, klingelte es schon wieder an der Tür. „Was denn jetzt noch?“, fragte Sebastian genervt und stand auf. Ein entspannter Morgen sah definitiv anders aus. Ciel, neugierig wie er war, folgte dem Größeren in den Flur. „Grell, ich hab dir doch gesagt, was du anziehen sollst“, seufzte Sebastian und hielt dann überrascht inne. Vor ihm stand eindeutig nicht sein verrückter Nachbar. Es war ein junger Mann, vielleicht Ende 20, mit schwarzen, kurzen Haaren, die ihm fransig in die Augen fielen. Noch dazu war er, im Vergleich zu Sebastian, recht klein. Er schätzte ihn auf 1,60m. „Mr. Michaelis?“, fragte der Fremde monoton und schaute ihn emotionslos aus dunkelblauen Augen an. Der Angesprochene erwartete schon die Polizeimarke seines Gegenübers zu sehen, doch Nichts dergleichen geschah. „Wie … kann ich Ihnen helfen?“, fragte Sebastian immer noch überrascht. „Mein Name ist Jack Rivière, das Jugendamt schickt mich.“ Wollten die jetzt etwa Ciel?! Die Sorge musste ihm, untypischerweise, im Gesicht stehen. „Kann ich vielleicht reinkommen? Ich möchte mich nur mit Ihnen und dem Jungen unterhalten.“ „Ah, natürlich“, sagte Sebastian und trat zur Seite. Dabei bemerkte er, dass Ciel sich hinter seinen Beinen versteckte und neugierig dahinter hervor lugte.

Jack betrat die Wohnung und wurde direkt gebeten, seine Schuhe auszuziehen. Wortlos kam er dem nach. Sebastian konnte nicht wissen, dass der andere das in seiner Wohnung auch von seinen Gästen immer verlangte. In der Küche bot er ihm einen Stuhl an: „Bitte, setzen Sie sich. Wir wollten gerade frühstücken.“ Sebastian schnitt ein Brötchen auf und legte es auf den Toaster, damit es wieder knackig war. Auch wenn er sie selbst gebacken hatte, wurden sie durch die Aufbewahrung im Gefrierschrank immer etwas trocken nach dem Auftauen. „Möchten Sie auch etwas essen? Oder einen Tee?“ „Einen Schwarztee, bitte.“ Sebastian füllte den Wasserkocher und schaltete diesen ein, dann füllte er eine Tasse mit Milch und goss diese in einen kleinen Topf, um sie zu erwärmen. Anschließend räumte er verschiedene Marmeladen, auch selbst gekochte, aus dem Kühlschrank und gab zwei Gläser davon Ciel, da dieser ihm beim Tischdecken helfen wollte.
 

So war der Tisch schnell gedeckt. Sebastian stellte ihm seine warme Milch hin und für Jack und sich einen Schwarztee. Der Junge kletterte auf seinen Platz und griff nach einem Brötchen, das er Sebastian hinhielt, damit dieser es beschmierte. „Nun, Mr. Rivière, Sie wollten mit mir reden?“, fragte er, da sein Besucher bisher keine Anstalten machte, etwas zu sagen. Stattdessen musterte er die Küche ausgiebig. „Wie gesagt, das Jugendamt schickt mich. Eigentlich bin ich Streetworker, aber die sind unterbesetzt. Wie lange ist der Junge nun schon bei Ihnen?“, stellte er seine erste Frage. Sebastian überlegte kurz. „Heute ist der vierte Tag. Wenn man den ersten Abend dazu zählt.“ Es wunderte ihn selbst, dass es noch nicht mal eine Woche war. Er hatte sich schon so sehr an Ciels Anwesenheit gewöhnt, er wusste gar nicht mehr, wie es vorher war.

Jack nickte und notierte sich etwas auf einem kleinen Block. „Was haben Sie in der Zeit unternommen?“ Sebastian hob eine Augenbraue und antwortete: „Am ersten Tag hab ich mir einen Kindersitz von einem Freund geliehen, dann sind wir ins Einkaufszentrum gefahren. Kleidung, Spielsachen, was ein Kind eben braucht, kaufen. Gestern hab ich ihn zu einem Kollegen gebracht, für die erste Therapiestunde. Umso früher wir damit anfangen, umso besser.“ Jack nickte leicht und machte sich wieder Notizen. Zwischendurch trank er von seinem Tee, wobei er die Tasse nicht am Griff hielt, sondern mit den Fingerspitzen die Seiten umfasste. „Ein Freund? Oder …“, fragte Jack, wobei die Betonung auf dem ersten Wort lag. „Ein Freund. Wenn Sie es genau wissen wollen, er ist Kinderarzt, glücklich mit seiner Frau verheiratet und sie haben vor zwei Jahren zwei Jungen adoptiert.“ Jack nickte wieder, diesmal ohne sich etwas zu notieren, und stellte die nächste Frage: „Gab es besondere Vorkommnisse?“ Sebastian runzelte die Stirn. Was sollte diese Frage? Dann sagte er: „Ciel hatte vorletzte Nacht einen Asthmaanfall. Ich hab ihn gleich zu eben erwähntem befreundetem Kinderarzt gebracht. Es ist alles in Ordnung. Er hat Medikamente bekommen und sonst geht es ihm gut.“ „Und was haben Sie heute vor?“, fragte Jack. „Da wir erst aufgestanden sind, habe ich noch keine Pläne gemacht.“ „Gehen Sie so spät ins Bett, dass sie erst mittags aufstehen?“, fragte Jack misstrauisch. Sebastian lächelte neutral und wandte sich an den Kleinsten am Tisch: „Ciel, wärst du so lieb und ziehst dich schon mal an? Ich möchte mit Mr. Rivière kurz allein sprechen.“ Der Angesprochene nickte, stand auf und verließ die Küche.

Sebastian sah ihn ernst an: „Wir haben gestern Abend einen Film geschaut, mit einem Clownfisch, dessen Mutter am Anfang gestorben ist. Ciel ist in Tränen ausgebrochen und wollte sich nicht mehr beruhigen. In der Nacht hatte er einen Albtraum und hat die halbe Nacht geweint, daher ist es recht spät geworden. Ich achte darauf, dass er einen geregelten Tagesablauf hat und früh ins Bett geht.“ „Wo schläft er?“ „Bei mir im Bett. Erst wollte ich ihn allein im Wohnzimmer schlafen lassen, aber er hat Angst allein im Dunkeln und Albträume.“ Jack nickte wieder und machte sich Notizen. „Kann ich mich hier umsehen?“ „Wozu?“, war Sebastians berechtigte Frage. „Ich gehe davon aus, dass Sie den Jungen behalten wollen. Im Falle einer Adoption muss ich auch die Wohnung prüfen. Unangemeldet, versteht sich. Da Sie jetzt vorgewarnt sind, will ich sehen, wie es hier aussieht, wenn Sie nicht vorbereitet sind.“ „Tun Sie sich keinen Zwang an“, sagte Sebastian und fügte mit einem nichtssagenden Lächeln hinzu, „aber hinterlassen Sie alles so, wie Sie es vorgefunden haben.“ Jack hob eine schmale Augenbraue und stand auf. „Natürlich.“ In diesem Moment kam Ciel zurück, fertig angezogen.
 

Als Jack fertig war, waren sie mit dem Frühstück fertig und die Küche wieder aufgeräumt. „Sieht alles gut aus, soweit. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Sie heute gerne begleiten.“ „Wenn Sie möchten“, sagte Sebastian schulterzuckend und wandte sich dann an Ciel: „Hast du auf etwas Bestimmtes Lust?“ Er erhielt ein Kopfschütteln als Antwort. Sebastian überlegte kurz und warf einen Blick nach draußen. Dann sagte er lächelnd: „Wie wäre es, wenn wir in den Zoo gehen? Das Wetter ist heute besonders schön.“ Leuchtend blaue Augen strahlten ihn an und Ciel nickte begeistert. „Okay, dann mach ich uns noch einen Picknickkorb“, sagte er lächelnd. „Mr. Rivière möchte sich noch mit dir unterhalten. Ihr könnt so lange ins Wohnzimmer gehen, okay?“ Der Junge warf einen Blick zu Jack und nickte dann zögerlich. „Keine Sorge, er beißt nicht“, sagte Sebastian lächelnd, dann öffnete er wieder die Kühlschranktür.

Im Wohnzimmer setzten sie sich auf das große Sofa. „Also Ciel, gefällt es dir bei Sebastian?“ Der Junge nickte und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. „Er behandelt dich gut?“ Wieder ein Nicken. „Möchtest du bei ihm bleiben? Du kannst ruhig über deine Antwort nachdenken.“ „Ich will bei Sebastian bleiben“, sagte Ciel, ohne zu überlegen, und schaute Jack ernst an.
 

Nach einiger Zeit betrat Sebastian das Wohnzimmer. Ciel und Jack setzten gemeinsam ein Puzzle auf dem Wohnzimmertisch zusammen. Der Junge erzählte gerade, dass Sebastians Essen das Beste sei, das er bisher gegessen hatte. Dieser kam nicht umhin, ein wenig stolz zu sein. „Von mir aus können wir gehen“, sagte er und machte damit auf sich aufmerksam. Ciel öffnete schon die Schachtel für das unfertige Puzzle, um es wegzuräumen, doch Sebastian winkte ab: „Du kannst es später oder morgen fertig machen, wenn du willst.“ Der Angesprochene nickte und legte die Schachtel wieder zur Seite.

Im Flur zogen sie sich die Schuhe an, Sebastian band Ciels Schnürsenkel, dann nahm er den mit Essen und Trinken gefüllten Rucksack und sie verließen die Wohnung. Jack rief den Fahrstuhl, während der Größere die Wohnung abschloss. „Wir können meinen Wagen nehmen“, sagte Sebastian, nachdem sie den Aufzug betreten hatten. „Okay.“ Das war Jack nur recht, schließlich war er mit der Bahn gekommen. Er hatte kein Auto, da die Parkgebühren in der Stadt hoch waren und mit der Bahn fahren, auch wenn er es nicht gerne tat, war wesentlich billiger. Die Unterhaltung eines Autos nicht zu vergessen.

Die Fahrt in die Tiefgarage verlief schweigend. Kaum hatte der Fahrstuhl mit einem leisen ‚Ping‘ angekündigt, dass sie im gewünschten Stockwerk angekommen waren, öffneten sich die Türen und die drei betraten die kühle Tiefgarage. Ciel ging zielstrebig zu seinem schwarzen Sportwagen. Jack hob eine Augenbraue, als er das Auto sah. Der wollte doch jetzt nicht wirklich zu dritt mit einem Zweisitzer fahren? Als Sebastian das sah, lachte er leise: „Ciel warte, wir fahren mit einem anderen Auto. Sonst müsste Mr. Rivière im Kofferraum sitzen“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu und steuerte auf einen Parkplatz etwas weiter hinten zu.
 

Jack war wirklich neugierig, mit welchem Auto sie dann fahren würden. Sebastian betätigte die Funkfernbedienung und der andere hob überrascht beide Augenbrauen. Dort stand ein kleines, weißes Stadtauto. Ciel folgte ihnen neugierig. Am Auto angekommen öffnete Sebastian die Beifahrertür und winkte den Jungen zu sich, damit er ihn in den Kindersitz, den er zuvor schon von seinem Sportwagen geholt und in das Auto eingebaut hatte, setzen und anschnallen konnte. Danach klappte er die Lehne des Beifahrersitzes wieder nach hinten, achtete aber darauf, dass Ciel noch genug Platz hatte, dann sagte er: „Mr. Rivière, Sie können einsteigen.“ Dieser kam der Aufforderung schweigend nach. Währenddessen umrundete Sebastian das kleine Auto, stellte den Rucksack in den kleinen Kofferraum und stieg anschließend auf der Fahrerseite ein. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, startete den Motor und parkte aus. Die Stille zwischen Ihnen wurde von der leisen Musik, die aus dem Radio drang, unterbrochen.

Die Fahrt zum Zoo dauerte nicht lange. Da es mitten an einem Wochentag war, waren die Straßen verhältnismäßig frei. Kaum hatte Sebastian geparkt, schnallte Ciel sich auch schon ab und konnte es kaum erwarten, aus dem Auto zu kommen. Jack stieg aus und klappte die Lehne seines Sitzes nach vorne, damit der Junge aussteigen konnte. Er kletterte aus dem Wagen und schaute sich neugierig mit großen Augen um. Sebastian derweil hatte den Rucksack aus dem Kofferraum geholt. „Komm Ciel, da drüben ist der Eingang.“ Der Angesprochene kam direkt zu ihm und ergriff die Hand des Größeren, als wäre es das Normalste der Welt. Schweigend wurden sie dabei von dunkelblauen Augen beobachtet.
 

Da Ciel erst vier Jahre alt war, durfte er noch kostenlos rein. Sebastian zahlte den Eintritt für sich und für Jack, obwohl dieser protestierte. „Sie machen nur Ihren Job, sonst wären Sie jetzt gar nicht hier.“ Damit war das Thema beendet. Der Kleinere vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. Eigentlich konnte es ihm nur recht sein. Auch wenn der Eintritt nicht der Rede wert war, er sparte trotzdem, wo es nur ging. Als Streetworker verdiente man nun mal nicht sonderlich gut, aber er mochte seinen Job. Was blieb ihm auch groß übrig? Er hatte mit 16 Jahren sein zu Hause und die Schule mit einem mittelmäßigen Abschluss verlassen. Von da an hatte er sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen, bei Freunden oder auf der Straße geschlafen. Es war keine schöne Zeit, doch nach zwei Jahren hatte ihn ein Streetworker aufgegabelt und auf den rechten Weg zurück gebracht. Jack war diesem Mann heute noch dankbar und dieser war auch der Grund, wieso er Streetworker geworden war. Er wollte das Gute, das ihm widerfahren ist, auch anderen zuteilwerden lassen. Wer hätte je gedacht, dass er einmal die soziale Schiene fahren würde?

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Ciel auf eine hochschwangere Frau zeigte und, plötzlich gar nicht mehr so ruhig und schüchtern, sagte: „Schau mal, Sebastian! Die Frau wurde von einer Biene in den Bauch gestochen!“ Der Angesprochene musste sich schwer ein Lachen verkneifen und entschuldigte sich bei der Frau, die aber nur lächelnd abwinkte und sagte: „Schon gut. Er hat es schließlich nicht böse gemeint.“ „Ciel, so etwas kannst du doch nicht einfach sagen!“, sagte Sebastian und versuchte dabei ernst zu schauen, was ihm aber nicht so recht gelang. Jack war ihm auch keine Hilfe, da dieser leise lachte. „Aber das stimmt doch“, protestierte der Junge und schien davon überzeugt zu sein. „Wer hat dir das denn erzählt?“, fragte Sebastian. „Niemand. Ich hab mal gesehen wie ein Kind von einer Biene gestochen wurde und das hatte dann eine ganz dicke Backe.“ Ciel lachte leise bei der Erinnerung und Sebastian wurde es ganz warm ums Herz. Er hätte nie gedacht, dass ein Kinderlachen so schön sein konnte.

„Die Frau wurde aber nicht von einer Biene gestochen“, sagte Jack plötzlich und wurde aus großen, blauen Augen angeschaut. „Ist sie etwa krank?“, fragte Ciel erschrocken. „Nein, wenn eine Frau schwanger ist, ist sie nicht krank“, erklärte Sebastian und bereute diese Antwort kurz darauf, da schon die nächste Frage kam. „Was heißt schwanger?“ „Sie bekommt ein Baby.“ Nun wurde er aus großen, blauen Augen ungläubig angeschaut. „Aber die Babys bringt doch der Storch! Wieso hat die Frau es dann?“ „Äh …“, machte Sebastian ratlos und warf Jack, der ihm das eingebrockt hatte und nun leise lachte, einen bösen Blick zu. „Das … erklär ich dir, wenn du älter bist“, sagte er ausweichend. Seit wann war Ciel so gesprächig? Bisher hatte er kaum etwas gesagt. Aber wenn Sebastian ehrlich zu sich selbst war, gefiel er ihm so besser. Er sollte sich seinem Alter entsprechend verhalten und nicht an sein Trauma denken. Vielleicht hatte das, was in der Nacht passiert war, Ciel geholfen, sich mehr zu öffnen.

Damit hatte Sebastian teilweise recht. Ein anderer Grund war, dass Ciel bei ihm bleiben wollte. Er verstand zwar nicht genau wer dieser Jack war und was er wollte, aber er konnte dafür sorgen, dass er nicht bei Sebastian bleiben konnte. Deswegen wollte Ciel sich Mühe geben, ein guter Junge zu sein. Er fühlte sich bei ihm wohl und er konnte wirklich gut kochen.



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