Das Bluterbe der Youkaifürsten von Weissquell (Fortsetzung zu "Die Blutfehde der Youkaifürsten") ================================================================================ Kapitel 42: An der Grenze zum Süden ----------------------------------- Ein wenig ungelenk kraxelt Kamukiku über die Felsen des Bergkamms und nun hört man die alte Dame auch vernehmlich Schnaufen. Inu Yasha und Kagome ist es fast schon unangenehm, denn sie wissen die alte Hündin verausgabt sich nur ihretwegen so. „Ist es noch weit?“, fragt Kagome besorgt. Ihr behagt das Hecheln der greisen Youkai gar nicht. „Nicht sehr“, schnauft Kamukiku und zieht sich an einem weiteren Felsen hoch. Fast haben sie die Spitze des Steilwand erreicht. „Hinter dem Bergmassiv liegt der Grenzwald.“ Von Felsvorsprung zu Felsvorsprung springt sie und immer höher gelangen sie dabei. Schließlich haben sie den Bergkamm erreicht. Von hier aus fällt ihr Blick auf eine weite, strauchbewachsene Ebene, die jedoch in der Ferne von einem Meer aus Bäumen begrenzt wird. Die Vegetation er Ebene sieht ziemlich vertrocknet aus. Vereinzelte Bäume ragen hier und da auf, doch im Grunde wirkt die Gegend ziemlich karg. „Ah!“, brummt Kamukiku entspannt. „Sie haben es noch nicht wieder getan.“ „Was haben sie nicht getan?“, fragt Kagome. „Etwa alle zehn Jahre“, erklärt Kamukiku, „brennen sie die gesamte Ebene nieder. Ich nehme an um die Deckung zu zerstören, damit sich niemand unbemerkt anschleichen kann. Es müsste bald wieder soweit sein. Aber für gewöhnlich tun sie das nur im Frühsommer, wir sollten also sicher sein.“ „Warum nur im Frühsommer?“, wundert sich Kagome. „Weil im Herbst die ganze Ebene voller Higanbana ist“, erklärt Kamukiku. „Ich nehme an sie mögen die rote Spinnenlilie und wollen sie nicht zerstören.“ Dann macht sie sich an den Abstieg. Hüpfend und schlitternd nähern sie sich dem Bergesfuß. Schließlich haben sie wieder festen Boden unter den Füßen. Gemächlich trottet die große Hündin nun auf die Ebene zu. Eine Weile reiten Kagome und Inu Yasha schweigend vor sich hin. Schließlich fragt Kagome: „Was meinst du wie die Leute vom Südclan so sind, Inu Yasha.“ Man kann hören, dass doch leichte Bedenken in ihren Worten mitschwingen. „Wenn man den Erzählungen glauben darf, sehr wild, brutal und gnadenlos“, meint Inu Yasha. „Wilde Bestien, die Spaß daran haben dich so schnell wie möglich zu erledigen.“ Nachdenklich blickt Kagome drein: „Ob das tatsächlich so ist?“ „Warum sollte es nicht so sein?“, fragt Inu Yasha zurück. „Immerhin haben sie noch keinen am Leben gelassen. Ich finde das ist ein ziemlich deutlicher Beweis. Das sagen doch sogar die Legenden. “ „Ja, aber sagen sie das wirklich?“, überlegt Kagome. „Ich meine, sie gehen ja ganz offenbar nach Plan vor. Sie patrouillieren regelmäßig, sie greifen rasch und gezielt an und halten sich ansonsten verborgen. Sie verbrennen sogar in regelmäßigen Abständen den Sichtschutz ihrer Gegner und offenbar haben sie auch einen Sinn für Schöngeist. Meinst du nicht, sie könnten genau so kultiviert wie die anderen Clans sein?“ „Hältst du es für kultiviert jeden Eindringling ob Freund oder Feind einfach abzuschlachten? Ohne Gnade und ohne ihn überhaupt anzuhören?“, wundert sich Inu Yasha. „Vielleicht sind ja einfach alle anderen für sie Feinde“, meint Kagome. „Das sag ich doch“, entgegnet Inu Yasha. „So meine ich das nicht. Sie kennen eben die anderen Clans nicht. Vielleicht sehen sie die Dinge einfach etwas anders als wir. Aus ihrer Sicht dringen die anderen ohne Erlaubnis in ihr Revier ein. Ist es dann nicht klar, dass sie kurzen Prozess mit ihnen machen, wenn sie niemanden da haben wollen?“ Inu Yasha verdreht die Augen. „Fängst du schon wieder an gefährliche Bestien in Schutz zu nehmen? Das hatten wir schon so oft, und das ging immer wieder in die Hose.“ „Und mindestens genau so oft, hat sich mein Gefühl hinterher als richtig erwiesen und wir haben wertvolle Verbündete gefunden“, verteidigt sich Kagome. „Weißt du nicht mehr? Miroku, Sango, Shippo, Jinenji, Shiori...“, zählt Kagome auf, „Kouga...“ „Moment, Kouga?“, unterbricht Inu Yasha empört. „Der Kerl hat dich entführt und versucht dir bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu nahe zu treten. Und immer wenn man ihn mal brauchen kann, haut er ab. Von wegen wertvolle Verbündeter!“ „Wer hat mich vorhin noch gebeten mit ihm zu reden um ihn für unsere Seite zu gewinnen, hmmm?“, gibt Kagome zynisch zurück. „So ein schlechter Verbündeter ist er dann wohl doch nicht, was?“ Inu Yasha hält kurz mürrisch inne, dann meint er: „Ok, der Punkt geht an dich. Das bedeutet aber nicht, dass ich ihn mag.“ „Du musst ihn auch nicht mögen“, lenkt Kagome ein. „Aber meistens hast du doch ein gutes Gespür wem du trauen kannst und wem nicht. Es geht schließlich darum, dass wir uns gegen Katsuken verbünden, und genau deshalb sind wir doch jetzt hier.“ In diesem Moment bleibt Kamukiku stehen. Der düstere Wald vor ihnen ist nur noch etwa zwanzig Meter entfernt. „Wir sind da“, meint sie und lässt sich dann auf alle Viere herab. Ein wenig beklommen rutscht Inu Yasha jetzt von ihrem Rücken herunter, Kagome folgt ihm direkt nach. Unsicher macht er ein paar Schritte auf den Wald zu und mustert die Baumgrenze eingehend. Wie es aussieht ist die Galgenfrist jetzt vorbei und es wird ernst. Dies ist der Moment auf den sie gewartet haben, aber von herbeisehnen kann eher nicht die Rede sein. Zögernd tritt er etwas dichter heran. Ein leichter Wind streicht über die Ebene, aber ansonsten herrscht Totenstille. Kagome ist neben ihn getreten und fasst jetzt aufmunternd seine Hand. Langsam gehen sie gemeinsam auf die Bäume zu. Wachsam sind Inu Yashas Ohren aufgestellt, doch zu hören ist nichts. „Riechst du etwas?“, wispert Kagome neben ihm. Ihr Herz schlägt ihr bis zum Hals. Prüfend hebt er die Nase in die Luft. Er nimmt viele neue Gerüche wahr und einige davon sind ihm gänzlich unbekannt, aber dennoch haftet ihnen eine Nuance an die ihm irgendwie vertraut vorkommt. Könnten das die Youkai aus dem Süden sein? „Ich bin nicht sicher“, gibt er zu. An die alte Hündin gerichtet ruft er halblaut: „Glaubst du, sie sind in der Nähe, Kamukiku-baba?“ Die greise Youkai kratzt sich gerade hinter dem Ohr. „Oh, sie sind mit Sicherheit hier. Und bestimmt beobachten sie euch bereits. Nur zu! Mal sehen ob ihr es schafft zu überleben.“ Sie grinst wieder eine Spur zu selbstzufrieden. Auch Inu Yashas Herz klopft. Was soll er nun tun? Soll er einfach reingehen? Sollte er Tessaiga ziehen um Stärke zu demonstrieren oder lieber nicht um ihre friedlichen Absichten zu verdeutlichen? Eine Weile überlegt er noch hin und her, dann lässt er Kagomes Hand los. So beherzt wie möglich baut er sich vor der Baumgrenze auf und reckt das Kinn. „Mein Name ist Inu Yasha!“, verkündet er mit lauter Stimme. „Ich bin der amtierende Fürst der Inuyoukai des Westens. Ich bin gekommen weil wir eure Hilfe im Kampf gegen einen übermächtigen Feind brauchen.“ Hier hält er erst mal inne und lauscht auf eine Reaktion, doch kein Lüftchen regt sich. Alles bleibt still. „Sein Name ist Katsuken“, versucht er es erneut. „Oder auch Sesshomaru. Wir wissen von der Prophezeiung. Wir wollen versuchen die Clans zu vereinen um ihn gemeinsam zu bekämpfen.“ Noch immer herrscht Stille. „Dürfen wir euer Reich betreten damit wir darüber reden können?“, er hat wenig Hoffnung, dass er diesmal eine Antwort erhält, und er soll Recht behalten. Noch immer rührt sich nichts zwischen den Bäumen. Kein Laut ist zu hören, selbst die normalen Geräusche der Natur scheinen verstummt zu sein. „Ich glaube du hast ihre Aufmerksamkeit, kleiner Prinz“, bemerkt Kamukiku gelassen hinter ihnen. „Wie kommst du darauf?“, fragt Inu Yasha zurück. „Jedes Mal kurz nachdem wieder ein Draufgänger die Grenze überquert hat, wird es so unnatürlich still. Wie ein Raubtier vor dem Sprung.“ Ihr Grinsen wird breiter. „Na wunderbar!“, murmelt Inu Yasha bei sich und wendet sich wieder dem Wald zu. Aber Kamukiku hat Recht diese Stille ist nicht natürlich. Er blickt zu Kagome hinüber; die junge Frau wirkt etwas blass, aber sie sieht entschlossen aus. Leicht nickt sie ihm zu. Nun wendet er sich wieder den Bäumen zu: „Es ist sehr wichtig, dass wir miteinander reden. Wir werden jetzt reinkommen. Wir wollen nur reden, über die Prophezeiung, ja?“ Dann fasst er sich ein Herz und macht einen Schritt auf den Wald zu. Kagome tut es ihm gleich. Dann noch einen und nun gehen sie langsam mit klopfendem Herzen weiter auf die Baumreihe zu bis sie zwischen den ersten Bäumen hindurchtreten und in den Wald eindringen. Kagome schluckt schwer und das Herz sackt ihr in die Hose. Jetzt auf einmal spürt sie es, die Auren mehrerer Youkai, und die drückende Atmosphäre die hier herrscht, schnürt ihr regelrecht die Luft ab. Sie kann nicht genau sagen von wo sie es spürt, denn im Grunde kommt es aus allen Richtungen gleichzeitig, was nicht gerade ein Grund ist sich zu entspannen. Wachsam blickt sie sich um. Kaum ein Lüftchen weht und wenn man den Wald genauer betrachtet, scheint er schon sehr alt zu sein. Die Bäume sind hoch und dick und überall mit Moos bewachsen, so wie der meiste Teil des Bodens. Wege oder Breschen sind nicht zu erkennen und die Luft ist kühl und feucht. An vielen Stellen liegen umgestürzte Bäume und Laub herum und es herrscht ein Geruch von Humus und Pilzen; was für ein Unterschied zu der Ebene davor. Vorsichtig gehen Inu Yasha und Kagome weiter. An vielen Stellen ist das Unterholz so dicht, dass man kaum hindurchspähen kann. Das bietet natürlich reichlich Gelegenheit für einen Hinterhalt. Doch noch immer ist kaum ein Laut zu hören. Besorgt blickt Kagome sich um, der Rand des Waldes liegt schon ein ganzes Stück hinter ihnen. Ihr Herz schlägt bis zum Hals, doch sie versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Fast wünscht sie sich schon, dass endlich etwas passiert. Diese Spannung ist kaum zum Aushalten und noch immer spürt sie die düsteren Auren um sich her, auch wenn noch immer nichts zu sehen ist. Jedes Mal wenn unter ihren Füßen ein Zweig zerbricht, fährt sie zusammen und auch Inu Yashas Ohren zucken dann leicht. Der Hanyou ist höchst angespannt. Wachsam durchforschen seine Augen das diffuse Licht unter dem Blätterdach. Es kostet ihn alle Überwindung Tessaiga in seiner Scheide zu lassen. Mit dem Schwert in der Hand fühlt er sich einfach sicherer, doch gerade jetzt versucht er ja zu zeigen, dass er in friedlicher Absicht kommt. Da wäre es unvorteilhaft mit gezogenem Schwert herumzulaufen. Aber viel fehlt nicht mehr. Das Gefühl, dass er beobachtet wird ist fast übermächtig und er hegt keinen Zweifel daran, dass die Youkai vom Südclan in der Nähe sind. Nun kommen sie langsam zu einem Bereich wo das Unterholz abnimmt. Man kann jetzt ein wenig weiter in den Wald hineinsehen, doch die Baumgegend setzt sich auch in der Ferne noch fort. Kein Ende ist in Sicht. Doch urplötzlich stellen sich bei Inu Yasha die Nackenhaare auf und Kagome bekommt eine Gänsehaut. Direkt hinter ihnen vernehmen sie nun ein leises Rasseln wie ein tiefes Grollen aus einer großen Kehle und ein warmer, muffiger Atem bläst ihnen ins Kreuz. Langsam gehen ihre Köpfe herum. Was sie sehen, lässt Kagome unwillkürlich alle Farbe aus dem Gesicht weichen. Direkt hinter ihnen, kaum mehr einen Schritt entfernt steht ein großer, pechschwarzer Hund. Er hat lange schmale Beine und eine Schulterhöhe von gut drei Schritt. Sein Fell ist zottig und seine großen Augen funkeln gefährlich in einer tiefroten Farbe. Am beängstigsten ist jedoch sein Maul. Seine Lefzen sind grimmig hochgezogen, seine gewaltige Schnauze ist wütend gekräuselt und entblößt lange, messerscharfe Zähne. Dabei ist nun unablässig ein tiefes Grollen zu hören, dass von tödlichen Absichten zeugt. Kagome werden die Knie weich. Sie ist wie erstarrt aus Angst die schaurige Bestie in irgendeiner Form zu provozieren. Der gewaltige Hund müsste lediglich einmal zuschnappen und könnte ihr sofort den Kopf von den Schultern trennen. Offenbar müssen sie die Inuyoukai des Südens nicht länger suchen, denn diese haben sie gefunden. Gerade jetzt stehen urplötzlich wie aus dem Nichts noch sieben andere Dämonenhunde um sie her mit genau dem gleichen wütenden Blick und lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie hoffnungslos umstellt sind. Fast alle haben eine schwarze Fellfarbe, von der sich an unterschiedlichen Stellen rote Haarbüschel abzeichnen. Lediglich einer von ihnen hat eine sandhelle Farbe. Doch dem kann Inu Yasha jetzt keine Beachtung schenken. Zunächst muss er einen Weg finden die Situation zu entschärfen, jetzt wo er den Südclan gefunden hat, denn noch immer sehen die Inuyoukai um sie her aus, als wollten sie sie jeden Moment in Stücke reißen. Dass sie es noch nicht getan haben, wertet er als gutes Zeichen. Doch wie soll es jetzt weitergehen? Er kann jetzt nicht wieder kneifen, er muss etwas tun, aber was? Sein Kopf ist wie leergefegt. Er war noch nie der große Redner und gerade fragt er sich ernsthaft wie er auf die schwachsinnige Idee gekommen ist, zwischen den Clans vermitteln zu wollen. Doch dann fasst er sich ein Herz und reckt sich. „Mein Name ist Inu Yasha. Ich bin...“ „Ruhe!“, bellt der gewaltige Hund vor ihnen mit tiefer Stimme so laut, dass ihnen die Ohren klingeln. Kagome fährt leicht zusammen und Inu Yashas Hand zuckt in Tessaigas Richtung. Keinen Moment lässt er den Dämonenhund aus den Augen, doch er zieht es vor, erst mal nichts mehr zu sagen. Nun kommt die Schnauze ganz dicht an Kagome heran und sie kann die Vibrationen des boshaften Grollens schon in ihrer Brust spüren. Dabei versucht sie so reglos stehenzubleiben wie es geht. Das Knurren wird lauter. „Miko!“, klingt es zutiefst angewidert. „Ich sollte dich fressen.“ Ein Ruck geht durch Inu Yashas Körper bei den Worten, doch sofort schwillt das Knurren der umstehenden Hunde deutlich an und ihre Körper zittern vor Anspannung. Jede rasche Bewegung könnte jetzt einen Angriff provozieren. Auf einmal ertönt hinter ihnen ein lautes Kläffen und Inu Yasha wagt es nicht, sich umzudrehen, doch der riesige schwarze Hund vor ihnen duckt sich auf einmal kurz, doch dann setzt das Knurren mit doppelter Lautstärke wieder ein. Er scheint für einen Moment unschlüssig, dann bellt er: „Runter! Sofort!“ Zitternd sinkt Kagome auf die Knie hinunter, ohne jedoch den Dämonenhund aus den Augen zu lassen. Inu Yasha ringt mit sich selbst. Sein Instinkt sagt ihm, er sollte der Aufforderung besser Folge leisten, doch andererseits widerstrebt es ihm sehr sich so unterzuordnen. Es verursacht ihm schon fast greifbaren Widerwillen. Abgesehen davon ist er der Fürst des Westclans. Irgendwie kann er sich nicht vorstellen, dass Sesshomaru auch nur die leichtesten Anstalten machen würde vor diesen Youkai auf die Knie zu geben. Es kostet ihn enorme Überwindung, doch er bleibt stehen und bietet dem schwarzen Hund die Stirn. „Ein Fürst kniet nicht!“, stellt er entschlossen klar. Und plötzlich weichen alle anwesenden Hunde einen halben Schritt zurück und ducken die Köpfe. Vereinzelt ist ein Fiepen zu hören, doch Inu Yasha ist sich ziemlich sicher, dass diese Demutsbekundung nicht ihm gilt. Er kann es in seinem Nacken spüren, jemand nähert sich. Langsam dreht er sich um, obwohl es kein schönes Gefühl ist die mächtigen Zähne des pechschwarzen Hundes direkt hinter sich in seinem Rücken zu wissen. Zwischen den Bäumen erscheint nun eine Person. Es ist eine hochgewachsene, kräftige Frau. Sie hat lange weißblonde Haare und dunkelrote Iriden. Sie trägt einen dunkelgrauen Lederbrustpanzer und um die Hüften einen reich verzierten, wenn auch zerschlissenen Kusazuri-Gürtel, wie ihn die Samurai verwenden. Ihre muskulösen Beine sind bloß und über ihre Füße sind hochschaftige, leicht zerfranste Kogake-Beinschienen gebunden. Ihr rechter Arm ist in eine robuste Kote gehüllt, während die Schulter mit einer schwarz-rot verzierten Sode gerüstet ist. In ihrem Gürtel steckt eine lange Murasame. Mit festem Schritt nähert sie sich und ihre Miene ist ernst. Inu Yasha ist nicht ganz wohl in seiner Haut. Wer immer diese Frau ist, sie ringt den umstehenden Dämonenhunden Respekt ab. Allein das sollte schon Grund zur Sorge geben. Er beschließt erst einmal abzuwarten. Er möchte ungern etwas tun um womöglich doch einen Angriff zu provozieren. Nicht solange Kagomes Leben auf dem Spiel steht. Die Schnauze des schwarzen Hundes ist nun direkt neben ihrem Gesicht und die junge Frau braucht all ihren Mut um nicht noch weiter vor ihm zurückzuweichen. Nun hat die fremde Frau ihn erreicht. Sie ist einen halben Kopf größer als er und mustert ihn und dann Kagome mit durchdringendem Blick. Dann wendete sie sich wieder ihm zu. Ihre Hand fasst nun grob nach seinem Kinn und dreht sein Gesicht unsanft hin und her. Ihre Hände sind warm und schwielig. Abschätzend begutachtet sie ihn von beiden Seiten. Er lässt es widerstandslos mit sich geschehen, begegnet aber weiterhin ihrem Blick. Dann kommt ihr Gesicht dicht an seines und er hört wie sie ihn eingehend beschnuppert. Irgendwie fühlt er sich gerade ein wenig herabgesetzt, so wie damals vor dem Hohen Rat im Osten, nur dass da nicht so unmittelbar über sein Leben befunden wurde. Es wurde lediglich verhandelt ob er hingerichtet werden sollte oder nicht, nicht jedoch ob er gleich an Ort und Stelle mit dem Tod rechnen muss. Wenn man es genau bedenkt, besteht wohl doch kein großer Unterschied zu damals. Schließlich scheint sie ihre Inspektion beendet zu haben. Sie lässt sein Kinn los und tritt einen Schritt zurück. Dann sagt sie: „Du bist kein Inuyoukai, aber nennst dich einen Fürst. Ich gebe dir einmalig Gelegenheit dich zu erklären.“ Ihre Worte klingen tief und kehlig. Das Knurren des schwarzen Hundes wird drohender. „Kazeba, Ihr kennt das Gesetz. Sie müssen sterben. Jetzt!“, ärgerlich tönt die tiefe Stimme des Dämonenhundes zu ihr herüber. Doch nun verzieht sich das Gesicht der fremden Youkai zu einer wilden Fratze und deutlich zeigen sich für einen kurzen Moment animalische Züge darauf ab. Nadelspitze Zähne fletschen ihre Lippen zu einem tödlichen Knurren und ihr ganzer Körper ist angespannt. Ein kurzes scharfes Kläffen entfährt dem unmenschlichen Gesicht und der schwarze Hund duckt sich widerstrebend. Dann kehrt die Youkai zu ihrem menschlichen Aussehen zurück. Noch immer liegt deutlicher Grimm in ihrer Miene. „Widersprich nicht!“, blafft sie den Anderen ungehalten an. Dann ruckt ihr Blick wieder zu Inu Yasha. „Nun?“, fragt sie streng. Inu Yasha kommt ein wenig ins Schwimmen. Wo soll er da beginnen? „Das ist eine wirklich lange Geschichte“, antwortet er ein wenig resigniert. Nun schnellt ihr Gesicht wieder vor und ihre Nase berührt fast die von Inu Yasha. Zornige rote Augen funkeln ihn an. „Du lebst nur deshalb noch, Hanyou, weil du kein reines Blut hast“, grollt sie leise. „Warum sollte einer wie du Fürst der Anderen sein? Erkläre dich, schnell!“ Das letzte Wort klingt fast wie ein Bellen. Inu Yasha läuft es kalt den Rücken herunter. Seine Gedanken rasen. Wie soll er das so schnell erklären? Diese Inuyoukai sind nicht gerade geduldig und so wie es aussieht sind sie auch keine Freunde vieler Worte. Er überlegt fieberhaft, dann sagt er: „Mein Vater war der Fürst des Westclans.“ Mit unveränderter Miene hält die kräftige Youkaifrau ihn mit ihren Blicken gefangen. Sie scheint seine Antwort abzuwägen. Schließlich sagt sie wachsam: „Weiter!“ Inu Yasha begreift, dass es wohl das Beste ist, die Sachlage in kleinen Häppchen darzulegen. „Im Augenblick vertrete ich meinen älteren Bruder. Er ist in einer wichtigen Mission unterwegs.“ Wieder überlegt die Youkai eine ganze Weile. Schließlich sagt sie: „Ihr dürft nicht hier sein. Wir werden euch töten müssen.“ Sofort schwillt das Knurren der Riesenhunde wieder an und Inu Yashas Hand geht entschlossen zu seinem Schwertgriff, jedoch noch immer ohne es zu ziehen. „Davon würde ich euch abraten, wenn ihr nicht sterben wollt“, sagt er düster. „Und im Grunde wollen wir auch gar nicht hier sein, aber wir müssen! Es geht um eine Prophezeiung. Vielleicht habt ihr schon davon gehört.“ Die Hand der Youkaifrau schwebt unheilverkündend in der Luft aber sie hat noch nicht das Kommando zum Angriff gegeben, obgleich jeder der umstehenden Hunde bereits bis aufs Äußerste gespannt ist, loszustürmen. Einen langen Moment hängt die Spannung in der Luft. Dann sagt sie unwirsch: „Ihr gehört zu der Alten Frau. Sie hat euch hergeführt. Um was zu tun?“ Inu Yasha ist höchst wachsam. Er versucht jeden der Hunde im Auge zu behalten, was schwierig ist, da sie von ihnen umringt sind. Ihm wäre es lieber dieses Gespräch in aller Ruhe führen zu können, doch das ist ihm wohl nicht vergönnt. „Wir wollen den Südclan der Inuyoukai bitten sich uns wieder anzuschließen, damit wir gemeinsam einen mächtigen Youkai namens Katsuken besiegen können.“ Wieder vergeht ein langer Moment in dem die Frau keinen Ton von sich gibt. Nur ihr Gesicht ist einem regen Mienenspiel unterworfen. Offenbar versucht sie gerade eine schwere Entscheidung zu treffen. „Beschreib ihn!“, fordert sie schließlich barsch. Inu Yasha atmet innerlich auf. Scheinbar hat er ihnen gerade etwas mehr Zeit erkauft. Wenn das so weitergeht, besteht vielleicht doch die Chance, dass sie mit dem Leben davon kommen. „Zuerst war er ein Knabe“, gibt Inu Yasha Auskunft. „Aber dann hat er angefangen Menschen und Youkai zu fressen und ist mit der Zeit immer mehr herangewachsen. Er hat schwarze Haare und rote Augen und sieht ansonsten ziemlich blass aus. In seiner wahren Form ist er ein riesiger schwarzer Hund und ich meine wirklich riesig! Bestimmt doppelt so hoch wie die Bäume hier. Und er kann Feuer speien und so ziemlich jede Attacke mit der man ihn angreift steckt er weg wie nix!“ Ohne dass er es merkt, nimmt sein Reden Fahrt auf. „Er hat ein ganzes Menschenheer gefressen und den Nordclan mal so eben um die Hälfte reduziert. Er hat meinen Bruder schwer verletzt und die Fürstin des Nordens fast getötet und wer weiß, was er sonst noch vor hat. Wir können ihn nicht einfach weiter schalten und walten lassen wie er will. Aber wir brauchen eure Hilfe dafür. Vielleicht können wir...“ „Stopp!“, unterbricht die Youkaifrau ihn harsch. Bei Inu Yashas Redeschwall sind ihre Augenbrauen verwundert immer weiter nach oben gewandert und ein irritierter Zug liegt nun auf ihrem Gesicht. Ihre Kiefer mahlen angestrengt hin und her. Dann fällt ihr Blick auf Kagome. „Warum hast du eine Miko mitgebracht?“, fragt sie verächtlich. „Verbündest du dich mit dem Feind, aus Angst wir könnten deiner Geschichte keinen Glauben schenken? Ist es weil du schwach bist, Hanyou?“ Nun zieht sich auch Inu Yashas Miene zu. „Kagome ist kein Feind!“, stell er resolut klar. „Sie ist meine Freundin. Wir haben schon viel zusammen durchgestanden und ich werde jeden in Stücke hacken, der ihr etwas antut. War das deutlich?“ Finster starrt er die Frau an. Die weißblonde Youkai mustert ihn aus zusammengekniffenen Augen. Dann schließlich gibt sie dem schwarzen Hund hinter ihnen mit einem kurzen Kinnrucken ein Zeichen und sogleich macht dieser noch immer knurrend ein paar Schritte rückwärts. Kagome atmet erleichtert auf. Sie ist dankbar, dass sie bereits kniet, denn ihre Beine würden sie im Augenblick sicher nicht tragen. Nun wendet sich die Frau wieder an Inu Yasha. „Niemals zuvor hat einer von den Anderen solange auf unserem Grund und Boden überlebt.“, sagt sie ernst. „Der einzige Grund warum ihr noch lebt ist, dass eure Geschichten überprüft werden muss. So will es das Gesetz.“ Ein scharfer Blick geht in die Runde und nun verstummen die Hunde einer nach dem anderen. „Ich weiß nicht, wie ich euch beweisen soll, dass es stimmt“, wendet Inu Yasha ein. „Wenn ihr euch den Kerl nicht mit eigenen Augen ansehen wollt, kann ich euch höchstens mein Wort geben.“ „Nicht du entscheidest, ob deine Geschichte stimmt“, entgegnet sie streng. „Sowenig wie ich. Ihr werdet beide mit mir kommen!“ Doch nun tritt der große, schwarze Hund zu ihr hinüber und baut sich vor ihr auf. „Ihr nehmt sie mit?“, fragt er aufgebracht. „Das ist streng verboten, dass wisst Ihr, Kazeba!“ Nun wendet sich die hochgewachsene Youkai zu ihm um und taxiert ihn mit einem stechenden Blick. „Belehre mich nicht!“, sagt sie gefährlich. „Ich werde das nicht zulassen!“, stellt der große Hund mit einem Grollen klar. Langsam kommt die Youkaifrau auf ihn zu. „Drohst du mir, Houbou?“, kommt es leise von ihr und in jeder Silbe schwingt unmittelbare Gefahr mit. Jetzt steht sie direkt vor ihm und seine wütend gebleckte Schnauze ist nur noch eine Handbreit von ihr entfernt. Intensiv halten sich die beiden mit ihren Augen gefangen. Dann plötzlich streckt die Youkai eine Hand aus und demonstrativ packt sie einmal kurz und kräftig in das Kinnfell des Dämonenhundes. Und sofort ist der Widerstand gebrochen. Der große Hund senkt ergeben den Kopf und zieht den Schwanz ein, ebenso wie im selben Moment auch die restlichen Hunde. Ängstliches Fiepen ist zu hören und Inu Yasha spürt, wie ihm augenblicklich ein gruseliger Schauer über den Rücken läuft. Für einen kurzen Moment werden ihm die Knie weich und die Farbe weicht ihm aus dem Gesicht. Und ihm wird bewusst, dass er dieses Gefühl schon einmal erlebt hat. Gestern erst, nämlich als er Katsuken gegenüberstand. Es ist ein Gefühl der völligen Unterlegenheit und es zwingt einen dazu sich dem anderen bedingungslos unterzuordnen. Allerdings fühlt es sich hier doch ein wenig anders an, doch er kann nicht ganz einordnen inwiefern. Doch weiter kommt er nicht in seinen Gedanken, denn nun wendet sich die Youkai wieder zu ihnen um. „Ich werde euch nun mit mir nehmen. Wenn ihr auch nur irgendetwas tut was mir verdächtig erscheint, werde ich euch töten!“ Langsam und einvernehmlich nicken Inu Yasha und Kagome. Wie auf ein unsichtbares Zeichen entspannen sich die umstehenden Hunde und tapsen nun gelassen an den beiden vorbei, als wären sie vollkommen uninteressant. Noch einmal richtet sich die Frau an die Dämonenhunde. „Ihr bewacht weiter die Grenze. Vielleicht sind noch mehr von ihnen hier. Lasst niemanden sonst herein! Ich bringe sie zur Zitadelle.“ Ein kurzes Schnaufen ist die Antwort, doch dann trollen sich die riesigen Hunde und sind schon Momente später nicht mehr zu sehen. Ein wenig verlassen kommen sich Inu Yasha und Kagome schon vor, jetzt wo sie ganz alleine mit der Youkaifrau vom Südclan sind. Irgendwie haben sie nicht den Eindruck, als wären sie jetzt weniger in Gefahr. Nun wendet sich die Dämonin ihnen wieder zu. Ihre Miene ist düster. „Ihr folgt!“, ist das scharfe Kommando, dann stapft sie mit großen, festen Schritten los. Was bleibt Inu Yasha und Kagome anderes übrig als ihr hinterherzugehen, was allerdings gar nicht so einfach ist, da die Frau einen recht forschen Schritt an den Tag legt, trotz des unwegsamen Geländes. Die beiden haben alle Mühe den Anschluss nicht zu verlieren. Schon nach kurzer Zeit ist Kagome gehörig am Schnaufen. „Würdet Ihr uns sagen wie Ihr heißt?“, versucht Inu Yasha es aufs Neue. Dieser stumme Marschschritt ist nicht sehr nach seinem Geschmack. „Kazaba war es, ja?“ „Ihr nennt mich nicht Kazeba“, sagt die Youkai ohne sich umzudrehen. Inu Yasha verzieht das Gesicht. Jetzt ist er auch nicht schlauer. „Mein Name ist Inu Yasha und dies ist Kagome“, versucht er das Gespräch fortzuführen, obwohl ihm von dem Gewaltmarsch auch bereits wieder die Muskeln und Knochen schmerzen. „Du nanntest deinen Namen bereits zweimal“, erwidert sie knapp und ignoriert Kagome dabei vollkommen. Inu Yasha allerdings nicht. Schon jetzt ist Kagome ziemlich außer Atem und er muss nicht lange überlegen, sondern nimmt sie kurzerhand auf seinen Rücken. Er spürt wie heftig ihr Herz pocht und wie zittrig ihre Arme sich um ihn schließen. Innerlich seufzt er schwer. Warum nur hat er sie mitgenommen? Wieso ist sie nur immer so wild darauf sich in Gefahr zu stürzen? Das hier ist gerade noch mal gut gegangen und sie sind noch lange nicht in Sicherheit. „Wo bringt Ihr uns hin?“, fragt er erneut. „Zur Zitadelle“, kommt es gereizt. „Das sagte ich bereits. Du scheinst mir nicht sehr klug, Hanyou.“ Verstimmt zieht Inu Yasha eine Schnute. Muss er sich so etwas sagen lassen? „Und was genau ist die Zitadelle?“, hakt er nach. „Unsere Heimstatt“, kommt die knappe Antwort. Inu Yasha verzieht das Gesicht. Das sind ja rosige Aussichten. Scheinbar muss man diesen Youkai alles aus der Nase ziehen. „Ich wüsste eben gern was uns erwartet“, erklärt er. „Du wirst es erfahren zu gegebener Zeit.“ „Ich würde mich aber bedeutend wohler fühlen, wenn ich jetzt schon wüsste worauf wir uns einstellen müssen.“ „Du redest zu viel, Hanyou“, stellt sie streng fest. „Und du hast deine Antwort bereits erhalten.“ Inu Yasha seufzt. Das wird vermutlich ein langer Marsch werden. Stoisch folgt er mit Kagome der Inuyoukai und hofft im Stillen, dass er am Ende ihres Weges vielleicht endlich ein paar wirkliche Antworten erhält. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)